1910 / 138 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 15 Jun 1910 18:00:01 GMT) scan diff

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ein persönliches Verhältnis zwischen dem Dienstherrn und dem

Haus der Abgeordneten. :

86. Sißung vom 14. Juni 1910, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

__ Ueber den Beginn der Sigung, in der zunächst Peti- tionen beraten werden, ist ‘in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet E / ine eihe von Petitionen um geseßlihe Regelung des Dienstbotenwesens und ferner Petitionen von Erbs oltisei- besißer Elsner und Genossen in Schlottendorf bei Camenz (Schlesien) und von Guts- und Amtsvorsteher Peschke und Genossen in Groß- Noßen (Kr. Münsterberg) um Belegree Regelung des Dienst- botenwesens auf dem Lande follen nah dem Antrage der Kommission der Staatsregierung als Material überwiesen werden.

Abg. Berndt (Zentr.) beantragt, die beiden leßten Petitionen der Tre eoierung zur Berücksichtigung & überweisen.

lh Dr. Liebknecht (Soz.): Die Gesindeordnung, auf der im wesentlihen das Dienstbotenreht beruht, ist ein Produkt der feudalen Gesellshaftsordnung. Diese patriarcalische Gese ae R lebte

esinde voraus. Der Dienstherr übernahm damit gewisse sittliche Pflichten gegen- über den Dienstboten. Diese sozialen Vorausfeßungen find aber durch den Fortschritt der Zeit längst zertrümmert worden; nur hier und da sind noch einige Reste davon vorhanden. Das ländliche Gesinde wird förmlich wie auf einem Sklavenmarkt in der Stadt durch eine Auktion angeworben. Wenn man \ich auf dem Lande über Dienstbotennot beklagt, so ist der Grund dieser Not die Nechtlosigkeit der Dienstboten. Es ift ein Irrtum, anzunelunen, daß die Dienstboten auf dem Lande \ich in einer günstigen wirt- schaftlichen Lage befinden. . Wie die Agrarier ihre Unter- gebenen behandeln und unterbringen, ist seinerzeit von hoher Stelle gerügt worden. Besonders \{chlecht ist das Gesinde in bezug auf die Unfallversicherung gestellt, für das Gesinde besteht au die Krankenversicherung nicht; die Herrschaft ist nicht verpflichtet, über die Kündigungs8zeit hinaus für das erkrankte Gesinde zu sorgen. Das Verbot der Einbehaltung des Arbeitslohns und der Aufrechnung gegen den Lohn besteht für das Gesinde nit, die Herrschaft kann unter Umständen bei der Entlassung Lohn einbehalten. Aus meiner Anwaltspraxis kenne ih den Fall, M eine Herrschaft aus sehr vornehmem Stande einem armen Dienstmädchen, das ein wertvolles S irr hatte N lassen, dafür den ganzen Lohn abzog. Der Arbeitershu esteht ebenfalls nicht für das Gesinde, es ibt keine Beschränkung der Arbeitszeit, keine Verpflichtung der Herr- aft, für die Gesundheit des Gesindes zu sorgen, keine Sonntags- ruhe. Früher hatte die Herrschaft wenigstens noch an dem S dasselbe Interesse wie am Vieh; heute hat aber das persönliche Ver- hältnis zu dem Gesinde aufgehört. Schüßen kann sich das Gesinde nur durch den Kontraktbruch. Wir betrachten diesen Kontraktbruh als die nüglihste NReaktionsersheinung gegen die Verhält- nisse, unter denen das Gesinde heute lebt. Ohne Kündigung den Dienst verlassen darf das Gesinde nur, wenn „Ehrverlezungen oder Eng von ungewöhnlicher Härte" vorkommen. In einem fa hat aber das Gericht die Behandlung eines Dienstboten mit der eitshe A als ungewöhnlihe Härte angesehen, weil keine Lebens- gefahr vorlag. Es sind auch Fälle vorgekommen, in denen das ae einfsach mit dem Revolver niedergeknallt wurde. Die Gefindeordnung teilt die Menschen in Herren und Knechte ein. Nach dem Geseß von 1850 besteht auch noch die Bestrafung des Kontrakt- bruchs der Tändlihen Arbeiter und des Gesindes. Man kann hier von einer modernen Sklaverei \prechen. Aber die Verhältnisse sind stärker als das id die Fâlle des Entlaufens aus dem Dienst und die Kontraktbrüche sind so zahlrei, daß sie selbst mit Hilfe der preußishen Polizei nicht alle zur Bestrafung zu Res sind. Wir begrüßen die Organisation der Dienstboten und das Gntstehen eines Dienstbotenorgans; es ist erfreulih, daß dieser Geist der Rebellion sih regt. Wenn Sie (zur Rechten) die Gesinde- ordnung sogar noch rückwärts revidieren wollen, so zeigt das den Geist, von dem Sie beseelt sind. Die Gesindeordnung muß als Schandfleck der preußischen Geseßgebung \{leunigst beseitigt werden.

Abg. Berndt (Zentr.): Ich sehe davon ab, auf die Ueber- treibungen und Entstellungen in der Nede des Vorredners einzugehen.

wei der hierher gehörigen Petitionen stammen aus meinem Wahl- reise Frankenstein-Münsterberg; die Kommission will auch sie der Regierung als Material überwiesen wissen. Ih möchte versuchen, ihnen ein besseres Schicksal zu bereiten. Eine Ueberweisung als Material et in vielen pes nichts anderes als ein \tilles Begräbnis im Papier- korb, und ein Begräbnis ist immer eine Taue Sache, es würde der moralischen und ad alb gp Bedeutung der Sache niht entsprechen. § 5 der Gesindeordnung muß umgearbeitet werden. Er sagt {hon jeßt, daß wer \ich als Gesinde vermieten will, über seine Person frei ver- fügen können muß, aber er schreibt nicht vor, dal, vor Ab- {luß des Mietsvertrages der Dienstsuchende durch Beibringung von polizeilichen Bescheinigungen dies nachzuweisen hat. iese Versäumnis muß nahgeholt werden, das verlangen die beiden Pett- tionen. Wir müssen diesen Mangel umsomehr beklagen, als zahllose Fälle von Betrug und Schwindel festgestellt find. Warum hat der Gesetzgeber vor 100 Jahren diesen Nachweis nicht gefordert ? 1810 war eine Zeit des stärksten wirtshaftlihen Tiefstandes; Handel, Wandel und Landwirtschaft waren lahmgelegt; die brutale Faust des fkorsischen Eroberers lastete {wer auf dem Volke. Mit konnte auch niht verhüten, daß fich einmal alle Verhältnisse ins Gegenteil verkehren würden, daß sich ein \o intensiver Betrieb der Landwirtshaft nötig machen werde, der ungeheuere Anforderungen an die Arbeitskräfte stellt. Der Schwindel i} in den lezten Jahren in einen Unfug ausgeartet, der als {chwerer wirtschaft- licher und moralischer Schaden bezeihnet werden muß. Leichtsinnige Dienstboten, namentlich die jüngeren, unverheirateten Elemente, ver- mieten \sich vielfah; ein Mitglied des Hauses hat mir erzählt, daß im vorigen Jahre ein Knecht fih ‘20mal vermietete; ih kenne einen

all, daß ein Knecht sich 29mal in einem Jahre vermietete. Also diese Petition ist kein leerer Schall, sie entspringt aus der Not- wendigkeit; Abhilfe muß geschaffen werden. Leider gibt es auch in den Kreisen der Landwirts@aft unanständige, perfide Elemente, die ihren Berufsgenossen, ihren Nachbarn die Leute einfah wegnehmen ; wer anständig ist, dabei niht mitmacht, zieht den kürzeren. Gewissen Gefindevermittlungsgeshäften werden dadurh Schlepperdienste ge- [eistet. Damit wird s{chließlich die Axt an die Wurzel der Volks- esundheit gelegt, die im Bauernstand wurzelt, im Bauernstand, der für die Crnährung des Volkes zu forgen hat, der für die RNekrutierung der Armee die Hauptstüße ist, denn ich kann mir die Armee ohne die robusten Figuren unserer Bauernsöhne nicht denken. (Der Präsident Sd den Nedner, bei der Sache zu bleiben.) Wenn der Bauernstand seine Berufsfreudigkeit wiedergewonnen haben wird, wird man wieder troß aller fozialdemokratisher Agitation rufen können: Leb? Vaterland, magit ruhig sein! Jch bitte Sie, die Petitionen der Regierung zur Berücksichtigung zu überweisen.

Abg. von Jagow (kons.): Auch wir halten eine Revision der Gesindeordnung für sehr erwüns{ht und bitten, daß sie möglichst bald vorgenommen wird. Auf die Sache selbst will ich der vorgerückten Le wegen nicht eingehen. Auch Agitation will ich nicht treiben.

ie Sozialdemokraten bieten in ihren Neden nichts Neues, sie wieder- holen nur, was wir tagtäglih in ihrer Presse ‘lesen. Uns paßt es niht, nur einseitige Marstéllungen zu vernehmen, wir nennen das calumniare audacter, aber cs scheint ja ein Glaubenssaß der Sozial- demokraten zu fein, daß man möglichst alle Stände herunterreißt und verleumdet. (Präsident: Sie sprehen doch nur von den Zeitungen ?) Ich spreche nur von Zeitungen. Ich hoffe, daß Preußen die Kugel sein wird, die den Sozialdemokraten in die Beine fahren möge, und daß das neue Geseß ernstlihe Maßregeln gegen den Kontraktbruch bringen und Treu und Glauben wieder aufrihten möge.

Abg. Peltafohn (forts{chr. Volksp.): Auch wix wünschen nigts Oa als eine einheitlihe Regelung des Gesinderehtes. Die Be- timmungen der Gesindeordnung sind veraltet. Ueber den Antrag der Kommission hinauszugehen, wird kaum angehen.

Abg. Borgmann (Soz.) beantragt, auch die Petition bezüglich der MeNLLIEn Natina des Dienstbotenwesens der Staatsregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Abg. von Dergen (freikons.): Der Abg. Liebknecht hat die alten Vebertreibungen über die entwürdigenden Wohnungsverhältnisse der Dienstboten auf dem Lande wiederholt. Diese immer wieder vorgebrachten Beschwerden en wie s{lecht informiert und wie [eihtgläubig die Sozialdemokraten sind. Wir Landwirte aa in unserem eigenen Mere die Dienstboten gut und anständig be- handeln. Wir sind die Ersten, die eine {hlechte Behandlung der Dienstboten brandmarken. Um fo mehr müssen wir uns gegen Uebers- treibungen und Unwahrheiten wenden. Wenn von einem Sklaven- verhältnis gesprochen wird, fo kann man mit viel größerem Recht von einem Sklavenverhältnis der Dienstherren gegenüber dem Gesinde sprehen. Die Wohnungsverhältnisse des Gesindes auf dem Lande sind golden im Vergleih mit den Wohnungsverhältnissen der Arbeiter in den roßen Städten. Ih würde es niht wagen, einem Arbeiter eine {lechte ohnung anzubieten, denn ich bin Me daß er dann in kurzer Zeit fortzieht. Welche Macht hat denn heute der Arbeitgeber, wenn das Gesinde kontraktbrüchig wird? Fast gar keine! Der Arbeitgeber ist häufig froh, wenn er einen solchen Arbaiter los wird. (Zuruf bei den Sozialdemokraten.) Jch als Mann der Praxis werde mihch mit Jhnen (zu den Sozialdemokraten) als Theoretikern wohl nie- einigen. Hauptsächlich ist es das unzufriedene und \{lechte Gesinde, welhes das gute Gesinde zu Streiks ver- leitet. Der Streik ist das größte Unglück, das es gibt. Alles, was der Abg. Liebkneht vorgebraht hat, liegt niht im Interesse des Gesindes; es waren Uebertreibungen, die auf ner Information beruhten. Jch glaubte, die Angriffe gegen die Arbeitgeber zurückweisen zu müssen. Vorläufig hat er in keinem einzigen Falle nachgewiesen, daß das, was er behauptete, wahr sei.

Abg. Dr. Liebkneht (Soz.): Die Mißstände im Gesindever- mietungswesen bedürfen auch einer geseßlichen Abstellung. Die Versuche, meine Festellungen als unrichtig hinzustellen, find vollständig mißlungen. Daß der kleine Bauernstand {wer zu leiden hat, haben wir nicht bestritten; wir haben auch Vorschläge gemacht, wie ihm zu helfen is. Mein Beruf gibt mir häufig Gelecanbei die Zustände des U auf dem Lande persönlih kennen zu lernen; ih habe darüber nicht vom grünen Tisch gesprochen. Die Erfahrung der Vorredner ist eine begrenztere. Ih bin natürlich nicht in der Lage, eine Anzahl Fälle spezieller Art aus dem Aermel zu {ütteln. Jch habe in Potsdam eine Gerichtsverhandlung gehabt, wo das Gericht selbst Gelegenheit hatte, festzustellen, daß die Gesindewohnungen miserabel waren; der Amtsvorsteher griff ein, aber dieses Vorgehen war ungeseßlih. Derartige Fälle sind mir wiederholt vorgekommen ; ih bin bereit, dem Abg. von Oertzen meine Akten vor- zulegen über Fälle von Auspeitshungen usw. Im übrigen ist es \hwer, einzelne Fälle vorzubringen, wenn man die betreffenden Per- sonen nicht in die größten Mißhelligkeiten bringen will. Gewiß ist Herr Oertzen ein außerordentlich human gesinnter Mensch, das ift versöhnend gegenüber den sonstigen rückständigen sozialen Bestrebungen, die er bezüglih der organisierten Dienstboten hat. Gerade die organisierten Arbeiter sind die besten Elemente. Das Gesinde R A die Organisation, das Streikreht und wird sich diese er- ämpfen.

Abg. Dr. Mizerski (Pole): Wir wünschen eine Revision der Gesindeordnung im Interesse der Arbeitgeber und der Arbeiter und werden für den Kommissionsantrag stimmen.

Abg. Kret h (kons\.): Wahrscheinlich wird der , Vorwärts" sagen, wir wären unter der Wucht der Angriffe des Abg. Liebknecht zusammen- gebrohen. Um dies zu verhindern, will ich nur sagen: wir müssen von dem Abg. Lebkneht verlangen, daß er die sittlihe Pflicht hat, Namen zu nennen, damit wir in der Lage sind, Leute, die folhe Noheiten begangen haben, vor dem Lande zu brandmarken. Für Herra Liebknecht sind die guten Arbeiter die unzufriedenen Arbeiter. Die Sozialdemokraten als Arbeitgeber sind ein be- sonderes Kapitel. Wir wissen alle, wie es zwischen den Konsumvereinen nnd ihren Lagerhaltern steht. Die Arbeitslöhne bei den fozialdemokratischen V isiiinversitten find wahre Hungerlöhne ; die Arbeitszeit ist eine sehr lange. Die Angestellten stehen unter der Knute der s\ozialdemokratishen Arbeitgeber. (Prä - \stdent: Ich bitte Sie, doh niht so vom Thema abzushweifen.) Ich werde O Lebknecht bei anderer Gelegenheit ein Privatissimum über diese Dinge halten. Wir werden alles tun, um die Arbeiter zufrieden zu ézbalten:

lbg. Dr. Liebknecht (Soz.): Jch kann nur wiederholen, daß ih mein Material dem Abg. Oerßen zur Verfügung stelle. Ich behaupte, daß die Fälle, die ih vorgebraht habe, auch Ihnen bekannt sind. Solche Fâlle sind Jhnen natürlih unangenehm. (Zuruf rechts.) Auch ih kann nur sagen: Wehe Euch, wenn Ihr nihts Besseres wißt!

Abg. Strosser (kons.): Diejenigen Arbeitgeber, die ihr Gesinde niht gut behandeln, bekommen heutzutage überhaupt kein Gesinde mehr. Mir i\t kein einziger Fall persönli bekannt in dem derartige Roheiten, wie sie der Abgeordnete Liebknecht schilderte, sich zugetragen hätten. Ich A vielmehr aus eigener Erfahrung, daß das ländliche Gesinde mit außerordentliher Nücksicht- nahme, wie ein rohes Ei behandelt werden E ganz anders als ¿. B. Fabrikarbeiter. Der bäuerlihe Besißer muß mit seiner Familie mehr arbeiten als das Gesinde. Es mag sich um einige wenige Aus- nahmefälle handeln. Wir müssen aber auf das allerentschiedenste dagegen vrotestieren, daß sie verallgemeinert werden, und wir betonen mit derselben Entschiedenheit, daß sie von uns in keiner Weise gebilligt werden.

| E Petitionen werden der Staatsregierung als Material über- wiesen. j Eine Petition des Müllerinnungsverbandes in Frankfurt (Oder) um Errichtung besonderer Wasserrechts- fommissionen oder Wasserrehtsgerichte wird dem Kommissionsantrag entsprehend der Regierung als Material über- wiesen.

Eine Petition des früheren Eisenbahnassistenten Fischer in Eifenach um Wiedereinstellung als Staatsbeamter wird nah wieder- holten Auseinanderseßungen zwischen dem Abg. Lippmann (fortschr. Volksp.) und einem Kommissar der Eisenbahnverwal- tung auf Antrag des Abg. Lippmann der Negierung zur Er- wägung überwiesen, während die Kommission Uebergang zur Tages8- ordnung beantragt hatte.

Major a. D. von Donat hat an das Haus eine Petition, betr. Lösung des Oder-Problems durch Stauseen, ge- richtet; diese Petition hat das Haus am 20. April einer besonderen Kommission von 14Mitgliedernüberwiesen, und diese Kommission be- antragt, 1) folgende Mésolitionen anzunehmen: a. das von Donat\che Projekt für ungeeignet zu erklären, die Interessen der Landeskultur und des Hochwassershußes zu fördern, und die p Staats- regierung aufzufordern, den Generalplan nah dem Geseß vom 12. August 1905 zur Ausführung zu bringen, b. zu erklären: auch die Interessen der Schiffahrt werden durth die von der Staats- regierung in den Nebenflüssen der Oder beabsihtigten Staubecken vorteilhafter gewahrt als durch das von Donatsche Projekt; 2) die Petition dur die Beschlußfassung zu 1 für erledigt zu erklären.

Berichterstatter Abg. Dr. Wagner - Breslau empfiehlt diese Kommissionsbeschlüsse.

Abg. Dr. Wagner -Breslau (freikons.) weist sodann als Abgeord- neter darauf hin, daß er bei der früheren Beratung darauf hingewiesen habe, daß auch der Oberbürgermeister von Breslau das Projekt der Negierung empfohlen habe. Die „Breslauer Zeitung“ habe ihm nun den Vorwurf gemacht, daß er seine Pflicht als Abgeordneter für seinen Wahlkreis nicht erfüllt habe, indem er durch seine Empfehlung der Brdsung des Donatschen Projektes niht dazu beigetragen habe, die Beunruhigung, die durch das Donatsche Projekt hervorgerufen sei, zu beseitigen. Er überlasse es dem Hause, ob dieses Mißtrauensvotum gereitfertigt sei. Er sei nicht als freiwilliger Regierungs- ommMissar aufgstreten, sondern habe sich der Ansicht des Ober- bürgermeisters angeschlossen, der die Sachlage in der Breslauer Stadtverordnetenversammlung in objektivster Weise dargestellt habe.

Wenn er bei der früheren Beratung empfohlen habe, das Donatsche Projekt wenigstens einer Prüfung zu unterziehen, so glaube er damit gerade seinen Wählern einen Dienst erwiesen zu haben, indem er die E Klarstellung der Sache herbeigeführt habe.

bg. Schaube (freikons.) bespricht das Projekt der Regulierung der unteren Oder vom Standpunkte der Stadt Ohlau ; es beständen bein Magistrat Bedenken gegen das Projekt der Regierung, insbesondere werde befürchtet, daß- die Gesundheitöverhältnisie der Stadt unter stagnierenden Gewäsfern leiden könnten. Hoffentlich gelinge eg Bl Regierung, durch geeignete Maßnahmen diese Gefahren aus- zuschließen. L i .

Geheimer Oberbaurat von Münsterm a‘nn erwidert, daß diese Gefahren bereits in den Kreis der Berehnungen gezogen [eien, aber als oe ToNen ede seien.

Abg. Stross\er (konf.) bezeichnet es gerade als ein Verdienst deg Abg. Wagner, daß er eine genaue Prüfung des Donatschen Projekts in einer Kommission veranlaßt habe. Dort \ sei das Projekt nach allen Richtungen eingehend geprüft, die Sachlage also vollkommen klar. gestellt worden. Durch die Erklärung der Od in der Kom- mission, daß ihre f ia Arbeiten dadurch in keiner Weise verzögert worden seien, sei auch erwiesen, daß der Abg. Wagner keinesfalls den Vorwurf verdiene, daß er die Interessen der Stadt Breslau nicht genügend gewahrt habe. h

Das Haus beschließt nah den Anträgen der Kommission.

___ Eine Petition der Vereinigung selbständiger Landmesser um Ah. nDderUta De GOeMarteanweiung V Ur bi preußischen Katasterämter vom 16. März 1909 sowie Aufhebung bezw. Erhöhung desKatastergebühren- tarifs vom 16. März 1909 beantragt die Petitionskommission, Berichterstatter Abg. Dr. Wagner - Breslau, der Regierung als Material zu überweisen. ;

Abg. von Ditfurth (kons.) beantragt mit Unterstützung von

Mitgliedern der beiden konservativen Parteien und Nationalliberalen die Ueberweisung zur Grwägung, __ Abg. Lieber (nl.) und Gen. beantragen ferner : die König- liche Staatsregierung zu ersuchen, im Laufe der nächsten Session eine Zusammenstellung vorzulegen, die ersehen läßt, in wieviel Fällen die Negierungen von der thnen durch C1I des Tarifs vom 16. März 1909 eingeräumten Befugnis, die Gebühren zu ermäßigen, Gebrauch emadht haben und nah welhen Grundsäßen dabei verfahren worden t.

Abg. Bart scher (Zentr.) weist darauf hin, daß die Landmesser durch den Wettbewerb der Katasterkontrolleure geschädigt seien, die geradezu dur die staatlihe Geschäftsanweisung zur Beteiligung an Privatarbeiten mit Gewinn angereizt würden. Diese Arbeiten würden den Katasterkontrolleuren besonders dadur erleichtert, daß ihnen das ganze amtliche Material kostenlos zur Verfügung stehe; auch dadur) fühlten sih die Landmesser geshädigt. Ferner sei der Gebührentarif der Katasterämter viel zu hoh. Der Staat solle für die Anträge von Privaten, Auszüge aus der Mutterrolle usw. nur die Selbstkosten berehnen, die Arbeiten seien aber vielfah rein mechanische Arbeiten und würden von jungen Kräften gemacht, so daß der Staat viel mehr an Gebühren dafür erhebe, als seine Selbstkosten betrügen. Die Höhe der Vermessungsgebühren habe in landwirtschaftlichen Kreisen die größte Unzufriedenheit erregt, und aus Westfalen seien lebhafte Klagen gekommen. Es empfehle sich deshalb der Antrag von Ditfurth; feine Freunde würden für diesen Antrag und ebenso für den Antrag Lieber stimmen.

Abg. Lieber (nl.) {ließt sich in der Verurteilung der Höhe der Vermessungsgebühren dem Vorredner an und empfiehlt seinen Antrag. Namentlich für die kleinen Landwirte müsse die Gebühr erheblih ermäßigt werden. Das Material darüber, in welchen Fällen eine Ermäßigung eingetreten sei, liege niht vor, er habe deshalb die Negierung in seinem Antrage darum ersucht.

Abg. von Ditfurth (konf.) bemerkt, daß die Petition sich vor anderen auszeichne durch ihre Länge, denn ae anae 81 Seiten, durch die scharfe Tonart, mit der über den Wettbewerb der Kataster- beamten gesprochen werde, und durch handgreiflihe grobe Ueber- treibungen. Aber dennoch sei nit zu verkennen, daß in der Petition ein berehtigter Kern enthalten sei. Der Staat übernehme zum Schaden der Landmesser Privatarbeiten, die er durch seine Kataster- beamten ausführen lasse. Den Katasterkontrolleuren stehe dabei das amtlihe Material frei zur Verfügung, während die Landmesser sich das Material nur unter Schwierigkeiten beschaffen könnten. Der Staat stelle auch den Katasterbeamten die kostspieligen Ver- messungsinstrumente frei zur Verfügung, die sich die Landmesser selbst beschaffen müßten. Die ganze Frage müsse von der Regierung einer gründlichen Prüfung unterzogen werden.

Abg. Weissermel (konf.) stellt fich zwar der Petition wohl- wollend Laer empfiehlt aber nur nach dem Kommissions- antrag die Ueberweisung als Material. Früher hätten die Kataster- beamten selbst die Privatarbeîten übernommen, heute fei es aber anders, der Staat übernehme die Arbeiten und vereinnahme die Gebühren dafür in die Staatskasse. Von einer Gewinnbeteiligung der Katasterbeamten könne man also nicht sprechen. Auch von einer Konkurrenz für die Landmesser sei keine Nede; wenn die Kommunen eigene Landmesser anstellen, so könne der Staat nichts dafür. Es sei nicht richtig, daß die Katasterkontrolleure das sämtliche Material zur freien Verfügung hätten. Allerdings sei für die Land- messer die Beschaffung des Materials Aae jedoch könne darüber eine Grwägung stattfinden7 ob sih das abändern lasse. Die \{chwierige Lage der Landmesser fei anzuerkennen, aber wenn er nur für eine Aeberweisung als Material sei, im Gegensaß zum Antrag von Ditfurth, so geschehe das nur im Interesse der kleineren landwirt- \chastlihen und gewerblihen Bevölkerung, die darunter leiden müßte, wenn die staatlihen Gebühren nah dem Wunsche der Landmesser nodh erhöht würden. L

Abg. Lippmann (fortshr. Volksp.) spriht sich für die Ueber- weisung zur Erwägung aus.

Das Haus beschließt die Ueberweisung zur Erwägung und nimnit die Resolution Lieber an.

Eine Petition des Gemeindevorstehers in Stegliß um Ver- leihung des Städterehts an die Gemeinde Stegliß beantragt die Gemeindekommission der Regierung als Material zu überweisen.

Abg. Frit\ch (nl.) tritt für Berüksichtigung des Wunsches der Gemeinde Stegliß ein. H

Ein Negtierungskommissar erklärt, daß die Verhandlungen ernsthaft betrieben werden. Sie seien allerdings an zwei Vor- bedingungen geknüpft, daß man sich klar werde, wie sih die Ver- hältnisse des Kreises Teltow nah dem Ausscheiden von Stegliß gestalten würden, und was aus der Exklave Friedenau werde. ie Staatsregieruug müsse in Betracht ziehen, daß durch das Ausscheiden solcher Vororte von Berlin aus dem Kreisverbande sich das Bild ergebe, daß hier und da eine Stadt besteht und dazwischen wieder zum Kreise gehörige Exklaven.

Abg. Dr. Wendlandt (nl.) empfiehlt ebenfalls die Petition zur Berücksichtigung. Hinsichtlih Friedenaus könne nur die Stadtwerdung in Frage kommen, denn bei einer so aufgeblühten Gemeinde mit so großer Einwohnerzahl, so entwickeltem Schulwesen usw. sei eine Aufteilung zwischen Stegliß, Schöneberg, Wilmersdorf gar nicht in Betracht zu ziehen. :

Die Petition wird der M eeung. as Material überwiesen, ebenso eine Petition des Magistrats der Stadt Nemscheid um Aenderung des § 49 des Kommunalabgabengesetßes (Freilassung des außerhalb des Gemeindebezirks gewonnenen Einkommens), nachdem Abg. Ci ck hoff (fortshr. Volksp.) eine Abänderung des bestehenden 5 Miaitves unter Begründung mit den besonderen Verhältnissen der Stadt Remscheid empfohlen hat.

Ueber eine Petition des Knappschaftsältesten Fuest und Ge- nossen in Altenbochum um Wiederverleihung des aktiven und passiven Wahlrechts bei den Aeltestenwahlen an die nvaliden Vettalieder der Preu tf el Knappschaftsvereine empfiehlt die Handels- und Gewerbe- kommission, zur Tagesordnung überzugehen.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

zum Deutschen Reichsan

„Mé 138,

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Abg. Imbusch (Zentr.) befürwortet einen Antrag auf Ueber- weisung zur Berücksichtigung. Es sei in der Kommission kein einziger sachlicher Grund vorgebracht, der es rechtfertige, den Invaliden das MWahlrecht niht wiederzugeben, sondern nur allerlei Scheingründe. Die Invaliden hätten vor allem die nötige Zeit und Erfahrung.

Abg. Bartscher (Zentr.) {ließt sih dem an. i

Ein Regierungskommissar erklärt, die jeßige Negelung beruhe auf einem Kompromiß sämtlicher Parteien mit Ausnahme der Polen. Die Staatsregierung halte es für ausgeschlossen, jeßt, nachdem das Gese erst zwei Jahre in Kraft sei, wieder an den Grundlagen der damaligen, nah {weren Kämpfen über die politische Seite der ganzen Materie zu stande gekommenen Vereinbarung zu rütteln, um so mehr, als die Sanierung der Knappschaftsvereine als Hauptauf abe des Geseßes angesehen werde, die nur bei friedfertigen Verhältnissen durchgeführt: werden könne. i

Abg. Korfanty (Pole) empfiehlt Ueberweisung zur Be-

icksichtigung. / U

N bg Leinert (Soz.): Wir werden auh für Berücksichtigung stimmen, allerdings wird das nicht viel helfen. Das Verhalten des Zentrums sieht nach Komödie aus, denn es hat ja damals der Entziehung des Wahlrechts zugestimmt. e :

Abg. Waldstein (fort]chr. Volksp.): Wir sind ebenfalls für Berücksichtigung, wie dies unserer damals eingenommenen Haltung

entspricht

Abg. Brust (Zentr.): Wir haben das Geseß angenommen, weil es ein Kompromiß zwischen Parteien und Regierung darstellte, und die Vorteile überwogen. j F Abg. Lein v (Soz.): Wenn das Zentrum den Invaliden das Wahlrecht seinerzeit entzogen hat, so muß es jeßt auch für Uebergang zur Tagesordnung sein. Der Antrag auf Berücksichtigung ist nicht ernst gemeint, das zeigt hon die geringe Beseßung des Zentrums. D

Abg. Giesberts (Zentr.): Als die Debatte über diese Petition begann, war von den Sozialdemokraten niemand anwesend. (Lebhafte Unterbrehungen von den Sozialdemokraten. Glocke des Präsidenten. Präsident von Kröcher bittet, etwaige Zwischenrufe vom Plate aus zu machen.) Wenn nicht zufällig zwei Nedner geredet hätten, wäre die Debatte an den Sozialdemokraten unbemerkt vorübergegangen. Man hat die Frage des Wahlrechts von Invaliden damals unter- \{chäßt, aber es ist die Schuld der Sozialdemokraten, wenn das Gefeß nicht besser ausgefallen ist.

Der Antrag der Kommission auf Uebergang zur Tagesordnung indet Annahme. | | ;

E Ueber eine Petition des Eisenwerks Kraft in Stolzenhagen- Kratzwieck (Kreis Nandow) um Zulassung der Son ntagsarbeit im Rahmen des § 105d und f der Gewerbeordnung für die Löschung von Massengütern wie Erzen, Kohlen, Kalk- stein, Sand und dergl. bei Werken vom Umfange des Cisenwerks Kraft beantragt die Handels- und Gewerbekommission Uebergang zur Tagesordnung. .

y Die Abgg. Gla gel (nl.) und Malkewiß (kons.) beantragen, die Petition der Regterung zur Berücksichtigung zu überweisen.

Abg. Glatel (nl.) befürwortet diesen Antrag mit dem Hin- weis darauf, daß das Eisenwerk Kraft für die Löschung großer Schiffe nur an den dlugnebmat von der Sonntagsruhe teilnehmen solle, die die Gewerbeordnung für eilige Arbeiten ausdrücklich zuläßt. Es treffe hier nicht nur der § 1054 wegen der eiligen Arbeiten zu, sondern as der § 105f, wonah die Sonntagsarbeit zu- gelassen werden kann, wenn andernfalls ein ungewöhnlich großer wirtschaftliher Schaden herbeigeführt würde; dieser Schaden bestehe hier namentlih darin, daß der Dampser nicht rechtzeitig wieder geladen werden könne, wenn er niht am Sonntag löschen dürse. In anderen Bundesstaaten sei der Sonntag für das Löschen von Schiffen allgemein freigegeben. Solche großen Werke müßten besonders behandelt werden ; unsere Eisenindustrie habe sich so entwidelt, daß wir stolz darauf sein könnten, und diese Entwicklung müsse man schüßen. Es handle sich nur darum, daß nach 6 Uhr Abends Arbeiter zum Löschen beschäftigt De Len die bereits cine Ruhepause von 24 Stunden hinter sich hätten. U i :

] Aba, Malfewth (tons. befürwortet gleichfalls die Petition; die Handels- und Gewerbekommission sei etwas leiht über die Interessen hinweggegangen, die hier in Frage kämen. Die Arbeiter, die hier in Betracht kämen, hätten die vorgeschriebene 24 stündige Nuhezeit hinter sih. Wenn das Werk mit der Ausnahme Mißbrauch treibe, könne diese ja sofort wieder zurückgezogen werden. C A

Abg. Brust (Zentr.) erklärt sich für den Kommissionsantrag. Die Sonntagsruhe müsse so weit als möglich aufrechterhalten werden. Die Ausnahmebestimmungen der Gewerbeordnung feien hinreichend, um die Interessen der Industrie zu süßen. i M

Abg. Borgmann (Soz.) spricht sich für den Kommissionsankrag aus. Was hier dem einen großen Werk recht sei, müsse doch den anderen billig sein. Es würde kein Ende abzusehen sein. Es handele fi nur darum, die Sonntagsruhe wieder zu beseitigen.

Abg. Glatzel (nl.) erwidert, daß es sich nicht um eine Durchbrechung der Gewerbeordnung handle, sondern nur um die Zulassung einer von der Gewerbeordnung vorgesehenen Ausnahme. Um aber eine möglihst große Mehrheit zu erzielen, shwäche er im Einverständnis mit dem Abg. N seinen Antrag dahin ab, daß die Petition

ur Erwägung überwiesen werde. A | Abo, G ¡38 orts x Zentr.) meint, der Landtag dürfe sich nicht dazu hergeben, die Behörden zu einer Durchbrehung der Geseße zu ver- anlassen, und empfiehlt deshalb den Kommissionsantrag. ¿

Abg. Leinert (Soz.) hebt hervor, daß die unteren Ver- waltungsbehörden ungeseßlih gehandelt hätten, indem sie bis zum Zahre 1907 diesem Werke das Löschen am Sonntage gestattet hätten. Die unteren Verwaltungsbehörden seien überhaupt viel zu nahgiebig gegen die Arbeitgeber. / / L

Abg. É laßtzel (ul.) erwidert, daß er nur die geseßliche Durchführung der in der Gewerbeordnung zugelassenen Dispensation verlange. Die Handelskammern hätten \sih auf den Standpunkt der Petition gestellt. Es handele sih um eine A A R Aa die geshütßzt werden müsse, und nicht allein um die Großindustrie. | i

"Abg, Maltkewiß (tons) bemerkt gleichfalls, daß die Petition nichts Ungeseßliches verlange.

Y Abe L eet (Soz) bestreitet dies nochmals, denn es träfen die Voraussetzungen für die Ausnahmen nicht zu. j

Das Haus beschließt Ueberweisung der Petition zur Erwägung.

Präsident von Kröcher schlägt vor, morgen zuerst Petitionen, dann Anträge und dann die aus dem Herrenhause zurückkommenden Vorlagen zu beraten. J

Aba, Stych el (Pole) beantragt, an die erste Stelle der Tages- ordnung die Anträge zu seßen; insbesondere müßten die Sprachen- anträge erledigt werden. ; :

Präsident von Krö cher bemerkt, daß er seinen Vorschlag deshalb gemacht habe, weil das Petitionsreht der Bevölkerung vorgehen müsse. o O Mb, Giesberts (Zentr.) meint, wenn die Petitionen möglichst ohne Wortmeldungen erledigt würden, könne das Haus au noch zu den Anträgen kommen. Auf Zwischenrufe von den Sozialdemokraten erwidert er, daß seine Freunde heute nur gesprochen hätten, weil sie angegriffen worden seien.

Zweite Beilage

Berlin, Mittwoch, den 15. Juni

Abg. Borgmann (Soz.) hält die Anträge für ebenso wichtig, wie die Petitionen, meint aber, daß das Haus ja noch einen Tag länger sißen könne, um beides zu erledigen. :

Abg. von Pappenñhein (kons.) erwidert darauf, daß es nicht vom Hause abhänge, wann die Session geschlossen werde. Die Petitionen seien jedenfalls wichtiger. |

Abg. Dr. Gaigalat (kons.) macht darauf aufmerksam, daß die Sprachenanträge \{hon im vorigen Jahre niht zur Erledigung ge- kommen seien. |

Das Haus beschließt nah dem Vorschlàge des Präsidenten.

Schluß nah 41/4 Uhr. Nächste Sizung Mittwoch, 11 Uhr. (Petitionen; Anträge; aus dem Herrenhause zurückkommende Vorlagen.)

Handel und Gewerbe.

Konkurse im Auslande.

Bukowina.

Konkurs ist eröffnet über das Vermögen des Nuchim Silber - mann in Nadauß mittels Beschlusses des K. K. Kreisgerichts, Ab- teilung 1V, in Suczawa vom 7. Juni 1910 No. 8. 3/10. Pro- visorisher Konkursmasseverwalter: Advokat Dr. L. Luttinger in Radauß. Wahltagfahrt (Termin zur Wahl des definitiven Konkurs- masseverwalters) 22. Juni 1910, Vormittags 10 Uhr. Die Forde- rungen sind bis zum 1. August 1910 bei dem K. K. Bezirksgericht in Nadauß anzumelden; in der Anmeldung ist ein in Radauß wohn- hafter Zustellungsbevollmächtigter namhaft zu machen. Liguidierungs- tagfahrt (Termin zur Feststellung der Ansprüche) 5. September 1910, Vormittags 10 Uhr.

Wagengestellung für Kohle, Koks und Briketts am 14 SUnt 1910:

Nuhrrevier Oberschlesishes Revier der Wagen Geitelt 24250 8 632 Nicht gestellt . —- —,

In der gestrigen Sißung des Aufsichtsrats der Vereinigten Königs- und Laurahütte berichtete der Generaldirektor über die Ergebnisse des dritten Viertels des Geschäftsjahres 1909/10. Auf dem oberschlesishen Kohlenmarkte war die Lage schon am Schluß des Falenderjahres 1909 eine sehr unerfreulihe. Jn das Jahr 1910 wurde mit geringen Ta eingetreten. Die Dberschlesische Kohlenkonvention mußte der s{hlechten Lage des Geschäfts im I. Quartal 1910 durch Einl der Lizenz um 15 %/9 Rechnung tragen. Oesterreich-Ungarn, das sonst fast F des obershlesischen Ver- fands aufnahm, fiel nach dem 1. Januar, der die Erhöhung der österreichischen Eisenbahntarife brachte, R namhafter Preisopfer der Gruben als Abnehmer fast ganz aus. er außergewöhnlich milde Winter ließ nicht allein das Hausbrandkohlengeshäft völlig \tocken, sondern minderte auch den Bedarf der gesamten kfohlenverbrauchenden Industrie. Dem Handel, der über reichlihe Läger verfügte und der namentlich im Gasfohlengeschäft gegen die billig angebotene englische Kohle anzukämpfen hatte, is es nicht gelungen, die Fördermengen unterzubringen; die Kohlenbestände der Gruben haben eine weitere erhebliche Vermehrung erfahren. Während das westfälishe Nevier infolge starker Verkäufe nach Holland, Belgien und Frankrei im Berichtsvierteljahr einen Mehrversand von 7,7 9% gegen das Vorjahr hatte, ergab ih, im Gegensaß dazu, in Oberschlesien eine Minder- verladung von 51292 Wagen = 8,5 9/6. Ende 1909 lagen auf den Kohlengruben Oberschlesiens 873 000 t Kohlen im Bestande. Ende März beliefen sih die Bestände auf 1254 000 t. Die frühzeitige Eröffnung der Oderschiffahrt brahte nur eine vorübergehende Be- lebung des Versands, aber niht die erhoffte Entlastung der Be- stände. Diese Verschlehterung des oberschlesischen Kohlenmarktes hat auch die vier Gruben der Gesellschaft auf das empfindlichste betroffen; ihr Versand an Fremde blieb in dem Zeitraum Januar/März um 70298 6 = 1460/0, hre o um 82499 t = 10,1 9/6 gegen den gleichen Abschnitt des Vorjahres zurück, weil im Berichtsviertel- jahre 55 Schachtfeiershichten eingelegt werden mußten. Troßdem stiegen die Kohlenbestände der Gesellschaft in diesem Vierteljahr von 70 000 t auf 112500 t. Hatte sih {hon im ersten Halbjahre des Geschäftsjahres unter der Einwirkung der Absaßschwierigkeiten die Notwendigkeit von Preisnachlässen ergeben, die im Durchschnitt fast eine halbe Mark für die Tonne betrugen, fo wurde im I11. Vierteljahr der Mindererlös noch erheblich höher; hierzu tritt die mit jeder Förderein- \{ränkung verbundene Selbstko\stenerhöhung, sodaß sih aus Minder- verwertung, Produktionsverringerung und Selbstkostenverteuerung ein Gewinnausfall der Bergwerke im Berichtsvierteljahr von 878 000 gegen den gleichen Zeitraum des Vorjahres ergab. Diesen sehr empfindlihen Ausfall im Kohlengeshäft vermochten die Hütten troß ihres wesentlich besseren Abschlusses nit einzubringen. Die Be- schäftigung der Schlesischen Cijenhütten in Handelseisen und Blechen war eine gute und der Versand größer; auch entwitelte fich das Formeisengeshäft im Berichtsvierteljahr bis zu der Zeit der Aus- sperrung im Baugewerbe erfreulih, sodaß die beiden \{lesischen Hütten an Walzeisen aller Art die Produktion im poleihen Zeit- raum des Vorjahres um 4166 t übertreffen und eine Erzeugungs- menge von 583414 t erreihen konnten. Doch sind sowohl die Händler als auch die großen Verbrauher in der Beurteilung der Weiterentwicklung des Eisen- und Grobblehmarktes und dem- gemäß in der Puagare von Aufträgen erheblih zurückhaltender geworden; die Trägerlager können auch ohne Neuwalzung die nach Beendigung der Bauaus|perrung zu erwartenden größeren Abforde- rungen zunächst ohne weiteres befriedigen. A

Die im 11. Vierteljahr des laufenden Geschäftsjahres begonnene Preisaufbesserung seßte sich im Berichtsquartal fort; sie betrug alles in allem 4 3,18 je Tonne gegen das Vorjahr und hat die Ergebnisse der Hütten nicht wesentlich aufgebessert. Dagegen tritt die günstige Wirkung der Neubauten auf den Hütten in Verbilligung der Gestehungskofien immer vorteilhafter in die Er- einung. Die bis jet durchgeführten Umbauten haben den Ab\{luß der \{lesishen Hütten im Berichtsvierteljahr um rund 433 000 verbessert. Der in das letzte Viertel des Geschäftsjahres hinüber- genommene Beschäftigungsstand verschafft den {lesis{hen Walzwerken für etwa 34 Monate Arbeit, doch liegen die Preise an vielen Stellen noch unter den Selbstkosten. Die Konstruktionswerkstätten und die Verfeinerungsindustrie sind schwach beschäftigt; das Nöhrengeschäft liegt sehr till, weil Handel und Verbraucher infolge der auf den 1. FUU de De erfolgten Kündigung der Syndikate nur mit dem nötigsten Bedarf hervor- treten. Das Ergebnis der russischen Hütten war im Berichtsviertel- jahr ebenfalls günstiger. Nachdem hon im ersten Halbjahr 1909/10 an die Stelle der bisherigen Verluste Gewinnzisfern getreten waren, hat im 111. Vierteljahr diese M weitere Fortschritte gemacht. Mit Hilfe der neuen russishen Verkaufsorganisakion gelang es, die gesunkenen Preise etwas zu heben, vor allen aber den Walzenstrecken eine ihrer Leistungsfähigkeit angemessene umfangreichere Beschäftigung zu verschaffen, die mit den verbesserten Einrichtungen zur Verbilli-

zeiger und Königlih Preußischen Staalsanzeiger.

019100.

ung der Selbstkosten beitrug. Im Berichtsvierteljahre wurde eine Produktion von 7789 t Walzeisen und Bleche, d. i. 973 t mehr als im Vorjahr, erzielt. Troß des bet dem gesamten Hüttenbetrieb als Folge der Verbesserungen der R a erzielten Mehr- ewinnes hat der ungünstige Abschluß der Gruben bewirkt, daß der Ge- faintedtrag der Gesellschaft im 111. Vierteljahr 1909/10 hinter dem vorjährigen um rund 230 000 46 zurückbleibt. Der Auftragsbestand der Hütkenwerke der Gesellshaft an Walzeisen und Fabrikaten der Verseinerungsindustrie hatte am r, des Berichtsvierteljahres einen Wert von 124 Millionen Mark. Das Ergebnis des Laufenton Geschäftsjahres läßt sih mit Rücksicht auf die in das leßte Vierteljahr fallende Shlußabrechnung der Werkstätten, deren Gewinn den vor- jährigen niht erreihen wird, noch nicht angeben; doch stellt sich der inzwischen abgeschlossene Monat April troß des {{ledten Ergebnisses der Kohlengruben infolge der besseren Resultate der Hütten günstiger als der April des Vorjahres und hat den Mindergewinn der ersten 9 Monate etwas verringert. E

Das Rheinisch - Westfälische Kohlensyndikat ver- öffentliht, da in diesem Monat keine Zechenbesißerversammlung ein- berufen wird, folgende Ziffern: Der O Kohlen - absat betrug, laut O des „W. T. B.“ im Mai 1910 bei 237 (24 im Vorjahr) Arbeitstagen 5 445 365 (5244 155) t oder arbeitstäglich 235 475 (218 506) t. Von der Beteili- gung, die sich auf 6040 664 (6233668) t bezifferte, sind 90,15 (84,13) 9/0. abgeseßt. Der auf die S an- zurehnende Koks- und Brikettabsay hat in Koks bei 31 (31) Arbeits- tagen insgesamt 920 619 (736 081) t gleich 73,88 (59,71) 9%/ der Beteiligung, N 1,24 (1,04) 9% Koksgrus betragen, in Briketts bei 234 (24) Arbeitstagen insgesamt 261 312 (230 267) & gleih 78,74 (82,99) 9% der Beteiligung. O

Der Preußische Beamten-Verein in Hangouere Lebensversicherungsverein a. G., Versicherungsanstalt für deutsche Beamte (einschließlich der Geistlihen, Lehrer, Rechtsanwälte, Archi- tekten und Ingenieure, Redakteure, Aerzte, Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker sowie der Privatbeamten) hielt am 11. Juni seine XXXIIT. ordentlihe Generalversammlung ab. Nach dem Geschäfts- bericht stellte sfich der Versicherungsbestand Ende 1909 auf 87 494 Policen über 354,3 Mill. Mark Kapital und auf 1 308 057 4 80 jährliche Rente und ergab somit im Geschäftsjahre 1909 einen reinen Zuwachs von 3406 Policen über 21,8 Mill. Mark Kapital und 136 660 4 jährlihe Rente. Die Prämienreserven einschließli des Dividendenansammlungsguthabens stiegen von 101,9 Millionen auf 110,4 Mill. Mark. Die wirkliche Sterblichkeit ist um 56,71 % hinter der erwartungsmäßigen zurückgeblieben, sodaß die Ausgabe für Sterbefälle 2,2 Mill. Mark betrug, während man auf eine Ausgabe von 5,08 Mill. Mark gefaßt sein mußte. Die Ver- waltungskosten betrugen für jede 1000 4 Versicherungskapital 85 4. Jn Prozenten der Prämieneinnahme stellten sie sih auf 2,05 9%, in Prozenten der Prämien- und Zinseneinnahme auf 1,53 0/4, Der Jahresübershuß betrug 4122832 4 56 Z. Es wurde beschlossen, daraus dem Sicherheitsfonds 658 207 A4 50 -, den Mitgliedern der Lebensversicherung als Dividende (43/9 der dividendenberechtigten Prämienreserve) 2850428 A 2 S, dem Schlußdividendenfonds 236 071 A 26 S, dem Dividendenergänzungsfonds 238 125 M 78 S, dem Etxtrareservefonds 100000 #, dem Beamtenpensionsfonds 20 000 4, der Reserve zur Deckung der Kosten für Sterblichkeits- untersuhungen 20 000 #4 zu überweisen.

New York, 14. Juni. E T. B.) Der Wert der in der vergangenen Woche aus ei rten Waren betrug 12 460 000 Dollars gegen 13 620 000 Dollars in der Vorwoche.

Berlin, 14. Juni. Marktpreise nach Ermittlung des Königlichen Polizeipräsidiums. (Höchste und niedrigste Preise.) Der Dovpelzentner für : Weizen, gute Sortef) 19,70 4, 19,66 46. Weizen, Mittelsortef) 19,62 4,- 19,58 46. Weizen, geringe Sorte?) 19,54 #, 19,50 4. Roggen, gute Sortet) 14,20 , 14,16 4. Roggen, Mittelsortef) 14,12 4, 14,08 4. Roggen, geringe Sortef) 14,04 4, 14,00 4. Futtergerste, gute Sorte *) 15,00 , 1440 #. Futtergerste, Meittel\sorte*®), 14,30 6, 13,70 #4. L B geringe Sorte *) 13,60 6, 13,00 4. Hafer, gute Sorte *) 17,30 4, 16,50 „6. Hafer, Mittelsorte*) 16,40 #, 15,60 . Hafer, geringe Sorte *) 15,50 4, 14,80 46. Mais (mixed) gute Sorte 15,69 4, 15,40 4. Mais (mixed) geringe Sorte —,—#Æ, —,— §. —- Mais (runder) gute Sorte 15,40 4, 15,00 46. Richtstroh 6,20 #, 6,00 #4. Heu, alt, 8,80 46, 6,70 s Heu, neu, 6,90 #, 480 M. Erbsen, gelbe zum Kochen 50,00 #, 30,00 . Spelsebohnen, O 50,00 4, 30,00 S. nsen 60,00 #, 20,00 4. Kartoffeln 8,00 4, 4,00 6. Rindfleisch von der Keule 1 kg 2/20 #, 1,40 46; dito Baudhfleisch 1 kg 1,80 4, 120 #. Sthweinefleisch 1 kg 1,80 #4, 1,30 #4. Kalbfleisch 1 kg 240 #, 1,20 S. Hammelfleisch 1 kg 2,10 4, 1,20 A. Butter 1 kg 2,80 #4, 2,20 46. Elter (Markthallenpret}e) 60 Stück 4,60 46, 2,60 (G. Karpfen 1 kg

46, 1,40 46. Aale 1 kg 3,00 #4, 1,80 4. e 1 kg

1,60 6. Lede 1 kg 2,80 4, 1,40 #. Barsche 1 kg 1,00 A. Sdlete 1 kg 350 4, 1,40 A. Blele 1 kg 0,80 46. Krebse 60 Stück 30,00 , 2,00 „4.

1b Bahn.

Frei Wagen und ab Bahn.

Kursberichte von den auswärtigen Fondsmärkten.

Hamburg, 14. Junk. (W. T. B.) (Schluß.) Gold in Barres das Kilogram L Se 2784 Gd., Silber p Barren das Kilogramm 73,25 Br., 72,75 Gd.

Wien, 15. Juni, Vormittags 10 Uhr 50 Min. (W. T. B.) Einh. 4% Rente M./N. pr. ult. 94,20, Einh. 409%/ Rente Fanuar/Juli pr. ult. 94,20, Oesterr. 4% Rente in Kr.-W. pr. ult. 94,20, Ungar. 40%/9 Goldrente 113,10, Ungar. 49% Rente tn Kr.-W. 92,30, Türkische Lose zE medto 261,00, Orient- bahnaktien pr. ult. —,—, Oesterr. Staatsbahnaktien (Franz.) De ult. 752,75, SOPahngcl eo o, Akt. pr ult. 118,50 iener Bankvyeretinaktien 543,00, Vesterr. Kreditanstalt Akt. pr. ult. 669,75, Úngar. allg. Kreditbankaktten 845,50, Oesterr. Länderbankaktien 498,25, Unionbankaktien 601,50, Deutsche Neichsbanknoten df ult. 117,56, Brüxer Kop enderg e MASISeA t. —,—, Oesterr. Alpine Montan- zesellschaftsaktien 723,50, Prager Eisentndustrieges.-Akt. —.

London, 14. Juni. (W. T. B.) (Schluß.) 2# 9% En lie Konsols E SE 242, Privatdiskont 24. Bankt- eingang 78 000 Pfun terlina.

N Parts, 14. Juni. (W. T. B.) (S@luß.) 309%/ Franz. Nente 98,95.

Madrid, 14. Juni. (W. T. B.) Wesel auf Paris 107,15.

Lissabon. 14. Juni. (W. T. B.) Goldagio 10. |

New York, 14. Juni. (W. T. B.) (Schluß. Bei ruhigem und zumeist von der Berufs\pekulation bestrittenem Geschäft war die Tendenz der Börse anfangs fest; begünstigt waren St. Louis and St. Francisco zweite Prefered auf das Gerücht von der urücziehung der ersten Preferd Shares. Unter Führung von Unions, Amalgamated und St. Paulsaktien machte die Festigkeit zunächst Fortschritte, doch geriet die Aufwärtsbewegung infolge der Geschäftsstille bald ins Stocken, wozu au noch Berichte beitrugen, daß die Verwaltung der Northern Pacific infolge der untersagten Fractratenerhöhungen sich mit der Be«