1891 / 45 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 20 Feb 1891 18:00:01 GMT) scan diff

odann nat, daß die Einwendung, die Vorlage begründe eine e A Angelegenheit, nicht stihhaltig sei. Die Vorlage entsprehe vollkommen dem Ausgleiche vom Fahre 1867. Die Fortseßung der Berathung wurde {ließlich auf heute vertagt. Großbritannien und JFrland. N

Die Königin Victoria hat sih, nahdem sie die çe- plante Reise nah Florenz aufgegeben, wie schon gemeldet, entschlossen, den Frühling in dem zehn englische Meilen von Cannes gelegenen Städthen Grasse an der Riviera zuzubringen. Jhre Majestät wird dort im Grand Hotel de Grasse wohnen, das für ihre ausschließ- lihe Benußung gemiethet worden ist. Dicht neben dem Hotel steht die der Baronin Alice von Rothschild gehörige Villa Victoria, in der voriges Jahr die Prinzessin Luise und der Marguis von Lorne wohnten. Die Königin gedenkt der „A. C.“ zufolge am 26. März in Grasse einzutreffen; der Prinz und die Prinzessin Hzinrih von Battenberg werden die

onarchin begleiten, J i

E Di neufundländishe Fischereifrage hat am ver- flossenen Dienstag das Oberhaus beschäftigt Es bot sich hierbei der Regierung Gelegenheit, die zahlreichen umhergehenden Ge- rüchte, welche namentlich von Paris aus 1n die Welt ge)eßt wurden, richtig zu stellen, Lord Dunraven interpellirte die Negierung über den Stand der Unterhandlungen mit Frankreih, und der Minister für die Kolonien Lord Knutsford gab die gewünschten Erklärungen ab. Er be- merkte, es bedürfe faum eines Dementis des Ge- rüch!s, daß die Regierung vorgeschlagen habe, irgend einen Theil Neufundlands Frankreih abzutreten. Der amt- lihe Schriftwechsel über die allgemeine Frage würde dem Parlament in Bälde vorgelegt werden. Gegen den Abschluß einer Sonderkonvention zwischen Neufundland und den Ver- einigten Staaten habe die canadishe Regierung Protest erhoben, und die Reichsregierung sei zu dem Entschlusse ge- langt, daß diefe Konvention vorläufig nicht ratifizirt werden könne. : | Ü |

Im Unterhause gaben die neuesten Vorgänge in Canada dem konservativen und schußzöllnerishen Abg. Horace Vincent Veranlassung, die Aufmerksamkeit des Hauses auf die großen britischen Kolonien hinzulenken. Vincent stellte einen Antrag, dahin lautend, daß die sich felbst ver- waltenden Kolonien sobald als möglich eingeladen werden sollten, mit der Reichsregierung über die besten Véittel zur Entwickelung des Reichshandels zu beraths{lagen. Ein ähn- liher Antrag bildete ganz kürzlih Gegenstand einer Erörterung im Oberhauje. Ganz im Sinne der damals vom Marquis von Salisbury ertheilten Antwort e:klärte der Schaßkanzler Goschen: die Regierung sympathisire lebhafl mit dem Wunsche nah einer engeren Verbindung mit den Kolonien, aber dieselbe müßte gänzli frei von shußzöllnerischen Tendenzen sein. Die Kolonien dürften durhaus nicht zu der Annahme verleitet werden, daß das britische Volk si die Besteuerung von Roh- stoffen oder eine wesentliche Vertheuerung der Lebenêmittel gefallen lassen würde. Vincent wollte hierauf seinen Antrag zurücziehzn, aber da die Opposition ihre Zustimmung dazu verweigerte, ging auf den Antrag Smith's das Haus über den Autrag zur Tagesordnung über. S i

Aus Clonmel wird gemeldet, daß O'Brien im dorti- gen Gefängniß eine gewöhnliche Zelle bewohnt und bei guter Gesundheit ist, während Dill on wegen Unwohlseins nah der Krankenanstalt des Gefängnisses gebraht werden mußte. Bei: den Gefangenen wurde gestattet, ihre eigenen Kleider zu tra- gen, auch werden sie von den gememen Sträflingen abgeson- dert gehalten.

Frankreich.

Paris, 20. Februar. Jhre Majesiät die Kaiserin ricbAs begab Sich, wie „W. T. B.“ meldet, gestern Vor- mittag 11 Uhr zu Fuß, begleitet von dem deutschen Bot- schafter Grafen Münster und dem Ober-Hofmeister Grafen Secfendorf, nach dem Panorama du XIX, Siècle im Tuilerien-:Garten und von da nah dem Cercle de l'Union arlistique in der Rue Boissy d’Anglas, woselbst Jhre Majestät die Ausstellung besichtigte. Allerhöchstdieselbe wurde daselbst durch den Sekretär des Cercle empfangen. Jhre Majestät verweilte insbesondere längere Zeit vor einem Gemälde des Schlahhtenmalers Detaille, welches einen Husarenangrif aus dem Jahre 1807 darstellt. Hierauf ehite Jhre Majestät in die Botschaft zurück, wo das Früh#ßück eingenommen wurde. Um 1 Uhr begab si Jhre Königliche Hoheit die Prinzessin Margarethe in einem offenen Wagen, welchen Jhre König- liche Hoheit selbst lenkte, in Begleitung des Grafen Münster nah dem Jardin d’Acclimatation. Fn Einem offenen Landauer folgte Jhre Majestät die Kaiferin Friedrich mit dec Comtese Münster und der ofdame Gräfin Perponcher; in einem dritten Wagen folgten Graf Seckendorf und Legations - Rath von Sgoen. Während Jhre Königliche Hoheit eingehend den FJardin d'Acclimatation besichtigte, machte Jhre Majestät einen längeren Spaziergang im Bois de Boulogne. Vor dem Diner machte Jhre Majestät noch einen Spaziergang auf den Boulevards, An dem Diner in der deutschen Botschaft nahm das gesammte Botschastspersonal Theil. Der Minister des Auswärtigen Ribot, der Chef des Mililärstaats des Präsidenten Carnot, General Brugère, und zahlreiche Mitglieder des diplomatischen Corps schrieben sich auf der deutschen Botschaft ein. Heute wird Jhre Majestät den englischen Botschafter und dessen Ge- mahlin, A fu A Lytton, sowie die Mitglieder der englishen Botschaft empfangen. / i: :

/ Jhre Majestät gedenkt etwa acht Tage in Paris zu ver- bleiben. i

Die vielfach verbreiteten Meldungen von dem unmittelbar bevorstehenden Rücktritt des General-Gouverneurs von Algier, Tirman, bestätigen sich niht. Wie verlautet, hat Tirman vielmehr in einer Unterredung mit dem Minister des Jnnern, Constans, den Wunsch ausgesprochen, anläßlich der im Senate erfolgten Jnterpellation über Algier jeine Amtsthätigkeit zu vertheidigen, und er soll die Funktionen eines Regierungskommissars ad hoc erhalten haben.

Der heute zur Vertheilung gelangte Bericht der Kommission betreffs des Geseßentwurfs über die Rennwetten beantragt, die Einrihtung der Bookmaker aufzuheben, die übrigen Wetten aber zu gestatten.

Wie die gestrigen Abendblätler melden, beabsichtigt der General-Postdirektor de Selves eine Reorganisation der Depeschenzu stellung, wobei die bezüglichen deutschen Einrichtungen als Richtshnur dienen sollen.

troffen. Der Großfürst-Thronfolger von Rußland wird am 12. März dort erwartet.

Rußland und Polen. Zur Reform der Städteordnung schreibt die „St. Pet. Ztg.“ : i l Unter den vershicdenen Aenderungen in der bestehenden Städte- ordnurg wurde, wie in den russishen Blättern mitgetheilt worden ift, vom Ministerium des Innern unter Anderem für nothwendig erachtet, „den Einfluß der Regierung auf die städtischen Angelegenheiten zu ver- stärken, sowie auch die Sache des Volksunterrits, die von den ftädti- \{en Institutionen geleitet wird, ferner die Verfügung über das städtische Eigenthum der Kontrole und der Macht der Regierung unterzuordnen. Um diese Kontrole über alle Angelegenheiten in einem Organ zu konzeatriren, beabsictigt man, beim Ministerium des Innern nah dem Muster der Abtheilung für Angelegenheiten der Semstwo eine Abtheilung für städtishe Angelegeheiten zu errihten. Diese Abtheilung könnte aus Vertretern des administrativen, des finanziellen und anderen Ressorts bestehen und von sich aus Be- ziehungen zu den höchsten Regierungsiftitutionen in Angelegenheiten, welche Fragen des Vo!kéunterrihts, der Finanzen 2c. betreffen, unter- halten. Ftalien.

Jn einem am 18. d. M. abgehaltenen Minister rath bezifferte der Finanz-Minister der „Köln. Ztg.“ zufolge die Ersparnisse, welhe in allen Ressorts durchzuführen sind, um das Gleichgewicht des Budgets herzustellen, auf 50 Millionen Lire. i: i E An Bord des deutschen Panzerschifs „Friedri Carl“, welches gegenwärtig in der Bucht von Messina vor Anker liegt, fand, wie „W. T. B.“ aus Rom meldet, am Donnerstag eine Festtafel statt, an welcher die Spißen der Militär- und Civilvehörden von Messina theilnahmen. Bei der Tafel wurden Toaste auf den Kaiser Wilhelm und den König Humbert ausgebracht.

Luxemburg.

Am Mittwoch Vormittag wurde, wie die „Luxb. Ztg.“ mittheilt, der spanische Minister- Resident aus dem Haag Hr. de Villaurrutia von dem Großherzog in fei:-rucher Audienz empfangen. Derselbe überreihte die ihn als außerordentlihen Gesandten beim Großherzoglichen Hofe afkreditirenden Briefe. Am Abend fand dem Gesandten zu Ehren im Palais ein Galadiner von 22 Gedecken statt.

Belgien.

Die Kammer sektionen haben sich dem „Hamb. Corr.“ zufolge zu Gunsten der Anträge Coreman's und des von der Regierung eingebrachten Entwurfs, betreffend die Errichtung eines vlämishen Gerichtshofes erster Jnstanz sowie eines vlämischen Appellhofes bei dem Brüsseler Gerichtshof, entschieden. Die Majorität sprach sich dahin aus, daß auch bei dem Lütticher Appellhofe, zu dessen Jurisdiktionsbezirk viele Vlämen gehören, eine vlämishe Kammer errichtet werde.

Dürkei.

Die nah Tripolis entsandte Kommission hat nun- mehr ihre Arbeiten abgeschlossen. Wie nah „W. T. B.“ ver- lautet, find die von Seiten der Kommission in Konstantinopel eingesandten Bericht? befriedigend. Die Kommission hatte bereits ihre Heimreise angezeigt, welhe indessen auf tele- graphischen Befehl wieder aufgeschoben wurde.

Die Mittheilung, die Pforte beabsichtige demnähit den Posten eines ottomanishen Kommissars in Sofia definitiv zu beseßen, wird an unterrichteter Stelle als nicht zutreffend bezeichnet.

Serbien.

Belgrad, 18. Februar. Zwischen den Mitgliedern der zur Regelung des Besißtzstandes an der serbisch-bulgarishen Grenze entsandten Kommission ist nah einem Telegramm der „Köln, Ztg.“ ein grundsäßlihes Einvernehmen zu Stande gekommen.

Der Minister Gruitsch wird die Futerpellation Garaschanin's (siehe Nr. 43 d. Bl.) als gegenstandslo3 bezeichnen, da der Regierung das Vorhandenjein geheimer Verträge mit dem König Milan unbekannt sei.

merika.

Vereinigte Staaten. Das Comité des Neprä- sentantenhauses, welhem die Berathung dec Münz- frage obliegt, hat einem Telegramm des „W. T. B.“ aus Washington zufolge beschlossen, die Vernehmung der Sach- verständigen heute abzuschließen. Das Comité wollte heute Mittag über den Vorschlag der freien Silberprägung abstimmen. Man hält den Vorschlag für wenig aus- sihtsvoll. i : : e

J1 New-York hat gestern das Leichenbegängnißdes Generals Sherman unter außerordentlicher Betheiligung der gesammten Bevölkerung stattgefunden. Gegen 20000 Sol- daten waren zu der Trauerfeier aufgeboten. Ein imposanter Leichenzug, in welhem neben dem Präsidenten Harri- son die vormaligea Präsidenten Hayes und Cleve- land schritten, geleitete den Sarg vom Wohnhause des ver- storbenen Generals nach dem Bahnhof, von wo derselbe nach St. Louis zur Beerdigung überführt wurde. Alle Geschäfte waren Nachmittags geschlossen. {Fn den Straßen, durch welche der Zug sich bewegte, hatten sich Hunderttausende von Menschen angesammelt.

Afrika.

Aus dem Umstande, daß fortan alle von Sansibar nah Deutsch-Ostafrika importirten Waaren 5 Prozent Zoll zahlen müssen, folgert die „Bombay Gazette“, daß dadur der Handel Sanfsibars, welcher 2 Millionen Pfd. Sterl. jährlich betragen habe, ruinirt werde: British-Ostafrika könne dem Handel der Jadier nicht viel nüßen, da es nur einen einzigen Hafen (Mombasa) habe und das Hinterland s{chwer zugänglich sei.

Egypten. Ueber die Expedition gegen die Der- wische wird dem „R. B.“ aus Cairo vom 17. Februar berichtet :

General Sir F. W,. Grenfell, Sirdar der egyptischen Truppen, begab sih heute nah Suakim, wo er an Stelle des die Expedition gegen Tokar befehligenden Obersten Holled Smith das Kommando über die dortige Garnison übernehmen wird. Die zur Beseßung von Tokar ausgerüstete Expedition, bestehend aus etwa 1500 Mann éegyptisher und fsudanesisher Infanterie mit einer Batterie Artillerie und einer Schwadron Kavallerie, seßte sih gestern früh von Trinkitat in Marsch. Kleine Abtheilungen berittener Derœische wurden von der Kavallerie um 10 Uhr erblickt, aber es kam zu keinen Sharmüyßeln. AchtiMeilen von Trinkitat wurde ein Waffendepot gebildet, woselbst die Bagage und die Kameele zurügelassen wurden. Die übrige Streitmacht rückte sodann in der

50 Minuten Na&mittags ohne Widerstand beseßt wurde. Der ih nach Tokar zurückzichende Feind verstopfte die Brunnen, _die jeyt wieder ausgegraben werden. Die Truppen rücken nah Zurüdlassung einer Besaßung in El Teb am 18. d. M. auf Tokar vor.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (71) Sißung des ReichstageS- welcher der Staatssekretär Dr. von Boetticher und der Staats-Minister Freiherr von Berlepsch beiwohnten, stand auf der Tagesordnung die Fortsezung der zweiten Berathung des Gesetentwurfs, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung auf Grund des Berichts der VIII, Kom- mission. i H Die Berathung wurde fortgeseßt mit §. 107, welcher autet : : N y Minderjährige Personen dürfen, soweit reihsgeseßlich nit ein Anderes zugelassen is, als Arbeiter nur beschäftigt werden, wenn sie mit einem Arbeitsbuche versehen sind. Bei der An- nahme solcher Arbeiter hat der Arbeitgeber das Arbeitsbuh ein- zufordern. Er ist verpflichtet, dasselbe zu _verwabren, auf amtliches Verlangen vorzulegen und nah rechtinäßiger Lôsung des Arbeitéverhältnisses wieder auszuhändigen. Die Aushändigung er- folgt an den Vater oder Vormund, sofern diese es verlangen, oder der Arbeiter das sechszehnte Lebensjahr no@& nicht vollendet hat, anderenfals an den Arbeiter selbst. Mit Ge-- nehmigung der Gemeindebchörde des im S. 108 bezeihnecten Ortes kann die Aushändigung des Arbeitsbuhes auch an die Mutter oder einen sonstigen Angehörigen oder unmittelbar an den: beiter erfolgen. i M Auf Ataver: welche zum Besuche der Bolks\chule verpflichtet sind, finden rorstehende Bestimmungen keine Anwendung.

Der Abg. Auer beantragte: A

m ecsten Absay erste Zeile statt der Worte „Minderjährige Pecsonen“ zu segen: „Personen unter 16 Jakren“.

Die Abgg. Dr, Gutfleisch und Genossen beantragten : Zeile 1 statt: „Minderjährige Personen“ zu seßen: z „Personen, welche das 18... Lebensjahr nit vollendet baben,“.

Die Abgg. Winterer, Dr. Schaedler und Genossen

ea i n s 2 elnzusuzen: j eee hat Mr Arbeitgeber von der erfolgten Kündigung. eines Arbeitêverhältnisses vor dessen Lösung den Vater oder Vor- mund zu benahri(tigen, sofern derselbe am Arbeitêorte wobnt Abg. Dr. Hirs befürwortete den Antrag Gutfleisch. Bis 1878 habe man ein Arbeitsbuh nur für Fabrikarbeiter bis zu sechs8zehn Jahren gehabt. Die Grenze von achtzehn N genüge vollständig und entsprächhe au den geseßlichen Bestimmungen anderer Staaten wie England und der Schweiz. Abg. Winterer begründete seinen Antrag mit dem Hinweis auf den immer mehr um si greifenden Verfall des A beiterfamilienlebens. Ohne eine Anzeige an den Vater über die bevorstehende Lösung des Arbeitsverhältnisses seines Sohnes nügze das Arbeitsbuch nichts. Jm Gegentheil, es werde nur als Legitimation benußt, um sich ungehindert der Vagabondage hinzugeben. Schließlich z0g Redner seinen An- trag zurück, indem er \sich vorbehielt, «denselben event. in dritter Lesung in verbesserter Fassung wieder einzubringen. Bei Schluß des Blattes nahm Abg. Freiherr von Stumm das Wort.

In der heutigen (38.) Sißung des Hauses der ade roelcher der Finanz-Minister Dr. Miquel bei- wohnte, wurde die zweite Berathung des Entwurfs eines Einkommensteuergeseßes fortgeseßt, und zwar bei §. 40.

Die 88. 40—42 wurden ohne Debatte angenommen.

8. 45 lautet: : E Die Berufungstommission entscheidet über alle gegen das Ver-

fahren und die Entscheidungen der Beranlagungsfkommissionen an-

gebraäiten Vescwerden und Berufungen. E :

Behufs Prüfung der Berufungen können die Beru- fungsfommission und deren Vorsitender eine genaue Fest- tellung der Vermögens- und Ginfkfommensverhältnisse der Steuer- pflichtigen veranlassen. Dabei find sie befugt, von den zu diesem Zroeck den Veranlagungskommissionen und deren Vorsitzenden zu- Fehenden Hülfsmitteln (§. 35 Absatz 4, 9 und 6, §. 38) Gebrau

zu machen. E | l: Die Berufungékommission und deren Vorsißender können ferner

die eidlih: Bekrästigung des Zeugnisses oder Gutachtens der ver- nommenen Zeugen bezw. SaŸÞverständigen vor dem zuständigen Amts- gericht erfordern. / : |

Abg. Schlabiß beantragte, nah dem dritten Absaß die von der Kommission gestcihenen Absäße 4 und 5 der Regie- rungsvorlage, welche lauten: # :

EGnolich ift die Berufungékommissioa in Ermangelung anderer Mittel zur Eraründung der Wahrheit bere@tiat, den Steuerpflich- tigen oder dessen gescziihen Vertreter zur Bekräftigung der von ihm selbst gemachten Ungaben durch Versiherung an Cidesstatt innerhalb einer zu bestimmenden Frist aufzufocden ;

In diesem Falle ist die der Kommission schriftlih einzureihende oder vor ihr mündli abzuzebende eidesstattlive Versicherung wöctlih vorzuschreiben, mit der Verwarnung, daß, falls dieselbe nit reÔHtieitig abgegeben werde, bie Berufung als unbegründet werde zur üdckgewiesen werden, /

wiederherzustellen und als sechsten Absay einzuschalten:

„Wenn die Berufung von dem Voisißenden der Veranlagungs- kommission eingelegt ist und dabei die thatsählihen Angaben der Steucre: klärung angezweifelt sind, ist der Steuerpflichtige auf seinen Antrag zur eibesftattliGen Bekräftigung der in Zwekfel gezogenen thatsähliwen Angaben nah Maßgabe der vorstehenden Bestimmun- gen zuzulassen.“

Regierungs-Kommissar Geheimer Finanz-Rath Walla ch cmpfahl die Wiederherstellung der Regierungsvorlage, weil kein Grund vorliege, daß von dem Eide Übermäßiger Gebrauch gemacht werden würde; dies könne aber der Fall bei Annahme des Antrages Schlabig sein, den er deshalb abzulehnen bitte.

Die Abgg. Frizen (Borken), Dr. Enneccerus und Dr. Windthorst traten aus Furht vor Vermehrung der Meineide für den Kommissionsantrag ein, während die Abgg. von Buch und Freiherr von M für die Wieder- herstellung der Regierungsvorlage, Leßterer zugleih für den Antrag Sclabit, sprachen, weil es manchem Censitea hwer sein würde, andere Beweise zu erbringen als seinen Eid. Der General-Steuer-Direkior Burghart be- zeihnete den Eid als äußersten Nothbehelf zur Feststellung des Einkommens. Wenn dieses Mittel versagt werde, #0 würden nicht fiskalishe Jnteressen getroffen, sondern die Ver- theidigung des Steuerpflichtigen gegen Jrrthümer der Kom- mission geshwächt. Bei Aanahme der Regierungsvorlage werde die Zahl der Eide keine erhebliche sein; der Antrag Shlabiß gebe ihr allerdings einen beträchtlichen E

Der Antrag S(hlabit auf Einschaltung eines 6. Absaße&

Wie der „Temps“; aus Saïgon meldet, ist der Contre- Admiral Bernard mit drei Kriegsschiffen dasel bst einge-

Richtung auf El Teb vor, welches (wie schon gemeldet) um 2 Uhr

wurde zurückgezogen, der auf Wiederherstellung der Regierungs-

vorlage abgélehnt und die Kommissionsfassung unverändert angenommen. 8. 44 lautet:

Gegen die Entscheidung der Berufungslommission sieht sowotl den Steuerpflichtigen, als au dem Vorsitenden der Berufungs- kommijsion die Beschwerde an den Steuergerihtshof zu. Die Be- \chwerde ist innerbalb der im §. 40 bestimmten Frist Seitens des Vorsitzenden der Berufungskommission bei dem Steuergerichtshof, Seitens der Steuerpflichtigen bei dem Vorsitzenden ter Berufungs- kommission anzubringen und kann nur darauf gestüßt werden :

1) daß die angefohtene Entscheidung auf der Nichtanwendung oder auf der unrichtigen Anwendung des bestehenden Rechts, ins- besondere auch (in der Regierungsvorlage auf) der von den Be- hörden innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassenen Verordnungen be-

uhe;

2) daß das Verfahren an wesentliGen Mängeln leide.

Der Abg. Dr. von Gneist beantragte:

I. Im §. 44 zu jeten: Zei.e 3 und 4 statt „den Steuergerihts- Eof* „das Ober Verwaltung8gericht“, Zeile 6 stait „Steuergerichts- hof“ „Ober-Verwaltungsgeriht"; sodann als leßter Absay (gleih- lautend mit §. 47) hinzuzufügen :

„In der Beschwerde ist anzugeben, worin die behauptete Nicht- arwéendung oder unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts, A worin di: behaupteten Mängel des Verfahrens gefunden werden.“

Der Antragsteller wandte gegen die Errichtung eines Steuergerichtshofes ein, daß die Bildung solcher Sonderbehörden innerhalb der sestgeschlossenen preußishen Verwaltung stets vermieden worden sei, daß die nur im Nebenamt beschäftigten Mitglieder shwerlichihr volles Jnteresse derSache widmen würden. Das Ober-Verwaltungsgericht bestehe aber als Steuergerichts- hof bereits für das ganze Gebiet der Kreis- und Provinzial- abgaben, und es liege kein Grund vor, nicht auch die oberste Entscheidung in den Einkommensteuersahen dem Ober:Verwal- tungsgericht zu übertragen.

Finanz-Minister Dr. Miquel bemerkte, daß lediglih aus Zweckmäßigkeitsgründen die Staatsregierung die Ein- seßung eines besonderen Steuergerichtshofes vorgeschlagen habe. Man habe eine unabhängige Entscheidung der steuer- lihen Rechtsfragen unter Heraushebung derselben aus dem Verwaltungsgebiet ohne Einwirkung der Regierung N wollen. Ein besonderer Gerichtshof werde achkundiger, konstanter und rascher entscheiden als das Ober- Verwaltungsgeriht. Dies sei namentlih für die Uebergangs- zeit von Bedeutung. Jndeß hänge von der Entscheidung über den Antrag Gneist nicht die Stellunanahme der Regierung zur ganzen Vorlage ab. (Schluß des Blattes.)

Dem Reichstage ist das zwishen dem Deutschen Reich, Belgien, Frankrei, Jtalien, Luxemburg, den Nieder- landen, Oesterreich - Ungarn zugleih für Liechten|tein —, Nußland und der Schweiz am 14. Oktober v. F. in Bern abgeschlossene Fnternationale Uebereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr nebst der dazu ge- hörigen Liste, dein Reglement, betreffend die Errichtung eines Centralamts, und dem (Schluß:) Protokoll im deutschen und im französischen Urtext zur verfassungsmäßigen Beschluß- nahme, ferner die Ausführungsbestimmungen zum Ueberein- kommen nebst Anlagen und erläuternder Denkschrift ur Kenntnißnahme vorgelegt worden.

Der Patentkommission des Reichstages ist auh das Gebrauchs8mustershuzgeseß zur Berathung überwiesen worden. Die Kommission trat zu diesem Zweck gestern zu- sammen. Der Meferent Ubg. Samhammer beri@tete über die eingegangenen Petitionen sowie über die Verhandlungen der Konferenz betreffend den Schuß des gewerblichen Eigen- thums. Die Kommission fah von einer Generaldiskussion ab und wandte sich sofort zu § 1. Abg. Sam- hammer beantragte Hinzufügung der Kurz- und Spielwaaren und legte zur erläuternden Begründuug dieses Antrages eine Reihe von Erzeugnissen der Spielwaarenindustrie vor, die den Beweis liefern, daß auh diese Industcie auf den Scuß ihrer Muster Anspru machen könne, Der Regierungskommissar bekämpfte diescn Antrag, nach dem Wortlaut des Gesetzentwurfs fielen die Spielwaaren bereits unter die zu {ütßenden Gegenstände. Abg. Samhammer zog seinen Antrag zurück. Der Paragrapz wurde einstimmig mit Ein- fügung des Wortes „Anordnungen“ auf Antrag des Abg. Abt an- genommen. Die Berathung des §. 2 wurde mit der des §. 8 verbunden. Die Abgg. Samhammer- Münch be- antragten eine Ermäßigung der Gebühren von 20 # auf 10 M Abg. Freiherr von Buol beartragte zu §. 8, daß auch die Löschungen eines Musters im „Reichs-Anzeiger“ bekannt gemacht würden. Der Regierungskommissar Geheime Regierungs - Rath Wermuth trat dem Antrage Buol bei, während er den frei- finnigen Antrag bekämpfte. Abg. Hulh#\ch beantragte Er- mäßizung der Gebühren auf 15 ä, während sich der Abg. Goldschmidt gegen jede Ermäßigung erklärte, Na längerer Debatte wurde der Antrag Samhammer mit 7 gegen 7 Stimmen ab- gelehnt, dagegen der Antrag Hulßsch mit allen gegen 2 Stimmen an- genommen. Ebezxso der ganze Paragraph und §. 3,

In der beutigen Sißung wurde die Diskussion über die §8. 4—6 zusammengefaßt. Abg. von Buol beantragte, zu §. 4 folgenden Abfay 2 anzufügen: „Das dur eine spätere Anmeldung begründete Recht darf, soweit es in das Recht des auf Grund früherer An- meldung Eingetragenen eingreift, ohne Erlaubniß des Leßteren nit ausgeübt werden“, und als Ab}. 3 den jetzigen §. 5 zu seßen. Der obige Zusag entspricht der Umgestaltung des Patentgeseßes bei F. 3, Abg Stadthagen wolte §. 4 überhaupt gestrihen wissen, derselbe werde nur die Kleinindustrie \{ädigen. Diese Auffasung wurde von allen Seiten bekämpft und der Antrag von Buol mit allen gegen zwei Stimmen angenommen. Ebenso die Aniräge desfelben Antragstellers zu §. 5 und einstimmig dessen An- trag zu È 6 Löschungsklage. Diese Anträge bedürfen keiner weiteren harakterisirung, da sie den bezügliGen Anträgen zum Patentgeseß enlsprehen, S. 7 wurde glei{falls angenommen. Bei §. 8 berichtete Abg. Samhammer über mehrere Petitionen, die eine weitere Verlängerung der Schußfrist anstreben. Dazu be- antragte Abg. Abt, die Frist gegen Zahlung einer Ge- bühr von- 100 4 um weitere fünf Jahre zu verlängern. Geheimer Regierungs-Rath Wermuth sprach sich gegen jede Verlängerung der Frist aus. Bei dem bestehenden Mustershußgesey sei sehr selten eine längere Schußfrist als drei Jahre verlangt worden. Abg. Kauffmann beantragt diese Verlängerung auf drei Jahre. Abg. Hulbs\ch wollte, wenn eine Verlängerung angenommen würde, die Gebühren erhöht haben und zwar beim Antrag Abt von 100 4 auf 150 #, beim Antrag Kauffmann von 30 4 auf 60 A Der Antrag Abt wurde abgelehnt, der Antrag Kauffmann ange- nommen, damit der Antrag Hulys\ch mit 8 gegen 2 Stimmen, ebenso der ganze Paragraph. Hiermit war die erste Lesung erledigt.

Die Volks\chulgeseß-Kommission des Hauses der Abgeordneten nahm vorgestern die §8. 136—138 (Dienstwohnung betreffend) unverändert an. 139 der Regierungsvorlage erlitt infofern eine Veränderung, als die Feststellung der Miethsentshädigung von der Bezirksregierung im Einvernehmen mit dem Bezirksaus\{huß, und Falls ein Einvernehmen beider Behörden niht erreiht wird, dur den Ober-Präsidenten erfolgen soll. §. 140 erhielt nach dem Antrage des Abg. Brüel folgende Faffung: „Wo eine Dienftwobhnung auf dem Schulgrund|tücke gegeben wird, kann von den Sculaufsichtsbehörden die Gewährung freier Feuerung für den Lehrer

verlangt werden.“ In §. 141 wurde auf Antrag des Abg. Freiherrn von Plettenberg der erfte Absa wie folgt gefaßt: „Wo auf dem Lande eine Dienstwohnung gegeben wird, is daneben ein Hausgarten zu gewähren. Wo die örtlihen Verhältnisse es gestatten, soll für einen alleinstehenden Lehrer eine Landnußung gewährt werden, welhe dem Wirthschaftsbedürfniß einer Lehrerfamilie ent- \spriht.“ Die §8. 142—146 (Naturalbezüge, Anrechnung von anderweitigen Bezügen auf das Grundgehalt, allgemeine Vorschriften Über das Diensteinkommen) blieben unverändert. In §. 147 wurde auf Antrag des Abg. Zelle der leßte Saß folgendermaßen gefaßt : „Den vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes angestellten Lehrern und Lehrerinuen verbieiben die ihnen nach den Anstellungsurkunden recht- lih zustehenden Ansprüche, soweit die Lehrer und Lehrerinnen {si nit freiwillig den neuen Ordnungen unterwerfen.“

Die Einkommensteuer-Kommission des Hauses der Abgeordneten hat gestern den Rest des Erbschaftssteuer- Gesetzentwurfs mit unwesentlihen Abänderungen nah der Regie- rungsvorlage angenommen.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Eine stempelpflihchtige Punktation liegt nach einem Urtbeil des Reiccsgerichts, IV. Civilsenats, vom 8. Dezember 1890, im Gebiete des Preußishen Rechts nur dann vor, wenn durch diese Punkiation für jeden kontrahirenden Theil ein fklagbares Recht auf Erfüllung des Vertrages oder Errichtung eines förmlichen Vertragsinstruments begründet is. So ist beispielsweise eine Punk- tation Über einen Immobilienkauf, dur welche sich Verkäufer definitiv bindet, während der Kaufsreflektant den seinerseitigen Ab- \chluß des Kaufs fich eine bestimmte Zeit lang vorbehält unter Zusicherung einer Entschädigungssumme für den Fall seines Nichteintritts in den Kauf, nicht dem Immobilienkaufstempel, sondern e u nur dem allgenieinen Vertragsftempel von 1,50 unter- worfen.

Theater und Musik.

Deutsches Theater.

Die erste Aufführung des dreiaktigen Schauspiels: „Das alte Lied“ von Felix Philippe findet nächsten Mittwoch, den att.

25, d. M, statt Lessing-Theater.

Gestern Abend gelangten zwei Novitäten „Das Gnadenbrot“, ein Drama in zwei Akten von J. Turgenjew, vnd ein Schauspiel e Aufzügen „Fortuna“ von Hermann Faber zur Dar-

ellung.

Das erstgenannte Stück, welches Eugen Zabel aus dem Russischen überseßt hat, fand in Folge des dramatischen Gehalts, des eigentliGen Kerns der Handlung und durch die saubere natürliche Zeich- nung der Charaktere eine wohlverdiente freundlihe Aufnahme. In zwei verhältnißmäßig kurzen Akten wird das marklose, zeriretene Leben und das tragisGe Ende eines verarmtea Edelmanns mit Namen Kusfofkin vorgeführt. Kusofkin erhält das Gnadenbrod auf einem Landgute, dessen längst verstorbener Besitzer einst Vergnügen an seinen Gesangs- und Tanzkünsten gefunden hatte und ibm dafür den Aufenthalt in seinem Hause gestattete. Vie einzize Tochter dieses Landedelmanr8s kehrt nah mehrjähriger Abwesenheit vermählt in ihre Heimath zurück; der alte Kusofkin wird gleich am Tage der Ankunft des jungen Paares durch einen übelwollenden, zu rohen Späßen geneigten Gutsnahbar in Gegenwart des neuen Hausherrn berausht gemacht und enthüllt im Rau sein bis dahin streng behütetes Geheimniß, daß die junge Gattin, Olga Petrowna, seine Tochter fei. Kusofkfin, welcher mehrere Jahrzente in dem Hause gelebt batte, foll dasselbe nah diesem Auftritt verlassen; Olga Petrowna erfährt vorher von ihm, daß die im Rausche gesprochenen Worte auf Wahrheit beruhen, und nachdem Kusofkin die hohe Freude gehabt hat, sein Kind in seine Arme zu \{ließen, stirbt er glücklich und zu rechter Zeit, ehe die Welt den Makel erfahren hat, welcher das Andenken der Mutter Olga Petrowna's trübt.

__ Die Exposition im ersten Aft zieht sich etwas in die Breite, da ein großer Theil diescs Aktes von den für die eigentlihe Handlung überflüffigen Anordnungen zum festlichen Empfange des jungen Paares, und später von der allmählih sih steigernden Trinkscene in Anspru genommen wird; den Schlüssel zu diefen Vorgängen findet man erst in dem Schlußwort des alten Kusofkin, daß Olga seine Tochter sci. Der zweite Akt seßt glei lebendiger und au klarer ein ; die Scene zwischen der Tochter und dem neu gefundenen Vater erwies sich sehr wirksam ; hier enthüllte Turgenjew seine Meisterschaft in der Wiedergabe warm empfundener Vorgänge des Seelenlebens, besonders in dem \ch{euen Zurückschrecken der Tochter vor Kusofkin bei der Enthüllung des Ge- heimnifses und in der später durhbrechenden Kindeslicbe. Die Dar- stellung des Dramas fand ihren Höhepunkt in der Leistung Adolf Klein's als Kufofkin; er brate die Shwächen und Vorzüge dieses Charakters, die widerstandslose Schwäche und rührende Geduld des Greises allen Schicksals\{chlägen gegenüber und das ete warme Vatergefühl, welhes sich nicht durch Geld oder Gut bestehen läßt, mit cerschütternder Naturtreue zum Auëdruck. Den auf- dringlichen ahbar mit dem cynishen Woblgefallen an rohen Späßen spielte Hr. Molenar mit treffender und maßvoller Charakteristik. Srl. Groß als Olga Petrowna eùtfaltete Anmuth der Bewegungen und Wärme der Empfindung in der großen Scene mit Kusoskin. Den Darstellern, vor Allen Hrn. Klein, wurde reicher Beifall gezollt.

Weniger freundlich gestaltete sich der Erfolg des zweiten Stücks. Das Schauspiel „Fortuna spielt auf deutshem Boden in der Gegen- wart. Der Verfasser, welher aufs Neue den alten Kampf zwischen Liebe und Pflicht zur Darstellung bringt, hat in der Wahl der dra- matischen Persönlihkeiten und der Vorgänge, welche die Handlung einleiten, ein anerkennenswertkes Geschick bewiesen; aber bei der Dur@&führung und in der Lösung der selbst gestellten Aufgabe hat er in dem Bestre :en, den feinsten Seelen- und Gedankenregungen nahzuspüren, das eigentliche Ziel verfehlt. Die natürliche einfache Gmpfindung matt einem erkünstelten Spiel der Kräfte, einer vlötz- [ih neu auftauÿhenden und ebenso schnell bei Seite geworfenen Frage Platz und findet einen bizarren Abschluß. Der Dichter verkettet das Sticfsal eines jungen Staatsanwalts mit dem einer jungen Banquiers- tohter, Antonie Winter. Beide lernen sich kennen und lieben, erst aus der Enlfernung im Theater, dann auf einem Maskenball, auf welhem Antonie als Fortuna ersheint. Gerade dieser Staatsanwalt muß die Verhaftung des wegen betrügerishen Bankerotts verklagten Banquiers Winter vornehmen. Antonie \{chlägt die Werbung eines reihen Mannes aus, welher ihren Vater um den Preis ihrer Hand retten will; sie muß ihren Vater ins Gefängniß wandern sehen, da izr Geliebter s{ließlich mit ihrer Zu- stimmung die Pflicht über die Liebe stellt und dem alten Winter den erbofften Weg zur Flucht versperct. Nun kommt der überraschende Abschluß des Schauspiels, Der Staatsanwalt hat, damit Antonie ihm angehören könne, seine Entlassung aus dem Staatsdienste gefor- dert; er will um ihreiwillen auch die Heimath verlassen; und sie ot lligt endlih ein, die Seine zu werden, um das sorgen- volle Alter ihres Vaters zu vershönen. Als sie aber den Tod ihres Vaters erfährt, weist sie alle Opfer des Geliebten zurück und opfert ihr Leben fernerhin in selbstloser Wirk- samkeit fremdem Glück. Durch diesen seltsamen Schluß verseßt der Verfasser die Zuschauer in Zwiespalt mit den Empfindungen, welche er Anfangs ecregt hat. Man weiß nicht, ob er die Pflicht eines Kindes, welches den Eltern sein Lebeasglück opfert, oder die Liebe des Weibes, welches sich für entehrt hält, wenn sie cinem ungeliebten Manne die Hand reicht, höher stellt. Jedenfalls unterlienen die Helden des Schauspiels dem Konflikt zwischen Liebe und Pflicht, denn sie geben

alle Ansprüche an Lebens8glück freiroillig auf.

Stüdkes fehlt es nicht an dramatishem Leben, aber in der Dur(- führung \pürt man den Hau eines zwar strebsamen, aber noch nicht ausgereiften Talents. Im Dialog und in der Gestaltung der Charaktere macht sih zuweilen ein Anflug von Alltäglihkeit bemerkbar, welche dur die Nüchternkeit der Darstellung noh verschärft wurde.

Die weibliche Hauptrolle, Antonie Winter, gab Frau Klein mit anerkenn-:r7.6werthem Bemühen; do fehlt ihr für tragishe Momente sowobl die Kraft der Stimme wie die Tiefe der Empfindung. Als Staatsanwalt Hagen trat Hr. Ranzenberg auf; man konnte mit seiner Leistung, welche des Feuers und der Leidenschaft niht entbehrte, wohl zufrieden sein, In kleineren Rollen thaten sich Hr. Molenar, (Paul Buchner) und Hr. Stägemann durch ruhige und vor- nehme Darstellung hervor. Einen lustigen, übershwänglih edelmüthigen Maler, welher aber ebenso reihen Lohn für seine Entsagungsfreudigkeit findet, spielte Hr. Schönfeld mit harmlosem Gemüth. Hr. Hôdcker war als Banquier Winter gar nit an seinem Plate; er, der als Charafkterdarsteller sons Vor:ügliches leistet, wußte mit de1a farblosen betrügerischen Banquier nihts anzufangen. Dem Beifall, welher dem Stück wie den Darftellern zu Theil wurde, miscbte sich häufig eine heftige Opposition bei; doch mußten der Dichter nach dem zweiten Akt und die Darsteller nach allen Auf- zügen wiederholt vor der Gardine -erscheinen.”

Am Sonntag findet eine Wiederholung von Henrik Ibsen's Schauspiel „Ein Volksfeind“ statt, das bei sciner leßten Aufführung in Gegenwart des Dichters wiederum eine enthusiastishe Aufnahme gefunden hat und auch \ch{auspielerisch zu den trefflihsten Darbietungen des Theaters gehört. Iroan Turgeniew's Charakterbild „Das Gnadenbrod“ wird in nächster Woche wiederholt werden.

Waliner-Theater.

In Folge mehrfacher Anfragen nach bildlihen Dacstellungen aus dein neuesten Erfolgstück „Miß Helyett“ fanden bei dem hiesigen Photographen Hrn. François Cornand sowobl Einzel- als Gruppen- aufnahmen aus dem pifanten Vaudeville statt, welche in äußerst ge- lungener Ausführung \chon in den nähsten Tagen im Kunsthandel er-

scheinen werden, i Victoria-Theater.

Zwischen der Internationalen elektrishen Ausstellung in Frank- furt a. M. und dem Direktor des hiesigen Victoria- Theaters, Hrn. Emil Litashy, ist soeben ein Vertrag abgeschlossen worden, der für die Leistungsfäbigkeit dieses Kunstinstituts einem glänzenden Zeugniß glei&kommt. Danach verpflichtet sich Hr. Litashy, während der Zeit der Ausstellung, also vom 15. Mai bis 15, Oktober d. I., täglich zwei Vorstellungen auf dem Frankfurter Ausftellungsterrain, wo zu diesem Zweck eigens ein Theater errichtet wird, mit seinem Ballet- personal zu veranstalten. Hr. Litashy hat, wie er uns mittheilt, unter allen Bewerbern sämmtlicher Hauptpläßz Europas den Sieg davongetragen.

; ______ Sing-Akademie. :

_ Die Sopranistin Frl. Anna Voges, durch ihre künstlerishen Leistungen bereits vortheilhaft bekannt, gab gestern ein Concert, in welchem sie außer einer Arie aus Wagner's „Tannhäuser“ mehrere Lieder von E. E. Tauber, Eichberg, Brahms, Lazarus und Anderen zu Gehör brahte. Ihre klangvolle und umfangreiche Stimme ist auf das Sorgfältigste ausgebildet und läßt zugleih eine schr empfindungs- volle und leidenschaftlihe Ausdrucksweise erkennen. Nur möchten wir vor Uebertreibungen des Gefühls8ausdrucks warnen, da dieselben mit- unter den Woklklang ihrer höchsten Tône beeinträchtigen. Der bereits öfter gehörte Pianist Hr. Lazarus, der si mit der Sängerin zu diesem Concerte vereinigt hatte, bewährte in seinem gediegenen und fein shattirten Spiel wiederum die gründliche Ausbildung seines Talents, die er unier Leitung des Professors Seiß in Köln genossen. Dcr Vortrag einiger Klavierstüle von Scharwenka, Gernsheim und Moszkowski gciang dem Künstler vortrefflich. Auch zeigte er ein ret erfreuliches Kompositionstalent, das in vier Phantasiestücken mit Violinbegl eitung, in drei Vortragsstücken für Klavier, zwei Liedern und fünf Stücken ¿u vier Händen zur Geltung gelangte. In allen Kompositionen zeigt sih Sinn für melodishe Ecfindung und Form- gestaltung, Der junge Violinist Hr. Prill, der sich an der Aus- führung der Phantasiestücke betheiligte, erfreute noch durch einige Solo- vorträze; auch Hr. W, Berger unterstüßte Hrn. Lazarus im Vor- trag der Stücke zu vier Händen sehr wirksam. Dem Frl. Voges und ihren Kunstgenossen wurde reiher Beifall zu Theil,

i Philharmonie.

Zu dem zweiten Concert des Hrn. Pablo de Sarasate hatte sich gestern eine ebenso zahlreihe Zuhörershaft eingefunden wie zu dem erften, doch war der Eindruck seines Spiels ein noch bedeutend erhöhter, was zum Theil auch der sinnreihen Auswahl der Concert» stücke zuzuschreiben ist. Die in der geistreihen DurGführung \chottischer Volksmelodien böcft interessant gehaltene Phantasie von M. Bru, in? deren; Andantesaß die zarte Tonbehandlung des Künstlers zur Geltung gelangte, während das friegerisch gehaltene Finale in den sehr \s{wierigen Variationen über das marschartige Hauptmotiv seine unübertrefflide Bravour erkennen ließ, wurde mit Begeisterung auf- genommen. Eine glei günstige Theilnahme wurde au der Suite von Raff zu Theil, dessen „Perpetuum mobile“ im leßten Theil zündend wirkte. Das dritte größere Werk bestand in einer Phantasie Sarasate's über Motive aus „Carmen“ von Bizek. Daß die Ausführung dieser interessanten und zugleih höchs \{chwierigen Phantasie eine in jeder Beziehung vollendete war, bedarf kaum noch der Bestätigung. Unter den den Künstlern gespendeten Ovationen befand sih eine aus weißen Blumen geformte Geige. Der unermüdlihe Spieler dankte dur fünf Zugaben. Fr. Berthe Marx unterstüßte au diesmal wieder das Concert in sehr wirksamer Weise, und zwar dur das mit be- wundernswerther G-azie und Birtuosität vorgetragene zweite Concert von St. Saëns, sowie durch zwei brillante Rhapsodien von Liszt, denen sie gleihfalls noch ein kleines Salonstück hinzufügte. Der aus- gezeihneten und beliebten Künstlerin wurde fehr lebhafter Beifall zu Theil, welher auch den vortrefflichen Leistungen des Philharmonischen Or@esters unter Führung des Hrn. Kogel galt. Am Don- nerstag findet das dritte Concert des Hrn. Sarasate statt.

Im Meininger Hof-Theater bereitet sich dem „Hann. Cour.“ zufolge ein interessantes künfstlerishes Ereigniß vor. Es handelt ih um eine Aufführung von Beethoven's „Fidelio“ unter Mitwirkung der Hoffapelle, hervorragender Solisten und auserlesener Chorfkräfte. Der Herzog widmet einer würdigen Darstellung das größte Intecesse; die Anordnung des ganzen scenishen Apparats geschieht auf Grund seiner bis ins Einzelne gehenden Direktiven. Hofrath Chronegk leitet die Inscenirung, Hofkapellmeister Herrbah die Aufführung. Die Rollen der Choristen haben je fünfzig Damen und Herren aus den ersten Kreisen Übernommen. Die Kostüme sind nah Zeichnungen von Gustave Doré neu angefertigt, und namentlich die legte Scene, bei der auch das gesammte Scwauspiel-Personal mitwirkt, wird ein buntes, rei belebtes Bild mit spanishen Trachten aller Gesellschafts- klassen vorführen. Vorläufig sind zwei Aufführungen für den 22. und 23. Februar angeseßt. Der Ertrag dieser beiden Abende soll dem Beethoven-Hause in Bonn zufallen.

Mannigfaltiges.

Bekanntlich ist für den von dem Thiergarten, dem Swhloßgarten von Bellevue und der Spree umschlossenen Stadtiheil, das sogenannte Thiergartenfeld, der Bau einer Kirche für die von der Dorotheenstädtishen Kirchengemeinde abzutrennende und neu zu bildende Kirchengemeinde in Aussiht genommen, zu welcher Se. Majestät der Kaiser bereits als Bauplag einen gegenüber der Einmündung der Lessingstraße in die Händelstraße belegenen Theil des Thiergartens zur Verfügung gestellt hat. Die für den Bau dieser Kirhe von dem Königlichen Bauratb Spitta und dem Architekten Vollmer entworfenen Projekte liegen, wie die „N. A. Z.* hört, zur Zeit dem Magistrat, als Patron der Dorotheenstädtishen Kirhe, vor. Die Entscheidung darüber,

Der Grundidee des !

ob eins und event. welhes von beiden Projekten dem Bau zu Grunde zu legen ist, liegt bei Sr. Majestät. Da bis zux