1890 / 294 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 06 Dec 1890 18:00:01 GMT) scan diff

in Rechnung zu bringen. Ein junger Lehrer unterschreibt das sehr [eit ; aber, wie die Erfahrung lehrt, das Elend folgt nah, und es kommt zu höchs unbequemen Klagen darüber gegen die Gemeinden. Ih glaube, es ist richtig: man mat hier einen Schnitt und ordnet einfah fest an: Dienstzeit ift Dienstzeit, und die Gemeinden sind bei dem Eintritt älterer Lehrer gegen eine Mehr- belastung in Folge früherer Pensionirung gesichert, wie ich mir vorher auszuführen erlaubt habe, daß sie bei den Zuschüssen des Staats zu den Lehrerpensionen um 400 Æ günstiger gestellt find als bisher. Meine Herren, es ist ja ganz unmögli, Alles, was man auf dem Herzen hat, hier vorzuführen. Jch habe geglaubt, in ganz großen Zügen die leitenden Gesichtépunkte binstellen zu sollen. Die Staats- regierung verkennt durhaus nit, daß das vorliegende Geseh ein t: es kostet Mühe, sich in die Materie hineinzuarbeiten,

chweres ist ; d. y 7 Nis für diejenigen, die nit, wle ih beispielsweise das Glü

gehabt haben, unter der Herrschaft der Schulordnung von 1845 aufge- wachsen zu sein, gelebt zu haben und thätig gewesen zu sein. Aber, meine Herren, die Scwierigkeit kann doch das preußische Abgeordneten- haus nit abhalten, diese Aufgabe zu leisten, Jch erinnere an die Worte des Herrn Minister-Präsidenten, ih erinnere Sie felbst an das Jahr 1872 und an das Jahr 1875. Erinnern Sie sh ich hatte damals das Glück, Kommissar hier im Hause zu sein —: außer den wichtigsten kidhenpolitishen Gesezen, außer der Vormundschafts- ordnung, dem Hinterlegungswesen, außer vielen anderen wichtigen Gesetzen haben wir die Provinzialordnung, das Verwaltungsgeseß, das Ootationêgescß, das Baufluchtgesez erledigt. Das ist eine Leistung gewesen, dîe, glaube ih, 1890 nit erfüllt zu werden braucht, weil sie nit so groß ist, aber die doch erfüllt werden kann, wenn die Herren eben die Bedeutung des Zusammenhanges der Gesetze h gegenwärtig halten.

F kann eben nur hoffen und Sie bitten, daß Sie, wenn Sie, wie meiner Annahme nah aus der Diskussion hervorgehen wird, über die Schwierigkeiten des Gesetzentwurfs hinweggekommen sind, auch in Jhrer Kommission mit dem Geist der treuen Arbeitserfüllung cin Gescy zu Stande bringen werden, welches endlih die Bedürfnisse des Vaterlandes erfüllt, und welches, wie ih hoffe, noch von kom- menden Geshlehtern gesegnet werden wird. (Bravo! rechts und bei den Natiónalliberalen.)

Abg. Dr. Brüel: Der Geseßentwurf habe die wichtigen Fragen, welche auf dem Gebiete des Unterrihtswesens zu lösen seien, nicht alle gelöst und diejenigen, welche gelöst seien, seten niht in befriedi- gender Weise gelöst worden. Er erinnere z. B. an die Auflage neuer Schullasten. Man habe 1887 ein Geseß gemacht, welches den Miderspruh gegen neue Scullasten gestatte und die Ent- sheidung darüber der Selbstverwaltung überwiesen habe. Dieses Geselz werde einfach gestrichen und es würden z. B. über die Schulbau- loffèn nur allgemeine Grundsäße aufgestellt, welche ißre Bedeutung erst erlangten dur die Ausführung Ver Landrath folle die Aus- gaben etatisiren und dann solle Widerspruch erhoben werden; da werde ¿s cen immer dabei bleiben, daß die Kosten gezahlt würden. Der Entwurf beseitige indirekt alle bestehenden Präsentationsrehte der Patrone u. \. w. Das fordere die Verfassung nit. Diese Rechte des Patrons würden beseitigt, ohne daß die Verpflichtungen geändert würden. Alle besonderen Aufsihtsrehte der Gemeinden würden mit cinem Federstrih beseitigt; das bedauere er besonders, weil in seiner Vaterstadt Hannover folche Rebte aus der Zeit der Re- formation her noch beständen. Ein Unreht sei der Uebergang aller Stiftungen und des gesammten Schulvermögens auf die Geineinden. Die Stiftungen seien aus freiwilligen Privatbeiträgen aufgebrat ; in Zukunft sollten die Schullasten ebenso wie die Gemeindeabgaben aufgebraht werden. Dabei könne keine Ausgleichung geübt werden, wie dics in den Schulsozietäten mögli gewesen jet; aue Einwohner der Gemeinden würden gleihmäßig belastet. Die Vorschriften über den konfessionellen Religionsunterriht sähen so aus, als wenn nur diesex konfessionell sein solle; ja es sei möglich, die Bestimmungen, daß der Religionsunterricht nach der Konfession der Schüler ertheilt werden solle, so auszulegen, daß vielleicht ein evangelischer Lehrer den latbolishen Schülern fatholishen Unterricht ertheile. _Wenn eine gewisse Zahl von Kindern einer Konfession vorhanden sei, fo habe na, früheren Bestimmungen cine besondere S{ule errichtet werden müssenz jeßt heiße es nur, sie kônne errichtet werden: Alles sei in das Belieben des Ministers gestellt. Die bestehenden Sculgemeinden sollten einfa beseitigt und dur die politischen Gemeinden erseßt werden! Und diese Maßregel wolle man {on 1892 in Kraft seyen. Früher als im Juni 1891 würden die Verhandlungen nicht erledigt sein; es blieben alfo_ zur Dur(führung nur F Jahre. Während dieser Zeit sei die Sache durchaus nit zu mahen. Wenn man die Schulunterhaltungspflicht anders gestalten wolle, dann müsse man si an die bestehenden Ein- rihtungen anschließen und sie niht über den Haufen werfen. Sei denn die bürgerlihe Gemeinde wirkli eine zweckinäßige Grundlage für die Sculunterhaltung? Der Sculvorftand werde Leute ent- halten, die gar niht Vertreter der Gemeinden seien: den Sul- aufsi@tsbeamten, den Geistlichen und den Lehrer. (Sehr richtig! im Centrum.) Bei der Landgemeindeordnung habe man es als Grundsaß aufgestellt, daß man das Bestehende nicht beseitigen solle, wenn man nit etwas Besseres an seine Stelle seßen könne. Diesen Grundsaß solle man au bei diesem Gesezentwurf beachten. Centrum.)

Abg. Seyffardt (Magdeburg): Der Staat sei die Vertretung desjenigen , was uns allen gemeinsam feîi. In dieser Eigenschaft dürfe der Staat ih sein Recht auf die Schulaufsicht nit verkümmern lassen, weder durch die Selbstverwaltung der Gemeinden, noh dur die Selbstherrlichkeit der Religionsgesell\haften. In diesem Sinne würden scine Freunde an der Berathung des Entwurfs mit- arbeiten. Er sei nicht der Meinung, daß die Mitwirkung der Gemeinden dur denselben eingeshränkt werde, sondern er glaube, daß Alles beim Alten bleiben werde. Er verstehe die Be- fürchtung namentli in den neuen Landestheilen, daß die Stel- lung der Bureaukratie durch das Gesetz befestigt werden tolle, aber er halte se niht für begründet. Die Einwirkung des Geist- lihen auf den Unterriht werde in der Vorlage allerdings etwas aus» gedehnt, aber seine Partei werde den Versuch machen, das Ein- wirkungsrecht des Geistlichen auf die Lehrer einzushränken und in cin Beswerderecht des Geistlihen über den Lehrer, zu verwandeln damit nit der falsche Einfluß der Geistlihen auf die Schule, wte man ibn aus der Mühler’ schen Zeit kenne, wieder einreiße._ Die Simultansule wolle seine Partei aufrecht erhalten. (Widerspru im Centrum.) Daß die Halbtags\{ulen gesezlich aufreWt erhalten werden sollten, wolle ihm nit gefallen. In einigen Fällen könnten ja die Halbtagsschulen für den Ünterriht förderlich werden, wo es t um überfüllte einklassige Schulen handele. Daß das Sozietäts- prinzip absterben solle, darüber freue er h; daß das Vermögen der Sozietäten auf die Gemeinden, welhe die Sculunterhaltungspflicht übernähmen, übertragen werde, sei selbstverständlich; darin liege durh- aus keine Konfiskation, wie man dies namentlich in der katholisen Preffe dargestellt habe. Bezüglich der Lehrer sei die Anstellung das Wichtigste. Daß mehrere Lehrer vorgeschlagen werden sollten, sei niht praktisch; besser sei, wenn nur ein Lehrer vorges{lagen werde, der angenommen oder abgelehnt werden könne. Day das Dienstalter der Lehrer von der Vereidigung an rechnen solle, set ein außerordentlicher Fortschritt, ebenso die anderiveitige Regelung der Alterszulagen. Ob der Westen oder Osten bei der Vorlage etwas besser oder leite wegkomme, fei vollständig gleichgültig. Die Abgeordneten seien Vertreter des gesammten Vaterlandes und auf dem Gebiet der S(hule entscheide

(Beifall im

0 Ee: ledigli “dias ‘Bedürfniß und erst in zweiter Linie dürfe man dem Gefühl her * Lakdsmannschaft folgen. Seine Freunde seien bereit, s mit Eifer an den Kommissionsarbeiten zu betheiligen. Er reie Me [E Weng ank N e gelingen werde, I dieser ession einen guten ulgeseßentwurf dem Volke darzubringen. (Beifall bei den Nationallibecalen) \ \

Abg. Dr. Reichensperger führt aus, daß sowohl die Fassung von §. 17, der den Religionsunterriht in der Volksschule, als auh 8. 45, der den Meergans des Vermögens an die bürgerlihen Ge- meinden betreffe, gegen den Sinn und den Wortlaut der Verfassung verstießen. Redner geht ausführlih auf die Entstehung des Art. 24 der Verfassung und auf die entsprehenden Verhandlungen der Ersten und Zweiten Kammer ein, um nachzuweisen, daß der Ausdruck „Leitung“ den betreffenden Religionsgefell\haften viel umfassendere Befugnisse beilege, als §. 17 gewähre. Es habe speziell der Kultus- Minister von Ladenberg anerkannt, daß nach der Verfassung der Religionsunterriht der Kirhe Überwiesen sei. Danach dürfe kein Lehrer unterrihten, der niht von der geistlihen Behörde für dazu befähigt erklärt worden sei. Diese Willensmeinung der Verfassung. werde durch die Vorlage niht verwirklicht. In Preußen wêrde es hoffentlih nicht dahin kommen können, daß der Staat allein bestimme, was Christenthum sei und was als fol{hes in den Schulen gelehrt werden solle. Wie es mögli fein solle, das Vermögen der kirhlihen Gemeinden, der Schulsoztietäten u. \, w. einfa auf die bürgerlichen Gemeinden ohne Entschädigung zu über- tragen, könne er sich nicht vorstellen ; bestehe denn nicht mehr in der Verfassung der Art. 9, wonach das Eigenthum unverleßlih sei und nur aus Gründen des öffentlihen Wohles gegen Ent- \{hädigung aufgehoben werden könne? Redner hofft von der Kom- missionsberathung die Beseitigung wenigstens dieser \{chwersten Un- gleihheiten. (Beifall im Centrum.)

Abg. Wessel ist der Meinung, daß nah der Rede des Abg. Dr. Brüel die Chancen des Entwurfs doch besser stünden, als all- gemein angenommen werde. Wenn der Abg. Dr. Brüel zur Bekämpfung der Vorlage dazu herabsteigen müsse, den Cinwand zu erheben, daß es in Preußen möglich sei, daß ein evangelischer Lebrer katholischen Re- ligionsunterricht ertheilen müsse, ein Einwand, der wohl von Nie- mandem im Hause geglaubt werde (lebhafter MWiderspruch im Centrum), dann müsse man um ftichhaltigere Gründe doch sehr verlegen sein. In einem großen Theile der Monarchie bestehe ja \hon jeßt mit Nußen das System der kommunalen Eingliederung der Volksschule. Die privaten Gutsherren würden gewiß hier und da zu höheren Lasten für Schulzwecke herangezogen werden müssen , aber das liege nur im Interesse der Gerechtigkeit. Natürlich müsse in allen Geldfragen nah dieser neuen Konstruktion die bürgerliche Gemeinde entscheiden; es sei das eine einfahe Konsequenz. Auf dem Gebiete der Anstellung der Lehrer komme der Entwurf den Gemeinden so weit wie mögli entgegen ; weiter könne der Staat nit gehen, wenn er das Bestätigungsrecht behalten solle. Die Zusammensegung des Sculvorstandes sei im Großen und Ganzen nihts Anderes als die Zusammenseßung der bisherigen Sculdeputationen ; es kämen nur die ernannten Mitglieder binzu. Nicht richtig {heine die völlige Gleichheit der bezüglihen Vorschriften für Stadt und Land, eines \{chicke ich nicht für Alle, namentlich hinfichtlih der Befugnisse; auch die Disziplinarbefugniß der Deputationen über die Lehrer in den Städten solle man ihnen belassen. (Ruf rechts: Na! Na!) Auf dem Lande möge das ja anders sein. Die Uebertragung der Unterhaltungspfliht auf die Gemeinden sei der cinzige Weg, aus dem jetzigen Zustande herauszukommen, wo die leistungsunfähigen Ge- meinden eine beständige Plage für die Betheiligten und die Behörden darstellten. Werde den Wünschen des Abg. Dr. Reichensperger Rehe nung getragen, so werde entweder die Volks\{ule zur Kirhschule, oder der Religionsunterriht werde aus der Schule entfernt. (Sehr rihtig! rechts.) Ein Drittes gebe es dann nicht. Beides werde aber nicht für wünshenswerth vom Lande betrahtet werden können ; es werde also wohl bei den Vorschlägen des Entwurfs bleiben. Den Gemeinden werde ia mehrfach eine stärkere Belastung erwachsen, besonders im Osten, wenn die bis- herigen gutsherrlihen Verpflichtungen gänzlih fortfielen. Hier aber werde zweifellos die Verwaltung bei nachgewiesenem Be- dürfniß nachzuhelfen haben. Bei der äußeren Verwaltung verlangten seine Freunde cine größere Betheiligung der Selbstoerwaltungsorgane. Bezüglich der Ueberweisung habe heute der Ministec so gesprochen, als ob die Ueberweisung an die Zweckverbände {hon feststände; so liege die Sache nicht, vielmehr bestehe noch immer die lex Huene, und die Ueberweisungsfrage müsse man durhaus ofen halten. Der preußische Staat sei stark und fest geblieben im Wandel der Ge- \hihte; mit der Verabschiedung dieses Gesetzes werde cin weiterer Baustein dazu geliefert, und zuglei werde endli einmal die Willkür der vergiftenden Debatten aufhören, die si gerade an die Volks- \chule hier im Hause stets geknüpft hätten (Beifall rets.) Auch seine Partei sei für eine Kommission von 28 Mitgliedern.

Abg. Zelle: Auf der linken Seite des Hauses werde die Er- füllung ciner alten Forderung der Verfassung immer mit Freude begrüßt. Seine Partei sei mit dem Abg. Dr, Brüel der Meinung, daß auch das Privatshulwesen in diefes Gese mit hineingehöre. Sie sei einverstanden mit der Befestigung der Stellung der Lehrer, freue ih über den Wegfall der Schulgelder und der buntscheckigen Vielfältigkeit der bisherigen Träger der Shullast, an deren Stelle die Gemeinden treten sollten. Dem Vorwurfe einer revolutionären Konfiskation wohlerworbener Rechte begegne er mit dem Hinweise auf Landrecht und Verfassung, wonach die Volks\{hule eine Ver- anstaltung des Staates sei, der seine Rechte, wenn er wolle, auf die Gemeinden obne Weiteres delegiren könne. Der Religionsunterriht müsse ein konfessioneller sein, er meine aber, daf: §. 17 zu weit gehe, denn der dort den Geistlichen eingeräumte Einfluß auf den Ganz des Unterrichts werde zu einem verderblichen Dualismus führen. Das österreichische Gesetz stabilire die Unabhängigkeit der übrigen Lehrgegenstände vom Religionsunter- rit; diese Unabhängigkeit erstrebe auch seine Partei im Gegensay zum Abg. Dr. Brüel. Troy des „Sammelsuriums*“ in der Schuldeputation seien niemals Kollisionen vorgekommen. Der Abg. Dr. Brüel liefere ja selbst ein leuhtendes Beispiel dafür, wie ein guter Protestant in engster Gemeinshast und mit Nußen mit den Vertretern der anderen MReligionsgemeinshaft zusammenarbeiten könne. (Lebhafter Beifall und Heiterkeit.) Gegen die Konfessionalität in dem Entwurfe werde in' der Kommission jedenfalls angekämpft und für die Simultan- \{ulen eingetreten werden; seine Partei hoffe dabei die Bundes- genossenshaft der Nationalliberalen niht zu verlieren. Sie könne von einer künstlichen Trennung der Kinder {on in der SQule ni@ts für die Zukunft des Vaterlandes erhoffen. Sollten die Gemeinden die Träger der Scullasten werden, dann müßten diesen Pflichtenauch die entsprehenden Rechte gegenüberstehen. Zu weit gehe die Cinshränkung der Gemcinden bei der Verwaltung des Mobiliarvermögens und bet der Lehrerpensionirung ; desgleichen kämen die Gemeinden bei der Anstellung der Lehrer sehr \{chlecht weg. Der Swulvorstand nah der Vorlage habe nicht entfernt den Charakter der heutigen Schuldeputation, er sei vorwiegend bureaukratis{, kein fommunales Organ; die Volks\{ule werde durch diesen Wechsel {wer gecs{ädigt werden. Cs würde übertrieben sein, zu sagen, daß die Volksshule in den Städten ruinirt werde, wenn dieses neue System angenommen werde, aber zahlreihe Blätter und Blüthen, welche der alte Stamm getrieben und an denen das Herz sich erfreut habe, maden Pianen und verwelken, wenn diese Vorlage Gesetz werde. (Beifall links.) A i

Abg. Dr. Friedberg: Unzweifelhafi gehe der Zug der Zeit auf die Staats\cule, besonders vorgeschritten seien Frankreih und Nord- Amerika; der etwas bureaukratische Charakter der Vorlage entspre{he eben diesem Zuge. Der Hauptstreitpunkt der Konfefsionalität habe \chon heute fich als solher erwiesen. Seiner Partei sei das kon- fessionelle Prinzip zu sehr in den Vordergrund gestellt. Am Bedenk- lichsten erscheine §. 15, wona bei 60 Schülern einer Konfession be- sondere Schulen eingerihtet werden sollten. Um diesen §. 15 an- nehmbar zu finden, müsse man ein Doppeltes verlangen : Abschaffung der Simultanshulen nicht gegen den Willen der Gemeinden

und Verhinderung der Auseinanderreißung guter Schulen bloß wegen des konfessionellen Zweckes. Die Formulirung dieser beiden Voraus- seßungen werde hoffentlich gelingen. Die Beseitigung der bisherigen Schul- verbände könne man do nit als revolutionär bezeihnen, wenn an eine Neuregelung unseres Schulwesens einmal gegangen werdez hier könnten doch niht wieder Ausnahmen zugelassen werden. Die ungenügende Betheiligung der Selbstverwaltung gefalle au seiner Partei nicht ; sie werde hier möglich| zu amendiren suchen. Daß das Geseh von 1887 wegfallen solle, könne er nicht beklagen. Das Vor- \{lagsrecht der Gemeinden nah der Vorlage seine au ihm ein Entgegenkommen der Regierung zu fein; nur follten diejenigen Gemeinden, welche bereits weitere Rechte hätten, darin ges{üht werden, das gelte z. B. vom Wahlrect der Lehrer in Holstein. Ueberrashend sei, daß mit diesem Geseg zugleich die finanziellen Angelegenheiten geordnet würden. Ihm persönlich fei es ganz recht, daß man die lex a heranziehe. Die heute erhobenen Einwendungen ließen die Zweifel an dem Zustandekommen des Gesepes sihtlich {winden ; mit dem Gesetze bekomme man jedenfalls an Stelle der bisherigen Ministerwillkür feste geseßlihe Verhältnisse. Diesen Vortheil sollte man sich nicht entgehen lassen.

Um 4 Uhr wird die weitere Berathung auf Sonnabend

11 Uhr vertagt.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Etat für den Reichstag weist an fortdauernden Ausgaben eine Summe von 421813 4 gegen 390 025 im CGtatéjahre 1890/91 auf. - Gs wird diescs Mehr von 31 788 A da- durch motivirt, daß einmal seit dem Jahre 1871 die bisherigen Stellen der Registratoren nicht vermehrt worden feien, obglei im Laufe der Zeit das Anwachsen der Dienstgeshäfte erheblih fort- geschritten sei, ferner haben sich nach dem zehnjährigen Durchschnitt eine Sißzungszeit von fünf Monaten gegen die dem Etat bisher zu Grunde gelegte Zeit von vier Monaten ergeben, Eine Ver- mehrung des Personals und eine solhe für ODruckosten und Bureaubedürfntse sei deshalb unvermeidiich gewesen, Gefordert werden für Besoldungen 56 050 K, für Wohnungs- geldzushüsse 7800 1, bez. 4200 F und 900 F mehr als im Vorjahr. Für andere persönliche Ausgaben sind 77 485 4, 10 630 M mehr als im Vorjahr, für \sächlihe und vermischte Ausgaben 292 178 A, 16 058 M mehr als in 1890/91 eingestellt. An sonstigen Ausgaben, sowie für die Bibliothek werden wie im Vorjahr bez, 18 000 und 42300 gefordert. Die Einnahmen, welche aus den von den Dienstwohnungsinhabern für die Entnahme von Feuerungs- und Beleuchtungsmaterial u. f}. w. zu zahlenden Ent- \chädigungen bestehen, sind mit 754 4 in Ansaß gebracht. i

Die Arbeiters{chuyz-Kommission hat gestern die zweite Lesung des Entwurfs beendigt. Wir haben über den S({luß der Verhandlungen nur noch Folgendes nachzutragen. 8. 150 mit dem Antrage der Zwischenkommission, §. 151 Absay 1 (in erster Lesung abgelehnt) in folgender Fassung: „Sind bei der Ausübung des Gewerbes polizeilihe Vorschriften von Perfonen übertreten worden, welche der Gewerbetreibende zur Leitung des Betriebes oder auch von Theilen desselben oder zur Beaufsichtigung bestellt hatte, fo trifft die Strafe diese Letzteren. Der Gewerbetreibende ist neben denselben strafbar, wenn die Uebertretung mit seinem BVorwissen begangen ift oder wenn er felbst in der Lage war, den Betrieb zu beaufsihtigen, oder wenn er bei der Auswahl oder der Beaufsichtigung der Betriebs- leiter oder Aufsihtspersonen es an der erforderlihen Sorgfalt hat fehlen lassen.“ §. 153 (in erster Lesung abgelehn!) wurde wiederum abgelehnt. 8, 154 wurde mit einem Antrage der Zwischenkommission genehmigt. Danach sind die Ausnahmebestimmungen des Bundesraths und die Kaiserlihen Verordnungen, welche für das ganze Reich oder örtlich be- grenzte Bezirke erlassen werden fönnen, dem Meichstage vor- zulegen. §. 156 wurde angenommen. In Art. 7 wurde die Zeit- bestimmung für das Inkrafttreten des Gesetzes im Großen und Ganzen auf den 1. Januar 1892, für Kinderarbeit auf den 1, April 1894 festgeseßt. Zum Schluß nahm die Kommission die Resolution erster Lesung, mit der Frist des 8 137 Absay 5 die Frist des Q 0 Me 2 deB Krankenversiherung8geseßes in Uebereinstim- mung zu seßen, und folgende Resolution Klemm ant: „den Reichskanzler zu ersuchen, Behufs Förderung der Gewährung aus- reihender Sonntags ruhe beim Eisenbahndienst seine Ver- mittelung bei den verbündeten Regierungen eintreten zu lassen, ins- besondere dahin zu wirken, daß der Güterverkehr an Sonn- und Festtagen möglichst eingeschränkt werde, und da, wo zur Zeit die Ab- haltung von Schlachtviehmärkten am Montag stattfindet, die Ver- legung dieser Märkte auf einen späteren Werktag erfolge.“

Vom Abg. Klemm ist folgender Abänderun gs- Antrag zur dritten Berathung des Entwurfs eines Geseßes, betrettend die Vereinigung von Helgoland mit dem Reiche, beim Reichstage eingebracht worden: Der Reichstag wolle beschließen: dem Gese als 8. 7 hinzuzufügen: „Dieses Gesey tritt mit der Verkündung in Kraft.“

Jm 7. Marienwerder'shen Reichstags - Wahlkreise, Schlohau-Flatow, ist an Stelle des Ober-Regierungs- Raths Scheffer, welcher das Mandat niedergelegt hat, der Rittergutsbesißer von Helldo rf auf Bedra, deutsch-kTonfervativ, mit 10 391 gegen 7725 Stimmen, welche der Landrichter Neu- kirh in Konitz, freisinnig, erhielt, zum Mitglied des Reichs- tages gewählt worden,

_— Die XII, Kommission des Hauses der Abgeordneten zur Vorberathung des Entwurfs einer Landgemeinde- ordnung für die sieben östlihen Provinzen der MonatGie besteht aus folgenden Abgeordneten: Frenß, von Helldorff-Zingst, Dr. von Heydebrand und der Lasa, Shriftführer; Lamprecht, von Neumann, von Puttkamer-Plauth, von Rauchhaupt, Vor- fißender, von Rehdiger, Zindler, Barth, von Dziembowski, Dr. Ritter, von Tiedemann (Labischin), Dr, Avenarius, Schriftführer; Hobrecht, Dr. Krause, Melbeck, Seer, Pr. Weber (Halberstadt), Delo ch, Klose, Rarkows ki, Shriftführer, von Schalscha, von Strombeck, Stellvertreter des Vorsitzenden; Szmula, von Sczaniecki, Eberty, Zelle.

Das I1. Verzeihniß der bei dem Hause der Ab- geordneten eingegangenen Petitionen enthält 817 Num- mern. Davon sind 11 der Kommisfion für Petitionen, 10 der Kommission für die Agrarverhältnisse, 6 der Kommission für das Justizwesen, 5 der Kommission für das Gemeinde- wesen, 8 der Kommission für das Unterrichtswesen, 17 der Kommission zur Prüfung des Staatshaushalts und 760 der Kommission zur Vorberathung des Entwurfs eines Einkommen- steuergesezes überwiesen worden.

Im Abgeordnetenhause werden die Kommissionen zur Vorberathung der Einkommen- und Erbschafts steuer- Gesetentwürke bezw. der Landgemeindeordnung am Mittrooh bezw. Sonnabend nächster -Woche ihre Berathungen beginnen.

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denselben zu verhaften und in das Untersuchungs-

M 294.

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E,

Dritte Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Sonnabend, den 6. Dezember

1890.

Nr. 48 der Ver öffentlihungen des Kaiserlichen Ge- undheitsamts vom 2. Dezember hat folgenden Inhalt : Gesundheitsstand. Bolkskrankheiten in der Berichtswoche. —- Cholera-Nachrihten. Sterbefälle in deutshen Städten mit 40 000 und mehr Einwohnern. Desgleichen in größeren Städten des Auslandes, Erkrankungen in Berliner Krankenhäusern. Desgl. in deutshen Stabdt- und Landbezirken. Flecktyphus in Osft- preußen. Desgleichen in Posen. Krankenbewegung der bayerischen Armee 1890, 2. Quartal. Sterblichkeit in Stuttgart 1889, Witterung. Grundwasserstand und Bodenwärme in Berlin und München, Oktober. Zeitweilige Maßregeln gegen Volkskrank- heiten. ThierseuGen, Maum- und Klauenseuche im Deutschen Reiche 1889, Desgleichen in Biala, 1890, November. Thier- feuhen in Belgien, 1890, 3, Vierteljahr. Veterinär- polizeiliche Maßregeln. A E u. \. w, (Preußen. Reg.-Bez. Köslin.) Prüfungen der Apothekerlehrlinge. (Sahsen.) Zusay von Saccharin zum Biere. (Desterreih ) Magister-Diplome für Pharmazeuten. (Krain.) Impfungen mit animaler Lymphe. (Kärnten.) Dienstreisen der Bezirksärzte. Rechtsprehung. Leber- thran mit Urin gemischt. Desgleichen Lrinkwasser. Nach- gemachtes Bitterwasser. Himbeerliqueur mit künstlihem Frucht- äther. Gefärbte Fruhtlimonade. Citronenöl Vermischtes, (Preußen, Berlin.) Städtische Wasserwerke 1889/90. Geschenkliste. Bevvölkerungsvorgänge in deutschen Orten mit 15000 und mehr Einwohnern, Jahr 1889 nebst Durchschnitt 1878/87.

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien, An der Nuhr find am d. Dezember gestellt 8495, niht recht- zeitig gestellt 2618 Wagen, weil die Zuführung wegen der durch das Hochroasser eingetretenen Betriebsstörungen nit erfolgen konnte.

Subhastations8-Resultate.

Beim Königlichen Amtsgericht 1. Berlin stand zur Ver-

steigerung das im Grundbuch von der Friedrih-Wilhelmstadt Band 11 Nr. 215 auf den Namen des Maurermeisters Hermann Böttcher eingetragene, in der Karlstraße 23 und Friedrichstraße 132 be- legene Grundstück. Das geringste Gebot wurde auf 57 000 M fefst- gesetzt. Nah vielen Zwischengebcten erhielt der Kausmann L Cassirer, Werftstraße 10, für tas Meistgebot von 520 000 6 den fofort verkündeten Zuschlag. Das Verfahren der Zwangsversteige- rung, betreffend das Grundstü in der Dresdnerstraße 103, dem Maurermeister Otto Schweiniß gehörig, wurde ausgehoben, da Regulirung erfolgt ift, Dei Königlihen Amtsgericht 11. Berlin sind die Zwangsversteigerung, betreffend das Grundstück des Kaufmanns August Do mas ch, Grundbu von Weißensee Baud 23 Nr. 66%, zu Neu- Weißensee, Heinersdorfer Weg 25 belegen und die Termine am 20, bezw. 22. Januar k. J. aufgehoben, da die hierauf bezüglichen An- träge zurückgenommen wurden.

Berlin, 5, Dezember. (Amt1tche Pretsfeststellung für Butter, Käse und S@wmalz.) Butter: Hof- und Genofsen- \Gaftsbutter Ia. 113—115 A, Ila. 110—112 A, Ila. —, do. abfallende 106—109 (G, Land-, Preußishe 90—95 4, Neßbrücher 87—93 A, Pommersche 90—95 4, Polnische 88—92 46, Bayerische Sennbutter #, do, Landbutter 88—90 /, Schles. 93—98 #, Galizische 75—80 4 Margarine 40—70 4 Käse: Schweizer, {Smtmenthaler 93—98 4, Bayerischer 75—80 #, do. Ost- und West- preußischer, Ia. 72—78 M, do. Ila. 6—70 M Holländer 80—90 t, Limburger 42—48 4, Quadratmagerkäse 22——27 4 Schmalz: Prima Western 17% La. 39,00 #, reines, in Deutsch- land raffinirt 42,50—45,60 4. Berliner Bratenschmalz 45,00—49,00 #6 Fett, in Amerika rafsinirt 37,50 &. in Deutschland raffinirt E Tendenz: Butter: Unverändert. Schmalz: Etwas rubiger.

Die Diskonto-Gesellschaft in Berlin veröffentlicht folgende Mittheilung:

Bei der auf Einladung des Gouverneurs der Bank of England in London stattgehabten Verhandlung über die Finanz- lage der argentinishen Republik waren der englishe Markt dur vier Delegirte, der französishe durch einen Delegirten und der deutsche ebenfalls durch einen Delegirten vertreten. Den Delegirten traten Lord Rothschild als Vorsizender der Konferenz und Hr. Goschen als Kommissar der Bank of England hinzu, Um“ der argentinischen Regierung über die gegenwärtige \{chwierige Lage hinweg zu helfen, machten die englishen Delegirten folgende Vorschläge:

1) Die argentinishe Regierung" emittirt cine durch die Zölle gesicherte 6 9% Sterling- Anleihe, deren Zinécoupons als Gold auf die Zölle in Zahlung genommen werden. Die Anleihe soll auf drei Sahre für die Verzinsung und Tilgung der direkten, in Gold zahl- baren Staatsobligationen und die bisher bewilligten Eisenbahn- Garantien an Zahlungsöslatt gegeben werden, ausgenommen jedoch die Anleihe von 1886, deren Verzinsung und Tilgung aus den Zöllen bereits gesichert ift.

9) Die argentinische Nationalbank oder eine andere Bank ersten Ranges hat die verhältnißmäßigen Zolleingänge jede Woche zu empfangen und nah London zu remittiren. Wenn die Nationalbank dazu bestimmt wird, so wählen die Inhaber der betreffenden Obli- gationen einen oder mehrere Direktoren der Bank, welche von der Bank besoldet werden.

3) Der für den vorstehend angegebenen Zwelck erforderliche Emissionsbetrag der 6% Anleihe kann um 1 000 000 L, vermehrt werden, welche zur Deckung dringender Verpflichtungen dienen, Hierüber hinaus wird die Regierung während dreier Jahre keine neue Anleihe- Verpflichtung eingehen. 4

4) Die Regierung verpflihtet si, auf drei Jahre den Betrag der umlaufenden Banknoten jährlichß) um wenigstens 15 Millionen Dollars zu vermindern.

__ Weder der französische noch der deutsch@e Delegirte {loß sich diesen Vorschlägen an, da leßtere lediglih vom Standpunkt der englischen Interessen ausgingen. Die in Europa in Gold zahlbaren Annuîi- täten, für welche die argentinishe Regierung verpflichtet ist, betragen nahezu 2000 (00 Pfd. Sterl, wovon nach Abzug der Annuität von ca, 500000 Pfd. Sterl. der hauptsählich im englischen Markt befindlihen Anleihe von 1886 nur ca, 1500000 Pfd. Sterl. für die Vorschläge der englishen Delegirten im Be- traht kommen. Sodann ist der für die Eisenbahn-Garantien im Jahre 1891 erforderlihe Betrag auf 690 (00 Pfd. Sterl. zu \{chäten, aber hiervon darf nur etwa die Hälfte in jene Vorschläge einbezogen werden, da die argentinische Regierung berechtigt ist, für die andere Hälfte der Garantien, drei Eisenktahnen betreffend, Bonds ohne Sicherung dur die Zölle in Zahlung zu geben. Also wegen eines Zahlungsbetrags von ca. 1 850 000 Pfd. Sterl. will man von englischer Seite der argentinishen Regierung den Math geben, von ihren vertragsmäßigen Zahlungsverpflichtungen abzuweichen, während die Megierung durch Herstellung der Ordnung in ihrer Finanzverwaltung und durch richtige Benußung der ihr zu Gebote stehenden Hülfsquellen in der Lage ift, ihren Verpflihtungen in vollem Maße nachzukommen. Die dringendsten und witigsten Maßnahmen, welhe die Regierung zu ergreifen hat, sind în den Vorschlägen nur oberflählich berührt, und die Berquickung derselben mit den Forderungen, welche die argentinishe Regierung aus dem Vertrage über die Waterworks an Baring Brothers bezw. deren Garanten hat, wurde in der Konfe- renz überhaupt nicht erwähnt. Das Hauptmotiv der Vorschläge ift in dem bedeutenden Interesse des englishen Markis an der Hebung der argentinishen Papier-Valuta, d. h. an der Besserung der Ein- nahmen in dieser Valuta aus den in einem enormen Betrage vorhan- denen englishen Eisenbaha-, Telegraphen-, Gas-, Tramway-, Bank- E und anderen Kapitalanlagen in den La Plata-Staaten zu suchen.

Dol französischer und deutsher Seite wurde für die argentinische Regierung der Gegenvorschlag gemacht:

1) Die Einfuhrzölle, welche gegenwärtig halb in Gold und halb in Papier bezahlt werden, künftig wie in anderen Staaten mit shrwoankender Valuta ganz in Gold zu erheben, sodann Ausfuhrzölle in Gold auf einige Haupt-Ausfuhrartikel, namentlich Wolle und Häute, zu legen, und die Zinscoupons aller in Europa begebenen Goldanleihen auf die 5Zôlle in Zahlung zu nehmen;

2) auch andere Steuern in dem noh so wenig besteuerten Lande einzuführen ;

9) überhaupt alle geeigneten Anordnungen zu treffen, um das Gleichgewicht in dem Staatshaushalt und die Ordnung in der Finanzverwaltung herzustellen;

4) insbesondere zu leßterem Zwcck die Nationalbank unter un- abhängiger Leitung zu organisiren.

Bei der zurückgegangenen Einfuhr werden die Einfuhrzölle für 1890 noch auf 25 Millionen Dollars geschäßt, und wenn ein solcher Betrag ganz in Gold erhoben wird und ein Ausfukrzoll felbst nur auf Wolle und Häute, deren Ausfuhr für 1890 auf 50 Millionen Gold-Dollars anzunehmen ist, erhoben wird, fo kann aus den Zöllen allein ein wesentli höherer Goldbetrag als zur Deckung aller in Frage stehenden Goldverpflihtungen der Regierung in Europa er- forderlih ist, erlangt werden.

Sowohl von französisher wie von deutsher Seite war man bereit, in Vereinigung mit den englishen Interessenten unter Be- dingungen, die näher bezeihnet wurden, bis zur Wirkung der neuen Zollgesetze der argentinishen Regierung zur Deckung ihrer laufenden Berpflihtungen in Europa einen Vorschuß zu gewähren, Doch bei der Verschiedenheit der Interessen konnte es zu keiner Verständigung über die beiderseitigen Vorschläge kommen, und die Vertreter der kontinentalen Interessen nahmen daher an den weiteren Berathungen der englischen Delegirten niht mehr Theil.

Nachdem die argentinishe Regierung mit Rücksicht auf die Vor- gänge in London ihre Anschaffungen nah Guropa für den Zahlungs8- termin im Januar früher gemaht hatte, als sie vertragsmäßig ver- bunden war, und fle ertläct hatte, daß Argentinien unter allen Umständen seine Anleihe-Verpflihtungen in Earopa erfüllen würde, ist der Bevollmächtigte der Regierung für die Finarzangelegenheiten, Herr de la Plaza, als ihm in der lchten gemeinsamen Sitzung der Delegirten die verschiedenen Ansichten mitgetheilt wurden, über die Borschläge von englisher Seite niht wenig erstaunt gewesen, Hoffent- lih wird die argentinisch@e Regierung die Tragweite derselben ermessen und die gecigneten Schritte zuc vollen Aufrehterhaltung des Staats- kredits thun.

Es ift unverständlih, wie ein Comité von englishen In- teressenten der argentinishen Regierung anbieten kann, von Anleihen, die im fkontinentalen Markt begeben wurden und mit welchem der englische Markt nichts zu thun hat, die Zinfen und Tilgungsraten auf 3 Jahre mit einem neuen Werthpapier ftatt in baar zu bezahlen, und hieran noch die Bedingung geknüpft wird, daß die argentinische Regierung \ich in der Auscinanderseßung tver ihre Forderungen an Baring Brothers dem Willen der englishen Interessenten fügt.

Vom oberschlesischen Eisen- und Metallmarkt beridhtet die „Schles. Ztg.“: Die Lage des obershlesishen Cifen- marktes ift in der Berichtswohe im Allgemeinen unverändert ge- blieben, Die Produktion an Roheisen ist troy ungeschwäqten Bes triebes auf einigen- Hohofenwerken eine geringere geworden, weil die- selben den Luschlag von reichhaltigen ausländischen Erzen vermindert haben, und da die Walz- und Stahlwerke des regeren Betriebes wegen wieder mehr Roheisen verbrauchen, so is auch von einer Erhöhung der Roheisenbestände wenig zu merken; auf einzelnen Werken, wie auf Friedenshütte, haben sih die Bestände sogar vermindert. Bei den Walzwerken is eine Besserung infofern zu verzeihnen, als die Spezifikationen unter Bedingung \{leunigîter Lieferung zahlreicher eingehen. Die Lager der Händler find geräumt, und es hat den An- \chein, als wollten dieselben noch vor Eintritt des erhöhten Grund- preises die Magazine füllen, Mehrere größere Werke, wie z. B. die Königs-Laurahütte, sind daher vollauf beschäftigt, und kommt das fertige Produkt \{chlank zur Verladung. Auch die Stahlwerke sind

mit Aufträgen versehen und flott im Betrieb. In Blewen, namentlich Grobblehen, it die Nachfrage ebenfalls stärker geworden. Das Drahtgeschäft geht recht flott, nur in Draht- nägeln ist es der westfälischen Konkurrerz wegen etwas s{wäer. Der Betrieb der Eisengießereien ist in Folge mangelnder Aufträge etwas schwächer doh haben die Handelsguß fertigenden Werke ge- nügend zu thun, wie es auch denjenigen Hütten, welche für eigenen Bedarf arbeiten, an Beschäftigung noch nit gefehlt hat, so daß sie den vollen Betrieb ausnußen können, Die Maschinenbau- anstalten und Eisenkonstruktionsfabriken sind nicht allein aus dem Inlande, sondern auch nit unbedeutend aus dem Auslande mit Auf- îrägen verseh en und haben ihren Betrieb bisher voll erhalten können. Auf dem Zinkmarkt ift das Geschäft ruhig bei festen Preisen. Poussière findet zu guten Preisen regelmäßige Abnahme, ebenfo O Zinkweiß-Marken. Blei und Bleifabrikate blieben un- verändert.

Die Gewerbekammer für den Regierungsbezirk Magdeburg hat in der Frage der Zuckersteuer eine von der „Madb. Ztg.* mitgetheilte Petition an Se. Majestät den Kal]er und König gerichtet, in welcher sie ihre gegenfsäßlice Stellung zu dem dem Bundesrath vorgelegten Entwurf eines Zuckersteuerge]eßes zum Ausdruck bringt. Wie ferner ein Wolff hes Telegramm aus Halle meldet, richtete die Direktion des dortigen Land- wirthshaftlihen Centralvereins Betreffs der Zuer- steuervorlage gleihfalls eine direkte Eingabe an Se. Majestäl den Kaiser mit der Bitte, dieselbe aus volfswirthschaftlichen jowoht als sozialpolitishen Gründen zurüzuziehen, oder dieselbe in wesentli anderer, die weitere Existenz der Industrie ermöglihender Faffung vorlegen zu lassen. s

Dortmund, 5. Dezember. Der „Rhein -Westf. Ztg.“ zufolge beschloß der Walzwerksverband den Grundpreis für Stabeisen um 5 4 per Tonne vom 5. Dezember ab zu erhöhen. -

Leipzig, 5. Dezember. (W. T, B.) Kammzug-Termin- handel. La Plata. - Grundmuster B. yr. Dezember 4,275 A, pr. Sanuar 4,30 4, vr. Februar 430 4 pr. März 4,30 #, pr April 4,30 4, pr. Mai 4,30 &, pr. Juni 4,30 #, pr. Juli 4,30 4, pr. August 4,30 4, pr. September 4,30 #4, Pk. Oktober 4/30 4, pr. November 4,30 A Umsay 190 000 kg. Ruhig.

Wien, 5. Dezember. (W. T. B.) Der Verwaltungsrath der Carl Ludwigs-Eisenbahn beshloß, den SFanuar-Coupon mit 3 Fl. 15 Kr. einzulösen. N

Wien, 5. Dezember. (W. T. B.) Der Finanz-Minister hat, wie die „Presse“ meldet, von den zwei Dritteln der pro 1890 bewilligten Tilgungsrente den größten Theil dur die Kredit- anstalt bereits fommissionsweise verkauft. ; /

London, 5. Dezember. (W. T. B.) Wollauktion. Gut Le, lebhafte Betheiligung, volle Preise ohne quotirbare Ver- änderung.

Manchester, 5. Dezember. (W. T. B.) 12r Water Taylor 7, 30r Water Taylor 94, 20r Water Leigh 8, 30r Water Clayton 87. 32r Mock Brooke 83, 40r Mayoll 94, 40er Medio Wilkinson 104, 32r Warpcops Lees 84, 36r Warpcops Rowland 9x, 40r Double Weston 95, 60r Double Gourante Qualität 125, 32" 116 yds 16 X 16 grey Printers aus 32r/46r 174. Fest.

Glasgow, 5. Dezember. (W. T. B.) Die Vorráthe ven Nobeisen in den Stores belaufen fch auf 602 958 Tons gegen 956 836 Tons im vorigen Jahre. -

Die Zahl der im Betriebe befindlichen Hochöfen beträgt 6 gegen 88 im vorigen Jahre.

New: York, 5. Dezember. (W. T. B.) Baumwollen, Wochenbericht. Js in allen Unionshäfen 248 000 Ballen, Ausfuhr nach Großbritannien 100 000 Ballen, Ausfuhr nach dem Kontinent 109 000 Ballen, Vorrath 660 000 Ballen.

Verkehrs - Anstalten.

Köln, 5. Dezember. (W. T. B.) Seit heute is der Per-

\sonenverkehr auf der Strecke Köln—Niederlahnstein— Frankfurt a. M. theilweise, morgen wird er im ganzen Umfarge wieder ausgenommen. Noch gesperrt find für den Personenverkehr die Linien Hagen—Schwerte, Messinghausen—Bredelar, Minden—Frondenberg, Ueberruhr—Steele, Wesel Haltern, Lippstadt—Warstein, Selm—Lüdinghaufen- Jena—Roda und Hütten steinach—Lauscha. ___ Köln, 6. Dezember. (W. T B) Die Main-Schiffahrt ist wieder - eröffnet; die Köln-Düsseldorfer Dampfschiff- fahrts-Gesellshaft hat gleihfalls den Betrieb wieder auf- genommen.

Müncen, 5. Dezember. (W. T. B.) Dem Direktor der bayetischen Staatsbahnen ift eine Petition der Stadt Lindau zugegangen wegen Darchführung der Bodenfee- Gürtelbahn.

Die hiesige Lokalbahn-Aktiengefellschaft hat die Fsaruferbabn München-Wolfratshausen fertig gestellt. Der Güterverkehr hat beute bereits begonnen und der Perfonenverkehr wird demnächst gleihfalls aufgenommen werden.

London, 5. Dezember. (W. T. B.) Die Castle-Dampfer „Pembroke Castle“ hat gestern auf der Heimreise, der Castles- Dampfer „Donne Castle“ auf der Ausreise die Canarischen

Inseln passirt. Der Union-Dampfer „Spartan“ ift gestern auf der Ausreise von Capetown angekommen.

Bergen, 5. Dezember. (W. T. B.) Die Bergenskes- Nordensfijeldske Dampfschifffahrts - Gesellschaften hatten eine Aufforderung der Wilson-Compagnie, die Route Bergen - Newcastle unverzüglich aufzugeben, abgelehnt. Wie nunmehr verlautet, hat die Wilson-Compagnie beschlossen, vom 19, Dezember ab wöchentliche Konkurrenzfahrten mit halben Frat- säßen auf der 40 Jahre von den norwegishen Gesellschaften befahrenen Route Hamburg-Bergen einzurichten.

1. Untersuchungs-Sachen.

2. Aufgebote, Zustellungen u. dergl. 3. Verkäufe, Verpachtungen, Verdingungen 2c. 4. Verloosung 2c. von Werthpapieren.

5, Kommandit-Gesellshaften auf Aktien u. Aktien-Gesellsch.

Beffentlich

efänanift ju Berlin, Alt-Moabit 12 M abzuiiefern: T 1eD \ Berlin, den 2, Dezember 1890. Der hinter den Kämmereikaffen-Rendanten Dezember 1890

[49586]

Königlihe Staais ltschaft Landgericht I. Schülke aus Bernstein am 3. 1) Untersuchungs-Sachen. Beschreibung a ee B E, Größe 170 m, ene Stekbrief ist erledigt.

Steckbrief. Oskar Koch, geboren am 14

Akten I. I]. D. 185. 89 verhängt, Es wird ersucht,

L gee A S frei, Bart 1 einer nurrbart, Augenbrauen blond, Gegen den unten beschriebenen Agenten Paul | wöhnlih, Mund gewöhnlich, Zähne vollständig, Kinn

0 Februar 1855 zu d, È ( b d, Sprache i Dresden, welcher flüchtig ift, ist die Untersuhungs- Sas 1 lg dne M Met ae gelun : [46303] haft wegen Betruges und Unterschlagung in den | trägt stets Pincenez.

Berlinchen, den d. Nase ge-

italienisch, besondere Kennzeichen

s sonen:

p Anzeiger.

Dezember 1890. Königliches Amtsgericht.

. Unfall- und Invaliditäts- 2c. Versicherung. . Erwerbs- und Wirthschafts-Genofsenschaften. Niederlassung 2c. von Rechtsanwälten. Bank-Ausweise.

Verschiedene Bekanntmachungen.

Lied | ODYIIRN |

1) der Rudolf Vabin, geboren am 10. Juni Ernst | 1866 in Mewe, 2) der Franz Eduard August Rudolf Bade, ge* boren am 29. November 1866 in Leipzig-Gohlis, 3) der Paul Oito vou Dizelsky, geboren am 5. November 1868 zu Groß-Pomeiske, 4) der Reinhold Richard Theodor Drese, gebo- ren am 17. August 1867 in Rogau, 5) der Schiffsjunge Paul Conrad Philipp Ham-

Sn der Strafsache gegen Babin und Genossen | mer, geboren am 22. Juni 1865 in Proskau, J. 11. A. §57, 90 werden nachstehend bezeichnete Per-

_6) der Schneider Franz Heiurich, geboren am 17. Juni 1862 in Gröbing, Kreis Leobfhüß,