1892 / 279 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 24 Nov 1892 18:00:01 GMT) scan diff

fi è 9. Zur Ertheilung der Erlaubniß is der Reichskanzler zu- ändig.

& 3. Die Erlaubniß darf nur ertheilt werden: a. an Reichs- angebörige, welche ihren Wohnsiß fowie ihre gewerbliche Niederlassung im Reichsgebiet und bei beabsihtigter Beförderung nah außer- europäischen Ländern (überseeishe Beförderung) an einem deutschen Hafenplaße baben; b.: an juristishe Personen, eingetragene Ge- nofsenschaften und Actiengesellshaften, welhe im MNReichsgebiet ihren Siß haben, sowie an diejenigen Commanditgesellschaften auf Actien, welhe im Reichsgebiet ihren Siß haben, und deren persönlih haftende Gesellshafter sich sämmtlich im Besiße der Reichéangebörigkeit befinden, bei beabsichtigter übersceischer Be- förderung jedoch nur, sofern diese Personen oder Gefells{aften ihren Sitz an cinem deutschen Hafenplage haben. Vor Ertheilung der Er- laubniß bat der Nachsuchende eine Caution im Mindestbetrage von dreißigtausend Mark zu bestellen und im Falle überseeisher Beförde- rung den Nachweis zu führen, daß ihm zu dieser Beförderung geeignete eigene Schiffe zur Verfügung stehen.

' 8&4. Die Erlaubniß ist nur für bestimmte, in der Erlaubniß- urkunde zu bezeichnende außerdeutshe Länder oder Theile von folchen und im Falle überseeisher Beförderung nur für bestimmte, in der Erlaubnißurkunde zu bezeichnende Einschiffungshäfen zu ertheilen.

& 5. Die Erlaubniß ift nicht zu ertheilen für solche überseeische Beförderung, weldche von einem außerdeutschen Hafen ausgeht. Dem Unternehmer fann jedoch die Erlaubniß ertheilt werden, mit Schiffen, welche sih auf einer vom deutschen Hafen aus angetretenen Fahrt befinden, auch von außerdeutschen Zwischenhäfen aus Auswanderer zu befördern.

8 6. Die Erlaubniß darf ferner niht ertheilt werden für solche überseeishe Beförderung, w-lche mit Transportwechsel in einem außer- deutschen Hafen verbunden ist.

8 7. Bei Ertheilung der Erlaubniß an folhe deutshe Gesell- schaften, welche ih die Besiedelung eines von ihnen in überseeischen Ländern erworbenen Gebiets zur Aufgabe machen, ist der Neichsfkanzler an die Vorschriften der 8 3, 5 und 6 niht gebunden. Im übrigen Fönnen Ausnahmen von diesen Vorschriften nur mit Zustimmung der Bundesraths-Aus\{üsse für Handel und Verkehr und für Justizwesen unter den im einzelnen Falle festzusezenden besonderen Bedingungen zugelassen werden.

& 8. Die Erlaubniß berechtigt den Unternehmer zum Geschäfts- betriebe im ganzen Reichêgebiet mit der Einschränkung, daß er außer- halb des Gemeindebezirks seiner gewerblihen Niederlassung bei der Ausübung seines gesammten Geschäftsbetriebes, soweit es sich dabei nidt lediglich um die Ertheilung von Auskunft und die Bekannt- machung der Beförderungsgelegenbeiten und Beförderungébedingungen handelt, aués{hließlich der Vermittelung feiner nah §§ 11 ff. zu- gelassenen Agenten sih zu bedienen hat.

8 9. Der Unternehmer kann feine Befugnisse zum Geschäfts- betriebe durch Stellvertreter ausüben. Auch kann nab dem Tode des Unternehmers sowie im Falle einer Curatel der Geschäftsbetrieb noch längstens scch3 Monate durch Stellrertret-r fortgeseßt werden. Die Bestellung eines Stellvertreters bedarf der Genehmigung des Neichs- tanzlers.

8 10. Die dem Unternebmer ertheilte Erlaubniß kann jederzeit beshränft oder widerrufen werden.

IT. Agenten.

8& 11. Wer sich zum Geschäfte machen will, bei der Beförderung von Auswanderern durch Vorbereitung, Vermittelung oder Abs{luß von Verträgen oder in sonstiger Weise mitzuwirken (Agent), bedarf hierzu der Erlaubniß.

8& 12. Die Erlaubniß wird von der höheren Verwaltung®8- behörde ertheilt, sofern nicht durch Anordnung der Landes-Central- behörde dieser die Ertheilung vorbehalten ift.

8 13. Die Erlaubniß darf nur ertheilt werden an Reichs- angehörige, welhe im Bezirk der höheren Verwaltungsbehörde 12) ihre gewerbliche Niederlassung oder ihren Wobnsiß baben und von einem zugelassenen Unternehmer 1) bevollmächtigt sind. Vor Er- theilung der Erlaubniß hat der Nachsuchende eine Caution im Mindestbetrage von fünfzehnhundert Mark zu bestellen. Dem Bundesrath bleibt vorbehalten, über die bei Ertheilung der Erlaubniß in Anwendung zu bringenden Grundsäße weitere Bestimmungen zu treffen.

8 14. Die Erlaubniß berechtigt zum Geschäftsbetriebe im Be- zirk der die Erlaubniß ertheilenden Behörde, wenn sie nit auf einen Theil desfelben beschränft wird. Im Einvernehmen mit diefer Behörde kann jedoch dem Agenten die Auésdehnung seines Geschäfts- betriebes auf benachbarte Bezirke von den für leßtere zuständigen höheren Verwaltungsbehörden gestattet werden. :

8 15. Für andere als den in der Erlaubnißurkunde namhaft gemachten Unternehmer sowie auf eigene NRebnung darf der Agent Geschäfte der im § 11 bezeihneten Art nicht besorgen.

8 16. Dem Agenten ist es untersagt, seine Geschäfte in Zweig- niederla\sungen, durd) Stellvertreter oder im Umherziehen zu betreiben.

8 17. Die dem Agenten ertheilte Erlaubniß kann jederzeit be- {ränkt oder widerrufen werden. Der Widerruf muß erfolgen, wenn den Erfordernissen nicht mebr genügt wird, an welche die Ertheilung der Erlaubniß nah § 13 gebunden ist.

8 18. Gegen die auf Grund der §8 11 bis 14 und 17 von der böheren Verwaltungsbehörde getroffenen Verfügungen ist nur Be- schwerde an die vorgeseßte Behörde zulässig. Die Beschwerde hat keine aufshicbende Wirkung.

ITII. Gemeinsame Bestimmungen für Unternehmer und Agenten.

8& 19. Die Cautionen der Unternehmer und der Aaenten haften für alle anläßlih ibres Geshäftsbetriebes gegenüber den Auswanderern und gegenüber den Behörden begründeten Verbindlichteiten, sowie für Geldîitrafen und Kosten.

_S 20. Der Bundesrath erläßt nähere Bestimmungen über den Geschäftsbetrieb der Unternehmer und Agenten und deren Beauf- sichtigung, namentlich auch a. über die von ihnen zu führenden Bücher, Listen und sonstigen Ausweise, sowie über die in Anwendung zu bringenden Vertragsformulare, þ. über die Art und Weise der Cautionébestellung und die Bedingungen, welche über die Haftbarkeit sowie über die Ergänzung und die Nückgabe der Caution in die Cautionsurtunde aufzunehmen sind.

IV. Allgemeine Bestimmungen über die Auswanderung.

8 21. Wer aus dem Reichsgebiet auswandern will, hat hiervon der Ortspolizeibehörde seines Wohnsißes oder, in Ermangelung eines folchen, derjenigen feines gewöhnlichen Aufenthaltsortes für sich und die ibn begleitenden Familienangehörigen Anzeige zu machen. Die Anzeige hat den vorauésihtlihen Zeitpunkt der Auswanderung zu enthalten. Die Ortspolizeibehörde hat über die bevorstehende Auswande- rung eine öffentliche Bekanntmachung zu erlassen. Nach Ablauf von vier Wochen seit dem Tage der Bekanntmachung ist dem Auswandernden über leßtere eine Bescheinigung zu ertheilen. Die Bescheinigung kann auf Antrag vor Ablauf von vier Wochen ertheilt werden, falls kein Grund zu der Annahme vorliegt, daß der Auswandernde sich durch die Auswanderung bestehenden Verpflichtungen entziehen will. Soll die Auswanderung später als drei Monate nah dem in der Be- [einigung angegebenen Zeitpunkt oder unter Zurücklassung eines der darin bezeichneten Angehörigen stattfinden, so bedarf es einer erneuten Anzeige und Bekanntmachung. Die öffentliße Bekanntmachung und die Ertheilung der Bescheinigung erfolgt stempel- und kostenfrei.

8 22. Der Unternehmer darf Auswanderer nur befördern auf Grund eines vorher abgeschlossenen \riftlihen Vertrages. Der Ab- {luß des Vertrages darf erft erfolgen nah Beibringung der im § 21 bezeihneten Bescheinigung.

§8 23. Verboten ist die Beförderung sowie der Abschluß von Verträgen über die Beförderung: 1) von Wehrpflichtigen im Alter vom vollendeten siebzehnten bis zum vollendeten fünfundzwanzigsten Lebensjahre, bevor sie eine Entlassungsurkunde 14 des Gesetzes üter die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staats- angehörigfeit vom 1. Juni 1870) oder ein Zeugniß der Ersaßtz- commission darüber beigebracht haben, daß ihrer Auswanderung aus dem Grunde der Wehrpflicht kein Hinderniß entgegensteht; 2) von

aue welchen nah den im Bestimmungslande geltenden Vor- riften die Einwanderung untersagt ist; 3) von Reichsangehörigen, für welche von fremden Regierungen oder von Colonisationsgesellschaften oder ähnlihen Unternehmungen der Beförderungspreis ganz oder theilweise bezahlt wird oder Vorschüsse geleistet werden. Me hcbemea von dieser Bestiitinuva fann der Reichskanzler zulassen.

24. Auswanderer, welche sh niht im Besiß der im § 21 und § 23 Nr. 1 vorgesehenen Urkunden befinden, oder welche zu den im § 23 Nr.- 2 und 3 bezeichneten Personen gehören, können durch die Den am Verlassen des I verhindert werden.

ie Polizeibehörden in den Hafenorten sind befugt, die Unternehmer an der Einschiffung von Personen zu verhindern, deren Beförderung auf Grund dieses Gesetzes verboten ift.

V. Besondere Bestimmungen für die übersecische

Auswanderung nach außereuropäischen Ländern.

§ 25. Verträge über die Beförderung von Personen, welche nah außereuropäishen Ländern auswandern wollen, müssen auf die Be- förderung und Verpflegung derselben bis zum überseeishen Be- \stimmungshafen gerichtet sein.

8 26. Der Verkauf von Fahrscheinen an Auêwanderer zur Be- förderung von einem überseeishen Plaß aus is verboten. Dieses Verbot findet jedoch keine Anwendung auf Verträge, dur welche der Unternehmer 1) sich zugleich zur Weiterbeförderung vom über- seeishen Bestimmungshafen aus verpflichtet.

8 27. Der Unternehmer is verpflichtet, nah näherer Bestim- mung des Bundesraths die Ueberfahrtsgelder und Lebensmittel sowie die etwaigen Verluste und Schäden, welche infolge gänzlicher oder theilweiser Nichterfüllung des Beförderungsvertrages eintreten können, zu versichern oder einen der Versiherungs}umme entsprechenden Betrag zu hinterlegen. Der Auêéwanderungsbehörde des Hafenplaßes 38) ist vor Abgang des Schiffes der Nachweis zu liefern, daß dieser Vor- chrift genügt ist.

S 28. Der Unternehmer ist verpflichtet, den Auswanderern an dem zu ihrer Einschiffung oder Weiterbeförderung bestimmten Orte bei jeder nicht von ihnen selbst vershuldeten Verzögerung der Beför- derung von dem vertragsmäßig bestimmten Abfahrtstage an ohne be- sondere Vergütung Unterkunft und Verpflegung zu gewähren. L

8 29. Falls die Verzögerung länger als eine Woche dauert, jo hat der Auswanderer, unbeschadet der ihm nah dem bürgerlichen Rechte etwa zustehenden Ansprüche auf Schadenersaß, das Recht, von dem Vertrage zurückzutreten und die Rückerstattung des gezahlten Ueberfahrtsgeldes zu verlangen.

8 30. Die Nückerstattung des Ueberfahrtsgeldes kann auch dann verlangt werden, wenn der Auswanderer oder einer der ihn begleiten- den Familienangehörigen vor Antritt der Secreise stirbt oder nahweis- li durch Krankheit oder dur sonstige außer seiner Macht liegende Zwischenfälle am Antritt der Seereise verhindert wird. Das Gleiche gilt, wenn in Fällen des § 26 Absatz 2 die Verhinderung im über- seeischen Bestimmungshbafen eintritt, rücksichtlich des den Weiter- beförderungsfosten entsprehenden Theiles des Ueberfahrtsgeldes. Die Hälfte des Ueberfahrtsgeldes kann zurüÉverlangt werden, wenn der Auswanderer vor Antritt der Reise vom Vertrage aus anderen Gründen zurüdcktritt.

§ 31. Wird das Schiff dur einen Seeunfall oder einen anderen Umstand an der Fortseßung der Reise verhindert oder zu einer längeren Unterbrehung derselben genöthigt, so ist der Unternehmer 1) ver- vflihtet, ohne besondere Vergütung den Auswanderern einstweilige Unterkunft und Verpflegung zu gewähren und die Beförderung der- selben und ihres NReisegepäds nach dem Bestimmungsort sobald als möglich berbeizuführen. Diese Vorschrift findet sinngemäße Anwen- dung auf die Weiterbeförderung vom überseeischen Bestimmungshafen aus (§8 26 Absatz 2).

& 32. Vereinbarungen, welhe den Bestimmungen der §8 28 bis 31 zuwiderlaufen, haben feine rechtlihe Wirkung.

8 33. Der Unternehmer hat dafür Sorge zu tragen, daß das Sciff, mit welhem die Auswanderer befördert werden sollen, für die beabsichtigte Reise völlig seetüchtig, vorschriftsmäßig eingerichtet, aus- gerüstet und verproviantirt ift. Die gleiche Verpflichtung trifft den Führer des Schiffs.

8 34. Jedes Auswandererschifff unterliegt vor dem Antritt der Reise einer Untersuchung über seine Seetüchtigkeit, Einrichtung, Aus- rüstung und Verproviantirung. Die Untersuhung erfolgt durch amtliche, von den Landesregierungen bestellte Besichtiger.

8 35. Vor Abgang des Schiffes ist der Gesundheitszustand der Auswanderer durch einen von der Auswanderungsbehörde 38) zu bestimmenden Arzt zu untersuchen.

& 36. Der Bundesrath erläßt nähere Vorschriften über die Be- \MWaffenheit, Einrihtung, Ausrüstung und Verproviantirung der Aus- wandererschiffe, über die amtliche Besichtizung und Controle dieser Schiffe, ferner über die ärztlihe Untersuhung der Reisenden und der Schiffsbesaßzung vor der Einschiffung, über die Ausschließung kranker Personen sowie über das Verfahren bei dec Einschiffung und die Sorge für die Auswanderer während der Reife.

8 37. Als Auswandererschiffe im Sinne dieses Geseßes gelten alle nah außereuropäischen Häfen bestimmten Seeschiffe, mit denen, abgesehen von den Kajütspassagieren, mindestens fünfundzwanzig Reisende befördert werden sollen.

VI. Beaufsichtigung des Auswanderungswesens.

8 38. Zur Ueberwachung des Auswanderungéwesens und der Ausführung der darauf bezüglichen Bestimmungen sind an denjenigen Hafenpläten, für welche Unternehmer zugelassen find (§S 1 und 3), von den Landesregierungen Auswanderungsbebörden zu bestellen.

8 39. In den Hafenorten übt der Reichskanzler die Aufsicht über das Auswanderungswesen durh von ihm bestellte Commissare aus. Diese Commissare sind befugt, die Landesbehörden auf die von ihnen wabrgenommenen Mängel und Verstöße aufmerksam zu mgchen und auf Abstellung derselben sowie geeignetenfalls auf Bestrafung der Schuldigen zu dringen. Sie sind berechtigt, den amtlichen Untersuchungen der Aus- wandererschiffe beizuwohnen. Die Führer von“ Auswandererschiffen sind verpflichtet, diesen Beamten auf Erfordern entsprehende Aus- tunft zu geben, sowie das Betreten der Schiffsräume und die Einsicht der Schiffépapiere zu gestatten. Im Auslande werden, f\ofern nicht besondere Commissare bestellt sind, die Obliegenheiten der Commissare durch die Konsuln des Reichs wahrgenommen.

VII. Beförderung von außerdeutschen Häfen aus.

& 40. Durch Kaiserlihe Verordnung mit Zustimmung des Bundesraths können zur Regelung der Beförderung von Auêwanderern und Passagieren auf deutschen Schiffen, welche von außerdeutschen Häfen ausgehen, Vorschriften der im § 36 bezeichneten Art erlassen werden.

VIII. Strafbestimmungen.

8 41. Unternehmer 1), welhe den Bestimmungen der 8, 22, 23, 25, 27 und 33 Absatz 1 oder den für die Ausübung ihres Geschäftsbetriebes von den zuständigen Behörden erlassenen Vor- {riften zuwiderhandeln, werden mit Geldstrafe von einhundert- undfünfzig bis zu sechstausend Mark oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. Sind die Zuwiderhandlungen von einem Stellvertreter 9) begangen worden, jo trifft die Strafe diesen; der Unternehmer ist neben demselben strafbar, wenn die Zuwiderhandlung mit seinem Vorwissen begangen ist, oder wenn er bei der nah den Verhältnissen möglichen eigenen Beaufsichtigung des Stellvertreters es an der erforderlichen Sorgfalt hat fehlen lassen. Die gleihe Strafe trifft Schiffsführer, welde der ihnen im § 33 Abs. 2 auferlegten Verpflichtung zuwiderhandeln.

8 42. Agenten 11), welhe den Bestimmungen der 14, 15, 16, 22 Absay 2 und 23 oder den für die Ausübung ihres Ge- \chäftöbetriebes von den zuständigen Behörden erlassenen Vorschriften zuwiderhandeln, werden mit Geldstrafe von dreißig bis zu dreitausend Mark oder mit Gefängniß bis zu drei Monaten bestraft.

43. Wer ohne Erlaubniß die Beförderung von Auswanderern betreibt oder sih zum Geschäft macht, bei deren Beförderung mit- zuwirken, wird mit Gefängniß bis zu einem Jahre und mit Geld- stra‘e bis zu dreitausend Mark oder mit einer dieser Strafen bestraft. Die Ne Strafe trifft denjenigen, welcher zur Auêëwanderung anwirbt.

41, Mit Geldstrafe bis zu einhundertundfünfzig Mark oder mit wird bestraft: 1) wer der Vorschrift des § 26 Absatz 1 zuwiderhandelt ; i wer au8wandert, bevor ihm die im § 21 bezeichnete Bescheinigung ertheilt ift.

8 45. Wer den auf Grund des § 40 erlassenen Vorschriften zu- widerhandelt, wird“ mit Geldstrafe von einhundertundfünfzig bis zu sehstausend Mark oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft.

Scchlußbestimmungen.

46. Welche Behörden in jedem Bundesstaat unter der Be- zeihnung: höhere Verwaltungébehörde, Polizeibehörde, Ortspolizei- bebörde zu verstehen sind, wird von der Centralbehörde des Bundes- staats bekannt gemacht.

§ 47. Dieses Gesetz tritt am ; in Kraft. Mit dem gleichen Zeitpunkt erlöschen die auf Grund landeêgeseßlicher Vor- schriften ertheilten Genehmigungen zur Beförderung oder zur Mit- wirkung bei der Beförderung von Auswanderern.

Der dem Reichstage zugegangene Entwurf eines Gesetzes über Abänderung von Bestimmungen des Strafgeseßbuchs, des Gerichtsverfassungsgeseßes und des Geseßes vom 5. April 1888, betreffend die unter Aus\chluß der Oeffentlichkeit stattfindenden Gerichtsverhandlungen , lautet:

Artikel I. Die 88. 180, 181 und 184 des Strafgeseßbuchs werden dur folgende Bestimmungen erseßt:

8 180. Wer ygewohnheitsmäßig oder aus Eigennußz durch seine Vermittelung oder durch Gewährung oder Verschaffung von Gelegen- heit der Unzucht Vorschub leistet, wird wegen Kuppelei mit Gefängniß niht unter einem Monat bestraft; auch kann zugleih auf Geldstrafe von einhundertfünfzig bis sechs8tausend Mark, auf Verlust der bürger- lichen Ehrenrehte sowie auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden. Die Vermiethung von Wohnungen an Weibspersonen, welche wegen gewerbéêmäßiger Unzucht einer polizeilichen Aufsicht unterstellt sind, bleibt \traflos, wenn fie unter Beobachtung der hierüber erlassenen polizeiliden Vorschriften erfolgt.

__S 181. Die Kuppelei ist, selbs wenn sie weder gewohnheits- mäßig, noch aus Eigennuyt betrieben wird, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren zu bestrafen, wenn 1) um der Unzucht Vorschub zu leisten, hinterlistige Kunstgriffe angewendet werden, oder 2) der Schuldige zu der verfuppelten Perfon in dem Verhältniß des Ehemanns zur Ebefrau, von Eltern zu Kindern, von Vormündern zu Pflegebefohlenen, von Geistlichen, Lehrern oder Erziehern zu den von ihnen zu unter- richtenden oder zu erziehenden Perfonen steht. Neben der Zuchthaus- strafe ist der Verlust der bürgerlichen Chrenrechte auszusprechen; auch kann zugleich auf Geldstrafe von einhundertfünfzig bis sechstausend Mark sowie auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden.

__ §181 a. Eine männliche Person, welche, ohne im gegebenen Falle einen geseßlihen Anspruch auf Alimentation zu haben, von einer Weibsperson, die gewerbêmäßig Unzucht treibt, ganz oder theil- weise den Lebenêunterhalt bezieht, oder welche einer sollen Weibs- person gewohnheitsmäßig oder aus Eigennuß in Bezug auf die Aus- übung des unzüchtigen Gewerbes Schutz gewährt oder sonst förderlich ist, wird wegen Zuhbälterei mit Gefängniß nicht unter einem Monat bestrast. Die Bestimmung des § 180 Absaß 2 findet auch hier Anwendung. Ist der Zuhälter der Ehemann der Weibs- person, oder hat der Zuhälter die Weibsperson unter Anwendung von Gewalt oder Drohungen zur Ausübung des unzüchtigen Gewerbes an- gehalten, so tritt Gefängniß nit unter einem Jahre ein Neben der Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrehte, auf Zulässigkeit von Polizei-Aufficht sowie auf Ueberweisung an die Landes- Polizeibehörde mit den im § 362 Abs. 2 und 3 vorgesehenen Folgen ertannt werden.

__S§ 184. Wer unzüchtige Schriften, Abbildungen oder Darstellungen feilhält, verkauft, vertheilt, an Orten, welche dem Publikum zugänglich 1nd, auséstellt oder anshlägt oder sonst verbreitet, wer fie zur Ver- breitung berstellt oder zum Zweck der Verbreitung in Besitz hat, an- kündigt oder anpreist, oder wer durch Ankündigung in Druckschriften unzüchtige Verbindungen einzuleiten sucht, ingleichen wer an öffentlichen Straßen oder Pläßen Abbildungen oder Darstellungen ausstellt oder anshlägt, welche, ohne unzühtig zu sein, durch gröbliche Verleßung des Scham- und Sittlichkeitsgefühls Aergerniß zu erregen geeignet sind, wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten und mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit einer dieser Strafen bestraft. Jst die Handlung gewerbsmäßig begangen, fo tritt Gefängnißstrafe niht unter drei Monaten ein, neben welcher auf Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark, auf Verlust der bürger- lichen Ehrenrechte sowie auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden fann. Die Strafen des Ab}. 1 treffen arc denjenigen, welcher aus Gerichtsverhandlungen, für die wegen Gefährdung der Sittlichkeit die Oeffentlichkeit auëgeschlosseu war, oder aus den diesen Verhandlungen zu Grunde liegenden amtlichen Schriftstücken öffentlich Mittheilung macht, welche geeignet find, Aergerniß zu erregen.

Artikel 1k. Hinter § 16 des Strafgeseßbuches wird folgender

neue § 16 a eingestellt, und § 362 erbält folgende Fassung : H 16a. Bei der Verurtheilung zu Zuchthaus- oder Gefängniß- strafe kann, wenn die That von befonderer Rohbejt oder Sittenlosig- keit des Thäâters zeugt, auf Verschärfung der Strafe bis auf die Dauer der ersten sechs Wochen erkannt werden. Die Verschärfung der Slrafe bestell darin, daß der Berurtheille eime harte Lagerstätte und als Nahrung Wasser und Brot erbält. Die Verschärfungen können einzeln oder vereinigt an- geordnet werden und fommen an jedem dritten Tag in Wegfall. Auch kann auf eine mildere Vollstreungsweise erfannt werden. Die Strafverschärfungen sind auszusetzen, wenn und fo lange der förperlihe Zustand des Verurtheilten den Vollzug nicht zuläßt.

S 362. Die nach Vorschrift des § 361 Nr. 3 bis §8 Ver- urtheilten können zu Arbeiten, welche ibren Fähigkeiten und Ver- bältnissen angemessen sind, innerhalb und, fofern sie von anderen freien Arbeitern getrennt gehalten werden, auch außerhalb der Straf- anstalt angehalten werden. Bei der Verurtheilung zur Haft fann zugleich auf die im § 16a vorgeschenen Strafverschärfungen sowie darauf erkannt werden, daß die verurtheilte Person nah verbüßter Strafe der Landes-Polizeibehörde zu überweisen sei. Durch die Ueberweisung erhält die Landes-Polizeibebörde die Be- fugniß, die verurtheilte Person entweder bis zu zwei Jahren in ein Arbeitshaus unterzubringen oder zu gemeinnüßigen Arbeiten zu verwenden. Im Falle des § 361 Nr. 4 ijt dieses jedoch nur daun zulässig, wenn der Verurtheilte in den letzten drei Jahren wegen dieser Uebertretung mehrmals rechtsfkräftig verurtheilt worden ist, oder wenn derselbe unter Drohungen oder mit Waffen gebettelt bat. Im Falle des § 361 Nr. 6 kann die Landes-Polizeibehörde die verurtheilte Person statt in ein Arbeitshaus in eine Besserungs- oder Erzichung®- anstalt oder in ein Asyl unterbringen. Iiît gegen einen Ausländer auf Ueberweisung an die Landes-Polizeibehörde erfannt, so kann an Stelle der Unterbringung in ein Arbeitéhaus Verweisung aus dem Bundesgebiete eintreten. i

Artikel 111. Dem § 173 des Gerichtéverfassungsgeseßzes in der durch das Geseg vom 5. April 1888 festgestellten Fassung wird als Abs. 2 hinzugefügt: Soweit die Oeffentlichkeit niht ausgeschlossen wurde, fann, falls eine Gefährdung der Sittlichkeit zu besorgen ill, durch Beschluß die öffentlihe Mittheilung aus den Verhandlungen oder aus einzelnen Theilen derselben untersagt werden. : ;

Artikel 1V. Artikel 11 des Gesetzes, betreffend die unler Aus\{luß der Oeffentlichkeit stattfindenden Gerichtéverhandlungen, vom 5. April 1888 erhält folgende Fassung: Wer die nah den 88 173 Absas 2 und 175 Absaßz 2 des Gerichtsverfassungsgeseßes ihm auferlegte Pflicht durch unbefugte Mittheilung verleßt, wird mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark oder mit Haft oder mit Gefängn! bis zu sechs Monaten bestraft.

7x

M 279.

Der Neichshaushalts - Etat für 1893/94.

Wir haben zunächst zu berichtigen, daß es in der gestern gegebenen Uebersicht über den Haupt-Etat, wie fih aus der Berechnung für jeden Kundigen von selbst ergiebt, in Spalte 2 Zeile 48 von oben heißen muß: fie (nämlich die Bundes- staaten) werden zurückerhalten 349 218 000 M, also 6 500 797 M weniger, als sie bezahlen (nit, wie irrthümlich gesagt war : als fte crhalten). Aus den Special-Etats haben wir nur noch Folgendes nachzutragen :

Der Etat des Reichsamts des Junnern erfordert an fort- dauernden Auêëgaben 25 841 515 M (5944765 A mehr als im laufenden Jahr). Der Zuschuß des Reichs für die Invaliditäts- und Altersversicherung ist auf 12 670 925 4, d. h. 3 457 087 ( mehr als im laufenden Jahr verans{lagt. Neu eingestellt ist infolge des Ge- setzes, betreffend die Unterstüßung von Familien der zu Friedens- übungen einberufenen Mannschaften, die Summe von 2 Millionen Mark. Die Commission für Arbeiterstatistik erfordert 39 009 44 Das Statistishe Amt erfordert mehr 42 100 Æ für die Verwandlung von Hilfsarbeiterstellen in etatsmäßige Secretariats-Assistentenstellen. Die bakteriologishen Arbeiten des Laboratoriums des Kaiserlichen Gesund- heitéamts verlangen eine Erhöhung des hierfür ausgeseßten Postens um 4100 M, das Patentamt erfordert wegen veränderter Organifation 183 435 M mebr, das Reichs-Versicherungsamt 195 920 Æ mehr für vier neue ständige Mitglieder, Bureaubeamte, Secrctäre 2c., Re- munerirung von richterlihen Beamten, Hilfsleistungen, Neise- kosten für nihtständige Mitglieder. Die einmaligen Ausgaben des ordentlihen Etats betragen 2397 900 M (—2 317 066 A); bierunter figuriren 690000 Æ zur Erwerbung eines Grund- stüdcks für das Gesundheitsamt und für Vorbereitungen zu dem Ba in der Klopstockstraße; für Ausstattung des Neichêétag8gebäudes mit Möbeln, Beleuchtungêgegenständen, Teppichen erste Nate 100 000 , im ganzen wird sih der Bedarf hierfür auf 1275 000 # ftellen ; ferner zur Ausstattung des Reichstagsgebäudes mit Bildwerken und Malereien 340 000 Æ: für ein Dienstgebäude der zweiten Abtbeilung der Physikalish-Technishen Neichs- Anstalt erste Nate 350 000 46 Im außerordentlichen Etat werden erfordert 35 600 000 M (+29 600 000.4) Hiervon entfallen 32 Millionen Mark als siebente Rate für den Nord- ostsce-Kanal (22 Millionen Mark werden hiervon aus der Reichë- Anleihe, 10 Millionen durch den Beitrag Preußens gedeckt). i

Der Etat der Reichs-Justizverwaltung weist an fortdauernden Ausgaben 2 054 978 M (+ 6152 M) auf; die Vermehrung entfällt auf das Reichsgeriht. Die einmalige Ausgabe beträgt 1 200 000 Æ (4+ 150000 M); es ift dies die siebente Nate für den Bau des Dienstgebäudes des Reichsgerichts.

Im Etat des Reichs-Schatzamts belaufen sich die Eincahmen auf 177160 #4 (— 10295 4), die fortdauernden Ausgaben auf 354 258 840 M (— 1 800 900 M); es stecken hierin die Ueberweisungen an die Bundesstaaten im Betrage von 349 218 000 Æ (— 1 878 000 M) ; die einmaligen Ausgaben betragen 218 600 A

íIm Etat des Reichs: Eisenbahnamts betragen die Einnahmen 9514 Æ (— 2000 M gegen das laufende Jahr); die fortdauernden Ausgaben 332 820 M (+ 24580 46), die einmaligen 4000 Æ für Diäten und Reisekosten zur Beschikung der Weltauéstellung in Chicago.

Der Etat der Reichsschuld weist eine Einnahme von 25 000 (— 11000 M) aus Gebühren für Eintragungen in das Reichs\huld- buch auf. Die fortdauernden Ausgaben stellen si auf 65 966 000 4 (+ 5 100 200 46), wovon allein auf Verzinsung entfallen 65 675 000 Æ

Der Rechnungshof crfordert eine Ausgabe von 629 883 M (+ 4235 4; Mehransay für 1 Registrator).

Der Etat des allgemeinen Pensionsfonds wirft an Ausgaben 39940727 M aus (+ 1931 354 M), von der Vermehrung entfallen 1 644675 J auf Pensionen im Reichsheer, 182054 Æ auf die Marine- verwaltung, 12950 Æ auf die Schußtruppe, 91 675 4 auf die Civil- verwaltung.

Der Etat des Reichs-Juvalidenfonds balancirt in Einnahme und Ausgabe mit 24 672 078 M (— 492 476 A).

Der Etat der Zölle, Verbranchssteuern und Aversen weist an Einnahmen aus den Zöllen auf 341122000 M (gegen 339 451 000 Æ im laufenden Jahre), an Taba cksteuer 10 941 000 (+ 168 000 M), an Zuck er steuer 66 397 000 M (— 1 699 000 6), an Salzsteuer 41 939 000 4 (+ 425 000 4), an Maischbottich- und Branntwein -Materialsteuer 17 826 000 M (+ 374000 4), an Verbrauchsabgabe für Branntwein 99 940 000 X (— 2 667 000 4), an Brau steuer 24 694 000 A (+ 817 000 M), insgesammt an Zöllen und Verbrauchs\teuern 602 919 840 A (— 914 120 4); an Averfen 60840 M

__ Die Einnahmen an Stempelabgaben belaufen sich in8gesammt auf 36514 000 Æ (— 595 000 46) und seßen si, wie folgt, zu- sammen aus Spielkartenstempel: 1227 000 # (+ 21 000 A), an Wechselstempel steuer 7455000 A (+ 409 000 4), an Stempelabgaben für Werthpapiere, Kaufgeshäfte und Lotterie- Toofe 27 171000 A (— 1 048 000 Æ); die Einnahmen für Kauf- und fonstige Anschaffungsgeschäfte für sich allein betragen 12943 000 (— 469 000 4). Die statistische Gebühr beträgt 661 000 M (+ 23 000 A).

_Der Etat der Reichs-Post- und Telegraphenverwaltung beziffert die Einnahmen inegefammt auf 255713 050 4 gegen 247 457 020 Æ im Etatsjahre 1892/93, sodaß \sich eine Mehrein- nahme von 8256 030 Æ ergiebt. Der Ertrag aus den Post- und Telegraphengebübhren ist auf 234 690 000 A angeseßt, was eine Mehreinnahme von 7 500 000 Æ( vorauétseßzt. Während der Etats- jahre 1889/90, 1890/91 und 1891/92 betrug die Steigerung im Durchschnitt 5,44%/o, wäre dieser Saß auch für 1893/94 angenommen worden, so würde auf eine Einnahme von rund 238 750 000 A zu rechnen gewesen sein, doch erschien cs mit Rücksicht auf die Stockungen, denen seit 1889 die Steigerung der Einnahme an Post- und Tele- gravhengebühren mehrfach ausgeseßt gewefen ist und im Hinblickauf dieniht durchweg günstigen Einnahmeergebnisse der ersten aht Monate des Taufenden Etatsjahres geboten, nicht über die im Etat angeseßte Summe hinauézugehen. Bei den übrigen Positionen sind folgende Erträge angeseßt: Personengeld 16800004, 17000 A we- niger als im Vorjahr wegen der in Folge der Eröffnung neuer Eisenbahnen zu erwartenden Abnahme des Postreise- verkehrs; Gebühren für Bestellung von Postsendungen am Ort der Postanstalten 9 800 000 4, 300 000 M mehr; Gebühren für Be- stellung von Postsendungen im Umkreis der Postanstalten 2980 000 Æ, 87 000 A mehr; Gebühren für Stundung von Gefällen und für Abfertigung der Ertraposten wie im Vorjahr 140 000 Æ; Erlös für verkaufte Grundstücke u. st. w. 635 500 #, 271 000 Æ mehr; ver- mischte Einnahmen 1 135 000 4, 50000 # mehr; Vergütung von der Wechselstempelsteuerverwaltung für den Vertrieb der Stempel- marken 171 700 Æ, 9800 Æ mehr; Vergütung für Unterhaltung der Zeitballstationen war in 1892/93 5200 4; Vergütung für die Wahr- nehmung der Geschäfte des Gesez-Sammlungsamts 30 009 4, wie im Vorjahre; Vergütung für den Vertrieb der Stempelmarken zur Ent-

Dritte Beilage zum Deutschen Reihs-Anzeiger und Königlih Preußischen Slaals-Anzeiger.

Berlin, Donnerstag, den 24. November

richtung der statistishen Gebühr 15 650 e, 210 Æ mehr: Wittwen- und Waisengeldbeiträge 45 000 , 5000 Æ weniger, und von dem Absatz der Zeitungen 4 385 000 A. 60 000 # mehr.

Die Summe, die für die fortdauernden Ausaaben bean- \sprucht wird, beläuft sih auf 234 420 773 M gegen 226234 082 Æ im Etatsjahre 1892/93. Dieser Mehrbetrag begründet si durch die in- folge der Zunahme des Verkehrs nöthig gewordene Vermehrung des Personals, sowohl der etatsmäßig angestellten Beamten, als auch der Hilfsarbeiter und durch die für ..den Bau und die - Unter- haltung der Babnpostwagen erforderlichen höheren Ausgaben. Zu einmaligen Ausgaben im ordentlihen Etat werden 10 151 203 gegen 7 250 748 Æ im Vorjabre, 2 900 455 Æ mehr verlangt. Neu eingestellt sind hier: 222780 Æ erste Nate für Ver- größerung des Postgrundstücks und zur Herstellung eines neuen Dienst- gebaudes in Apolda, 404 000 erste Rate für einen Erweiterungs-

au auf dem Grundstüfcomplere des Reichs-Postamts in der Leipziger-

und Mauerstraße in Berlin, 1254 009 Æ erste Rate zur Erwerbung eines Grundstücks und zur Herstellung eines neuen Dienstgebäudes für das Postzeitungsamt an der Königgräßer- und Dessauerstraße in Berlin, 100 000 A erste Rate zum Um- und Erweiterungsbau des Postgrundstücks Thurmstraße 23 in Berlin: 120000 4 erste Nate zum Um- und Erweiterungsbau auf dem Postgrundstück am Postplaßtz in Dresden, 120 000 Æ erste Rate zum Umbau auf dem Posft- grundstück in Elberfeld, 180 000 Æ erste Rate zur Erwerbung eines Bauplaßtes und Herstellung eines neuen Dienstgebäudes in Herford, 70 000 erste Rate zur Herstellung eines neuen Dienstgebäudes in Perleberg, 95 000 Æ erste Nate zur Erwerbung eines Bauplayes und Herstellung cines Dienstgebäudes in Pillau, 80000 M erste Nate zur Her- itellung eines neuen Dienstgebäudes in Schneidemühl, 222 000 A zur Vergrößerung des Postgrundstücks "in Danzig, 130 600 A zur Er- werbung eines Grundstücks in Forst (Lausitz), 89539 A zur Er- werbung eines Bauplaßtzes in Greifswald, 109 800 4 zur Erwerbung eines Grundstücks in Lüben, 236 700 erste Rate zur Vergrößerung des Postgrundstücks in Magdeburg, 171 440 zur Erwerbung eines Bauplates in Mülheim (Rhein), 174 000 zur Vergrößerung des Postgrundstüks in Potsdam und 186 776 # zur Erwerbung eines Grundstücks in Sagan. Außerdem werden beansprucht 130 000 4 zu Grundstückézankfäufen und Bauten in unvordbergesehenen Fällen und 700 000 zur Einführung des Inductionswerkbetriebes bei der Stadt-Fernsprecheinrihtung in Berlin.

Die Summe aller Ausgaben stellt sih somit auf 244 571 976 M, der eine Gesammteinnahme von 255 713 050 Æ gegenübersteht, fo daß sih ein Ueberschuß von 11 141 074 # ergiebt, zu dem noch 29 268 M an Beiträgen Bayerns und Württembergs zu den Kosten

der Centralverwaltung des Post- und Telegraphenwesens binzutreten.

Der Etat der Reichsdruckerei weist eine Einnahme von 5 §42 000 Æ auf (+ 582 000 Æ gegen das Vorjahr); „an Ausgaben find veranschlagt 4 449 780 M4 (+ 442 990 4), der Ueberschuß dieser Verwaltung beträgt mithin 1 392 220 Æ (+ 139010 4).

Die Verwaltung der Eisenbahnen verans{lagt ihre Einnahmen auf 57 966 000 Æ (+ 2327 000 Ac); die fortdauernden Ausgaben betragen 37 220 900 (+ 1406 700 4), sodaß ein Ueberschuß von 20 745 100 A (+4 920 300 M) zu erwarten ist. Jm aukßer- ordentlichen Etat werden erfordert 13386810 Æ zur Her- stellung neuer und zum Auébau vorhandener Eisenbahnen, meist leßte Raten; erste Raten werden erfordert für eine Eisenbahn von Wingen über Meisenthal nah Münzthal (St. Louis), für Einführung der Linie von Beningen in den Bahnhof Saargemünd und für eine Verbindungsbahn von Mülhausen-Nord nah Mülhausen-Wanne ; ferner zur Vermehrung der Betriebsmittel 1 500 000 4

Statistik und VolksLwirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Bildstock wird der „Köln. Ztg.“ über die Generalversamm- lung der Vertrauensmänner des bergmännishen Rechts\chußt - vereins im Saarrevier vom 20. d. M., in der die Vorstands- wahl vorgenommen wurde (vgl. Nr. 273 d. Bl.), geschrieben : Die Versammlung war von hundert Vertrauensmännern besuht und die Verhandlungen gestalteten sich schr lebhaft. Das größte Interesse nahm die Neuwahl des Vorstands in Anspruch, die sh von 1 Uhr bis Abends 6 Uhr hinzog. Zum Präsidenten gewählt wude der biéherige Vorsißende Warfen, sein Stellvertreter wurde Bergmann Lampert, Schriftführer blieb Bergmann Ber- wanger und Kassirer Bergmann Krohn. Lampert wurde an Stelle des ausgeshlossenen Vorstandsmitgliedes Bachmann gewählt. Vom Dezember d. J. an werdên nur 50 4 statt bisher 60 monatlich als Beitrag erhoben. Ein Antrag, den Saalbau des Rechts\hußvereins auch an andere Parteien zu Versammlungs- zwecken zu vermiethen, wurde abgelehnt. Die Berathung über den Antrag des Rechtéanwalts Heyder-Met, im Saal eine Niederlage des Allgemeinen Consumbvereins zu errihten und einen Gemaßregelten ‘als Lagerverwalter anzustellen, wurde bis zur nächsten Hauptver]ammlung vertagt. Ein Geschäftsberibt soll alljährlich nach dem 1. November herausgegeben werden. Endlih wurde allgemein eine Durchsicht der Saßungen verlangt. : /

“Fn Solingen haben, wie die „Elbf. Ztg.“ mittheilt, die Federmesserarbeiter einen Verband gegründet. e

In Hückeswagen hatten die Weber der Firma Wiehager u. Co. wegen Lohnkürzung die Arbeit niedergelegt. Nachdem am vorigen Donnerstag eine Abordnung der Arbeiter wiederholt einen Vergleichsversuch gemacht, wurde am Freitag die Arbeit wieder auf- genommen. (Vgl. Nr. 273 d. Bl.) Es wurde eine Einigung dahin erzielt, daß der neue Lohntarif gemeinschaftlich berathen werden folle, und daß bis zu seiner Feststellung, mindestens aber vierzehn Tage die alten Löhne ausbezahlt würden. Wegen erneuter Meinungsverschieden- beiten wurde aber der „Barm. Ztg.“ zufolge am Sonnabend von allen Webern wieder gekündigt. i :

In Leipzig sprach, wie die „Lpz. Ztg.“ berihtet, am Dienstag vor einer etwa 200 Perfonen« zählenden Versammlung der Holz- arbeiter (Tischler, Drechsler u. \. w.) der Vorsißende der General- commission der Gewerkschaften Deutschlands in Hamburg Legien über die Gartellverträge der Arbeiter. Der Vortragende erklärte für die beste Form der Organisation die vom Halberstädter Gewerkschafts- Congresse empfohlenen Cartellverbände. Vie Versammlung trat den Ausführungen des Redners in einer Resolution bei. . l

Die Lobncommission der Berliner Korbmacher theilt im „Vorwärts“ Folgendes mit: Wegen Maßregelung zweier Berufs- genossen haben die in der Werkjtätte von D. Anding in Berlin arbeitenden Korbmacher sämmtlih die Arbeit niedergelegt Nachdem der Versuch, mit der Firma zu unterhandeln, ohne Erfolg e war, hat die Lohncommission den Beschluß gefaßt, über diese Werk- statt die Sperre zu verhängen.

Literatur.

Geschichte. i i ff. Altpreußishe Monatsschrift, neue Folge. Heraus- gegeben von ceugils Neicke und Ernst Wichert. 29. Bd. 1. und 2. Heft (Januar—März 1892), 5. und 6. Heft (Juli—Sep- tember 1892). Königsberg i. Pr. F. Beyer, 1892. Im ersten

1892.

Heft beginnt W. Brüning eine Reihe von Aufsäßen, die uns das leßte Ringen des Deutschen Ordens um seine Selbständigkeit vor Augen führen. Der im 14. Jahrhundert so mächtige Ordensstaat, vor dem die großen Slavenreiche des Ostens erzitterten, bot im 15. Jahr- bundert seit seiner Niederlage bei Tannenberg das Bild tiefsten Ver- falls. Seine innere, ehemals so straf Organisation begann sich zu lockern ; der Hochmeister, von den Gebietigern in feiner+Macht mehr und mebr beschränkt, war niht mehr im stande, eine kräftige uß? con]equente Politik zu verfolgen, zudem lähmte \tetige Finanznoth, die aus dem unglücklichen Kriege mit Polen herrührte, seine Thatkraft noch mehr. Dazu fam, daß das Ordensregiment im Lande bei den Städten, die seine wirthschaftliße Concurrenz übel empfanden, wie bei den Rittern, die lüstern nah der Freiheit des polnischen Adels - blickten, verhaßt war, sodaß hier auf feine Opferwilligkeit zur Tilgung der drückenden Sculdenlast gerechnet werden durfte. Die unaufhörlihe bald offene, bald verstecke Feindschaft Polens endlich vergrößerte noch alle diese Widerwärtigkeiten. Der Zwist zwishemDrden und Landständen ging endli fo weit daß unterFührung desKulmer Landes einBund zwischen den Ständen, Städten, Adel und Clerus geschloffen wurde, der nah einigen vergebliden Unterbandlungen mit dem Orden seine Huldigung dem Könige von Polen anbot und hierdurch cinen dreizehnjährigen Krieg zwischen Polen” und dem Orden entzündete, welher den Orden aller seiner Besißungen außer Ostpreußen beraubte. Die Stellung des Bisthums Ermland in diesen Wirren zu schildern, ist der Zweck Brüning's. Von Anfang an waren die ermländishen Stände, namentli die Städte, treue Mitglieder des Bundes, troß der Be- mühungen ihres Bischofs, der, dem Orden treu ergeben, sie zur Aussöhnung mit dem Hochmeister mahnte. In dem vor- liegenden Aufsaße wird nur das erste Kriegsjahr geschildert, in dem dem Orden gelang, einen Theil des abgefallenen Bisthums wiederzuerobern, die folgenden Jahre des Elutigen und verwüstenden Krieges sind späteren Abhandlungen vorbehalten. Wenn Brüning uns den alternden Orden in feinem Todeskampfe vorführt, so verseßt uns A. Lentz in die Zeit seiner frühesten Kindheit, in die Epoche seiner Berufung nah Preußen. Bisher war es ungewiß, wie der Orden in den Besiß des Kulmer Landes, des Ausgangspunktes seiner Macht, gelangt sei, ob durch eine Schenkung des Bischofs Christian von Preußen, oder des Herzogs Konrad von Masovien; jeßt glaubt Lenß auf Grund urkundlihen Materials eine abshließende Lösung der Frage geben zu können. Nach seiner Darstellung hatte Konrad im An- fang des 13. Jahrhunderts dem Bischof von Preußen das ganze Kulmer Land übertragen und später mit Christian's Zustimmung dem zur Bekämpfung der heidnishen Preußen herbeigerufenen Ritterorden einige Güter im Kulmischen geschenkt. ‘Bald gerieth der Orden mit dem Bischof über die Theilung des Landes in Conflict, der unter väpstlicher Vermittlung dahin beigelegt wurde, daß der Orden zwei Drittel des eroberten und noch zu erobernden Heidenlandes, der Bischof ein Drittel erhalten sollte. Als aber Bischof Christian kurze Zeit darnach von den Preußen gefangen genommen wurde, usurpirte der Orden seine Besißungen und Rechte und suhte durch Urkundenfälschungen seine ungeseßlihen Ansprüche zu begründen. Christians Reclamationen nach seiner Freilafung waren vergeblih, da die Curie die Partei des Ordens nahm. Ueber die Gründung lettisher Gemeinden in Ostpreußen durch eingewanterte kurländishe Bauern unterrichtet uns A. Seraphin. Das ganze Mittelalter hindur waren Letten in Preußen eingewandert, freilih meistens nur in sehr geringer Anzahl, und nur selten hatten die Einwanderungen größere Dimensionen angenommen. Den leßten größeren Zuwachs an lettisher Bevölkerung brachten zwei Einwanderungen im 17. Jahrhundert. Sie fanden statt während zweier volnisch-s{chwediscer Kriege, die große Lücken indie arbeitende Bevölkerung Ostpreußens gerissen hatten, fodaß die Anfkömmlinge mit offenen Armen aufgenommen wurden. Der Herzog von Kurland versuhte zwar wiederholt, eine Auslieferung der Auswanderer zu erlangen, erhielt aber vom Großen Kurfürsten stets abweisende Ant- worten. Ferner machen wir noch aufmerfsam auf die cultur- bistorisch wihtigen Mittheilungen A. Treichel’s „Provinzielle Sprache zu und von S kieren und ihre Namen“ sowie Frishbier’s „Preußishe Volksreime und Volksspiele“. Das 5. und 6. Heft enthält außer den Auffäßen noch einen kurzen Literaturberiht und die Sißungsberichte des Vereins für Geschichte von Ost- und Westpreußen aus der Feder von W. Tesdorpf. Nechts- und Staat2wissenschaft.

Zu- Band T—X des Jahrbuchs für Entscheidungen des Kammergerichts, berausgegeben von dem Geheimen Ober- Justiz-Rath a. D. Reinhold Ichow, ist der 2. Theil des Gesammt - registers im Verlage von Franz Vahlen, Berlin, erschienen.

Militäriscdes.

„Deutscher Armee- und Marine-Anzeiger.“ Zei- tung für die Geschäftsverbindung des deutshen Handels und Gewerbe- fleißes mit Armee und Marine. Dieses unter der Leitung des Obersten z. D. von Elpons stehende, wöchentlich einmal für den Preis von 1 A vierteljährlih im Verlage von Funcke und Naeter, Berlin, ersheinende Blatt vermittelt die Beziehungen des Handels und Gewerbefleißes zur Armee und Marine, wird von zahlreichen Ver- waltungsbehörden des deutshen Reichsheeres zur Bekanntgabe von Lieferungsausshreibungen, Bauverdingungen, An- und Verkäufen u. \. w. benußt und kann deshalb den Fabrikanten, Gewerbetreibenden, Großhandlungen, überhaupt allen Industriellen, die mit der Heere3- verwaltung Beziehungen unterhalten oder neue Verbindungen an- knüpfen wollen, zum Abonnement empfohlen werden. Außer den amt- lihen Bekanntmachungen bringt der „Anzeiger“ auch einen redactionellen Theil, der alle Neuerungen auf dem Gebiete der Heeresverwaltung und Kriegstechnik berücksichtigt. :

Müller (General-Lieutenant): „Geschichte des Festun g8- kriegs seit allgemeiner Einführung der Feuerwaffen bis zum Jahre 1892.“ Zweite umgearbeitete Auflage. E. S. Mittler u. Sohn. (Pr. 9 Æ, geb. 10 4 50 „.) Die bedeutenden Fortschritte in den Leistungen fernwirkender Waffen haben der Be- festigungsfunst neue schwierige Aufgaben gestellt und die Methode des Kampfes um befestigte Orte in ein neues Entwickelungs- stadium erüdt. Zweifellos wird eine Befestigung dem mit den Mitteln neuester Kriegstehnik anstürmenden oder ab- wehrenden Gegner nur dann ein wirklihes Hinderniß bereiten , wenn ein gewiegter Tafktiker, dem eine genaue Kenntniß des Festungskriegs zur Seite steht, den Angriff oder die Vertheidigung leitet. Jeder Offizier wird daher sich ein Urtheil über das Wesen des Festungékriegs verschaffen und dieses aus der geshihtlihen Ent- widckelung entnehmen müssen. Eine solche geshihtlihe Uebersicht darzubieten ist die Absicht des von dem General-Lieutenant Müller, Director des Waffen-Departements im Königlichen Kriegs- Ministerium, verfaßten und jeßt in umgearbeiteter Form N Werks. Unter Verwerthung aller kriegstehnishen und friegôge chiht- lichen Erfahrungen schildert es alle Arten und Aufgaben des

Festungskriegs. : Kirchliches.

Das Leben Jesu, der Gemeinde dargestellt vou Dr. theol. F. W. Farrar, autorisirte Uebersezung von F. Walther, Pastor in Löbtau. Dresden 1892. Verlag von Otto Brandner. 25 Liefe- rungen zu je 50 H. Das an diefer Stelle wiederholt anerkennend erwähnte Werk liegt nun mit den Lieferungen 15 bis 25 abgeschlossen in teutsher Ueberseßzung vor und wird jeden Leser durh die an-

sprehende Behandlung der von ungewöhnlicher Gelehrsamkeit zeugen «