1892 / 291 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 08 Dec 1892 18:00:01 GMT) scan diff

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Togar bis ins dreigestrihene E binaufschwang. Zwei Gesänge ihres Gatten Karl Feininger: cin "Fle gefang? aus seiner un- vollendeten Oper „Die Brüder“ und ein -Bolero fesselten mehr durch die vortrefflihe Ausführung, als durch ihren musika- lischen Gehalt. Mit einigen Liedern von Brahms, d’Albert, Nubinstein und JIradier beschloß die Künstlerin ihre Vorträge, die sämmtlih mit lebhaftem Beifall aufgenommen wróurden. Der bereits vortheilhaft bekannte Violinvirtuos Herr J. Weintraub, der für feinen plößlich verhinderten Collegen Herrn Gregorowitsch ein- getreten war, erfreute durch den woblgelungenen Vortrag der Ciaconna von Bach und zweier Sätze des Mendels\fohn’shen Concerts.

Am Sonnabend wird im Königlihen Opernhause „Lobengrin“ mit dem Königlichen Sancberiünzer Herrn Emil Göße als Gast in der Titelrolle in Scene gehen. Die anderen Partien sind vertreten durch die Damen Hiedler und Sucher und die Herren Mödlinger, Schmidt, Fränkel und Krasa. Am Sonntag tritt zu den bereits angekündigten Vorstellungen „Bajazzi“ und „Puppenfee“ noch das Mozart’she Singspiel „Bastien und' Bastienne“.

Im Berliner Theater geht, vielfahen aus dem Publikum laut gewordenen Wünschen Street, am Sonnabend das Lustspiel „Kean“ wieder in Scene. Die Titelrolle wird, wie früher, von Ludwig Barnay dargestellt. : l

Für das Friedrich-Wilhelmstädtische Theater hat Herr

* Director Fribsche als nâhste Neuheit die Operette „Der Millionen-

onfel“ von N. Genée und Fr. Zell, Musik von Adolf Müller, in

Aussicht genommen.

Im RNResidenz-Theater haben die Proben zu Alexandre Bisson's S{chwank: „Familie Pont-Biquet“ begonnen: der Schwank:

„Im Pavillon“ (Le Parfum) wird voraussihtlich in der nächsten

Woche vom Spielplan abgeseßt werden. : Das Volks\chauspiel „Der ledige Hof“ von Anzengruber wird im Thomas-Theater zunächst nur noch zweimal gegeben, später

* aber wieder aufgenommen werden. Die Zwischenzeit will Director

Hofpauer durch den „Herrgottshnißzer von Ammergau“ ausfüllen, der am Sonnabend in Scene geht. :

Der Klaviervirtuose ax van de Sandt wird in seinem am 10. d. M. in der Sing-Akademie stattfindenden Lieder-Abend u. a. Bah's C-mol11-Phantasie, Beethoven?'s Sonate op. 101, A-dur, und Brahms? Rhapfodien in H-mo!l und G-moll zu Gehör bringen. Die Altistin Fräulein Auguste Hohenschild wird in ihrem am Sonnabend inSaal Bechstein stattfindenden Concert außer Arien und Liedern gemeinschaftlich mit den Damen von Kranz, Haese und von Nuszczyc Quartette von Shumann, Brabms, Vierling, Widmann und von Herzogenberg zum Vortrag bringen. Der Violinvirtuose Herr Carl Markees betheiligt sih an der Ausführung des Programms mit den Corelli’schen Variationen und Spohr’s „Adagio“.

Mannigfaltiges.

Der „Nat.-Z.“ zufolge sind dem Sohne des verstorbenen Ge- heimen Regierungs-Naths Dr. Werner von Siemens folgende Bei- leids-Telegramme zugegangen: i: /

Seine Majestät der Kaiser beauftragt mi, Ihnen und den Ihrigen Allerhöchstseine Theilnahme beim Verlust Ihres Herrn Vaters, eines auf wissenschafilihem und technishem Gebiete hoch- bedeutsamen und um das öffentlihe Wohl hochverdienten Mannes auszusprechen. von Kessel, Flügel-Adjutant. ;

Ich bin tief erschüttert durch den Tod Ihres hohverehrten Vaters und spreche Ihnen und den JIhrigen bei dem unerfeßlihen Verlust áufrichtige Theilnahme aus. Kaiserin Friedri.

Zum Besten des unter dem Ster Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich stehenden Friedrihstifts ist heute im Sißungsfaale des Kriegs-Ministeriums ein Bazar eröffnet worden. Der Bazar is reich ausgestattet, auch die Kinder selbst haben einige DaEeE für ihn hergestellt. Der Verkauf bleibt auch morgen noch geöffnet.

Ueber Schneeverwehun gen und dadurch herbeigeführte V er- fehrsstörungen wird heute weiter berichtet :

Danzig, 6. Dezember. Die Schneemassen der leßten Tage und speciell der vergangenen Nacht haben, wie die „Danz. Z." berichtet, bereits eine Stockung des ganzen Verkehrs herbeigeführt. In den Straßen liegt der Schnee so hoh, daß es der größten An- strengungen bedarf, um den Pferdebahnverkehr aufreht zu halten. Doppelte Cespanne müssen - vorgelegt werden, um die Wagen durch den Schnee zu bekommen. Auf allen Geleifen sind fortwährend Arbeiter beschäftigt, um die immer aufs neue niederfallenden Schneemassen . fortzuschaufeln. Auf den Eisenbahnen - beginnt der Verkehr ebenfalls zu s\tocken. Der beute Morgen fällige Berliner Schnellzug verspätete sich um über zwei Stunden, und die Post kam hier erst um 11# Uhr Mittags zur Ausgabe. Der pommersche Zug, der um 9 Uhr 40 Minuten er- wartet wurde, traf um 10 Uhr 6 Minuten ein. In der Umgegend sind die Chausseen tief cingeschneit, die Landwege unfahrbar. Der Dampfbootverkehr zwischen Danzig—-Neufahrwasser und Danzig— Plehnendorf konnte aufreht erhalten werden.

Posen, 7. Dezember. Der „N. Pr. Z.“ wird telegraphirt : Infolge der Schneeverwehungen sind die Landstraßen unferer Provinz unfahrbar. Die um 5 Uhr Morgens fälligen Züge aus Königsberg, Danzig, Oberschlesien und Wien sind bis zur Mittags- stunde ausgeblieben. Aus Berlin find die Züge mit mehrstündiger Verspätung eingetroffen. i E

Bromberg, 7. Dezember. Die Königliche Cisenbahn-Direction macht befannt : Die Strecke Kahlbude—Karthaus der Neben- bahn Praust - Karthaus ist infolge Schneeverwehang auf unbestimmte Zeit gesperrt. 5 L i

Oppeln, 7. Dezember. Das hiesige Eisenbahn-Betriebsamt Oppeln zeigt an: Die Strecke Lamms dors—Niederhermsdorf, Route Oppeln—Neisse, is durch Schneeverwehung für Personen- und Güterverkehr seit heute Morgen auf mindestens 24 Stunden gesperrt.

Nürnberg, 7. Dezember. Wegen starker Schneeverwehung treffen, wie „D. B. H.“ berichtet, alle Züge theilweise mit mehreren Stunden Verspätung hier ein. 6

Pest, 7. Dezember. Die Verkehrsstörung infolge des D aig dauert noch fort; aus Pest konnte heute kein Bahnzug abgeben.

Krakau, 7. Dezember. Infolge Schneeverwehung ift, wie W. T. B.“ meldet, auf der Strecke der Nordbahn zwischen hier

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und Prerau der Güterverkehr bis auf weiteres eingestellt.

Zu Gunsten der Anstalt für Epileptishe Bethel bei Bielefeld erläßt Pastor von Bodelschwingh von dort folgende Bitte: „Die Fallsüchtigen zu Bethel bei Bielefeld sammt allen ihren Gefährten in Sarepta, Nazareth und Wilhelmsdorf erinnern ihre Freunde hberzlihst, ihrer zu Weihnachten auch diesmal nicht zu vergessen. Es sind weit über 3000 Personen, die unter den mehr als 100 Weih- nahtsbäumen auf eine fleine Gabe sich freuen, viele Waisen dar- unter, deren niemand font zu Weihnachten gedenkt! Zu ten Häusern des leßten Weihnachtsfestes ist Klein-Bethel, das Jubiläumshaus, Enon, der Wafserhof, und Saba, das Brockenhaus, hinzugekommen, mit reichlich 150 Personen. Nicht nur Gold und Silber, sondern auch jede noch so niedrige Gabe in natura ist sehr willkommen.“

Bei Packeten wird gebeten, darauf zu bemerken: „Weihnahhtsgescheuke*, und wenn fie für ein besonderes Haus bestimmt sind, auch dea Namen dieses Hauses hinzuzufügen.

Stallupönen, 5. Dezember. In dem an eine Quadratmeile roßen Amalwasee auf russishem Grenzgebiet is, wie der „Danz. Ztg.“ geschrieben wird, der Wasserspiegel um einen Meter gesunken. Am vergangenen Senntag bemerktèn nun Schilf erntende Anwohner einzelne aus dem Wasser hervorragende Nädertheile. Bei näherem Nachfehen stellte man fest, daß es Kanonen seien. Auf die erfolgte Anzeige bei der Behörde erschien ein rufsishes Militär-Commando aus Mariampol; der See wurde genau abgesuht, und bei dieser Gelegen- beit konnten elf Kanonen und mehrere hundert Gewehre. aus Sumpf und Moder an das Tageslicht befördert werden. Es sind dies Waffen, die nah Niedershlagung des polnischen Aufstands im Jahre 1863 versenkt worben s

Oese bei Hemer, 5. Dezember. Heute früh erfolgte, wie wir der „Rh.-Westf. Ztg.“ entnehmen, durch die Firma C. W. Bals u. Co. die Beschenkung von zwölf Arbeitern. Es erhielt der Arbeiter Gottfried Sprenger aus Brockhaufen anläßlich seiner fünfzig- jährigen Thätigkeit eine goldene Remontoiruhr nebst Kette; die Arbeiter Wilhelm Amelung und Diedrih Heer aus Deilinghofen, Diedrih Schweer und Franz Vornweg aus Hemer, Fr. Düings, Karl Klüting und Fr. Renting aus Oese, Karl Ebe und Karl Schulte aus Apricke, Karl Gockel und Wilhelm Schütte aus Brockhausen feierten ihr silbernes Jubiläum und wurden mit einer silbernen Remontoir- uhr nebst Kette beschenkt ; außerdem erhielten sämmtliche zwölf Ar- beiter zur Erinnerung an den heutigen Tag ein fkünstlerisch ausge- stattetes Gedenkblatt.

_ Messina, 7. Dezember. Gestern und heute wütheten, wie „H. T. B.“ “meldet, furhtbare Stürme. . Viele Schiffe und Boote sind gescheitert. Man hat bereits zwölf ertrunkene Matrosen aufgefisht.

Christiania, 8. Dezember. Während eines orkanähnlichen Schneesturmes is, nah einer Mittheilung des „D. B. H.“, auf Maaholm bei Langesund der Schooner „Stanley“ gestrandet und zerschellt. Die ganze Besaßung fand ihr Grab in den Wellen, die Leiche des Capitäns is ans Land getrieben. Aus Liverpool wird gemeldet, daß das norwegishe Bark- {i} „Dronningen“ vorgestern an der Mündung des Mersey- flusses mit der ganzen Besaßung untergegangen ist. Aus Arendal wird gemeldet, daß der Schooner „Tyr 1“ bei den Torungerne \tran-

dete und zershlug: der Capitän rettete sih auf einer Planke ans-

Land, die übrigen fechs Mann der Besaßung ertranken.

Nach Schluß der Nedaction eingegangene Depeschen.

St: Petersburg, 8. Dezember (W: D. B) Die hier wohnhaften deutshen Staatsangehörigen hatten gestern zu Ehren des bisherigen deutshen Botschafters, Generals von Schweiniß ein Abschieds-Diner veranstaltet, an welchem gegen 500 Personen theilnahmen. Der scheidende Botschafter brahte dabei einen Trinkspruch auf sämmtliche deutschen Bundes-Fürsten und Regierungen aus.

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

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m s. Dezember, Musik von P. orgens. Hertel. Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. Plauderei in 1 Aufzug von O. F. Gensichen. In Scene geseßt vom Ober - Regisseur Max Grube. Die gelehrten Frauen. Lustspiel in 5 Auf- zügen von Jean Baptiste Molière. In deutschen Versen von Ludwig Fulda. In Scene geseßt vom Ober-Regisseur Max Grube. Anfang 7 Uhr. 74 Uhr.

Hertel. Dirigent: Musikdirector | Vorher: Der neue Ganymed. (CaCé Lesort.) Shwanfk in 1 Act von Charles Louveau. Am Landes - Ausstellungs - Park (Lehrter Bahnhof).

273. Vorstellung. Lydia. Anfang 7# Uhr.

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

Kroll’s Theater. Freitag: Abu Hassan.

Darauf: Das Nachtlager in Granada. Anfang

Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde. Geöffnet von 12—11 Uhr.

Concerte.

Concert-Haus. Freitag, Abends 7 Uhr:

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2 wolkig 3/halb bed. 3\bedeckt 2 bedeckt 4 bedeckt 6/bedeckt 4 bedeckt

Aberdeen Christiansund Kopenhagen . Stoctholm . aranda . osfau . . Cork, Queens- | wi... 3/halb bed. Cherbourg . 5\wolkig L - ed 6E 2\wolkig E s y \till\halb bed. Bütá - è 30 |[WSW 4sbedeckt winemünde WNW 3\bedeckt Neufahrwasser| 752 |NW 5[Schnee1) Memel ... | 751 \till|wolkenl.?) e E IN 2 wolkenlos ünster... | 764 |\NW 1sbedeckt Karlsruhe . . | 765 |NO [Schnee Wiesbaden . | 765 |W wolkig?) München . . | 763 |NW bedeckt Chemniy .. | 764 |W 3Schnee | —d Beilin .. .] 760 \WNW_ 4bedeckt) | —1 Wien ....| 763 |W 2\bededt | —1 Breslau . 7599 |WNW 3bedeckW | —3

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1) Böig. *) Starker Nebel, Schnee. ?) Gestern Schnee. 4) Schnee.

Uebersicht der Witterung.

Das barometrishe Minimum, welches gestern öst- lih von Galizien lag, ift nordwärts nach den russi- hen Ostseeprovinzen fortgeschritten, während ein umfangreihes Hochdruckgebiet sich über West-Europa ausgebildet hat, dessen Kern mit 773 mm Druck über Südwest-Irland liegt. Bei meist {wachen nördlichen bis westlichen Winden ift in Deutschland das Wetter trübe und feuchtkalt; fast überall ift Schnee gefallen, sodaß jeßt über ganz Deutschland eine Schneedecke liegt. Vie Frostgrenze umschließt jeßt au das ganze franzöfische Binnenland. Schnee- höhe zu Hamburg 5, Magdeburg und Berlin 7, Rügenwaldermünde 25, Königsberg 27 cm.

Deutsche Seewarte.

N T, S EC d R (K A S C E L E S a E E B I Theater - Anzeigen.

Königliche Schauspiele. Freitag: Opern- haus. 263. Vorstellung. Vajazzi (Pagliazzi). Oper in 2 Acten und einem tos, Musik und Dichtung von R. Leoncavallo, deutsch von Ludwig Hartmann. In Scene geseßt vom Ober- Regisseur Teblaff. Dirigent: Kapellmeister Sucher. Die Jahreszeiten. Tanz-Poëm in 2 Acten und 4 Bildern von E. Taubert und E. Eraeb.

Sonnabend: Overnhaus. 264. Vorstellung. Ian rin. Nomantishe Oper in 3 Acten von Richard agner. In Scene geseßt vom Ober - Regisseur

Teßlaff. Dirigent : Kapellmeister Sucher. (Lohengrin:

a Kammersänger Emil Götze, als Gast.) Anfang

7 Uhr.

Schauspielhaus. 274. Vorstellung. Demetrius. Fragment in 2 Aufzügen von Friedrich von Schiller. In Scene geseßt vom Ober-Regisseur Max Grube. Turandot, Prinzessin von China. Tragi- komisches Märchen in 5 Aufzügen nah Carlo Graf Gozzi, von Friedrih von Schiller. Anfang 7 Uhr.

Deutsches Theater. Freitag: Lolo’s Vater. Anfang 7 Uhr.

Sonnabend: Die Jüdin von Toledo.

Sonntag: Der Misanthrop. Ju Civil.

Montag: Der Pfarrer von Kirchfeld.

Berliner Theater. Freitag : 15. Abonnements- Vorstellung. Nora. Anfang 7 Uhr.

Sonnabend: Neu einstudirt: Kean.

Sonntag: Nachmittags 27 Uhr: Macbeth. Abends 7x Uhr: Dora.

Lessing-Theater. Freitag: 10. Gastspiel von Eleonora Duse mit ihrer Gesellshaft unter dec T be von Cav. Flavio Ando. Nora. Anfang

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Sonnabend: 11. Duse-Abend. Die Camelien- dame.

Sonntag: Die Orientreise.

Montag: 12. Duse-Abend. Cyprienne.

Wallner-Theater.- Freitag: 39. Gast - Vor- stellung des Lessing-Theaters: Die Grofstadtluft. Anfang 7F Uhr.

Sonnabend: Der Lebemann.

Sonntag : Der Lebemann.

Volksthümliche Preise (Parquet 2 4). Vorverkauf ohne Aufgeld.

Friedrich - Wilhelmstädtishes Theater. i . Chausseestraße 25.

Freitag: Zum 14. Male in“ neuer Bearbeitung : Das verwunschene Schloß. Operette in 3 Auf- zügen von Alois Berla. Musik von Carl Millöcker. In Scene gesezt von Julius Frißshe. Dirigent: Herr Kapellmeister D nfang 7 Uhr.

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

Residenz-Theater. Direction : Sigmund Lauten- burg. Letzte Woche! Freitag: Zum 62. Male: Jm Pavillon. (Le Parsam.) Sqwank in 3 Acten von Ernest Blum u. Raoul Tochs. Deutsch von Ludwig Fischl. In Scene geseßt von Sigmund Lautenburg.

Sonnabend: Die lustigen Weiber von Windsor. | Karl Meyder - Concert,

Sonntag: Einmaliges Gastspiel des Herrn Heinrich Bötel. Der Postillon von Lonjumeau. (Chapelou und Saint Phar: Herr Heinrich Bötel.)

Neues Theater (am Schiffbauerdamm 4/5). Freitag: Zum 7. Male: Logierbesuch. Schwank in 4 Aufzügen von R. Weber und Max Löwenfeld. Anfang 7 Uhr.

Sounabend: Logierbefuch.

Sonntag: Nachmittags 3 Uhr: Dunrch die Intendanz.

Theater Unter den Linden. Freitag: Zum 77. Male: Die Welt in Bild und Tanz. Ausstattungs - Ballet von Gaul und Haßreiter. Musik von F. Bayer. Injcenirt durch Louis Gundlah. Das grandiose chinesische Ballabile: Ein Dracheufest. (Mitwirkende :

in 1 Act von H. F. Musik von A. Perron. Couplets von A. Braun. Inscenirt durch C. A. Friese sen. Professor Imro Fox, amerikanischer Prestidigitateur (Gastspiel). Anfang 7x Uhr.

In Vorbereitung: Die Sirenen-Jnsel. Ballet von Regel. Musik von Mader. Choreogr. von Haßreiter. (Nevertoirestück der Wiener Hofoper.)

Adolph Ernst-Theater. Freitag (vor- leßte Woche): Die wilde Madonua. Gesangs- posse in 3 Acten von Leon Treptow. Couplets von G. Gßsrß. Musik von G. Steffens. Mit neuen Costumen aus dem Atelier der Fr. Köpke und neuen Decorationen von Lütkemeyer in Coburg. In Scene gesezt von Adolph Ernst. Anfang 72 Uhr.

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

In Vorbercitung: Modernes Babylon. Ge- sangêposse in 3 Acten von Ed. Jacobson und W. Mannstädt. Couplets theilweise von G. Görß. Musik von G. Steffens.

Thomas-Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Freitag: Enscmble-Gastspiel der Münchener unter Direction des Königlich Bayerischen Hof- schauspielers Max Hofpauer. Zum 3. Male: Der ledige Hof. Volksschauspiel mit Gesang in 5 Acten von Ludwig Anzengruber. Anfang 72 Uhr.

Sonnabend : Dieselbe Vorstellung.

In Vorbereitung: Der Herrgottschuitzer.

E) Hohenzollern-Galerie Lehrfer Bahnhof. 1 A Sonntags 50 . Gr. histor: Rundgemälde 1640—1890. Geöffnet 9 Uhr bis Duunkelh. Sount. 9—9.

500 ersonen) Das Baby. (Novität.) Schwank |

Ouv. „Der Flüchtling“ von Kretshmar. „Nienzi““

von Wagner. „Si j’étais Roi“ von Adam. „Sieg- fried-Idylle“ von Wagner. „Angso d’amour“, Walzer von Waldteufel. „Zigeunerweisen“ für Violine von Sarasate (Herr Carnier). Potpourri über Volks- und Studentenlieder von Mohr. „Mein Stern“, für Piston von Cooper (Herr Steffens).

Saal Lechstein, Linkstraße 42. Freitag, An- fang 7# Uhr: Vortrags-Abend von Emanuel Neicher.

Circus Renz (Carlstraße.) Freitag, Abends-

74 Uhr: Gr. humoristishe Vorstellung mit komischen Einlagen sämmtlicher Clowns. Außerdem : Zens Carneval und sein Gefolge, vorgeführt von Herrn Oscar Renz. „Coriolan“, Schulpferd, geritten von Frl. Oceana Renz. Mr. James Fillis mit dem Schulpferde „Germinal“. Der Zwerg- elephant Nelli, vorgeführt von dem Clown Lavater Lee. Auftreten der musikalishen Clowns Delto- relli 2c. Zum Schluß: Auf Helgoland oder: Ebbe und Fluth. Großes Land-, Wasser- und Feuer-Schauspiel. Nationaltänze von 82 Damen.

eue Einlagen, u. a.: „Aufzug der Leib-Garde- Artillerie“. /

Sonnabend, Abends 7} Uhr: Große Vorstellung mit_ neuem Programm und „Auf Helgoland“.

Sonntag: 2 große Vorstellungen. Nachmittags 4 Uhr (ein Kind frei): „Die lustigen Heidelberger“. Abends 7ck Uhr: „Auf Helgoland“.

B S7 E N A E E S E I E E R E E P I E R A Familien-Nachrichteu.

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Major Demnig. (Saarlouis). =- Eine Tochter: Hrn. Haupt- mann a. D. Georg von Arnim (Sprengelshöhe bei Regenwalde).

Gestorben: Hr. Major a. D. Hugo Rolla du Rosey (Bad Oeynhausen). Fr. Konsul Anna Boden, geb. Schultz (Stettin). Hr. Commerzien- Rath Friedrich Heyn (Danzig). Hr. Land- gerichts-Director Wilhelm Dobert (Berlin).

Redacteur: Dr. H. Klee, Director. BELTT:

Verlag der Expedition (Scholz).

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlag2- Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Sechs Beilagen (einshließlich Börsen-Beilage)-

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zum Deutschen Reichs-Anz

M 291.

Erste Beilage

Berlin, Donnerstag, den §. Dezember

ciger und Königlih Preußischen Staals-Anzeiger.

: 1892.

Deutscher Reichstag. 10. Sißung vom Mittwoch, 7. Dezember, 1 Uhr.

Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste Berathung des von den Abgg. Dr. Hir\ch (dfr.),Merbach (Np.), Moeller (nl.), von der Schhulenburg-Beeßendorf (deutshcons.), Frei- herr von Wendt (Centr.) und Genossen eingebrachten Ge- seßentwurfs, betreffend die Einführung des § 75a des Krankenversicherungsgeseßes, wonah die Mit- glieder derjenigen freien Hilfsfassen, welhe bis zum 1. Januar 1893 noch nicht die Bescheinigung erhalten haben, daß fie dem neuen Krankenkassengeseß genügen, welche aber ihre Statuten- änderung schon zur Genehmigung eingereiht haben, bis zum 1. Juli 1893 vom Beitritt zu den Zwangskassen befreit bleiben.

__ Abg. Moeller (nl.): Eine ähnliche Susvensivmaßregel, wie die hier vorgeschlagene, sei nah Erlaß des Krankenkassengeseßes von 1883, das am 1. Dezember 1884 in Kraft getreten sei, im Januar 1884 mit rückwirkender Kraft getroffen worden. Die freien Hilfskassen, hätten nah dem neuen Geseß vom Reichskanzler eine Bescheinigung darüber beizubringen, daß sie den Bestimmungen des neuen Gesetzes ent- sprohhen hätten. Die Bezirksregierungen seien aber durch einen so ungeheuren Shwall von Statutenänderungen mit einem Male belastet worden, daß die Genehmigung der Statuten der einge- schriebenen Hilfskassen noch niht habe erledigt werden fönnen. Ihre Mitglieder würden daher am 1. Januar nächsten Jahres in die Zwangskassen übertreten müssen. Da den freien Hilfs- kassen ein Verschulden an der Verzögerung der Statutengenehmigung nicht beizumessen sei, sei es loyal, ihnen eine weitere Frist bis zum 1. Juli n. J. für die Beibringung der Bescheinigung zu geben. Es blieben dann die bisherigen Statuten der freien Hilfskassen wegen der Gewährung von Naturalleistungen und Arzt und der Höhe des Krankengeldes bis dahin unberührt. Die Absicht des Antrags sei lediglih eine solhe Sufpensivmaßregel. Sie entspreche der Billigkeit, und er hoffe au, daß die Regierung damit einverstanden sei.

Damit schließt die erste Berathung. Jn der zweiten Be- rathung wird der Entwurf ohne Besprehung angenommen.

Es folgt die erste Berathung des von dem E R Rintelen eingebrahten Geseßentwurfs, betreffend die Abänderung und Ergänzung der Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Wiederaufnahme des Verfahrens, sowie die Ent- schädigung für unschuldig erlittene Strafen.

Abg. Rintelen (Centr.) verweist zunächst auf die früheren Ver- handlungen des Hauses über denselben Gegenstand, und replicirt dann auf eine frühere rh des Abg. Traeger, der die Annahme seines Antrags, wegen der Entschädigung unschuldig Verurtheilter dur die Verbintung mit der Srage der Erleichterung des Wiederaufnahme- verfahrens erschwere. Ohne Erleichterung des Wiederaufnahme- verfahrens keine Entschädigung, das sei der Kernpunkt der Sache. Er stehe nah wie vor auf dem Standpunkte, daß es vollständig unzu- lässig sei, jemand eine Entschädigung zu gewähren, der, obgleich er \{uldig befunden sei, naher im Wiederaufnahmeverfahren wegen Mangel an Beweisen freigesprochen werde. Der Verurtheilte sei so lange schuldig, bis er seine Unschuld bewicsen habe, bis er nat- gewiesen habe, daß er die That überhaupt nicht, oder daß sie ein anderer begangen habe. Mit anderen Worten: eine Entschädigung dürfe nur denjenigen gewährt werden, deren Unschuld wirklichß nach- ewiesen sei. Nedner bittet zum Schluß, seinen Antrag nicht einer

ommission zu überweisen, da die Sache bereits zweimal in einer Commission gründlih geprüft worden sei.

Staatssecretär Dr. Hanauer:

Meine Herren! Ich kann vielleicht die weitere Erörterung des Gegenstandes einigermaßen abkürzen, wenn ich Ihnen eine Mittheilung über den Stand der Sache im Königlih preußishen Justiz- Ministerium und im Reichs - Justizamt mache. Es hat der Herr Reichskanzler aus Anlaß der vorjährigen Verhandlungen über den Gegenstand, der eben erwähnt worden is, angeordnet, daß im Reichs-Justizamt ein Entwurf über die Regelung der Entshädigung unschuldig Verurtheilter ausgearbeitet werde behufs Vorlage an die ver- bündeten Regierungen und an den Reichstag. Dieser Entwurf ist aus- gearbeitet und zunächst dem Königlich preußischen Justiz-Ministerium mitgetheilt worden. Jm preußischen Justiz-Ministerium hat man {on vorher Anlaß genommen gehabt, die Frage der Wiedereinführung der Be- rufung oder der Neueinführung der Berufung gegen die Urtheile der Strafkammer näher ins Auge zu fassen und ist beschäftigt ge- wesen mit der Aufstellung eines darauf bezüglihen Entwurfs. Bei dieser Arbeit ift das Neichs-Justizamt dann commissarish betheiligt worden, und nun hat man für sachgemäß gehalten, die Normen wegen Entschädigung uns{uldig Verurtheilter mit den Normen wegen Ein- führung der Berufung und der damit weiter zusammenhängenden Abände- rung der Strafprozeßordnung in einem Gesetzentwurf zu vereinigen. Dieser Geseßentwurf liegt vorerst noch der Beschlußfassung des Königlich preußishen Staats-Ministeriums vor, um eventuell als preußischer Antrag beim Bundesrath eingebracht zu werden. So liegt die Sache zur Zeit. Natürlich bin ih nicht in der Lage, dem hohen Hause irgend cine Mittheilung zu machen, ob und wann eine solche Vorlage von Seiten der verbündeten Regierungen ge- macht werden wird. Darüber steht die Beschlußfassung wie die Vorlage an den Bundesrath selbs noch aus. Allein, ob es nun angezeigt ersheint, von Seiten des hohen Hauses bei diesen von mir erwähnten Vorbereitungen auf der Negierungsseite sh mit der Frage weiter zu befassen, das muß ich natürlich dem Ermessen des hohen Hauses anheimstellen.

Abg. Dr. Hartmann (deutschcons.): Diese Erklärung werde gewiß vom ganzen Hause mit Freude und Befriedigung aufgenommen worden sein. Damit sei allerdings auch nach seiner Ansicht die Verhandlung für heute gegenstandslos geworden. Er möchte aber troßdem seinen Standpunkt noch einmal präcisiren. Er theile die Auffassung des Abg. Rintelen, daß das unschuldig“ in diesem Zusammenhang nicht gleihbedeutend sei mit dem „nichtshuldig"“ der Juristen, und daß eine Eiauns nur wirklich unschuldig Verurtheilten gewährt werden dürfe. Er habe \. Z. in diesem Sinne selber einen Geseß- entwurf beantragt. Damals hätten die verbündeten Regierungen gar nichts gewähren wollen. Sie seien der Meinung gewesen, daß die Entschädigung unschuldig Verurtheilter gls eine Gnadenfache sei. Auf ihre Veranlassung hätten denn au mehrere Einzelstaaten, wie Bayern und Sachsen, Gnadenfonds in ihre Landes-Etats ein- gestellt. Dies könne ihn nicht befriedigen. Derjenige, dem durch die

echtsprechung Unrecht geschehen sei, müsse einen geseßlihen Anspruch

auf Entschädigung haben. Jeßt dürfe man mit Freude und Spannung er Vorlage der verbündeten Regierungen ntgegenleten, Er könne

nur bitten, daß der Bundeérath sich auf die Entschädigung bei nach-

gewiefener Unschuld beschränke. Eine commissarishe Berathung sei unter den obwaltenden Verhältnissen {lechterdings entbehrlich. Auch eine zweite Lesung könne man sih ersparen.

_ Abg. Frohme (Soc.): Mit der Erklärung des Staatssecretärs sei man wenigstens einen Schritt weiter gelangt. Er habe aber doch noch nichr die Befriedigung, welcher der Vorredner Ausdruck gegeben habe. Wenn der neue Geseßentwurf eine - Entschädigung nur den wirflich Unschyldigen gewähre, fo sei er durhaus mangelhaft. Es sei nothwendig, daß auch denjenigen eine Entschädigung gewährt werde, die zu Unrecht eine Untersuchungshaft verbüßt hätten. Die Zahl dieser Fälle fei außerordentlih groß. Ec halte an dem Grundsaß fest, daß in allen Fälleñ, wo die Justiz die Schuld des Angeklagten nachzuweisen niht im stande sei, auch eine Entschädigung gewährt werden müsse. Ueberhaupt werde man eine Grenze zwischen wirklicher Unschuld und der Wahrscheinlichkeit der Schuld \hwer finden können. Im Untersuchungswesen liefen der Justiz nicht selten die gröbsten Fehler unter. Eine entsprehende Vorschrift im Gesetz würde bewirken, daß die Justizbeamten in der Ausübung ihrer Functionen etwas vorsihtiger seien. Man brauche niht auf dem Standpunkt zu stehen, daß die Justiz durchaus corrumpirt sei; aber es könnten doch Ungerechtigkeiten vorkommen, wenn eine solche Vor- {rift nicht vorhanden sei. Ebenso wie der Apotheker für die richtige Herstellung und Verabreihung der Arzneien verantwortlich sei, ebenso müsse au die Justiz verantwortlich sein. Das verlange das Nechtsbewußtsein des Volkes. Der Antrag Rintelen gebe ihm Ver- anlassung, auf eine Neihe der gröblihsten Mißbräuche, deren \ich in der leßten Zeit einige Justizbeamten \{chuldig gemacht hätten, aufmerksam zu machen. In Hamburg z. B. dabe sich der Staats- anwalt Romen im Gerichtsfaale verpflichtet gehalten, Folgendes zu behaupten: die meisten Zeugen seien Socialdemokraten und hielten sih. gemäß den in threm Parteiprogramm ausgesprochenen Grund- säßen für berechtigt, auf den geleisteten Eid Unwahres zu behaupten. Derselbe Staatsanwalt habe jih einem anderen Prozeß wiederum auf denselben Standpunkt gestellt, indem er einem Zeugen die Frage vorgelegt habe, ob er der socialdemokratischen Partei angehöre. Der Vertheidiger habe gegen diese Frage als niht zur Sache gehörig Ein- spruch erhoben, der Staatsanwalt habe aber darauf bestanden, weil er im Falle der Bejahung in Uebereinstimmung mit der von ihm

„an anderer Stelle entwickelten Anschauung die Glaubwürdigkeit des

Zeugen bestreiten müsse. Im weiteren habe er bemerkt, er sei im stande, hinreichend Material zu bringen, daß die ganze Socialdemofkratie nicht nur den Meineid billige, sondern ihn sogar verherrlihe, wenn es dadur mögli sei, einen Angeklagten der Bestrafung zu entziehen ; daher glaube er sih zu der von ihm gestellten Frage berechtigt. Man könnte fagen, das sei eine vereinzelte Erscheinung; er sei aber in der Lage, mehrere Fälle eonstatiren zu können, wo das in einer Art und Weise geschehen sci, die ein unbeeinflußtes Rechtsbewußtsein empören müsse. Man habe in Magdeburg eine Reihe von Meineids- prozessen gehabt, welche die Gegner der Socialdemokratie gegen sie auszuspielen versucht hätten. In einer Versammlung zn Staßfurt solle nach Bekundung des überwachenden Polizcibeamten der Referent Mertens gesagt haben, das Nechtsprehungssystem sei miferabel. Mertens sei deshalb angeklagt. In dem Prozesse hätten einige Entlastungs- zeugen bekundet, daß Mertens diese Worte nicht gebraucht habe; er sei aber do nach Ausfage des Polizeibeamten verurtheilt. Dann seien alsbald auh die Entlastungszeugen unter die Anklage des Meineids enes Es seien wieder Ettlalhutaszeugen aufgetreten, die ebenfalls

efundet hâtten, daß Mertens jene incriminirten Worte niht gebraucht habe. Auch die Ausfagen dieser Zeugen seien als unglaubwürdig betrachtet, und leßtere ebenfalls des Meineids beschuldigt. Nun habe sich in der leßten Verhandlung beim Magdeburger Schwurgericht herausgestellt, daß die Polizeibeamten gehört hätten, wie Nedner die Nationalliberalen als Nationalmiserable bezeihnet habe, und er von einem miserablen Nechtésystem, niht von einem miserablen Recht- sprehungssystem gesprochen habe. Da habe ein Polizeisergeant den anderen angestoßen, und dieser habe darauf miserabel in sein Notizbuch ver- zeichnet und es dreimal unterstrichen. Wer da wisse, wieviel auf die Bericht- erstattung von niederen Polizeiorganen gegeben werde, der werde ein- räumen, daß nirgends mehr eine irrthümlihe Auffassung stattfinden könne, als in folhen Fällen. Ein besonderer Umstand komme noch hinzu: Mertens habe behauptet, in Staßfurt habe ein Bürgermeister Neinhart erwiesenermaßen in einer geradezu fanatishen Weise in Gemeinschaft mit den Unternehmern Stellung gegen die Socialdemo- fratie genommen. Er fei deshalb wegen Beleidigung verurtheilt worden.

Wenige Wochen darauf sei eine ganze Reihe von Schriftstücken ver- öffentlicht, aus denen sich zur Evidenz ergeben habe, daß Mertens allerdings mit feiner Behauptung Necht gehabt habe. Das habe auch der Bürgermeister shließlich zugeben müssen.

__ Abg. Kauffmann (dfr.): Die beiden Materien gehörten aller- dings nicht nothwendig zusammen, es komme jedoch nur darauf an, daß vorläufig das Princip der Entschädigung uns{uldig Verurtheilter, festgestellt werde. Wenn man aber einen Üntershied mache zwischen unshuldig Verurtheilten und Freigesprochenen, werde die ganze Straf- prozeßordnung auf den Kopf gestellt. Er wolle wünschen, daß das Tempo, in dem die Vorlage an das Haus gelange, beschleunigt werde.

Abg. Schneider-Hamm (nl.) äußert ebenfalls seine Freude und Genugthuung über die Ankündigung des Staatssecretärs und fordert, daß S Dg nur dann gewährt werde, wenn si wirk- lih diz Unschuld des Verurtheilten herausstelle.

Abg. Haußmann (Vp.): Begrifflih lasse sich der Un- Be von dem Freigesprohenen scheiden, aber diesen Unter- schied geseßgeberisch zu gestalten und in der Praxis anzuwenden, sei ungeheuer s{wierig. In Württemberg sei ein Mann, der eleugnet habe, a {weren Diebstahls zu vier Jahren Zucht-

aus verurtheilt. Nachdem er ein Jahr abgesessen, sei der wahre Dieb gefunden und verurtheilt. Nah Wiederaufnahme des Vérfahrens gegen den ersten habe ihn das Gericht zwar freigesprochen, aber hinzugefügt, daß es nicht erklären könne, daß der Mann wirklich unschuldig a, denn es wäre möglich, daß bei dem Diebstahl zwei bee theiligt gewesen seien. Das dann angerufene Reichsgeriht habe er- klärt: Du bist freigesprochen, mehr als freigesprochen kannst Du nicht werden. Der Mann habe nun ein Bittgesuch um Entschädigung aus öffentlihen Mitteln auf Grund des Bundesrathsbeschlusses vom 6. März 1887 eingereiht, und durch das württembergische Ministerium und den König fei ihm eine Entschädigung von 1000 4 zuerkannt worden. Ein anderer Act sei folgender: In der leßten "Schwur- gerichtsperiode hier sei ein Mann verurtheilt auf Grund der Aussage einer Belastungszeugin, von der es. sich später heraus- gestellt habe, daß se - vollständig hy bd sei und in diesen Anfällen s{chon. wiederholt unwahre Behauptungen in ähnliher Weise aufgestellt habe. An der ZFrelspreGung des Mannes fei nun niht mehr zu zweifeln gewesen. ie Frage, ob er wirkli unschuldig sei, werde jedoh je nach der individuellen Ansicht eines Einzelnen verschieden beurtheilt werden können. “Die Reichsregierung möge die Interpretation in dem Geseß dahin annehmen, daß, wenn ein Mann nicht für s{uldig erklärt werden könne, er alsdann ent- \hädigt werden könne für das, was er durch das Strafverfahren gegen ihn eingebüßt habe. Schließlich bitte er, den Reichstag mit der Aus- gestaltung des e niht \o lange warten zu lassen, wie man ihn auf die Ankündigung habe warten lassen. i

Ein Shlußantrag wird eingebracht und findet die nöthige Unterstüßung. Abg. Stadthagen (Soc.) bezweifelt die Besch ube fähigkeit des Hauses. :

Die Zählung des Hauses ergiebt die Anwesenheit von 146 Mitgliedern, von denen 106 für, 40 gegen den Schluß stimmten. Das Haus ist also nicht beschlußfähig.

Schluß 31/4 Uhr. - Nächste Sizung Freita#Œ 12 Uhr. (Interpellation, betreffend die Abzahlungsgeschäfte Und Fort- seßung der ersten Berathung der lex Heinze.)

Literatur.

Naturkunde.

Brehm's Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs. Dritte, neubearbeitete Auflage. Band 9. Die FInsecten, Tausendfüßer und Spinnen. Neubearbeitet von Professor Dr. E. L. Taschenberg. Mit 287 Abbildungen im Text und 21 Tafeln. Leipzig und Wien. Bibliographishes Institut. Preis in Halbfranz ebunden 15 Die jedem Naturfreund aus Brehm?s Thierleben

cfannte, ausgezeihnete Schilderung der Insectenwelt ist au in der dritten Auflage dieses berühmten Werks wieder von Professor Dr. E. L. Taschenberg neubearbeitet worden. Der Gelehrte hat in dem uns vorliegenden Bande die Quintessenz seines fachmännischen Wissens unter forgfältiger Berücksichtigung der neueren Forshungsergebnisse niedergelegt. Nicht sein gering\tes Verdienst hierbei is der muster- gültige Anschluß an die -Brehm’sche Thierschilderung. Dadurch ist erreicht, daß nicht nur die Abhandlung über die betreffende Thier- gruppe auf den Stand der heutigen Wissenschaft gebraht wurde, sondera es ist auch das buntschillernde, regîame und weitverzweigte Volk der Insekten in jener reizvollen, fesselnden Schreibweise dar- gestellt, die das Brehm’sche Lebenswerk kennzeihnet. Ganz besonderes Gewicht ist bei der neuen Bearbeitung auf die Biologie gelegt worden. Die anatomischen Verhältnisse der Insekten x. sind im allgemeinen Theil gegen früher etwas eingehender behandelt worden. Nicht weniger interessant als der Text ift auch der illustrative Theil des vorliegenden Bandes. 141 neue bildliche Darstellungen, meisterhaft von Emil Schmidt und H. Morin fast ausnahmslos nach dem Leben gezeichnet, haben Aufnahme gefunden. Einen ganz besonderen Reiz üben in dem neuen Band auf den Beschauer die vorzüglichen Chromo- drudcke aus, bei welchen der jener Thiergattung eigene Farbenshmelz fo recht zum Ausdruck kommt. Die neuè Fortseßung aus Brehm's Thierleben reiht sih auch hinsihtlih ihrer inneren und äußeren ge- diegenen Ausstattung den voraufgegangenen Bänden würdig an.

Erziehung und Unterricht. '

Geographishe Bilder. Zum Selbstunterriht und für Schulen, von Paul Gerhardt, städtishem Lehrer. Berlin, Liebel’sche Buchhandlung; Pr. 6 4, geb. 6,75 4 Das Unternehmen, unsere geographische Kenntniß in einer Reihe von Bildern im Zu- sammenhang darzustellen, dankbar zu begrüßen, umsomehr als die vorhandenen Lehrbücher sich niht zum Selbftstudium eignen und der Ergänzung durh den Vortrag bedürfen. In den „geographischen Bildern“ ist dieser Vortrag durh eine angemessene Darstellung, die sehr lesbar ist, erseßt. Das Werk umfaßt das ganze Gebiet des geographischen Wissens nah dem Ergebniß der neuesten Forschung.

Lèr tka.

Von dem großen Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Jacob und Wilhelm Grimm liegen zwei neue Lieferungen vor. Die eine L den am längsten im Nükstande befindlichen, der Materie nah aber au besondere Schwierigkeiten bereitenden 1V. Band (T. Abtheilung, 2. Hälfte) dem endlichen Abschlusse näher. Die darin enthaltenen Wörter mit der Vorsilbe „ge“ werden von „gerieselt“ bis „geshickt“ weitergeführt. Die von Dr. R. Hildebrand begonnenen Arbeiten an diesem Theil seßt Dr. K. Kant jeßt mit frishen Kräften und in beschleunigterem Tempo fort. Die Lieferung (9) ent- hält unter anderen die wichtigen und umfangreichen Artikel „Geschäft“, „geshehen“ und „Geschichte“, deren Abstammung und Entwickelung dem Freunde sprahwissenshaftliher Forshun viel Belehrendes bietet. Auch der VIIl. Band (R, S) ist Lur Ausgabe einer neuen (10.) Lieferung gefördert worden, welche die Artikel „Same“ bis „Saumseligkeit“ umfaßt und u. a. die etymolo- gis und culturgeshichtlih interessanten Worte „Sammet“, - „Sarg“, „Satan“, „sauer“, „Saum“ 2c. enthält. Auch diese unter Leitung von Dr. M. Heyne bearbeitete Lieferung giebt hon durch das reiche Material an illustrirenden Citaten in Poesie und Prosa aus einem ganzen Jahrtausend deutscher Literatur Zeugniß von dem dabei auf- gewendeten Bienenfleiß. Die 11. Lieferung des VIII. Bandes und die 9. des XII. befinden sih im Druck und dürften in nächster Zeit im S. Hirzel’shen Verlage zu Leipzig zur Ausgabe gelangen.

Von der fünften Auflage von Meyer's Kleinem Con- versationslexikon (Leipzig, Verlag des Bibliogr. Instituts) liegen jeßt der erste und zweite Band (bis Lieferung 44) abgeschlossen vor. Es wird mit dem Kleinen Lerikon dem großen Publikum, cin Hilfs- mittel ersten Ranges, das auf alle Fragen Auskunft und Bälebruñia ertheilt, geboten. Wirksam wird der Text durch Beigaben an Karten, Vildertafeln und illustrirten Beilagen, die fämmtlih als mustergültig bezeichnet werden können, unterstüßt. Das Werk kann in 66 Lieferungen zu je 30 4, oder in drei in Halbfranz gebundenen Bänden zu je 8 M. bezogen werden.

j Verschiedenes.

„Fünfundzwanzig Jahre Münchener Hoftheater- Geschichte, ein Nükblick auf die 25jährige Amtsführung des Frei- herrn Karl von Perfall als Leiter der Münchener Hofbühnen“ lautet der Titel einer zu diesem Jubiläum von Otto Julius Bierbaum verfaßten Festschrift, die im Verlage von Dr. E. Albert u. Co. in München erschienen i. (Pr. 4 () Sie bietet einen statistishen Ueberblick über das Münchener Hoftheaterleben innerhalb des verflossenen Vierteljahrhunderts und eine Galerie der bedeutendsten künstlerishen Kräfte der bayerischen Hofbühne aus dieser Periode nebst biographishen Abrissen. Die Schrift verbindet damit auch manche kritishen Anregungen, die jedo, wie der Verfasser betont, lediglich aus dem Wunsche hervorgingen, ein fo bedeutendes Kunstinstitut, wie das Münchener Hof-Theater dauernd und fest auf der Höbe zu sehen, zu der Baron von Perfall unablässig und vielfah mit Erfolg es zu erheben bestrebt war. Es ist eine für den Jubiläumstag bestimmte Chronik, die niht nur ein Ehrenbuch für den Jubilar, sondern auch für die- jenigen fein soll, die unter seiner Leitung an dem Institut thätig waren und sind. Dieser Bestimmung vemah ist das Buch würdig aus- S und mit dem Bildniß des hochverdienten General- Intendanten owie 70 Lichtdruck-Porträts hervorragender ehemaliger oder noch wirk- ane Mes und Künstlerinnen der bayerishen Hofbühnen aus- gestattet.

Die Mei für Gerihtsvollzieher*, Special- Organ über Vollstreckungsrecht und Zustellungswesen Cert von Siemenroth u. Worms in Berlin SW.), bat in der Nr. 22 vom 18. November folgenden Inhalt: Die rechtlide Stellung des Ge- rihtsvollziehers im heutigen Civilprozefse. on Magnus Frei- herrn von Welck zu Oberlößniß-Radebeul. Werden Mängel der Zustellung dadur geheilt, daß das zugestellte Schriftstück infolge der Zustellung wirklich in die Hände des Adressaten gelangt ist ? Rechtsprechung. Zeitschriften- und Bücherschau. Literarische Mit- theilungen von Heinrich Walter. S