1891 / 273 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 19 Nov 1891 18:00:01 GMT) scan diff

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L E A R A I Ä A R E PCHE T LR B R T E K Ce:

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Der Tod des Hauptmanns Freiherrn von Gravenreuth bedeutet einen {weren Verlust für die koloniale Entwickelung, welcher der Verstorbene seit Beginn derselben sein Leben ge- widmet hatte.

Karl Freiherr von Gravenreuth war am 12. Dezember 1858 als Sohn des Königlich bayerishen Kämmerers Freiherrn von Gravenreuth geboren. Am 30. Juni 1877 trat er in das 3. Königlich bayerishe Fnfanterie-Regiment ein und wurde am 7. Mai 1879 zum Second - Lieutenant in demselben Regiment befördert. Seine Kameradschaftlihkeit und riiterlihe Gesinnung machten ihn bald zu einem beliebten Mitgliede des Offizier: Corps, seine militärishe Tüchtigkeit erwarb ihm die Anerkennung seiner Vorgeseßten. 2

Im Februar 1885 suchte er seine Verseßung zu den Offi- ieren der Reserve nach, um sich einer Expedition nah dem Leon Afrikas anzuschließen. Er trat zunächst in den Dienst der Ostasfrikanishen Gesellshaft und wurde wegen seiner vorzüglichen Haltung bei der Verwaltung und Vertheidigung Bagamoyos von Seiner Majestät dem Kaiser Ende 1888 mit dem Rothen Adler-Orden vierter Klass? mit Schwertern aus- gezeihnet. Zu Beginn des Jahres 1889 trat er in den Dienst des Neichskommisjsars und wurde gleich- zeitig unter Stellung à la suite seines Truppen- theils zum Premier - Lieutenant befördert. Er über- nahm zunächst die Vertretung des Reichskommissars in Berlin und ging demnächst wiederum nah Ost-Afrika, wo er einen bedeutenden Antheil an der Niederwerfung des Auf- standes hatte, z. B. bei der Erstürmung des Lagers von Buschiri bei Bagamoyo am 8, Mai sowie bei der Ein- nahme von Saadant am 6. GUnt 1889. Ms oer Neichskommissar im September eine größere Ex- pedition nah Mpapua unternahm, vertrat Gravenreuth denselben an der Küste und lieserte am 19. Oktober das bekannte Gefeht bei Jombo gegen Buschiri, U Wels c die Küste vor der Berbeeruna durch die von Buschiri zu Hülfe gerufenen wilden Horden der Mafili hütte. Ende 1889 und Anfang 1890 sicherte er durh cine größere Expedition das Hinterland von Bagamoyo und Sadani und nahm am 4. Fanuar an der Erstürmung der Befestigung Buschiri’'s bei Mlembule sowie am 8. und 9, März 1890 an der Einnahme von Palamakaa Theil, wo die lezten Reste der Aufständischen zersprengt wurden. Seine angegriffene Gesundheit nöthigte ihn, M Wll 1820 einen langeren Urlaub anzutreten. Für seine Verdienste erhielt Gravenreuth den Königlich preußishen Kronen-Orden dritter Klasse mit Schwertern und das Ritterkreuz zweiter Klasse des Königlich bayerischen Militär-Verdienst-Drdens, Seine Beförderung zum Hauptmann erfolgte im Septembestr 1890.

Nachdem er einige Zeit im Auswärtigen Amte gearbeitet hatte, wurde er mit der Leitung der südlihen Forschungs- expedition im Hinterlande von Kamerun betraut und reiste am 5. Juli an seinen Bestimmungsort ab.

Jm vorigen Monat unternahm er mit den in Kamerun angeworbenen Leuten der Expedition, unterstüßt durch die Kaiserliche Marine, eine Expedition gegen den unweit des Kaiserlihen Gouvernements ansässigen Abo-Stamm und züchtigte diesen für die gegen die Regierung unter- nommenen Feindseligkeiten.

Er befand sich bereits auf dem Marsche den Sannaga- Fluß (im sü:lihen Kawerun-Gebiet) entlang, als er bei der

rstürmung des Ortes Buka (?) heldenmüthig kämpfend fiel. Ein ehrenvolles Andenken ist dem Verstorbenen gesichert.

Nach einem dem Kaiserlichen Gouverneur Freiherrn von Soden aus Bukoba unter dem 1. August von Lieutenant Langheld erstatteten Bericht traf am 19. Juli ein Mann aus Korogwe in Bukoba ein, welcher meldete, Emin Pascha sei bis Usongoro im Norden des Albert Edward N yanzao vorgedrungen, habe sich dort mit seinen früheren Leuten aus der Aequatorial- Provinz vereinigt und siegreihe Gefechte be- standen; er sowohl wie Dr. Stuhlmann befänden sich wohl. Darüber, ob und in wie weit der Meldung dieses Mannes Glauben zu schenken ist, spricht sih Lieutenant Langheld nicht aus. Direkte brieflihe Nachrihten von Emin Pascha sind nicht an die Küste gelangt.

Seitens des Premier-Lieutenants Langheld is d. d. Bukoba, den 22. August 1891, an den Kaiserlichen Gouverneur Freiherrn von Soden nachstehender Bericht erstattet worden:

Die Bevölkerung unseres Theiles des Victoria-Nyanzas ist im Allgemeinen ein leit zu bebandelrdes, fast noch ganz unberührt-8 Volk. Auch der Einfluß der Araber ist zu jungen Datums, um irgend welche Spuren zurüdckgelassen haben zu können. So sehen sie, Wasukuma wie Wasiba, in tem Eurcräer mehr den Mann, welcher ihnen seine Sachen, sei es für geleistete Arbeit, sei es für Taustartikel, bringt, als ihren Herrscher. Ich glaube wohl in dem Sinne meiner Vorgeseßten

gehandelt zu haben, daß ih diefer Auffassung nicht zu {ref ent- gegengetreten bin, sondern nur in Fällen, wo es unbedingt nothwendig war, mit meinen Soldaten eingeschritten bin. S

_ Entgegengeseßt den Waniamwesis, welde dur das viele „zur Küste gehen“ \{chon mehr dem Wangwaner-Wesen sh nähern und, bevor sie eine Dienstleistung thun, erst den Lohn dafür in der Hard haben müssen, sind die hiesigen Leute stets bereit, dem Europäer an seinen Leuten zu helfen und auch ohne Entgelt sie zu unter-

tüßen.

So habe ich z. B. hier, ‘roßdem die Station8arbeiten {hon über fechs Monate währen, immer noH von allen benachbarten Sultanen freiwillige Leute zur Arbeit, welche mir do eine sehr angenehme Unterftüßung sind, wenn ihre Arbeit im Einzelnen auch nicht im Entferntesten an die Arbeitéleistung cines Soldaten heranreicht.

An manchen Tagen erreicht die Anzahl dieser freiwilligen Arbeiter die Höhe von 600 Mann,

Die einzelnen für die hiesige Station in Betrat kommenden Sultane halten sich gegenseitig die Waoge, sodaß es bei den stets vorhandenen Feindshaften zwischen ihnen leiht ift, von Allen eiwas zu erlangen, ohne dafür zu viel gewähren zu müfsfen. An Macht gebietet ein hiesiger Sultan über 400 bis 600 Gewehre und 3000 bis 5000 Speerträger durbschnittlic, doh sind sie sehr friedliebende Leute und, wenn es zum Kampf kommt, sehr feige. Der Sultan von Karagwe, fünf Tagemärsche westlich von hier, soll über das Dreifache der angegebenen Macht- verhältnisse verfügen. Dr. Emin Pasha theilte mir mit, daß er mit demselben einen Vertrag und Dr. Stublmann mit ihm Blutsfreund- {aft geschlossen habe. Den Wortlaut des Vertrages habe ih nicht erhalten. Ein weiterer mächtiger Chef im Gebiete des Sees ist Kassassura von Vsui, welcher früher starken Hargo gefordert haben soll, Stanley

enis{loß fich auf feiner leßten Expedition, dieses Land zu umgehen, da er kriegerishe Verwickelungen fürchtete. : _

In der leßten Zeit habe ih von keinen Uebergriffen mehr gehört, er hat aber auch keine Gesandten wie die übrigen Sultane hierher entsendet.

s Sein Reich liegt südwestlih von hiesiger Station. Außer Roma, wel{wer den Deutschen durch die Niederwerfung Kilimiras sehr ver- pflichtet ift, ist dann bis Muansa kein weiterer größerer Herrscher. Nördlih von Muanfa ist der Sultan ter Halbinsel Ukerewe wohl der Mähtigste, doch ift mir das Land dort zu wenig bekannt, um über Verbältniffe nördli von Muansa ein Urtheil zu fällen.

Der größte Theil aller dieser Länder war früher den Waganda tributär, doch seitdem die Streitigkeiten zwischen der englishen und französischen (evangelishen und katholischen) Partei in Uganda aus- gebrochen {ind, haben sie sch um diese Länder niht mehr bekümmert, und jet sind die Waganda theils noch zu sehr mit sich selbst und ihren äuß:ren Feinden, den Wanyoro98s8, beschäftigt, theils haben sie eiren zu großen Respekt vor unserer Macht, um je wieder etwas gegen diese Gebiete zu unternehmen. Die kommerziellen Verhältnisse haben, wie die poli- tishen, aub in den lezten Zeiten mehrfache Wandelungen erfahren, Nachdem der Muhamedaniémus dur Muanga zu Boden geworfen worden war, hatten sich einzelne übrig bleibende Araber an das Südende des Sees zurückgezogen und trieben über denselben einen starken Handel mit Stoffen, Pulver und Gewehren gegen Elfenbein und Sklaven. :

Ihr Sita war am Südost-Ufer, die Straße Tabora—Mfalala (oder Nura)—Massausa. Durch häufige Einfälle der Waganda be- unruhigt, nahm der Handel dort mehr und mehr ab, bis ihm Dr, Emin Pascha durch die Einnahme von Mafsausa den Todesftoß versetzte. Ießt denkt keine arabishe Karawane mehr daran, diesen Weg zu gehen, und kein Araber wird \ich meÿr, für die nächste Zukunft wenigstens, am Ostufer des Sees niederzulafsen wagen. Nur Mr. Stockes sitzt in Muansa mit seinen Waaren und versendet dieselben auf seinem Boote über den See. Er hat den Vortheil erkannt, welchen er dur das billige Trägermaterial, die Wasukuma, hat, und läßt jeßt seine Lasten von Waniamwesi nur bis Usfango tragen und sendet dann nach Usango die billigeren Wasu- fuma, um sie zum See zu bringen,

Die Araber haben si jedoch andere Karawanenstraßen eröffnet. Sie gehen jeßt von Tabora durch Mfsalala, Mbogue an das West- ufer des Sees und treiben nur noch auf dem Landwege Handel. Ihnen schließen sich s{chon viele Waniamwesi-Karawanen an, und so find z. B im Monat Juli vierzehn Karawanen mit über im Ganzen 1000 Stofflasten hier durchgekommen, um theils in unserem Gebiete, theils nach Nkole, Unyoro, Uganda, bis zum Albert- Eduard-See hin Handel zu treiben. Bis jeßt sind diese Karawanen nur das gewesen, als was sie sfich ausgaben, Handels- farawanen, welhe für ihre Stoffe Elfenbein suhen. Gewehre und Puïver führten sie in nur sehr geringer Menge mit sh, sodaß ich sie möglichst unterstüßt und an Herrn Sigl in Tabora geschrieben habe, er möge die Araber in Tabora auffordern, Karawanen hierber zu senden.

Ich bin überzeugt, daß sich der hiesige Handel mehr und mebr heben wird, da nach Ausfagen aller Karawanenführer in hiesiger Gegend, sowie in den Theilen nördli unseres Gebiets das Elfenbein am billigsten sein soll. j

Sollte aber jemals der Versuch gemacht werden, hier Sklazen zu handeln, fo bin ich mit den mit mir Hand in Hand gehenden Eingeborenen stark genug, auch der stärksten Araberkarawane mit Er- folg gegenübertreten zu können. i

Die Gründe, welche mich ¿ur Wahl Bukobas zur Hauptstation bestimmen, sind folgende :

1) der Unterhalt einer Station in "Bukoba wäre leiht von den Einwohnern aufzubringen, wie ja {hon jeßt die gesammte Stations- besaßung nur von Lieferungen Cingeborener verpflegt wird.

2) Ist für die Gegenwart Bukoba der Haupthandels- und Verkehrsvlay am See.

3) Ist die Verbindung Ugandas mit dem Südufer des Sees nur längs der Weslküste desselben.

5 4) Ift Bukoba für die Aufnahme einer Besaßung von 100 Mann erbaut.

5) Ist Bukoba der gesundeste Plat an urserem Theil des Sees.

Eine Station in Muansa halte ih nothwendig, um die Verbin- dung mit der Küste aufrecht zu erhalten und eine leichtere Kontrole über den Bootsverkehr auf dem See vornehmen zu können; außerdem hâtte diese Station die Ruhe und Ordnung in Usukuma aufrecht zu erhalten. Da dort nur viele kleine Sultane sind, so würde eine Macht von 25 Mann hinreichen, Welche Station überbaupt im Laufe der Zeit Hauptslation werden wird, ist wohl bei den jetzigen Verhältnissen noch nicht abzusehen, jedo ist es, wenn die Regierung einen Dampfer auf dem See besißt, bei der Ausdehnung desselben stets leiht mögli, innerhalb zwéier Tage die Truppenmac(t aller Stationen an einem bedrängten Punkte zu vereinigen.

In baulicher Beziehung naturgemäß am Weitesten vorgeschritten ist Bukoba. Ende laufenden Monats hoffe ih mit allen Arbeiten an der Station fertig zu fein und mich an die Anlage von Wegen und Brücken wenden zu können. Eine Skizze der Stationen erlaube ih mir ganz gehorsamst beizulegen. (Hier nibt abgedrudckt.) Der Bau der Sta- tion hat Nichts gekostet, da er lediglich durch Soldaten und freiwillige Arbeiter ausgeführt worden ift. Von der auf drei Monate berechneten Ausrüsturig an Stoffen, welhe Dr. Emin Pasha hier licß, sind noch jeßt Stoffe vorhanden. Aehnlich verhält es si mit Muansa, wenn auch Feldwebel Hoffmann dort in der ersten Zeit Stoffe für die Unter- flüßung beim Bauen an die Eingeborenen ausgegeben hat. Jch habe ibm jedo befohlen, nur analog Bukoba mit seinen Leuten und freiwilligen Arbeitern zu bauen. Allerdings sind vielleicht unsere Bauten nicht \{ôn zu nennen, do glaube i, daß sie mit den Prâdikaten „praktisch und zweckentsprechend“ bezeihnet werden können. Es müßte allerdings noch ein Unteroffizier kommandirt werden, welcher h niht für zu gut bält, einmal selbst mit Hand anzulegen und seinen Leuten mit gutem Beispiel voranzugehen.

Eine regelrechte Besteuerung für die hiesigen Eingeborenen halte

ic für die Gegenwart noch etwas verfrüßt. Aber ohne bestimmte Termine einzuhalten, [äßt sih auf hiesiger Station genug aufbringen, um wenigstens sämmtlihe Stationen umsonst verpflegen zu können. Es fämen nob die zu ftellenden permanenten Arbeiter binzu, welche Holz für den Dampfer zu fällen bätten, das Löschen detselben, Aufräumen der Wege, das Hüten des Viehes 2. zu besorgen hätten, Außerdem müßten die Stationen mit der Zeit si eigene Felder anlegen für ihren Bedarf. So besigt die hiesige Station {on jeßt eine Bananenpflanzung von über 1600 Stämmen. Cine Besteuerung ift hier am Leichtesten einzuführen, da hier eine kleine Münze, die Kaurimuschel-Simbi, als gebräuchlichstes Kaufmittel existirt. Eine Art Steuer ist übrigens {hon hier im Gange: Von je 10 Kauri- muscheln, welche auf dem öffentlichen Markte bezahlt werden, wird eine durch Angestellte des hiesizen Sultans Mukotani eingefordert. Diese Muscheln werden dann gesammelt wieder der hiesigen Station Übergeben. : __ Von Elfenbeins{hägen des Dr. Emin Pascha sind mir nur die in Massausa konfiëzirten bekannt, welhe mit Beriht und Verzeichniß im November 1890 von mir zur Küste gesandt wurden. Außerdem übergab Dr. Emin Pasa mir hier ca. 1000 Pfd. Elfenbein, welches ich mit Mr. Stokes zur Küste sandte. Verzeichniß und Meldung sandte ih unter I.-Nr. 16 (3) vom 27. 11. 91 an das damalige Kommissariat. Außerdem habe ih etwas Elfenbein hier gesammelt, das ih auf ca. 1200 Pfd. taxire. Auch Feldwebel Hoffmann in Muansa hat für die Regierung etwas Elfenbein erhalten. Er berichtete bisher über sechs Zähne.

Von weiteren Elfenbeinschäßen des Dr. Emin Pascha weiß ih nichts, es sei denn, daß er auf dem weiteren Verlaufe der Expedition seit dem März 1891 Elfenbein gesammelt habe.

gez. Langheld, Premier-Lieutenant und Stationschef.

Der. Bevollmächiigte zum Bundesrath, Großherzoglich sächsishe Staats-Minijter Dr. Freiherr von Groß ist hier angekommen.

Köln, 18. November. Bei der Stadtverordneten- wahl der zweiten Abtheilung wurden dem „W. T. B.“ zufolge fünf Liberale und ein Centrumskandidat E wählt ; außerdem ist eine Stichwahl zwischen einem Liberalen und einem Kandidaten der Centrumspartei erforderlich.

Sigmaringen, 18. November. Seine Königliche Hoheit der Fürst von Hohenzollern hat sih dem „Schw. Merk.“ zufolge heute nah Springe begeben, um dort an den Kaiserlichen Hofjagden theilzunehmen. Der Prinz Karl von Hohenzollern ist hier eingetroffen. Er wird dem- nächst eine größere Orientreise antreten.

Die Sigzungen des Kommunal-Landtages wurden vorgestern durch den Königlihen Kommissar, Regierungs- Präsidenten Freiherrn von Frank geschlossen.

Bayern.

München, 18. November. Die Kammer der Abge- ordneten ging, wie der „Köln. Ztg.“ berichtet wird, in ihrer gestrigen Sizung nah einer längeren Erörterung über eine Petition des bayzrishen Gastwirth: Verbandes um Aufhebung einer Verordnung von 1811, kraft welher im Allgemeinen Wirthe den Brauer innerhalb einer Sudzeit niht verlassen können, zur Tagesordnung über, nachdem der Minister Frei- herr von Feilißsch für Aufrehthaltung der Verordnung gesprochen. Die nahgesuchte Ermächtigung der Strafverfol- gung zweier Nürnberger Blätter wegen Kammerbeleidigung wurde versagt.

Sachsen.

Dresden, 18. November. Fn der heutigen Sißung der Zweiten Kammer fand die allgemeine Vorberathung des Staatshaushalts-Etats und der damit zusammen- hängenden Vorlagen statt. Die Erörterung wurde eingeleitet durch eine längere Rede des Staats-Ministers von Thümmel, welcher die Ergebnisse der verflossenen und der laufenden Finanzperiode eingehend darlegte und den vorliegenden Etat in seinen Hauptziffern erläuterte, indem ex zuglei für die laufende Periode einen Uebershuß von etwa 15 Mil- lionen in Aussicht stellte, Der Abg. von Oehlschlägek erklärte das grundsäßlihe Einverständniß der rehten Seite der Kammer mit den Regierungsvorschlägen, warnte aber vor der Annahme, als ob die Fortdauer der jeßigen günstigen Finanz- lage für die Zukunft gesichert sei. Der Abg. Liebknecht suchte nahzuweisen, daß in der Thronrede und in der Rede des Staats-Ministers die Laze viel zu rosig dargestellt werde, erklärte sich gegen Aufbesserung aller Gehalte, die den Betrag von 3600 A übersteigen, für Auf- hebung des Schulgeldes und der Swhlachtsteuer sowie derx untersten Einkommensteuerklassen, und für eine höhere Heran- ziehung der größeren Vermögen. Der Abg. Dr. Mehnert trat verschiedenen Ausführungen des Vorredners entgegen und befürwortete eine weitere Ausbildung der Einkommensteuer im Sinne einer Weiterfühiung der Progression, sowie Förde- rung des Handwerkerstandes und des Wegebaues. Vize- Präsident Georgi stimmte mit dem Abg. von Oehlschlägel darin überein, daß man mit Vorsicht der Zukunft entgegen- zusehen habe, und gab zur Erwägung, ob nicht statt der Er- mäßigung der Schlachtsteuer, die in den meisten Fällen den Konsumenten nicht zu Gute kommen würde, eine Befreiung der drei untersten Einkommensteuerklassen angezeigt wäre. Nach weiteren Bemerkungen des Vize-Präsidenten Streit und der Abgg. Matthes, Horst und Philipp beschloß die Kammer, den Rechenschaftsberiht an die Rechenschafts- Deputation, den ordentlichen Etat nebst dem Gesetzentwurf über die Ermäßigung der Schlahtsteuer an die Finanz- Deputation A, den außerordentlihen Etat an die Finanz- Deputation B zu verweisen.

DemLandtage ist der Entwurf eines Geseßes über diePen - sions3verhältnisse der evangelish-lutherischen Geist- lihen und der Hinterlassenen dieser und der evan- gelisch-reformirten Geistlihen sowie der Antrag auf ständishe Ermächtigung zur Aufnahme einer bestimmten An- zahl von Geistlihen der inneren Mission in die allgemeinen geistlihen Pensionskassen zugegangen.

Zürttemberg.

Stuttgart, 18, November. Der russishe Minister für die auswärtigen Angelegenheiten von Giers traf dem „St.-A, f, W.“ zufolge gestern Nachmittag in Begleitung jeines Sohnes, des Ersten Botschasts-Sekretärs in Paris, von Wiesbaden hier ein. Die Abreife nach Paris erfolgt Donnerstag früh.

Baden,

Karlsruhe, 18. November. Die Ansprache, mit welcher der Staats:Minister Dr. Turban gestern den Landtag eröffnete, hatte nah der „Karlsr. Ztg.“ folgenden Wortlaut :

Durc(hlauchtigste, Hohgeehrteste Herren !

Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben mi gnädigst zu beauftragen gerubt, den Landtag in Setnem Namen zu eröffnen.

Seine Königlicde Hoheit lassen Ihnen, Durhlauchtigste, Hoch- geehrteste Herren, Seinen freuntlihen Gruß übermitteln und gerne der Erwartung Ausdruck geben, daß die Verhandlungen dieser Tagung bei allseitigem Bestreten, der Wohlfahrt unseres theueren Heimathlandes zu dienen, ihren befriedigenden Abschluß finven werden,

Die Großherzogliche Regierung wird Ihneu neben einigen miader bedeutenden Vorlagen Geseßentwürfe unterbreiten, welhe die Dotation der Kreisverbände, die Pfandrehte für JInhaberpapiere und die Aenderung des Gesetzes über den Elementarunterri%t zum Gegen- stand haben. A

Der leytere Entwurf insbesondere bezweckt eine Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Lehrer und Lehrerinnen an Volks\hulen auf den Grundlagen, welche bereits auf dem leßten Landtage von beiden Häusern übereinstimmend gebilligt worden sind. Diese Neuordnung wird die Lehrer in der Gesamwtheit ihrer Rechtsverbältnisse, ein- \{ließlich der Verseßung in den Ruhestand und der Hinterbliebenen- verforaung, den Grundsäßen des allgemeinen Beamtenrechts unter- stellen; ihr entsprechend aufgebessertes Diensteinkommen soll in gleicher Weise geregelt werden, wie es für die Beamten geschehen ist; der M44 entstehende Mehraufwand soll von der Staatskasse getragen werden,

Der Voranschlag für den Staatéthzushalt der kommenden Budget- periode ift in allen feinen Theilen fertiggestellt und wird Ihnen, nebst den Nahweisungen über die finanziellen Ergebnisse der letzten Jahre, unverweilt vorgelegt werden. Sie werden daraus ersehen, daß der Stand unserer Finanzen ein günstiger ist und die in fast sämmtlichen Zweigen der Staatëverwaltung, vornehmlich im Bereich des Unter- rihtswesens aufgetretenen erhöhten Bedürfnisse in vollem Maße zu befriedigen gestattet.

Außerdem glaubt Ihnen die Großherzoglihe R egierung, ver- |

anlaßt dur die in den jüngst verfloffenen Jahren erzielten Einnahme- überschüsse, eine nicht unbeträhtlihe Ermäßigung der direkten Staats- abgaben empfehlen zu können.

Um diese Erleichterung in der Besteuerung allen Erwerbs- und Berufskreisen in dem gebührenden Maße zukommen zu lassen, soll die Grund- und Gebäudesteuer und ebenso die Gewerbe- steuer von 188 für 100 # Steuerkapital _ auf 15 S, die Kapitalrentensteuer von 11 S auf 10 9s, und die Einkommensteuer von 2 X 590 S F für 100 M Steueranschlag auf 2 „4 herabgeseßt werden. Die Großherzogliche Regierung wird Ihnen diese Vorshläge schon mit der Vorlage des Gesetzentwurfs über die proviforishe Steuererhebung unterbreiten. Sie giebt fih dabei der Hoffnung bin, daß es gelingen werde, die vorges{chlagene Erleichterung sofort mit Beginn des neuen Steuerjahres zur Durchführung zu bringen.

Meck&ienburg-Schwerin.

Schwerin, 18. November. Heute wird zu Stern- berg der diesjährige ordentlihe Landtag der beiden Großherzogthümer eröffnet. Als landesherrlihe Kom- mifarien fungiren Schwerinscherseits der Staats-Minister von Bülow und der Staatsrath Dr. von Buchka, Strelißscherseits der Staats: Minister von Dewitß. Seitens beider Großherzoglicher Regierungen sind den Ständen Vor- lagen, betreffend die Bewilligung der ordentlihen und der außerordentlihen Kontribution, gemacht und ist in beiden Landestheilen die Erhebung der leßzteren zum Betrage von 7/10 des vollen Edikts in Aussiht genommen. Strelißscher- seits ist als drittes Caput proponendum zur Be- rathung und Beschlußfassung gestelt die Bestreitung der Kosten der Justiz-, Chaussee- und Reichssteuer-Verwaitung und die Behandlung der Uebershüsse der Reichszölle und der Tabacksteuer, sowie der Erträge der Reihs-:Stempelabgabhen und der Branntwein: Verbrauchsabgabe nach Ablauf der hier- über für die Zeit von Johannis 1887/92 abgeschlossenen Ver- einbarung. Die Vorschläge schließen sich im Wesentlichen an die bisherige Vereinbarung an, zielen aber auf eine dauernde Einigung ab. Neben diesen in die Landtags: Propositionen aufgenommenen hauptsächlihen Berathung8gegenständen werden die Stände sih mit zahlreichen landesherrlichen einzelnen Vor- lagen zu beschäftigen haben, welche theilweise hon dem Engeren Auszschuß zugegangen und von ihm unter die seinerseits zu machenden Propositionen aufgenommen sind, theilweise den versammelten Ständen durch Vermittelung der Großherzog- lihen Landtags-Kommissarien zugehen werden.

Sachsen-Weimar-Eisenach.

Weimar, 18, November. Seine Königlihe Hoheit der Großherzog empfing, wie die „Th. C.“ meldet, am 14. d. M. eine außerordentlihe Gesandtschaft Seiner Majestät des Königs von Württemberg, bestehend aus dem General: Adjutanten und General Lieutenant Freiherrn von Molsberg und dem

[ügel-Adjutanten Obersten von Reishach, in besonderer ludienz und nahm das Schreiben über den Thronwetsel in Württemberg entgegen. Nach der Audienz wurden die Herren von Jhrer Königlichen Hoheit der Großherzogin empfangen und zur Tafel gezogen.

Der Staats-Minister Dr. Freiherr von Groß hat si heute für einige Zeit nah Berlin begeben, um den Sigungen des Bundesraths beizuwohnen.

Jn den legten Tagen haben in Weimar, Eisenach und Jena die Ergänzungswahlen für die Gemeinde- vertretung stattaefunden. Die Theilnahme war eine leb- haftere als sonst. Einen politishen Zug haben sie indessen nur in Eisenach bekommen, woselbst die Sozialdemokraten drei „Arbeiter- Kandidaten“ aufgestellt haben. Ueber das Ergebniß der dortigen Wahl liegt eine abshließende Meldung noch nicht vor.

Oldenburg.

(H) Oldenburg, 18. November. Seine Königliche Hoheit der Erbgroßherzog ist von Glienicke nach Olden- burg zurückgekehrt. Seine Hoheit der Herzog Alexander von Oldenburg ift aus St. Petersburg hier eingetroffen, um an der zehnten Versammlung des Familienraths des Groß- herzoglichen Hauses theilzunehmen.

Anhalt. Dessau, 18. November. Jhre Königlihe Hoheit die Erbgroßherzogin von Oldenburg is nach dem „A, St.-A.“ gestern hier eingetroffen.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 19, November. Aus Anlaß der bevorstehenden Bermählungsfeier sind, wie „W. T. B.“ meldet, Jhre Majestäten der König und die Königin von Sachsen mit Jhren Königlichen Hoheiten den Prinzen Georg, Friedrich August, Johann Georg, Max und Albert sowie der Prinzessin Mathilde gestern Abend 8 Uhr auf dem Nordwestbahnhofe eingetroffen und von Seiner Majestät dem Kaiser und König und sämmtlichen in Wien anwesenden Erz- herzogen daselbst empfangen worden. Zu dem Empfange waren ferner der Stadtkommandant, dex Statthalter, die Bürgermeister von Wien, der Polizei-Präsident sowie die Ehren-Kavaliere und die Spitzen der Miklitär- und Civilbehörden auf dem Bahnhofe anwesend. Jn der prächtig geshmüdckten Ankunftshalle war eine Ehren-Compagnie mit Musik aufgestellt, auch der S%üßenverein hatte mit seiner Kapelle daselbst Aufstel- lung genommen. Kurz vor 8 Uhr betrat der Kaiser Franz Joseph, umgeben von den Erzherzogen, den Perron und wurde von der Kapelle der Ehren:Compagnie mit der Volkshymne be- grüßt. Als der Hofzug in den Bahnhof einfuhr, intonirte die Musik der Ehren-Compagnie die fächsische Nationalhymne.

König Albert verließ zuerst den Zug und wurde vom Kaiser durch Umarmung und Kuß aufs Herzlichste begrüßt. Hierauf begrüßte der Kaiser die Königin Carola und küßte derselben die Hand; der Prinzessin Mathilde und den sähsishen Prinzen reihte der Kaiser unter Worten

berzliher Begrüßung die Hand. Nach der im Kaiser- a Salon stattgehabten Vorstelung geleitete der

aiser die Königin zu dem Wagen. Die Abfahrt vom Bahn- hof erfolgte unter Fanfarenklängen und dem Abspielen der säGfishen Hymne. Die in den festlih beleuhteten Straßen zahlreich versammelte Menschenmenge begrüßte die Majestäten mit stürmischen Zurufen. Jn der Hofburg begrüßte die Erz- Jergogin Maria Theresia die sächsishen Herrschaften im En der Kaiserin, darauf folgte die Begrüßung durch die

rzherzoginnen. Auch Graf Kálnoky war in der Hofburg anwesend, Später fand ein Familiensouper statt.

hre Majestät die Kaiserin und Königin wird der „Adria“ zufolge wahrscheinlich von Kairo einen Ausflug nah Ober-Egypten machen. ;

Im Heeresaus\schusse der ungarishen De- legation erklärte gestern der Kriegs-Minister Freiherr von Bauer, daß er unter den gegenwärtigen Verhältnissen keine weitere Vermehrung der Artillerie in Aussicht nehme, jedoch die Einführung eines Einheitsges{ho}es anstrebe. Der Stellvertreter des Kriegs-Minist:rs Oberst Beckerhinn be- merkte, er halte die Einführung des rauchlosen Pulvers bei der Artillerie vorläufig für unthunlih, weil die Preßburger Fabrik, die allein mit dessen Herstellung betraut werden könne, vollauf mit der Beschaffung des Pulverbedarfs für die Junfanterie beschäftigt sei.

Das von der Börsenkammer zur Untersuhung der Vorgänge vom 14. d. Mts. eingeseßte Comité nahm gestern zahlreiche Vernehmungen vor.

Das Abgeordnetenhaus nahm gestern den Geset- entwurf über die Verstaatlichung der Karl Ludwigs- bahn in dritter Lesung an. Ein vom Abg. von Plener unterstüßter Antrag des Abg. Masaryk, wonach der Antrag Plener auf Steuererleihterung für Gewerb e- treibende auf die Tagesordnung der am nächsten Freitag stattfindenden Sißung geseßt werden soll, da die Regierung die erwartete Vorlage nicht eingebraht habe, wurde ebenfalls angenommen.

Wie aus Prag gemeldet wird, siegten bei den Wahlen des Obmanns, des Obmann: Stellvertreters und der übrigen Funktionäre des czechishen Landeskulturraths die Fungczechen.

Die deutsche Sektion des Landeskulturraths hat sih heut gleichfalls konstituirt, die Wahl der Beamten erfolgte einstimmig. Zum Präsidenten der Sektion wurde der Präsident des deutschen landwirthschaftlihen Centralverbandes, Guts- besißer Pfeifer gewählt, welher in einer Ansprache den Wunsch des Kaisers auf Durchführung des Ausgleichs beider Nationalitäten hervorhob und ein begeistert aufgenommenes Hoh auf den Kaiser ausbrachte. Die Sektion bes{chloß ein- stimmig die Absendung eines Telegramms an den Minister- Präsidenten Grafen Taaffe mit der Bitte, dem Kaiser die Huldigung der Versammlung zu unterbreiten.

Wie die „Presse“ meldet, hat die rumänische Re- gierung bei der österreihishen Waffenfabrik 100000 Repetirgewehre bestelt und einen weiteren Auftrag in gleicher Höhe in Aussicht gestellt. Auh Seitens der italienishen Regierung gelte eine Bestellung als unmitielbar bevorstehend.

Großbritannien und Frland.

Das Befinden des am Typhusfieber erkrankien Prinzen George von Wales macht erfreulihe Fortschritte. Die bereits von Livadia abgereiste Mutter des Prinzen wird Ende der Woche in England zurückerwartet.

Der neuernannte britishe Gesandte für Bukarest, Sir Henry Drummond Wolff, wurde am 16. d. von der Königin im Schlosse Balmoral empfangen.

Die Ernennung des Abgeordneten George Nathaniel Curzon zum Unter-Staatssekretär für Jndien an Stelle des zum Schaßamts-Sekretär ernannten Sir John Gorst int nunmehr amtlih bekannt gemacht worden.

Der Gouverneur von Neu-Seeland, Earl von Onslow, hat seine Demission eingereiht und wird, der „A. C.“ zufolge, wahrscheinlich im nächsten Frühling nah England zurückehren.

Der Ausfall der Ersaßwahl in South Molton hat im Lager der Liberalen große Hoffnungen erweckt, in unionisti- schen Kreisen dagegen große Beunruhigung wegen der Zukunft hervorgerufen. Sogar der Kriegs-Minister Stanhope scheint niht unbedingt auf einen Sieg der gegenwärtigen Regierung bei den Parlamentswahlen des nächsten Jahres zu rechnen. Das klingt wenigstens aus den Worten der Rede heraus, die er am Montag in Rotherhihe (London) gehalten hat. Die Wohlfahrt des Landes, erklär:e Mr. Stanhope, sei niht nothwendig an die Regierung einer Partei gebunden. Kämen die Liberalen an das Nuder, so wäre es wohl nur für kurze Zeit. Die englishen Wähler würden erst dann an die Verdienste des gegenwärtigen Ministeriums denken. Mathematische Sehlußfolgerungen aus einer Anzabl Ersaßzwahlen zu ziehen, sei doch höchst bedenkih. Man müsse dem gesunden Sinn des Volkes vertrauen, der nicht dulden werde, daß man mit der britischen Verfassung herumexperimentire. Die po- [litishe Bildung des Volks mache jedes Jahr Fortschritte, und da die konservative Partei sich auf Realitäten, niht auf Chi- mären stüze, so werde das Schlußergebniß ihr günstig fein. Eines sei siher: London werde konservativ bleiben.

Die Admiralität hat beschlossen, die Marine - Artill erie- S dem Kriegs-Ministerium zu unter- tellen. Sollten die Corps fich dessen weigern, so sollen sie zu Ende dieses Jahres aufgelöst werden.

Frankreich.

Paris, 19, November. Die Ministec de Freycinet, Ribot, Roche und Develle empfingen einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge gestern eine Abordnung von Jm- porteuren, Exporteuren, Rhedern, Oelhändlern und Seifenfabrikanten der Städte Paris, Lyon, Bordeaux, Nantes und Marseilie in Begleitung zahlreicher Senatoren und Deputirten. Die Minister gaben die Ver- sicherung, die Regierung werde die Zollfreiheit ölhalliger Samen und fremder Kolonial-Zuckl er vor dem Senat energisch aufrecht erhalten.

Nach aus Algier eingegangenen Nachrihhten dauern die Unruhen an der marokfanishen Grenze fort. Zwischen den Stämmen der Beni:Nassen und Triffas kam es zu einem mehrstündigen Feuergefecht, bei welhem die Leßteren unterlagen.

JFtalien.

In maßgebenden Kreisen in Rom haben die von dem Grafen Kálnoky in der ungarischen Delegation abgegebenen Erklärungen den günstigsten Eindruck hervorgerufen. Man lobt, wie dem „Hamb. Corr.“ geschrieben wird, vor Allem ihre große Objektivität und die klare Darlegung der Situation. Beson- ders befriedigt zeigt man sih durch das aus der Rede unverkennbar hervortretende Bestreben, im Hinblick auf die orientalischen An- gelegenheiten Alles zu vermeiden, was zu irgend einer Verwie- lung Anlaß bieten könnte. Die Erklärungen des österreichischen Ministers des Aeußern seien ein neuer Beweis dafür, wie sih das Wiener Kabinet in allen wichtigen auswärtigen ¿Fragen in voller Uebereinstimmung mit der italienishen Regierung befinde. Auhh in der öffentlihen Meinung Jtaliens hat die Rede des

Grafen Käálnoky, die einen willkommenen ausführlichen Kommentar zu der Kaiserlichen Thronrede bietet, eine überaus beruhigende Auffassung gefunden, die noch durch die That- sache verstärkt wird, daß die Militär: Kreditforderungen für dieses Fahr einges{chränkt werden konnten.

Am 19. Dezember wird, wie „W. T. B.“ erfährt, ein geheimes und am 17. Dezember ein öffentlihes Kon- sistorium stattfinden. Jn dem ersteren werde der Pap eine Ansprache halten und die Ernennung seines Oberst- Hosmeisters und Präfekten der apostolishen Paläste Ruffo Scilla sowie des Sekretärs der Kongregation der Bischöfe und geistlihen Orden Sepiacci zu Kardinälen ankündigen. Jn dem öffentlichen Konsistorium werde Seine Heiligkeit zwei neuen Kardinälen den Kardinalshut überreichen. Jn beiden Ea werde die Präkonifirung zahlreiher Bischöfe erfolgen.

Portugal. __ Bei den Gemeindewahlen in Lissabon haben, wie schon telegraphisch gemeldet,” die Republikaner eine {were Niederlage erlitten. Die Monarchisten haben in allen Bezirken gesiegt und die Republikaner sind sogar in einem Bezirk aus der geseßlihen Minorität gedrängt worden. It Por tugal besteht nämli, wie die „Pol. Corr.“ schreibt, auh für die Gemeindewahlen die sogenannte Mino- ritatsvertretung, d. h. wenn z. B. in einem Bezirk drei Mandate zu vergeben find, fo dürfen nur zwei Namen auf die Liste geshrieben werden, sodaß das dritte Mandat immer der Minorität zufallen muß, ausgenommen in dear Falle, daß die Majorität si so stark fühlt, daß sie si spalten und eine Minoritätsliste aufstellen kann. Das ist diesmal ge- schehen und der Versu ist den Monarchisten geglückt: ein Beweis, daß die republitanishe Bewegung wieder stark im Rückgange ist. Schweiz.

Laut Mittheilung des „Bund“ hat der Bundesrath der österreihishen Negierung shriftlih seine Vorschläge über den Handelsvertrag, vorgelegt und wartet auf Antwort. Jn diesem Sinne seien die Verhandlungen bereits aufgenommen. Demnach sei es mögli, daß keine Konferenzen mit mündlichem Meinungsaustaush mehr nothwendig werden.

Die neue Verfassungsbestimmung, betreffend die Einfüh- rung des Zündhölzchenmonopols, geht dahin, daß die Einfuhr, die Fabrikation und der Verkauf von Zündhölzchen auss{hließlich dem Bunde zusteht. Alles Weitere ist Sache der Bundesgeseßgebung.

Jn einer Versammlung von etwa hundert Mitgliedern des gegenwärtig in Bern tagenden Großen Raths des Kantons Bern sprah sih, wie „W. T. B.“ meldet, der Regierungs-Rath Scheurer in längerer Rede für den An- kauf der Centralbahn aus. Nach eingehender Diskussion, wobei nur von einem Redner Bedenken erhoben wurden, nahm die Versammlung einstimmig eine Resolution zu Gunsten des Ankaufs an.

Belgien. Be

Die Regierung und die Rechte der Kammer haben \ih nui« mehr über das Vorgehen in der Verfassungsfrage geeinigt. Nah ihren Beschlüssen wird das die Verfassungsrevision ordnende Gesey nach den Weihnachtsferien, also im Januar 1892, von der Kammer berathen und angenommen werden. Während der Senat dieses Geseß der Berathung unterzieht, wird in der Kammer der Etat festgestellt, und nahdem aug der Senat dem Etat seine Zustimmung ertheilt hat, soll dann im Mai das die Verfassungsrevision anordnende Geseg und die Auf- lösung der beiden Kammern wie solh?:s die Verfassung vorschreibt verkündet werden. Die Neuwahlen finden am zweiten Dienstag des Monats Juni statt. Erst die neuen Kammern haben uneingeshränkt mit 2/3 Mehrheit die Aenderungen der Verfassung und das neue Wahlsystem festzuseßen. Von Wahlsystemen liegen drei vor: Fortschrittler und Arbeiter fordern das allgemeine Stimmreht: die Doktrinär: Liberalen das auf niedrigem Census und der Scul- bildung beruhende Wahlrecht, und die Klerikalen ein erweitertes auf mäßigem Census und dem FJnnehaben einer Wohnung oder von Grund und Boden beruhendes Stimmrecht. Welches dieser drei Wahlsysteme zur Annahme kommen wird, is, wie man der „Wes.: Ztg.“ schreibt, noch nicht abzusehen; nur eins sei ficher, daß Angesichts der Spaltung im liberalen Lager ein liberaler Wahlsieg bei den Neuwahlen nicht zu erwarten stehe.

Die Regierung hat den Etatsentwurf für 1892 in endgültiger Fassung eingebraht. Der Etat beziffert sich danach auf 3391/2 Millionen ordentliche Ausgaben und 3421/, Millionen ordentlihe Einnahmen. Die Jahresrechnuna für 1889 ergiebt einen Uebershuß an Einnahmen von 157 Millionen, die Rechnungen für 1890 und 1891 werden vorausfihtlich mit einem Ueberschuß von 5 Millionen abschließen. Das außer- ordentliche Budget für 1891 bleibt noch theilweise festzustellen und soll auf dem Wege der Anleihe gedeckt werden.

Großes Aufsehen erregt, wie die „Mgdb. Ztg.“ meldet, in Brüssel eine gestern dort erschienene Flugschrift des Staats-Ministers Woeste, welche die französische Presse beschuldigt, durch ihre böswillige Haltung die Stellung des Königshauses in Belgien zu erschüttern sowie für den Fall eines glüdlichen Krieges im Voraus die Einverleibung von Belgien zu rechtfertigen. Die Flugschrift erklärt, Belgien werde \sih nit einverleiben lassen und den leßten Blutstropfen seiner Unabhängigkeit opfern.

Amerika,

Vereinigte Staaten. Bei dem am 18. d, in New- York veranstalteten Fahresbanket der dortigen Handels- fammer hielt der Sekretär des Schaßes Foster eine Rede, in welcher er erklärte, die von der Regierung befolgte Münz- politik halte an der Parität zwischen Gold und Silber fest, aber es existire eine ernste Meinungsverschiedenheit über die Frage, welches die beste Politik in dieser Angelegenheit sei. Foster fügte hinzu, er habe aufgehört, die Prägung von mo- natlih 41/2 Millionen Dollars Silber zu begünstigen. Es sei unmöglich, die Parität der beiden Metalle bei freier Silber- prägung zu erhalten. Diese Aufgabe würde sih indessen er- füllen lassen, wenn der monatlihe Ankauf von 41/4 Millionen Dollars Silber zu dessen Goldwerthe erfolgen würde. Brasilien. Das „Reuter'she Bureau“ meldet aus Rio de Janeiro vom 18, d.: Die Aufständischen be- estigten die Stadt Rio Grande do Sul, und die Regierung E sih an, unverzüglich eine Abtheilung Truppen nah Desterro in der Provinz Santa Catarina zu entsenden. Auch im Staate Sao Paulo nähmen die Dinge eine drohende

Wendung.