1891 / 295 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 15 Dec 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Sie müssen also hier nothwendiger Weise den Maßstab des Maßes bei der Verzollung zulafsen. Weiter ift es auch nit richtig, daß das Verhältniß zwishen dem Zoll na dem Fesimeter und ¡wischen dem Zoll nah dm Gewiht ein unrichtiges sei. Zutreffend ist, daß leihtes Hol, welches über die Grenze fommét, gegenüber der Verzollung nah dem Festmeter einen Vortheil genießt. Das Verbältniß der beiden Zollsäße zu einander hat aber weder nah dem s{chweren noch nach dem leichten Ho!ze berechnet werden können ; es mußte nah dem Dur&sc{nitt8gewicht des Holzes berechnet werden, sons wäre man genöthigt gewesen, für jedes Holz einen be- fonderen Maßiab zu maten. :

Im Uebrigen mötte ih darauf aufmerksam machen, daf, wäbrend nach dem jeßt geltenden Tarife beispielsweise eine Holisendung auf einer Eisenbabnlowry von 10000 kg Tragfähigkeit etwa 90 fm entbält, und also, wenn die Verzollung nah dem Festmeter cr- folgt, gegenwärtig bei einem Zollsaß von 6 G 120 t Zoll ju zablen hat, die V-rzollung nah dem Gewicht für 10 090 kg unter Zugrundelegung des Zollfazes von 1 t für cinen Doppel-Centner nur 100 4 beträgt. Die Differenz, die also den Importeuren bei der Verzollung nah Gewicht zu Gute fommt, beträgt na dem gegenwärtigen Tarif 29 4A; in Zukunft jedoch wird na der Dur&fühbrung der Zollsäße, wie sie in dem Vertrage vereinbart sind, das Verkbältniß für den Importeur niht fo günstig fein, und der Schaden für die Reichékafse wird, wenn : na dem Gewit®te verzollt wird, au bei leihterem Holz ni®t so bedeutend sein, wie es bisher der Fall wa-. Jm Gegentbeil, das Verbältniß hat sih gebefsert, denn künstig beträgt der Zoll für den Feftmeter 4,80 M für 20 fm also 96 A und der Zoll für 10000 kg macht 80 4 Die Differenz zwischen der Verzollung na Feftmetern und nach Kilogramm beträgt also künftig nur 16 4, während sie jeßt 20 6 beträgt. i :

Nun bat der Herr Abg. von Kardorff des Weiteren au2geführt, es fei do im böten Grade auffallend, daß bei Hafer der Zoll um 30 9% herabgeseßt sei, während man bei der Gerfte nur eine Herab- seßung von 109% vorgenommen babe. Ich glaube, die Gründe dafür sind nit weit berzubolen. Der Zoll für Gerfte war fon gegenüber dem Zoll für Hafer nach unserem bisberigen Tarif ein ¡icli gee ringer. Ich habe hier eine Uebersiht, aus welcher si ergiebt, daf nach dem Werth allerdings sind dabei nit die neueïten Preise des Getreides zu Grunde gelegt, sondern die vorjährigen Preise —, daß also das Verhältniß des Zoües zum Werth der Waare beim Ge- treide ih folgendermaßen stellt: für Weizen 26 °/o, für Roggen Z7 %e, für Hafer 349%, für Buchweizen 19 °/6, für Gerfie 16 9%, für Mais 909% und Malz 16%. Sie sehen daraus, daß der Gerfien- ¡zoll eigentlich nur halb \o hoch war wie der Haferzoll, wenn man ihn in Relation set zu dem Werth der Waar. Weiter aber würde eine Ermäßigung des Gerftenzolles in dz: Hauptsache nur dem sehr ehrenwerthen und auch meiner vollen Sympathie siheren Gewerbe des Bierbrauens zu Gute gekommen sein, einem Gewerbe, welches außerordentlich prosperirt, und welches also für ih eine solche Herabseßung in Anspru zu nehmen wohl kaum in der Lage gewesen wäre. Bei der Herabseßung des Haferzolles aber kommt das Interesse der Armee in Betracht, und ih glaube,

damit läßt ih sehr wohl rechtfertigen, daß man den Haferzoll in höherem Maße herabgeseßt hat als den Gerstenzoll.

Was dann den Eierzoll anlangt, von dem der Herr Vorredner ge- sprohhen hat, so ist hier zu bemeiken, daß die einheimische Eierpro- duktion bei Weitem nicht gerÜüzt, um den einheimisben Bedarf zu decken. Nun kann man ja den Sah aufstellen: wenn man hohe Schuyz-

zôlle hat, dann wird au die Eierproduktion zunehmen. Allein, meine Herren, nah den bisherigen Erfahrungen ift anzunehmen, daß ein Schutzolu wahrscheinlih niht die Wirkung haben würde, welhe man si von ihm verspriht. Wir führen nämltich jährlich noch 500 000 Doppel-Centner Gier aus dem Auslande ein, und davon kommen 300 000 Doppel-Centner aus O-sterreih und aus Jtalien. Die For- derung der Herabseßung des Eierzolls war übrigens niht bloß eine öfterreihishe Ferderung, sondern auch eine italienishe. Jtalien legte sehr großen Werth darauf, und wir glaubten, ohne die einheimische Hühnerzucht und das einheimische E erlegen zu beeinträlhtigen (Heiterkeit), diese Konzession machen zu dürfe-, um so mehr als ja au bei uns Industrien bestehen, welche ein lebhaftes Interesse daran haben, in den möglihfl billigen Besi des Eiweißes zu kommen. Ich erinnere an die Albuminfabriken. Diese Frage hat ja bei der Verathung des Zolltarifs im Jahre 1879 eine Rolle gespielt, und ih kann den Herrn Abg. von Kardorff nur hinweisen auf die Argumente, welche damals für einen möglichst billigen Eierzoll ins Gefeht geführt worden {ind.

Die Bettfedern, die der Herr Abgeordnete auch berührt hat und die künftig von einem Zoll frei bleiben follen, während sie bisher, d. h. soweit es sch um gereinigte Betlfedern handelt, einen Zoll von 6 Æ# zahlten, haben zu ihren Gunsten an- zuführen, daß die Untersheidung zwischen gereinigten und unge- reinigten Bettfedern eine ganz außerordentlich \ch{wierize war, fodaß es im Interesse der Zollabfertigung lag, diese Unterschiede zu beseitigen und künftig also die gereinigten Bettfedern ebenso zu be- handeln wie die ungereinigten. Wir sind, was die Federproduktion anlangt, auch auf das Autland argewiesen. Denn wir produziren in dieser Beziehung nit genug. Die Einfuhr hat über 11 090 Centner betragen und davon sind aus Oesterrei über 9000 Centner gekommen. Ich möchte also glauben, daß auch rüdcksihtlich dieses Purktes ein wesentlihes Bedenken nicht zu erbeben sein dü- fte.

Damit kann ich vorläufig {ließen und abwarten, was für weitere Bemerkungen zu dem Zolitarif noch gemacht werden. Wir werden bereitwillig Rede und Antwort stehen, und ih glaube, meine Herren, Sie werden \sich aus unseren Ausführungen davon überzeugen, daß die verschiedenartigen Jnterefsen, welhe bei dem Abschluß von Handelsverträgen von Seiten des Jnlandes zu vertreten waren, voll und ganz gewürdigt worden sind. Wir sind seit 14 Jahren damit beschäftigt gewesen, zu vernehmen, was unsere Erwerbs8gruppen in dieser Beziehung für Wünsche haben. Wir haben dieselben sehr sorg- fältig geprüft und sind nicht in die Verbandlungen eingetreten, ohne uns bewußt zu sein, welhe Verantwortung wir für die Bes{luß- fassung bezüglih der einzelnen Wünsche und Anträge tragen. Wir Tônnen aber diese Verantworturg tragen, weil wir die Ueberzeugung gewonnen haben, daß alle Wünsche gewürdigt sind, und daß, wern sie nit alle haben berüdsihtigt werden können, das eben in der Natur der Handelsvertragsverhandlungen im Allgemeinen lag, die wir zu ändern außer Stande waren.

Abg. von Schalsba: Ec fi'mme mit dem Staatssekretär in Beiug auf die Beurtheilung der Þ:. ß timmen im Allgemeinen überein, auch er lege ibnen keine Bedeutu 4 bei; aber wenn das'elbe Blatt auf der erften Seite Deutsh'aud, auf der dritten Oesterreich als überbortheilt binftele, so könne das ganz richtig sein, es gebe eben Geschäfte, bei denen beide Kontrahenten \chlecht wegkämen. Das Be- dauérlihfte an dem Vertrage sei ihm aber, daß die Landwirthschaft die Opfer dafür bringen solle, troß der \{önen Worte, die der Reichs- kanzler ibr aewidmet babe. Der hohe Getreidepreis sei niht eine Folge der Zölle, sondern der Mißernten, das folge {hon daraus, daß au obne Zölle in diesem Jahrhundert derselbe hohe Preis wie jeßt wiederbolt erreiht worden sei, eben bei Mißernten ; der jetzice Preis sei im Vergleich zu früheren Zeiten noch nicht cinmal so bo, wenn man die seitdem eingetretene Entwertbung des Geldes in Anrenung bringe. Man dürfe die Preise niht nach Berliner Ver- bältnifsen beurtheilen, wo ein kleiner Laden in einer Neberstraße 7003 „M Mietbe kofte und dementsprechend die Preise sein müßten. Der starke Grenzrerkchr beweise garnihts für die Veribeuerung dur den Zoll. Die Börsenspekulation, die wesentli an der Vertbeuerung des Getreides mitgewirkt habe, sei ganz unabbängig von den Zoliverktältnifscn. Die ganze Zollberabsezung solle ja do eine Konzession an Oefterreih sein, denn wenn man den VDesfterreihern gesagt bätte: wir wollen einen Handeléevertrag abschließen, der urserer Induftrie ein Absay- gebiet in Oesterreich sichert, dafür aber auch zuglei uns unser Getreide verbilligt, so bätten sie uns doch einfa ausgela(t. Also könne die Zollherabsezung in Deutsbland das Getreide nit verbilligen, sondern nur Mindereinnabmen des Reichs und Minderüberweisangen an die Einzelstaaten, d. h. Erböbungen der direkten Steuern zur Folze baben. Ein Zoll sei erft dann ein Shu zoil, wenn er die Valutadifferenz und etwas darüber bctrage. Au ) für die Industrie könnten die Verträge keine Stabilität {hafen bei dem Verkehr mit Ländern, die eine \sÞwankende Valuta hätten. Deutschland kônne einen ziemlihen Betrag der Zölle entbehren, wenn es nur Doppelwäbrung bâtte. Die Aussihten für einen erhöhten und befeftigten Silberweribß in Amerika seien nit un2ünitig, und er hoffe, daß au der Rei@&skarzler ibm sein Interesse _ zuwenden werde. Seine politischen Freunde verlangten keine Uaterstüßuag vom Staat, sie verlangten nur Kompensation der Schäden, die ibnen aus der Goldwährung erwüthsen. Der Niedergang des Schweinepreises bänge ni&t mit der s@le{ten Ernte zusammen, sondern mit dec Auf- bebung des Shweineeinfuhrverbots gegen Desterreih. Jett seien die Preise für Schweine fo niedrig, daß ein Landmann, der ¡ebn Ferkel auf den Markt gedraht habe, sie zu gar feinem Preise babe verkaufcn kôanen. sodaß er sfi {ließli enti{lofsen babe, fie selbt zu effsen. Eia woklrcenommirter Guts- besißer, der aub vox der Negierung wiederholt um Gutachten angegangen tworden sei, babe die ungünstige Laae der Induftrie dem Niedergang der Landwüuthschaft zugeschrieben. Jett werde leider die Induftrie sehr begünftigt, während seine Partei sh 1879 bemüht babe, Ja- daftrie und Landwirtbshaft bharmonish zu behandeln. Diese Be- gürftigung der Induftrie werde aber das Zafstcröômen nah den großen Städten und den Arbeitermanzel auf dem Lande fteigern, wovon die weiteren Folgen nit zu überschen seien. Er glaube, bei den Verträgen babe die Thatsache mitgeipielt, daß die ftädtishen Arbeiter, weil enge zusammerwobnend, zu lauten Demorftrationen fi einigen könnten, während dies bei den Landarbeitern, die mehr zerstreut wohnten, nit aut möglih sei. Er hofe, daß die Uebeiftände, urter denen man auf allen Gebieten Leide, gemildert würden. Wiäre diese Milderurg vor dem Vertrag eingetreten, so wäre es nod besser ges wesen. Er hoffe aber, daz die Milderungen, die, wenn fie si als nothwendig erweisen E a s ae eintreten laffen wolle, nicht gar zu lange au warten ließen. Abg. Prins zu Carolath: Ver Abg. von Sw(alsha habe gesprochen, als ob man vor einer vollkommenen Beseitigung der lande wirthschaftlichen Zölle \tände, niht vor einer Ermäßigung. Sei diese Ermäßigung fo gefährlih, wie komme es denn, daß so viele Groß- und Kleinbesizer aus dem Centrum, au der Abg. Freiherr von Huene, für die Verträze stimmten? Mit Recht habe der Reichs- kanzler zur Vaterlandésliebe gemahnt. Ebenso richtig sei aber au sein spâteres ‘Wort gewesen, daß er sie auch Denen nicht absprechen wolle, welhe gegen die Verträge stimmten Er (Redner) ftimme allerdings freudigen, nit beklommenen Herzens für die Verträge. Der Reichskanzler babe mit der früheren Anschauung gebrochen, daß, wer die augenblicklickten Vorlagen der verbündeten Regierungen nicht annehme, sih wenigstens dein Verdacht ausfetze, das Vaterland weniger zu lieben als Andere Wie recht habe doch der Reichskanzler gehabt als er s. Z gesagt habe, er wolle die Hülfe nehmen, wo er sie finde ! Gewiß solle man die Geseze genau prüfen, er möchte aber der Auf- fassung entgegentreten, daß man nicht die nötbige Zeit gehabt habe, sih mit den Verträgen bekannt zu m2chen. Er habe in den Worten des Reichskanzlers auch eine gewisse Mahnung zur Manubaftigkeit gefunden. Nur ein Volk, das auf politisbem Gebtete mannhaft sei, werde es au in den \{weren Stunden sein, die ihm bevorstehen könnten. Er danke dem Reichskanzler, und er dürfe dabei wohl der Zustimmuag vieler Millionen im Lande sihher jein, daß er auch die Meinung Anderer gelten lassen wolle. Die Ermäßigung der landwirt)schaftlihen Zölle begrüße er (Redner) vom sozialen Standpunkt auf das Lebhafteste. Es sei kein Zweifel, daß mit der Vorlegung dieser Veiträge ein Wendepunkt in der bish-rigen Wirthschaftäpolitik stattg:-funden habe. Dieser Wendepunkt sei aber auch nothwendig, denn eine große soziale Politik könne niht Hand in Hand gehen mit einer Vertheuerung der nothwendigsten Lebens- mittel. Man fköônne nicht sagen: ad me venite miseri! und zugleih die nothwendigsten Lebensniittel vertheuern. Diese Vorlage möge den bitherigen Freunden der Getreidezölle petnlih sein. Die Pille sei ihnen verzuckert dadurch, daß die Zölle augenblicklich nur ermäßigt würden, aber glaube man, daß es bei dieser R Ad sein Bewenden haben werde? Eine weitere Herabseßung werde freili zur Zeit nicht beabsichtigt. Der Reichskanzler habe sih aber nah keiner Seite hin gebunden. Im Jahre 1887 habe man den Bogen zu straf gespannt. Hâtte man sih mit mäßigen Zöllen begnügt, so wäre die Frage heute nicht so brennend. Er glaube nicht, daß die Mit- glieder, welche gegen diese Vorlage stimmten, die Berechtigung hätten, zu sagen, daß fie allein das Junteresse des deutshen Bauern förderten. Die kleinen Bauern hätten von diesen Zöllen gac keinen Nutzen gehabt, weil sie in den leßten Jahren Getreide gekauft, aber uicht virkauft hätten. Zwischen dem großen und kleinen Grundbesitz be- ginne eine Kluft einzureißen, die nur erweitert werde durch das Fortbestehen der boben Zölle; denn man faze, daß die großen und nit die kleinen Besitzer einen Vortheil davon hätten. Weil er wünsche, daß Groß- und Kleinbesiy ferner Hand in Hand mit einander gingen, kalte ¿r die Aufrechterhaltung der hohen Zölle nit im Interesse des Großgrundbesißes. Die Erhaltung der Land- wirthschaft müsse Jedem am Herzen liegen, sie liege auch ebenso im Interesse jeder liberalen Partei. Eine liberale Partei verdiene keinen Anspru auf diesen Namen, die nitt cin Verständniß habe für die Interessen der Landwirthichaft. Wenn sie Noth leid-, dann kaufe der Großgrundbesizer den kleinen Besiy auf. Freilih halte er eine liberale Politik für unvereinbar mit hohen Lebenswittelzöllen, Damit solle nit ausge]prohen werden, daß die Landwirthschaft ihren Schuß verlieren solle. Sie werde von jedem eiasihtigen Vaterlandsfreunde geschüßt werden müssen, und es würden ih Kompensationen finden um das zu erreihen, was Allen am Herzen liege, aber niemals auf Kosten anderer Bevölkerungsklassen und des Gemeinwesens. - Man könne unmöglih verlangen, daß Millionen unbemittelter kleiner Leute die Kosten für die Erhaltung der Landwirthschaft über- nehmen sollten. Das sei gerade das Traurige bei den hehen Getreide- ¿ôllen, daß fie namerlosen Haß und Verbitterung in weiteste Kreise der Arbeiter getragen hätten. Nichts habe mehr verbittert, als der Viangel an Brot in Folge der hohen Getreidepreise. Glaube man denn, daß der hungernde Arbeiter si theoretish frage, wer die Scuid daran tiage? Er lese keine staatsre{tlichen Abhandlungen und frage niht dacnach, ob die Börse cs verschuldet babe. Allen Haß wegen der Brotvertheuerung \chiebe er auf Diejenigen, die das

Brot herstellten und das Korn bauten. Die Berliner Stadt-

verordneten hätten große Summen bewilligt, um in diesem Winter dem größten Elend entgegenzuwirken, aber alle diese Summen würden nicht ausreiben, um die Noth aus der Welt zu schaffen, die gerade in diesem Winter an alle Thüren kiopfe. Nit nur die Grundbesißer, au die bürgerliden Kreise müßten ihren standard of life e:nschränken. Daß der Pessimismus in dem . politishen Leben einen breiten Raum gewonnen habe, werde Niemand bestreiten. Mit dieser Vorlage räume man wenigstens einen Stein des Anfstoßes aus dem Wege, es blieben ihrer noch genug. Die Nawwahlen zum Reichstage redeten sehr laut und vernehmlich, und er sei dem Reichékanzler zu besonderem Danke verpflihtet, daß er jede Vorlage darauf hin an- sehe, welchen Einflaß sie auf die Sozialdemokratie ausüben werde. Hinter der sozialen Frage müßten alle anderen Fragen zurüdck- treten, und es müsse Alles gesehen, um die Unzufciedenea, die zwar niht Fußerlid, aber innerlih zur Sozialdemokratie gehörten, zufriedenzustellen. Die verbündeten Regierungen sien jeßt auf dem ribtigen Wege, und wenn man die Zahl der Zzfriedenen im Lande vermehre, so werde man dem Reiche einen Dienft erweisen.

Abg. von Kleist-Rezow: Obgleich Großarundbesiger in Pommern, sei er doch von den kleinen Landwirthen in Weftfalen gewäblt und von ibren durch eine Abordnung angeaengen worden, er mölte bei dieser Vorlage ih ibrer annehmen. Daraus möge der Abg. Prinz zu Carolath entnehmen, daß der kleine Grundbesitzer von der Nothwendigkeit der Erhaltung der Scußzöile überzeugt fei. Er sehe in dieser Vorlage den erften Schritt, um die jeyigen Getreidezölle ganz zu beseitigen. Der Reichskanzler, auf den er sich bezogen habe, ftehe dow au; einem ganz andern Standpunkt. Der Reicbskanzler sei keineêwegs ein Freund des Fceihandels, die Er- mäßigung fei ibm nur ein Mittel, um höhere, andere Zwecke zu erreiden. Es frage fich nur, ob dieser Zweck wirklih erreidt werde. Der Reichtkanzler betrachte diesen Vertrag als ein Mittel zur dauernden Befestigung des Dreibundes. Er wünsSe eine wirtbsaftlide Interefsengemeinscaft herzustellen. Er (Redner) beftreite aber, daß derartige Interessen an fih geeignet seien, in die Volksseele überzugeben Ein fo leiht erregvarcs Volk wie das italienishe möge ja eine derartige Begünstigung auf einige Se dem Dreibund geneigter und von Frankrcich abwendig machen.

m Kriegsfalle aber fei eine solhe Interessengemcinshaft nit mättig genug, um ein Bündniß mit anderen Völkern zu verhindern. Das Interefse des eigenen Staates dürfe dei solwen Verträgen nitt zurückgeseßt werden, und die Koften dieses Bündnisses habe die deutsche Landwirtbsaft zu zahlen. Die Stetigkeit, welhe die zwölfjährige Dauer des Vertrages gewähre, möge für die Jndustrie wünstenöwerth sein. Welche Aussichten aber babe der Landwirth, der h sazen müsse: jett sind deine Zölle erat und sie können alle Tage noh mebr herabgejeßzt werden ! Zollbedürfnifse scien ja für die Industrie sehr wertbvoll, entscheidend bleibe aber die Kavffraft des eigenen Landes. Das Geschäft des Kaufmanns in der Stadt ridte si nah dem Geschäft des Bauern auf dem Lande. Auf dea Gctreidepreis wirkten noch aanz andere Dinge ein, als die Höbe des Zolls: Spekulation, Zwischendandel und dann vor Allem die Ecnte. Die Mißerrten dieses Jahres bätten die hohen Preise bervorgebraXt. England fei auf scixe Industrie. Deut’chland auf die Landwirthschaft angewiesen. Die Landwirtbsck&aft müsse dahin kommen, daf fie allein die Pro- dukte liefere, die im Lande verzehrt würden. Das könne sie aber nur, wenn sie niht nur die Zinsen des Kapitals und dés Inventars aufbringe, sondern au Kapitalien arfammele, om weite Strecken urbar zu machen. Seine politischen Freunde hieiten diese Zölle für durWaus notbwendig, und zwar noch für uzabsehbare Zeit, und dess balb könnten fie der Rezierung zu ihrem Bedauern dieses Opfer nicht bringen.

Staatssekretär Freiherr von Mars hall: , ;

Meine Herren! Jch{ ergreife das Wort, um zunächst die Nichtig- keit der Auffassung des verehrten Herrn Vorredners zu bestätigen, daß die Absihhten der verbündeten Regierungen nit zu beurtheilen find nach den Wünschen und Hoffnungen, die bier im Hause und in der Presse laut werden, sondern ausfch{ließliÞd rach den Vorlagea der verbündeten Regierungen, nach den \{riftlißen und mündliSen Erklärungen, die hier abgegeLen sind. Die Regierungen haben ihre Pflicht erfüllt, wenn sie bei Begründung einer Vorlage den Nahweis erbringen, daß ibr Vorgehen nüßli® und notbwendig ist, Alle die unbegründeten Befür&tungen, die von der einen Seite, ebenso wie die unzutreffenden Hoffnungen und Wün'che, _die von der anderen Seite an die Vorlagen geknüpft werden, müssen die ver- bündeten Regierungen über sich ergehen lassen. Der geehrte Herr Vorredner hat davon gesproßzn und einen bee sonderen Nachdruck darauf gelegt, daß wir in erster Reibe für die Kaufkraft im Inland forgen müssen. JFH babe schon in meiner neulichen Rede dargelegt, daß dies auÿ den Auffafsungea der verbündeten Regierungen entsprihi, Wir baben aber seit zwölf Jahren dur unsere Zollpolitik so viel jur Siterurg des einheimischen Markts gethan, daß wir angesihts des kritishen 1. Februar 1892 doch auch einmal Umsc{au halten dürfen na der Richtung, ob nicht unser Exportinteresse wesentlih Noth leidet, wern wir in den Bahnen

der bisherigen Zollpolitik weiter wandeln.

Rede des Herrn Grafen Kanitz überein von dem Expattinteresse, ih will nit sagen, in einer wc„werfenden Weise gesproßen, aber immerhin lag in seinen Worten ein gewisser Anklang dahin, daß, wer das Exportinteresse besonders hervorhebt, im Gegensatze zu der Schutzzoll- politik steht. Es istja richtig, daß in den siebzigei J1hcen das Exportinter- esse über die Sicherung des einheimischen Marktes gestellt worden ift. In dieser Beziehung hat die Zollvorlage des Jahres 1879 \charf: Kritik geübt, und so hat es sich historisch entwick-lt, taß allmählih Ieder, der vom Exportinteresse sprach, für einen Freibändlcr erklärk, und andererseits als eine Feuerprobe des Schaßz,ells betrachtet wurde, immer nur von der Sicherung des einheimischen Markts zu sprechen. Im Grunde genommen rerdient aber neben der Sicerung des ein- beimishen Markts au das Interesse tes Exports cine Berücksi&htigung. Jh darf mich ia dieser Bezichunz auf eine Autorität berufen, die der Herr Abg. von Kileift-Reßow gewiß niht anfehten wird. Es ist das der Herr Abg. Graf von Mirbach, der im Jahre 1881 in einer Rede über den tamale dem Reichétag vorliegenden deutsch-österrcihisdcen Handelsvertrag erklärie: „Wir holten eine einseitige Schußzollpolitik für unribtig; wir stehen auf dem Stantpankt, daß eine Schntzoll- politik, die nur einen Theil unserer Produktion in Schuß nimmt, ungerehtfertigt if, weil sie eben nicht gerecht ist," Der Export ift doch auch ein Theil der nationalen Arbeit, und au den Export müssen wir \{üten, wenn wir in gerechter Weise vorgehen wollen.

Nun hat der Herr Vorredner von der Stabilität gesprohen und die Behauptung aufgestellt, daß die Stabilität der Getceidezölle von 3,90 K für zwölf Jahre gar nichts nüte, denn es stehe der Regierung frei, auch diese Zölle jeden Tag herabzuseßen. Ich erwidere darauf, daß an dieser Fakultät dur den Handelsvertrag gar nis geändert wird, denn auch bisher war die Möglichkeit vorhanden, die Getreidezólle herabzuseßen; nur insofern tritt eine Aenderung eio, als die Gefahr, daß die Getreidezölle herabgeseßt werden, eine um so geringere ist, je mehr wir bei der Festseßung der Höhe der Getreidezdlle ein

weises ‘Maß halten, Es wird dem geehrten Herrn Vorredner gewiß

Der Herr Vorredner hat und das stimmt ja auch mit der -

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nit entgangen sein, daß die Getreidezölle in der Hôhe von 5 M einen sehr lebhaften Gegensaß in der Bevölkerung hervorgerufen haben, und ih möchte sagen: \o wünschentwerth man diese Getreide- dôlle erabten mag, dieser Gegensah ist nicts Erfreuliches, ist nichts Wünschenswerthes für den Landwir1h. Man \spricht so gern von gewissen- losen Agitationen. Meine Herren, wo Agitationen auftreten und Wurzel faffen, ift es meines Erachtens die Pfliht der Regierung, naczusehen, ob nit irgendwo cin Gcund bereCtigter Unzufriedenheit bestebt, und es ist das sicherste Mittel gegen Agitationen, da, wo eine solche beredtigte Unzufciedenbeit vorhanden, diese zu beseitigen. Und meine Herren, ih fürte, daß, wenn wir hente an den Getreidezöllen von 9 & felbalten und damit das große Werk der Handelsverträge zum Stteitern bringen, dann allerdings die Unzufriedenheit in weiteren Kreisen der Bevölkerung eine gerechbte sein würde und dann erst recht allen Agitátionen Thor und Thür geöffnet sein würde.

Der gechrte Herr Vorredner bat ferner auegeführt, es sei der Vorwurf, den ih dem Herrn Abg. Grafen Kaniß gemacht habe, bei ihm bezinne der S{ußzoll erft mit 5.4, cin ungerechter. Ih habe dem Herrn Grafen Kaniß den Voihalt gemacht, weil er die Denkschrift der verbündeten Regierurgen als liberal - freibändlerisch bezeinete. Die Denkschrift kommt bezüglih der Getreide: ölle zu einem Satze von 3,50 4, es muß also nach Ansicht des Herrn Grafen von Kazniy der Say von 3,50 # Getreidezoll jedenfalls zum Gebiet des Frei- handels gebören. (Heiterkeit) Ja, weine Herren, wenn Jemand im Jahre 1879 kei den damaligen Zollverhantlungen eingetreten wäre für einen Zoll von 3,50 #, ih glaube, der Herr Vorredner mit seinen politishen Freunden würde dann gesagt haben: der Mann übertreibt, dcr Mann wirkt \chädli@. Im Jahre 1885 würde er vielleitt Beifall mit seiner Rede gefunden haben; beute soll ter Zollsap bereits dem Gebiet des Frei- bandils angebören. Wenn da von einer Schwenkung die Rete ift, so scheint die S{wenkung do mehr auf Seite der Herren zu sein, die heute einen Eetreidezoll von 5 & als etwas ganz Unent- behrlides bezeichnen, und diese Schwenkung können die Regierungen niht mitmachen.

Meine Herren, auf die Frage, warum denn die Landwirtbschaft vornebmlih die Opfer tragen muß, kann ih nur erwidern, daß die Satte si dto nibt nur aus diesem Gesichtöwinkel ansehen lasse, wie wirkt die Herabsetzung der Getreidezöle mecanisch auf die Preise der landwirthschaftlih¿n Produkte, daß man vielmehr auch von dem Gesidbtépunkt aus die Frage ansehen muß: welche Folgen hat die Landwirthschaft zu erwarten, wenn die Handels- verträge niht zu Stande kommen, und da bin ih der An- fihht, daß diese Folgen für die Landwirtb\caft sehr bedauerliche sein würden. Ja, meine Herren, man hat geleugnet, daß ein Zoll- krieg mit Oesterreich besteht. Wir sind jedenfalls nahe daran; denn auf jede Zollerhöbung, die wir in den Jahren 1885 und 1887 “haben eintreten lassen, hat Oesterreich mit einer Erböbung derjenigen Zölle geantwortet, die für den deuis%en Export von der größten Wichtigkeit waren. Es ift allein der Export an Fabrikaten von Deutsch! and nah Desterreich seit dem Jahre 1885 zurückgegangen kis 1889 um 39 Millionen Maxk.

Nun, meine Herren, sagt man: ja laßt uns den Zollsaß von

9 Æ, dann hat die Landwirtk. schaft nihts zu befürhten. Aus diesem Ausfpruch ergiebt sich ein großer Mannesmuth, aber eine geringe wirt t: sc{aftlide Voraussitt, Die çcanze Zollpolitik des Jahres 1879 ift, man darf wobl fagen, ein Pakt zwis&ten Lantwirtbschaft und In- dustrie Man erkanrte damals, daß die Interessen beider in dem Sinne giméeinsckaftlich sind, daß die Irduftrie nicht blühen kann, wenn nit die Lantwirthsckast cedeiht, und umgekebrt auch die Land- wüirtbichaft nit gedeihen karn, wenn es nit der Industrie wobl er- gebt Urd nun denken Sie si, daß in Folge des Ablaufs aller Handelt verträge mit dim 1. Februar 1892 ein wesentlicher Rüdckyang in der Jndusirie eingetreten wäre. Glauben Sie denn wirkli®, daß tarn tie Lardwirtbs&aft blüben und gedeiben kann, wenn ein so wesentlidcs Elicd unseres wirtb- shaftliden Körpers nothleidet ? Und glaubt man dern, daß die Lande wirtbsd-aft daraus einen Nutzen ziehen kann, wenn in weiten Kreisen der arbeitenden, nothleidenden Bevölkerung gesagt witd: „Daran ist die Lantwirti schaft s{huld; bâtte sie damals nit an ibrem Zollsat von 9 M fcstgebalten, so würden wir beute ni&t urter dem Ur heil leiden, das über uns gekommen.“? Nun bitte ih Sie do, wenn Sie die Folgen eines Zelikrieces sib klar mahen wollen, die eingehenden Tabellen arzuseben, die wir ibren in ter Beg ündurg ter Vorlage gematht baben ; i bitte Sie inébesontere, die mittlere Kolvmre, rämli tiejenige ins Auge zu fafsen, wo die Zolisäge verzeichnet sind, wellhe der deuiihen Ir.duftrie entgegernfiehen werden, wen diese Handelsvertiäge bis zum 1. Februar 1892 rit zu Stande kcmmen. Wer diese Tabellen aufmerk¡am betrachtet, der wird sich der Ueberzevgurg nickt verschließen können, daß ohne Abs{luß der Handelsverträge wir einen bedeutsamen Rückgang unserer induftri: llen Produktion, unseres Exports zu befürchien baten, und das kann unmögli der Lardwirtk saft zum Nußgzer gereicen.

Der geehrte Herr Vorredner hat tarn von unseren politis {en Verk ä!tnifsen gesproden und hat den Saß, wern au ri&tt auédrüdl:d, so decch tem Sirne nach wiederholt, daß man politiscke Bündnisse nit mit wirthschaftlichen belasten soll. Er bat gesagt und das ist vollkommen zutreffend —, die BVündrifse beruhen dech ni@t au} mirtischaftlichen Verktältnissen, sie beruhen auf politisch:n Verbältniffen. Das ift rihtig und troßdem kalte i den Say, daß man politis@e Bündnisse nickt mit wirthsaftiihen v:rquicken karn, für falsch. Wirtbschaftlihe Verträge der Art, wie sie bier vor- genommen sind, sind gewiß geeignet, einzelne Interessentengruppen zu ver- timmen ; das ift zuzugeben ; aber ih sage auf der anderen Seite : wirth- schaftlihe Kriege zwishen zwei Ländern sind geeignet, nit nur einzelne Interessentengruppen, sondecn die Nationen selbst zu verstimmen und die Nationen unter- einander zu entfremden. Das würde ich im Verhältniß zu unsern Bundesgenossen für ein \{chweres Unglück erahten.

Unsere politishen Bündnisse dienen in crîtec Reihe der Erhal- tung desFriedens, und die Erreichung dieses Zieles wird wesentlich von dem Eindruck abhängen nah außenhin, daß diese Bündnisse feste und unerschütterlihe sind, gegründet auf die Uebereinftimmung der Nation en, und fürwahr, dieser Eindruck muß abgeschwächt werden, wenn wir gegenseitig zum wirtb\{aftlihen Kriege rufen, und wenn in den Parlan.enten zu Nom, Wien, Berlin und Pest die Frage er- wogen wird, nicht wle man den Bundesgenossen nügen, sondern wle man sle bekämpfen, wie man sie wirthschaftlih schädigen

Va,

kann, wie man Handel und Wandel unterbinden kann. Und, meine Herren, ein weiterer Zweck unserer politischen Bündnifiee if es, im Falle der Gefahr feft zusammen zu steben, Schulter an Schulter. Wollen wir gcmeinsam auftreten, so müssen wir urs dur Stärkung Unserer wirthsafilihen Kräfte vorbereiten, und es wäre die \shlechteste Vorbereitung für jene äußerste Stunde, wenn wir jeßt uns einftweilen wirtbs{chaftlich s{wächen wollten.

Ich beschränke mi auf diese Worte ; mir liegt lediglih daran, meinem bocrerehrten Herrn Vorredner dem i von Herzen für \zine freundliden Worte, die er an mi gerihtet hat, danke —, mir liegt lediglih daran, fklarzuftellen, daß bei der \{chließlihen Abstimmung über diese Verträge doch nicht nur Zölle auf Getreide, auf Verschnitt- wein und andere Dinge, sondern auch wichtigere Gesichtspunkte in die Wagsthale fallen. (Bravo! rets.)

Abg. Freiherr von Pfetten: Die Zölle bätten eire Erböbung der Getreidepreise niht herbeigeführt, diese Preise hätten ih vielmehr durchgängig seit 1879 auf der Linie der Produktionskosten bewegt und seien erst seit kurzer Zeit darüber hinau8gegangen. Das widerlege die Bebauptung, daß die Sonate das Brot des armen Mannes vertheuere. Die Le in Ober österrei bewiesez andererseits, daß die hiesigen Preise ohne den Zollshutz weit unter das Niveau der Pro- duktioaskoften heruntergegangen sein würden. In Bayern komme man durch die Erleichterung des auswärtigen Wettbewerbs in Folge der Verträge ganz besonders ins Gedränge, zumal die erleihterte Zufuhr aus dem Nordosten dur die Staffeltarife binzukomme. Vie bayerische Landwi:thshaft und Mühbleninduftrie wünsche drin- gend, daß die Staffeltarife nur vorübergehend seien und Seitens der preußisben Cisenbabnverwaltung auf die bayerischen Verkältnisse die verdiente Rücksiht genommen werde. Er hofe au, daß die Be- stimmung über die Refaktien in Di bei den iatecnationalen Abmachungen erhaltea bleibe. Die Zolikredite seien an sich berechtigt, um den Handel zu erleichtern, aber bei der jeßigen Erleichterung der Einfuhr würden die ZoUkredite nur dazu beitragen, die drohen- den Gefahren niht unerheblich zu vermehren. Aus Oesterreich werde nach Bayern nicht nur Getreide, sondern au Mebl in ver- stärktem Maße eingeführt werden. Die bay-rishe Müblenindustrie habe aber {on bisher nicht rur mit der Mehlzufuhr aus Nord- teuts{land, fondern auch aus Oesterrei zu kämpfen gehabt, und die österrcihishe Zufuhr werde jeßt erhebiid zum Schaden der bayecischen Müblenindustrie zunehmen, Die Realisirung feiner Befürchtungen werde wefentlich von dem Ausfall der Ernte und von den Maß- regeln abhängen, die im Reich und in den Einzelstaaten zur Abwendung der Gefahren für die Landwirthschaft getroffen wücden. Diese Ge- fahren würden die Unternebmurgolust der deutschen Landwirthichaft beeinträhtigen, zumal sie au nit VersZuldung zu kämpfen babe. Beim S{uß der nationalen Acbeit komme allerdings au die In- dustri: in Frage, aber die Zeit sei niht geeignet, um Opfer von der Landwirthschaft zu verlangen. Der Waldbesitz helfe ja úber Schwierigkeiten der Landwirthschaft hinmneg, er sei für die Landwirth- schaft, was für die Industrie der Reservefonds sei. Aber das in den Hol;vorräthen aufgestapelte Reservekapitai sei im Verlauf der Jahre hon in hotem Maße aufgezehrt und nidt mebr genügend, um eine Krisis der Landwirthschaft zu überwinden. Die ZoUpolitik babe außerordentlich segensreich gewirkt und der Landwirthschaft neuen Muth und Unter- nehmungsluft gegeben. bewußt gewesen, habe sie viel an Kapital und Arbeitskraft aufge- wendet, Wenn er troßdem dem Vertrag zustimme und die Mahnung zur Vaterlandsliebe niht mit Nein beantworte, so ge\chehe ed, weil berechtigte Gründe für diese Mahnung gegeben seien, Die Berechti- gung dieser Gründe erkenne er niht nur mit Rückcht auf die äußere E sondern auch auf die gesammte Entwicklung der inneren

irthscaftspolitik an. Er verkenne die großen Gefahren nit, die der 1. Fetruar 1892 der gesammten wirthihaftlihen Lage bringe. Von 1879 ab habe man unter besonters günstigen Umständen Wirth- schaft: politik getrieben, man habe autonom den Zolltarif einführen und außerdem die Meistbegünstigung genießen können. Jett sei eine gemäßigte Scbutzollpolitk am Plage. Er wünsche nur, daß die \chweren Opfer, welche die Landwirthschaft der Mahnung zur Vaterlands- liebe bringe, erkannt und entsprechend gewürdigt würden. Er ver- traue vor Allem darauf, daß die Grundlagen der in den Verträgen Riederçelegten Zollpolitik ohne uvingende Ursachen in den zwölf Jahren niht geändert würden und daß die Landwirthschaft für ihre Opfer Gntsädigungen erhalte, die ibr den wirthschaftlihen Kampf erlcihterten ___ Abg. Wisser: Es gebe in der Landwirtbschaft, namentli im freien kicineren Bauernstand, av Vicle, die anders dächten als die Redner der Konservativen und Centrumépartei. Die Landwirthe würden dur die Handelsverträge vi@t betästiat, und er \sprecbe der Regierung seine volle Anerkennung aus für Das, was sie unter |chwierigen Umstärden erreitt babe; er glaube sogar, daß die österreichische Regie- rung großes Entgegenkommen bewi sen babe, denn der Kocnzoll bilde keine volle Kompeniation für die ermäßigten Industriezöle ; wenn das

ntium für die Erhaltung der jezigen Zôlle eintreten wolle und dabei auf feine Matt hbinweise, fo meine er, daß és bier niht auf Matt ankomme, sondern auf Verständigkeit, und diese gebiete, immer weiter auf Bescitizung der Jaduftriezölle binzuwinken. Erst die Kornzôlle hätten den deutsb&en Lardwirthen den Weltmarkt, auf dem sie sonst gute Absappreise crzielt hätten, entzogen, und }o seien die niedrigen Preise und die scklechtcn Verhältnisse der Landwirtb- saft eingetreten ; da sci dann dcr Anbau so zurück gegangen, daß wan f@ließli keine Mittel babe, das Vieh aufzuzieben, und daber kämen au die so d:aftisd gesilderten niedrigen Preise für Jungvieb. Av in der Wäbrunssfrage ständen die freien Bauern auf einem anderen Stat punkt als die bier gehörten Führer des Centrums und der Kone servatioen;z in der That sinke der Werth des Geldes fortwährend, und es fei dankbar anzuerkennen, daß Hier dur Einführung der Gold- wäbrung ein Damm entgezengeseßt worden sei; die Wizderein- fübrung der Deppelwöhrung würde die Entwerthung {nell forte seßen. Niét dur Veränderung der Währung köine man dem Getreidebau autbelfen, sondern dur Aenderung der Besteuerung des Branntweins in dem Sinre, daß des Getreide der Kartoffel konkurrenzfäbig werde. Die Unzufriedenbeit im Bauerr stande fei aber keine so ticfgehende, wie es dier dargestellt werde. Der Bauer sei weit entfernt boa ciner falshen Sc@ägßung des Lardwertbes zum Zwedcke der Beleidungsfähigkeit. Ec freue si, wenn die Regierung, wie es in der Vorlage gesebe, dem Landwirth die Möglichkeit gebe, sid selbst za beifen, und wenn fie auf der bier betretenen Bahn weiter foctshreite. (Beifall ) . Abg. Lug: Er bewirtbschafte 30 ha und sci ron Leuten gewäblt, die dur@saittlich 9 ba besäßen, sci alio kcin Vertreter des Grofß- grundbesige®s, und feine Wähler hätten eia lebhaftes Interesse an den landwirtbs{aftliSen Zöllen ; er babe eine Petition mit 12 000 Unter- {riften gegen die Herabsegung der Zölle eingereiht, und viele von den Unterscreibern ätten dabei bemerkt, daß sie politish seine An- bten nicht theilten. Die Verbesserung der Transportmittel im Aus- ande habe dem früher zu guten Preisen verkäuflihen Getreide einen so \{weren „Wettbewerb geschaffen, daß ohne Zölle der deutsche Körnerbau bätte zu Grunde geben müssen. Die Freibändler bätten geratben, andere Produkte zu bauen, z. B. sei ganz ernsthaft der Anbau von Brennesseln zu Webereizwecken angeratbhen worden! Jeßt habe sih das Ausland auf einen Zoll von 5 X eingerichtet, die 3,50 M stellten das Ausland also sebr günstig, und darunter litten gerade die kleinen Bauern. Die hohen Getreidepreise seien keine Folge der Zölle, sondern der Migßernte. Jeßt hätten sogar die Brauer ihren Bedarf an Gerste im Auslande gedeck! Sehr beklagenswerth sei, daß Gerberlohe und Baumborke zollfrei sein follten; dadur châdige man im Zee einiger großen Gerbereien die kleinen Landwirthe, die in der sonst verdienstlosen Zeit im Mai aus der Waldwirth\caft einen kleinen Gewinn zögen. Die Herabsezung des Zolls auf Mastvieh und Schweine sei nur ein Geschenk an die ôsterreihishen Zwishenhändler, die Konsumenten würden davon

keinen Nutzen haben und die Produzenten behielten ihre niedrigen

Seit sie si der Fürsorge der Regierung

Man weise auf die politishe Seite der Vertcäge hin, aber au ohre diese Handelsverträge wären die Bundesgenofsen Deutschlands auf das Bündniß ebenso angewiesen wie dieses selbft, darum bâtte man die deutshen Bauern niht zu {ädigen brauen. Er werde gegen die Verträge stimmen.

Staatssekretär Freiherr von Malzahn:

Wenn ih um das Wort gebeten habe, so geschieht es aus Anlaß einer Ausführung, welche der Herr Abg. Freiherr von Pfetten in seiner Rede gematt hat ; denn ih halte es nicht für meine Aufgabe, überall im Einzelnen darzulegen, weshalb die an und für ih un- erwünschten Konzessionen in diesen Verträgen gemacht werden mußten, welche nothwendig waren, um den Absch{luß der Verträge selbst und die Gewinnung der dadur bezweckten“ Vortheile zu erreichen.

Der Herr Abg. Freiberr von Pfetten führte aus, wie durch Ver- änderungen bei den landwirthshaftlihen,- insbesondere bei den Korn- und Mehlzöllen die bayerishe Landwirthshaft und Mühblenindustrie Gefahr laufe, geshädigt zu werden, und er ging dabei insbesondere auch auf die Verbältnifse der Mübhlenindustrie ein, wel(e in Folge der neuen Verträge eine verstärkte Konkurrenz der ungarischen Mübhleninduflrie befürchte. Nun ift allerdings richtig, daß der Zollsaß für Mübhlenfabrikate für die Nr. 259g 2 des Tarifs, in den neuen Verträgen erheblich herabgesetzt ist, nämlich von 10,50 auf 7,30 4; ich möôhie aber doch dem Irrthum begegnen, al3 ob diese ganze Herabseßung eine einseitige Schädigung des Zollshutes der Mühlenindustrie bedeute. Zum weitaus größten Theil ist dieje Herabsetzung des Zolls auf Mühlenfabrikate eine notb- wendige Konsequenz der Herabseßung unserer Kornzölle. Es ist selbst- verständlih unmögli, den Zoll auf Müblenfabrikate in der bisherigen Höhe zu belaffen, wenn man die Kornzölle herabseßt, In einem ganz geringen Betrage aber ist allerdings der S{uy, welhen die deutshe Mühlenindustrie bisher genossen, noch über das Ergebniß eines Regel - de - tri - Exempels , welches bon der Herabsezung der Kornzölle ausgeht, hinaus ermäßigt wetden. Wenn Sie aber die fstatistishen Zahlen über die Einfuhr und Ausfuhr von Mühßlenfabrikaten in Deutschland beahten, so werden Sie, glaube ih, mit dea verbündeten Regierungen bder Meinung sein, daß diese Ermäßigung gerade des Schuzes unserer Mühleninduftcie wohl von derselben ertragen werden kann. Die Auffuhr von Mühlenfabrikgten, der Nummer 25 q 2 unseres Zoll- tarifs aus dem freiea Verkehr Deutshlands hat im Iabre 1890 be- tragen etwa 1 228009 Doppel-Centner, die Gesammteinfubßr der gleihartigen Fabrikate hat nur 159 000 Doppel-Centner betragen und in ähniitem Verhältniß stehen die Ausfuhr- und Einfuhrzahlen der früheren Jahre, sowie die Zahlen der 11 Monate, welhe im laufenden Jahre biéher vergangen \ind. Verschiedene der Herren Vocredner haben, ich möhte auß auf diesen Punkt jet mit einigen Worten eingehen, darauf hingewiesen, daß die Zollverträge einen sehr erheblihen Ausfall an Zolleinnahmen des Reichs zur Folge haben weiden. Zweifellos wird diese Folge in gewissem Umfang ein- treten, zweifellos ist sie vom Standpunkt der Reichs-Finanzverwaltung, welche ich zu vertreten die Ehre habe, unangenehm. Wie ho aber diese Ausfälle si thatsählih belaufen werden, das beute voraus- zusagen, ift keineswegs leiht. Der Herr Reichskanzler hat in seiner einleitenden Rede darauf hingewiesen , daß, wenn man die Einfuhr der lezten Jahre nur qus denjenigen Staaten in Betraht zieht, mit welGen wir Verträge abgeshlossen haben, man eine Summe von 9 Millionen als wahrsceinlihen Ausfall bezeihnen kann, daß dagegen, wenn man die Einfuhr aus den sämmtlichen meistbegünstigten Ländern ins Auge faßt, man auf einen Auéfall von 17 bis 18 Millionen wicd rechnen können. Der Herr Abz. von Massow hat uns heute den wahrscheinlihen Aus- fall auf etwa 36 Millionen beziffert. Alle diese drei Zablen fußen auf derjenigen Verechbnung, welche Ihnen als Anlage III zu Abschnitt Y der Denkschrift vorliegt und welche die Zahlen der thatsählichen Einfubr der leßten diei Jahre 1888, 1889 und 1890 enthält, und ¡war der Einfuhr erstens aus denjenigen Ländern, mit denen wir jeßt Verträge abge- {lossen baben, dann aus den sämmtlichen meistbegünstigten Ländern und drittens der Einfuhr aus dem gesammten Auslande. Nur wenn die sämmtlichen neuen Zollsäge verallgemeinert werden sollten und die Eiafuhr die gleiche bliebe, könnte der Ausfall vielleiht denjenigen Betrag erreichen, den der Herr Abg. von Massow heute als wahr- \{einlih bezeichnet hat. Nun wollen Sie aber bedenken, daß ein Theil der Zollermäßigungen zweifellos zu einer verstärkten Einfuhr führt. Das is allerdings nicht der Fall bei den Getreidezöllen, wohl aber z. B. beim Weinzoll. Wie diese verstärkte Einfuhr si finanziell fühlbar machen, in wie hohem Maße der sonst eintretende Ausfall an Zöllen ih dacurch vermindern wird, das zu s{äßen bin ih heute vollständig außer Stande. Es empfiehlt ih hei dieser Sachlage, die Entscheidung der Frage, ob und in wie weit für diesen uns künftig entgehenden Theil der Zolleinnahmen auf andercn Gebieten ein Ersaß geshaffen werden muß, der Zukunft vor- zubehalten. Wir werden in Jahr und Tag eher in der Lage sein, zu üÜbersehen, wie hoh sh thatsächlich der Ausfall ftellen wird, mit dem wir zu rechnen haben, wir werden aber bis dahin nah Lage der Finanzen denjenigen Ausfall, der im rähstzn Jahre cintreten wird, unschwer überwinden können.

Meine Herren, in dem Etatsentwurf des Jahres 1892/93 sind die Einnahmen an Zöllen angeseßt mit 3394 Millionen Mark in dem Etat des laufenden Jahres waren sie angeseßt mit 314620000 4; es ist das eine Steigerung von fast 25 Millionen Mark. Diese Steigerung ergab sih aus dem Dur{hschnitt der thatsächlihen Ein- naÿmen der leßtvergangenen drei Jahre; die Veranschlagung is genau nah dènselben soliden Grundsäßen erfolgt, welche wir bei Veran- \{chlagung unserer Zollcinnahmen bisher stets beobachtet haben. Und wenn Sie nun beachten, daß wir thatsächlich im Laufe der leizken Jahre immer höhere Einnahmen an Zöllen gehabt haben, als wir veranschlagt hatten, daß ich auch im laufenden Jahre natürlich abgesehen von den Folgen der Handelsverträge, soweit sie h für dieses Jahr etwa noch geltend mahen können einen sehr erheb- lihen Mehrertrag aus den Zöllen voraussagen zu können glaubte, fo werden Sie mit den verbündeten Regierungen der Meinung sein, daß wir über die-Schwiertgkeiten des nähsten Jahres um deswillen leiht fortkommen werden, weil wir bei Veranschlagung dieses Theils unserer Einnahmen, wie früher, mit einer sehr zweckmäßigen Vorsicht verfahren sind und weil es deswegen möglich ist, daß die durch den Minderertrag an Zöllen im Jahre 1892/93 entstehende Mehrbelastung der Bundesstaaten über dasjenige hinaus, was sie nah dem Etat zu

erwarten hatten, niht schr erheblih sein wird.