1891 / 278 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 25 Nov 1891 18:00:01 GMT) scan diff

R S E S E iz, :

at n L A A M ina Än E r.

Reichékanzlers den Bundesregierungen unter Mittheilung des Protokolls der Handwerkerkonferenz ans Herz gelegt, daß sie in eine Prüfung darüber eintreten möhten, ob nicht die Wünsche in Bezug auf die Konsumvereine, auf die Gefängnißarbeit und auf das Submission8wesen der Berücksichtigung werth wären.

In Bezug auf die Konsumvereine habe ih gleichzeitig dem Ge- danken Ausdruck gegeben, daß wohl dahin gestrebt werden möchte, daß die Konsumvereine bei der Beschaffung ihrer Bedarfsartikel, die sie an ihre Mitglieder abseßen, auf die Interessen des Handwerks Rück- sit nehmen, daß sie bei Bestellung dieser Artikel das Handwerk Lerarziehen möhten. Ich habe weiter empfohlen, daß man sich den Konsumbvereinen ebenso, wie es die Königlich preußishe Regierung bereits in Folge eines Staatsministerialbes{lufses gethan hat, vollständig neutral von Regierungswegen gegenüberstellen möge, damit niht das Handwerk außerhalb der Konsumvereine durch eine etwaige Begün- stigung von Seiten der Regierung si in seinen Interessen beeinträch- tigt fühle.

Die Regelung der Gefängnißarbeit liegt aus\{ließlich auf dem Gebiet der Landesverwaltung. Ih habe auh in dieser Beziehung empfoblen, die gravamina, die in der Handwerker®onferenz hervor- gehoben worden sind, zu prüfen und eventuell, soweit sie berehtigt sind und Abhülfe finden können, ihnen Abhülfe zu Theil werden zu lassen.

Was nun die Wünsche anlangt, deren Erledigung oder Berück- sichtigung auf dem Wege der Geseßgebung schon jeßt angängig und mögli erscheint, so gehört dabin zunächst die Regelung des Geschäftsbetriebes der Abzablungsgeschäfte. Es ist den Herren in dieser Beziehung aus einer Ausführung meines Herrn Kollegen, des Staatssekretärs des Reichs- Justizamts, bereits bekannt geworden, daß über die Abzahlungs- geschäfte ein Geseßzentwurf ausgearbeitet ist, der augenblicklich der Prüfung der dabei interessirten Ressorts unterliegt. Jch kann natür- li, wie au sonst, nicht einen Termin bestimmen, an welchem dieser Gesetzentwurf und die übrigen Gesetzentwürfe, die wir noch in Aus- ht genommen haben, das hohe Haus beschäftigen werden. Jh habe \{on einmal daran erinnert, daß auch Gesetzentwürfe ihre Schidcksale haben und daß bei der Durchsiebung und Durch- berathung in den berufenen Instanzen das Schicksal solcher Ent- würfe nicht von vornherein mit Bestimmtheit vorherzusagen ist. Aber die Sache ift in der Bearbeiturg begriffen und wird gefördert werden.

Was die Einschränkung des Hausirhandels anbelangt, so ist wenigstens in geringem Umfang den Klagen, die aus Handwerker- kreisen über den Hausirhandel laut geworden sind, {on dur die Gewerbeordnungs-Novelle Rechnung getragen, insofern, als der Betrieb des Hausirgewerbes an Sonn- und Feiertagen verboten ist. Nebenher aber sind Erhebungen über den Hausirhandel und über die Auswüchse, die der Hausirhandel zeigt, und über den Eingriff, den der Hausir- handel in die berechtigten Interessen des stehenden Handwerks thut, angeordnet worden. Diese Erhebungen sind dem Abschluß nahe, und wir werden nit unterlassen, demnächst nah Maßgabe der Ergebnisse dieser Erhebungen mit gesetzgeberishen Vorschlägen hervorzutreten.

Ein weiterer Wuns, der in der Handwerkerkonferenz laut ge- worden ift, bezieht sich auf die Verleihung von Korporationsre{ten an Innungsaus\chüssez er bezieht ich auf eine Korrektur des §, 102 der Gewerbeordaung. In dieser Beziehung bin ich mit meinem Königlich preußishen Herrn Kollegen der Meinung, daß unschwer auf dem Wege der Geseßgebung den Desiderien auf diesem Gebiete wird abgeholfen werden können.

Aehnlich verhält es sich mit der zur Beschwerde der Innungen vielfach angewendeten Interpretation der §§. 100e und 100f der Gewerbeordnung. Auch hier wird ich brauche auf die Materie nicht näher einzugehen geprüft werden, ob wir auf dem Wege der Geseßgebung eine Korrektur eintreten lassen können. Wir sind vorläufig der Mei- nung, daß dies unshwer zu machen ist.

Was endlih einen Wunsch anbelangt, der auch in diese Kategorie gehört, nämli die Ausdehnung der Unfallversicherung auf das Hand- werk, so liegen in dieser Materie ganz außerordentlihe Schwierig- keiten und namentlich rücksichtlih der Organisationsfrage; aber auch diese Schwierigkeiten werden überwunden werden und sind zum Theil \{on überwunden. Es find in diesem Augenblick die Grundzüge für ein Reichsgeseß auf Auédehnung der Unfallversicherung auf die Hand- werker fertiggestellt, und diese Grundzüge werden der ressortmäßigen Berathung der betheiligten Stellen unterworfen werden. Es wird dann nah Maßgabe des Ergebnisses ‘der Prüfung ein Gesetentwurf demnächst vorgelegt werden.

Meine Herren, nun komme ih auf die Wünsche, deren Befriedi- gung nah der Meinung meines Königlih preußischen Herrn Kollegen und nah meiner Meinung nahezu unmöolih i\t, das ist die Ein- führung der obligatorishen Innung und die Einführung des Bes fähigungênachweises. Ih wiederhole, was ich Eingangs meiner Bemerkungen gesagt habe, daß in dieser Beziehung der Bundesrath bisher keine Beschlüsse gefaßt hat, daß aber die Frage wegen der Wiedereinführung des Befähigungsnachweises in einem Rundschreiben bei den sämmtlihen Bundeëregierungen zur Sprache gebracht worden ist, und daß das Ergebniß dieser Umfrage überwiegend dahin geht, daß die Regierungen sich nicht für die Wiedereinführung des Be- fähigungsnachweises erwärmen föônnen. Ih muß danach annehmen, daß, wenn der Bundesrath über diese Frage Beschluß fassen wird, dieser Beschluß gegenüber dem vom Reichstag vorgeshlagenen Gesetzentwurf ein ablehnender sein wird.

Meine Herren, ich könrte mich ja darauf einlassen, hier die Gründe zu entwickeln, welche unsere Auffassung stüßen. Allein diese Auffassung ist nur diejenige zweier Ressort- Chefs und würde nicht maßgebend fein für die Stellung, welhe demnächst die Bundes- regierungen zu den Fragen einnehmen werden. Jh enthalte mich deshalb einer solhen eingehenden Behandlung der Sache, zumal das Pro und Contra in diesem Reichstage gründlich genug wiederholt erörtert worden ist, und die Herren auch in der Handwerker- konferenz, nachdem ihnen die Meinung, es sei ni{t wohlgethan, den Befähigungénahweis wieder einzuführen, sehr gründlich und sachgemäß entwickelt worden ift, selber erklärt haben, ja, das sähen sie ein, diese Gegengründe müßten nothwendiger Weise erst widerlegt werden, ehe man daran denken könnte, mit Erfolg auf die Wiedereinführung des Befähigungënahweises zu dringen. Sie haben sich au deutlich dahin erklärt, daß der Befähigungsnahweis, wie er in Oesterreich bestehe und durch den Antrag Ackermann bier vorgeschlagen sei, doch seine großen Bedenken habe.

Alsc, meine Herren, ih halte mich, noch dazu im Stadium der Beantwortung der Interpellation, \ckchon aus den soeben entwickelten

dem Befähigungsnahweis erblickten. Welhen Werth hätten gesehßz- geberische Maßnahmen, die von solchen Verhandlungen ihren Aus- Nur mit den rechten Mitteln lasse si der goldene Boden Dazu müßten die Handwerker vor Allem möglichst viel von si selbst und möglihst wenig vom Staat Was die Verleibung der Korporationsre{te an die hon privilegirten Innungen betreffe, so wünschte er, die Regierung käme den nit privilegirten freien Vereinigungen ebenso entgegen und hörte ihre Wünsche an. Bezüglich der Beschränkung des Hausirhandels ahne Beispieléweise solle, um nit der Pußsucht des weiblihen Geshlechts Vorshub zu leisten, der Vertrieb von Stoffen, Hausirern verboten werden. eine Prämiirung der Ladengeschäfte sein, in denen es übrigens auch Seine Partei erkenne dankbar an, daß die Regierung im Großen und Ganzen eine weise und vorsihtige Politik

Gesihtspunkten davon entbunden, JIhnendie Gründe meiner Auf- faffung des Weiteren zu entwickeln. Ich kabe aber noh einen weiteren Entwickelung Fch kann Ihnen nämlich mittheilen, daß wir die berehtigten Klagen der Handwerker, und als solche sehen wir einmal an die Klagen über die Mißstände, die gegenwärtig im Lehrlingëwesen herrshen, und weiter die Klagen über den Mangel einer wirksamen Vertretung des betreffenden Handwerks (Zuruf links), anerkennen, und daß wir bereit sind, zur Abhülfe Wir beide sind der Ansiht, daß diesen Klagen Abhülfe geshaffen werden kann durch eine Organisation des gesammten Handwerks (Bravo! rechts). Organisation des gesammten Handwerks wir Handwerker- oder Gewerbekammern errihten wollen (Bravo !), welche für die einzelnen Bezirke eingerihtet werden und denen der gesammte Handwerkerstand dieser Bezirke unterworfen resp. an denen er betheiligt ist. Die nähere Ausgestaltung dieses Gedankens kann ih Ihnen heute noch nit entwickeln; auch hier habe ih zu sagen, daß persönlihen Arshauung für Werth sein

gang hâtten. des Handwerks wiedergewinnen.

ihm nichts Gutes.

dieser Klagen mitzuwitken.

Tüchern u. \. w. den Das würde nur

Und wir denken uns die t der Weise, \{lechte Waare gebe.

Staatssekretär Dr. von Boetticher:

Ich möhte nur noch ein Wort sagen, um einer irrthümlichen Anschauung des Herrn Vorredners über die Handwerkerkonferenz und Es ist nicht rihtig, daß diese Hand- werkerkonferenz von der Regierung berufen war zu dem Zweck, um Material für geseßgeberisches Einschreiten zu gewinnen, die Konferenz hat vielmehr einfach folgenden Charakter gehabt. sagt, die Vertreter des Handwerks haben gewisse Desiderien, die sie rur in ihren Eingaben angedeutet haben, und man hat näher orientirt sein wollen über die Natur der Desiderien und über ihre Begründung. Zu diesem Zweck hat man die Konferenz berufen. Es ist keineswegs eine osfizielle Enquete gewesen, sondern nur eine Aussprache über die Wünsche gewisser Sollte Herr Abg. Eberty mit ähalihen Wünschen auf anderen Gebieten auf diesem wird er es niht thun bervor- treten und nur darüber unklar sein, was er will (Heiterkeit), dann werden wir es ebenso machen; wir werden dann au nit öffentlih mit ihm verhandeln, sondern hinter verschlossenen Thüren zu erfahren suhhen, was er will, und werden das in einem feinen, guten Herzen (Heiterkeit)

Abg. Bie hl: Die Verhandlungen seien geheim gehalten worden, weil, nahdem die Konferenz von Seiner Majestät dem Kaiser ein- erst Seiner Majestät das Protokol habe unterbreitet werden sollen und man nicht gewünscht habe, daß die Presse vorher Im Protokoll sei alles niedergelegt, wenn au Bezüglih des Befähigung8nach-

deren Charakter zu begegnen. die Entwickelung meiner keinem besonderen

Anschauung Man hat \ich ge-

derjenigen Instanzen

kommt, noch damit zu beschäftigen haben. Aber darüber sind wir beide niht im Zweifel, daß, wenn wir zu einer solchen Organisation kommen und ih füge hinzu, daß ih boffe, daß diese Organisation bei keiner Partei des Hauses einen grundsäßlißen Widerstand finden wird (Zuruf links), denn das Handwerk ift ebenso berechtigt, eine Organisation zu verlangen (sehr rihtig!), wie die anderen Erwerbs- stände, welche fe bercits haben (fehr rihtig !), ih sage, wenn wir zu einer solchén Organisation kommen, so bin ih der Ueberzeugung, cinmal die wirksamste und legitimste Vertretung der Interessen des Handwerks geshaffen sein wird, daß das Handwerk in der Vertretung seiner legitimen Interessen wiederum am fkräftigsten

daß dadurch

Vertretung bat, und daß bei dieser Eelegenheit dann die Klagen, die berechtigter Weise aus der Mitte des Handwerks erhoben sind, auch eine objektive und gründlihe Prüfung werden erfahren können.

Das, meine Herren, ist in der Hauptsache, was ich Ihnen über den bisherigen Gang der Dinge zu sagen habe, hat, und das ift eine Empfindung, die auch in der Handwerker- konferenz laut geworden ist, davon gesprochen, daß der Handwerker- stand unter einer großen Niedergesclagenheit, ja Bitterkeit zu leiden habe, und daß er die Hoffnung aufgebe, daß solhen bere{htigten Interessen bei den Regierungen wirklih ein Stüßpunkt und eine Ver- tretung werde ges{hafffen werden. Niedergeschlagenheit, aber ich glaube, sie ist niht berechtigt.

Wenn der Herr Vorredner au von der Verzögerung gesprochen hat, die diese Fragen erlitten haben, so bitte ich ihn, sich doch auch “andererseits gegenwärtig zu halten, daß wirkli ganz außerordentliche Schwicrigkeiten in der Lösung dieser Fragen liegen, und ich darf mih zum Beweise dieser meiner Anschauungen nur darauf berufen, wie hier in diesem holen Hause die Gegensäße aufeinandergeplaßt \ind, mit wie lebhaften Argumerten pro und contra gefochten worden ist die Regelung der Interessen des Handwerkerslandes eben keine isolirte ist, sondern wie dabei in Berücksihtigung gezogen werden müssen die Interessen auch anderer Berufs\tände, die Interessen auch Unsere Aufgabe, die Aufgabe einer weisen Staatsverwaltung, ist es, diese Interessen dahin zu versöhnen und dahin auszugleihen, daß ein jeder Erwerbsstand im Lande seine Rechnung dabei findet und daß keiner durch die Berücksichtigung der geshädigt wird.

Organisation daß das Handwerk her cine Stütze für Thron und Vaterland sein wird, daß es si fern halten wird von derjenigen Befürchtung, welhe auch in der Hand- werkerkonferenz zum Ausdruck gekommen ist, daß der Handwerkerstand überwiegend zu sozialdemokratishen Anshauungen neige, und ih spreche weiter die Hoffaung aus, daß dann der goldene Boden, auf dem das Handwerk früher geruht hat, ihm auth ferner erhalten bleibe. (Bravo.)

Auf Antrag des Abg. Biehl tritt das Haus in eine

Besprehung der Fnterpellation ein. Abg. Dr. Hartmann:

berufen war,

etwas erführe. vielleiht niht alles ganz richtig. weises und der obligatorishen Innungen sei das Protokoll niht ganz Im Protokoll heiße es, daß sämmtlihe Mitglieder den Be! fähigungsnachweis und die _obligatoriswen Innungen für nit durch- Sie hâtten aber nur erklärt, daß sie solche Früchte der Geseßzgebung wie in Desterreih nicht wünschten, und

dur{führbar

Der Herr Vorredner

führkar erklärt bâtten. beshlofsenen

Konferenzmitglieder Er wolle niht nur der Organisation einen obligatorishen Charakter geben, sondern ihr auch Befugnifse einräumen. Der Hausirhandel müsse beshränkt roerden. Ankündigung der Vorlage über die Abzahlungsgeschäfte freue er sich. In der schamlosesten Weise beuteten diese die Käufer aus. den Maßregeln auf dem Verwaltungswege sollte s Die Versuche, in den Gefängnissen nur für den A bedarf zu arbeiten, seien ja zufriedenstellend ausgefallen. ( sation des Handwerks müsse lebensfähig sein; von den bayerischen Gewerbekammern, die nur gutachtlihe Aeußerungen abzugeben hätten, sei eine ersprießlihe Thätigkeit niht zu erwarten. i ein außerordentlihes Bollwerk gegen die Sozialdemokratie. Deshalb müsse das Handwerk eine Organisation haben, die seine Interessen wirksam wahren könne.

Staatssekretär Dr. von Boetticher:

Der Herr Vorredner, glaube ich, hat mich niht ganz richtig wiedergegeben, wenn er meine Worte dahin reproduzirt hat, daß ih die obligatorishe Innung und der Be- fähigungsnahweis seien niht mögli, wie auch übereinstimmend in der Handwerkerkonferenz anerkannt sei.

Ih habe das Erste allerdings gesagt als meine Auffassung, daß die obligatorische Innung und der Befähigungsnacweis nicht möglich seien; ich habe dann aber in dem zweiten Saß von dem Befähigungs- nahweis gesprochen und habe mi, indem ih auf das Urtheil der Hand- werkerkonferenz eingegangen bin, auf einen Passus des Protokolls ge- ütt, welcher folgendermaßen lautet :

„Die bisherigen Verhandlungen hätten indefsen, wie Redner dieser Redner if der Herr Regierungs-Rath Dr. Wilhelmi bier konftatire, unzweideutig ergeben, daß in der Versammlung Einhellig- keit darin vorhanden sei, daß die Einführung des Befähigungsnahweises, wie derselbe in Oesterreih und in dem Antrag Ackermann-Biehl vorgesehen sei, von den Vertretern des organisirten Handwerks nit gewüns{cht und niht für zweckmäßig erahtet werde. Biehl habe sh gegen die vorgeschlagene Regelung ausgesprochen (Hört, hört! und Heiterkeit links.) Ich kann nun niht annehmen, daß dieses Protokoll in diesem Es ift mir wenigstens noch in diesen Tagen eine Eingabe von dem Vorsitzenden, wenn ih nit irre, des Berliner Central-Auës{chu}ses der Innungsverbände Deutschlands zu- gegangen, aus der entnommen werden darf, daß die Aufzeihnungen des Protokolls der Wahrheit gemäß erfolgt sind. Abg. Biehl: Der zweite Theil des verlesenen Satzes des Pro-

tokolls beruhe entschieden auf einem J gliedern das Protokoll vorher mitgetheilt, würde dieser Jrrthum nit entstanden sein. Ï

Abg. Grillenberger: Die bisherigen Gesege für das Hand- werk bätten den erwarteten Nußen niht gehabt, und deshalb wolle man die obligatorishen Innungen haben. Die Einschränkung der Zuchthausarbeit sei allerdings au eine alte sozialdemokratishe Forde- rung, aber doch würde die Beschränkung auf den Armeebedarf nur den mit freien Arbeitern arbeitenden Unternehmern die Armeeaufträge Bei einer Besserung der Zustände im Submissions- i en selbst das Meiste \{hafffen, wenn Solidarität unter ihnen wäre, aber das sei eben nicht der Fall. Die Innungen müßten als folche submittiren, darauf abten, daß nicht heruntergedrückt werde, und Mann für Mann ohne Ausschluß au nur eines Einzelnen die Arbeit unter si vertheilen. Thatsählich aber seien die Großen unter den Handwerksmeistern vermöge der ganzen heutigen Produfktionsordnung darauf aus, sich zu großfapitalistishen Betrieben zu entwickeln, sie unterdrückten dadur die Kleinen, ebenso wie die Fabrikanten, Juden u. f. w. es angeblich tbäten. Abzablunasgeshäfte und deren Sünden habe der Abg. Biehl seine lebhafte Entrüstung ausgesprochen. nur, daß die große Masse des Volkes heut zu Taçe niht mehr kauf- kräftig genug sei, um die Waaren gegen Baarzahlung beziehen zu können, sie sei auf den Borg dur die Art der Lohnzahlung u. 1. w. geradezu angewiesen; sie sei gezwungen, in diese Geschäfte zu gehen und sih dort über's Ohr hauen zu lassen wenn auch nicht alle meisten müßten ja für die

nicht voll wegen Bes Damit sei aber nichts gebessert.

Befähigungsnahweis Vorlage mahhen solle,

Meine Herren, ih beklage diese | bereitwillig annehmen würden.

Preußen vor-

Die Organi-

namentli der Großindufti ie,

davon gesprohen hätte, Meine Herren,

dann hoffe auß weiter

Die Interpellation sei zwar zunächst vom Centrum ausgegangen, aber ganz aus denjenigen Anschauungen denen seine Partei mit dem Cen- In diesem Sinne danke er dem Staatssekretär, daß er die Interpellation so ausführlich und mit Seine Ausführungen würden alle Freunde des Handwerks mit aufrichtiger Freude erfüllen. (des Redners) Partei hoffe, daß wenigstens ein Theil der angekün- digten Votlagen noch im Laufe dieser Session an den Reichstag gelangen Er hoffe weiter, daß der Bundesrath in nicht zu ferner Zeit eine Entschließung über den Gesetzentwurf über den Befähigungsnach- Frage der Handwerkerkammern, einer eigenen O ganisation des Handwerkerstandes, stehe heute unter den Forderungen der Handwerker in erster Reibe, an sie werde vor allen Dingen mit großem Ernst und Nachdruck herangezangen werden müssen, und er freue si, daß in den Ausführungen des Staatssekretärs ein Anklang zu finden sei an die unvergeßlihe Kaiserlibe Botschaft vom 17, No- Was damals zu Gunsten des Arbeiterstandes vorge- nommen worden, sei im Großen und Ganzen in zehn Jahren zur Er- Handwerk fei unberückßüchtigt ge- blieben, und man habe seinem breiten Rücken immer neue Lasten auf- Das folle nun anders Vorlage gerade nach der Richtung einer Zusammenfassung des Hand- werks zu Korporationen sehr bald an den Reichstag gelangen möge. (Beifall rets.) Aba. Gberty:

heraus gestellt und begründe trum seit Jahren gekämpft Selbst Herr

solher Wärme beantwortet habe,

Pafus unri@ztig geführt ift.

Hâtte man den Mit- vember 1881,

füllung gebraWt worden.

und er hoffe,

5 Die Einführung obligatorischer Innungen und des Befähigungsnachweiscs würden dem Handwerk nichts nüßen und der modecnen Zeit s{nurstracks zuwiderlaufen. ziehung mit der Erklärung des Staatssekretärs zufrieden, aus der zudem hindurhgeleuhtet habe, daß die Gesetzgebung einen Stand allein nicht berücksihtigen dürfe. glaube, daß keine Partei im Hause einer Organisation des Handwerks dur eine wirksame Vertretung widerstreben würde, so könne er (Redner) für seine Partei das nur bedingt zugeben. die überall das Staatêganze im Auge habe, könne ni®t zugeben, daß eine Interessenkorporation obrigkeitlihe Rechte erhalte. jedo erst abwarten, wie die Vorlage über die Organisation des Wenn der Handwerkerstand allein den Mißständen im Lehrlingswesen abhelfen könnte, würde ihn Niemand in dieser staatserhaltenden und fruchtbringenden Lhätigkeit hindern. In Bezug auf das Lehrlingéwesen unterstüßte die Gemeinde Berlin seit Jahren das Handwerk dur Fortbiidungs- und Fachschulunter- Für diese wirklih reale Forderung seien seine Freunde immer ß die Handwerkerkonferenz geheim verhandelt habe, Besondere Umstände Auch seien nur die Vertreter des Handwerks dabei zugezogen worden, die das Heil in obligatorischen Innungen

wesen könnten die Innungen

Er sei in dieser Be- Wenn der Staatssekretär aber

Seine Partei,

Sie werde Alles richtig; aber das beweise

Handwerks autsehen werde.

unreell seien, sicheren Kunden vielleicht Den, abbezahlten Gegenftand

anlaßt haben, : ! truges bestrafen lassen, weiter nichts.

Dann seien die Hausirer an die Reibe gekommen; weniger den Hau- firern auf dem Lande, als den Handlunasreisenden, die si aufs Hausiren verlegten, wolle man zu Leibe. Er gebe zu, es werde auhch auf diesem Gebiete ein kolofsaler Unfug getrieben; aber auch bier sei es Thatsache, daß die großen Fabrikgeschäfte dur die ganze Misere der Zeit gezwungen seien, alle möglihen Absatzgebiete aufsuchen zu lassen; die Unterkonsumtion des Vo!kes sei îo groß, die Kon- kurrenz fo erdrückepd, daß die Leute nit mehr wüßten, wohin mit den Waaren, daß ihre Reisenden nicht mehr zu den Zwishenhändlern allein gingen, sondern si thatfählih zu Hausirern degradiren ließen. Was aber habe das viel mit der Innungsfrage zu thun? Es handele si da garniht um handwerksmäßig erzeugte Waaren, sondern um Fabrikwaare, deren Vertrieb wohl den mittleren Handlungs- geschäften, den Kleinkrämern, nit aber den Innungsmeistern zum Schaden gereihen fönne. Jeßt klage man über Mißstände im Lehr- lingswesen; aber weshalb habe man denn bei der Gewerbeordnungs- Novelle alle Anträge seiner Partei, die das Lehrlingëunwesen bâtten einshränken wollen, abgelehnt? Gerade die Freunde der Innungen bâtten alle diese Anträge niedergestimmt und damit dem kleinea Spieß- bürger die Lehrlingszüchterei und Lehrlingsauébeuterei in s{limwster Form weiter ermögliht. In den handwerksmäßigen Betrieben seien eine Unzahl von Lehrlingen vorhanden, die nichts lernten, die bloß auëgebeutet würden, naher aber das Haupkoniingent zu den Pfuschern stellten. Diese gingen gerade aus den zünftlerishen Werkstätten bervor, weil ihre Meister fie nihts bätten lehren können, da sie meistens selber nichts gelernt hätten. Diejenigen, die jett so sehr nah dem Befähigungs- nahweis riefen, möchten do \{chlecht bestehen, wenn sie ihn auf Grund rückwirkender Kraft des betreffenden Gesetes nohmals erbringen müßten. Wenn die Regierung jeßt endlich das Unfallgeseß auf das Handwerk ausdehnen wolle, fo sei das troß der Mängel dieses Gesetzes ein kleiner, von seiner (des Redners) Partei längst geforderter Fortschritt Was die Korporationêrechte und die Organisation betreffe er halte Beides für eng zusammenbängend —, so sei cr mit dem Abg. Eberty einverstanden, daß es sehr auf das Aussehen der bezüg- lien Voilagen ankomme. Die Verleibung der Korporationsrechte an die heutigen Innungen würde ein Novum in der Verwaltung sein, welches folhen rein politishen Organisationen gegenüber gar nicht zu verantworten sein würde, wenn nit Zug um Zug auch den Fatvereinen dieselben Recbte verliehen würden. Seine Partci halte Befähigungsnahweis und obligatorishe Iarungen für überhaupt un- möglih, Auch in Oesterreich wünshe man in den Handwerker- kreisen nihts sehnlicher, als den Nachweis wieder los zu werden, und so würde es auch hier kommen. Den Sozialdemokraten wet de immer vorgeworfen, sie wollten das Handwerk vernichten, deß- halb feien sie gegen die Organisation des Handwerks, Das falle ihnen gar nit ein, sie hätten das auch gar nit nöôthig, das besorge das Großkapital, die Gesetzgebung, die ganze Strömung der Zeit, und die Herren von der Innung trügen mit ihrer Kurzsichtigkeit das ihrige dazu bei. Die Sozialdemokraten ftellten nur die Thatsache fest, daß das Éleinere und mittlere Handwerk gegen das Kapital nit mehr aufkommen könne, troy aller Befserungsversuche, die nur Palliativmittel seien. Der Staatssekretär Dr. von Boetticher babe die Hoffnung ausgespro en, daß durch diese Mittel dem Handwerk der goldene Boden und das Handwerk selbst als eine Säule, eine Siüße der Monarchie, des Thrones und des Vaterlandes erhalten bleiben werde, mit einem Worte, daß das Handwerk eine Stütze der gegenwärtigen Gesell - \chaftsordnung sein werde, auf die man sich dann auc verlassen könne. Die Handwerker verspürten von der bierdurch gebrachten Hülfe nich1s und kämen mehr und mehr zu der wirthschaftlichen Einsicht, daß nur eine Umänderung des gesammten Produktionswesens und eine vernünftige Organisation ibnen helfen könne, eine Organi- sation, in der es nur freie, neben einander arbeitende Genoffen gebe, die dann Alle viel reihlicher zu leten baben würden, als gegenwärtig die einzelnen kleinen Handwerker. Daß man sich auch an maßgebender Stelle die Dinge anders vorgestellt habe, ergebe sich aus dem Kaiserlichen Erlaß vom vorigen Februar, der dem deutshen Arbeiter etwas habe bieten wollen, was ihm nur durch den Widerstand der Bourgeoisie niht geboten worden sei. Handwerkerkammern nah dem Muster der bayerischen würden allerdings unbrauchbar seinz richtige Handwerkerkammern mögen ihren Nutzen haben, aber mit ibrer Schaffung zugleich müßten auch Arbeiterkammern errichtet werden, und das fei der Nutzen, den seine Partei aus der heutigen Besprechung ziehe.

Abg. Metzner: Keine Partei vertrete die Interessen der Hand- werker so energish, wie das Centrum, ohne daß es sich dabei um parteipolitishe Interessen handle. Im Submissionswesen würden die Innungsmeister erst nah Schaffung der Zwangsinnungen Gutes schaffen können, vorläufig au die Handwerksmeister seien ja keine Engel schädige der Konkurrenzneid die Solidarität noch zu sehr. Die Aus- führungen des Staatssekretärs erschienen ihm (dem Redver) nicht so sehr befriedigend, fie stimmten ihn vielmehr pessimistisch. An der Arbeiterkonferenz habe er auf direkte Veranlassung der Regierung nicht theilgenommen, wisse also nit, was da vorgekommen sei, habe aber ge- Hört, daß die Vertreter der Handwerker den BefähigungsnaŸweis wie die Löwen vertheidigt hätten. Was solle eine solhe Konferenz für Hoff- nungen erwecken, wenn der von den Handwerkern unbedingt ge- forderte Befähigungsnachweis von der Regierung abgelehnt werde! Ohne ibn gehe das Handwerk zu Grunde, mit ibm könne es ih auch im Kampf mit der Großindustrie balten! Man habe ja in den leßten Jahren die Gesetze so vielfah geändert, so könne man au den Befähigungsnachweis einführen, und bewähre er sch nit, so schaffe man ihn wieder ab! Ein Artikel, der im Jahre 1877 in einem fozialdemokratisben Blatt gestanden habe, beweise, wie angenehm Alles, was die kirblichen und monarcischen Verbältuisse des öfent- lichen Lebens erschüttere, den Sozialdemokraten sei, wenn aber die Regierung nit für die Forderungen seiner Partei eintrete, dann ane N das Ende der \chiefen Ebene, der sozialistische Staat, er- reiht sein!

Unterstaatssekretär Dr. von Rottenburg: Die Rede des Abg. Megner gebe ihm in einem Punkte Anlaß zum Widerspru. Er habe behauptet, auf Wuns der Regierung sei er niht zu den Ver- handlungen des Handwerkerkongresses zugezogen worden. Demgegen- Über habe er (Redner) festzustellen, daß die Regierung auf die Auswahl derjenigen Persönlichkeiten, die zu der Handwerkerkonferenz zugezogen worden seien, ‘gar nicht eingewirkt habe. Sie habe einfa den Petenten geschrieben, sie möchten Persönlichkeiten namhaft machen und habe die betreffenden Persönlihkeiten eingeladen, nach Berlin zu kommen. Der Alkg. Meßyner sei aber nicht namhaft gemacht worden von den organisirten Körperschaften, die sich an die Regierung gewendet hätten. Da er das Wort habe, so müsse er noch auf einen Punkt zurückommen, den der Abg. Biehl berührt habe. Gegen den Widerspruch des Strats\ekretärs habe der Abg. Biehl zum zweiten Male behauptet, das Protokoll über die Handwerkerkonferenz sei niht rihtig, und zwar an der Stelle, wo gesagt sei, selbst der Abg. Biehl habe sich gegen die vorgesblagene Regelung ausgesprohen. Nun, er (Redner) müsse dem gegenüber er habe das Protokoll nâmlih gezeihnet, er und drei Regierungs- vertreter, feststellen, daß das Protokoll in diefem Punkt vollständig richtig sei. Der Sah sei entnommen aus einer Rede, die der Regie- runos-Rath Dr. Wilhelmi in der Handwerkerkonferenz gehalten habe. Er (Redner) habe jeßt eben nohmals mit dem Regierungs-Rath Dr. Wilhelmi darüber gesprochen ; er denke, dieser müsse der beste Beurtheiler sein, ob der Say richtig sei oder niht, und er habe ihm jeßt noch versichert, daß er diesen Satz in der Handwerkerkonferenz ausgesprochen habe. Es möge ja sein, daß der Abg, Biebl antworten werde, ja, dann habe der Regierungs-Rath Dr, Wilhelmi ihn fals verstanden. Demgegenüber weise er darauf bin, daß das Protokoll an einer anderen Stelle, wo eine Rede des Abg. Biehl wiedergegeben werde, {ih folgendermaßen äußere: Die Bedenken, die der österreihishen Gesezgebung entgegen- ftänden, könnten das Handwerk nit veranlassen, auf die Forderung oes Befähigungsnachweises zu verzichten, wie man denn auch in Oesterreich troß der dort zu Tage tretenden Mängel des Hand- werks den Befähigungsnahweis keineswegs entbehren möte. Man müsse eben versuchen, die Fehler der österreihishen Ge- seßgebung zu vermeiden, Daß der Kompromißantrag Aer-

mann - Biebl niht allen Anforderungen genüge, gestehe er zu. Auch an dieser Stelle habe also der Abg. Biebl ot un Pry daß eine Regelung im Sinne seines Antrags nit mögli fei. Es ergebe fich das auch geradezu als eine Nothwendigkeit aus dem Vorbergehbenden. Der Regierungs-Rath Dr, Wilhelmi habe der Hand- werkerkonferenz auseinandergeseßt, daß die österrethishe Regierung zur Vorausseßung habe eine Abgrenzung der Gewerberehte, und daß eine folde Abgrenzung praktis niht durchführbar sei. Nun, der An- trag Ackermann-Biehl beruhe, es sei das ein Efsentiale des

Antrags auf einer folchen Abgrenzung der Gewerberechte. Der Abg Biebl habe jedenfalls zugestanden, daß die österreihishe Gesetz- gebung eine mangelhafte sei, damit habe er aber zugestanden, daß au der Antrag Ackermann-Biehl niht dur{führbar sei. Also die Behauptung. daß der Regierungs-Rath Dr. Wilßelmi ihn falsch ver- standen habe, fei nit haltbar.

Abg. Metzner: Jn dem Briefe des Vorstandes des Central- aus\{chufses an den Vorstand des Verbandes, der sich mit der Be- \{chickung der Konferenz beshäftigt habe, babe es geheißen, es sei der direkte Wunsch der Regierung, die Abgg. Biehl und Megner nit zu dele- giren, weil die Regierungévertreter - sfich mit diesen im Reichstage ohnehin persönli über den vorliegenden Gegenstand aussprechen könnten. Das hätte man doch niht ohne direkte Aufforderung der Regierung geschrieben !

Unter-Staatssekretär Dr. von Rottenburg: Er habe aus dem Vorgelesenen niht entnommen, daß der darin berührte Wunsch von der Reaierung geäußert worden sei. Sollte der Verfoffer ih auf einen Wunsch der Regierung haben berufen wollen, sollte das die Meinung gewesen sein, so könne er (Redner) nur noch einmal feststellen, daß die Regierung auf die Auswahl der Persönlichkeiten bei der Hand- werkerkonferenz keinen Einfluß ausgeübt habe, durchaus keinen Wuns in dieser Richtung ausgesprochen habe; niemals.

Abg. Rickert: Er glaube nit, daß der Verlauf der hevtigen Besprechung den Interpellanten große Befriedigung über ihre Inter- pellation bringen werde. Uferlos habe die Besprehung {on des- halb sein müssen, weil die Erklärungen des Staats|ekcetärs hätten nur ganz allgemein gehalten sein können. Er (Redner) bitte, daß die Protokolle der Konferenz auch dem Reichstage von der Regierung zugänglih gemaht werden möô{hten, Daß seine Partei ftets eine Regelung der Gefängnißarbeit angestrebt habe, bewiesen die Verhand- lungen im pceußiswen Abgeordnetenhause und auch hier. Mit der Erklärung des Staatssekretärs sei seine Partei übrigens nur in Bezug auf die Abwehr des Befähigungsnachweises ein- verstanden, im Uebrigen halte sie das Erwecken falscher Hoff- nungen in den Handwerkern für unangebracht. Das Handwerk habe das Kapital und die Großindustrie durchaus nicht zu fürchten, sobald ihm die nöthigen Mittel zur Verfügung ständen, nur dürfe es eben das Vertrauen auf seine eigene Leistungsfähigkeit niht verlieren ; die könne es aber verlieren, wenn es hier Worte hôre, aus denen es das Versprehen der Staatshülfe herauélesen werde. Die Ver- tretung des Handwerks scheine ihm na den Erfahrungen mt den Gewerbekammern, für welche die Provinzial-Landtage kein Geld mehr bewilligen wollten, und den landwirthschaftlihen Vertretungen dur{- aus nicht wünshenëwerth. Die Hauptsache sei: die Regterung und alle Parteien, wenn sie dem Handwerker wirkli helfen wollten, sollten es auf die Selbsthülfe verweisen und in ihm nicht die Hoff- nung auf Staatshülfe erwecken.

Abg. Dr. Buhl: Er hake aus den Worten des Staatssekretärs nicht den Eindruck gewonnen, daß unerfüllbare Hoffnungen in den Handwerkern entstehen könnten. Den Befähigungsnahweis wünsche auch er (Redner) nicht eingeführt zu sehen, hier sollte man wirkli der freien Konkurrenz Spielraum lassen. Die Fragen der Gefängniß- arbeit und des Submission8wesens sollten sobald wie irgend möglich von den einzelnen Landesregierungen erledigt werden. Was die geseß- lihe Regelung der Abzahlungsgeschäfte anlange, so sei allerdings zu wünschen, daß Organisationen ins Leben träten, die den Handwerker beim Bezug von Waaren einen billigeren Kredit vershafften, als es den Abzablungsgeshäften möglih sei. Die Ausbildung des Lehr- ling8wesens sei eine sehr wihtige Sache, denn davon hänge die ganze Weiterentwickelung des Handwerks ab. Die Ausdehnung der Unfall- versiherung auf die Handwerker sei eine Folge der Entwickelung, die diese Gesetzgebung genommen habe; freilich werde sie von vielen Handwerkern nur als eine neue Belastung empfunden, um aber segens- rei zu wirken, dürfe die Versiherung nicht auf die Lehrlinge und Gehülfen beshränkt bleiben, sondern sie müsse auch auf die Meister ausgedehnt werden, so wie ja {on in der Ausdehnung der Versiche- rung auf die landwirthschaftlihen Arbeiter Analoges bestimmt sei; aus der Versicherung der landwirthschaftlihen Arbeiter könne man noch eine zweite Lehre ziehen: die Versiherungen in territoriale Verbände aufzulösen. Eine wichtige Frage sei ferner die der Orga- nisation der Handwerker, dazu könne man aber niht {on heute irgend- wie Stellung rehmen, da müsse man die Vorlage erst abwarten. Er boffe aber, daß irgend eine Lôsung gelingen werde. Er habe bisher nicht für seine Fraftion gesprohen, sondern für feine Person, nur das spreche er im Namen der Partei aus, daß sie bei der in Aussicht stehenden Gefeßgebung fo sehr wie jede andere Partei sich mit aller Energie betheiligen werde. Die Schaffung eines leistungsfähigen Handwerkerstandes sei eine der wichtigîten Aufgaben, und die Selbsthülfe sei hierbei freilich das wichtigste Mittel, aber auch die Staatshülfe dürfe nicht aus dem Auge gelassen werden.

Abg. Eberty: Das Standesbewußtsein werde mehr gehoben dadur, daß die Handwerker besser vorgebildet würden, sodaß sie auch Andere etwas lehren könnten. Der Haupktfehler sei, daß man Alles von der Geseßgebung erwarte. Sieben Gesetze seien seit 1378 erlaffen worden zu Gunsten der Innungen, und alle hätten nah dem Eingeständniß der Herren nichts genützt.

Abg. Hitze bedauert, daß der Staatssekretär Mittheilungen ge- macht habe aus dem Protokoll, zu dessen Geheimhaltung si die Vertreter der Handwerker verpflichtet hätten. Der Verlauf der Besprechung sei durhaus nicht unangenehm; es sei Aufklärung ge- schaffen worden, wenn diese auh mit etwas Verstimmung von den Handwerkern aufgenommen werde. Ein Theil der Antwort des Staatssekretärs sei aber befriedigend, weil gewisse Maßregeln zu Gursten der Handwerker in Aussicht gestellt würden, darunter nament- lih au die Organisation des Handwerkerstandes.

__ Abg. Metzner: Er könne nur sein Bedauern darüber aus- drücken, daß die Hoffnungen auf den Befähigungsnahweis und die obligatorishen Innungen, an die sich der Handwerkerstand wie an einen Strohhalm angeklammert habe, vernichtet seien. Dadurch werde der Mittelstand in seiner Festigkeit untergraben und die ganze Ge- sells@aftsordnung bedroht, denn sie werde der wüsten Agitation der Umsfturzparteien preisgegeben. Wenn die verbündeten Regierungen nit felbst für die Aenderung der gegenwärtigen Zustände eint1äten, dann seien alle Bestrebungen eitel.

__ Abg. Bebel: Die Dinge, die als unausführbar hingestellt seien, seien für das Handwerk von untergeordneter Bedeutung, aber feine Partei sei gern bereit, die betreffenden Vorlagen auf ihren Werth zu prüfen. Einige Handwerker würden davon einen Vortheil baben; aber ihre Klassenlage werde dadur nicht verbessert werden ; die kleinen Handwerker seien jet oft in einer viel \{limmeren Lage, als die Arbeiter. Seine Partei wolle das Handwerk nit vernichten, sie wolle es aber auch nicht täushen. Sie wisse kein Mittel zur Hülfe und sage, wer dem Handwerk helfen wolle, wie die Ab- geordneten vom Centrum, der täushe entweder sih selbst oder die Handwerker. Die handwerksmäßige Thätig- keit verfalle immer mehr und mehr der fabrikmäßigen Aus- bildung. Auch der Uebergang zum Kunsthandwerk könne dem kleinen Handwerker nicht helfen; denn auch das Kunsthandwerk werde immer mehr fabrikmäßig betrieben. Eine bessere Ausbildung der Lehrlinge helfe nihts, so lange die Lehrlinge, wie es in den meisten Hand- werkstätten der Fall sei, nur an einem einzigen Stück etwas leisteten, Man habe in Berlin an 7 bis 8000 kleine Tischlermeister, die nur Tische, Stühle oder Sophas mit einer großen Zahl von Lehrlingen anfertigten. Komme ein solher Lehrling aus der fogenannten Lehre in eine zweite Werkstätte, in der nicht dieselben Möbel gefertigt

würden, so könne er keine Beschäftigung finden. Die Fabrik-

inspektoren berichteten, daß der fabrikmäßige Betrieb immer mebr an die Stelle des Handwerks trete. Nur dur diesen fabrikmäßigen Betrieb könnten si die Handwerker noch über Wasser balten. Hätten die jeßigen Innungen dur die Gewerbeordnung niht weitere Privilegien erhalten, so würden sie Sceininstitutionen und durchaus werthlos sein. So habe ein sachverständiger Mann geurtheilt. Alle Konzessionen an die Innungen bâtten nibts gebolfen. Was heute dem Handwerker fehle, fei Brot und ¿twas auf das Brot, heute seien Millionen von Handwerkern niht in der Lage, den Kampf um das täglihe Brot mit Erfolg zu führen. Wollte man die Elektrizität in allen Handwerksftätten einführen, so würde das sch{ließlich zur Ueberprodufktion, also zu dem Gegentheil dessen führen, was die Abgg. von der linken Seite wünschten. Die immer mehr um si greifende Arbeitstheilurng und der Maschinenbetrieb führten das Handwerk dem unvermeidliwen Untergang entgegen.

Aba. Biel: Uuf der Handwerkerkonferenz habe ein Huf- \{chmiedemeister erklärt, seine Genossen hätten den Befähigungênach- weis und seien fehr zufrieden damit. Das beweise, daß sie den Be- fähigungsnahweis niht für unausführbar hielten.

_Abg. Schrader: Der heutige Tag sei das Ende der zünft- lerishen Bestrebungen; denn jeßt seien keine Mittel mehr vor- handen, in den Handwerkern - den Glauben an den Befähigungs- nachweis und die obligatorischen Innungen zu erwecken. Die ver- bündeten Regierungen würden erkennen, daß das lange Abwarten in der Sache s{chlimme Erfolge gezeitigt habe. Das lange Warten habe eine -virz;weifelte Stimmung in den Kreisen der Handwerker hervor- gerufen, die si dur die kleinen in Aussicht gestellten Zugeständnisse nicht beseitigen lassen werde. Aber eine Generalisirung sei niht am Plage; es bandele si garnicht um das garze Handwerk. Das Handwerk könne zum guten Theil genofsenschaftlih betrieben werden und fsich dann gegen die Großindustrie halten, ein Theil werde allerdings von der Großindustrie aufgesaugt werden. Es gebe andere und immer neu auftauhende Zweige, die dem Handwerk Play gâben. Er bedauere, daß gerade die Innungsbewegung das Handwerk nicht gefördert habe. Die Innungen seien den genossen- schaftlichen Bestrebungen hindernd in den Weg getreten. Er hoffe aber, daß, wenn jeyt die zünftlerisen Bestrebungen beseitigt seien, oder wenn sie wenigstens einen sehr viel ruhigeren Gang näbwen, die ganze arbeitende Bevölkerung, er rechne dazu Handwerker, Arbeiter und Fabrikanten, weit mehr diejenigen Wege finden würden, um möglichst selbständig nebeneinander bestehen zu können.

Abg. Dr. Hartmann: Das Hauptergebniß der heutigen Ver- handlungen seien niht die Reden aus dem Hause, sondern die Er- klärungen des Staatssekretärs, die gewisse gesetzgeberishe Maßregeln in Aussit stellten. Daß der Befähigung8nachweis und die obli- gatorishen Innungen sih nicht darunter befänden, sei sehr bedauerlich.

Damit {ließt die Debatte. Schluß 5 Uhr.

Dritte ordentliche Generalsynode.

In der gestrigen Sißung wurde ein Antrag Zillessen wegen Auf- befsrung der Volks\{chullehrer-Gehälter der Petitionskommif- sion überwiesen, Weiter wurde nah einem Antrag der Verfafsungs- kommissicn beschlossen, zur Zeit von dem Lntrag auf dreijährige Wiederkehr der Generalsynode Abstand zu nehmen. Ferner wurde folgender Antrag, betreffend die Stellung der General- Superintendenten, angenommen: „Generalsynode wolle den Evangelischen Ober-Kirchenrath ersuhen: 1) die General-Superinten- denten der Landeskirhe zu wiederkehrenden Konferenzen einzuberufen, um theils unter einander, theils in Gemeinschaft mit dem Evange- lischen Ober-Kirchenrath über Gegenstände ihrer Amtsthätigkeit fowie über das cristlihe Volksleben zu verhandeln; 2) daß die General-Superintendenten die Superintendenten ihres Sprengels zu regelmäßigen Ephoren-Konferenzen versammeln; 3) daß die geist- lien Rätbe in den Konsistorien vermehrt und die General- Superintendenten von solcen Geschäften entlastet werden, die ihre Kraft und Zeit ihrem persönlihen Hirtenamt entziehen ; 4) daß über- große Sprengel der General-Superintendenten durch entsprehende Theilung in übersihtlibe Sprengel verwandelt wecden; 5) die In- struktion der General-Superintendenten vom 14. Mai 1829 in einer der Verstärkung ihrer persönlihen Initiative förderlihen, sowie dem gegenwärtigen Stande der Gesehgebung entsprehenden Weise einer Revision zu unterziehen. * Schließlich wurden die Anträge der Finanz- tfommission, betreffend das Diensteinkommen der General- Superintendenten, angenommen.

Der Entwurf eines Kirchengeseßes, betreffend die Auf- hebung von Stolgebühren für Taufen, Trauungen und kirhlihe Aufgebote, welher der Generalsvnode zugegangen ift, hat nachfolgenden Wortlaut:

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen 2c., verordnen unter Zustimmung der Generalsynode, nahdem dur die Erklärung Unseres Staats-Ministeriums festgestellt worden, daß gegen dieses Geseß von Staatswegen nihts zu erinnern, für die evangelische Landeskirche der älteren Provinzen, was folgt :

§. 1. Die Verpflichtung zur Entrihtung von Stolgebühren für Taufen und Trauungen in orrtsüblich ecinfahster Form, sowie für Auf- gebote wird aufgehoben

S. 2. Was in den einzelnen Gemeinden nah den bestehenden Tarxfäten als ortsüblih einfachste Form der Taufen und Trauungen zu gelten hat, wird, sofern sich hierüber Zweifel ergeben, dur Be- {luß der vereinigten Gemeindeorgane festgestellt. Dieser Beschluß bedarf der Genehmigung des Provinzial-Konsistoriums. Entfteht im einzelnen Falle darüber Streit, ob eine Stolgebühr ungeattet der Bestimmung des §. 1 zu entrihten is, so entscheidet der Kreis- Synodalvorstand (Moderamen der Kceissynode) nach Anhörung des Gemeinde - Kirhenraths (Presbyteriums) und auf erhobene Be- Tee pas Provinzial-Konsistorium. Cine weitere Beschwerde findet nl \tatt.

§ 3, Die Stellen der Geistlihen und übrigen Kirhenbeamten

find für den ihnen dur die im §8. 1 vorgesehene Aufhebung der Ge- bühren entstehenden Ausfall der Einnahmen von der Kirchengemeinde durch eine Rente zu entschädigen. Diese Rente ist vierteljährlih im Voraus zahlbar. __§. 4. Von der En!lschädigung sind ausgenommen diejenigen geist- lihen Stellen, deren JIahreseinkommen außer Stolgebühren und freier Wohnung 6000 4 beträgt. Jedoh bleiben auch die auf diesen Stellen zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes im Amte befind- lihen Geistlihen für ihre Amtsdauer in derselben Weise zu ent- schädigen, wie die fonstigen Stellen, insoweit sie niht auf Grund des 8. 54 des Geseßes vom 9, März 1574, betreffend die Beurkundung des Personenstandes und die Form der Eheschließung, aus Staatsfonds entshädigt werden. /

8 5, Die Höhe der Entschädigungsrente bestimmt sid nach dem Durchschnitt der Solleinnahme aus den aufgehobenen Gebühren für die in den Jahren 1888, 1889 und 1890 in der Gemeinde vollzogenen Handlungen. Jst diese Durchschnitts - Einnahme nit mehr zu er- mitteln, so ist die Zabl der in den angegebenen Jabren überhaupt vorgekommenen Fälle von Taufez, Trauungen und Aufgeboten ab- züglich derjenigen mafgebend, in welwen nahweislib ein anderer als der aufzuhebende Gebührensaßz zu zahlen war. Wo in diesem leßteren Falle die Gebühren für Taufen und Trauungen in einfahster Form in Folge Abstufung nah Steuerklafsen, Ständen und dergleichen von vershiedener Höbe sind, ist Behufs Bestimmung der Rente ein den örtlichen Verhältnissen entsprechender Einheitsfsaß durch Schätzung u finden. | 3 6. Solten Kirchengemeinden, in welchen in unmittelbarer Folge des Jnkrafttretens dieses Geseßes und wegen Mangels eines ausreihenden und verfügbaren Ueberschusses der Kirchenkasse eine Umlage auêgeschrieben oder erhöht werden muß, wird aus dem im

F. 10 bezeihneten landeskirliwen Fonds als Beihülfe ein Zushuß gewährt. Die Beihülfe besteht in demjenigen Theil der von einer