1910 / 275 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 23 Nov 1910 18:00:01 GMT) scan diff

G fistei.

YBoetanntmaGung

über die Einfuhr von Schhlachtrindvieh, Schlacht? hafen und Schlahtschweinen aus Desterreih-Ungarn-

Die mit Bekanntmachung vom 12. Oktober 1910 (G.-V.-Bl. S. 967) getroffene Verfügung wird auf die österreichischen Sperrgebiete Nr. I1)7, XXXIII und XLIIT fowie auf die Cigabilben Sperrgebiete Nr. 13, 14, 38, 39 und 47 ausgedehnt.

Hiernach ist die Einfuhr und Durchfuhr von Schlachtrind- vieh, Schlachtschafen und Schlachtshhweinen aus den e Bezirken Bruck a. d. Leitha, Mödling, Baden, Wiener-Neustadt, Neunkirchen, Hießing-Umgebung, Stadt Wien und Stadt Wiener - Neustadt in Niederösterreih, Boskowiß, Proßnigt, Prerau, Tischnowiß, Brünn, Wischau, Kremsier, Auspiß, Gaya, Nikolsburg, Göding, Stadt Brünn und Stadt Kremsier in Mähren, Kalusz, Stanislau, Tlumacz, Horodenka, Bohovodczany, Nadwórna, Kolomea, Sniatyn, Peczenizyn und Kossów in Galizien, dann aus dem Komitate Bihar, aus der Munizipal- stadt Großwardein (Nagy-Várad), aus den Stuhlbezirken Alsódabas, Monor, Nagykáta, Ráczkeve, Abony, Dunavecse, Kalocsa, Kiskörös, Kiskunfélegyháza und Kunszentmiklós sowie aus den Städten Nagykörös, Czegléd, Kiskunfélegyháza und Kiskunhalas des Komitats Pest—Pilis—Solt—Kisfkun, aus der Munizipalstadt Kecskemét und aus dem Komitate Szilágy in Ungarn nach und durch Bayern bis auf weiteres verboten.

München, den 10. November 1910.

Königlich bayerishes Staatsministerium des Jnnern. Q O

Minis: terialrat Henle.

Königreich Preußen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht:

dem Bureauvorsteher der Generalordenskommission, Rech-

nungsrat Heinrih Kroppenstedt den Charakter als Ge- heimer Rechnungsrat zu verleihen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: infolge der von der Stadtverordnetenversammlung zu Dortmund getroffenen Wahl den bisherigen besoldeten Bei- geordneten (Zweiten Bürgermeister) Dr. jur. Ernst Eichh off daselbst als Ersten Bürgermeister der Stadt Dortmund für die geseßliche Amtsdauer von zwölf Jahren zu bestätigen und ihm zugleich den Titel Oberbürgermeister zu verleihen.

BEeErordnutàa zur Ausführung des Neichsgeseßes, betreffend die privatrehtlihen Verhältnisse der Binnenschiffahrt.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen 2c., verordnen uu Grund des 8 128 des RNeichsgeseßes, betreffend die privatrechtlihen Verhältnisse der Binnenschiffahrt in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Mai 1898 (Neichs- geseßbl. S. 369, 868 ff.), was folgt:

Auf Antrag der Schiffseigner sind Dampfschiffe und andere Schiffe mit eigener Triebkraft, deren Tragfähigkeit 5000 bis 15 000 kg beträgt, in das Schiffsregister einzutragen.

Diese Verordnung tritt am 1. Januar 1911 in Kraft.

Urkundlih unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Jnsiegel.

Gegeben Neues Palais, den 31. Oktober 1910.

Siegel.) Wilhelm R. von Bethmann Hollweg. von Tirpiß. Delbrü. Beseler. von Breitenbach. Sydow. von Heeringen. Freiherr von Schorlemer. von Dallwiß. Lenkte.

Finanzministerium. Königliche Generallotteriedirektion.

BelauntmachuUünag.

Nach dem Staatsvertrage zwishen Preußen und Elsaß- Lothringen vom 28. April 1910 (Preußishe Ges.-Samml. S. 301) ist vom 1. Dezember d. J. ab die Königlich Preußische Klassenlotterie auch in Elsaß-Lothringen eingeführt.

Berlin, den 15. November 1910.

Der Präsident der Königlich Preußischen Generallotteriedirektion. Bonnenberg, Wirklicher Geheimer Oberfinanzrat.

Nichkamllicßes.

Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 23. November.

Seine Majestät der Kaiser und König nahmen heute vormittag im Neuen Palais bei Potsdam den Vortrag des Chefs des Zivilkabinetts, Wirklihhen Geheimen Rats von Valentini und Nachmittags den des Reichskanzlers Dr. von Bethmann Hollweg entgegen.

Jhre Majestät die Kaiserin und Königin empfingen Qui im Neuen Palais bei Potsdam im Anschluß an die udienz bei Seiner Majestät dem Kaiser und König den neuernannten bulgarishen Gesandten Jvan Stephanow Geschoff.

__JIn der am 22. d. M. unter dem Vorsiß des Staats- ministers, Es des Jnnern Dr. Delbrück abge- haltenen Plenarsißung des Bundesrats wurde dem Ent- wurf eines Geseßes über die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres die Zustimmung erteilt. Annahme E ferner der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Feststellung eines 2. Nachtrags zum Haushaltsetat für die Schußgebiete auf das Rechnungsjahr 1910. Dem-- nächst wurden die Etats für die Verwaltung des Reichs- heeres, die Etats für das Auswärtige Amt, sür das Neichsamt

des Innern, für das Reichskolonialamt, für die Schußzgebiete und einige weitere Etats nah den Vorschlägen der Ausschüsse angenommen. A UON wurde über die Wahl des Präsidenten und eines Mitglieds bei der Disziplinarkammer für elsaß- lothringishe Beamte und Lehrer in Colmar und über die Bewilligung von Ruhegehalt an Reichsbeamte Beschluß gefaßt.

Dem Landrat Hagemann in Karthaus ist die kom-

missarishe Verwaltung des Landratsamtes im Kreise Marien- burg, Regierungsbezirk Danzig, übertragen worden. ___ Der Regierungsrat Dröge aus Merseburg ist der König- lichen Regierung in Hildesheim, der Regierungsrat Agricola aus Hildesheim der Königlichen Regierung in Breslau, der Regierungsrat Keßler aus Stettin der Königlichen Re- gierung in Arnsberg, der Regierungsrat von Bötticher aus Hannover der Königlichen Regierung in Bromberg, der Negie- rungsrat Dr. Wo epcke aus Arnsberg der Königlichen Re- gierung in Hannover, der Regierungsrat von Hobe aus Cöln der Königlichen Regierung in Liegniß, der Regierungsasse\}sor D icken aus Frankfurt a. O. der Königlichen Regierung in Marienwerder und der Regierungsassessor Sarrazin, z. Zt. in Berlin, der Königlichen Regierung in Gumbinnen zur weiteren dienstlichen Verwendung überwiesen worden.

Zur Hilfeleistung in den landrätlihen Geschäften sind zu- geteilt worden die neu ernannten NRegierungsassessoren: Freiherr von Funck dem Landrate des Kreises Altenkirhen, Dr. Popib dem Landrate des Landkreises Beuthen i. O.-S., Freiherr von der Golß dem Landrate des Landkreises Königsberg i. Pr., Frankenbah dem Landrate des Kreises Wolmirstedt und Dr. Delius dem Landrate des Kreises Gnesen.

Die Regierungsreferendare Dr. jur. Fuhrmann aus Cöln und Borchers aus Hannover haben die zweite Staats- prüfung für den höheren Verwaltungsdienst bestanden.

Der K. und K. Oesterreichish-Ungarische Botschafter Graf von Szögyény-Marich ist nah Berlin zurückgekehrt und hat die Leitung der Botschaft wieder übernommen.

Laut Meldung des „W. T. B.“ sind vorgestern S. M. S.S. „Bremen“ in San José (Guatemala), „Leipzig“ in Tsingtau und S. M. Flußkbt. „Otter“ in Futshau am oberen Yangtse eingetroffen.

S. M. S. „JZa0uar" st gestern in Futschau ein- getroffen und geht am 26. November von dort wieder in See.

Grofbritanuien und ZFrland.

__ Geslern vormittag hat unter dem Vorsiß des Premier- ministers Asquith ein Ministerrat stattgefunden.

- Jm Oberhause richtete gestern Lord Lamington die Anfrage an die Regierungz wie die Angelegenheit der persischen Anleihe von privaten Firmen stehe, .und ob Persien zu Anfang dieses Jahres daran verhindert worden sei, irgendwelche finanzielle Unterstüßung dieser Art zu erhalten. Wie das „W. T. B.“ meldet, erwiderte Lord Herschell im Namen des Auswärtigen Amts:

Die britische Regierung habe nicht den Wunsch, und wenn fie den Wunsch hegte, würde fie gar nicht tazu in der Lage sein, Persien an der Erlangung eines Darlehens von privaten Ddelfén zu hindern, wenn Persien dies anstrebe, imwer vorausgeseßt, daß eine solWe An- lethe in keiner Weise die Sicherheiten nachteilig berühre, die für den Dienst der britis{-russishen Darlehen bereits vorbehalten feten. Was die Frage anulange, ob Persien daran gehindert worden sei, cine Anleihe von privat:n Quellen zu Anfang des Jahres zu erlangen, so habe ein gewisses Syndikat in London im März Vorschläge bezügli ciner Anleihe an Persien gemacht, aber zu der Zeit seien Verhandlungenz im Gange gewesen in betreff eines gemeinschaftlihen Darlehens von der britishen und russishen Ne- ierung an Persien. Die Zahlung der Zinsen auf englische Darlehen ei bedeutend im Nüstande. Unter diesen Umständen habe die britische MNegierung keine Möglichkeit zu einem anderen Borgehen sehen können, als der persishen Regierung mitzuteilen, daß, solange die Berhandlungen s\ch{webten und solange nichl die Nückstände der Zinsen bezahlt worden seien, die britishe Regierung nicht bereit sei, einer Verpfändung irgend eines Teiles der öffentlichen Einkünfte seitens Persiens zuzu- stimmen. Als sodann die Verhandlungen bezüglich eines gemeinsamen Darlehens gefcheitert seien, fei am 7. April der persischen Regierung durch die Gesandten Rußlands und Großbritanniens in Teheran eine Note überreiht worden, in der der persischen Regierung mitgeteilt worden sci, daß keine von beiden Regierungen Darlehen von dritten Parteien opponieren würde, vorausgeseßt, daß die dargelegten Bedingungen beobachtet würden. Seit diesem Zeitpunkte sei Persien keine Mitteilung über Anleihen von privaten Quellen gemacht worden. Mehrere Firmen und Persönlikeiten seien jedoch an das Auswärtige Amt herangetreten, um die Ansichten der Ne- Pervas über diesen Gegenstand zu erfahren, und in jedem Falle seien ihnen die in der Note vom 7. April niedergelegten Bedingungen mitgeteilt, und es sei ihnen zugleih gesagt worden, daß die Ne- u an diefer Stellungnahme festhalten werde. Was die augen- blicklihe Lage angebe, so habe die Regierung keine Schritte zetan, irgend einer speziellen Anleihe entgegenzutreten. In einem Falle habe die Regierung abgelehnt, ihre Unterstüßung zu ge- nähren, und es sei völlig klar, daß sie sih die Befugn!s vorbehalten msse, mit Nücksiht auf die Sicherung der britishen Interessen, den Auleihen thre Unterstüßung zu gewähren oder zu versagen. - Lord Herschell {loß, es sei jedo bekannt, daß jeßt Verhandlungen zwischen der persishen Regierung und der Imperial Bank of Persia ¿zum Zwecke der Aufnahme einer Anleihe im Gange seien. In jedem Falle hieße es, vielleiht eine etn wenig übertriebene Ansicht von der Sache hegen, wenn man den gesamten Zustand der Unruhe in Südpersien auf die Tat)ache zurückführe, daß die persishe Regierung ih kein Geld ver- schaffen könne. Persien könne Geld erhalten, wenn es gewillt sei, es unter vernünftigen Bedingungen zu erlangen, und ohne daß politische Bedingungen daran geknüpft seien. Earl of Crewe erklärte, die Negierung sei sich völlig der Schwierigkeit bewußt, die stets mit einer scheinbaren Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines folchen Staates wie Persien verbunden sein müßten.

_— Jn der gestrigen Sizung des Unterhauses stand die e Lesung der Finanzbill auf der Tagesordnung. Da ih kein Mitglied zum Wort gemeldet hatte, wurde die Bill in zweiter Lesung einstimmig angenommen. Vorher erklärte der Premierminister Asquith, obiger Quelle zufolge, in Be- antwortung einer Jnterpellation :

„Ich habe die Absichten der Negierung bezüglich der Diäten für die Mitglieder des Hauses bereits angedeutet. Wir werden ferner eine Vorlage einbringen, durch die den Trade Unions erlaubt werden foll, in ihren Saßungen die Bildung eines Fonds vorzusehen, der für die Aktion im Parlament und in den Gemeindeverwaltungen, für

Repräsentation und ähnliche Zwecke bestimmt ist, und dur die ferner gestattet werden oll, sih für diesen Zweck V amen N UR vorausgeseßt, daß die Ansicht der Mitglieder der betreffenden Trade Union tatsächlich festgestellt worden ist und daß kein Mitglied ge, ¿wungen wird, zu diesem Fonds beizusteuern."

_JIm weiteren Verlaufe der Sißzung richtete der Abg Dillon an den Staalsselretär des Auswärtigen Sir Edward Gre 4 einige Persien betreffende Anfragen.

uf die Frage, ob er wisse, wann die russischen Truppen aus df R zurückgezogen werden würden, und welches die Gründe dafür seien, die russisl)en Truppen dort zu belassen, er- widerte Sir Edward Grey, die er\te Frage müsse er verneinen. Was die zweite anlange, so wisse man, daß die russishe Ne- gierung zwar beabsichtige, die Truppen zurückzuziehen, aber nicht der Ansicht sei, daß der gegenwärtige Zustand des Landes diesen Schritt {hon jeßt rechtsertige. In Erwiderung auf die fernere Frage QDillons bezüglich der persishen Anleibe wies Six Edward Grey darauf hin, daß eine ausführliche Erklärung der Negierung über diesen Gegenstand im Oberhause abgegeben würde. Weiter fragte Dillon, welche Haltung die englische Negterung für den Fall einzunehmen beabsichtige, daß dite persishe Negierung es ablehnen sollte, ihre Einwilligung dazu zu geben, daß die Straßen im Süden Persiens von Cruppen unter dem Befehl cng- lisher Dffiziere überwaht würden. Sir Edward Grey erwiderte was bisher von der persishen Regierung verlangt worden sei, fei, daß die Ordnung auf der Straße Buschir—Schiras—Ispahan wieder her- gestellt werde, und daß, wenn die persishe Regierung nicht binnen drei Monaten dazu imstande sei, sie 8 oder 10 britische Offiziere, die ihr von der indischen Regierung zur Verfügung gestellt, aber in per- sischen Diensten stehen würden, dafür verwende, persische Truppen für die Wiederherstellung der Ordnung zu organisfieren. „Wir haben“, fuhr Grey fort, „kein anderes Ziel, als daß die Ordnung von der persischen Jtegierung wieder hergestelt und aufrecht erhalten wird. Ic kann nicht glauben, daß die persische Regierung es auf unbeschränkte Zeit ablehnen wird, irgendwelhe Maßregeln zu diesem Zwecke zu treffen. Es würde vecfrüht sein, |chon jeßt zu sagen, welche Haltung die engliscke Regierung einnehmen wird, wenn die persische Negterung dies doch tun sollte. Wir haben der persischen Negierung im Sinne meiner vorstehenden Erklärungen dringende Vorstellungen gemacht, daxüber hinaus aber keinen Druck auf sie au2geübt."

Der Minister des Jnnern Winston Churchill hielt gestern in Highbury eine Rede, in der er gegen die Be- shimpfungen protestierte, die von den Unionisten auf die irische Partei gehäuft würden, und „W. T. B.“ zufolge sagte:

Die Stunde für die Aussöhnung mit dem irishen Volke sei jeßt gekommen. Irland, frei in allem, was es berechtigterweise selbst an- gehe, werde in furzer Zeit seinen Ploy in wahrer unlöslicher Ver- einigung mit dem britishen Reich einnehmen, wie es die tapferen Buren getan hätten, unter dem Beifall der Kolonien und des großen englisch sprechenden Staatswesens und zum Verdruß jedes europäischen Nebenbuhlers von Englands Größe. Die Konservativen benußten das Oberhaus als ein Parteiwerkzeug in gewalttätiger, rüdckfichtsloser, unziemliher Weise. Ihre Neformresolutionen seien sämtlich auf die Herbeiführung ciner dauernden Ueberlegenheit der &ories gerichtet. Auf alle Fälle kämen sie aber zu spät. Für das Oberhaus sci die letzte Stunde gekommen.

L M: O Liga hat ein Manifest ver- öffentlicht, in dem die Lords und der Großgrundbesit, die beide gleichbedeutende Begriffe seien, heftig angegriffen werden. Jhnen wird die Verantwortung für die große Teuerung in Jrland und für die große Auswanderung aus diesem Lande bei- gemessen. Eine Million Stimmen von Volksgenossen, die ge- storben und verdorben sind, und fünf Millionen von solchen, die ins Exil getrieben worden sind, so heißt es, ges Quelle zu- folge, in dem Manifest, {reien nah der Entthronung der schändlichen Körperschaft, von der grenzenloses Leid herrührt. Frankreich.

| Jm gestrigen Ministerrat äußerte sich der Minister Pichon über die Einzelheiten des spanisch-marokkanischen Ab fommens. Nach einer Meldung des „W. T. B.“ erwähnte er dabei, daß die Verhandlungen, zu denen dieses Anlaß ge geben hätte, von dem Kabinett in Madrid den Kabinetten in Paris und London zur Kenntnis gebracht worden seien, und daß die spanische Regierung der französischen ihren Dank habe aussprechen lassen für das freundschaftliche Entgegenkommen, das sie hierbei bei ihr gefunden habe. Sodann besprach der Ackerbauminister Naynaud eine etwaige Aufhebung der Ein fuhrzölle auf Mais und Kartoffeln, da die Ernte hleht aus- gefallen sei.

Die Regierung hat für die Zeit bis zum 1. September 1911 einer Aufhebung des Einfuhrzolls auf Mais, der für hundert Kilogramm drei Francs beträgt, im Prinzip zugestimmt. Für Mais, der zur Destillation oder zur Stärke- Fabrikation verwendet wird, bleibt der Zoll bestehen.

Der Senat hat gestern die Vorlage angenommen, durh die die täglihe Arbeitszeit der unter Tage be schäftigten Bergarbeiter auf aht Stunden herabgesetzt wird.

Nuß;land. __ Gestern sind, „W. T. B.“ zufolge, in St. Petersburg die Natifikationsurkunden über den russisch-spanischen

Schiedsgerichtsvertrag ausgetauscht worden. Ftalien.

Jn Gegenwart des Königs und der Königin, des Ministerpräsidenten Luzzati, des Kriegs- und des Marine- ministers, der Spißen der Militär- und Zivilbehörden, zahlreicher Abordnungen und Vereine sowie einer großen Menschenmenge ist, einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge, gestern in Neapel ein Denkmal für König Humbert mit einer Ansprache des Bürgermeisters feierlich enthüllt worden. Abends fand bei den Majestäten eine Galatafel zu Ehren der Behörden statt.

Velgien.

Nach dem gestern abend 6 Uhr ausgegebenen Bericht über die Krankheit der Königin ist der Tag ruhiger verlaufen. Die hohe Kranke fand etwas Schlaf. Komplikationen find nicht eingetreten. Dem heute morgen ausgegebenen Bulletin zufolge hat die Königin die Nacht gut verbraht. Der Krank- heitsverlauf ist normal.

Niederlande.

Die Regierung hat, wie das „W. T. B.“ meldet, dem Parlament einen Gesébeutivurk, betreffend Ausnahme einer dreieinhalbprozentigen Anleihe im Betrage von 50 Millionen Gulden, vorgelegt. Vierzig Millionen davon sollen zur Zeichnung aufgelegt werden. Die Anleihe soll in erster Linie zur Deckung des Defizits von 1895 bis 1909 dienen.

Türkei.

Nach einer amtlichen Mitteilung an die Presse hat der Ministerrat, wie das „W. T. B.“ meldet, beschlossen, den Belagerungszustand und das Kriegsgericht im Wiilajet Monastir U (Ubben. Der über Kotschana im Wilajet Ueskueb verhängte Belagerungszustand wird bis zur Erledigung der Prozesse wegen der in Astip begangenen politishen Morde bei

behalten. Das VBandengeseß in den Wilajets Saloniki, Monastir, Kossowo, Skutari und Janina wird außer Kraft ge- sezt. Die auf Grund des Bandengeseßzes verhafteten Personen werden den ordentlichen Gerichten überwiesen, Einfuhr und Verkauf von Revolvern werden verboten. Die Regierung be- ält sih das Necht vor, für die rumelischen Wilajets das Pötige zu veranlassen, ebenso überall dort, wo revolutionäre Vorfälle die Verhängung des Belagerungszustandes erheischen.

Amerika.

Nach Meldungen des „W. T. B.“ aus Mexiko ist dort am vergangenen Sonntag bei einer Haussuchung im Hause von Nevolutionären eine Verschwörung aufgedeckt worden. Es wurden Dokumente gefunden, nach denen beabsichtigt war, mehrere hohe Beamte zu ermorden. Der Präsident Diaz sollte fest- genommen, wegen seiner früheren Verdienste um das Land jedoch nicht getötet werden. Vorgestern griffen die Nevolutionäre die Kasernen in Orizaba an, wurden aber nah s{chwerem Zu- sammenstoß mit den Truppen zurügetrieben. Die Stadt Torreon wurde von den Revolutionären mit s{hwerem Geschütz beschossen. Jn Acámbaro (Guanajuato) zogen die Aufrührer nah dem Gefängnis und befreiten die Gefangenen, dann rückte die bewaffnete Menge gegen das Rathaus an und raubte die städtischen Kassen aus. Truppen verjagten die Aufständischen in die Berge; in dem Kampfe wurden etwa 20 Aufrührer getötet und 80 verwundet. Weitere Depeschen aus El Paso in Texas berichten, daß San Antonio, San Andres, Torreon, Nañcho, Minaca, Encinillas, Guerrero und das anstoßende Gebiet in Chihuahua von den Aufrührern genommen worden sind. Die Revolutionäre haben alle Vorräte und militärischen Ausrüstungsstücke sowie alle Pferde und alles Vieh beshlagnahmt. Jn Chihuahua ist der Belagerungszustand erklärt worden. Die Lage an anderen Orten ist außerordentlich kritish. Ruhestörungen werden von Orten in sieben Staaten gemeldet. Die Unruhen verbreiten sih fächerartig von einem Punkte, der weniger als hundert Meilen nordwestlih von der Stadt Mexiko entfernt liegt, nah der amerikanischen Grenze zu. Jn zahlreichen anderen Distrikten im Osten und Südosten haben ebenfalls Kämpfe stattgefunden. Truppen werden schleunigst nach den bedrohten Punkten ent-

sendet. Asien.

Das deutsche Kronprinzenpaar ist, „W. T. B.“ zu- folge, gestern nahmittag von Colombo in Kandy eingetroffen, wo sie von dem Vertreter der englischen Negierung begrüßt wurden.

Nach einer Meldung des „RNeutershen Bureaus“ aus Peking ist es gestern im Reich saus\{chuß zu einem erregten Auftritt gekommen, weil der Staatsrat die Denkschriften des Reichsaus\chusses über die Salzfrage und die Unterrichtsfrage den betreffenden Departements überwiesen hatte. Ein Mitglied erklärte, der Staatsrat stoße die Vorschläge der nationalen Körperschaft willkürlich um und erlaube sich Eingriffe in ihre Privilegien. Solche Beamte hätten den Sturz der Ming- dynastie verursaht. Mehrere Mitglieder erklärten, entweder müsse der Staatsrat zurücktreten oder der Neichsaus\chuß gehen. Schließlich wurde ein Aus\{huß ernannt, um eine unzweideutige Protesterklärung zur Einreichung an den Thron zu entwerfen.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die gestrige Sißung des R eich s- tags befindet sih in der Ersten Beilage.

Jn der heutigen (84.) Sißung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Junern Dr. Delbrü und der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Freiherr von Schorlemer beiwohnten, gelangten zunächst die beiden folgenden, auf die Lebensmittel- und Fleischteuerung bezüglichen Jnterpellationen zur Verlesung:

1) Albrecht und Gen. (Soz.):

Was gedenkt der Herr Reichskanzler zu tun, um der die Volks- gesundheit {wer gefährdenden Lebensmitteltenerung zu begegnen ?

2) von Normann und Gen. (dkonf.):

Es ist in den leßten Monaten eine bemerkenêswerte und bedauer- lihe Verteuerung des Fleisches in vielen Städten eingetreten.

Ist der Herr Neichékanzler bereit:

1) gegenüber dem im Zusammenhange damit in leßter Zeit vielfah hervorgetretenen Verlangen nah Oeffnung unserer Grenzen für eine eaiteketo Bieheinfuhr, die {weren Gefahren darzulegen, welche die Erfüllung dieses Verlangens

a. für die deutsche Viehzucht im allgemeinen, þ. für die Aufrehterhaltung des Veterinärshutzes und c. für eine nachhaltig ausreihende Fleishversorgung des deutshen Volkes mit ih bringen müßte ?

2) Welche Maßnahmen hält der Herr Reichskanzler für möglich, um der bedauerlichen Steigerung der Kleinhandelspreise von Fleisch in den Städten zu . begegnen ?

3) Ist der Herr Reichskanzler in der Lage, eine vergleihbare Ueber? über die Kleinhandelspreise von Fleish in den wichtigsten Ländern Europas vorzulegen ?

Auf Vorschlag des Präsidenten Grafen von Schwerin- Löwi ß werden die Verhandlungen über beide Jnterpellationen miteinander verbunden. |

Auf die Frage des Präsidenten erklärte sich der Staats- sekretär des Jnnern Dr. Delbrück zur sofortigen Beant- wortung der Juterpellationen bereit.

Zur Begründung der Wort der

Abg. CEmmel (SAO Es besteht gegenwärtig ein Notstand, der besonders durch die Lebensmittelteuerung verschärft wird. Ab- gesehen von der Arbeitélosigkeit steht die deutshe Arbeiterschaft noch unter den Nachwirkungen der jahrelangen Krisen, sie befindet sich in einem Stadium, das eine Schonung der wirt\ch{aft- lichen Leistungéfähigkeit bedarf. Zwar haben sih die wirtschaftlichen Verhältnisse {hon etwas gebessert, aber die Arbeitélosigkeit ist noch groß. Festgestellt muß werden, daß in der Zeit der wirt- \haftlihen Krisen, die auf der Arbeiterschaft s{chwer lasteten, das Großkfapital ganz riesige Profite einheimsen konnte. Auch im Mittelstand herrscht Notstand durch die langen Krisen und den Meei Geschäftsgang sowie durch Naturere!gnisse, Uebershwemmungen und Mißernten, die ungeheure Schäden den kleinen Landwirten ge- braht haben. Der Notstand durch die Lebensmittelteuerung ist von der Negterung längst anerlannt worten; denn das Neich, die Einzel- staaten und die Gemeinden haben die Beamten mit großen Summen aufbessern müssen, um einen Ausgleih für die Teuerung herbeizu- führen. Die Besorgnis vor dem Notstand geht ja bis in die höchsten Kreise. Auch der König von Preußen ist durch Vermittlung eines Ministeriums in cine Lohnbewegung cingetreten; während er

ersten Jnterpellation erhielt das

bisher, das Jahr zu 300 Tagen fereuet, täglich 52 000 M4 bezog, bezieht er jeßt durch die Erhöbung der Zivilliste 64 000 46. Die deutschen Bundesfürsten in ihrer Gesamtheit beziehen troß ihrer Steuerfreiheit und ihrer Nebeneinkünfte jährlich nicht weniger als 42 Millionen Mark Zivilliste: werden auch hier, wo es \sich um wenige Perfonen handelt, solche Zulagen gefordert und bewilligt, so muß das als ein Beweis dafür angesehen werden, daß die Lohnbewegung der Arbeiter vollauf berechtigt ist. Freilih kommen den Arbeitern die Negierung und die Volksvertretung niht so bereitwillig entgegen, wenn sie einen Ausgleih zwischen den Lebensbedürfnissen und den so enorm gesteigerten Lebens- mittelpreisen fordern. Sowie der Versnh dieses Ausgleihs gemacht wird, {reit man über die Hetarbeit der Sozialdemokratie und macht die Polizei mobil, organisiert Streikbrecherkolonnen und unternimmt es so, mit Gewaltmaßregeln das Verlangen der Arbeiterschaft abzuwehren. Vor allem sind Brot und Fleisch, die Hauptbedürfnisse des Arbeiters, ungeheuer verteuert worden. Aber dabei ist es nicht geblieben; Hausagrarier wollen den Schnapsagrariern niht nachstehen und haben die Mieten weiter emporgeschraubt. Die Verteuerung des Getreides und des Brotes ist dur das raffinierte System der Einfuhrs{eine zum Schaden der inländishen Bevölkerung soweit getrieben worden, daß in Deutschland der Preis dauernd gleich den Weltmarktpreis plus dem Getreidezoll steht. Daß der Zoll von den deutshen Konsumenten getragen wird, ist eine Tatsache, die neuerdings selbst dec Deutsche Landwirtschaftsrat teilweise anerkennen mußte. Professor Brentano hat für 1907 bis 1909 ermittelt, daß die Getreide kaufende Bevölkerung an Mehrkosten für die Getreideversorgung 2767 Millionen aufbringen muß, wovon nur 281 Millionen als Zölle in die Neichskasse fließen.

(Schluß des Blattes.)

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Die Ausschreitungen der ausständigen Bergarbeiter in Südwales (vgl. Nr. 274 d. Bl.) führten, wie „W. T. B." meldet, am Montagabend zu einem regelrechten Gefeht. Die Polizei - beamten fagen aus, man habe aus den Fenstern alle möglichen Gegen- stände geschleudert und heißes Wasser auf ihre Köpfe hinabgegossen. Die Störungen seien \{limmer gewesen als die vorhergehenden. Die Journalisten, die während der Unruhen in Tonypandy den Nuhestörern nach Pain-y-graig zu folgen suchten, fanden ihren Weg durh Polizeibeamte* gesperrt. Diese stürzten thnen mit ges{wungenen Polizeiknüppeln entgegen, stießen fie, durch- suchten sie und befahlen ihnen dann, sich zurüczuztehen. Im Distrikt von Aberdare ereigneten sich gestern abend weitere Ausschreitungen. Streikende griffen in Aberaman die Häuser der Bergwerksbeamten an und s{lugen Schaufenster ein, sodaß die Polizei sie auseinander treiben mußte.

Aus Madrid wird der „Köln. Ztg." telegraphiert : Der Marine- ininister teilte am Montagnahmittag dem Ministerpräsidenten Canalejas mit, daß der Streik im Arsenal Ferrol durch ein Kompromiß zwischen den Streikenden, dem Stadtrat und der Flotten-

baugesellschaft beendet sei.

In Huelvya haben, wie „W. T. B." meldet, Auslader und Hafenarbeiter den Ausstand erklärt. Andere Arbeiterkategorien drohen, ih anzuschließen.

(Weitere „Statislishe Nachrichten“ \. i. d. Ersten Beilage.)

Kunft und Wiffenschaft.

Das Königliche Kunstgewerbemuseum eröffnet am Sonn- abend dur eine Vorbesichtigung die umfangreiche Dänische Aus- stellung von Kunstgewerbe und Baukunst. Sie is von Kopenhagen aus durch das dortige Museum, den Industrieverein und den Akademischen Architektenverein vorbereitet und zeigt alle Gebiete der heutigen Arbeit einschließlich der Architektur, darunter be- fonders hervorragende Kunstwerke aus öffentlihem und privatem Besitz, Möbel, Porzellane, Silberarbeiten u. a. Im Lichthof hat der däntsche Architekt Brummer für das Ganze farbige Umrahmung ge- schaffen; die Aufstellung hat Direktor Hannover vom Dänischen Kunstgewerbemuseum geleitet. Die Baukunst füllt die vorderen Säle, die Buchkunst den Ausftellungssaal der Bibliothek. Die eigenartige, neuzeitige dänishe Bau- und Handwerkskunst, die einen Nuhmestitel ihres Landes bildet, ist im Ausland noch nie so vollständig und vtel- seitig vorgeführt worden. Die Ausstellung ist von Sonntag ab all- gemein zugänglih und wird auênahmêsweise auch an den Montagen geöffnet sein.

Eine bedeutsame Entdeckung, die Licht auf die Geschichte der griehischen Malerei und der griehischen Kunst überhaupt wirft, ift in der unmittelbaren Nachbarschaft von Pompeji gemacht worden. Im vorigen Jahr waren, wie die „Frankf. Ztg.“ mitteilt, dort die Ueberreste eines prächtigen Hauses, der Sommerwohnung eines vornehmen RNsmers, ausgegraben worden, das mehr als 20 Näume, Höfe und Hofgärten enthielt. Nah Fortschaffung der Lavaschichten, die die Trümmer bedeckten, sind nunmehr dekorative Freskomalereien zutage getreten. Diese Gemälde zeigen, bis zu welch hohem Grade îin der Antike die Technik ausgebildet war, Werke der Skulptur in all ihcer räumlichen )lastik mit dem Pinfel wiederzugeben. Die Kunst der perspektivischen Architekturmalerei steht hier auf einer Höhe, wie sie erst von den niederländishen Meistern des 17. Jahrhunderts etwa wieder erreicht worden ist. Zwei ionishe Säulen z. B. erscheinen auf einem Ge- mälde, als ob sie in Wirklichkeit völlig frei im Naum \stünden. Dann ist eine Doppeltür dargestellt, mit einem außerordentlih realistish gegebenen Gitter; die Zeichnung diefer Türen ist ganz identisch mit dem Portal eines alten Grabes, das von Dr. Breccia in Chatby in der Nähe von Namleh entdeckt wurde. Es lassen ih also hier dieselben Zusammenhänge mit dem dekorativen Stil von Alexandria feststellen, die {hon in der Orna- mentilk! des Silberfundes von Boscoreale auffielen. Zahlreicher als die Architekturmalereien sind die Fresken, die Nachahmungen alter Skulpturwerke enthalten. Viele Gemälde stellen Szenen aus dem Bacchuskult dar: den Gott felbst und Silen, begleitet von Satyrn, Bacchanten in Draperien aus gazeartigen Stoffen, Priestern und Priesterinnen. Auf einem Bilde ist ein pompejanischer Naum dargestellt, in dem mit größter Naturtreue die Statue einer Priesterin plastisch herausgeboben ist, ferner ein ebenfalls als Skulpturwerk ge- gebener junger, tanzender Faun. Das Wichtigste ist aber die Ent- deckung einer Reihe von neun Bildern, die augenscheinlich eine großartige Skulpturgruppe wiedergeben, vielleiht ein langes Basrelief, von dessen Existenz bis jeyt nichts bekannt war, oder auch eine Dar- stellung, in ter der Maler verschiedene Meisterwerke berühmter Bildbauer verwendet hat. Diese Kopien geben jedenfalls eine wertvolle Hand- habe, uns eine Vorstellung von für immer verlorenen berühmten Werken der antiken Plattik zu verschaffen. Eine der Szenen zeigt eine Familiengruppe, Vater und Mutter und einen Sohn, der in einer Rolle liest, während ein Bedienter einen Olivenkranz zu einer O trägt, die ein Trankfopfer darbringt. Andere Gemälde tellen wahrscheinlih Aufnahmezeremonien dar, durch die Novizen in die dionysishen Mysterien eingeweiht werden. Manche der hier ge- gebenen Gestalten, eine {öne Frau, die sich einer Geißelung unter- wirft, eine andere, die einen bacchantischen Tanz aufführt, sind Meister-

werke der bellenistisch - rômischen Malerei. Eine eingehendere Er- forschung dieser Bilder wird viele Aufihlüsse gewähren, dur die uns wertvolle Einzelheiten aus den antiken Kulten, aus antikem Leben und Kunst enthüllt werden.

Magnetishe Fernwirkung der Sonne. Daß unsere Sonne aus einer Entfernung von 20 Millionen Meilen auf die Erde einen großen Einfluß ausübt, ist heute wohl jedem Schulkind bekannt. Unser Tagesgestirn hängt wie ein riesiger Magnet inmitten des Planeiensystems unv beeinflußt dessen sämtliche Glieder dur seine ungeheure Kraft. Seit meh:eren Jahren hat man bereits der Bildung der Sonnenflecken größere Aufmerksamkeit geschenkt, weil sie un- verkennbar gewisse Erscheinungen auf unserer Erdoberfläche zur Folge haben. Professor Hale, ein amerikanischer Astronom, der ua sehr viel mii Sonnenforshung beschäftigt, hat fo reibt der „Kosmos“, Handweiser für MNaturfreunde im 10, Heft neuerdings nahgewiesen, daß diese Sonnenflelen den sogenannten „Zeemann Effekt“ äußern. Professor Zeemann in Leiden hat nämli gefunden, daß das Spektrum einer zwischen den Polen eines Magnets leuhtenden Flamme fonderbare Veränderungen erkennen läßt, die wieder vershwinden, wenn die magnetishe Beeinflussung aufhört. Der Magnet s\paltet die Linien im Spektrum, und dieses wiederum äußert Eigenschasten einer seltsamen Polarisation. Ein gleiches findet nun auch im Spektrum der Sonnenflecken statt. Durch diese beachtenswerte Entdeckung erhalten die Theorien, die sich mit den von der Sonne hervorgerufenen magnetischen und klimatischen Störungen auf der Erdoberfläche befassen, eine wesentli festere Stüße und damit auch eine erheblih größere Bedeutung für ihre etwaige Auwendung in der Praxis.

Literatur.

Charles de Coster: Tyll Ulenspiegel und Lamm G oedzat, Legende von thren heroishen, lustigen und ruhmreichen Abenteuern im Lande Flandern und andern Orts. Deutsch von Friedrich von Dppeln -Bronikowski. (Verlag von Eugen Diederihs in Jena; br. 6,60 4; geb. 8 #4.) Der Verfasser dieses eigenartigen, wertvolen Buches, das in Belgien zu den gelesensten gehört. ist in Deutschland so gut wie unbekannt. Jhm fiel ein hartes Dichterlos. „FYŸ gehöre zu denen, die zu warten wissen" und „ih {äße mich ein auf etwas für heute, auf viel für die Zukunft“ hatte er mit berehtigtem Stolz von sich gesagt. Das „etwas für heute“ hat ihm die Mitwelt versagt. Er starb im Mai 1879, zweiundvierzigjährig, im Elend; sein „Tyll Ulenspiegel“ war 1867 erschienen, hatte aber nur in einem kleinen Kreise eine allerdings be- geisterte Aufnahme gefunden. Jett ist dieses „Epos des 16. Jahr- hunderts“ das Volksbuh der Belgier; am Teiche von Jrelles in Brüssel steht das Doppelstandbild von Ulenspiegel und seiner ge- liebten Nele, dessen Nische das Neliefbildnis de Costers trägt. Aber das Buch ist es wert, über das Vaterland seines Dichters zu dringen, und namentlich Deutschland, das einen Maeterlink überschäßte, sollte den ungleih größeren und kräftigeren de Coster freundlih bei \ih aufnehmen, zumal sein „Tyll Ulenspiegel“, wenn {on aus seiner deutschen Heimat entführt, doch als Flamländer niederdeutshes Blut in den Adern behielt. De Costers „Tyll“ ist niht der des alten deutschen Volksbuches, aus dem nur wenige Shwänke übernommen sind. Er ist ein Fläme des 16. Jahrhunderts und steht leidend und handelnd mitten in den gewaltigen politish-religiöfen Kämpfen, die damals die Niederlande durchbrausten. Mit reizender Naivität ist seine Jugend zu Damm in Flandern erzählt, die urwüchsige Häuélichkeit von Klas und Soetkin geschildert, deren Sohn er ist. Der kleine Tyll ist ein Tunichtgut mit frechem Mutterwiß und einem unbesiegbaren Wandertrieb. Kaum erwachsen, wird ihm eine Bußfahrt nah Nom auferlegt, die Gelegenheit zu manchem derben Schwank bietet, den Pilger aber als den alten Bruder Leichtsinn heimkehren läßt. Da packt ihn das Schicksal: Der Vater findet als Keßer den Tod auf dem Scheiterhaufen. Seit der Stunde brennt Klas? Asche auf Tylls Herzen und als auch die Mutter an den Folgen der Folter stirbt, zieht er hinaus, tas Vaterland von der Fremdherrschaft befreien und ihm die Glaubensfreiheit erkämpfen zu helfen. Der ine Gefährte seiner Kriegs8züge ist Lamm Goedzak, der erstaunliche Esser. Die JIrrfahrten, die dieses Paar auf eigene Faust oder als Späher des Oraniers durh die Niederlande unternimmt, füllen den größten Teil des Buches. Der Dichter bietet keine großzügige Handlung, sondern reiht ein knappes Bildchen an das andere; jedes e ist von einer solchen Schärfe, Lebendigkeit der Szenerie und Kraft der Farbe, daß sich ein packendes Zeitgemälde vor dem Leser aufrollt, ein Epos, in dem die Flamländer des 16. Jahrhunderts leibhaftig vor uns zu stehen heinen. Szenen derb wie die Bauerngemälde eines Teniers wechseln mit zart-poetischen Bildchen; hier tobt urwüchsigste Sinnlichkeit, dort tönt geisterhaft in sich gekehrte Mystik und als düsterer Hintergrund lohen und wogen die Schrecknisse eincs grausam geführten Krieges. Wie Tyll ein Parteigänger des Oraniers ist, so atmet das ganze Buch einen Geist, als hätte es ein Geuse geschrieben ; selbst wo es {chlicht Tatsächlihes erzählt, noch mehr aber, wenn in unheimltch düsteren Farben die Feinde des Vaterlandes, Karl V., Philipp 11., der Blutherzog Alba und setne Henkersknechte gezeichnet werden. Mag es dem belgishen Leser wegen des idealisierenden Glorienscheins, den es um sein Volk webt, noch mehr ans Herz wachsen, dem von solhen Nücksihten niht Beeinflußten verstärkt diese leiden- schaftlih-naive Parteilichkeit - die Illusion, ein echtes Volksbuh aus dem 16. Jahrhundert vor fich zu haben und damit den ästhetishen Genuß. Dieser beruht, wie {hon angedeutet wurde, vor allem in der eigen- artigen Mischung von Historie und Legende, in dem reizvollen Wechsel von realistisher und poetisher Schilderung. Ueber dem Grotesken und Derben, an dem das Buch reih ist, liegt ein Schleier von Schwermut, wie über dem Grausigen immer von neuem Lebense- mut und Lebenslust ihr Panier erheben. Wir schen leibhaftig ein Volk vor uns, das reich ift an verschiedenartigen Gaben, guten und bôsen, dessen Streben und Irren abec in einem hohen Ziele Zufammen|schluß und Weihe findet. Das sind Werte, die dem Buche Dauer verbürgen und die es über die Heimat seines Dichters hinaustragen. Dem UÜeberseßer und dem Verlag gebührt aufrichtiger Dank, daß sie ihm den Weg zu deutschen Lesern bereitet haben; mögen diese ihm ihr Interesse reihlih zuwenden.

Theater nud Musik. Nesidenztheater.

Das Nesidenztheater wartete gestern mit einer Neueinstudierung auf. Es griff auf ein älteres Stück zurück, das im Jahre 1894 einen der nachhaitigsten Erfolge erzielt hatte, die der Bühne in der Blumen- straße beschieden wurden. auf Gandillots Schwank „Der Unterpräfekt“, Gandillots technisch meisterlich aufgebautes Werk zeigt noch nichts von der Entartung des heutigen Pariser Boulevardstücks, es geht nicht auf den Sinnenkißel aus, sondern wirkt durch seine übersprudelnde Laune, scine Natürlichkeit in der Herbeiführung komisher Situationen und einen pointen- reizen Dialog. Die Leiden und Verlegenheiten des Kammerdieners, der in dem Stück die ungeseglihe Abwesenheit des Unterpräfekten verheimlihen muß und in der Verwirrung feiner Notlage zu den verwegensten Mitteln gedrängt wird, ergeben eine Anzahl von kecken, in überstürzender Hast sih ablösenden Bildern von überwältigender Komik. Freililh war, wie schon früher, die lustige Wirkung un Teil durch die Darstellung des diskreten Kammerdieners, den Herr Alexander wieder mit seinem köstlichen Humor ausstattete, bedin" V“ kur bewährten sich die Herren Sikla, von Möllendorf (ein; des Ensembles), Frey, die Damen Bergère, Natemsk|