1892 / 47 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 23 Feb 1892 18:00:01 GMT) scan diff

127: L EIE as

legentlih, insbesondere zur Aushilfe, oder zwar regelmäßig,

jedoch nur nebenher und gegen geringfügiges Entgelt ver-

rihtet wird.

Der mit der wirthschaftlihen Leitung eincs Rettungs- hauses und der Unterweisung der shwachsinnigen und zurüd=- gebliebenen Pfleglinge betraute „Hausvater“ des RettungÞ-

-.

hauses ist als versicherungspflichtig angesehen worden.

Der Regierungs-Rath von Zakrzewski zu Aachen ift an die Königliche Regierung zu Merseburg verjeßt worden.

Der Regierungs: Assessor Linke zu Ottweiler ist der König- lihen Regierung zu Aachen zur weiteren dienstlihen Ver- wendung Überwiesen worden. i i

Der Regierungs-Assessor Lex zu Merseburg ist an die Königliche Regierung j Wiesbaden verseßt worden. j

Der Regierungs-Assessor von Bötticher zu Saarbrüdcken ist der Königlihen Regierung zu Trier zur weiteren dienst- lihen Verwendung überwiesen worden. L

Der bisher - beurlaubte Regierungs-Assessor Dr. Henry Meyer is bis auf weiteres dem Landrath des Kreises Saar- brücken zur Hilfeleistung zugetheilt worden. 5

Der neu ernannte Regierungs-Assessor Dr. Kühnert ist der Königlichen Regierung zu Düsseldorf überwiesen worden.

Der Regierungs-Rath Graf zu Dohna-Lauck zu Wies- baden ist an die Königliche Regierung zu Stettin verseßt worden.

Der bisher dem Landrath des Kreises Waldenburg bei- geordnete Regierungs-Assessor von Baumbach ist vom ]. April d. J. ab der Königlichen Regierung zu Cassel zur weiteren dienstlichen Verwendung überwiesen worden.

Bayern.

Mün chen, 22. Februar. Die Kammer der Abge- ordneten begann heute die Berathung des Etats der Zölle und indirecten Steuern. Der Ertrag des Malz- aufschlags wurde gegenüber dem Budgetentwurf um 700 000 H erhöht und mit 36 Millionen Mark bewilligt. Bezüglich der in Jtalien erhobenen inneren Biersteuer erklärte der Finanz- M inister eine politishe Beeinflussung für unangängig. Ferner hob der Minister hervor, die bayerishe Regierung sei wie bisher weiter bemüht, die Jnteressen der bayerischen Jnteressenten gegenüber dem Import von russischem Hopfen dur einen ent- \prechenden Zoll wahrzunehmen. Die weitere Berathung wurde sodann vertagt.

Sachsen.

Dresden, 22. Februar. Die Zweite Kammer berieth, wie das „Dr. J.“ berichtet, in ihrer heutigen Sißung die Vorlage wegen Erbauung mehrerer Sccundär-Eisenbahnen, über Me namens der Finanzdeputation B Abg. Schickert Be- richt erstattet hatte. Die Deputation beantragte in ihrer Mehr- heit bez. einstimmig die Ausführung aller vier vorgeschlagenen Bahnlinien, doch wurde von den Abgg. Wehner und Kokel die Ablehnung der Ausführung der Chemnigthalbahn, von dem Abg. Wehner auch die Ablehnung der Linie Reichenbach Ober-Reichenbah—Mylau empfohlen. Nach längerer Debatte wurde der Bau der Chemnißthaibahn abgelehnt, die Linien Olbernhau—Neuhausen und Pirna—Dohma—Großcotta ge- nehmigt und darauf die weitere Berathung vertagk.

Baden.

Die Veranlassung, weshalb die sechs klerikalen Mit- glieder der Shulcommission der Zweiten Kammer ferner niht mehr an den Sigzungen der Commission theilnehmen (siche Nr. 45 des „R.- u. St.-A.“ vom 20. d. M.), ist nah dem „Schw. Merk.“ folgende: Der Abg. Wecker hatte in eigenthümlicher Form einen Vorwurf gegen die Stellungnahme der liberalen Partei erhoben, den der Vorsigende der Commission Dr. Kiefer in ecnergisher Weise zurückzuweisen sih berechtigt wie verpflichtet erachtete.

Mecklenburg-Schwèérin.

Jhre Königliche Hoheit die Großherzogin Alexan- drine vollendet heute ihr 89. Lebensjahr. Geboren am 23. Februar 1803 als zweite Tochter König Friedrih Wil- helm’'s 111. und der Königin Luise, hat sie ihre sämmtlichen Geschwister überlebt. Am 25. Mai 1822 vermählte sih Jhre Königlihe Hoheit mit dem damaligen Erbgroßherzog Paul Friedrih, der 1837 seinem Großvater Fried- rih Franz 1. in der Regierung P aber schon am 7. März 1842 starb. Dieser Ehe waren drei Kinder entsprossen : der am 15. April 1883 verstorbene Groß- herzog Friedrih Franz 11, der Herzog Wilhelm, verstorben am 28. Juli 1879, und die Herzogin Marie, vermählte Fürstin Windischgräß, die schon 1859 starb. Jhre Königliche Hoheit erfreut sih troß des hohen Alters einer großen L A und vermochte noch vor kurzer Zeit den Besuch Seiner Majestät des Kaisers entgegen zu nehmen.

Elsaß-Lothringen.

Straßburg, 22. Februar. Der Bezirks-Präsident des Oberelsaß hat die Ausweisung des schweizerischen Staats- angehörigen Max D ollfus, Sohnes des Großindustriellen August Dollsus in Mülhausen, Uns M. Dollfus, der im Jahre 1864 geboren ist, wanderte n vor Eintritt in das militärpflichtige Alter aus und kehrte kürzlich in die Reichs- lar.de zurück, ohne der Polizei scine Ausweispapiere vor- zulegen.

Oesterreich-Ungarn. Der Führer der Deutshen im böhmischen Landtag Dr. Schmeyfkal hat nah der „N. Fr. Pr.“ den Aus- [AYpu n aus Qu der deutsch - böhmischen Land-

tags-Abgeordneten für den 2. März und den Club der deutshen Landtags - Abgeordneten für den 3. März zur Berathung über die durch das Verhalten der Altczechen und des Feudaladels geschaffene Aenderung der E en Lage einberufen. ;

eide Häuser des ungarishen Reichstags hielten gestern Sihungen ab, in denen, nah einer Meldung des „W. T. B.“, unter lebhaften Eljenrufen die Thronrede verlesen wurde. Jm Oberhause erflehte der Präsident den

Segen des Himmels auf den g herab, „den lng ;

Hüter der ungarischen Verfassung, der durch seine die men})ch- l Kraft fast übersteigende Wirksamkeit ein leuhtendes Bei- piel sei.“

Großbritannien und JFrland. Jn Beantwortung einer Anfrage erklärte der Präsident des Ackerbau-Amtes Chaplin in der gestrigen Unterhaus- sißung das Gerücht, die Maul- und Klauenseuche sei

=durch eine Ladung roher Häute aus Deutschland ein-

geshleppt, für vollständi unbegründet. Sodann beantragte Chaplin die erste Lesung der schon in der Thron- rede angekündigten Regierungsvorlage, welhe die Er- leihterung des Erwerbes kleiner Pachtgüter _bezweckt, der sogenannten Kleinstellen-Bill. Durch diese Vor- lage werden die Grafschaftsräthe zum Ankauf von Grund und Boden ermächtigt und können diesen in Parzellen bis zu 50 Acres verkaufen oder in Parzellen bis zu 10 Acres verpachten. Die Käufer müssen das Gut selbst cultiviren und dürfen dasselbe niht in Aftermiethe verpachten. Die Grafschaftsräthe dürfen drei Viertel des Kaufschillings vorschießen, der Käufer muß ein Viertel anzahlen, ein Viertel fann als perpetueller Pachtschilling verbleiben ; der Rest ist innerhalb 50 Jahren in Raten zurückzuzahlen. Die Bill wurde E vom Unterhause ohne weitere Abstimmung in erster Lesung angenommen. : j E Der „Times“ zufolge wird die Regierung in allernächster gel die Forderung cines Credits für die Vorarbeiten einer Fifenbahn von Mombassa nah dem Victoria Nyanza in British Ost-Afrika im Parlamente einbringen. Aus Ober-Birma erhält der „Hamb. Corr.“ folgenden Bericht über Kämpfe der britishen Truppen mit den Ein- geborenen : Aus Rangun wird gemeldet, daß Sadone (Ober - Birma), welches britishe Truppen im Januar beseßt hatten, « am 19. d. M. von 500 Kachgens angegriffen wurde. Der Angriff wurde zwar nach hartem Kampf zurückges{hlagen, aber der Ort ist noch_ von den Kachgens umzingelt, die auch die nah Jrawaddy führende Straße ver- pallifadirten. Britischerseits sind fünf Sepoys getödtet, vierzehn verwundet. Am nämlichen Tage wurde eine kleine britische Proviantcolonne unweit Sadone von Kachgens überrumpelt ; die zwölf Mann starke Escorte wurde niedergehauen. Der Angriff auf Sadone wird der feindseligen Haltung der cinesishen Grenzbehörden zugeschrieben. Zum Entsaßte Sadone?s ist eine starke britis&@e Truppenmacht unter Major Yule vom Irawaddy aus im Anzuge.

Frankreich.

Es liegen noch immer feinerlei Mittheilungen darüber vor, wem die Bildung eines neuen Ministeriums über- tragen werden könnte. Gestern empfing, wie „W. T. B.“ be- rihtet, der Präsident Carnot eine Anzahl Senatoren und Deputirte, welche der Presse angehören, um deren Ansicht darüber zu hören. j;

Von Interesse sind die Aeußerungen der russischen

Blätter über die Krisis. Die „Now. Wr.“ sagt, wie be-

reits in Nr. 45 des „R. u. St.-A.“ vom 20. d. M. kurz er- wähnt wurde :

„Die plößlich ausgebrochene Krisis wird aller Wahrscheinlichkeit nah von ziemlicher Dauer sein und es nimmt sich gar niht unwahr- scheinlich aus, daß sie am Ende zu einer Auflösung der Kammer führen follte, wenn anders es Herrn von Freycinet und Herrn Nibot nit gelingen sollte, cin neues Ministerium zu bilden, ohne die Herren Constans und Fallières, die wirklichen Urheber des Gesetzes über die Associationen. Jedenfalls aber ist Frankreich nunmehr in eine politische Phasis getreten , die für feine ausländishen Freunde fehr betrüblih und seinen fremdländishen Widersachern sehr will- fommen ist. Man fann sih nur darüber wundern, daß die Freunde des Herrn Clémenceau und die Gesinnungsgenosjen Paul de Cassagnac’s, die doc) feine Gelegenheit vorüberlassen, sich zu brüsten mit ihrem Patriotismus uad ihrer Bereitwilligkeit, die eigenen, persönlichen Interessen dem Wohle des Staats zu opfern hieran nicht gedacht haben.“

Die „Nowosti“ meinen:

„Die derzeitige Ministerkrisis in Frankrei berührt in feinerlei Weise die franko - russishe Annäherung; sodann ist sie teineswegs cin Anzeichen der Schwäche der französischen Macht. Ein Ministerium tritt an die Stelle des anderen, je nah den Bedingungen des parla- mentarishen Lebens, aber die Gewalt, oder richtiger die Volksgewalt bleibt bestehen. Wir find stark durch das Bündniß nicht mit diesem oder jenem französishen Ministerium, sondern durch das Bündniß mit dem ganzen französischen Volk, mit ganz Frank- rei. Wir fönnen wohl den Rütritt so hervorragender Staats- männer, wie die Herren Freycinet und Ribot, schr bedauern ; aber wir sind überzeugt davon, daß dieser Nücktritt an unseren Beziehungen zu Frankreich nichts ändern wird, die auch in Zukunft ebenso auf- rihtig und herzlih bleiben werden, wie bisher. Frankreich braucht Nußland, Nußland braucht Frankreich. Da ist es ganz einerlei, wer in Frankreih am Ruder ist, Herr Freycinet oder ein Anderer: ein antirussisches Ministerium ist in Frankreich gar nicht möglih. Herr Jules Ferry war ein hervorragender Politiker, hat aber seine Carrière dur das unvorsichtige Compromißspiel mit Deutschland zerstört. Seinem Beispiel wird {werlich irgend Jemand folgen.” :

“Die „Birsh. Wed.“ theilen die Ansicht der „Nowosti“, daß durch die Krisis die russish-französishen Beziehungen nicht alterirt werden fönnten. Nur weil sie das wußten, hätten die Nadicalen sich zu ihrem Angriff entschlossen ; sie gingen von der Ansicht aus, daß das franco-russishe Bündniß doch der Ecfstein des politischen Gleihgewichts in Europa bleiben werde. Die franzöfischen Radicalen hätten begriffen, daß die dritte Nepublik der Dienste eines Ministeriums Freycinet niht mehr in dem Maße bedürftig sei, wie früher, und daß fie, der Freundschaft Rußlands sicher, ruhig sich wieder mit ihren eigenen inneren Angelegenheiten befassen könne :

„Das Staatsregime Rußlands und Frankreichs ist so diametral entgegengesett, daß für beide Theile die geringste Möglichkeit fehlt, si in die inneren Angelegenheiten seines Bundesgenossen hinein- zumischen. Eben hierin liegt die Hauptbürgschaft Jr die Festigkeit des franco-russishen Einvernehmens, was beiden Mächten gestattet, ohne irgend wie Zweifel an der beiderseitigen Freundschaft zu er- regen, mit anderen Mächten Einzelabmachungen zu trefffen. Im Augen- blick, wo kein einziger politischer Zwischenfall den politischen Horizont Europas verfinstert und auf den ersten Plan die wirthschaftlichen Interessen treten, kann die Wiederaufnahme ciner Angriffstaktik seitens der französishen Radikalen nur als ein unbedingt friedliches Symptom betrachtet werden; traurige Folgen für die internationale Lage Frankreichs kann sie jedenfalls nicht haben.“

ie „Pet. Wed.“ fassen sih kurz. Sie erklären einfach:

„Der Eindruck völliger Ueberraschung is niht bloß der Haupt- eindruck, sondern auch der einzige, den man von der Sache bisher hat gewinnen können, in Frankreich fo gut, wie im Auslande. Jn E land tritt hierzu nur noch das Gefühl tiefsten Bedauerns, da die poli- tischen Verdienste des gestürzten Cabinets bei uns sehr hoch geschäßt

werden.“ Rußland und Polen. Neuere dem „Wolff schen Bureau“ aus St. Petersburg N tittheilungen bestreiten die von diesem ver- reitete Nachricht (\. d. gestr. Nr. d. Bl.), daß eine sofortige Aufhebung des Ausfuhrverbots auf Hafer aus den baltishen Häfen bevorstehe.

Ftalien.

“n der italienischen Kammer kündigte gestern der De- putirte Pugliese eine Anfrage an über den Stand der

-

Verhandlungen wegen der Anwendung der Weinzollclause[ in dem Handelsverirage mit O esterreich, sowie ferner darüber ob es wahr sei, daß die Einfuhr von Vershnittweinen in Gebinden nah Deutschland verboten sei.

Spanien-

Im Senat legte gestern der Minister der Colonien gane einen Geseßentwurf vor, der den Umtausch und die inziehung der Noten vonCuba beantragt, die auf weniger als % Pejetas lauten, sowie ferner einen Geseßzentwurf wegen Einstellung der Couponzahlungen für die vor 1886 emittirte Schuld von Cuba.

Belgien.

Der Vorsißende des conservativen Wahlvereins, Nothomb hat, wie der „Köln. Ztg.“ aus E tele- graphirt wird, in ciner am 21. d. Vé. abgehaltenen Versamm- lung den Vorsig niedergelegt, weil er, wie er sagte, den Verein nicht leiten könne, der den Deputirten Sand N den Juniwahlen bekämpfen werde. Er sei im allgemeinen gegen die radicalen Abgeordneten, aber in der Frage der V er- fassungs-Revision, die Janson a habe, mit ihm einverstanden. Nach mehreren Reden für und wider Nothomb's Entschluß beshloß die Versammlung, Nothomb zu ersuchen, den Vorsiß fortzuführen, bis ein Nachfolger gewöhlt sein werde.

Der französishe Abgeordnete Lafargue, der seit einigen Tagen in Brüssel republikanisch-focialistishe Propaganda A ist, wie man der „Mgdb. Ztg.“ meldet, ausgewiesen worden.

Griechenland.

Der Minister des Auswärtigen Deligeorgis hat unter dem 18. d. M. an die diplomatischen Vertreter Griechenlands im Auslande ein Rundschreiben über die Finanz- lage Griechenlands erlassen, welches nach der Uebersezung der „A. R. C.“, wie folgt, lautet:

„Es ist bekannt, daß kurz vor dem Monat Oktober des vorigen Jahres der anormale finanzielle Zustand gewisser südamerikanischer Staaten in London eine Baisse in den Werthen ast aller europäischen Staaten zweiten Ranges hervorrief, eine Baisse, welche au die an- deren Märkte beeinflußt hat. Es konnte uns niht wundern, daß; auh die Obligationen der griechishen Anleihen derselben unterworfen wurden ; da aber dieser Nückgang der Werthe keineswegs durch die öfonomische Lage Griechenlands begründet war, hofften wir, daß, nach- dem die erste Aufregung sich gelegt, dieselben wieder ihre frühere Stelle einnehmen würden.

In der That wies der Jahresabschluß von 1890 eine nicht un- befriedigende finanzielle Lage auf, und obwohl die Realisation des Budgets von 1891 nah dem Gesetze erst im nächsten Oktober er- folgen fann, so geht doch aus den bis zum heutigen Tage realisirten Einnahmen hervor, daß das Gleichgewicht im Budget au) für dies Finanzjahr gesichert ist. Die Einnahmen, von denen ih hier sprehe, haben bereits um 12198877 Fr. die- jenigen des Jahres 1890 überholt; das Budget des laufenden Jahres, welches die Regierung der Kammer vor zwei Monaten vorgelegt hat, wies nur ein Deficit von 150 000 Fr. auf; anderer- seits ist die Zahlung der Anleiheprocente wie immer fo exact wie nur möglich erfolgt, und der leßte Coupon ist den bondholders fogar einen Monat vor dem Termin zur Verfügung gestellt worden. Hierzu ist hinzuzufügen, daß diese Zahlung aus den regelmäßigen Ein- nahmen des Landes erfolgt is, das heißt, ohne, wie in den vier leßten Fahren, das nöthige Geld für die Zahlung der Anleiheprocente im Ausland aufzunehmen.

Alles scheint also auf eine sichere Wiederherstellung und selbst ein späteres Steigen der griechischen Werthe auf den fremden Märkten hinzudeuten:; aber diese fo berechtigte Erwartung hat sich bis heute nicht erfüllt, und die griechishen Obligationen bleiben mit geringen

Schwankungen andauernd einer beträchtlichen Baisse unterworfen. Diese Baisse war von einem ebenfalls wesentlichen Nieder- gang des griehishen Papiergeldes begleitet, ein Um- stand, welcher einen thatsächlihen Verlust für das Land bedeutet und besonders für den Staatsshay , welcher genöthigt ist, die Coupons der Anleihen und Lieferungen aller Art, welche aus dem Auslande eingehen, in Gold zu bezahlen. S

Es liegt auf der Hand, daß diese Sachlage eine unnatürliche ift, und die Regierung hat si überzeugen müssen, daß dieselbe auf Per- sonen zurückzuführen is, welche bet dieser finanziellen Anomalie ihre Nechnung finden; im übrigen begnüge ih mich mit der Bemerkung, daß ein derartig plößlicher Curssturz, wenn er auf thatsächlihen Ver- hältnissen beruhte, finanzielle Katastrophen im Gefolge gehabt haben würde, die sih glückliherweise bis zum heutigen Tage nicht bemerkbar gemacht haben.

Wie dem auch sei, die Regierung glaubte diesem Stand der Dinge entgegenwirken zu müssen, indem sie die öffentlichen Einnahmen steigerte; auch hat die Regierung der Kammer eine Erhöhung der Steuern um mehr als 6 Millionen jährli, sowie die Einführung einer Tabackregie vorgeschlagen, welhe nah den genauesten Berech- nungen nit weniger als 8 bis 10 Millionen ¡äbrlid für den Staat ergeben würde, an Stelle der 3 Millionen, welche die augenblickliche Besteuerung des Tabaks einbringt. i.

Diese Vorschläge sind von der Kammer sehr beifällig begrüß! worden, und es ist fein Zweifel, daß die betreffenden Geseßesprojecte in wenigen Tagen votirt sein werden.*) G ___ Klären Sie doch diejenigen Personen, welche ein Interesje daran haben und welche sogar den oben angedeuteten Manövern zum P! fallen könnten, über die wahre ökonomische Lage Griechenlands auf.

Deligeorgis.

Die lange schwebende und viel erörterte Anklage ahe gegen das Ministerium Trikupis ist gestern von der griechischen Deputirtenkammer mit sehr großer Majoritai verworfen worden. Wie das darüber aus Äthen vorliegende Telegramm des „W. T. B.“ berichtet, war das Gebäude de: Kammer während der Verhandlung von einer großen _Volks- menge umgeben, und hatte man gegen etwaige ussreitungen militärishe Vorsihtsmaßnahmen getroffen. Zwei von den angeklagten Ministern waren in der Sizung nicht anwesend. Der Minister-Präsident Dely annis hatte selbst in der Discussion aus politishen und nationalen Erwägungen dic Freisprehung des früheren Cabinets befürwortet.

Rumänien.

Bei den am Sonntag vorgenommenen Stichwahlen für die Kammer wurden nach einer Meldun des W. DB, 11 Conservative und 7 Oppositionelle gewählt. Jnsgesamm sind 151 Conservative und 32 Oppositionelle aller Schattirungen gewählt worden.

Serbien. E Ein am Sonntag in Belgrad abgehaltener Minister“ rath beschäftigte sich, wie „W. T. B.“ berichtet, mit vie Mittheilung der Vorlage an die E a über 7 Verzichtleistung des Königs Milan, jowie mit den n Les ay hierauf bezüglichen, im radicalen Club geäußer edenken.

*) Diese Vorlagen sind, wie in Nr. 44 d. Bl. gemeldet, a

“s N é ; f Donnerstag v. W. von der Kammer mit großer Mehrheit a genommen worden.

In der Skupschtina fragte Masics an, warum der Präsident der Skupschtina Katics fich, obwohl er gesund sei, von den Berathungen fernhalte. Der Vice-Prâsident erwiderte, Ratics habe si scriftlih krank gemeldet. Bulgarien. Jn Sofia kam gestern der Prozeß gegen die Frauen Karaweloff, Oroschakoff und Georgeff zur Verhand- lung. Die Anklageschrift führt, wie „W. T. B.“ meldet, aus, eine von den Angeklagten in der Beltshew-Affaire an die Vertreter der Mächte in Sofia gerichtete Denkschrift habe bezweckt, eine fremde Einmischung in die inneren Angelegenheiten Bulgariens herbeizuführen, und ver- weist auf die abfälligen Urtheile der französischen Presse aus Anlaß der Veröffentlihung. Frau Karaweloff war eständig. Die Zeugenaussagen waren von keinem Belang. ah dem Plaidoyer des Procurators erinnerte der Vertheidiger Stoiloff an zahlreiche Analogien in der bulgarischen Geschichte der lezten Jahre. Die Angeklagte habe niht bezweckt, eine fremde Einmischung, sondern nur eine Abkürzung des Gerichts- verfahrens geaen ihren verhafteten Gatten herbeizuführen. Nach längerer Berathung fällte der Gerichtshof über alle drei angeklagten Frauen ein freisprehendes Urtheil.

Montenegro.

Der Dampfer des österreichischen Lloyd „Triest“ traf '

gestern Vormittag mit der Leiche der Fürstin Darinka von Montenegro in Cattaro ein. Unter großen Feier- lichkeiten fand daselbst die Einsegnung und sodann die Weiter- führung- der Leiche statt, wobei der Sarg von montenegrinischen Offizieren getragen und von den Vertretern der Behörden und militärishem Gefolge bis zur Cordiho-Brüke geleitet wurde.

Amerika.

Der Führer der Partei für die freie Silberprägung im Repräsentantenhause der Vereinigten Staaten, Mr. Bland hat, nah einem Reuter shen Telegramm aus Washington, in Bezug auf die Meldung, die Reform des Zolltarifs würde das Haus in der" nächsten Zeit so stark in Anspruh nehmen, daß die Silberfrage nicht auf die Tages- ordnung kommen würde, erklärt: seine Partei werde fein Mittel unversucht lassen, um die Angelegenheit zur Berathung u bringen; den Verhandlungen über den Zolltarif jolle fein Hinderniß in den Weg gelegt werden, seine Partei aber wolle wissen, was in der Silberfrage geschehen werde.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Albany hat die demokratishe Partei des Staats New-York in einer dort abgehaltenen Versammlung den früheren Gouver- neur Hill zum Candidaten für die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten gewählt. Die Anhänger Cleveland's, welche mit der Wahl Hill’'s nicht einverstanden sind, schlagen vor, am 31. Mai in Syracuse eine Gegenversammlung abzuhalten.

Parlamentarische Nachrichten.

Jn der heutigen (178.) Sißung des Reichstags, welcher die Staatssecretäre Dr. von Boetticher und Dr. von Stephan beiwohnten, gingen als Vorlagen ein die Geseß- entwürfe, betreffend den Belagerungszustand in Elsaß- Lothringen und den Verrath militärisher Ge- heimnisse, deren Wortlaut wir in der Zweiten Beilage ver- offentlichen, sowie der Bericht des Reichscommtissars für das Auswanderungswesen für das Jahr 1891.

Auf der Tagesordnung stand zunächst die zweite Berathung des Entwurfs eines Gesehes über das Telegraphenwesen des Deutschen Reichs, dessen § 1 nah den Beschlüssen der Commission lautet:

Das Recht, Telegraphenanlagen für die Vermittelung von Nachrichten zu errichten und zu betreiben, steht aus\cließlich dem Reich zu. Unter den Telegraphenanlagen sind die Fernsprechanlagen mitbegriffen.

Hierzu liegen folgende Anträge vor:

1) Vom Abg. Biehl (Centr.):

Dem § 1 folgende Fassung zu geben: Das Recht, Telegraphen- anlagen für den allgemeinen Vermittlungsverkehr zu errichten und zu betreiben, steht aus\s{ließlih dem Reih zu. Unter Telegraphen- anlagen sind die Fernsprechanlagen niht mitbegriffen. Die Be- fugniß zur Benußung fremden Grund und Bodens, namentlich der Straßen und Pläße der Gemeinden, ist damit nicht gegeben.

2) Vom Abg. Dr. von Bar (dfr.):

Dem § 1 folgende Fassung zu geben: Das Necbt, elektrische Leitungen zur Uebermittelung von Erklärungen und Gesprächen gegen Bezahlung zu betreiben, {teht vorbehaltlih der Be- stimmung des § 2a ausshließlich dem Reich zu.

(Nach § 2a sollen Gemeinden für ihren Bezirk Telegraphen anlegen fönnen.)

3) Vom Abg. Dr. Hammacher (nl.):

Dem Î 1 folgenden Zusay zu geben: Das Reich erlangt dur dieses - Reht keinen rechtlichen Anspruch auf die Verfügung über fremden Grund und Boden, insbesondere über die bffentlichen Wege und Straßen.

_ Berichterstatter Abg. Freiherr von Buol (Centr.) referirte über einige neuerdings eingegangene Petitionen gegen den Geseßentwurf, A eine solhe vom Elektrotechnischen Verein in Frankfurt a. M.

Abg. Schrader (dfr.) wies auf die allgemeine Be- deutung dieses Gesehes hin und sprah sih gegen die Schaffung eines Monopols für das Reich zu Tele- graphenanlagen aus, das dem bestehenden Rechtszustande niht, wie behauptet werde, entsprehen würde. Da die

erhandlungen in der Commission zu einem befriedigenden Ergebniß nicht geführt hätten, müsse seine Partei ihre Anträge nohmals im Plenum vertreten im Jnteresse der privaten elektrotechnischen e Und nicht allein um deren Jnter- essen handele es ih, sondern auch um die Juteressen großer Städte. Redner bemängelte darauf die Fassung des S 1, durch den selbst solhe Einrichtungen monopolisirt werden ollten, die noch garnicht erfunden Rie Die Frage der Er- rihtung elektrisher Anlagen solle man lieber aus dem Geseß ganz herauslassen. Den localen elektrishen Verkehr müßte man der E und den Städten überlassen. Darum bitte er, den 8 1 der Vorlage dur den von dem Abg. Dr. von Bar beantragten zu ersetzen.

Staatssecretär Dr. von Stephan bemerkte zunächst, daß die vielfah behauptete Beunruhigung weiter Kreise über dieses R niht wahrnehmbar 8 und ging sodann zu einer Widerlegung der Ausführungen des Vorredners Über. Die Reichsverwaltung denke garnicht daran, die Hrivatindustrie zu schädigen, sondern freue sih vielmehr über eren Gedeihen. Den Antrag Bar könne er nicht zur An- nahme empfehlen.

Bei Schluß des Blattes spra der Staatssecretär weiter.

Die Wahlprüfungscommission des Neichstags beantragt, die Wahl des Abg. von Jagow ( Nühstädt) im ersten Wahlkreise des Regierungsbezirks Potsdam für gültig zu erklären.

Bei der heutigen Ersaßwahl im 2. Berliner Landtags-Wahlkreise wurde mit 859 gegen 2 Stimmen der Dr. Alexander Meyer (dfr.) zum Mitglicd des Hauses der Abgeordneten gewählt.

In der Volks\chulgesez-Commission des Hauses der Abgeordneten wurde gestern Abend, wie die Morgenblätter berihten, die Berathung über § 15 (Errichtung confessioneller Schulen bei 30, bezw. 60 Schulkindern) fortgeseßt und damit die Dis- cussion über den bisher zurügestellten § 11 (bei Vorhandensein dreiklassiger Schulen dürfen Kinder nicht einklassigen zugewiesen werden) verbunden. Die Abgg. Hobrecht (nl.) und Seyffardt (nl.) betonten bei Vertheidigung des Antrags der Nationalliberalen, daß nicht allein der Religionsunterricht, sondern auch der Unterricht in allen andern Fächern so gestaltet werden müsse, daß die Minorität der Confession in ihrem Glaubensstand nit gefährdet oder geschädigt werde. Abg. Freiherr von Zedliß (freiconf.) führte aus, daß angesichts der be- \hränkenden Bestimmungen der §§ 3 und 4 für die Regiminalbehörden eine erweiterte Vollmacht zum Schuß der confessionellen Minderheiten zweckmäßig erscheine, daß aber sowohl die Regierungsvorlage, als auch die Anträge der Conservativen und des Centrums über das berechtigte Maß hinausgingen und die Interessen einer guten Schuleinrichtung sowie die finanziellen Interessen der Schulunterhaltungspflichtigen gefährdeten. Die Zahl 30 ziehe insbesondere die einklassige Schule mit in den Bereich der Bestimmung, und der Abs. 2 seße den Regierungs-Präsidenten nicht nur in die Lage, Aenderungen treffen zu müssen, welche er nah seinem pflihtmäßigen Ermessen für unzweckmäßig halte, sondern mache auch den NRechtéshuß der Zu- stimmung der Gemeinde nahezu illusorisch. Der betreffende Antrag wolle ihn ganz aufheben und sei daher noch unannehmbarer. Der conservative Antrag zu § 11 wolle Schuß gewähren gegen Belastung der Gemeinde aus Gründung einer Confessionsshule, doch er gehe über das Ziel hinaus und schädige das Recht der Eltern. Feste Bestimmungen über die Aufhebung lebenéunfähiger Confefsions- schulen seien vorzuzichen. Abg. Rickert (dfr.): Auch er halte es niht für unmöglih, daß dieselben Eltern, auf deren Wunsch ihre Kinder zu einer besonderen confessionellen Schule vereinigt würden, ihre Kinder wieder in eine gemishte mehrklassige Schule bringen wollten, wenn sie leßtere für besser hielten. Dieses Recht der Eltern dürfe nicht beschränkt werden. § 15 der diesjährigen Vorlage gehe über die vorjährigen Commissionsbeschlüsse, an denen auch die Con- servativen theilgenommen hätten, hinaus, und die conservativen An- träge gingen noch weiter als die Vorlage. Abg. Dr. von Heyde- brand (cons.): Er und scine Freunde hegten niht den Wunsch, die Errichtung von confessionellen Schulen einzuschränken. Staats- Minister Graf Zedliß beruft sich auf feine früheren Grfklärungen. Die Bestimmung bezüglich der 30 Kinder sei nicht aus seiner Jnitia- tive in die Vorlage gekommen, sondern auf Grund zahlreicher Peti- tionen aus dem Westen und Often. Solche Wünsche von Familien- vâtern hätten ein Anrecht auf Berücksichtigung. Momentan beständen über 2000 Schulen mit unter 60 Kindern. Die Anträge des Centrumsund der Conservativen bitte er abzulehnen, der letztere pafse überhaupt nicht in das System des Geseßes. Gegen den Antrag der Freiconser- vativen führe er noch an, daß man do nicht alle möglichen Fälle in einem Gesetz vorsehen könne. Abg. Dr. Enneccerus (nl.): Viele Eltern, welche die Errichtung einer confessionellen Schule für 30 Kinder betrieben, würden bald zu der Ueberzeugung gelangen, daß solche kleinen Schulen nicht dasselbe leisten könnten, wie mehrklassige Schulen, und, von dem Recht, welches § 11 ihnen gebe, Gebrauch machend, ihre Kinder in eine mehrklassige Schule überführen. Die kleine Schule werde sih leeren, die größere erfordere weitere Lehrkräfte und die Lasten würden für die Gemeinden unershwinglih sein. Der con- servative Antrag würde zur Folge haben, daß solhe Kinder in der kleinen L rücksihtslos verbleiben müßten, ein folher Zwang beruhe doch auf einem falschen_ Princip. Abg. Nintelen (Gentr.) bestreitet, daß die mehrklassigen Schulen mehr leisteten als die einklassigen. Die auf einer solchen Annahme beruhenden Folgerungen seien also hinfällig. Abg. Rickert (dfr.): Das Centrum habe im vorigen Jahre den § 11 genchmigt, jeßt seien ihm erst Bedenken aufgestoßen. Natürlich, die Gelegenheit sei ja jeßt günstig, weitgehende Forderungen zu stellen, das wolle er im Plenum noch ins Licht stellen. Daß mehrklassige Schulen in pädagogischer Beziehung mehr leisteten, als einklassige, {tehe doh außer Zweifel. Windthorst habe früher stets erklärt, das Recht der Eltern müsse ge- wahrt und respectirt werden. Nach weiterer Debatte werden schließlich in der sehr complicirten Abstimmung die nationalliberalen und freicon- servativen Anträge abgelehnt und § 15 in einer, durch Anträge der Conservativen und des Abg. Dr. Virhow modificirten Fassung angenommen. Die Annahme erfolgte mit 16 Stimmen. 8 11 wurde danah in folgender Fassung mit 18 Stimmen angenommen: „Wo drei- und mehrklassige Volksschulen vorhanden sind, sollen in der Regel (statt „dürfen“, Antrag der Conservativen) Kinder niht gegen den Willen der Eltern oder deren Stellvertreter einer einklassigen Volks- schule zugewiesen werden.“ Hierauf wurde der von den National- liberalen für den Fall der Annahme des § 195 neu vor- geschlagene folgendermaßen lautende § 15a gegen 11 Stimmen Ib T ebn: „Die Bestimmung des § 15 kommt nicht zur Anwendung, sofern die zu errihtenden Schulen nah der vorhandenen Kinderzahl ein- oder zweiklassig sein würden, während im übrigen an dem Orte drei- -oder mcbritalliae Schulen bestehen.“ Die Commission vertagte fich darauf bis heute Vormittag 10 Uhr.

In der heutigen Sitzung wurde zuerst § 15 in der gestern an- genommenen Fassung verlesen. Der Paragraph lautet nunmehr: „Wo die Zahl der Schulkinder einer vom Staat anerkannten WMNeligions- gesellshaft in einer Schule anderer Confession über dreißig steigt, fann vorbehaltlih der Bestimmung der § 11 des Regierungs-Präfident bei Zustimmung der Gemeinde (Gutsbezirks, Schulverbands) die Errichtung einer besonderen Volksschule für diefelbe anordnen, wenn seitens der zuständigen Organe der betreffenden Reli ionsgesellschaft ein bezügliher Antrag gestellt wird. Die versagte Zustimmung kann bei ländlihen Schulbezirken durch den Kreisausschuß, bei städtischen Squlbezirken durch den Bezirksausshuß ergänzt werden. _Der Zu- stimmung der Gemeinde (Gutsbezirks, Schulverbands) bedarf es nicht, wenn in einem Schulbezirk (Schulverband) die Zahl folcher Kinder über scchzig steigt.“ Zur Verhandlung stand dann zunächst § 16, welcher lautet: „Der Religionsunterriht wird nach der Lehre derjenigen Religionsgesellshaft ertheilt, welcher die Schüler angehören, die ihn?empfangen.“ Abg. Dr. von Jazdzew ski (Pole) beantragte, folgenden Saß anzufügen: „und unter Mit- anwendung ihrer Muttersprache, solange dieselbe regelmäßig bei dem öffentlichen Gottesdienste für die Gemeinde gebrauht wird.“ Der Antragsteller hob hervor, daß er seinen Antrag gegen frühere leichartige Anträge exheblich eingeschränkt habe, weil die Mutter- prahe beim Religionsunterricht nur dort Anwendung finden solle, wo sie beim Gottesdienst regelmäßig an ewendet werde, was den Antrag somit praktish durhführbar mahe. Er wolle indessen das Wort „Mitanwendung“ in seinem Antrage in „An- wendung“ umwandeln und damit demselben eine erheblich erweiterte Bedeutung geben. Abg. Wessel (freicons.) gab zu, daß der Antrag eher praktisch durchführbar sei, wie frühere gleih- ge Anträge, erklärte sich aber doch gegen die, Annahme weil er für poelpracciee Gegenden schr nachtheilig wirken fönne. Dort werde in den fatholishen Kirhen überwiegend yoluis ge predigt, auch wenn die Bewohner Eo ut Deutsch wie Polnisch verständen. Müsse nun den Kindern polnischer Muttersprache, wenn- gleich sie gut Deutsch könnten, der Religionsunterricht in der polnischen Sprache ertheilt werden, so polonisire man eben die Kinder. Staats- Minister Graf Zedlitz wies darauf hin, da der Antrag bei § 16 nicht an der richtigen Stelle einseße. 2 dgeschen davon halte er ihn in sprahlich gemischten Gegenden, also insbefondere an

der Grenze der verschiedenen Sprachgebiete, niht für durchführbar. Es bleibe au zu berüdcksichtigen, daß bei Annahme des Antrags dieser sich in nationaler Beziehung nachtheilig bemerkbar machen fönne und daß er insbesondere die Wünsche der Betheiligten nicht berücksichtige. Denn es gebe weite Kreise in der evangeli} ch- polnischen Bevölkerung, die auch die Ertheilung des Neligions- unterrihts in der deutshen Sprache wünshten. Dur Fortlassung der Silbe „Mit“ erhalte der Antrag zudem eine erhebliche Verschärfung. Abg. Dr. von Jazdzewski (Pole) fügte darauf die Silbe „Mit“ wieder ein, da er dur deren Fortlassung keine Vershärfung des Antrags beabsihtigt habe. Die Abgg. Freiherr von Huene (Centr.) und Dr. Por ch (Centr.) befürworteten den Antrag. Abg. Hobrecht (nl.) war dagegen; die jeweilige Entscheidung, wie weit die Mutter- sprache für Kinder einer anderen Nationalität bei Ertheilung des Religionsunterrihts zuzulassen sei, sei nicht geseßlich zu regeln, müsse vielmehr der Verwaltung überlassen bleiben. Schließlih wurde der Antrag von Jazdzewski gegen 7 Stimmen abgelehnt.j

Nr. s des „Centralblatts der Bauverwaltung“, herautJ gegeben im Ministerium der vffentlihen Arbeiten, vom 20. Februar hat folgenden Inhalt : Zur Erinnerung an J. M. Mauch. Preisbewerbung um das Rathbaus in Pforzheim. Technische Maßnahmen zur Bewältigung des Pilgerverkehrs in Trier im Sommer 1891. (Schluß.) Der Städtetag auf der elektrotehnishen Aus- stellung in Frankfurt a. M. (Schluß.) Vermischtes: Preisbewer- bung für Pläne zu einem Schlachthaus in Hameln. Fenster und Thüren aus Buchenholz. Verkauf photographischer Aufnahmen seitens der Meßbildanstalt des preußischen Cultus-Ministeriums. Kältebiegeversuche mit Flußeisen. Keidel’'s Nuß- und Funkenfänger. Materialbedarf für den eisernen Ueberbau von Straßenbrücken. Vorstand des Architektenvereins in Berlin für das Sahr 1892. Die Forthbrüccke im Orkan. Beseitigung der Brunel’schen Weit- spur in England. :

Entscheidungen des Ober-Verwaltungsgerichts.

Ein Holzhändler hatte einen Wald zum Abholzen gekauft, und beim Abbolzen war ein Arbeiter beschädigt worden. Das Ober- Verwaltungsgeriht hat die Frage, ob der Arbeiter bei der Beschäfti- gung in einem forstwirthschaftlihen Betriebe den Unfall erlitten, in Uebereinstimmung mit dem Nundfchreiben des Neichs-Ver- sicherungsamts vom 10. Januar 1889, bejaht und in dem Urtheil vom 4. Januar 1892 TIl 41 diese Annahme, wie folgt, begründet : Die Forstwirthschaft findet als eine auf die Gewinnung gebrauchs- fähigen Holzes gerichtete Thätigkeit ihren Abschluß erft nit der Fällung und Herrichtung des Holzes in den für den Gebrauch und Ver- tauf geeigneten Zustand.: Die Arbeit der Holzfällung u. \. w. vollzieht sich im Walde an dem Gegenstand der Forstwirthschaft und wird regel- mäßig von forstwirthschaftlihen Arbeitern verrichtet. Wesentlich mit wegen der Gefährlihkeit der Holzfällung u. \. w. ist die Forstwirth- schaft vom Geseßgeber (Ges. vom 5. Mai 1886) für unfallver- \icherungspflihtig erklärt worden. Die Unfallverhütung auf dem Gebiet der Forstwirthschaft hat sch in erster Reihe mit den Ge- fahren der Holz;fällung zu befassen. Demgemäß ist die Holzfällung einsc{ließlih der im Wald erfolgenden Herrichtung des gefällten Holzes in verkaufsfähigen Zustand stets als forstwirthschaftliche Thätigkeit anzusehen, iletdola ob sie einen Theil des forstwirth- \chaftlihen Betriebes des Waldbesiters oder einen felbständigen forst- e ua Betrieb des Kaufers des abzuholzenden Waldbestandes arjstellt.

Nach § '53 Abs. 2 der Reichsgewerbeordnnng kann die Erlaubniß zum Betriebe der Schankwirthschaft zurü- genommen werden, wenn aus Handlungen oder Unterlassungen des In- Mee der Mangel derjenigen Eigenschaften, welche bei Ertheilung der Erlaubniß nach Vorschrift dieses Geseßes vorausgeseßt werden mußten, klar erhellt. Nach § 33 a. a. O. ist aber die Erlaubniß zum Betricbe der Schankwirthschaft u. a. zu versagen, wenn gegen den Nachsuchenden Thatsachen vorliegen, welche die S me rechtfertigen, daß er das Gewerbe zur Förderung der Völlerei mißbrauchen werde. Unter „Völlerei ist nicht nur der an sih unmäßige oder gar nur der zur Betrunkenheit führende, sondern au außerdem jeder Genuß geistiger Getränke, welcher die gesezmäßigen Schranken über- schreitet, zu verstehen, so namentlich wie das Ober-Verwaltungs- gericht wiederholt und erneut in dem Urtheil vom 25. Januar 1892 [TT 78 ausgesprochen hat das Trinken über die Polizeistunde hinaus.

Verkehrs-Anstalten.

Bremen, 22. Februar. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Postdampfer „Hannover“, vom La Plata kommend, ist am 91. Februar Nachmittags auf der Weser angekommen.

Ein bei der Direction des „Norddeutschen Lloyd“ aus Antwerpen von 3 Uhr 22 Min. Nachmittags eingegangenes Telegramm lautet: „Kaiser Wilhelm 11.“ ist bei Doel auf den Grund ge- rathen. Die Lage ist nicht gefährlih, der Dampfer wird vermuthlich heute Abend abkommen.

23. Februar. (W. T. B.) Der Postdampfer „Weimar “, am 6. Februar von Bremen abgegangen, ist _am 22. Februar Vor- mittags in Baltimore angekommen. Der Schnelldampfer „Ems“ hat am 22. Februar Vormittags die Neise von Southampton nach New-York fortgesetzt.

Hamburg, 22. Februar. (W. T. B.) Hamburg-Ame- rikanishe Patcketfahrt - Actiengesellshaft. Der Post- dampfer „Francia“ is, von Hamburg kommend, gestern in St. Thomas eingetroffen. s

Triest, 22. Februar. (W. T. B.) Die Lloyddampfer werden am 27. Februar die Fahrten nah den Häfen der unteren Donau wieder aufnehmen. l

London, 22. Februar. (W. T. B.) Der von Vliffingen fommende Postdampfer A Hendrik“ strandete heute Morgen während \tarken Nebels beim Eingange in den Hafen von Queenborough. Man hofft, den Dampfer bis 6 Uhr Abends wieder flott zu machen. Die Passagiere und die Postsachen find elandet. as 93. Februar. (W. T. B.) Die Versuche des Postdampfers „Netherland*, den festgefahrenen Dampfer „Prinz Hendrik“ wieder flott zu machen, waren bisher vergeblih, weil das Tau brach. Bei der nächsten Fluth finden weitere Versuche stat.

Der Union-Dampfer „Moor“ ist auf der Heimreise heute in Southampton angekommen. Der Union - Dampfer Athenian is auf der Ausreise am Sonnabend von Southampton abgegangen. 2 y

Reval, 22. Februar. (W. T. B.) Infolge des eingetretenen Thauwetters sind die Dagerorter Passage und der hiesige Hafen wieder ei sfrei geworden.

Mannigfaltiges.

Der Bau der Kaifer Wilhelm-Gedächtnißkirche schreitet rüstig vorwärts. Davon gab die am vorigen Sonnabend im

Ministerium des Königlichen Hauses abgehaltene Sißung des für die Ausführung des Unternehmens gebildeten Comités ein erfreuendes Zeugniß. Seine Majestät der Kaiser und Könt1g geruhten, an der Versammlung persönli theilzunehmen und folgten den Ver- handlungen mit ausgeprägt lebhaftem Interesse. Das in dem Saal aufgestellte Modell des zu errichtenden Gotteshauses erregte allgemeine Berwounderung. ( y

Zeichnungen stellten den Bauentwurf in allen einzelnen Theilen dar.

Die an der einen Wand des Saales angebrachten

stellung der Mitglieder des Vorstands des Evangeli

Nachdem Seine Majestät die Gnade gehabt Se e ird Vor- schen Kirchenbau-

C E

M E Se S

E