1892 / 56 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 04 Mar 1892 18:00:01 GMT) scan diff

vin CnAE a H

ETAD RErE=

r R E

4e * T A R

\clehtert worden ist. Zusäßlich wurde weiter die Vorschrift beschlossen, daß theilweiser Untergang, wenn ein erheblicher Theil des zurückzugewährenden Gegenstandes untergegangen ilt, einer wesentlichen, anderenfalls einer nicht wesentlichen Ver- schlehterung gleihstehen und daß der rechtsgeschäftlichen Ver- fügung die Verfügung gleichgestellt werden soll, welche durch

Urtheil oder im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung erfolgt. Der F 431 wurde gestrichen.

An Stelle des § 432 gelangte unter Streichung des zweiten Satzes die Vorschrift zur Annahme, daß das Nüctrittsrecht erlisht, wenn es nicht innerhalb der ver- einbarten Frist und in Ermangelung einer solchen nicht inner- halb einer dem Berechtigten von dem anderen Theile zur Er- flärung bestimmten angemessenen Frist ausgeübt wird. Der sachliche Jnhalt des § 433 crfuhr keine Anfechtung, ebenso wenig der § 434 Abs. 2; dagegen wurde der Z 434 Abs. 1 mit Nüekfsicht auf die früher beschlo})ene Ablehnung des S 196 gestrichen. Anlangend den § 435, welcher den Vorbehalt des Nücktrittsrehts gegen Reugeld regelt, hielt man es mit Rück sicht auf Treu und Glauben für geboten, die Nüktrittserklärung auch in dem Falle, in welhem das Reugeld nicht bei der Er- klärung entrihtet wird und auch niht {hon vorher entrichtet war, nur dann als unwirksam zu behandeln, wenn der andere Theil wegen Nichtentrichtung des Neugeldes die Erklärung unverzüglih zurücweist. Die Erklärung soll jedo gleichwohl wirksam sein, wenn das Reugeld unverzüglich nach der Zurückweisung entrichtet wird. Der zweite Saß des Z 439 wurde gestrihen. Der § 436 fand unter Ablehnung eines auf Streichung gerichteten Antrages die Zustimmung der Mehrheit. E

Nach Erledigung der Vorschriften über das ver- tragsmäßige Rüktrittsreht (ZS 426 bis 436) trat die Commission in die Berathung der früher vorbehaltenen

Frage ein, inwieweit diese Vorschriften O zue ait sprehenden Anwendung auf die Wandelung wegen eines Mangels der verkauften Sache eigneten

(8 387). Man verständigte sih dahin, die Vorschriften des S 4927 Abs. 2 bis 4 und der 88 428 bis 430, 433 nach Maß- gabe der zu denselben gefaßten Beschlüsse und unter Aufrecht: erhaltung der im § 387 unter Nr. 1, 2 bestimmten Ab- weihungen im Falle der vollzogenen Wandelung für ent: sprechend anwendbar zu erklären. An Stelle des §427 Abs. 1 soll die Vorschrift treten, daß durch die Vollziehung der Wandelung die beiderseitigen Verbindlichkeiten aus dem Kauf- vertrage erlöschen und beide Theile gegenseitig so berechtigt und verpflichtet sind, wie wenn der Vertrag nicht geschlossen wäre. Ferner sollen die Vorschriften über Gewähr- leistunn wegen Mängel der verkauften Sache durch die Bestimmung ergänzt werdcn, daß der Verkäufer, wenn ihm gegenüber der Käufer einen Mangel der verkauften Sache behauptet, berechtigt ist, dem Käufer eine angemessene Frist zur Erklärung darüber zu bestimmen, ob er wegen des Mangels Wandelung oder Minderung verlange, und daß, wenn die Erklärung nicht innerhalb der Frist erfolgt, der Käufer die Ansprüche auf Wandelung oder Minderung ver- liert. Erklärt der Käufer innerhalb der Frist, von dem Rechte der Wandelung oder der Minderung Gebrauch machen zu wollen, fo soll es bei den zu § 384 beschlossenen Vorschriften bewenden. Eine Aenderung erfuhr weiter der von der Wandelung

wegen Viehmängel handelndé § 404 Abs. 1 durh den Zusaß, daß ut. Fallé cer von dem Käufer zu vertretenden, vor Vollziehung der Wandelung

herbeigeführten Verschlehterung des Thieres der Käufer den durch dieselbe verursachten Minderwerth zu vergüten habe, sowie durch die Streichung des dritten Saßes des Y 404 Abs. 2. Außerdem soll im § 404 zum befonderen Ausdruck gebracht werden, daß der Käufer zum Ersaze nicht gezogener Nußungen nicht verpflichtet ist. Die Streitfrage, ob der Käufer cines mangelhaften Thieres in der Zwischenzeit verpflichtet sei, Nutzungen von demselben zu ziehen, ist damit in verneinendem Sinne entschieden.

Die Berathung wandte sih sodann dem von der Schenkung handelnden Titel (§8 437 bis 452) zu. Mit dem Entwurfe hielt man daran fest, daß zum Begriffe der Schenkung cine Vermehrung des Vermögens des einen Theils auf Kosten des anderen Theils erforderlich sein solle. Ein Antrag, den Schenkungsbegriff auf die Zuwen- dung 1edes wirthshaftlichen Guts auszudehnen, fand keinen Anklang. Andererseits wurde die Bestimmung des S 437, daß die Zuwendung in der Absicht der Bereiche- rung erfolgt und von dem anderen als Geschenk ange- nommen sein müsse, durch die Vorschrift erseßt, daß es des Einverständnisses beider Theile über die Unentgeltlichkeit der Vermögensvermehrung bedürfe. Zu § 438, welcher die Fälle behandelt, in denen jemand in der Absicht zu schenken, das Vermögen eines anderen ohne dessen Willen vermchrt, wurden die Säge 1, 3 ihrem sahlichen Inhalte nach genehmigt. An Stelle des zweiten Satzes entschied nh die Mehrheit für die Aufnahme der Bestimmung, daß in den bezeichneten Fällen das Einverständniß des anderen Theiles mit der Schenkung als erklärt gelten folle, wenn dieser nicht innerhalb einer ihm von dem Zuwendenden zur Erklärung be- \timmten angemessenen Frist die Schenkung ablehnt. Die von einer Seite vorgeschlagene Construction, daß es in den be- zeichneten Fällen der Annahme der Schenkung nicht be- dürfe, der Beschenkte aber die Schenkung ablehnen könne, so lange er sie niht angenommen habe, fand niht die Zu- stimmung der Mehrheit. Der § 439 Abs. 1 wurde ge- strichen, desgleih der Abs. 2, soweit derselbe sich auf den Fall bezieht, wenn die für ein Recht bestehende pfand- rehtlihe oder andere Sicherheit aufgegeben wird. Jm übrigen wurde der sachlihe Jnhalt des § 439 genehmigt. Zu den S8 440, 441 war beantragt, die gerichtliche oder notarielle Form nicht nur für das Schenkungsversprehhen, sondern außer dem Falle des § 438 für jede Schenkungserklärung in dem Sinne vorzuschreiben, daß von Beobachtung dieser Form die Gültigkeit der der Zuwendung zu Grunde liegen- den Schenkung (niht des Zuwendungsacts) abhängig sei, von dieser Regel aber für gewisse Fälle Ausnahmen zuzu- lassen, nämlih für die Schenkung einer beweglichen Sache oder eines Rechts an ciner solchen, für die Schenkung einer Forderung und den schenkweisen Erlaß einer Schuld. Bei der Schenkung einer beweglichen Sache oder des Nechts an einer solchen solle jedoch die Uebertragung mittels sog. constitutum possessorium nicht genügen und bei der Schenkung einer Forderung die Anzeige der Uebertragung an den Schuldner seitens des Schenkgebers nicht erforderlich eik, soweit niht ein Wechsel oder ein anderes Papier welches durch Jndossament übertragen werden könne, oder ein Jnhaber- papier den Gegenstand der Schenkung bilde. Jn Fällen der

leßteren Art solle die Beobachtung der Vorschriften der S8 1225, 1226 (Verpfändung) genügen. Von anderer Seite war vor- geschlagen, zwar an dem Grundsaße des Entwurfs festzuhalten, daß nur das S der gerichtlihen oder notariellen Form bedürfe, daneben aber bei der Schenkung einer beweglihen Sache oder des Nechts an einer solhen, der Schenkung, einer Forderung oder eines sogenanntem immateriellen Rechts sowie dem schenkweisen Erlaß einer den Betrag von 300 übersteigenden Schuld die Gültigkeit von gewissen, den Vollzug der Schenkung ershwerenden Voraussezungen (Ausschließung der in 8 803 Abs. 2 und 88 804, 805 vorgesehenen Fälle des Besißerwerbes; Schriftlichkeit der Abtretung oder Aus- händigung der Schuldurkunde: Schriftlichkeit des Erlasses oder Rückgabe der Schuldurkunde) A zu machen. Nach einer eingehenden Erörterung entschied sich die Mehrheit unter Ablehnung der Anträge für den Standpunkt des Ent- wurfs. Der 440 Abs. 1 wurde mit dem Zusaßz angenommen, daß der Mangel der Form durch Bewirkung der versprochenen Leistung geheilt werde. Der § 441 wurde gestrihen. Anlangend den § 440 Abs. 2 fand ein auf Streichung desselben gerichteter Antrag keine Zustimmung ; es wurde jedoch beschlossen, nur ein Schuldversprehen im Sinne des 8 683, nicht aber auch andere abstracte Versprechen, z. B. ein schenkweise gegebenes Wechselversprechen, der Formvorschrift des 8 440 Abs. 1 zu unterwerfen. Der im übrigen nicht be- anstandete § 442 crhielt den Zusag, daß der Schenker auch in den Fällen der S8 345, 347 nur wegen Vorsaßes oder grober Fahrlässigkeit hafte. Als § 4422a 1purde ferner die Vorschrift aufgenommen, daß der Schenker die Erfüllung eines Schenkungsversprechens zu verweigern be- rechtigt ist, soweit er bei Berücksichtigung seiner anderweiten Verpflichtungen, insbesondere auch der ihm obliegenden geseßz- lichen Unterhaltspflichten, ohne Beeinträchtigung seines eigenen standesmäßigen Unterhalts die Erfüllung zu bewirken außer stande ist. Soweit hiernach der Schenker bei dem Zusammen- treffen der Ansprüche mehrerer Beschenkten niht im stande ist, allen Ansprüchen zu genügen, soll der früher entstandene Anspruch dem später entstandenen vorgehen. Ein Antrag, dem Schenker im Falle seiner nach Vollziehung der Schenkung eingetretenen Verarmung das Necht zu geben, die Herausgabe der Hälfte des Geschenks zu verlangen, soweit diese zur Deckung des angemessenen Unterhalts für ihn, seinen Ehe-

gatten und seine Kinder erforderlich sei, wurde abgelehnt.

__ Die Thatsache, daß sh für das Jahr 1899 auf dem Ge- biete der Unfallversiherung eine Zunahme sowohl der Zahl der Verletten, für welche Ünfallanzeigen erstattet worden sind, als auch der Zahl derjenigen Unfälle ergeben hat, für welche im Jahre 1890 erstmalig Entschädigungen festgestellt worden sind, erstere betrug 200 001 (gegen 174 874 im Jahre 1889), leßtere 42038 (gegen 31449) —hat das Reichs-Versiche- rungsamt veranlaßt, die Genossenschaftsvorstände aufzufordern, über ihre Erfahrungen auf diesem Gebiete zu berichten. Jn einem Rundschreiben vom 22. Februar macht das Reichs-Versiche- rungsamt bekannt, daß von den gewerblichen Berufs- genofsenschaften die überwiegende Mehrzahl als die haupt- sächlichsten Gründe für die Zunahme der Unfälle folgende be- zeichnet hat:

1) die im Jahre 1890 wesentlih verschärfte Controle über die Anmeldung der Betriebsunfälle 104 Absaß 2 des Unfallver- sicherungêgeseßes) ;

2) die angespanntere Thätigkeit der Industrie während des Jahres 1890 und des mit in Betracht kommenden leßten Theiles des Jahres 1889, fowie die dadur vielfach herbeigeführte Einstellung von nicht genügend angelernten und geübten Arbeitern ;

3) die mehr und mehr in alle Kreise der arbeitenden Bevölkerung eingedrungene Vertrautheit mit den Bestimmungen der Unfallversiche- rung8geseßzgebung, welche naturgemäß zu einer häufigeren Verfolgung von Entschädigungsansprüchen, insbesondere auch bei leichten Ver- leßungen, geführt habe. Diese Bekanntschaft mit den einshlägigen Vorschriften und die gesteigerte Geltendmachung von Entschädigungs- ansprüchen werde auch von örtlichen Behörden, Lehrern, Arbeitgebern der Verleßten 2c. durch Ertheilung von Nath und durch Abfassung schriftlicher Anträge immer mehr gefördert: auch komme die Zunahme der Zahl der Winkelconsulenten in Betracht, welche die Berathung der Verletzten gewerbsmäßig betreiben und sie vielfah zur Erhebung unberchtigter Ansprüche verleiten sollen : ;

4) die durh die Nechtsprehung des Neichs-Versicherungsamts und der Schiedsgerichte gewonnene wohlwollende, übrigens aud dem (Geiste der focialen Gefeßgebung entsprechende Auslegung des Begriffs „Betriebsunfall“, welche erst in den leßten Jahren in die Praxis der Genofssenschaftsorgane in vollem Maße Eingang gefunden und zur Anerkennung einer erhöhten Zahl von Entschädigungsansprüchen, und auch hier gerade für die „leichteren“ Unfälle, beigetragen habe.

In leßterer Beziehung machen mehrere Genossenschaftsvorstände darauf aufmerksam, daß die Axbeiter in wachsendem Umfange für fleinere Verleßungen, wie, z. B. für geringfügige Be- schädigungen der Finger, der Augen u. |. w., welhe vor Einführung der Unfallgefseßgebung nicht beachtet wurden, Ent- schädigungéansprüche erheben. Gerade diese Ansprüche, und zwar inébesondere auch die wegen angeblich durch Betriebsunfall entstandener Leistenbrüche erhobenen, immer zahlreicher auftretenden Entschädigungs- forderungen ergäben einen recht erheblichen Bruchtheil der insgesammt zu entschädigenden Unfälle.

Außer den vorbezeihneten hauptsählichsten Ursachen werden von einzelnen Berufsgenossenshaften noch folgende Umstände geltend gemacht, welche zu der Steigerung der Unfallziffer im Jahre 1890 beigetragen haben sollen:

Von einigen Seiten wird das vielfa bervortretende Bestreben verleßter Arbeiter betont, anderweitig erworbene oder {hon früher vorhanden gewesene Krankheiten, wie Lungentuberkulose u. \. w., auf einen Betriebsunfall als unmittelbare, häufiger noch als nur mit- wirkende und mittelbare Urfache zurückzuführen. Auch findet sich die Ansicht, daß das wachsende Gefühl der Sicherheit, das den Arbeitern aus der Ausficht auf eventuelle Entschädigung erwächst, fie hin und wieder zur Außerachtlassung der Unfallverhütungs- vorfchriften und zu einer gewissen Nachlässigkeit bei dem Gebrauch der Schußvorrichtungen zu verleiten scheine. Ferner wird die zunehmende Vermehrung der Unfälle in den großen Industriecentren theils auf die Gelegenheit zu geren Arbeitswechsel, theils auf die die Frische und Besonnenheit der Arbeiter becinträhtigende großstädtishe Lebens- weise zurückgeführt; auch sollen die hier häufiger ausbrechenden Strikes einen leicht erflärlichen, ungünstigen Einfluß auf die Vermehrung der Unfälle ausüben. Ganz vereinzelt wird über Simulation von Arbet- tern Klage geführt, während mehrere Berufsgenossenschaften in allen diesen Beziehungen, befonders aber was die angeblihe Simulation von Betriebsunfällen und deren Folgen betrifft, ausdrücklich davor warnen, aus vereinzelt beobachteten Vorkommnissen allgemeinere Schlüsse zu ziehen, welche zu Ungunsten des Arbeiterstandes sprechen.

Als ein beahtenswerthes Moment wird ferner die im Bereiche einiger Berufsgenossenschaften beobachtete, immer mehr zunehmende R p der Handarbeit durch den gefahrvolleren Maschinenbetrieb hervorgehoben. So hat die Scec-Berufsgenossenschaft dur Auf- stellung einer Statistik nachgewiesen, daß auf die Dampfschiffsbesatzungen

durhscnittlich beinahe cin Drittel mehr Unfälle, als auf die B, saßung der Segelschiffe entfällt, und daß \sih demgemäß als Haupt. rund für die Vermehrung der Sceunfälle im Jahre 1890 der Um- ftand ergiebt, daß die Zahl der zur Besaßung von Segelschiffey gehörenden Personen gegen das Vorjahr bedeutend zurückgegangen if während die Zahl der Besaßung von Dampfschiffen um 12%, zy; genommen hat. é S : h

Eine Reihe von Berufsgenossenschaften weist darauf hin, daß die Vorbildung und Zucht des Arbeiternahwuhses bei der immer mehr zunehmenden Arbeitstheilung und „nah Aufhebung der alten be. währten Dreiheit: Meister, Geselle, Lehrling“, wie ih ein Beritt ausdrückt, sehr im Argen liege, und daß durch die infolge dessen ge- botene Einstellung von mehr und mehr unerfahrenen und unausgebi[- deten jungen Arbeitern das Gefahrenrisiko in leßter Zeit bedeutend vermehrt worden sei.

Die Vorstände der Baugewerks-Berufsgenossenshaften schreiben die im Baugewerbe allerdings in besonderem Maße eingetretene Steigerung der Zahl der Unfälle vorzugsweise dem Umstande zu, daß nach ihren Erfahrungen si fortwährend eine starke Zunahme der- jenigen Mitglieder ihrer Genossenschaften bemerkbar mache, welche ohne jede tebuiide Borbildung die Ausführung von Bauten über- nehmen. Ie weniger diese Unternehmer mit den mannigfaltigen Ge- fahren des Baubetriebes vertraut seien, umsomehr werde die Vorsicht bei der Anlage von Rüstungen, Constructionen u. \. w. ver- mißt, während die bierdur herbeigeführte Gefährdung der Arbeiter noch dadurch vermehrt werde, daß das häufig vertrag8mäßig über- nommene überschnelle Emporbauen der Gebäude zugleich eine über- mg Concentration von Arbeitern auf der Baustelle zur Folge abe.

In den landwirthschaftlihen Betrieben wird dic e der Zahl der entshädigten Unfälle zwar durch den Ümstand zur Genüge erklärt, daß bei cinem großen Theile der landwirthschaftlichen Berufsgenossenshaften im Jahre 1890 das Gesez überhaupt erst während eines vollen Rechnungs- jahres in Kraft war. Auch bestätigen die eingegangenen Berichte durchgehends, daß der oben unter 3 ausgeführte Umstand im Bereiche der Landwirthschaft für die Vermehrung der Zahl der entshädigten Unfälle der ausschlaggebende ist, da naturgemäß die Kenntniß der Unfallgeseßgebung auf dem Lande viel langsamere Fortschritte gemacht habe.

Bei dem kurzen Bestande der landwirthschaftlichen Unfall: versicherung ist es auch erklärlich, daß den landwirthschaftlichen Berufsgenossenschaften noch keine Gelegenheit zur Sammlung umfassenderer Erfahrungen nach Art der von den gewerblichen Berufsgenossenschaften in ihren Berichten niedergelegten gegeben war. Doch ist zu erwähnen, daß die Mehrzahl der Berufs- genossenschaften ebenfalls die verschärfte Controle über die

“Anmeldung der Betriebsunfälle und die Spruchübung des

Neichs-Versicherungsamts und der Schiedsgerichte, einige au die vermehrte Ausbeutung unbedeutender Unfälle und \{chon früher bestandener Krankheiten als Gründe der Vermehrung der bekannt gewordenen Unfälle bezeichnet haben.

Auch für das Jahr 1891 hat fd eine Steigerung der zur Anmeldung gelangenden und der entshädigten Unfälle ergeben: erstere betrug 224 028, leßtere 51 437. Das Reichs- Versicherungsamt hat die Berufsgenossenschaften aufgefordert, diese Angelegenheit nicht nur fortgeseßt im Auge zu behalten, sondern auch sih die Ermittelung der in dem Arbeiterstande über die Sache hervortretenden Ansichten durh entsprechende Anhörung der Vertreter der Arbeiter insbesondere gelegent- lich ihrer etwaigen Zuziehung zu der Berathung und Beschluß- fassung über den Erlaß oder die Abänderung ‘der Unfall- verhütungsvorschriften nah Möglichkeit angelegen sein zu

lassen.

Der gestern Abend von hier nah Bromberg abgelassene Schnellzug 61 ist heute Morgen um 5 Uhr 45 Minuten vor dem Bahnhof Bromberg auf eincn dort haltenden Güter- zug gestoßen. Hierbei sind eine Locomotive, zwei Personen-, der Packwagen und der Postwoagen erheblich, zwei Personen- wagen und der Schlafwagen leiht beschädigt. Reisende find nicht verleßt, dagegen find bei diesem Unfall leider der Packmeister, der Heizer und der Bremswärter des Schnellzuges getödtet, der Zugführer, cin Postschaffner und einige Bremser leicht verlegt. Der Unfall scheint nach den vorläufigen Erhebungen dur das vorschriftswidrige Verfahren des dienstthuenden Telegraphisten in Bromberg herbeigeführt

zu sein. Näheres wird die Untersuchung, die sofort eingeleitet ist, ergeben. (Vgl. die Meldung nah Schluß der Re- DaCIoI, D)

Der Kaiserlihe Minister-Resident in Bangkok Kemper- mann hat einen ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub an- getreten.

_Der Gencral-Lieutenant z. D. von Kobe, Ober-Jäger- meister Seiner Majestät des Kaisers und Königs, ist zu kurzem Aufenthalt hier eingetroffen.

Der Regierungs-Assessor von Harlem zu Cassel ist mit der commissarishen Verwaltung des Landrathsamts im Kreise Ottweiler, Regierungsbezirk Trier, beauftragt worden.

S. M. Kanonenboot „Jltis“, Commandant Capitän- Lieutenant Müller, ist am 2. März in Swatow eingetroffen und geht am 7. März nach Amoy. S. M. Kreuzer „Sperber“, Commandant Corvetten-Capitän Fischer, ift am 3. März in Sydney eingetroffen. S. M. S. „Prinzeß Wilhelm“, Commandant Capitän zur See Boeters, ist am 3. März von Plymouth nah Neufahrwasser in See gegangen.

Vauern. München, 3. März. Die Kammer der Abgeord- neten setzte heute, wie der „Köln. Ztg.“ gemeldet wird, dic Erörterung über die deutshen Schulen fort. Der Cultus- Minister Dr. von Müller erwiderte auf die vielcn vor- gebrachten Einzelheiten, Bayern habe die confessionelle Schule, und seine Simultanschulen, in denen der Religionsunterricht genau geregelt sei, dürften nicht mit confessionslosen Schulen auf gleihe Stufe gestellt werden. Die Parität habe die bayerische Regierung von jeher gewahrt, und er habe in dieser Beziehung neue Bahnen nicht einzuschlagen. Schließlich wandte sih der Minister gegen die Agitation gewisser Lehrer- vereine gegenüber der Aufbesserungsvorlage der Regierung, indem er seine Worte vom vorigen Sonnabend (Siche Nr. 52 des „N. u. St.-A.“ vom 29. v. M.) aufrechterhielt. Wenn immer auf Ueberschüsse hingewiesen werde, so sei das cine Verschleierung

: : _oder Verdrchung, denn mit vorübergehenden Uebershüssen könne man nicht

e Mehrausgaben decken. Die Artikel der Lehrer- e Mh ee nicht gebilligt. Es scheine, daß nunmehr an die Redaction entsprechende Weifungen von der Vorstand- schaft ergangen seien. Der Lehrerverein habe feine Politik zu treiben. Der Abg. Schubert erwiderte in längerer Rede und bedauerte, daß nicht auh auf kflerifaler Seite ebenso sachlih debattirt werde, wie er angefangen habe. Er werde niemals die Hand dazu bieten , daß die Lehrer Bayerns sih in zwei nach Confesfionen getrennte Vereine schieden. Der Finanzaus\chuß der Kammer der Abgeordneten hat auf Antrag des Finanz-Ministers die infolge des Nonnen- aßes für Holzhauerlöhne ausgeworfene Summe um 485 000 M, den Posten E Vertilgung der Forstinsecten um 980000 M und die zu Baumleim und zu Leimschußringen für die vom Nonnenfraße bedrohten 28 000 ha Forst erforderliche Summe ‘un 600 000 M erhöht.

Sachsen.

Dresden, 3. März. Die Erste Kammer berieth heute, wie das „Dr. J.“ meldet, den Bericht der ersten Deputation ber den Geseßentwurf wegen Abänderungen der geseßlichen Bestimmungen über die Pensionsverhältnisse der ständigen Lehrer an den Volksschulen und an den höheren Schul- anstalten sowie ihrer Hinterlassenen. Der Gesehentwurf wurde nah den Vorschlägen der Deputation und im ganzen Jnhalt in der von der Zweiten Kammer beschlossenen Fassung an- genommen. Die hierauf folgende Wahl von drei Mitgliedern des Staatsgerichtshofes ergab die einstimmige Wiederwahl der seitherigen Mitglieder.

Sachsen-Weimar-Eisenach.

Weimar, 3. März. Seine Königliche Hoheit der Groß- herzog ist, wie die „Weim. Ztg.“ meldet, am 1. März an einer leichteren Form der Jnfluenza erkrankt. Die Fieber- ersheinungen haben sih indessen bereits gemäßigt und die (Se- nesung nimmt einen regelmäßig guten Verlauf.

Deutsche Colonien.

Nach einem Bericht des stellvertretenden Kaiserlihen Com- missars Hauptmanns von François über den Zustand und die Entwickelung des südwestafrikanishen Schußgebicts im Jahre 1891 zählt die weiße Bevölkerung des Schuß- gebiets: 310 Deutsche, 273 Engländer, 19 Schweden, 8 Finn- länder, 10 Holländer, 1Belgier, Schweizer, in Summa 622 Weiße, von denen cin großer Theil jedoh keine Staatsangehörigfkeit besißt, sondern zu den sogenannten Afrikandern zu rechnen ist. Alle diese ernähren sich durch Handel und Viehzucht. Einige betreiben nebenbei ein Handwerk, wie Zimmerei, Stellmacherei und das Schmiedehandwerk. Die eingeborenec Bevölkerung besteht aus: 1) 3000 Bastards, 2) 30 000 Hereros, 3) 30 000 Ovambos, 4) 30 000 Okovangoleuten, 5) 8109 Namaquas, 6) 12 000 Bergdamaras, 7) 3000 Buschleuten, in Summa 116100 Farbigen. Die 1 bis 4 genanntenStämme ernähren sih dur Vieh- zucht, Jagd und Anbau von Weizen, Mais und Kürbiß. 5) und 6) treiben weniger Viehzucht und Gartenbau, sondern leben mehr von Raub, Jagd und Feldfrüchten. Die Busch- leute leben nur von Jagd und Feldfrüchten. - l y

Die Ein- und Auswanderung beschränkt sich auf nomadi- sirendes Wechseln der Wohnpläße an den Grenzen des Schuß-

ebictes.

i Die Haupt-Wohnpläße im nördlichen Theile des Schuß- gebietes sind: Windhoek, Rehoboth, Hornkranz, Otjikango, Ofahandja, Omaruru, Omburu, Otjimbingue, Otjisazu, Ofombahe, Otjozondjupa, Otjitambi, Ondonga, Andara, im \üdlihen Theile: Gibeon, Berseba, Keetmannshoop, Bethanien, Gochas, Warmbad, Rietfontain. e

Das Klima und die Gesundheitsverhältnisse sind gut. Nur in den Uebergangsmonaten von der trockenen zur regnerischen Jahreszeit treten in den tiefer liegenden Gegenden Malaria und Halskatarrhe auf. Am häufigsten sind diese Erscheinungen in dem nördlih von Otjitambi gelegenen Theile des Schutgebiets und in den an die Kalahari grenzen- den Flußthälern des Aub und Nofob. Europäer werden weniger als Eingeborene von Krankheiten befallen. So sind durch die vom Juni bis zum November im Damaralande grassirenden Pocken ausschließlich Eingeborene, etwa 60, dahin- gerafft worden. Unter dem Beamtenpersonal und der Schuß- truppe sind mit Ausnahme leichter Fieberanfälle keine Er- krankungen vorgekommen. L ; |

Von Urproducten wurde Gummi arabicum, welches in dem Damara- und dem Nama-Lande gewonnen wird, im Laufe des Jahres 1890 im Werthe von 3380 f ausgeführt. Der Feld- und Gartenbau liefert zweimal im Jahre Weizen, Mais und fast alle Gemüsesorten. Da dic Felder beziehungs- weise Gärten jedo in den Flußläufen angelegt sind, ohne daß irgendwelhe Vorkehrungen getroffen werden, um die bei Beginn der Regenzeit stark abfließenden Gewässer abzuleiten, so wird in den seltensten Fällen die ganze Frucht geerntet, jondern meistens im halbreifen Zustande fortgespült. Tabak wird gebaut und gedeiht gut. Obstbäume, wie Wein, Pfirsiche, Feigen, Datteln, Maulbeeren und Bananen sind mit Erfolg

angepflanzt. : E Der Bestand an Pferden und Hornvich beläuft sich nach Schäßung im : E x Pferde Rinder Kleinvich Damaraland auf 1000 200000 1000 000 Ovamboland , 100 000 500 000 Okovangogebiet —— _3 000 100 000 Namaqualand , 3000 50 000 2 009 000

Ueber das neuentdeckte Minerallager am Kilima- ndscharo, wovon wir in Nr. 36 des „R.- u. St.-A.“ vom 10. Februar Mittheilung machten, liegt jeßt ein Bericht des Kaiserlihen Commissars Dr. Peters vor, der dem Gouver- neur Proben von Verdampfungsproduct, Wasser und Erde aus dem Natron-See Mandschara übersandt hat. Jn dem Bericht heißt es: L

Das Wasser ist zur Hälfte vom Rande, zur Hälfte aus der Mitte des Sees entnommen. Das Salz scheint ziemlih reines Natron bicarbonicum mit etwas Schwefelzufaiz zu sein. Das Wasser, welches vom Rande des Teiches genommen ist, enthält eine schr große Menge Schwefelwasserstoff; das aus der Mitte scheint außerdem Brom, Chlor und andere chemikalishe Substanzen zu enthalten. Der Mandschara wird von Kibonoto in genau westliher Richtung in zwei bis drei starken Tagemärschen erreiht und scheint demna acht bis zehn deutsche Meilen westlih von Kibonoto, unserer äußersten Position am Kilimandscharo, zu liegen. Es scheint mir, daß der sogenannte Mandschara-Sece ziemlich in der Mitte zwischen Kilimandscharo und Dönjo Ngai liegt. Demnach i} seine Einzeichnung auf den Karten, füdwestlih von Aruscha nju falsch. Vom Mandschara aus hat man den Dönjo Ngai wenigstens in Sicht. : ai

Dieser sogenannte See stellt nun in Wirklichkeit ein kleines run- des Teichlein mit einem Durchmesser von etwa 150 m dar. Die Ufer sind kahl. Die Wasserfläche is an ihrer tiefsten Stelle etwas über Knietiefe. In der Mitte dieser Wasserfläche befinden fich zwei Quellen, eine etwas größere und eine etwas kleinere. Dieses hervorsprudelnde Wasser ist nicht heiß, sondern kalt. Um die Quelle herum hat sih ein Niedershlag Natron gesteinartig über die Wasser- fläche empor angeseßt. Das Wasser lauft rinnenartig über diese Natronschicht, welche sich demnach wie die Röhrenumkleidung cines Wasserwerks ausnimmt, in das weitere Becken ab.

Im Norden des Mandschara, etwa zwei Tagemärsche davon, ist

die Quelle Kilonito, welhe heiß is, aber eine ähnliche chemishe Zusammenseßung hat. Das Wasser ist von solcher Stärke, wie sicherlih die chemishe Analyse ergeben

wird, und die ganze Beschreibung paßt so sehr auf die peruantischen Landschaften, daß ich hoffe, die Analyse wird auch Salpetersäure neben dem Natron ergeben. Immerhin läßt sih schon jeßt aus- sprechen, daß zwischen Kilimandscharo und Dönjo Ngai chemische Minerallager von mächtiger Ausdehnung sich befinden. Von dem beigefügten Natron bicarbonicum soll fo viel am Mandschara - sein, daß man es aufsammeln und auf Wagen fort- fahren fann.

Falls sih die gemachten Feststellungen verwerthbar und die ent- deckten Mineralschihten abbaufähig erweisen follten, so würde das Kilimandscharo-Gebiet dadurch eine erheblih verstärkte Bedeutung für unsere Colonie erhalten. Dann würde die Frage sich aufdrängen, ob es sih nicht empfiehlt, zum Schutze eines etwaigen chemischen Unter- nehmens eine Station nah Westen vorzuschieben und unsere Stellung hier entsprehend zu verringern. .

Ich bin überzeugt, daß für ein so fundamentirtes Unternehmen ih sofort in Deutschland das Kapital finden würde. Und dann würden sih auch andere wirthschaftlihe Unternehmungen anschließen.

Oesterreich-Ungarn.

Wie das „Fremdenblatt“ meldet, ist der ungarische Finanz-Minister Dr. Wekerle gestern in Wien eingetroffen und hat mit dem österreichishen Finanz-Minister Dr. Stein- ba ch eine Conferenz über die zukünftige Gestaltung der „Oesterreichish-ungarishen Bank“ gehabt.

Sämmtliche Landtage der Monarchie, mit Ausnahme desjenigen der Bukowina, sind, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern zusammengetreten. Aufdem Tiroler Landta gewaren die italie- nischen Abgeordneten nicht erschienen. Der Statthalter Graf von Merveldt, sowie der Landeshauptmann Graf Brandis gaben dem Bedauern über deren Fernbleiben Ausdruck. Ersterer sprach die Hoffnung aus, daß die italienishen Abgeordneten zum Landtag zurückkehren würden. Inzwischen sei es Pflicht der Regierung und der Landesver- tretung, dafür zu sorgen, daß die Interessen der italienischen

Landestheile durh das Fernbleiben ihrer Vertreter feine Schädigung erführen. Jm Galizishen Land-

tag hob der Landmarschall Fürst Sanguszko hervor, daß die versöhnlichen Erklärungen der ruthenishhen Ab- geordneten am Schlusse der leßten Session, und ihre Versicherung der Treue für den Kaiser und die katholische Kirche die Grundlage ciner gemcinsamen politischen Action bilden fönnten. Jm Böhmischen Landtage drückte der Oberst Landmarschall Fürst Lobkowiß in seiner Rede die Hoffnung aus, es werde troß der vielfah vorhandenen Gegen- säße gelingen, im Jnteresse der Bevölkerung erfolgreiche Resultate zu erzielen.

Ueber den voraussihtlihen Gang der Ausgleichsver- handlungen im böhmischen Landtage weiß die „Bohemia“ Folgendes zu melden: Bei der ersten Lesung der betreffenden Vorlage werde der Antrag gestellt werden, sie abermals einer aus 27 Mitgliedern bestehenden, zu je neun aus zeder Kurie gewählten Commissson zuzuweisen. Dieser Antrag dürfe, da, wie verlautet, auch die Großgrundbesißer für ihn stimmen werden, die Majorität finden. Seitens der Jungcezechen stehe bei dieser Gelegenheit eine besondere Erklärung in Aussicht, in der sie ihren gegnerishen Standpunkt gegen- über den Vorlagen darlegen und im Vorhinein der Ansicht Ausdruck leihen wollten, daß die Ausgleichs- vorlagen vollständig beseitigt werden müßten. Jn der ersten Sißung der Ausgleichscommission selbst werde nun von den Mitgliedern des conservativen Großgrundbesizes und des Altczechenclubs für die Vertagung dieser Berathungen plädirt und in diesem Sinne sicherlih auch ein Beschluß gefaßt werden, da die Vertreter dieser beiden Gruppen, mit denen in dieser Frage auch die jungczechishen Mitglieder der Commission zusammengehen würden, in dieser über dic Majorität verfügten. Die deutshen Mitglieder der Commission würden diesem Vor- gehen in der entschiedensten Weise entgegentreten. Zugleich werde der Statthalter namens der Regierung eine Erklärung abgeben, daß diese als Theilnehmerin an den Ausgleichsvereinbarungen an ihnen festhalte und deren Durchführung mit allen ver- fassungsmäßigen und geseßlichen Mitteln anstreben wolle.

Großbritannien und Frland.

Nach den bisherigen Dispositionen über dic Reise der Königin Victoria nah der Riviera wird, wie die „A.[C.“ erfährt, Jhre Majestät Sonnabend, den 19. März, 4 Uhr Nachmittags, in Costebelle bei Hyères eintreffen. Jhre Majestät wird sih auf der Königlichen Yacht „Victoria and Albert“ von Portsmouth nah Cherbourg begeben und von dort mit der Eisenbahn weiterreisen. Jn Paris wird die Gürtelbahn den Königlichen Zug auf die Südbahn bringen.

Das gestern veröffentlichte Militärbudget auf das Finanzjahr 1892/93 wirft nah der „Magdb. Ztg.“ für die Bedürfnisse des Heeres 17545000 Pfd. Sterl. aus, 85 900 Pfd. Sterl. mehr als im Vorjahre. Die numerische Stärke des Heeres wird nicht wesentlih verändert, aber die Reserve soll auf 78 000 Mann gebracht werden.

Das Unterhaus berieth in seiner gestrigen Sißzung über den beantragten Credit zur Vermessung einer Co von Mombassa nah dem Victoria-Nyanza (vgl. Nr. 52 d. Bl.). Der Parlaments-Secretär des Auswärtigen Amts Lowther erklärte, dem „W. T. B.“ zufolge, im Namen der Regierung: es handele sich bei der Forderung darum, ob England seine traditionelle Politik zu Gunsten der Unterdrückung des Sklavenhandels fortsezgen wolle oder niht; die Eisenbahn sei ein friedliches Mittel ur Unterdrückung des Sklavenhandels im Jnnern von Afrika. Andere Länder wendeten bedeutende Summen zur Entwickelung ihrer afrikanishen Gebiete auf, während England in dieser Hinsicht bisher nihts gethan habe. Von der Eisenbahn-Route seien 150 Meilen bereits vermessen und nur 15 Meilen bisher shwierig befunden worden. Sobald die Vermessung vollständig abgeschlossen sei, würden die Re- gierung und das Land besser in der Lage sein, die Ausführbar-

keit der Eisenbahn zu beurtheilen; wenn England nichts thue, würde der Sflavenhandel in Uganda wieder aufleben.

Am Dienstag Nachmittag wurde das neue Panzer- \chiff erster Klasse „Ramillies“ auf der Thomson’schen Schiffswerft in Clydebank vom Stapel gelassen. Der Stapellauf ging, der „A. C.“ zufolge, niht ganz glatt von statten. Die Herzogin von Aberdeen hatte die Taufe vollzogen, als der eiserne Coloß, nahdem er 12 Fuß hinabgeglitten war, unerwarteter Weise nicht weiter von der Stelle wollte. Es dauerte geraume Zeit, bis der „Ramillies“ im Clyde schwamm. Das neuc Schlachtschiff ist eins von den aht, welhe nah dem Flottenvermehrungs- plan von 1889 gebaut werden sollen. Es ist eins der größten Kriegsschiffe der Welt: 380 Fuß lang, 75 Fuß breit und 441/27 Fuß hoh. Die Wasserverdrängung beträgt 14300 Tons. Der Compound-Stahlpanzer ist 250 Fuß lang und 81/4 Fuß breit mit einer Maximalstärke von 18 Zoll in der Mitte des Schiffs. Die vier shweren 13!/„zölligen Geschüße wiegen jedes 67 Tons 2000 Pfund). Je zwei werden auf den Barbettes aufgestellt werden, welche einen 18zölligen Compound- Stahlpanzer haben. Der „Namillies? wird zwei Triple- Expansions-Maschinen bekommen, welche zwei Doppelschrauben in Bewegung seßen. Das Schiff soll 171/5 Knoten die Stunde machen und als Flaggenschiff eine Besaßung von 665 Offizieren und Mannschaften haben. Jm Ganzen werden sich auf dem „Ramillies“ 78 Dampfmaschinen befinden.

Frankreich.

Im Senat verlas gestern, wie „W. T. B.“ meldet, der Justiz-Minister Ricard, in der Deputirtenkammer der Minister - Präsident Loubet eine Erklärung des neuen Cabinets, worin es heißt: Die Regierung wird alle republikanishen Gesche, namentlih das Militär- geseßh und Schulgeseß, vertheidigen. Sie glaubt jedoch nicht, das Mandat zur Vorbereitung einer Trennung der Kirche vom Staate zu haben. Die Regierung wird demnach die Concordatsgeseßgebung mit fester Hand aufrechterhalten und sie ihrem wahren Geist entsprechend anwenden. Die Mitglieder des Klerus haben den nationalen Geseßen Gehorsam zu leisten und sih von den Parteikämpfen und den Parteistreitigkeiten fernzuhalten. Sollten sich die Concordatsgeseße als unzulänglih erweisen, so werde das Cabinet vom Parlament die zu einer weiteren Action nothwendigen Mittel verlangen. Die Erklärung der Re- gierung weist sodann darauf hin, daß das Parlament durch die ökonomische Gesetzgebung den Schuß des Ackerbaues und der Jndustrie Frankreichs, sowie die Freiheit der Tarife gesichert habe und daß es dem Parlamente allein zustehe, diese Gesete zu ändern. Zum Schlusse wird auf die der Deputirten- fammer vorgelegten Arbeitergeseße hingewiesen und an die Einigkeit der republikanischen Abgeordneten appellirt.

Der Senat nahm die Erklärung schr beifällig auf und vertagte sich sodann bis Montag. Jn der Deputirten- fammer wurde die Erklärung vom Centrum mit lebhaftem Beifall, von der Rechten und äußersten Linken ziemlih kühl aufgenommen. Rivet (Republikaner) wünschte ergänzende Erklärungen des Cabinets über dessen Kirchenpolitik. Der Minister des Auswärtigen Ribot erklärte, es bestehe keinerlei Verhandlung und keinerlei Einvernehmen mit dem Vatican über die jüngste Encyclika, es könne dafür zwischen dem Staat und dem Clerus nur das Concordat maßgebend sein. Das vorige Cabinet habe die Aufmerksamkeit des Papstes auf die Kundgebung der Bischöfe über die Wahlkatehismen gelenkt, und der Papst habe in seiner Antwort die Zusichérung ertheilt, daß er die Wahlkatehismen verschwinden lassen werde. Zum Schluß forderte Ribot die Kammer auf, sich rück: haltslos im Sinne der Politik des jeßigen Cabinets auszu- sprechen. Barthou (Republikaner) drückte sein Erstaunen über die leßte Krise aus, da ja die Kammer dieselben Minister und dieselben RNegierungsgrundsäße wiederfinde. Der Minister-Präsident Loubet erklärte, er nehme die Verant- wortlichkeit für die Kirchenpolitik des vorigen Cabinets auf sich; die Regierung werde den Geseßentwurf über die Ge- nossenschaften aufrehterhalten. Pelletan verlangte die Ver- öffentlihung eines Gelbbuhs über die Verhandlungen mit dem Vatican und sprach gleichfalls seine Verwunderung darüber aus, daß das neugebildete Cabinet dasselbe sei wie das vorige. Der Minister-Präsident Loubet gab die Versiherung ab, daß das Cabinet durch keine Verpflichtung und keinen Vertrag mit dem Vatican gebunden sei. Die Kammer nahm schlicß- lih mit 325 gegen 75 Stimmen eine Tagesordnung Rivet an, in welcher die Erklärungen der Regierung gebilligt werden. Die Sitzung wurde alsdann aufgehobèn. Die Tribünen waren überfüllt, fast sämmtliche Botschafter, darunter Graf Münster, wohnten der Sißung bei. Jm Laufe der Besprehung der Interpellation Rivet’'s veränderte sich die anfänglich reservirte Haltung der Kammer und die Ausführungen Ribot's und Loubet’s wurden zu wiederholten Malen mit Beifall begrüßt.

Die große Majorität, mit welcher die die Erklärung der Negierung billigende Tagesordnung von der Kammer ange- nommen wurde, hat, wie „W. T. B.“ weiter meldet, selbst die Anhänger des Cabinets überrasht. Die Minorität bestand fast nur aus Mitgliedern der äußersten Linken; selbst die eifrigsten Anhänger Constans* stimmten für dic Regierung, angeblich um dadurch ihrer Miß- billigung über die pamphletartigen Angriffe Ausdruck zu geben, durch welche cinige Md Constans eintretende Journale das Prestige Freycinet's als Kriegs-Minister zu Tchädigen trachteien. . :

Die Mehrzahl der heute erschienenen Blätter weist auf die disparate Zusammenseßung der gestrigen Ma- jorität hin, welche wenig Dauer verbürge, constatirt jedoch den guten Eindruck, den die Offenheit des Minister- A Loubet hervorgerufen habe. Die „République Francaise“ erklärt, die Republikaner würden ihr volles Vertrauen nur derjenigen Regierung zuwenden, der die Boulangisten ihr Vertrauen systematisch verweigerten. Die „Justice“ nennt die gestrige Abstimmung eine Abdication der Kammer, die dadurch proclamirt habe, daß sie niht wisse, weshalb sie das frühere Cabinet gestürzt habe. Die „Lanterne“ bemerkt, man_ habe nicht für das Cabinet gestimmt, sondern gegen die Ministerkrise, vielleiht gegen einc O vielleiht vor allem gegen Constans. Die monarchistishen Organe sind von einer baldigen Zer- sezung des Cabinets überzeugt.

Eine Versammlung von etwa 40 Deputirten der Rechten, die sich zu der sogenannten constitutionellen Gruppe vereinigt haben, hat gestern ihr Programm fest- gestellt, aus welhem sich ergiebt, daß die Gruppe eine auf dem Boden der Republik stehende conservative Partei bildet.