1910 / 137 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 14 Jun 1910 18:00:01 GMT) scan diff

-

erklärte der Redner, daß die Schlihtung des Streites in Böhmen beginnen müsse, wo der Boden dafür am besten vorbereitet set. Die Negierung habe daher eine Einladung zu einer vorläufigen Besprechung der böhmischen Frage erlassen, von der sie nah dem zu- stimmenden Beschlusse der Mehrzahl der beteiligten Parteien ih wertvolle Anhaltspunkte für die Friedensaktion versprehe. Leider habe eine böhmische Partei, die früher stets am wärmsten für eine Verständigung eingetreten sei, beschlossen, die:Lösung der Sprachen- frage auf anderem Wege anzustreben und sich an den gegenwärtigen ENR Edu daën niht zu beteiligen. Der Minister beklage dies aufs tiefste, Age jedoh die Hoffnung nicht auf, daß es wenigstens zu unverbindlihen Besprehungen kommen werde. Sollte diese Methode niht zum Ziel führen, dann freilih müßte man es auf andere Weise zu erreichen suhen. „Kommt die Annäherung einmal zustande“, so {loß der Minister, „und sie muß zustande kommen, dann ist der Zusammens{chluß aller großen nationalen Parteien zu gemeinsamer Arbeit auf fulturellem und wirtschaftlichem Gebiete ge- sichert, dann wird das Haus die Kraft und die Verantwortungs- freudigkeit zur Wsung der shwierigsten Aufgaben finden.“

J

Darauf wurde die Generaldebatte über das Budget ge-

lossen.

-

Großbritannien und Frland.

Wie das „Reutersche Bureau“ erfährt, ist der englischen Regierung seitens der französischen Regierung der Vorschlag gemacht worden, über die Kretafrage in London eine Konferenz abzuhalten. Der Vorschlag werde gegenwärtig von der ‘englischen Regierung erwogen. E

Im Unterhause kündigte der Moteriisiee Asquith gestern, „W. T. B.“ zufolge, an, daß dem Hause heute Königliche Botschaften zugehen würden, die die Zivilliste und die Einführung «æines Negentschafts- geseßes zum Gegenstand haben würden. Am Donnerstag werde die Regierung beantragen, eine Kommission zu ernennen, die sich mit der Zivilliste und der Einführung des Negentschafts- geseßes befassen solle. Auf eine Anfrage teilte der Premier- minister noch mit, die Regierung beabsichtige, demnächst eine Vorlage einzubringen, durch die der Wortlaut des bei der Thronbesteigung vom König zu leistenden Eides geändert werden solle. Hierauf wurden an die Regierung verschiedene Anfragen gerichtet.

Der Abg. Sir James Dalziel (liberal) stellte an den Staats- sekretär des Auswärtigen die Frage, ob in bezug auf Aegypten irgend eine erheblihe Meinungsverschiedenheit zwischen dem diplomatischen Agenten Sir Eldon Gorst und dem Auswärtigen Amt bestehe, und ob dieser noh das volle Vertrauen der britishen Regierung genieße. Sir Edward Grey erklärte hierauf, daß keinerlei derartige Diffe- renzen beständen und e er die Gelegenheit benuye, hier aus- zusvrehen, wie sehr die Regierung die Arbeit Sir Eldon Gorsts zu schäßen wisse. Er wüßte nit, daß irgend etwas vorgefallen oder ge- sagt worden sei, das Anlaß zu einer folhen Mißdeutung hätte geben können. Auf eine weitere Anfrage Dalziels, ob Grey dafür sorgen wolle, daß Theodore Noosevelt eine Kopie dieser Antwort zugestellt werde, erwiderte Grey, daß hierzu keine Veranlassung vorliege. Balfour erklärte, in seinem Urteil über Aegypten habe Noosevelt nichts gesagt, woraus selbst der empfindlihste Brite den geringsten Vorkourf herauslesen könne. Niemand hätte das Brokiem freundliher, ahtungsvoller und sympathisher behandeln können. Eine Selbstverwaltung Aegyptens sei undenkbar. Ein genauer Kenner Aegyptens habe ihm, dem Redner, gelogk, daß die dortige Lage überaus unbefriedigend sei, weil die Autorität der herrschenden Rasse untergraben sei. Balfour meinte, er wisse nicht, ob das die Schuld der ägyptishen Verwaltun set oder ob es Umständen zuzuschreiben sei, über die niemand Gewalt babe; das aber wisse er, daß die Situation nah einer entscheidenden Handlung rufe. Ohne Ansehen und Einfluß wäre es unmögli, daß eine Handvoll britischer Beamten die große Aufgabe lösen könne, die nit allein England, sondern die zivilisierte Welt ihnen übertragen Habe. Sir Edward Grey erklärte, daß Noosevelt ihm seine auf den Neisen dur British-Ostafrika, Sudan und Tp gesammelten Erfahrungen mitgeteilt habe, und er, Grey, habe \e ten einer Erzählung mit größerem Vergnügen gelauscht. Wenn er gefagt hätte, daß eine Ver- öffentlichung dieser Erfahrungen, die Roosevelt, wie er gewußt habe, vorgehabt hätte, irgendwie geeignet sein könnte, ihm eine Verlegenheit zu bereiten, so hätte Noosevelt damit Os zurückgehalten. Aber er habe dies Empfinden nicht gehabt, und habe deshalb keine An- deutung gemacht, daß Noosevelt die öffentlihe Bekanntgabe unter- lassen möge. Er habe Noosevelts Nede mit Engen angehört und geglaubt, daß jeder empfinden müsse, Noosevelts Vortrag stelle, als Ganzes genommen, das größte Kompliment dar, das der Bürger eines fremden Landes der Arbeit eines anderen Landes zollen föônne. Ausgenommen die Erklärung, daß allzugroße

achgiebigkeit denen gegenüber, die _fih der britishen Herr- schaft widerseßten, die Gefahr für Großbritanniens Arbeit in Aegypten bilde, könne er alle Urteile Noosevelts unterschreiben. In der Tat habe die Lage in Aegypten Anlaß zu ernsten Erwägungen gegeben, aber sie sei nit annähernd so ernst, als hier angedeutet worden sei, Le läge keinerlei Grund zur Beunruhigung vor, wohl aber seien Symptome vorhanden gewesen, die Anlaß zur Sorge gegeben und die Aufmerksamkeit der britischen Regierung und der britischen Beamten in Aegypten auf \ich gezogen hätten. Was die Ermordung des Butros Pascha anlange, fo sei es ein Irrtum, zu glauben, im Prozeß gegen den Mörder sei mit unge- wöhnlicher Langsamkeit verfahren worden. Er habe in den leßten Wochen Beratungen darüber gepflogen, welche Maßnahmen zu er- greifen seien, entweder um bei Verbrechen so s{chwerer Art eine \{nellere Bestrafung sicher zu stellen oder ob Großbritannien es in feine eigene Hand nehmen s\olle, gegen folhe Verbrehen mit Hilfe der Okkupationsarmee vorzugehen. er Minister fuhr fort: „Zweifellos habe ich hinfihtlich Aegyptens etne ernste Mahnung zu geben. Wir find verantwortlich für die Negierung in Aegypten, wir müssen für die allgemeine Politik verantwortlih bleiben und die ägyptischen Minister find gebunden, unsern Ratschlägen zu folgen. Die ungewöhnlihe Form der ägyptischen Negierung erfordert großen Takt und guoßes eingefühl, um ihre Aufgabe gerecht zu werden. Es ist unmöglih, daß unser Werk weiterhin glückt, wenn zwishen unsern Natschlägen und der Willensmeinung der ägyptischen Ministéèr Differenzen bestehen. Daß die nationalistishe

resse in Aegypten solche Differenzen als bestehend hinstellt, ist als chwere Beleidigung zu brandmarken. Die antibritischen Agitatoren find nur eine kleine Klasse von Menschen; aber ihr Ziel ist zweifellos, der britishen Dfkupation dadurch ein Ende zu machen, daß sie ihr die Erfüllung ihrer Aufgabe unmöglich machen. Wir sind in erster Linie die Verwalter Aegyptens im Interesse der Eingeborenen, aber wir sind ebenso die Bevollmächtigten für die Ordnung und die öffentlihe Sicherheit und für die Interessen Europas in Aegypten. Es ist sehr wahr, daß die Aufgabe der Verbesserung und der Heran- bildung einer zufricdenstellenden Negierung in Aegypten dur aller- band Beschränkungen beträchtlich ers{chwert ist, die der ägyptischen Regierung in Form von veralteten Vorschriften und von Negeln, die für eine moderne Regierung niht mehr passen, auferlegt sind. Es ist dringend notwendig, daß in naher Zukunft die Vertragsrechte be- züglich Aegyptens auf irgendwelche Weise mehr mit den modernen Anforderungen in Einklang gebracht werden. Es handelt sich hier nicht um britishe Interessen, sondern darum, daß wir im Begriff find, mehr und mehr ein gutes Werk zu vollbringen, und daß die Ausführung dieses guten Werkes davon * abhängig ist, daß wir in Aegypten bleiben. Wir können Aegypten nicht ohne Schande für uns im Stiche lassen. Alle anti- britishe Agitation kann bloß einen Erfolg haben : uns nämli dahin zu R unsere Autorität immer mehr geltend zu machen. Die Ausfrehter haltung der Okkupation und eine gute Regierung ist die

erste Aufgabe der britischen Regierung und des britishen Parlaments. Während der legten Wochen is übrigens die Agitation weniger in Erscheinung getreten, und dies war nicht der Augenblick, eine neue Richtung in der Politik einzuschlagen oder anzukündigen und dur irgend eine drastishe Maßnahme zu zeigen, daß wir gewillt sind, unsere Autorität geltend zu machen.“ ¿

Der Abg. Gibson Bowtkes (liberal) fragte, ob die aus Anlaß der Borromäusfeier veröffentlihte Enzyklika des Papstes, die an der Neformation Kritik übt und die eformatoren verdammt, der britishen Negierung mitgeteilt worden sei. Werde Grey, ‘wenn dies der Fall sei, dem Hause eine Veberseßzung des lateinischen Textes zugeben lassen und wolle er erklären, ob die englishe Negierung beabsichtige, beim Vatikan eine Vorstellung über diesen Gegenstand zu erheben ? Der Staatssekretär Grey erwiderte, die Enzyklika sei der englishen Regierung nicht mitgeteilt worden.

Auf eine Anfrage, ob der Kriegsminister an der Absicht fest- halte, daß Lord Kitchener den Posten eines Generalinspekteurs für die Streitkräfte im Mittelmeer und Südafrika übernehmen Jolle, und wann dies ungefähr geschehen würde, erwiderte Haldane, daß Kitchener ihm mitgeteilt habe, daß er zurzeit das Kom- mando nicht anzutreten wünshe. Die Negierung lege indessen mit Rücksicht auf bereits eingetretene und beabsiditigte Aende- rungen der Ernennung große Wichtigkeit bei und wolle fie deshalb bestehen lassen. ber selbst wenn Kitchener die Stellung übernehme, wären Aenderungen derselben beabsichtigt- über die er demnächst sich des näheren auslassen werde. Er wolle aber jeßt \{on sagen, daß mit dieser Stellung die Allpextion über alle Ueberseestreitkräfte mit Ausnahme von Indien ver unden werden folle und daß der Inhaber dieses Postens niht ständig in Malta residieren werde. Da der Boen ein rein militärisher sei, werde es niht notwendig sein, den Titel Oberkommissar beizubehalten. Auf eine weitere Frage erklärte Haldane, daß die von ihm erwähnten beabsichtigten Aenderungen nichts mit der internationalen Lage oder mit Truppenbewegungen zu tun hätten, fondern lediglich Organi- sationsfragen beträfen.

Im weiteren Verlauf der Sitzung aa Lord Charles Beresford den Ersten Lord der Admiralität McKenna, ob er dem

ause über die Stapellegung zweiter österreihis\cher Lin ien- \hiffe oder Panzerkreuzer des Dreadnought- oder Invincibletyps in Triest bezw. n ela Auskunft geben könne, und ob er amtliche oder nihtamtlihe Mitteilungen erhalten habe, daß zwei andere Schiffe der gleihen Klasse auf österreihishen Werften auf Stapel gelegt worden seten oder gelegt würden. McKenna erwiderte, daß die Regierung nur aus den Blättern davon erfahren habe. Lord Beresford fragte weiter, ob die Admiralität amtliche oder nihtamtlihe Mitteilung darüber erhalten habe, ob die drei Schlacht\hiffe des Dreadnoughttyps und der Invinciblekreuzer, die im dies- jährigen deutshen Marineetat enthalten seien, {on vergeben seien, und, wenn dem so wäre, in welhem Monat des Jahres 1912 diese Schiffe fertig sein dürften? Der Parlaments\ekretär der Admiralität erwiderte, daß nach deutschen Zeitungsmeldungen die Bauaufträge für diese Schiffe bereits erteilt seien. Aller Borauss\icht ia dürfte unter normalen Verhältnissen keines dieser Schiffe eher fertig sein, als im Jahre 1913.

Frankreich.

Die Deputiertenkammer begann Sizßung die Beratung der Jnterpellationen meine Politik.

Nach dem Bericht des „,W. T. B.“ warf der Abg. Albert Thomas (geeinigter Sozialist) der Negterung vor, daß sie sih dur den Kapitalismus und die großen finanziellen Unternehmungen beein- E E und nicht imstande sei, die Arbeiter auf ihre Seite zu ziehen. Ver Redner verlas sodann eine Erklärung, in der das Pro- ramm der Sozialisten dargelegt wird. Der Abg. Lau he (Sozialist) führte Beschwerde über \{lechte Anwendung der Arbeitergesezgebung und erhob GmspüUch gegen die beabsichtigten Flottenaufwendungen.

Hierauf trat Vertagung auf heute ein.

Rußland.

Der Präsident der Reichsduma Gutschkow ist gestern vom Kaiser Nikolaus in einstündiger Audienz empfangen worden. Wie das „W. T. B.“ meldet, berichtete Gutschkow über den Stand der Arbeiten in der Duma. Der Schluß der Session der Reichsduma und des Reichsrats wurde auf den 18. d. M. angesetzt.

Die Reichs duma hat, obiger Quelle zufolge, gestern abend in geschlossener Sißung die Geseßesvorlage über die Bewilligung von Mitteln für den Bau neuer Kasernen im südlihen Finnland angenommen. Gegenüber den Aus- führungen O SET Redner, daß die Vorlage durch die Finnlandsvorlage veranlaßt worden sei, erklärte der Gehilfe des Kriegsministers, daß das Kriegsministerium die betreffenden Maßregeln viel früher E habe.

Die Kommission des Reichsrats zur Beratung der Geseßvorlage für Finnland hat in der gestrigen Sitzung den Entwurf ohne Abänderung genehmigt.

Spanien.

Jn einer Versammlung von liberalen Senatoren und Deputierten hielt der Ministerpräsident Canalejas gestern eine Rede, in der er, „W. T. B.“ zufolge, ausführte:

Gr habe, seit er die Regierung übernommen hâtte, feine einzige von den liberalen Ideen und Forderungen verleugnet oder vergessen, zu denen er fich stets bekannt habe. Weiter erklärte Canalejas, das Steuersystem müsse geändert werden, die Neichsten müßten den s{wersten Teil der Staatslasten tragen. Was die religiöse Frage anbetreffe, so habe der Protest des Heiligen Stuhles ihn niht weiter aufgeregt, denn durch die in dem Königlichen Erlasse vom 11. d. Mts. ent- haltene Auslegung des Artikels 11 der Verfassung sei die Verfassung in keiner Weise verleßt worden. Die Verfassung von 1876 müsse in dem Geiste ausgelegt werden, der die Verfassung von 1869 beseelt habe. Canalejas legte dann dar, was die liberale Partei außerhalb und innerhalb des Parlaments sein müsse. „Meine Anwesenheit im Parlament", sagte Canalejas dann, „wird furz, die Ihrige wird lang sein. S e haben einen anderen Führer nötig.“

Türkei.

Der Thronfolger und der Minister des Aeußern Nifaat Pascha sind gestern von ihrer Reise nah Kon- stantinopel zurückgekehrt. Zwischen dem Sultan und dem König der Bulgaren hat, „W. T. B.“ zufolge, aus Anlaß der Abreise des Thronfolgers ein überaus herzlicher Depeschen- wechsel stattgefunden. Der König drückte die Hoffnung aus, daß der Thronfolger eine gleich angenehme Erinnerung aus Sofia davontrage, wie er hinterlassen habe.

V: Depeschen des Oberkommandanten in Albanien dauert der mand von Truppen in das Gebiet von Morina und Aa an. Jn Prizrend wurden 22 Personen verhaftet. Die 0 ewohner des Nekagebiets lieferten ihre Waffen aus. Die Blockade von Djakova wurde aufgehoben.

Serbien,

Die Regierung veröffentlicht, „W. T. B.“ zufolge, nach- stehendes Com muniqué über die Demission des Kabinetts :

Der einzige Grund der Amtsniederlegung des Kabinetts ist die Haltung, die einige hervorragende Deputierte der parlamentarischen Mehrheit bei Gelegenheit der Abstimmung über Artikel 18 des Wahlgeseßes eingenommen haben, troßdem die Negierung die Vertrauensfrage gestellt hatte. Alle anderen Gründe, die man damit

in der gestrigen über die allge-

iín Verbindung bringt, seien es folhe der äußeren oder der in Politik, sind reiné Md aourigen. Der König hat die Amtsniederlegu niht angenommen und- hat die Negierung, indem er sie seines volles Vertrauens versichert hat, aufgefordert, die Differenzen in der parla. mentarishen Mehrheit zu beseitigen. Die beiden radikalen Klubz sind in Beratungén darüber eingetreten, von deren Ergebnissen es ab, hängen M ob das Kabinett seine Amtsniederlegung rüdgängig machen wird. :

Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die gestrige Sizung des a der Abgeordneten befindet sich in der Erstes Beile uses

Auf der Tagesordnung für die heutige (86.) Sißung

N Dae der Abgeordneten standen zunächst Petitions- erichte. \

Die Gemeinde Nanies (Kreis Jerichow 1) u. a. petitionieren um Zurückerstattung von Bau- und Neparaturkosten für dag Preßiener Wehr und der damit zusammenhängenden Umflut- anlagen. Die Petition wird, soweit sie die Gemeinde Nanics betrifft der Staatsregierung mit der Maßgabe zur ‘Erwägung überwiesen daß der Gemeinde bei Ausführung der Binnenentwässerung eine er: höhte Beihilfe gegeben wird, im übrigen dur Uebergang zur Tages- ordnung erledigt.

Petitionen des Lunow-Stolper Meliorationsverbandezs und der Zehdener Entwässerungskorporation in Freienwalde um Gewährung einer Staatsbeihilfe werden der Staatgs- regierung zur Berücksichtigung überwiesen.

Petilionen des Verbandes deutscher Lohnfuhrunter- nehmer um allgemeine geseßliche Einrichtung von staagt- lih beaufsihtigten und unterstüßten Pferdeversiche- rungsvereinen und des Vereins dentider Viehversiche- rungsgesellshaften um Ablehnung dieser Petition werden der Staatsregierung als Material überwiesen.

Eine ganze Reihe von Petitionen um geseßliche Negelung des Dienstbotenwesens und ferner Petitionen von Erbscholtisei- besißer Elsner und Genossen in Schlottendorf bei Camenz (Schlesien) und von Guts- und Amtsvorsteher Peschke und Genossen in Groß- Noßen (Kr. Münsterberg) um geseßliche Regelung des Diensft- botenwesens auf dem Lande sollen nah dem Antrage der Kommission der Staatsregierung als Material überwiesen werden.

Abg. Berndt (Zentr.) beantragt, die beiden leßten Petitionen der S taatsregierun zur Berücksichtigung zu überweisen.

Abg. Dr. Liebkneht (Soz.): Die Gesindeordnung, auf der im wesentlihen das Dienstbotenrecht beruht, ist ein Produkt der feudalen Gesellschaftsordnung. Diese patriarchalische Gesfellschaftéordnung seßte ein persönliches Verhältnis zwischen dem Dienstherrn und dem Gesinde voraus. Der Dienstherr übernahm damit gewisse sittliche Pflichten gegen- über den Dienstboten. Diese sozialen Vorausseßungen sind aber durch den Fortschritt der Zeit längst zertrümmert worden; nur hier und da sind noh einige Nesle davon vorhanden. Das ländliche Gesinde wird förmlih wie auf einem Sklavenmarkt in der Stadt dur eine Auktion angeworben. Wenn man sih auf dem Lande über Dienstbotennot beklagt, so ist der Grund dieser Not die Nechtlosigkeit der Dienstboten. Es is ein Irrtum, anzunehmen, daß die Dienstboten auf dem Lande sich in einer günstigen wirt- schaftlihen Lage befinden. Wie die Agrarier ihre Unter- gebenen behandeln und unterbringen, ist seinerzeit von hoher Stelle

erüzt worden. Besonders \{chlecht ist das Gesinde in bezug auf ie Unfallversicherung gestellt, für das Gesinde besteht au. die Krankenversicherung nit; die Herrschaft ist nicht verpflichtet, über die Kündigungszeit hinaus für das e:fkrankte Gesinde zu sorgen. Das Verbot der Einbehaltung des Arbeitslohns und der Aufrechnung gegen den Lohn besteht für das Gesinde nit, die Herrschaft kann unter Umständen bei der Entlassung Lohn einbehalten. us meiner Anwaltsprarxis kenne „ih den Fall, daß eine Herrschaft aus sehr vornehmem Stande einem ‘armen Dienslmädchen, das ein wertvolles S L hatte an lassen, dafür den ganzen Lohn abzog. Der Arbeiterschu esteht ebenfalls nicht für das Gesinde, cs gibt keine Beschränkung der Arbeitszeit, keine Verpflichtung der Herr- schaft, für die Gesundheit des Gesindes zu sorgen, keine Sonntags- ruhe. Früher hatte die Herrschaft wenigstens noch an dem Gesinde dasselbe Interesse wie am Vieh; heute hat aber das persönliche Ver- hältnis zu dem Gesinde aufgehört. Schützen kann sih das Gesinde nur durch den Kontraktbruh. Wir betrachten diesen Kontraktbruh als die nüglichste Neaktionsersheinung gegen die Verhält- nisse, unter denen das Gesinde heute lebt. Ohne Kündigung den Dienst verlassen darf das Gesinde nur, wenn „Ehrverleßzungen oder Mißhandlungen von ungewöhnlicher Härte“ vorkommen. n einem Fall hat aber das Gericht die Behandlung eines Dienstboten mit der Peitsche niht als ungewöhnliche Härte angesehen, weil keine Lebens- gefahr vorlag. Es sind auch Fälle vorgekommen, in denen tas Glinte nfs mit dem Nevolver niedergeknallt wurde. Die Gesindeordnung teilt die Menschen in Herren und Knechte ein. Nach dem Geseg von 1850 besteht auch noch die Bestrafung des Kontrakt- bruchs der ländlichen Arbeiter und des Gesindes. Man kann hier von einer modernen Sklaverei eten, Aber die Verhältnisse sind stärker als das Gesetz; die Fälle des Entlaufens aus dem Dienst und die Kontraktbrüche sind so zahlreich, daß sie selbs mit Hilfe der preußishen Polizei nicht alle zur Bestrafung zu bringen find. Wir Segrten die Organisation der Dienstboten und das Gntskehen eines Dienstbotenorgans; es ist erfreulih, daß dieser Geist der Rebellion sih regt. Wenn Sie (zur Nechten) die Gesinde- ordnung fogar noch rückwärts revidieren wollen, so zeigt das den Geist, von dem Sie bescelt sind. Die Gesindeordnung muß als Schandfleck der preußischen Gesetzgebung \{leunigst beseitigt werden.

(Schluß des Blattes.) ,

Bei der am 9. Juni erfolgten Neichstagsstihwahl im 7. Wahlkreise des Regierungsbezirks Liegnit (Landeshut-Bolkenhain-Jauer) sind nach amtlichen Ermittlungen insgesamt 17 207 Stimmen abgegeben worden. Davon haben der Arbeitersekretär Proll- Landeshut (Soz.) 7807 und der (Seheime Nat Vüchtemann - Halensee (fortshr. Volksp.) Leo erhalten. Geheimer Nat Büchtemann ist somit gewählt.

Nr. 24 des „Zentralblatts für das Deutsche Reich“ herausgegeben im Reichsamt des Innern, vom 10. Juni, hat folgenden Inhalt: 1) Konsulatwesen: Ermächtigung zur Vornahme von Zivil- standshandlungen. 2) Finanzwesen : Autführungébestimmungen zum Neichs\huldbuchgefeße; Nachweisung von Einnahmen der Neichs-Poft- und Telegraphen- sowie der Neichs-Cisenbahnverwaltung für das Rechnungsjahr 1909. 3) Post- und Telegraphenwesen: Aenderung der Postordnung vom 20. März 1900. 4) Zoll- und Steuerwesen : Veränderungen in dem Stande und den Befugnissen der Zoll- und Steuerstellen ; Deränderungen in den Abfertigungsbefugnissen von Zoll- und Steuerstellen; Entrichtung der weiteren Abgabe für bei Versicherungs-Aktiengesells{aften hinterlegte Wechsel u dieser Gefellschaften; Ergänzung des Verzeichnisses der Vergällungsmittel für Essigsäure; Grundsäße für die Gewährung von Beihilfen an Tabakarbeiter. 5) Polizeiwesen : Ausweisung von Ausländern aus dem Neichsgebiet.

Statistik und Volkswirtschaft.

Na Mwetf una der Rohsolleinnahme an Neichsstempelabgabe für Wertpapiere. April 1910 A 1909 bis Mat is Mai 1910 1909

Zen M | A M | A

Mai 1910

M

Wertpapiere

| |

. Inländishe Aktien und Interimsscheine . Anteilscheine der deut- ee Kolonialgesell- jaften und derx thnen gleihgestellten deut- \hen Gesellschaften .- Ausländische Aktien und Interimsscheine 101 493 . Inländische Renten- ' und Schuldverschrei- bungen und Interims- scheine außer den unter V genannten . Inländische, auf den Inhaber lautende und auf Grund \taat- liher Genehmigung ausgegebene Renten- und Schuldverschrei- bungen der Kom- mnunalverbände und Kommunen, der Kor- porationen ländlicher oder städtischer Grundbesißer, der Grundkredit- und Hypothekenbanken oder der Eisenbahn- gesellschaften fowie Interimsscheine . . . . RNenten- und Schuld- verschreibungen und Interimsscheine aus- ländisher Staaten, Kommunalverbände, Kommunen u. Eisen- bahngesellschaften . . Ausländische Nenten- und Schuldverschrei- bungen und Interims- scheine außer den | unter VI genannten 61 414/40 109 953/60] 279 754/20 WITII. Bergwerksanteil- i cheine und Gin- zahlungen auf solche IX. Genußscheine . 73|—

zusammen : | 4 322 581/25 Berlin, den 13. Juni 1910. Kaiserliches Statistishes Amt. Ge °

25: Dr. Zacher.

3 236 166/60} 6 202 709/80] 2432 554/60

3 070

221 335

289 700 783 198|—| 443 181

336 250/50] 1 108 127/: 909 992

230 6356 448 910

47 158/50

7 543 4 337 820/80

89 653/75 15 137

9 045 903

66 847/25

« Zur Arbeiterbewegung.

Auch nach den heute vorliegenden Nachrichten haben die örtlichen «inigungsverhandlungen im Baugewerbe nirgends zu einem Ergebnis geführt. Gescheitert sind neuerdings nah Blâttermeldungen die Verhandlungen in Bielefeld, Barmen, Cöln, Leipzig, Mannheim, Stuttgart und Lübeck. Nur im südlichen Teile

‘des bayerishen Negierungsbezirks Schwaben, in dem u. a. die

Städte Kempten, Immenstadt, Lindau und Kaufbeuren liegen, ift eine Einigung zustande gekommen. Das allgemeine Schiedsgericht in Dresden ist gestern zu seiner \{hwierigen Arbeit zusammengetreten.

In Hannover haben, der „Voß. Ztg.“ zufolge, gestern acht große Me tallarbeiterversammlungen den einseitigen Arbeits- nachweis des Arbeitgebervereins für unannehmbar erklärt und fi für ‘die Fortführung des Kampfes in der Hagen-Schwelmer Metall- industrie ausgesprochen. | i

Der Ausstand in der Chemischen Fabrik Griesheim, der etiva ‘200 Arbeiter umfaßte, ist, wie die „Köln. Ztg.“ meldet, bei- elegt worden, dagegen sind dite Arbeiterinnen der Gelatine-Fabrik chs a. M. in den Ausstand getreten, obshon ihnen eine Lohn- erhöhung zugestanden worden war.

Die Vertreter der Regierung, der Fabrikanten und der An- gestellten der Wollenindustrie in Huddersfield sind zu einer vorläufigen Verständigung gelangt. Die Angestellten werden, wie das „W. B“ meldet, infolgedessen wahrscheinlich ihre Streik- ankündtgungen zurückziehen.

(Weitere „Statistishe Nachrichten“ \. |. d. Ersten Beilage.)

Kunst und Wissenschaft.

Das Jahrbuch der Königlich preußischenGeologischen 'Landesanstalt zu Berlin für das Fahr 1906 ist erschienen und kann’ zum Preise von 15 4 sowohl durch die Vertriebs\telle der Königlich preußishen Geologischen Landesanstalt zu Berlin N. 4, Invalidenstraße 44, als auch durch jede Buhhhandlung bezogen werden.

Land- und Forstwirtschaft.

Saatenstand in Ungarn.

Der amtliche Saatenstandsberiht vom 9. Juni d. J. {äßt den "Grtrag an Weizen (in Millionen von Meterzentnern) auf 53,90, von Roggen auf 15,74, von Gerste auf 15,17 und von Hafer auf 11,94 gegen den vorjährigen faktishen Ertrag von 30,85, 11,96, 15,65 und 13,39 Millionen Meterzentnern. Die Entwiklung der Maispflanze und der Zukerrüben befriedigt. Hülsenfrüchte ver- isprehen ein reihes Erträgnis. Mitte Mat und Anfang Juni herrschte günstige Witterung, wiewohl Gewitterregen und Vagel stellenweise unwesentlihen Schaden verursachten. Im allge- meinen entsprach die Entwicklung der Vegetation haupisachlih für die Wintersaaten, welche im Landesdurchschnitt einen günstigen Stand „aufweisen. Für die Sommerhalmfrüchte war die Witterung nicht entsprehend, besonders für Hafer und teilweise auch 0e Sommer- gerste, deren Entwicklung auch heute unbefriedigend ist. Laut eins „gelangter Meldungen dürfte Hafer einen geringeren Crtrag liefern als im Vorjahre, was auf Frühlingsfröste sowie kühles, windiges und regnerisches Wetter im März und April zurückgeführt wird, und die {wache und empfindliche Pflanze konnte weder im Frühjahr noch 'fpâäter genügend Kraft gewinnen. Die Haferfaaten zeigen lichtgelbe Flecken, und im ganzen Lande klagt man über ungleichmäßige Entwicklung. Die Bebüschelung war ebenfalls keine entsprechende, und auch Unkraut und wilder Neps bewirkten einen Rückfall der Hafer- faaten. All dies zusammengefaßt ist eine weitere Verschlehterung der Hasersaaten nicht ausgeschlossen. Auch Sommergerste zeigt Fehler, Brand und sporadisch Rost. Nichtsdestoweniger dürfte der Ertrag mittel und gutmittel ausfallen. Die Rapsfcaten versprehen ein Mittel- und Üebermitteterträänis, Die Saat wurde bereits geschnitten, nd der Drusch liefert befriedigende Resultate. Von Winterbrot-

frühten verspriht Weizen und Noggen infolge überaus günstiger Wikterung im Landesdurchschnitt eine gute Ernte. _Roft hat noch nirgends Schaden verursacht und- blieb auf die Blätter beschränkt, ohne daß Halm und Aehren in Mitleidenschaft gezogea worden wären. Rüksichtlich,des Umstandes, daß Weizen- und Nogagen- halme wie auch die Aehren kräftig und gesund sind, kann gehofft werden, daß die bisherigen Ernteaussichten sih bis zur Ernte noch steigern, beziehungsweise dur Qualität der Körner verbessern werden. Die Aussidhten auf die Ernte der Wintersaaten steht somit günstig, sowohl hinsichtlih der Körner als auch des Strohquantums. Der Stand der Hackfrüchte wird gelobt, was insbefondere für Mais, Kar- toffeln und Nüben gilt. Dieje Pflanzen bessern sich augenscheinlich, da sie rechtzeitig Regen bekamen, wobei Hackarbeiten verrichtet werden konnten. Hanf, Flachs, Tabak und Hopfen stehen eben- falls befriedigend; die beiden leßteren werden behauen. Garten- gewächse stehen befriedigend, wiewohl sie des Re ens bedürfen. Futterarten versprehen reiche Grnte; Weiden und Wiesen find ent- \sprehend gut. Weinstock und Obstbäume sind sehr ungleihmäßig, sodaß bezüglich des Ertrags kein Prognostifkon aufgestellt werden kann. Weizen wurde auf einer Fläche von 6,13, Roggen und Halbfrucht 1,96, Gerste 2,06 und Hafer 1,93 Millionen Katastraljoh angebaut, und wird das Erträgnis per Katastraljoh auf 8,78, 8,01, 7,063 und 6,17 Meterzentner ges{chäßt. (Ungar. Tel.-Korr.-Bur.)

Ueber Mt über die Eina- und Ausfuhr von Getreide und Kartoffeln in Antwerpen im Monat Mai 1910. (Nach einem Bericht des Kaiserlichen Generalkonsulats in Antwerpe n.)

Eingeführt wurden: Noggen: aus Deutschland . NuBland den Niederlanden

Chile

11480 dz 12 660

2760 1980 ,

28 880 dz.

10 dz 566 640 519910 499 010

215 320 139 370 105 490 56 000 25 670

14 060

1 350

2142830 az.

Gerste: aus Deut land 300 4az Rußland . S 90 200 Numänien Ï 40 250 den Niederlanden 8 080 Argentinien . 5 320 Aegypten . 4 180 Canada A e 1 400 Ula S L, 4 890 NOEITETTEIW-LINIGOUN « ¿a » e 480 Dea 290

151 390 dz.

Nußland . 40240 dz Tae L Ee» 160. den Vtiederlanden . 10 2

aus Deutschland . Australien Argentinien a E den Vereinigten Staaten von Amerika . R N Rumänien Bulgarien Canada Britisch-Indien den Niederlanden Uruguay

Weizen:

11860 dz.

330 dz 206 870 ,„

39 770 27 790 27 120 25 340 22 360 22110

au D Ban Rumänien L E ITIE A den Vereinigten Staaten von

Amerika . S A Nußland Natal Bulgarien dem Kap . Argentinien . den Niederlanden . 5810 Großbritannien . « A4 3 1 990 Britisch-Indo-China . . ._. 120 Frankreich L e: A 100 379 710

Kartoffeln: aus den Niederlanden 3 680 Wr e 1 400 O e E 190 Me E R I Grotbrttanniat e, , «2 40

s 28 E R E 2 E E

c Qu m

5460 dz.

Ausgeführt wurden:

Noggen: nah Deutschland . den Niederlanden

1210 dz 15900.

2 (10 dz.

580 060 dz

nah Deutschland . 83110

den Niederlanden Dänemark 6 500 Schweden . - i L 3 000 Großbritanien. , «A 50

672720 dz.

2220 dz

4900

6770 dz.

Weizen:

nach Deutschland .

Gerste: | den Niederlanden

Hafer: nichts.

Mais: nâch Deutschland. 13280 dz G LOES 27 950 Dan VHEDETTANOMN « « ¿L 640 DOTIMGGE 4 l o E A 490 A s 6 490 Gor. » «4-4 40

42 890 dz.

Kartoffeln: nah Deutschland". 20 dz Le R A D.000 Den VETCDETIONDEN. + ere s 250 E 150 O R 130 WIDTGITOE e L 100 N E A 30 Mee a S 10 dent Go, A 10

1380 dz.

Saatenstand und Getreidehandel in Numänien.

Der Kaiserliche Generalkonsul in Gala§ß berichtet unterm 7. d. M. : Das der Vegetation heuer außergewöhnlih günstige Frühlingswetter hat auch noch durch den Monat Mai hindurch angehalten. Aller- dings sind hier und da au Hagelschläge aufgetreten, doch haben die- selben bisher keinen nennenswerten Schaden angerichtet. Aehnliches gilt von den aus verschiedenen Gegenden gemeldeten eberschwemmungen.

Im allgemeinen können die rauliGlen nach wie vor als recht ünstig bezeichnet werden. Diese Sachlage im Verein mit den gleich- falls sehr günstigen Meldungen aus fast allen wihtigeren Getreide- ländern darf wohl als die Hauptursache des starken und andauernden Preisrückganges bezeichnet werden, der dem rumänischen Getreidegeschäft im vergangenen Monat sein besonderes Gepräge verlieh. Beeinflußt wurde diese rückläufige Bewegung in erster Linie durch die Gestaltung der Verhältnisse auf den russishen Märkten. Alter Weizen ist um 3-—9 Fr. pro 100 kg zurückgegangen und wurde hauptsählih nach Italien abgeseßt, während Deutschland und Belgien troß dieser Preis- reduktion noch immer zurüchielten. Jn Neuweizen fanden ebenfalls größere Abschlüsse nah Jtalien statt. Mais hat namentlich in der zweiten Hälfte des Bexichtêmonats einen starken Preisrückgang er- litten, der hauptsächlich dem großen Angebot Argentiniens zu EeNE lich reduzierten Preisen zuzuschreiben ist. Jn Roggen fehlt fast jede Nachfrage. Ueber Sulina seewärts wurden in der Zeit vom 1. bis 28. Mai verfrachtet: Weizen 24430 t Roggen T0 0 t Gertlte 23 599 t Hafer . "00296 : Mas O Außerdem 1469 & Bohnen.

Die Preise stellten si, wie folgt : 1000 kg cif Kontinent ABelzen SO/S1 Eo D 6 146,— prompt L COLRO S 140, 7 Juli/August 140,— (neue Ernte) Helenen . . 110,— D 98,— 97,— prompt 0/

E [4 95,—

Í pr. Noggen

Gerste

Hafer 44/4: x y 50/51 100— , Das Donat E 98— , O 38— , v AGINQUANRNO C D Die Frachten waren sehr ruhig und notierten: Donau—Notterdam 5/6—6/ j Antwerpen 6/— —6/3 Charterdampfer 7/9—8/— Sulina,

Der Kaiserliche Konsul in Jassy berichtet unterm 6. d. M.: Der vielversprehende Stand der Saaten hat durch die während des ganzen Mai anhaltende Troenheit Einbuße erlitten, besonde1s in den nördlichen, zum Teil auch in den westlichen Bezirken der Moldau; in den südlihen waren die Niederschläge wenigstens so hin- reichend, daß Aussichten für eine mittlere Ernte vorhanden sind. Die Körnerfrühte, Weizen und Noggen, stehen im Norden des diesseitigen Amtsbezirks ungünstig, im Süden mittelmäßig, desgleichen der Hafer; Gerste hat weniger gelitten, Naps dagegen ift durch Würmerfraß ges{ädigt. Der Mais steht bisher befriedigend ; die erste Behackung ist beendet, und bei günstigen Witterungsverhält- nissen verspricht wenigstens diese für den Bed 1rf des Bauern so wichtige Fruchtart eine gute Ernte. Die Zuerrüben, obwohl fie stellenweise durch Würmer gelitten haben, zeigen im allgemeinen ein gutes Aussehen.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrung®s- maßregeln.

Niederlande.

Die niederländische Regierung hat durch Verfügung vom 9. d. M,, veröffentliht im Niederländishen Staatscourant Nr. 133 vom 10. d. M., Nostoff am Don und Cherson für cholera- verseucht erklärt. Die Quarantänefrist ist auf 5 Tage festgesezt.

Mannigfaltiges. Berlin, 14. Juni 1910.

In der gestern abgehaltenen Sitzung des unter dem Protektorat Seiner Majestät des Kaisers und Königs stehenden Vereins zur Besserung der Strafge fangenen in Berlin machte der Präsident, Generalstaats8anwalt Supper Mitteilung von einen Schreiben des Staatssekretärs des Reichéamts des Innern, in dem der Herr Reichskanzler für die Uebersendung des letzten Jahresberichts danken und mitteilen läßt, daß er dem Verein nah wie vor als Mit- glied angebören wolle. Des ferneren matte der Vorsitende bekannt, daß die Gemeindebehörden von Berlin dem Verein für 1910 einen Zuschuß von 5000 4, die von S{öneberg einen solchen von 50 4 überwiesen haben. Nach dem hierauf von dem Leiter des Arbeitsnach- weiseburcaus Herrn Ne ckes erstatteten Berichte haben im Monat Mai cr. 924 Personen die Gewährung der Vereinsfürsorge nachgesucht, 356 mit der Bitte um Arbeitsnahweis; 264 Personen konnte Arbeit nachgewiesen werden; seit 1. Januar cr. stellten sih die Zahlen auf 2674 refp. 1785 resp. 1219. Die weitere Entlassenenfürsorge betreffend, unter- stehen dem Verein zurzeit 174 Polizeiobservate und 124 bedingt Ver- urteilte. Bei 374 Personen hat der Verein bei der Polizeibehörde die Zurücknahme der Ausweisung in den meisten Fällen befürwortet ; für 10 Personen, die um ihre vorläufige Entlassung gebeten, hat der Verein Beschäftigung und Wohnung vermittelt; an Iugendlichen sind ihm im Monat Mai 21 Personen zur Fürsorge überwiesen worden. Infolge des besonders guten Einvernehmens mit dem Königlichen Polizeipräsidium is es dem Verein gelungen, einem Strafentlassenen, dec {wer bestraft war, die Konzesfion zum Nestaurationsbetriebe zu erwirken. Als dankbares Zeichen hat der Betreffende dem Verein einen Geldbetrag übersandt und si verpflichtet, Shüßlinge des Vereins „in Arbeit zu nebmen: Nach einigen anderen erfreuliden Mitteilungen aus der Praxis wurde über die Unterbringung von Knaben (Fürsorgezöglingen) als Schiffsjungen verhandelt. Eine längere und eingehende Diskussion knüpfte sih an einen Vortrag des Herrn Pastor Diestel, betr. Verwaltung der dem Verein überwiesenen „Therese Bernstein-Stiftung" im Betrage von 20 000 46. Diese Stiftung verdankt ihr Entstehen der Initiative des auf dem Gebiete der Gefangenenfürsorge hervorragend tâtigen Wirklichen Geheimen Oberregierungsrats, Professors Dr. T ot; die Zinsen des Kapitals (800 46) sind aus\{ließlich zur Förderung der freiwilligen, individuell-intimen Einzelfürsorge (Individualpflege) an den Entlassenen aus der Strafanstalt Moabit, den Strafgefäng- nissen Plößensee und Tegel und dem Untersuhungêgefängnis Alt- Moabit 11, soweit es männliche Strafgefangene enthält, bestimmt. Es kommen hierbei 8—10 Sträflinge in Betracht, und zwar solche mit langfristigen Strafen. Die Zinsen können angesammelt werden, sodaß dem Bedachten nach Verbüßung der Strafe mit einen größeren Betrage nahdrücklich geholfen werden kann. Der Verein hat auf die Verwendung der Stiftung keinen Einfluß und wird es Sache der Strafanstaltsdirektoren n über die Bestellung von Pflegern Beschlüsse zu fassen. Hierau wurde beschlossen, daß Herr Lehrer Néve auf Vereinskosten au in diesem Jahre wieder eine Nevisiousreise unternimmt, um an Ort und Stelle die Wünsche der Schüglinge und der Arbeitgeber entgegenzunehmen und wahrheits- getreue Nachrichten über die Erfolge der Fürsorgetätigkeit des Vereins zu erhalten. Der Verein begnügt ih nämlich keineswegs damit, den Strafentlassenen Arbeitsgelegenheit zu verschaffen, sondern hält, soweit es ihm mögli ist, seine Hand auch noch längere Zeit hindur über seinen Schußbefohlenen. Diesem Zwecke dienen denn auch diese Nevisionsreiseu. Die nächste Sitzung des Vereins findet erst im September statt.