1911 / 155 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 04 Jul 1911 18:00:01 GMT) scan diff

Bekanntmachung,

betreffend die Karl Haase-Stiftung für die Königliche akademische Hochschule für Musik in Berlin.

Aus der Karl Haase-Stiftung sind den nachstehenden Studierenden der Königlichen akademischen Hochschule für Mußfik für das Etatsjahr 1911 die daneben vermerkten Stipendien verltehen worden :

3 dem Herrn Max Wachsmann 600 #, 2) dem Herrn Bruno Janz 600 , Q dem Herrn Alfred Nichter 600 M, 4) dem Herrn Paul Scholz 600 . Charlottenburg, den 30. Juni 1911. Der ave. Dr. Kretz schmar.

Abgereist: Seine Exzellenz der Staatsminister und Minister für Handel und Gewerbe Dr. Sydow, in dienstlihen Angelegen- heiten nah den Provinzen Ost- und Westpreußen.

Nichfamllicßes. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 4. Juli.

Das Königliche Staatsministerium trat heute zu einer Sißung zusammen.

Die Mitteilung der deutshen Regierung an die Mächte über die Entsendung des Kanonenboots „Panther“ nah Agadir lautete nah der „Norddeutshen Allgemeinen Zeitung“, wie folgt:

Deutsche Firmen, die im Süden Marokkos und besonders in Agadir und Umgegend tätig sind, sind über eine gewisse Gärung unter den dortigen Stämmen beunruhigt, die durch die leßten Ereignisse in anderen Teilen des Landes hervor- gerufen zu sein scheint. Diese Firmen haben sich an die Kaiser- lihe Regierung mit der Bitte um Schuß für Leben und Eigentum gewandt. Auf ihre Bitte hat die Regierung be- chlossen, ein Kriegsschiff} nah dem Hafen von Agadir zu ent- senden, um nötigenfalls den deutschen Untertanen und Schuß- genossen wie auch den beträchtlichen deutschen Jnteressen in jenen Gegenden Hilfe und Schuß zu gewähren. Sobald Ruhe und Ordnung in Marokko wiedergekehrt sein werden, sfoll das mit dieser Aufgabe des Schußes betraute Schiff den Hafen von Agadir verlassen.

Laut Meldung des „W. T. B.“ sind am 1. d. M. S. M. S. ZDAnN A M iam, C. M. S. „Vaterland“ in Hankau und vorgestern S. M. S. „Jaguar“ in Tsingtau, S. M. S. „Lu hs“ in Nagasaki angekommen.

Oefterreich-Ungarn.

Der Reichsrat ist nah einer Meldung des „W. T. B.“ für den 17. Juli einberufen worden.

Großbritannien und Frland.

Im Unterhause stellte gestern der Abgeordnete Byles S die Anfrage, ob eine Vereinbarung zwischen Hroßbritannien und den Vereinigten Staaten er- reiht worden sei, dahingehend, daß jede Streitigkeit, die möglicherweise entstehen könne, einer \chiedsgerichtlichen Behandlung überwiesen werden solle.

Wie „W. T. B.“ meldet, erwiderte der Unterstaats\ekretär des Auswärtigen Amts McKinnon Wood, daß man noch zu keiner folchen Vereinbarung gekommen sei. Die britishe Regierung habe mehrere Amendements zu dem amerikanishen Vertragsentwurf an- geregt, es seien dies aber mehr Aenderungen im Autdruck und in den (Finzelheiten als im Wesentlichen, und sie seien, soweit er es beurteilen könnte, niht geeignet, den Abs{chluß des Abkommens zu gefährden. Gr hoffe, daß die Besprehungen über die Aenderungen bald beendet sein werden.

Darauf nahm das Haus die Beratung der Seeprisenbill wieder auf.

Balfour kritifierte im allgemeinen die Politik, die der Londoner Deklaration zugrunde liegt und erklärte, die Deklaration würde dle britisde Regierung verhindern, ihre Stimme zu ihren Gunsten oder zugunsten anderer Neutraler zu erheben, wenn sie der Meinung wäre, daß rechtsgültige Gesetze der Seekriegsführung verleßt wären. Alle die jeßt vorliegenden Aenderungon begünstigten große Militär- mächte, nicht aber große Seemächte. England sei der Ge- hicklichkeit großer Kontinentalmähte im Verhandeln zum Opfer gefallen. Balfour forderte, daß diese wichtige Frage noch genauer untersuht würde, und {loß mit den Worten: „Wir verlangen nicht, daß die Regierung ihr Werk zerstöre, aber wir ver- langen, daß die Entscheioung aufges{hoben und die Ratifikation ver- weigert wird, bis die Deklaration einer genaueren Prüfung unter worfen ist“ In Erwiderung auf die Nede Balfours führte der Staatssekretär des Auswärtigen Amts Sir Edward Grey aus, daß auch England als neutrale Macht von der Dekla- ration Vorteil habe. So habe es z. B. in bezug auf das Versenken neutraler Schiffe vor einem internationalen Prisen- gerihtehof mit einer Mehrheit von Neutralen viel bessere Chancen als vor einem Gerichtéhofe eines der Kriegführer den. - Gegenüber der Kritik, daß England nur einen Vertreter bei dem Internationalen Prisengericht erhalten solle, wies der Minister darauf hin, daß keine andere Großmachht mehr erhalten solle, und fragte, wie viel Vertreter England denn bei einem Gerih18hof eines der Krieg- führenden haben würde. Sodann besprach Grey ausführlih die Blockadefrage und - erklärte, England habe: hierin ein Abkommen erzielt, das die Möglichkeit einer fremden Einmishung, wenn England einen Krieg führe, vermindere. Wenn England andere Konzessionen gemacht habe, so würden diese bei weitem durch die Annahme des englischen Standpunktes in der Blockadefrage aufgewogen. Wenn England in Kriegszeiten die See frei halten könne für den englishen Handel, so könne es sie auch frei halten von Neutralen. Wenn die englishe Flagge von der See ver- trieben würde, so könne sih England nicht vor der Aushurgerung be- wahren, indem es sh auf die Neutralen verlasse. Wenn man die britis@en Schiffe {ütßen könne, sei es verhältnismäßig un- bedeutend, was der Feind mit den Neutralen tue. Ohne die Deklaration laufe England die Gefahr, daß Nahrungsmittel für unbedingte Konterbande erflärt würden. Die Vereinigten Staaten hätten feine Schwierigkeiten gemacht, die Deklaration und das Prisengerihtsabkommen zu zeihnen, und sie häiten dadurch ein lebbaftes Interesse an der Errichtung eines internationalen Prisengerichtehofes bewiesen; nach ihrer Meinung sci die Annahme

der Deklaration die Bedingung für die Einrichtung und für ein wirk- sames Arbeiten des internationalen Gerichtshofs. Der Glaube, daß die Vereinigten Staaten die Politik des Prisengerihtsabkommens und der Deklaration mit Gleichgültigkeit betrachteten, sei ein sehr gefähr- liher Irrtum, den er beseitigen wolle. Er halte es niht für wahr- \cheinlih, daß England in Kriegszeiten in seinem Vorgehen gegen Kriegführende werde behindert werden. Auch er komme zu der gewöhn- lihen Meinung, daß es in Kriegszeiten keine Negeln geben sollte, die das Vorgehen Englands hemmten, weil diesem schon in alten Zeiten die Seemacht gegen die ganze Welt geholfen hat. Sir Edward Grey führte weiter aus: „Die Verhältnisse haben sih geändert, und der Zwei- oder Drei-Mächtestandard t\t heutzutage kein Weltstandard mehr. Es wird fetner einzelnen Macht mehr möglih sein, einen Weltstandard zu haben. Wir könnten einen fonttnentalen Feind niemals zu unseren ¿ußen ntederzwingen dadur, daß wir uns allein mit der Konterbande befassen. Wenn wir nicht wünschen, als Kriegführende lahmgelegt zu werden, so müssen wir sicher sein, daß fich die Neutralen nicht in das) mischen, was wir als wesentli für etne effektive Blokade an- sehen. | Was in Kreuzer umgewandelte Handelsschiffe anlangt, so tun wir {on jeßt unser Bestes, sie zu zerstören und werden dtes auch fernerhin tun. Wenn wir uns weigern sollten, diefe Abkommen zu ratifizieren, so würde unsere Entscheidung mit der größten Ent- täushung aufgenommen werden und, was die anderen Nationen an- betrifft, so wird die Deklaration troß unserer Ablehnung ein Gesetz bleiben, das sie unter sih zu beobahten wünschen. Wir hegen aber niht den Wunsch, außerhalb eines solchen Abkommens zu stehen. Wir glauben, es würde vollständig gefahrlos sein, ihm beizutreten. Wenn wir die Ueberzeugung hätten, daß eine internationale Gefahr darin liegt, so würden wir uns zurücfziehen. Wir sind aber über- zeugt, daß keine internationale Gefahr mit dem Abkommen verbunden ist. Wenn sich Großbritannien im leßten Moment weigern sollte, die Deklaration zu ratifizieren, so würde eine kontinentale Macht, mit der wir uns zufällig gerade im Kriege befinden könnten, da fe die Ansichten der Vereinigten Staaten kennt und wünschen könnte, die Gefahr einer Friktion mit einer großen Seemacht zu vermeiden, die an unserer Nahrungsmittelzufuhr inter- essiert ist, den Vereinigten Staaten vorschlagen, daß sie beide die Bestimmungen der Deklaration als maßgebend für ihre beiderseitigen Beziehungen ansehen wollten. Wir würden dann in keiner besseren Lage fein, und wenn es an uns gelegen haben sollte, daß die Deklaration nicht ratifiziert worden ist, sogar in einer \{lechteren.*“ Der Premierminister Asquith faßte zum Schluß der Debatte noch einmal die Argumente zugunsten der Deklaration zusammen und sagte dabei, im Falle die Deklaration ratifiziert werden und ein Kriegführender in grober Weise thre Bestim- mungen verleßen sollte, zum Beispiel dadur, daß er für England bestimmte Nahrungsmittel als für eine armierte Basis be- stimmte Nahrungsmittel behandeln sollte, so würden die davon ge- troffenen neutralen Mächte und die Vereinigten Staaten würden wahrsheinlih die einzige in Frage kommende Macht sein nicht im geringsten daran behindert sein, dringende diplomatishe Vorstellungen zu erheben, tro des Bestehens des Prisengerichtshofes. Es sei eine vollständige Verdrehung der Tatsachen, zu behaupten, daß die Ein- seßung etnes Prisengerihtshofes den Wert diplomatischer Vorstellungen aufhebe.

_ Hierauf nahm das Unterhaus die zweite Lesung der See- prisenbill an. Der Antrag der Opposition, die Londoner Deklaration einer Kommission von Sachverständigen zu über- weisen, wurde mit 301 gegen 231 Stimmen abgelehnt. Das Ergebnis der Abstimmung rief heftige Kundgebungen auf den Bänken der Unionisten hervor.

Fraukreich.

Jn der gestrigen Sißzung der Deputiertenkammer beantragte der Abg. Dumenil bei der fortgeseßten Beratung der Wahlreformvorlage folgende Fassung: „Die Mit- glieder der Deputiertenkämmê&r. werden gewählt durch Listen- wahl mit Minderheitsvertretung.“

Nach dem Bericht des „W. T. B." erklärte der Abg. Painlevs, die Fassung sei vor der Sihung durch die vereiniaten Vertreter aller Gruppen der Linken ausgearbeitet worden, die von der Nichtigkeit des Prinzips der Proportionalvertretung durhdrungen seien, wie es durch die voraufgegangenen Abstimmungen gebilligt sei, und die so hofften, die Unterstüßung der größtmögliwen Zahl von Republikanern der Linken zu s My Der Abg. Lemire verlangte Nückverweisung an die Kommission. Millerand bekämpfte die vorgeshlagene Fassung, die geeignet sei, die ganze Proportionalreform wieder in Frage zu stellen, da ihr die Klarheit fehle. Thomson sprach sich für die Fassung aus, während Jaurès fie lebhaft bekämpfte.

Der erste Teil des Amendements Dumenil Die Mit- glieder der Deputiertenkammer werden durch Listenwahl ge- wählt“, wurde mit 5835 gegen 28 Stimmen, der zweite Teil „mit Minoerheitsvertretung“ mit 303 gegen 244 Stimmen an genommen, ebenso das Amendement im ganzen mit 566 gegen 4 Stimmen, nachdem die Kommission sich damit einverstanden erklärt hatte, da es nah Angabe seiner Urheber das Pro-

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portionalprinzip enthalte. Darauf wurde die Sizung geschlo\}sen.

Portugal,

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Jn der Konstituierenden Versammlung verlas gestern Magelhaes Lima im Namen der Kommission den Verfassungs8entwurf. Laut Meldung des „W. T. B.“ sieht der Entwurf drei Gewalten vor: die geseßgebende, die ausführende und die rihterlihe. Die erste Kammer wird durch direkte Wahl auf drei Jahre gewählt und Nationalrat heißen. Die zweite, der Rat der Vertreter der Ge meinden, wird zur Hälfte alle drei Jahre zu erneuern sein. Beide Kammern werden vereinigt den Kongreß bilden. Det Präsident der Nepublik wird von beiden Kammern auf vier Jahre gewählt. Er ernennt und beruft die Minister ab, die dur Botschaften auf alle Fragen antworten müssen, die aus dem Parlamente an sie gerichtet werden. Sie sind verpflichtet, vor den parlamentarischen Kommissionen zu er scheinen. Der Präsident und die Minister sind verantwortlich und ftönnen vor einen Gerichtshof der Republik gezogen werden, der von dem obersten Gerichtshof und aus einer Jury von 22 Mitgliedern gebildet wird, die durch Wahl aus den beiden Kammern hervorgehen. Alle konstitutionellen Garantien für die Entrichtung der Steuern, den Zusammentritt der Kammern, die Wahlen und die indivi duellen Rechte sind in der Verfassung festgelegt. Der Ver fassungsentwurf bestimmt ferner, daß der erste Präsident der Republik durch die Konstituierende Versammlung am Lage nach dem Jnkrafttreten der Verfassung in geheimer Abstimmung gewählt werden, und daß sein Mandat am 15. Oktober 1915 ablaufen soll.

Türkei.

Wie die Konstantinopler Blätter melden, haben sih wieder einige Malissoren unterworfen. Torghut Schewket ist be- auftragt, den heimkehrenden Malissoren alle Erleichterungen zu gewähren und sie gegen jeden Angriff der Aufständischen zu \chüßen.

Amerika.

Wie „W. T. B.“ meldet, ist nah Blättermeldungen und Telegrammen Paraguay eine Vershwörung entdeckt worden. Der Präsident Jara hat die teilweise Auflösung des

Kongresses dekretiert. Mehrere Senatoren, Deputierte und Be- amte sind festgenommen worden; die Minister des Jnnern und des Aeußern haben ihre Entlassung gegeben. Jn Assumption ist der Belagerungszustand auf drei Monate erklärt worden.

Afrika.

Wie der „Agence Havas“ aus Marrakesch unter dem 27. Juni berichtet wird, habe der frühere Kaid Abdallagh die Stadt Demnat geplündert, wobei mehrere Personen verwundet und getötet worden seien. Ebenso sei die Stadt Tamelletet durch die Stämme Rehamna und Shraghna geplündert worden. Jn Marrakesch wird eine Mahalla gegen Abdallagh gebildet.

Die Spanier haben, einer von „W.T. B.“ verbreiteten Meldung aus Melilla zufolge, neue Positionen eingenommen und sind in das Gebiet der Beni Sibel eingerückt.

Nr. 37des „Zentralblatts fürdas Deutsche Ne ich“, heraus- gegeben im Reichsamt des Innern, voin 30. Juni, hat folgenden Inhalt: l) Konsulatwesen: Bestellung, Ermächtigung zur Vornahme von Zivilstandshandlungen, Crequaturerteilung. 2) Post- und Telegraphen- wesen : Abänderung der Anwetsung für den Funkentelegraphendienst. 3) Statistik: Aenderungen des Verzeichnisses der Massengüter und des Statistishen Warenverzeichnisses. 4) Zoll- und Steuerwesen: Zu- lassung eines zollfreien Veredelungsverkehrs mit ausländischen halb- seidenen Geweben ; desgl. mit ausländishen Türdrückern aus poliertem Messing; Negelung der Uebergangösteuerfrage für die deutshen Brau- steuergebiete; Veränderungen in dem Stande und den Geschäftsbezirken der Erbschaftssteuerämter und Oberbehörden; Veränderungen in dem Stande und den Befugnissen der Zoll- und Steuerstellen; Nachträge und Berichtigungen zum Neudruck des Aemterverzelchnisses. 9) Polizeiwesen : Ausweisung von Ausländern aus dem NReichsgebiete.

Statistik und Volkswirtschaft.

Das Frauenstudium an den deutschen Universitäten im Sommer 1911.

__Es war vorauszusehen, daß die im Herbst 1908 erfolgte Zu- lassung der Frauen zur Jmatrikulation an allen deutschen Univer- sitäten auf die Stellung des weiblihen Geschlechts zum afkade mischen Studium und die Entwicklung der darauf gerichteten Be- wegung von entsheidendem Einfluß sein mußte. Von Semester zu Semester {chwillt denn auch die Zahl der studierenden Damen an; sie beträgt derzeit 2552 gegen 1432 im Sommer 1909 ; innerhalb zwei Jahren also eine Aufwärtsentwicklung, die mit aller Bestimmtheit erwarten läßt, daß der Höchststand noh nit erreiht ist. Der ver- hältnismäßige Anteil der Frau am deutschen Universitätsstudium ist in diesem Semester auf 4,4 vom Hundert der Gesamtstudentenzahl gestiegen. Die große Mehrzahl der Studentinnen, nämlich etwa 2100—2200 von 25952, ift reich8angehörig und davon stammen etwa zwet Drittel aus Preußen, das demnach am Frauenstudium verhältnis- mäßig sehr stark beteiligt ist. Aus Bayern ist der Zugang an Studentinnen relativ gering, wogegen Hamburg ganz beträchtlichen Anteil hat. Die Ausländerinnen stammen überwiegend aus Nußland, aber auch Nordamerika und Oesterreih-Ungarn sind stark vertreten.

Bei der Verteilung der Studentinnen auf die ver- schiedenen Fakultäten und Studtenfächer zeigt sih mit jedem Semester die steigende Vorliebe der Frau für die Fächer der philosophischen Fakultät im engeren Sinn, also für Philosophie und Geschichte. Zurzeit studieren Philosophie, Philologie und Geschichte 1438 Frauen gegen 1217 im Vorjahr, Mathematik und Naturwissenschaften 423 gegen 313, Medizin 549 gegen 512, Staatswissenschaften und Landwirtschaft 56 gegen 55, Nechtswissenschaft 42 gegen 26, Zahnheilkunde 31 gegen 38, Pharmazie 7 gegen 4 und evangelische Theologie 6 gegen 4.

Hinsichtlich des Ortes des Studiums der Frau ergibt \sih eine starke Bevorzugung der preußischen Universitäten und insbesondere der Hochschule der Neichshauptstadt. An 10 preußischen Universitäten find 1736 Stüudentinnen eingeschrieben, an den drei bayerischen 238, an den zwei badishen 313 und an den übrigen sechs einzelstaatlichen, einshließlich Straßburg, nur 265. Im einzelnen ergeben ih folgende Besuchêeziffern : Berlin 695, Bonn 250, Göttingen 203, München 198, Heidelberg 158, Freiburg 155, Breslau 129, Münster 107, Köntgs- berg 91, Marburg 83, Leipzig 81, Greifswald 78, Jena 69, Kiel 51, Halle 49, Tübingen 42, Straßburg 34, Gießen 33, Erlangen 28, Würzburg 12, Rosto 6.

Die Zahl der an den Universitäten des Neichs als Hörerinnen zugelassenen Frauen beträgt diefen Sommer 1212, sodaß derzeit ins- gesamt 3664 Frauen am deutschen Universitätsunterricht teilnehmen gegen 3395 im Vorjahr.

Zur Arbeiterbewegung.

Die Bauunternehmer in mehreren Orten der Umgegend von Andernach haben, wie die „Köln. Ztg.“ ber'{chtet, mit den Ar - beitern, die dem Zentralverbande chri\tl{er Bauarbeiter angehören, einen Vertrag abgeschlossen, wonach vom 1. September an die Maurer bei zebnstündiger Aibeitszeit 46 „, die Bauhilfsarbeiter 38 4 er- halten. Vem 1. April n. J. ab steigt der Lohn auf 48 und 40 4.

Der Ausstand der englischen Seeleute ist na den leßten Nachrichten des „W. T. B.“ so gut wie beendet. Eine VBer- sammlung der nationalen Transportarbeitervereinigung nahm eine Nesolution an, in der der Erckutivaus\{huß angewiesen wird, die Einladung der Schiffahrtékammer anzunehmen, mit ihr über die Beilegung des gegenwärtigen Streites in der Schiffahrteindustrie zu beraten. In Grimsby haben die Hafenarbeiter, da ibre Forderungen bewilligt wurden, die Arbeit gestern vormittag 9 Uhr wieder aufgenommen. Auch in Hull und in Liverpool ist der Ausstand beendet. Bei den metsten Dampfergesellschaften haben die Ausständigen die Arbeit wieder aufgenommen.

Die französische Negierung hat den Präfekten Weisung erteilt, keinerlei gewalttätige Kundgebung en gegen das neue, gestern in Kraft ge:retene Arbeiterpensionsgeseß zu dulden. In Troyes fanden gestern troß der getroffenen Maßnahmen lärmende Straßenkundgebungen gegen das Gesetz slatt, sodaß Truppen und Gendarmerie einschreiten mußten. Diese gaben, weil sie mit Steinen beworfen wurden, wiederholt Schüsse ab. Mehrere Sol- daten wurden verwundet und 35 Nuhbestörer verhaftet.

Aus Bordeaux wird dem „W. T. B.* telegraphiert: An zweitausend Winzer des Girondedepartements hielten eine Versammlung ab, in der mchrere Redner mit heftigen Worten gegen tas geplante Gese über die Abschaffung der Abgrenzungen Einspruch erhoben. Schließlih wurde eine Resolution angenommen, in der die Winzer verlangen, die Abgrenzung des Bordeauxweingebiets solle aufrechterhalten werden, sonst würden ihre Gemeindevertretungen ihre Tätigkeit einstellen und sie selbst die Steuern verweigern. Nach der Versammlung reichten twa fünfzig Bürgerweister ihre Ent- lassung ein.

In Rotterdam traten gestern, ,W. T. B.* zufolae, die Hafenarbeiter in den Ausstand. Sie weigerten si, die Ladung des nah Amsterdam bestimmten Dampfers „Ixion“ zu löschen.

Zahlreihe Ausstände werden der „Frkf. Ztg." aus Mexiko gemeldet. So sind 4000 Angestellte der Penoles Mining C ompany ausständig. auch die Arbeiter einiger Guggenheimschen Unternehmungen sind in eine Lohnbewegung eingetreten und ebenso die Straßenbahner in der Stadt Mexiko.

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Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs- maßregeln.

Das Kaiserliche Gesundheitsamt meldet den Ausbruch und das Erlöschen n Maul- und Klauenseuche vom Schlachtviehhof zu Dresden am 1. Juli 1911.

Rußland.

Im russishen Regierungsanzeiger vom 9./22. Junt d. I., Nr. 123, ist folgende Bekanntmachung der Kommission zur Bekämpfung der Pestgefahr veröffentlicht : | S

Die Allerhö(hst eingeseßte Kommission hat durch Journal vom 4. Zuni d. J. beshlossen: 1) für die cholerainfizierten forote aus pestverseuhten Häfen kommenden Schiffe, welche sih nah den russishen Häfen des Baltishen Mee1es begeben, elne ärztliche Beobachtungsstation in Windau zu eröffnen; 2) für die nah St. Petersburg und Kronstadt bestimmten Schiffe, welche a. cholera- infiziert find und b. aus pestverseuhten Häfen kommen, einen temporären ärztlihen Beobachtungspunkt in Kronstadt für die Dauer der Navigation zu errichten.

Türkei.

Der internationale Gesundheitsrat in Konstantinopel hat verfügt, daß die von Alexandrien und Port Saïd eintreffenden Schiffe im ersten türkishen Hafen, wo sih ein Sanitätsarzt be- findet, nach günstig verlaufener ärztlicher Untersuchung zum freien Verkehr zuzulassen sind, sofern in den Gesundheitspässen der Schiffe bescheinigt ist, daß sie die für derartige Herkünfte in der Türkei angeordneten Quarantänemaßnahmen im Lazarett von Saint Georges (Griechenland) erfüllt haben. i

Das unterm 22. Juni d. J. (vergl. „R.-Anz.“ vom 30. v. M., Nr. 152) erlassene Verbot der Einfuhr gewisser Gegen- stände aus Ländern, in denen Cholera, Pest ‘oder Gelbfieber herrscht,

ist bis auf weiteres außer Anwendung gese {k.

St. Petersburg, 4. Juli. (W. T. B.) Chinesische Blätter melden, daß in Mukden die Cholera ausgebrochen ift.

Nikolajewsk, 3. Juli. (W. T. B.) Hier wurde ein C holera- fall bakteriologisch festgestellt.

Verdingungen.

(Die näheren Angaben über Verdingungen, die beim „Reichs- und Staats- anzeiger“ ausliegen, können in den Wochentagen in dessen Expedition während der Diensistunden von 9 bis 3 Uhr eingesehen werden.) O esterreih-Ungarn.

15. Juli 1911, 12 Uhr. K. K. Staatsdbahndirektion in Lem- berg: Vergebung von Bauarbeiten beim Umbau eines Teils des hölzernen Magazins auf der Eisenbahnstation in Jaroslau. Die Baukosten betragen ungefähr 34 800 Kronen. Näheres bei der ge- nannten Direktion.

Nnßland.

Stadtamt (Gorodskaja Uprawa) in Ss\ysran: Vergebung des Baues ‘eines elektrisWen Tramways und eines elektrishen Beleuch- tungsneßes. Angebote für beide Arbeiten oder nur für das Beleuch- tungsneß bis zum 14. Oktober 1911 an die genannte Behörde.

Belgien. (Lastenhefte können, wenn nichts anderes vermerkt, vom Bureau des adjudications in Brüßel, Rue des Augustins 15, bezogen werden.)

12, -SUU 19011 11 Ubr. Doe Drtel: Lieferung. voni 9150 Stromsammlern, 4090 Streifen aus Hartgummi, 300 Telephon- gabeln, 2900 verschiedenen Klingelanlagen usw. für die Telegraphen- verwaltung. Sicherheitsleistung 4400 Frs. Speziallastenheft Nr. 1132.

13. Fult 1911, 11 Ubr. FHôtel Communal in Srelles- Brüssel: LUeferung und Einrihtung von 2 Kühlanlagen für die neue Elektrizitätszentrale. Bedingungen vom Stadtsekretariat.

26. Juli 1911, 1 Vhr, Börse in Brüssel: Holzlieferung für die Staatsbahnen: 152 ¿ebm Mahagoni, 521 cbm canadishe Pappel, 15 cbm Weißbuche (in Stämmen von wenigstens 25 ecm Durchmesser und 3 m Länge), 126 obm Esche, 171 cbm Buche, 6 ebm Nußbaum, 693 cbm Ulme, 196 cbm Teafkhbolz, 8 cbm Linde (bei Posten über 10 cbm ift ein Unterschied von F cbm, bei denen unter 10 cbm von

ebm zuläsfig). 10 Lose. Anzuliefern an verschiedenen Stationen. Speztallaflenheft Nr. 623.

31. Juli 1911, 11 Uhr. Antwerpen, Station ‘Centrale: Lieferung von 116 100 Pflasterste-nen, genannt „recoupins façonnés“ aus Porphyr, auf der Station Caprycke. 7550 Frs., Sicherheits- leistung 800 Frs., Speziallastenheft 163 kostenfrei. Eingeschriebene Angebote zum 27. Juli

1. August 1911, 11 Uhr. Uôtel des Ueferung von 256 000 ke Kleinkohlen und 3800 h1 ungewaschenem Koks für die Zollbehörden in Antwerpen und Lillo. Sicherheits- leistungen 700 und 300 Frs. Eingeschriebene Angebote zum 30. Juli.

2. August 1911, 12 Uhr. Börse in Brüssel: Lieferung von halbrunden Schwellen aus Holz der weißen Eiche oder Buche mit weißem Kern für 1912: 150 000 Stück, für 1913: 250 000 Stüdck; ebensolhes Holz in Stücken verschiedener Größe für 1912: 56 105 Stücke in 245 Partien, für 1913: 13969 Stücke in 61 Partien. Sicherheitsleistung 0,25 Frcs. für jede Schwelle und 200 Fres. für jede Partie. Spezialavis Nr. 191. Eingeschriebene Angebote zum 20, U,

Demnächst. Börse in Brüssel: Bedarf der Staatsbahn. Lieferung von Artikeln zur Gaébeleuhtung der Züge. 10 Lofe.

Demnächst. Ebenda: Lieferung von Erfatzstücken für Westing housebremsen der Staatsbahnen. 6 Lose.

Serbien.

Direktion der Königlich ferbishen Staatsbahnen in Belgrad. 16./29. Juli 1911: Schriftlihe Verdingung behufs Lieferung von 10 000 ke Zinn in Stücken. Kaution 8000 Dinar. Jede Offerte muß versiegelt und mit der Ueberschrift: „Offerte für die Lieferung von Zinn unter Nr. 22 181/199“ versehen fein.

Ebendort. 16./29. Juli 1911: Schrifilihe Verdingung behufs Lieferung von S{hlosser- und Klempnerwerkzeug. Kaution 500 Dinar. Jede Offerte muß versiegelt und mit der Ueberschrift: „Offerte für die Lieferung von Schlosser- und Klempnerwerkzeug unter Nr. 22581/911“ versehen sein.

Ebendort.

Douanes in Antwerpen:

Verdingung behufs Lieferung von Eisenkonstruktion für Brückenbau im Gewichte

15,/28. Juli 1911: Schriftliche

von 1500 t. Bedingungen bei genannter Direktion. ‘Kaution 102 000 Dinar.

Nechnungsabteilung des Königlich serbischen Bauministeriums in Belgrad. 23./6. Juli 1911: Schriftliche Verdingung behufs Baues einer neuen Burg. Kostenvoranshlag 490 777,599 Dinar. Kaution 49 000 Dinar. Bedingungen in der Nechnungsabteilung des genannten Ministeriums.

Nechnungsabteilung des Ministeriums des Innern in Belgrad. 11./24. Fuli 1911: Schriftlihe Verdingung behufs Einkaufs von Schreibmaschinenpapier für System „Smith Premier“ Nr. 10 und für die Vervielfältigungsapparate System „Greif“ für alle polizei lien Kanzleien im Lande. Bedingungen in der Kanzlei des ge- nannten Min.steriums. Kaution 2000 Dinar.

Aegypten.

Nationaldruckerei in Kairo. 2. September 1911, Mittags 12 Uhr: Vergebung der Lieferung von Papier. Lastenheft in englischer und französisher Sprahe sowie Muster beim „Reichsanzeiger“ und im Bureau der „Nachrichten für Handel und Industrie“, Berlin W., Wilhelmstraße 74.

Verwaltung für öffentlihe Hygiene in Kairo. 27. September 1911: Vergebung der Ueferuug von Chemikalien, Drogen, Gefäßen u. a. Lastenheft in französisher Sprache beim „Nethsanzeiger“ und im Bureau der „Nachrichten für Handel und Industrie" Berlin W., Wilhelmstraße 74.

Dheater und Musik.

Komische Oper.

Auch in die Komische Oper ist für die Sommermonate ein neues Ensemble eingezogen, das unter der Direktion von Heinz Gordon seit Sonnabend die Operette , Der verbotene Kuß“ (Text von Joseph Pasztor und Rudolf Schanzer), Musik von Stgmund Vincze aufführt. Viel ist über die Handlung und Musik dieses leihtwiegenden Stückleins nicht zu sagen; erstere bewegt sich auf dem Gebiete des blühenden Unsinns, leßtere variiert nur die Einfälle von Operetten- komponisten, die hon vor Vincze das Feld behaupteten. Das Ganze ist aber, von der Sentimentalität abgesehen, die bei einigen Nummern nur peinlich berührt, immerhin lustig genug, um für einen Abend zu unterhalten. Aus dem Inhalt sei nur )oviel verraten, daß das in einem märchenhaften Donaustaat geseßlich erlassene Kußverbot troß Wachsamkeit der Obrigkeit umgangen und \{chließlich als un- haltbar abgeschafft wird. Daß die Vorgänge weder auf Wahrschein- lihkeit noch Folgerichtigkeit irgend welhen Anspru erheben können, versteht |ch von selbst. Der lustigste Aft is der dritte, während die beiden vorhergehenden am meisten unter dem oben angedeuteten Fehler zu leiden haben; immerhin weisen au sie gefällige Gesangs- nummern auf. Um die Erstaufführung am Sonnabend machten #ich besonders die Damen von Cwiklinska und Hegner, die Herren von Ahn, Busch, Köppel und Marlow verdient. Einen besonderen Erfolg erzielte Nalph Arthur Roberts vom Thaliatheater in Hamburg als grotesker Justizminister sowohl im Coupletvortrag, wie als gelenkiger Tanzkünstler. So dürften denn das lustige Werk und die flotte Auf- führung auf guten Besuch rechnen können.

In der morgen in der Hagin-ODper im Neuen König- lihen Operntheater stattfindenden Aufführung von „Siegfried“ seßt die Kammersängerin Alice Guszalewicz als Brünnhilde ihr Gast- spiel fort. Die Titelpartie singt Herr Trostorff, den Mime Herr Koß, den Wanderer der Hofopernsänger Kronen, die Erda Fräulein Bengell, den Alberich der Kammersänger Zador, den Fafner Herr Stern und den Waldvogel Fräulein Schmidt. Die musikalische Leitung hat der Kapellmeister Dr. Praetorius, Leiter der Aufführung ist der Oberregisseur Sattler. Die Vorstellung beginnt um 7 Uhr.

Paula Reimann hat ihren Vertrag mit dem Königlichen Schauspielhause gelöst und ist auf eine Reihe von Jahren von Mar Reinhardt für das Deutsche Theater und die Kammerspiele ver- pflihtet worden.

Im Friedrih-Wilhelmstädtischen Schau} pitielhause be- ginnt am Sonnabend die Sommerspielzeit mit der Uraufführung der romantischen Operette „Badines Entführung“ von Albert Nack, Musik von Filomeno de Cristoforo.

Mannigfaltiges.

Berlin, 4 Juli 1911.

íúIn der gestrigen außerordentlihen Sißung der Stadt- verordneten, zugleih der legten vor den Sommerferien, stand zu- nächst der Beriht des Stadtv. Jacobi namens des vorberatenden Ausschusses über die Vorlage, betreffend den Abschluß von Ver- trägen mit der Großen Berliner Straßenbahn, der West- lihen, Südlichen und Nordöstlihen Berliner Vorortbahn und der Berlin-Charlottenburger Straßenbahn auf der Tagesordnung. Der Aus\{chuß empfahl, den Magistrat zum Abschluß der Ver- träge zn ermächtigen. Nach kurzer Debatte erklärte sich bei der Ab- stimmung die Versammlung mit großer Mehrheit mit dem Abschluß der Verträge, die en bloc angenommen wurden, einverstanden. Im weiteren Verlauf der Sitzung stellten die Stadtvv. Mommsen und Genossen den Antrag, die Versammlung zu ersuchen, angesihts der bevorstehenden geseßlißen Zulassung der fakultativen Feuerbestattung unverzüglich die erforder- lien Einrichtungen zu treffen, um dem zu erwartenden Be- dürfnis baldmöglichst zu genügen. Der Antrag wurde einstimmig angenommen. Cine längere Debatte entspann sich bei dem wieder- holten Antrag des Magistrats, den Mitgliedern des Internatio- nalen Hotelbesißzerkongresses einen Empfang im Rat- hause zu bereiten und dafür 10000 4 zur Verfügung zu stellen. Der Antrag wurde {ließli} ebenfalls angenommen. Die Stadtvv. Dr. Arons und Genossen hatten folgenden dring- lichen Antrag eingebracht: „Die Stadtverordnetenversammlung protestiert aufs \{chärfste gegen die cine allgemeine Gefährdung der Berliner Bevölkerung darstellende Verfügung des Polizeipräsidenten wegen der Erleichterung im Gebrauch der Schußwaffen der Schußmannschaft. Sie ersucht den Magistrat, unverzüglich alle Schritte zu tun, die zur fofortigen Aufhebung dieser Verfügung führen fönnen.“ Der Antrag wurde auf Vorschlag . des Stadtv. Cassel einem Aus\huß zur Vorberatung überwiesen. Ein zweiter dringlicher Antrag der Stadtvv. Dr, Arons und Gen., der dahin ging, möglichst bald mit dem Fiskus in Verhandlung zu treten wegen Veberlafsung des Restes des Exerzierplaßes an der Schön- hauser Allee wurde abgelehnt. Auf die öffentliche folgte cine geheime Sitzung.

A. F. „Helgoland im Wechsel der Zeit" heißt der szenische Vortrag, der am letzten Freitagabend in der „Urania“, Taubenstraße, feine Erstaufführung erfuhr und wohl zunächst auf der Tagesordnung bleiben wird. Denn der Beifall, den diese Darbietung fand, war fo allgemein und #o wohlverdient, daß s\sich mit einiger Sicherheit dafür auf längere Zeit volle Häuser vorausf\ehen lassen. Der erfte Eindruck, den die Ankündigung hervorgerufen haben mag, war bei vielen gewiß für einen Augenblick der des Be- fremdens, wie eine fleine Insel von kaum #4 Quadratkilometern Flächeninhalt und mit faum 3000 Einwohnern Unter- haltungs\toff für einen ganzen Abend hergeben könne. Aber dies Helgoland ist in der Tat nach den verschiedensten Richtungen ein so hervorragend interessanter Punkt, und dünkt dem Volksempfinden als ein Wachtposten vor den Mündungen von Weser, Elbe und Eider so bedeutsam, daß es kaum noch der Unterstüßung durch die Erinne- rung bedarf, wie das Eiland als die jüngste Erwerbung deutschen LUndes durch das Reich gewissermaßen als das Baby in der deutschen Familie anzusprechen ist, um es jedweder und jedwedem wünfhens- wert erscheinen zu lassen, sih recht eingehend von Helgoland erzählen und von ihm Bilder vorführen zu lassen. Das vermittelt die Aufführung aus den besten und zuverlässigsten Quellen; denn der Verfasser Medizinalrat Dr. E. Lindemann, der sih auch bei der Erstaufführung der Mühe des Vortrages unterzog, ist eine Reihe von Jahren, noch zur britischen Zeit, in Helgoland beimish und als Arzt tätig gewesen, und der Urheber sämtlicher photographishen Aufnahmen, der älteren wie der neuesten, Hofphotograph E. Schinsky, ist ein alter Helgo länder und hat rechtzeitig, bald nahdem die Photographie in die Erscheinung getreten, daran gedacht, die Heimatinsel vielfach zu photographieren. Auch diese älteren, sehr selten gewordenen Bilder, die eine Reihe von Jahrzehnten zurückliegen, haben somit für den Vor- trag zur Verfügung gestanden, ihre künstlerisWe Ausführung als farbige Bilder ijt jedoch das Verdienst des durch die Feinheit und Sicherheit seiner Farbengebung den Besuchern der „Urania“ auf das vorteilhafteste bekannten Herrn W. Kranz. Der Verfasser hat seinen Vortrags\toff in zwei Abschnitte zerlegt: Teil T berihtet von der Ver- gangenheit der Insel bis zur deutschen Besigergreifung, Teil 11 von Helgoland in deutscher Zeit. Von der Vorzeit der Insel bis zum Sahre 1000 unserer Zeitrechnung, wo sie in das Licht der Geschichte tritt, weiß man sehr wenig. Bewohnt is Helgoland {hon zur Steinzeit gewesen, wie Funde von Steingeräten und -Werkzeugen be- weisen, die im Bilde vorgeführt wurden Ob damals noch Landver- bindung mit dem Festlande bestand, ift fraglih; aber unfraglich scheint, daß die Ausdehnung der Insel einst und in historisher Zeit noch viel beträchtlicher war als heute. Es existiert eine Karte aus dem 13. Jahr- hundert mit vielen eingezeihneten Ortsnamen, welhe im 8. Jahr- hundert Helgoland noch etwa 5 bis 6 mal so groß zeigt als beute. Diese Karte hält der Vortragende für sagenhaft; aber die allmähliche Verkleinerung durch Abbröckelung und Zerklüftung ist Tatsache.

Ueber die Ursachen, die unaufhörlihe Zerstörungstätigkeit von Wind ‘und Negen, verbreitete sch der Redner ausführliß und erörterte hierbei den geologishen Charakter der Felseninsel, die im wesentlichen aus geschihtetem, im Durchschnitt bänderartig erscheinendem, roten Sandstein der Tertiärzeit besteht, welher grauen Zechstein überlagert.. Für die Verkleinerung der Insel im Laufe des vorigen Jahr- hunderts wurde ein Dokument von unwiderlegliher Beweiskraft vor- geführt: Eine genaue Aufnahme der Insel vom Jahre 1845, über die eine Aufnahme von 1889 gezeihnet war. Es zeigten fh Abbröckelungen, wenn auch nicht fehr belangreiche, an den Rändern, namentlich an der dem Anprall der Brandung viel mehr ausgeseßten Westküste. ODestlich der Felseninsel vorgelagert, von ibr etwa 2 km entfernt, liegt eine Sanddüne von 2200 m Unge und 320 m Breite, 6 m hoch, während die Insel bis 53 m über die Meeresfläche aufsteigt. Diese Düne hing bis 1720 mit dem Ostrande der Insel dur einen Landstreifen, ursprünglich wohl einen Steinwall, zusammen. Seitdem is flahes Meer von etwas mehr als 2 m Tiefe zwischen beiden. Auch die Düne ist bis in die Neuzeit in langsamer Abnahme begriffen gewesen. Seit dem 11. Jahrhundert bestehen Aufzeihnungen über Helgoland, gelegentlich find auch von harafterislishen Stellen der Küste Zelhnungen entworfen worden, die zum Teil für wesentliche, seitdem durch Einstürze eingetretene Aenderungen Zeugnis ablegen ; aber dies Zerstörungs8werk ist langsam und keineswegs unaufhaltsam. Von den früheren Besißern ist wenig in dieser Nichtung geshehen. Bis 1774 gehörte die Insel den Her- zögen von Schleswig-Gottorp, von da bis 1807 zu Dänemark, von 1807 ab und seit 1815 durch den Wiener Kongreß bestätigt, zu England, feit 9. August 1890 is Helgoland Bestandteil des Deutschen Reichs. Seebad is Helgoland bezw. seine Düne erst seit 1826. Da es fask aus\{chließlich Deutsche waren, die in steigender Zahl alljährlich das Seebad benußten, datiert von dieser Zeit ab ein engerer Anschluß der dem friesishen Volksstamm angehörigen Helgoländer an deutsches Wesen und die Gewöhnung an den Gedanken einer staatlihen Ver- einigung mit dem Reih. Wie es in der zweiten Hälfte des Iahr- hunderts in Helgoland aus\ah, ergeben die Bilder aus dieser Zeit : das Unterland, das Oberland, die verbindende Treppe, die Hauptstraße, „Falm“ genannt, Fischerstraßen und Häuser, Kirche und Kirchhof, der alte und der neue Leuhtturm. Der Vortrag verbreitete sich dann noch über Herkunft, Charakter, Sitten und Gebräuche der Helgoländer und Helgoländerinnen, zeigte eine Anzahl treffliher Typen beider, ihre alten Trachten, und führte sie \{ließlich in thren " Haupt- beschäftigungen vor: dem durch Verarmung der Nordsee an Fischen immer unergtebigeren Fischfang, dem lohnenden Hummerfang und dem Lotsenwesen. Das leitete über zu dem Rettung8wesen und der den Rettungsmannschaften obliegenden {weren Pflichten, zur Rettung gestrandeter Schiffe und deren Besaßung das äußerste. zu tun. Bilder von der furchtbaren Brandung, die zuweilen auftritt, gaben den Schluß dieses ersten Vortragsteiles.

Dem zweiten Teil des Vortrags, den in deutscher Zeit aus- geführten Aenderungen und Verbesserungen, wird von allen: guten Deutschen mit hoher Genugtuung gefolgt werden. Der Berichterstatter tut aber wohl daran, hier nicht durch zu ausführlihe Mitteilungen vorzugreifen. Was alles geschehen ist zum Schuß des Felfens, zur Befestigung der Düûne durch Buhnenbauten, zur Erhöhung des strategi\chen Wertes der Jnsel durch den Bau eines Kriegshafens an der Südspiße des Unterlandes, das erzählen die begleitenden Bilder viel genauer, als ein Bericht es vermag. Wenig bekannt ist, was Helgoland für die deutsche Wissenschaft geworden ist durch Errichtung einer btologishen Station und durch ein Aquarium und ein Nordseemuseum. Auch hter ist der Vortrag bemüht gewesen, dur trefflihe Bilder aus beiden Instituten von ihrer Bedeutung zu reden. Das Studium der Wanderung der Fische ist zu einer Helgo- länder Speztalität geworden; doch auch die Helgoländer Vogelwarte leistet Bedeutendes. Schließlich \priht aus dem Verfasser auch der Arzt über das heilbringende, gesunde Klima Helgolands, seine überaus frische Vegetation, und erfreut am Ende des nie ermüdenden Vortrags noch durch eine beträchtlißhe Anzahl ganz aktueller Bilder aus dem Fremdenverfehr und dem Badeleben der Insel und aus der Fülle \hönster Beleuhtungen und Sonnenuntergänge über dem Meer.

Gestern mittag um 12 Uhr fand, wie hiefige Blätter berichten, in Lichtenberg dieGrnndsteinlegung des neuen städtischen Krankenhauses statt, das zwishen der Siegfriedstraße und der Frankfurter Chaussee erbaut werden \oll. Der Feier wohnte der Negierungspräsident von der Schulenburg bei. Die Stadt Lichtenberg; war durch ihren Oberbürgermeister Ziethen und den Zweiten Bürger- meister Dr. Unger vertreten. Ferner waren zugegen der Stadtverordneten- vorsteher, Bankdirektor Plonz und Professor Dr. Bötticher aus Gießen, der die Leitung des Krankenhauses üternehmen wird. Der Festakt wurde durh Chorgesang eingeleitet. Nah der Verlesung der Urkunde dur den Stadt- verordnetenvorsteher Plonz hielt der Oberbürgermeister Ziethen die Festrede. Nach abermaligem Chorgesang wurde die Grundsteinlegung unter den üblihen Hammerschlägen vollzogen. Daran {loß sich ein Festmahl im Sitzungssaal des Rathauses. Das zu erbauende Krankenhaus foll nah dem von dem städtishen Bauamt ausgearbeiteten Entrourf Naum für 475 Betten bieten können. Die Grunderwerbs- fosten betragen 618 000 4 und der ganze Bau ift auf 3110 000 #4 veranschlagt. Nah dem Bauentwurf soll die gesamte Kranken- hausanlage erhalten: ein Verwaltung8gebäude mit Wohnungen für Aerzte und Schwestern, ein Gebäude für die gynäkologishe Ab- teilung und die Privatkrankenstation mit der Aufnahmestation, ein Gebäude für die dirurgishe Abteilung, ein Gebäude für die medizinische Abteilung, drei Ifolierkrankenpavillons, das Leichenhaus mit Labora- tortum und Wohnungen, das Wirtschaftêgebäude (Koch- und Wasch- kfüchen), das Kefselhaus und das Nemise- und Werkstattgebäude. Der Krankenhausbau foll niht in einer Bauperiode in vollem Umfange ausgeführt werden. Der erste Ausbau soll nur erft 225 Betten umfassen und wird an Baukosten 1 990 000 4 erfordern. Bei dem ersten Ausbau sollen noch nicht ausgeführt werden: das Gebäude für die medizinische Abteilung und zwet Ifolierpavillons. Das Krankenhaus- grundstück hat zwei lange Fronten an der Hubertus- und Wagner straße und erhält zwei direkte Zugänge von der Stegfriedstraße und Frankfurter Chaussee aus. Die vorhandene Garten- und Parkanlage mit dem alten Baumbestande wird möglichst erhalten bleiben „Die Bauzeit ist mit drei Jahren angenommen.

Mendes „Großer Verkehrsplan Berlin und seine Vororte" ist soeben in 13. Auflage 1911 ershienen. Er ist gegen- über den früheren Ausgaben noch bedeutend erweitert worden durch Hinzunahme aller nördlihen Vororte und weiterer öftliher Vororte Groß-Berlins und umfaßt jeßt ein Gebiet von nahezu 1000 gkm. Er bringt im Norden noch Hennigsdorf, Frohnau, Buch, im Süden reicht er bis Teltow, Lichtenrade, Schönefeld, im Westen beginnt er mit Neubabelsberg und noch jenseits Staaken und reiht östlich bis eins{ließlich Mahlsdorf und Friedrihshagen. Der Plan ift in jeder Hinsicht sorgfältig bis aufs neueste ergänzt worden; er verzeichnet u. a. die neue Grenze des yostalishen Groß-Berlins, alle Kirchen, alle höheren Schulen, alle Nathäuser usw. Dabei konnten bereits alle wichtigen im Bau begriffenen und zum Teil fogar {on die geplanten Neuerungen aufgenommen werden, fo neue Bahnhöfe, neue Rathäuser (wie in Spandau, Zehlendorf, Nosenthal), neue Parkanlagen (wie in Mariendorf, Uchtenrade, Mahlsdorf), neue Theater, neue Brüden und Straßen und vieles andere. Ueberaus sorgfältig ift wieder das Verkehrswesen bearbeitet worden. Bei den Stra zenbahnlinien find bereits alle Neubaustrecken (vom Junt 1911) berücksfihtigt; daneben. sind durch eine besondere Bezeihnung alle geplanten Linien heraus- gehoben worden. Dem Plan ist ein fast 109 Seiten starkes, aus- führlihes Straßenverzeiknis beigegeben mit Angabe der postalischen und Gerichtszugehörigkeit. Er kostet 3 E und ist in jeder Buch- und Papierhandlung und direkt vom Verlage Berlin S0. 26, Oranien- straße 176, zu beziehen.

Kiel, 3. Juli. (W. T. B.) Das amerikanische Schul-

ge\s{chwader, bestehend aus den Schiffen ,Jowa“, „Indiana“