1893 / 90 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 17 Apr 1893 18:00:01 GMT) scan diff

D Eni i E E E T E E E

A

E T Es -

T

5 EE 4 B E A E 24 i Fh 214 h 1 g Í t

É Ew V e E Ä

IGRiG g aa E D Ta E E E Sa R) Dani

iat:

S 2 F B N D T OE S T IGA A t G L E a L a,

bekleidete er bis zum Juli 1885, wo-er qui. scinen Antrag in den einstweiligen Ruhestand verseßt und in Anerkennung seiner Bs en und bewährten Dienste mit dem Stern zum othen wurde; jedo verblieb er in Tanger noch bis zum April 1886, um die von ihm begonnenen deutsh-marokkanischen Handels- vertragsverhandlungen zum Abschlusse zu bringen.

Weber war einer der hervorragendsten Beamten des aus- wärtigen Dienstes, der sich durch eingehende Kenntniß der Verhältnisse des Orients und tactvolles Auftreten auf jedem Posten trefflih bewährt hat. Wenn er auch seit acht Jahren dem activen Dienst nicht mehr angehörte, so wird doch sein Ableben im Auswärtigen Amt s{hmerzlich empfunden und ihm ein ehrendes Andenken stets bewahrt bleiben.

Das „Dr. J.“ \{reibt: Am Sonnabend Mittag hat die Internationale Sanitäts-Conferenz mit der Unter- zeichnung der Convention ihr Ende erreiht. Die Convention ist zunädst nur von Deutschland, Oesterreich-Ungarn, Belgien, Frankreih, Jtalien, Luxemburg, Montenegro, den Nieder- landen, Rußland und der Schweiz unterzeichnet worden. Die Vertreter der übrigen Staaten haben die Convention ad referendum genommen. Die Ratification soll inner- halb sechs Monaten in Berlin erfolgen. Die Convention zer- fällt in zwei Hauptabschnitte, deren erster die internationalen Abwehrmaßregeln gegen «die Cholera in Bezug auf den Reise- und Waarenverkehr enthält und für die B ukunft alien un- nüßzen Erschwerungen des Verkehrs und Handels vorzu- ‘beugen bestimmt is. Der zweite Abschnitt betrifft die Behandlung des Gesundheitswesens an der Donau- mündung. Jn feierliher Schlußsißung ist die Conferenz durch den E Seine Excellenz den Grafen von Donhoff im Namen Seiner Majestät des Deutschen Kaisers

eschlossen worden, nachdem auch Seiner Majestät dem onig der ehrfurchtsvollste Dank der Versammlung für die ihr in Allerhöchstseiner Hauptstadt in so außerordentlichem Maße erwiesene Gastfreundschaft votirt und die sonst bei der- artigen Anlässen üblichen diplomatishen Courtoisien aus-

getauscht worden waren. Der Minister von Mes widmete

der Conferenz einige warme Abschiedsworte.

Der Director des Marine-Departements des Reichs- Marineamts , Vice - Admiral Koester ist hierher zurü- gekehrt.

Der Ober-Regierungs-Nath Pelher in Hannover ist an die General:Commission in Breslau und der Ober-Regierungs- Rath von Hove zu Breslau an die General-Commission in Hannover verseßt worden.

Die Bevollmächtigten zum Bundesrath, Königlich bayerisher Ministerial-:Rath von Heller und Senator der P Hansestadt Hamburg Dr. Burchard sind hier ein- getroffen.

Der Regierungs-Affessor von Ascho ff aus Cassel ist der Königlichen Regierung in Minden zur dienstlichen Verwendung überwiesen worden.

_ Der Regierungs-Assessor von Schmidt aus Danzig ist bis (ak weiteres dem Landrath /dcs Landkreises Kiel zur Hilfeleistung in den landräthlichen Geschäften zugetheilt worden.

Ferner sind zur Hilfeleistung in den landräthlichen Geschäften bis auf weiteres zugetheilt worden die Regierungs-Assessoren : Dr. Shmidt-Scharff dem Landrath des Landkreises Har- burg, Regierungsbezirk Lüneburg, Graf Clairon d’ Hausson- ville dem Landrath des Kreises Merseburg, und Plewi dem Landrath des Kreises Marienburg, Regierungsbezir WaNnzig.

S. M. S. „Kaiserin Augusta“, Commandant Capitän zur See Büchsel, und S. M. Kreuzer „See- adler“, Commandant Corvetten-Capitän Köllner, sind am 14. April in Halifax (Nova Scotia) eingetroffen und hbe- absichtigen am 16. dess. Mts. nah Newport (Rhode Jsland) in See Wu gehen. j j . M. Kreuzer „Falke“, Commandant Corvetten-Capitän Becker, is am 14. April in Mossamedes eingetroffen und beabsichtigt am 18. dess. Mts. nah San Paolo de Loanda in See zu gehen.

Satßsen.

Seine Majestät der König empfing, wie „W. T. B.“ meldet, gestern nach dem Gottesdienste eine größere Anzahl der Theilnehmer an der Jnternationalen Sanitäts-Conferenz in Abschieds-Audienz.

Baden.

Jhre Königliche Hoheit die Großherzogin hat, wie die „Karlsr. Ztg.“ meldet, seit Jahren die Erfolge des Hand- arbeitsunterrihts in den verschiedenen Bezirken des Landes geprüft und jeweils Ausstellungen größerer Bezirke besucht, wo dié Handarbeiten vereinigt waren. Für dieses Jahr waren die Bezirke Bretten und Emmendingen durch den Ober- Schulrath bestimmt worden, Handarbeitsausstellungen zu ver- anstalten, und es sollten diese noch in diesem Monat und Anfangs Mai stattfinden. Fhre Königliche Hoheit habe leider für dieses Jahr auf den Besuch diejer beiden Bezirke verzichten müssen, da Zhr seit geeaumer Zeit bestehendes Augen- leiden dermalen eine größere Schonung erfordere. Auf ärzt- lichen Nath werde Jhre Königliche Hoheit fortan manche werth- gewordene Pflichten nicht in dem Maße erfüllen können, wie es Höchstihrem Herzenswunsh entsprehe, um die gebotene Schonung besser üben zu können.

Wie die „Karlsr. Ztg.“ weiter vernimmt, ist der Geheime Ober-Regierungs-Rath im Ministerium der Justiz, des Cultus und Unterrichts Dr. von Jagemann als badisher Gesandter am Königlich preußischen Hofe designirt.

Neuß; ä. L. ;

(+) Seine Durchlaucht der Fürst hat sich vorgestern Mittag zum Besuch des dortigen Herzoglichen Hofes nach Altenburg begeben und ist am Abend wieder in Greiz ein- getroffen.

dler-Orden zweiter Klasse mit Eichenlaub beliéhen

Oesterreich-Ungarn.

In der vorgestrigen Sigung “des ungarischen Unterhausés betonte der „Presse“ zufolge bei der Fort- sezung der Budgetdebatte der Minister - Präsident Dr. Wekerle die wesentlihe Besserung der volkswirthschaft- lihen Lage Ungarns und theilte mit, daß Steuerreformen vorbereitet würden. Im ‘nächsten Jahre solle die kleine Lotterie aufgehoben werden. Die Goldbeschaffung zur Valuta- regulirung sei fast vollständig beendet und die alinisize Durh- führung der Valutaregulirung gesichert. Das Budget des Finanz-Ministeriums wurde darauf angenommen. Auf die Jnterpellation des Abg. Polonyi über die Vor- gänge in Serbien erwiderte der Minister-Präsident, daß die jüngsten serbishen Ereignisse wohl überrascht, keines- wegs aber irgend welhe Aufregun hervorgerufen iten, wie denn die Negierung Sorge dafür tragen würde, sie auch ferner keine Aufregung hervorrufen. Der Minister-Präsident versicherte das Haus, daß diese Ereignisse auch in Wien keine Aufregung A hätten und daß das Ministerium des Aeußern auf die serbishen Angelegenheiten gar feinen Einfluß übe. Wir leben jagte der Minister- Präsident mit allen Balkanstaaten, auch mit Serbien, auf gutem Fuße, behindecn dieselben nicht in ihrer eigenen Entwicklung und bringen ihnen Wohlwollen entgegen, nehmen aber gar feinen Einfluß auf die inneren Angelegenheiten derselben. Der allgemeine Friede ist durch die ln Ereignisse nicht gefährdet, daher sind auch keine peciellen Verfügungen im Interesse unserer Unterthanen noth- wendig. Sobald dies nothwendig sein sollte, werde er es nicht unterlassen. Der Abg. Polonyi nahm die Antwort zur Kenntniß.

Der böhmische Landtag überwies, wie „W. T. B.“ berichtet, am Sonnabend den Antrag des Abgeordneten Solc auf Erlaß eines Geseßzes über den Gebrauch beider Landes- sprachen bei den öffentlihen Behörden in Böhmen einstimmig einer Specialcommission. Die Vorlage wegen Errich- tung eines Kreisgerihts in Schlan wurde auf Antrag des Prinzen Ferdinand Lobkowißz der Commission für Gemeinde- und Bezirks-Angelegenheiten überwiesen. Die Jungcezechen ent- hielten jih der Abstimmung. Dafür stimmten die Großgrund- besißer und die Deutschliberalen. Von den Altczechen stimmten dafür: Rieger, Zeithammer, Mattush und Tomck.

Grofebritannien nud Frlanv.

Auf die in London verbreitete Dori, die Negierung werde iee Einwilligung zu einer Abänderung der Home- rule-VBill kundgeben, dahin. gehend, daß ein Theil von Ulster unter der Controle des Reichsparlaments bleiben solle, erklärt der heutige „Standard“: die Unionisten würden diese Abänderungen ablehnen, da die Minoritäten in den anderen Theilen Jrlands dem Dubliner Parlament auf Gnade und Ungnade ausgeliefert sein würden.

Fraukreich.

Jn Paris haben gestern die Wahlen zum Municipa[- rath stattgefunden. Nach einem Telegramm des „W. T. B.“ dürfte die Zusammenseßung unverändert bleiben. 43 der bis- herigen Mitglieder wurden wiedergewählt, in 38 Bezirken sind Stichwahlen erforderlich. (

Nufß;land. \

Der Großfürst und die Großfürstin Wladimir sind gestern von St. Petersburg ins Ausland abgereist.

Das „Journal de St. Pétersbourg“ erklärt, wie „W. T. B.“ meldet: Anläßlich der jüngsten Ereignisse in Serbien: bei der mehr als precären Lage,“ in welcher sih das Land infolge der allgemeinen Unzufriedenheit und der übermäßig erregten Leidenschaften befunden habe, sei es vom König ein Act der Kraft und Weisheit gewesen, indem er dem ebenso mißlihen als gefährlihen Zustande ein Ende gemacht habe. Die vollständige Ruhe, mit der ih diese wihtige Umwälzung vollzogen habe, be- weise, daß dieselbe den Wünschen der Nation und den Interessen des Landes entspreche. Die Armee habe den Eid der Treue mit Enthusiasmus geleistet, und die Be- völkerung von Belgrad habe mit beifälligen Ovationen die wohlthuende Jnitiative des Königs aufgenommen. Jn Rußland verfolge man mit viel zu großer Sympathie die freie, glück- lihe und friedlihe Entwickelung Serbiens im Jnnern, um niht aufrichtig zu wünschen, daß unter dem Schuße dcs jungen Königs, der socben einen Act weiser und männlicher Entschlossenheit vollzogen habe, das Ereigniß zur Beruhigung und zur Betrie der verwandten Nation beitrage, die Ruß- land ihre Befreiung und Unabhängigkeit verdanke.

Ftalien.

Das Eintreffen des Erzherzogs Rainer in Nom wird dem „W. T. B.“ zufolge am 19. April erwartet.

Der Papst empfing am Sonnabend die nah Jerusalem gehenden eucharistischen Pilger und hielt eine Ansprache an sie, worin er hervorhob, die periodishen Pilgerzüge nach dem Orient trügen dazu bei, die Vorurtheile gegen die Christen zu zerstreuen. Behufs Theilnahme an dem Eucharisten- Congreß delegirte der Papst einen Cardinal, der den Vorsiß führen joll.

Niederlande.

Die Königin und die Königin-Regentin werden sich, wie „W. T. B.“ berichtet, nah den nunmehrigen Dispositionen am 3. Mai zum Besuch des Königs und der Königin von Württemberg nah Ludwigsburg und von dort am 8. Mai nah Flims begeben.

Belgien.

In Jolimont ist es am Freitag zwischen Gendarmen und den Strikenden zu einem Zusammenstoß gekommen, wobei drei der Strikenden verlegt wurden; eine Frau wurde durch cine zurückprallende Kugel getödtet. Jn Brüssel ver- lief der vorgestriga Abend einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge ruhig, in der Stadt bemerkte man keine umherziehenden Banden mehr. Jn den Ortschaften der Strikegebiete fanden zahl- reiche Versammlungen statt, jedoch ist aus keinem Orte ein ernsterer Vorfall gemeldet worden. Dagegen ist es gestern in Brüssel zu Excessen gekommen. Der Bürgermeister Bu ls wurde in der Avenue Louise am Schluß eines auf der Straße abgehaltenen socialistishen Meetings von einem der Theilnehmer erkannt und durh einen Schlag mit einem mit Blei gefüllten Rohr- stock verleßt. Der Bürgermeister fiel in Ohnmacht und blutete stark, sodaß er sofort. nah seiner Wohnung geschafft werden mußte. Der herbeigerufene Arzt empfahl absolute Ruhe. Die Polizisten und Gendarmen eilten sofort nah Be-

kanntwerden des Attentats hinzu und pa auf die Mani- festirenden ein, welhe mehrere Revolvershüsse abgaben. Ein Socialist wurde verwundet, zwei Personen wurden verhaftet. Mie ist der Zustand des Bürger-meisters Buls zufrieden- tellend; die Verwundung ist nicht schwer und der Bürger- meister niht genöthigt, das Bett zu hüten. Er hofft in einigen Tagen seine Funktionen, die inzwischen der Schöffe André ver- sieht, wieder übernehmen zu können. Der König ließ sih nah dem Befinden des Bürgermeisters erkundigen. Jn der Stadt herrschte „gestern Abend sehr viel Bewegung, ohne daß jedoch die Ruhe gestört wurde. Bei einigen unbedeutenden Auf- [äufen wurden Verhaftungen vorgenommen. Man nimmt an, daß keine Ruhestörungen mehr eintreten werden; mehrere Regimenter bleiben jedoh in den Kasernen consignirt.

Türkei.

Die „Times“ - meldet aus Konstantinopel, der Secretär der Gesandtschaft der Vereinigten Staaten von Nordamerika habe nah einer persönlichen Untersuchung in Merzivan und der Umgegend die Erklärung abgegeben, es existire weder eine armenishe Frage noch ein A ufstand der Christen gegen ‘die - Türken. Die Berichte hiervon seien stark übertrieben. Die Türken hätten mit Klugheit und Mäßigung gehandelt. Die Be- richte von einem angeblihen Fanatismus der Muhamedaner gegen die Christen seien unbegründet und rührten von Agitatoren her, welche dieselben zu umstürzlerischen Zwecken ‘verbreitet hätten. Die Polizei habe Pläne entdeckt, welhe Beweise für die wirklih Schuldigen enthalten. Die „Daily News“ meldet, auf Vorstellungen des Secretärs der amerikanischen Gesandt- schaft seien viele türkishe Beamte in Caesarea und Merzivan verabschiedet und gegen 100 Armenier in Frei- heit geseßt worden. 6

Serbien.

Der König Alexander wurde, wie „W. T. B.“ meldet, Nen bei seiner Ausfahrt mit herzlihen Ovationen egrüßt.

Der Minister-Präsident D okic erklärte in ciner münd- lichen Auseinandersezung über das Programm der neuen Regierung: Die Ursachen des Vorgehens des Königs lägen in der durch die ungeseßlihe, verfassungswidrige Haltung der Regentschaft und des Ministeriums Avakumovic hervorge- rufenen, gefahrvollen Situation. Der König habe durch eine energische, rettende That die Gefahr beseitigt, die für das Land und die Dynastie aus der unnöthigen Dés Pen der staats- bürgerlihen Rechte und der Freiheiten des serbishen Volkes entstanden sei. Er habe dadurch unabsehbare Consflicte ver- hindert. Nachdem das Volk und die Armee die Uebernahme der Regierung durch König Alexander mit seltener Einmüthiç- keit begrüßt hätten, werde die Regierung nunmehr ihre ganze Aufmerksamkeit vorzugsweise auf die innere Pa auf die Herjtellung und Sicherung eines streng verfassungsmäßigen geschlichen Zustandes, der persönlichen und politishen Rechte, jowie der Besizrehte der Staatsbürger lenken, entsprechend den Jntentionen des Königs, der allen Ernstes ein An und S der Verfassung wie der Geseße sein wolle. Zu diesem Behufe werde die Negierung mit kräftiger Hand Aus- \chreitungen jeder Art und von welcher Seite dieselben auch kommen möchten, hintanhalten und Wiederholungen der bisher üblichen Racheacte inm voraus unmöglich machen. Die Wahlen zur Skupschtina, die ohne jede Beeinflussung vorgenommen werden sollten, würden den ersten Beweis der ernsten Ab- sichten der Regicrung liefern. Hand in Hand mit der Durchführung dieses Grundsaßes gehe die Wiederaufrich- rihtung des Finanzcredits. Die Ernennung Vuicz" zum Finanz-Minister, die Garantirung der persönlihen Rechte \o- wie des Besißrechtes, die Stabilisirung der staatlichen Zu- stände unter der eigenen Hand des Königs würden dazu beitragen, das Vertrauen des Volkes und des Landes zu der Finanzpolitik der Regierung zu erwecken und dem Lande die Möglichkeit zu einem Aufschwunge bicten. Die volkêwirthschaftlihe Politik sei berufen, die age Gas zu ergänzen und auf gesunde Grundlagen zu stellen. Das Auf- geben der von den Liberalen beabsichtigten Freigebung des Tabacks, sowie die baldmögliche Ratificirung des Handels- vertrags mit Oesterreih-Ungarn, wonach das Cabinet sich schne und die einer der ersten Berathungsgegenstände der Stupschtina sein werde, sollen dem Lande unter Beihilfe aller rehtlih Denkenden die Grundlage der zukünftigen realen inneren und Finanzpolitik geben. Bezüglich der äußeren Politik sei durch die politishe und geographi)he Lage Serbiens dem Lande unter jeder Regierung ohne Unterschied der Weg streng vorgezeihnet und die Pflege guter Be- ziehungen zu allen Staaten selbstverständlih. Gestüt auf das Vertrauen dcs Königs und des Volkes, werde die Re- gierung stets in erster Linie die materiellen Vortheile des Landes berücksichtigen, das auf lange Zeit hinaus nur die einzige Politik haben könne: Jnnere Consolidirung und A els Gesundung. i

“Der Minister der Auswärtigen Angelegenheiten Nikolic Mate am Sonnabend sämmtliche Vertreter der fremden

ächte.

Die „Politishe Correspondenz“ meldet aus Belgrad: besondere Genugthuung habe dort die Meldung des serbischen Gesandten in Wien Simic erweckt, daß Graf Kälnoky bei der Notification des Regierungsantritts des Königs Anlaß ge- nommen habe, den wohlwollenden Gesinnungen des Kaisers Franz Josef für den König Alexander neuerlichen Ausdru zu geben mit dem Hinzufügen, Yesterreih-Ungarn wünsche dem König eine glückliche Regierung. Aus allen größeren Orten Serbiens sind, wie dasselbe Blatt meldet, dbe- glückwünschende Deputationen nah Belgrad unter- E Der König sei entschlossen, vor der Eidesleistung cine allgemeine Amnestie für politishe Vergehen zu er- lassen. Die Regierung werde ctwaigen Anträgen auf Anklage- erhebung gegen das Cabinet Avakumovic mit. Entschiedenheit entgegentreten. Die Eltern des Königs würden bestimmt im nächsten Monat in Belgrad eintreffen. 7

Vorgestern Abend ist es nach einer Meldung des „W. T. B. noch zu Ausschreitungen in Belgrad gekommen. Nachdem die Wachtposten vor dem Hause des früheren Minister-Präst- denten Avakumovic. eingezogen worden waren, erschienen daselbst die Liberalen, um Avakumovic zu begrüßen. Alsbald sammelte sih eine Volksmenge vor dem Hause, welche mit Pfeifen und Lärmen demonstrirte. Als die Gendarmerie dic Angesammelten vergeblih zu zerstreuen suchte, wurde cine Cavallerie-Abtheilung dazu entsendet. Es sind Vorkehrungen

" getroffen worden, um alle Ausschreitungen zu verhindern.

Gestern Vormittag fand in Belgrad ein feierliches Tedeum statt. Die Truppen waren in Parade auf den

cktraßen aufgestellt. Eine große Menschenmenge erfüllte die Sli geshmüdckten Wege zur Kirhe. Jn der Kirche waren as Offiziercorps, die Minister, die übrigen Mürdenträger und die obersten Beamten versammelt. Neben den radicalen waren auch die ehemaligen fortschrittlichen Minister mit Garascanin erschienen. Als der König in Be- leitung der Minister Dokic, Ciric und Craynltavee sowie mehrerer Asdjutanten die Kirche betrat, gab die Artillerie Salutschüsse ab. Nach dem Gottesdienst fand im Palais großer Empfang statt. Der König wurde bei seinem Erscheinen mit lebhaften Zurufen begrüßt. Er zeichnete Lime radicalen und fort- schrittlihen Minister durh Ansprachen aus. Am Nachmittag empfing der König Garaschanin in besonderer Audienz und dankte ihm für seine bisherige correcte Haltung.

Velimirovic isi zum Präsidenten des Staatsraths er- nannt, Ristic und Belimarkovic sind pensionirt worden. Nistic begiebt sih nah einem Kurort ins Ausland. Bel i- markovic zieht sih auf seine Güter ins Jnnere des Landes zurüd. 9 Jn der vorgestrigen Parteisißung der Liberalen beantragie Avakumovic, daß die Liberalen sich an den Wahlen nicht betheiligen sollen. Ribarac sprach sich für die Theilnahme, an den Wahlen aus. /

Die radicalen und die fortschrittlihen Blätter feiern die Dynastie Obrenovic als eine wahre Volksdynastie; die liberalen Zeitungen erscheinen nicht.

Afrika.

Von dem vor Alexandrien eingetroffenen fran-

zösishen Geschwader haben sih einer Meldung des W. T. B.“ zufolge am Sonnabend drei Panzerschiffe und

, 7

pier Torpedo-Kreuzer nah Port Said begeben, um dort Kohlen

einzunehmen ; die übrigen Fahrzeuge des Geschwaders sollen heute nah Jaffa in See gehen.

Pariamenutarische Nachrichten.

Deutscher Reichstag.

76. Sißung vom Montag, 17. April, 1 Uhr.

Der Sitzung wohnen die Staatssecretäre Dr. pon Boetticher und Hanauer bei.

Eingegangen ijt der Geseßentwurf, betreffend die Einfüh- rung des (Berichtsverfassungsgeseßes in A

Auf der Tagesordnung steht die Fortseßung der Berathung der Wucher f gnovelle. Zunächst würde die Wieder- holung der Abstimmung über S 302e (Androhung der Be- strafung wegen gewerbsmäßigen Wuchers gegen alle anderen Rechtsgeschäfte, welche die Kriterien der Bewucherung an sih tragen) stattzufinden haben.

Abg. Dr. Dohrn (dfr.) beantragt, mit Nüksicht auf diese Ab- stimmung die Berathung des Gegenstandes an die zweite Stelle der S treten zu lassen und über das Spionagegesetz zuerst zu verhandeln.

Abg. Freiherr von Manteuffel (dcons.) widerspricht diesem Vorschlage, welcher demnächst vom Hause abgelehnt wird.

Das Haus tritt darauf in die Fortseßung der Berathung des Wuchergeseßes ein und seßt nah dem Vorschlage des Präsi- denten die Abstimmung des § 302e vorläufig aus.

Ohne Debatte wird sodann die Erweiterung des Z 367 des Strafgeseßbuchs angenommen, wonach dessen Vorschriften auch unterliegen soll, „wer den über das Abhalten von öffent- lichen Versteigerungen und über das Verabfolgen geistiger Ge- ränke vor und bei öffentlihen Versteigerungen erlassenen Gen Anordnungen zuwiderhandelt.“ (Schluß des Blattes.)

Preußischer Landtag.

Haus der Abgeordneten.

Der Bericht über die vorgestrige Sizung befindet sih in der Ersten Beilage.

62. Sihung vom Montag, 17. April 1893, 11 Uhr.

Der rug wohnt der Finanz-Minister Dr. Miquel mit Commissarien bei. i i __ “Auf der Tagesordnung steht die zweite Berathung des Entwurfs eines Ergänzungs steuergeseßes.

S 1 lautet : N

„Vom 1. April 1895 an wird eine Ergänzungssteuer nah Maß- gabe der folgenden Bestimmungen erhoben.“

_ Abg. von Bülow - Wandsbek (freiconf.) beantragt, statt „Er- gänzungésteuer“ in § 1 und in allen folgenden Paragraphen zu sagen: «Bermögenssteuer“. :

Die nationalliberalen Abgg. von Eynern und Dr. Friedberg beantragen, den § 1 zu streichen, dagegen die Bereitwilligkeit des Hauses ‘zu erklären, in die Berathung eines Grbschaftssteuergeseßes einzutreten, dessen Grundzüge die Antragsteller ebenfalls vorlegen.

_ Abg. von Eynecn (nl.): Zur Durchführung der Steuerreform sind nah unserer Berechnung 17 Millionen Mark, ungerechnet die aufgesammelten Mehrerträge der Einkommensteuer, erforderlich. Diese Rechnung ist allerdings von “der Negierung bestritten worden; aber was der Vertreter der Negierung dagegen aufgestellt lat, ergiebt immer nur einen N 23 Millionen Mark, sodaß die Vermögenssteuer 12 Millionen Mark mehr als nothwendig ein- bringt, und das in einem Augenblick, wo drei Jahre lang je 40 Millionen Mark an Einkommensteuer mehr als nothwendig Es worden sind. Mehr, als die Regierung selbst als nothwendig angiebt, brauhen wir ihr nicht zu bewilligen. Die Ermäßigung der Einnahme aus der Vermögenssteuer kann in dreifachher Weise erfolgen: einmal durch Herauffeßung der Summe, bei welcher die Vermögenssteuer anfängt, von 6000 auf 12 000 M, zweitens dur Hinausschiebung der Vermögenssteuer auf sechs Jahre, bis die angesammelten Beträge aufgezehtt sind, oder drittens durch Herabsetzung des Steuersaßes von # auf } °/, Die Regierung selbst hat ausgeführt, daß sie keine Mehreinnahme für den Staat haben will, fondern nur eine gerechte Vertheilung der Steuer- last, Die Vermögenssteuer ft nur eine Einkommensteuer, denn niemand wird deswegen einen Bruchtheil seines Vermögens ver- äußern; i stellt eine Mehrbelastung des Einkommens um 1—1s %/o dar, Wenn man diese Vermögenssteuer mit # °/0o als etwas fo Niedriges hingestellt hat, so B das eine Verscleierung, die, wenn, man fe nah“ "dem Actiengeseb aburtheilen würde, als strafbare Handlung zu betrahten wäre, und diese Mehrbelaftung tritt in einem Augenblicke ein, wo gerade der Finanz-Minister immer von der schlechten - Finanzlage spriht. Kein Staat besigt eine folche E Ee ibe die rein socialistisher Natur ist. Das communistisch-focialistishe Manifest von 1848 verlangte eine progressive Einkommensteuer, um nah und nah alle Arbeitsinstrumente in die Hände der Gesellschaft zu

ringen, Wir haben eine progressive Steuer eingeführt, aber das Eigenthum wurde doch wenigstens noch als unverleßlih betrachtet.

Jett wird das soctalistische Princip proclamirt, daß das Eigenthum

er Bürger vom Staate in Anspruch genommen werden kann. Ist

“erst der erste Schritt gethan, so werden die weiteren bald folgen. Ich -

zweifle nicht daran, daß der lepige Finanz-Minister an solhe weiteren Schritte nicht denkt; er hat ogar erklärt, daß durch das. Geseh die einseitige Erhöhung der Steuer verboten werden könne. Hoffentlich tritt er eifrig für den Antrag des Herrn Meyer ein, die Steuer zu contingentiren. Aber es können Minister kommen, die ihren eigenen Weg gehen. Meine Auffassung ‘der Vermögenssteuer - wird au .in conservativen Kreisen vielfach getheilt; man hat auch in conservativen Blättern von der Confiscation des Vermögens gesprochen. Durch die Einkommensteuer, durh die Arbeiterversicherung sind Handel und Wandel {hon übermäßig belastet, Sie werden also die Unzufriedenheit begreifen, die in allen Kreisen der besißenden Klasse vor- handen ist; die Arbeiterklassen sind auch nicht zufrieden gestellt, und daher kommt es, daß man den Versuch macht, dem Reich die zur Er- haltung unserer nationalen Existenz nothwendigen Mittel zu ver- weigern. Die Urheber dieser Steuer find die Kathedersocialisten, Diese Männer, welche die Confratres der Socialdemokraten sind, nur mit dem Unterschiede, daß \ich die Socialdemokraten als unfruhtbare und revolutionäre Socialisten hinstellen, während sie selbst die friedlihen und praktischen Secialisten sind. Diese Katheder- focialisten sind mit ihren Anschauungen niht öffentlich aufgetreten ; wir sind also auf uns allein angewiesen. Die Interessen von Handel und -Industrie werden durch - diese Steuer auf das \{werste geschädigt, weil alle Verhältnisse öffentlih dargelegt werden, weil ein lästiges Eindringen in die Besitverhältnisse jedes Bürgers stattfinden wird. Die Vermögenssteuer trifft auch den Immobiltiar- besiß bis zur kleinsten Scholle. Wenn nur die größeren Vermögen getroffen würden, so könnte man die Steuer als Nothbehelf ver- theidigen; aber die Steuer trifft den kleinen Mann bei einem Ver- mögen von 600 K an. Wenn auch die Declaration aus dem Gesetz entfernt ist, so_ist doch Gelegenheit genug geboten, die Quälereien, welche bei der Einkommensteuer stattfinden, au hier anzuwenden. Die Durchführung der Steuerreform kann geschehen ohne eine neue Steuer. Die Mehrheit des Hauses hat allerdings andere Anschauungen ; deshalb habe ich den Verfuh gemacht, eine andere Einnahme- quelle zur Deckung des Ausfalls zu suchen in der Neugestaltung der Erbschasts\steuer, die au) der Finanz-Minister neben der Ein- kommensteuer einführen wollte. Die Gestaltung der Erbschaftssteuer muß natürlih in der Commission erfolgen. Die Agrarier werden vielleicht zu \pät erkennen, daß die neue Steuerreform keine Erleichterung des Grundbefißzes mit sich bringt.

Finanz-Minister Dr. Miquel: Bei der Berathung des Ein- kommensteuergeseßes war die Mehrheit der Meinung, daß die stärkere Heranziehung des fundirten Einkonmens eine Nothwendigkeit sei. Aus den ganzen Verhandlungen mußte die Regierung den Auf- trag dazu entnehmen. Es gab dafür drei Wege: die Vermögenssteuer oder die Heranziehung in Form der Einkommensteuer oder die Erb- schaftésteuer. Der Gang der Verhandlungen hat meine Voraus- ficht bestätigt, daß nur die Vermögenssteuer geeignet ift, den Zweckl zu erfüllen. Die Erbschafstssteuer i|st vom Hause abgelehnt worden, troßdem sie nur F % betrug; die Re- Wers würde doch {chöôn empfangen worden sein, wenn sie jeßt eine Srbschafts\teuer von 29/6 vorgelegt hätte. (Sehr richtig! rechts.) Herr von Eynern weiß, daß weder im Hause noch im Lande eine Mehrheit für die Erbschaftssteuer vorhanden ist; er verwirft mit seinen Freunden auch die stärkere Heranziehung des fundirten Ein- kommens bei ‘der Erbschaftssteuer; er will alfo nur die ganze Steuerreform verwerfen, troßdem er deren Grundzüge zu billigen vorgiebt. Daf . der Sat. ur De VIUNIRbe von 100 Millionen Realfteuern einen vollen Ersaß bekommen muß, ist von der Commission einstimmig anerkannt worden. Der Vor- redner bezeichnet die Vermögenss\teuer als socialistisch, zu einer Ver- mögensconfiscation führend. Schließlich ist jede Steuer, ins Unge- mes)ene in die Höhe geshroben, eine Confiscation. Wenn die Staats- regierung, das Abgeordnetenhaus und das Herrenhaus auf diesem Boden angelangt wären, dänn würde es an beliebigen Formen für die Confiscation nicht fehlen. Das s bloß Worte, die thatsächlihe Bedeutung nicht haben. Den gewerblichen und industriellen Kreisen werden keine neuen Lasten auferlegt, sie werden von steigenden lästigen Steuern, von der Ge- werbe- und Bergwerkssteuer, befreit und nux von der niedrigen Ver- mögenssteuer getroffen. Die stärkere Heranziehung der NRealsteuern in den Gemeinden wird eine Entlastung der Einkommensteuer herbei- führen. Die Steuer foll eine Erfindung der Kathedersocialisten fein; die Mamen „der Gelehrten, \die alle Uber die Sleuer ein Gutachten abgegeben, aber sie niht erfunden haben steben 1000) n der Achtung. der Well, Day 1 darüber hinweggehen kann. In der Schweiz und in Holland besteht die Vermögenssteuer, ohne daß Handel und Industrie darunter gelitten haben, ohne daß der Credit ges{chwäht worden ist. Das an- gesehenste Blatt Badens hält alle solche Bedenken für unzutreffend ; in Baden hätten sih durch die Einführung der auf Declaration be- ruhenden Vermögenésteuer keine Nachtheile ergeben. Der Vorredner \{lägt uns die Erbschaftssteuer vor, aber nicht in der Form eines formu- lirten Entwurfs, sondern in allgemeinen Grundzügen. Das bedeutet ein Scheitern der ganzen Neform in der gegenwärtigen Session. Die Erb- schafts\teuer trifft alle Vermögen gleihmäßig ; es giebt aber sehr viele Ver-

mögen, die garnicht vererbt, sondern unter Lebenden übertragen werden,”

das E namentlich der Fall beim gewerblidhen Kapital, welches c den Sohn . oder einen fonstigen Nachfolger übertragen wird. Aud beim Grundbesitz herrscht die Uebertragung unter Lebenden vor. Die Erbschafts\teuer kann au leiht umgangen werden durch Schenkungen unter Lebenden, namentlih zwishen Eltern und Kindern. Herr von Eynern findet in der Vermögenésteuer einen \ocialistishen Charakter. Die Steigerung ins Ungemessene liegt bei der Erbschafts\teuer fehr viel näher. Es giebt gewisse Nichtungen, welhe die Erbschaften überhaupt \streihen wollen oder sie so besteuern, daß sie fast confiscirt werden. In Frankreich wird eine Steuerreform vorgeschlagen, wona eine Vererbung überhaupt nicht mehr stattfinden foll über den vierten hne hinaus. Ich bitte, die Vorschläge des Herrn von Eynern abzu- ehnen.

Abg. von Jagow (cons.): Die große Mehrheit meiner Freunde hat von Anfang an auf dem Standpunkt gestanden, daß die Er- nee der richtigste Weg sei, ein anderer Theil war für die tärkere Heranziehung des fundirten Einkommens innerhalb der Ein- kommensteuer; aber eine folhe Steuer ist nicht gut zu gestalten; des- halb werden wir einstimmig für die Ergänzungssteuer stimmen und uns aller Anträge enthalten. Redner wendet sich dann gegen die vom Abg. von Eynern vorgeschlagenen Grundzüge der Erbschastssteuer und schließt si dabei vollständig dem Finanz-Minister an, Den focialisti- [hen und confiscatorishen Charakter der Vermögenssteuer bestreitet er, da sie nur mit einem sehr niedrigen Saße erhoben würde.

(Schluß des Blattes.)

Dem Reichstag ist der Bericht der 1X. Commission über den ihr zur Vorberathung überwiesenen Geseßentwurf, betreffend die Abzahlungsgeschäfte zugegangen.

Zu dem die regelmäßige Art der Strafvollstreckung betreffenden Antrage der NReichstagscommission zur Vor- berathung des Geseßentwurfs über Abänderung von Bestim- mungen des Strafgeseßbuchs hat der Staatssecretär des Reichs-Justizamts Hanauer folgende Erklärun g abgegeben :

„Die Vors@risten des St.-G.-B. über Zuchthausstrafe, Festungs- haft, Gefängnißstrafe und Haft beruhen meiner Auffassung nah auf dem Grund}ate einer Einheitlichkeit und Gleihmäßigkeit der einzelnen Strafarten in dem Sinne, daß für jede Strafart abgesehen von der Strafdauer in der Hauptsache immer eine gleichmäßige Voll- streckungsweise laß zu greifen hat ohne Unterscheidung nah der Volkeklasse, welcher der N angehört, oder nah der Art der That, wegen der die Bestrafung erfolgt. i

Soweit das Strafgeftßbuch selbst in den §§ 15 bis 18, 22, 97, Abs. 2 die Vollstreckungsweise z. B. hinsichtliÞ des Arbeitszwangs, der Beschäftigung, Zulässigkeit der Einzelhaft dur allgemeine Vor- riften regelt, gelten diefe gleiGmenig für alle zu der betreffenden Strafart Verurtheilte, gleichviel, welhem Stande, Berufe u. \. w. der Einzelne angehört oder wegen welcher That er verurtheilt ist.

Selbstverständlih ergeben ih dabei, wie aus dem Inhalt dieser"all- femeien Bestimmungen selbst hervorgeht, indem sie au peln Jer=- önliche Verhältnisse Bezug nehmen, z. B. die individuelle Fähig- keit 2c. maßgebend sein lassen, Verschiedenheiten für die Ausführung in den Einzelfällen. Aber diese thatsächlih eintretende Verschieden- heit beruht im Grunde der Sache doch nur auf einer gleihmäßigen Anwendung der allgemeinen Vorschrift. Völlig unberührt bleibt der Grundsaß der leihmäßigkeit der Strafvollstreckung von der zu- lâssigen Verhängung von Disciplinarstrafen wegen orduitngBivibrigen Verhaltens der Sträflinge.

__ Dem gedachten System des St.-G.-B. zufolge müß auch in der übrigen Regelung des Strafvollzugs, soweit diese von Reichswegen niht erfolgt ist, sowie in der Ausführung eine entsprechende einheit- E Gleichmäßigkeit beobahtet werden. Die Anordnungen über Lebensweise, -Beköstigung, Lagerstätte u. s. w. müssen je für die einzelnen Strafarten einheitlihe sein. Der Natur der Sache nah können Versciedenartigkeiten durch gewisse perfönliße Verhältnisse, wie Geschleht, Alter, Gesundheits- zustand u. dergl. bedingt fein; es würde aber der erforderlichen Gleih- MARE widersprehen, Vekschiedenheiten ledialich wegen des Standes oder Berufs des Sträflings oder wegen der Qualität der Strafthat eintreten zu lassen.

Die nah der Ueberzeugung der verbündeten Regierungen noth- wendig gewordene Strafshärfung im Sinne des § 16a der Vor- lage stellt fih hiernah als eine partielle Aenderung des bisherigen Strafsystems dar und kann daher nur im Wege der Reichs-Gesetzgebung eingeführt werden.“

Die Budgetcommission des Reichstags trat am Sonnabend Nachmittag in die weitere Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend einige Abänderungen und Ergänzungen der ilitär- pensionsgeseße, sowie des Reichsbeamtengeseßes und des Gesetzes über den Neichs-Invalidenfonds, bei Art. Il. ein. Der Bundes- rath \{lägt für § 32 E Fauna vor: „Das Recht auf den Bezug der Penfion einf{hließlich der Pensionserhöhungen erlischt a. dur den Tod des Pensionârs, b. durch rechtskräftige Verurtheilung wegen Hochver- raths, Landesverraths, Kriegsverraths oder: wegen eines der in den SS 1 und 3 des Gefeßes gegen den Verrath militärischer Geheimnisse bezeichneten Verbrechen“. Der Abg. Frißen (Centr.) beantragte, in den § 32 die Ps zur Zuchthausstrafe einzuschalten, und sprach {ih insofern für Beibehaltung des §32 alinea b aus. Nach längerer Debatte wurde der „N. Pr. Z.“" zufolge bei der Abstimmung § 32 alinea þ mit dem Antrage Frißen und dann der ganze § 32 mit 8 gegen 6 Stimmen angenommen.

__— Im Hause der Abgeordneten sind folgende Anträge eingebraht worden :

Von den freiconservativen Abgg. Lückhoff und Schöller: Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: „Die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, die Baumwollindustrie Schlesiens nicht auszuschließen von der Gewährung von Ausnahmetarifen für rohe Baumwolle, wie folche nah anderen preußischen und deutfhen Landes- theilen fowie im Durchgangsverkehr erstellt worden find.“

Von den Abgg. Dr. Eckels (nl.), Freiherr von Plettenberg - Mehrum (con\.), Sh mißt - Erkelenz (Ctr.) und von Tiedemann- Bomst (frconf.): „Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: Die Königliche Staatéregierung zu ersuchen, den am 1. September 1891 und 17. Dezember 1892 versuchsweise eingeführten Ausnahmetarif mit er- mäßigten Streckensäßen (Staffeltarif) für Getreide, Mühlen- und Malzfabrikate (Nachtrag zum Localgütertarif vom 1. April 1890) \chleunigst wieder aufzuheben.“

Theater und Musik.

Friedrich-Wilhelmstädtishes Theater.

Am Sonnabend ging die wegen ihres frishen Humors und wegen der zahlreichen ansprehenden Melodien seit langer Zeit beliebte, von M. West und L. Held nach einer französishen Idee verfaßte Operette „Der Vogelhändler*, Musik von Karl Zeller, zum ersten Mal neu einstudirt in Scene und hatte unter der vortrefflichen Leitung des Herrn Kapellmeisters Federmann auch diesmal wieder einen vollen Erfolg, Die Kurfürstin Marie wurde von Fräulein Collin tadellos gesungen und angemessen aefriat. In der Rolle der alten heirathsfüchtigen Hofdame, Baronin Adelaide zeichnete fich Fräulein Schmidt durch ein höchst maßvolles und ohne Ueber- treibung bis an die äußerste Grenze des Humors gehendes Spiel aus. Ganz besondere Anerkennung fand als Vogelhändler Adam Herr Klein, der in der Kunst, Couplets zündend vorzutragen, wohl niht leiht übertroffen werden dürfte; sein Lied von der Nachtigall gefiel wieder allgemein. Herrn Steiner, der den Grafen Stanislaus gab, trug namentlich das Walzerduett im zweiten Act vielen Beifall ein. Das Hauptinteresse bei dieser Aufführung wurde jedoch dem Fräulein Anna Leonardi vom Theater an der Wien entgegengebraht, welche zum erften Mal als Gast hier auftrat und mit der dankbaren Rolle der Briefchristel in glücklihster Weise debütirte. Jhre mehr zarte als starke, sehr wohlklingende und biegsame Stimme bedarf. zwar noh etwas der Schulung, wird aber von einem so sichern, gewandteu und sympathischen Spiel bei vortheil- hafter äußerer Erscheinung unterstüßt, daß ihr Eintritt in das be- währte Ensemble dieser Bühne entschieden einen Gerdinn für dasselbe bedeuten würde. Die junge Künstlerin wurde durch lebhaftesten Beifall ausgezeichnet und zu mehreren Wiederholungen veranlaßt.

Concerthaus.

Das dritte „internationale Componisten-Concert“, welches am Sonnabend unter zahlreicher Betheiligung des Publikums stattfand, brachte franzöfische, deutshe und englishe Compositionen. Eine recht effectvoll componirte Ouvertüre zur Oper „Beatrice“ von E. Bernard (der in Orleans lebte) eröffnete den Abend. Es folgten Variationen aus dem Ballet „Coppelia“ von Délibes, der öfter ehôrte „Todtentanz“ von Saint-Saëns -und eine Phantasie über

otive aus Auber'sOper „DieStumme von Portici“, die gleich den borigen Pidòcen sich dur glanzvolle Instrurnentirung und rhythmische Lebendigkeit auszeihnete. Die Deutschen waren in würdiger Weise durch Beethoven?s Quvertüre zu „Leonore I1*, Weber's „Aufforderung zum Tanz“, Mozart's Larghetto aus dem A-dur-Quintett und durch „Wotan's Abschied und Feuerzauber“ aus Wagner's „Walküre® vertreten. Der dritte Theil des Programms enthielt englishe Compositionen und be- ann mit einer sehr brillanten Ouvertüre zu „Loreley“ von William

allace aus Jrland, der außer dieser Oper noch vier andere und mehrere sehr gefällige Klavierstücke componirt hat. Nach dem fehr stimmungsvoll gehaltenen Liede „Theo lost chord“ für Cornet- àPiston und Orgel von dem bekannten Operncomponisten Sullivan folgten zwei kleine Stüde für Streichquartett, von denen die Gavotte von Friedrich Cowen, dem Director der Musik-Akademie in Edinburg, besonders gefiel. Ein Walzer von F. Mullen machte den Beschluß des Abends. Die Ausführung der zum theil {chwierigen Orchésterwerke gelang der Mey de r'shen Kapelle fowie den betheiligten Solisten, den Herren Schwarz (Clarinette), E uu (Cornet-à-

iston) und Federhof-Möller ganz vortrefflichß und wurde mit ehr lebhaftem Beifall aufgenommen. !

Im Königlichen Opernhause werden am Mittwoch Leon-

cavallo’s „Bajazzi“ mit Frau Herzog und den Herren Sylva, Bulß,

ränfel und Philipp, sowie Bizet's „Djamileh“ mit Fräulein Roth- auser und den Herren Philipp, Lieban und Schmidt aufgeführt.

Vom Königlichen Schauspiel wird im Neuen Theater

am Dienstag „Vasantasena“*, am Mittwoh „Der Widerspenstigen

Zähmung®“ gegeben. WMannigfaltiges.

Seine Majestät der Kaiser hat dem Verein „See- mannsheim*, an dessen Spiße der Geheime Ober-Regierungs-Rath und Kammerherr Graf Andreas von Bernstorff steht, ein Gnaden-

geshenk von 10000 Æ zugewiesen. Vom Reichsamt des Innern ist