1893 / 98 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 25 Apr 1893 18:00:01 GMT) scan diff

als cine Aufwandssteuer, die die Einkommensteuer erseßen soll, regel- mäßig nicht für geeignet und wünschenswerth. (Hört! hört! Sehr richtig!) Wir glauben, daß allerdings die Miethssteuer, namentlich, wenn sie niht mehr oder weniger progressiv ist, eine übermäßige Vor- belastung der unbemittelten Klassen gegenüber den reicheren ist. Wir sind ferner überzeugt, daß allerdings die Löfung der Wohnungsfrage, die von so eminenter Bedeutung ist, dur eine unzweckmäßige Micths- Feuer in hohem Grade erschwert wird. (Sehr richtig!) Andererseits ist aber doch die Staatsregierung niht so weit gegangen, geradezu das Anathema auszusprehen über diese Miethssteuer. Wir haben do anerkennen müssen, daß unter gewissen Umständen in ein- zelnen Gemeinden eine zweckmäßig eingerichtete Miethssteuer, gewisser- maßen ein pis-aller, cin geringeres Uebel ist, als wenn man diese Gemeinden bei Mangel an anderen Hilfsquellen in soldhen Fällen, namentlich au, wo Getränkesteuern niht möglich sind, zu einer ganz übermäßigen Steigerung der Zuschläge zur Einkommensteuer drängt, welche häufig ihre Lage durch den Wegzug der Bemittelten noch ver- \{lechtern. Wir wollen also nicht seitens der Staatsregierung die Mieths\teuer als cine regelmäßige Steuer der Gemeinden entwickeln ; wir wollten sie nur niht geradezu durch das Gefeß verbieten, weil wir uns doch sagen mußten, es können die Umstände in einzelnen Ge- meinden so beschaffen sein, daß man eine zweckmäßig eingerichtete Miecthsf\teuer kaum der Gemeinde wider ihren Willen entziehen kann.

Darüber geht nun die Commission allerdings hinaus, wenn sie durch Absatz 3 in § 18 die Neueinrihtung von Mieths- und Wohnungs- steuern ganz verbietet. Es würde der Staatsregierung lieber fein, wenn in dieser Beziehung die Regierungsvorlage wiederhergestellt würde.

Was dagegen den Abksaß 4 in § 18 der Commission betrifft, nach welhem die bestehenden Miethsfteuern zwar erhalten werden Fkönnen, aber einer Revision zu unterwerfen sind, so fann die Staatsregierung gegen diesen Beschluß der Commission nichts erinnern. Wir haben allerdings Bedenken getragen und tragen noch heute Bedenken, bei denjenigen Gemeinden, in denen die Miethsfsteuer seit langen Jahren be- ebt G nd ja nur sehr wenige, wenn ih ncht irre, vier Städte —, wo der ganze Etat der Gemeinden sich darnahch gestaltet hat, wo vielleiht dauernde Ausgaben auf die Existenz der Mieths\teuer basirt sind, die man sonst unterlassen hätte, wo schwere Uebelstände durch ein plößlihes Streichen der Mieths\teuer entstehen Fönnen, unmittelbar eingreifend in die Existenz dieser Grundlage den ganzen Gemeindehaushalt in Frage zu stellen.

Dagegen muß ih anerkennen, daß auch in denjenigen Städten wenigstens zum theil die Mieths\steuer, welche besteht, durhaus zu reformiren is, und ih will gar niht anstehen, meine Meinung aus- zusprechen, daß eine progressive Miethssteuer durch ihren progressiven Charakter allein auch eine gleihe wird. Jh weiß nit, ob ih mich deutli ausgedrückt habe. Im großen Ganzen wird man fagen können i verweise in dieser Beziehung auf die Ausführungen des Sta- tistikfers Schwabe daß der Aufwand für Wohnungen im umgekehrten Verhältniß steht zum Einkommen der betreffenden Censiten, und daß also cine gleiche, niht progressive Mieths\teuer eine unverhältniß- mäßige Belastung der kleinen und unbemittelten Klassen ist, und ih glaube also, daß die bestehenden Mieths\teuern in dem Sinne revidirt werden müssen, daß unten ein erhebliches Spatium solWer Wohnungen, welche ih möchte sagen, das Mindestmaß des Wohnungsbedürfnisses befriedigen, ganz freigelassen werden und im übrigen cine Progression der Mieths- steuer eintreten muß.

Danach komme ih zu dem Wunsch, die Regierungsvorlage wieder- herzustellen in Betreff des dritten Absatzes. In Bezug auf den vierten Absay habe ih kein Bedenken zu erheben ; die Staatsregierung wird gern in Beziehung auf die Nevision der Miethssteuer in den Ge- meinden danach verfahren und hat au keinen Zweifel, daß sie dabei in vollem Maße zum Ziele kommen wird.

Wenn es hier in § 18 heißt: Aufwandssteuern dürfen grund{äßlich die geringen Einkommen nicht verhältnißmäßig höher als die größeren Einkommen belasten, so ist das ein etwas {wer zu verstehender Sat. Aber ih glaube richtig interpretirt zu haben, was die Commission cigentlich will, indem ih sagte: Diese Miethssteuern müssen ihrer Natur nah einen progressiven Charakter haben. Ist dieser Saß so zu verstehen, dann habe ich gegen seine Aufnahme in das Gesetz nichts zu erinnern.

Abg. Brüel (b. k. F.) hält es für sehr bedenklich, die Mieths- steuer voranstehen zu lassen, wenn auch nur in dem beschränkten Umfange, wie die Commission es will. Eine große Zahl seiner poli- tishen Freunde werde für den Antrag Friedberg stimmen.

Abg. Dye. Meyer (dfr.): In Berlin i} die Steuer vollständig quotisirt. Wir haben in Berlin die Miethssteuer verschiedentlich herabgeseßt und die Einkommensteuer vor 2 Jahren auf 100, im vorigen Jahre auf 70, jeßt auf 85 9% E Veber die Gestaltun der Durchführung des Communalabgabengeseßes für Berlin habe ih Besprechungen mit Männern gehabt, die von der Sache etwas verstehen. Das Ergebniß is gewesen, ph: man die Mieths\teuer ausdehnen müsse, u die Progression eingeführt werden müsse. Eine Progression der Miethssteuer hat an sih nihts Widersprechendes. Jn Frank- furt a. M. besteht die Progression; deshalb sind dort die Anfechtungen der Steuer sehr erheblih geringer als bei uns. Unter einem Gesichts- punkte halten die Berliner Behörden die Beibehaltung der Mieths- steuer für unerläßlich: sie ist die einzige Form, unter der wir den großen Fremdenverkehr treffen. In Paris hat man dafür einen e Octroi, wir können einen solhen nicht einführen, weil Berlin eine offene Stadt is, und wir möchten ihn auch nit einführen. Wir können zur Miethéssteuer heranziehen die großen Hotels und Theater, die Concertsäle, die Bierpaläste u. \. w., die sonst niht besonders getroffen werden können. Wir wollen die Mieths\teuer keiner anderen Commune auferlegen ; wir wünschen nur, daß fie uns erhalten bleibt und den Städten, welche sie außer uns haben. Deshalb hält man in der Berliner Stadtverwaltung den Beschluß der Commission für annehmbar, troßdem man wünscht, daß der dritte Absap nah dem Antrage Weber herausgestrichen werde. Wird die Mieths\teuer g so tritt vielleicht der Erfolg ein, daß der Inhaber der Wohnung einiges Geld spart, aber im übrigen werden die Wohnungsverhältnisse nit verbessert. Der Abg. Graf Kaniß meint: entweder ist die Miethssteuer gut, dann muß sie überall eingeführt werden, oder sie ist s{lecht, dann muß fie be- seitigt werden. Der ganze Geseßentrourf ist aber von dem Ge- danken . durchzogen, das Bestehende zu \honen und zu berücksichtigen. Warum foll diese \chonende B N ung bei der Mieths- steuer aufhören? Das wäre nur berechtigt bei schr s{lechten Oen der Miethssteuer. Sie is eingeführt dur eine Cabinetsordre, die geseßlihe Kraft hat. Seit Jahrzehnten ist kein Wort gesen die Miethssteuer laut geworden; erst als Fürst Bismarck dagegen aufgetreten, wuchsen überall die Steuer- techniker empor, welhe die Schlechtigkeit dieser Steuer nachwiesen. Das Zweite is der Vergleih mit England. England ist der einzige Staat, in welchem das Communalsteuerwesen in absehbarer Zeit zu Controversen keine Veranlassung geen aat Die englishe Communalsteuer ist der Mieths\steuer fo ähnlich wie ein Ei

dem andern. Der Miethsbesit if eine besondere Art des Besißes und davon erhebt man in England eine Steuer. Eine Aufhebung der Miethssteuer würde die Wohnungen nicht verbilligen, der Erlaß würde von den Hauswirthen in die Tasche gesteckt werden. Ich halte die Mieths\teuer für die beste Communalsteuer und glaube, daß die Beschlüsse der Commission deshalb volle Billigung verdienen. Die Beseitigung der Miethssteuer führt nur zur Erhöhung der Zuschläge zur Einkommensteuer und das verstößt gegen die Grundprincipien, von denen die Vorlage ausgeht. / i

Abg. Freiherr von Zedliß (freicons.): Wenn es sich darum handelte, die Mieths\teuer überhaupt erst einzuführen, dann würde die grundsäßlihe Erwägung am Playe sein. Es handelt sich aber hier nur um Aufrechterhaltung bestehender Einrichtungen; da muß man von praktischen Betrachtungen ausgehen. Die Bedenken gegen die Meiethssteuer rühren nur her von der s{lechten Beschaffenheit der Berliner Miethssteuer. Bei der vorzunehmenden Revision der Miethssteuer müssen die Mängel beseitigt werden, z. B. muß die Grenze der Steuerfreiheit erheblih hinaufgeseßt werden. Der Ein- wand, daß die Wohnungsverhältnisse durch die Miethésteuer be- einflußt werden, ist nicht haltbar. Eine Wohnung von 600 4. zahlt 18 M Miethssteuer; wird diese Steuer auf 12 A4. herabgefeßt, so wird niemand, um vielleicht an der Miethssteuer 2 46 zu ersparen, eine Wohnung von nur 500 4 miethen, und was an Miethsf\teuer erlassen wird, wird auf der anderen Seite an Einkommensteuer mehr eingezogen. Die Bedenken gegen den Fortbestand der Miethss\teuer in den vier Städten, wo sie besteht, fallen in sich zusammen, wenn die Mieths\teuer reformirt wird. Deshalb sollte man den vier Städten die Möglichkeit geben, ihre Miethssteuer beizubehalten. Daß die Mieths\teuer auch gewerblich benußte Räume trifft, ist nicht be- denklich ; sie ist in dieser Beziehung ein Ersaß für die Gewerbesteuer.

Abg. von Eynern (nl.) erklärt sich für die Regierungsvorlage, wonach die Mieths\teuer nicht aufgehoben werden kann ohne Zustimmung der Gemeinde. Ueber die Werthschäßung der Miethssteuer ist man, so führt Redner aus, in den Gemeindevertretungen sehr verschiedener Meinung. Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus wird die Miethssteuer verworfen ; aber die Stadtvertretungen, welhe doch von den Bürgern folbst

ewählt werden, sind für die Miethssteuer. Daß au Vereine von Bürgern die Aufhebung der Mieths\teuer wünschen, ist selbstverständ- li. Aber wenn wir ein neues Communalsteuergeseß machen, bei welchem die Freiheit der Gemeinden nicht beeinträchtigt werden oll, warum sollen wir für vier Gemeinden ein Verbot einer bestehenden Steuer aussprechen, wozu gar kein praktishes Bedürfniß vorliegt ?

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Ih möchte vor der Beschlußfassung des Hauses noch darauf aufmerksam machen, daß, wenn die Neueinführung von Mieths\teuern, die durch besondere Umstände in einer Gemeinde, in ihrem Interesse möglicherweise nothwendig sein kann, zulässig bleibt, doch ihre Einführung abhängt von der Zustimmung der Ministerial- instanz. Darin liegt do eine große Cautel, namentlih, nahdem id SFhnen die Stellung der Staatsregierung zu dieser Steuer ganz offen dargelegt habe, daß wir keineswegs die Absicht haben, ohne ganz be- sondere locale Verhältnisse die Entwicklung der Mieths\teuer irgend- wie zu befördern.

Sodann möchte ih darauf hinweisen, daß Sie hier einen ausnahmsweisen Schritt thun, der mit dem ganzen Verhalten des Entwurfs gegenüber den bestehenden Steuern in Widerspruch steht. Meine Herren, wir beseitigen diejenigen bestehenden Steuern allein, die mit den Bestimmungen und den Vertheilungsgrundsäten dieses Gesetzes in Widerspruh stehen. Alle anderen bestehenden Steuern bleiben unberührt; und es können darunter eine ganze Menge Steuern sein, die wir durhaus nicht für rationell halten. Aber wir geben das dem vernünftigen Ermessen der Selbstverwaltungen hin, sie fönnen darüber entsheiden, ob sie die unzweckmäßigen Steuern bei- behalten wollen oder nicht. Wir treten ihnen nur entgegen, sobald sie mit den Bestimmungen oder den Vertheilungsgrundsäßen diefes Gesetzes in Widerspruch treten.

Endlich möchte ih noch darauf hinweisen, daß, wenn wir bereits früher in einer Zeit, wo man die Schlachtsteuer für eine sehr be- denkliche Steuer hielt, die bestehende Schlachtsteuer conservirt und es von der Beschlußfassung der Gemeinden abhängig gemacht haben, ob sie beibehalten werden folle; wenn wir in diesem Geseß Steuern, die wir als neue geradezu verbieten, und von denen ih schon ausgesprochen habe, daß sie die Staatsregierung -in keiner Weise billigt, Steuern auf Mehl, auf Brennmaterial u. st. w. beibehalten, soweit sie bestehen, so ist es doch eine ausnahmsweise Maßregel, hier nun bei der Mieths\steuer geradezu den entgegengeseßten Standpunkt einzunehmen und sie vollständig von der Bildfläche vershwinden zu lassen.

Endlich möchte ih noch einen Gesichtspunkt hier ganz offen dar- legen, weil ich ja natürlih annehmen muß, daß das hohe Haus nicht bloß communale, sondern auch staatlihe Inter- essen vertritt; und da bin ich allerdings der Meinung: (ih glaube, die Mieths\teuer bringt jeßt ungefähr 12 Millionen ein) wenn diese 12 Millionen künftig auf die Einkommensteuer gelegt werden, so ist das eine so starke Vorbelastung der Einkommensteuer in einer Stadt, welche eine Hauptquelle für die staatlihe Einkommen- steuer ist, daß allerdings auch s\taatlihe Interessen dabei in Frage stehen; und ih möchte daher bitten, die Regierungsvorlage wiederher- zustellen, abgesehen von dem Absaß 4, gegen dessen Bestehenbleiben ih nichts zu erinnern habe und der Ihnen die Garantie giebt, daß die Berliner Mieths\steuer einer gründlichen Reform in dem an- gedeuteten Sinne unterzogen werden foll.

Abg. Boht (cons.) findet es bedenklih, daß man in diesem Paragraphen von Aufwandssteuer spreche, und E ob damit die reine Luxuss\teuer gemeint sei oder nur die Miethssteuer. Nach der Vorlage würde das lehtere der Fall sein, nah dem Commissions- beshlusse könne man aber auh an eine Equipagensteuer, Balkon- steuer u. \. w. denken. i

Geheimer Ober-Finanz-Rath Fuisting: Aus der Vorlage geht hervor, daß die Regierung nur an die Mieths- und Wohnungssteuer

und ähnliche Steuern gedaht hat. Deshalb empfiehlt es \ich, die Regierungsvorlage wiederherzustellen.

Bei der Abstimmung stimmen für den Antrag Fried- berg 99 Abgeordnete mit Ja, 109 mit Nein. Da nur 208 Mitglieder anwesend sind, während 217 zur Beschluß- fähigkeit erforderli sind, muß die Sißung abgebrochen werden.

Schluß 31/3 Uhr. Nächste Sigung Dienstag 11 Uhr (Fortseßung der Berathung des Communalabgabengeseßes).

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Jeder Zusaß von Wasser zum fertigen Bier ist, sofern er überhaupt die Qualität des Bieres beeinflußt, nah einem Urtheil des Reichsgerichts, 1. Strafsenats, vom 10. Januar 1893, als Bier- fälshung im Sinne des § 10 des Nahrungsmittelgeseßes vom 14. Mai 1879 zu erachten.

Ist dur ein mäßiges Versehen ein Knabe aus dem Arbeiterstand, der voraussichtlih ebenfalls N feiner Hände Arbeit sih später seinen Unterhalt verdienen muß, ay seinen Händen derartig

verleßt worden, daß er als Erwachsener in seiner Arbe itsfähig- feit beeinträhtigt sein wird, so ist, nah einem Urtheil des Reichsgerichts, VI. Civilfenats, vom 22. Dezember 1892, im Gebiet des Preußischen Allgemeinen Landrechts der Thäter für diesen Verluft hasftbar.

Statistik und Volkswirthschaft.

Dur gewerbLien Lage.

Die in den Kreisen Oberwesterwald und Westerburg des Negierungsbezirks Wiesbaden betriebene Korbfleht-Industrie, welhe vom Staat und den Kreisen unterstüßt wird, hat sich, wie man von dort berihtet, in erfreuliher Weise entwickelt und bildet bereits eine lohnende Verdienstquelle für einen großen Theil der dortigen armen Gebirgsbevölkerung.

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Thorn wird der „Voss. Ztg." geschrieben : Unter den beim Wasserleitungs- und Kanalisationsbau beschäftigten Ar- beitern ist ein Ausstand ausgebrohen. Ueber 200 bei den Erd- arbeiten für die innere Stadt für die Firma Hinz u. Westphal in Posen thätige Arbeiter haben die Arbeit unter der Forderung höheren Lohnes eingestellt. Die Ausf\tändigen versammelten sich in großen Trupps vor dem Baubureau. Dabei kam es zu tumultuarischen Auftritten. Die Polizei nahm militärische Hilfe in Anspruch und verhaftete mehrere Nädelsführer.

In Leipzig fand am Sonntag eine Versammlung der Korb- maGer-Gebtlien stalt, in der Wie die „D: Ia ber rihtet, über den in Caffel abgehaltenen Congreß der deutschen Korbmacher-Gehilfen berichtet wurde. Nach dem Berichte is der Verband der Korbmaher im leßten Jahre wesentlih zurü- gegangen. Die Mitgliederzahl hat sich von 2616 auf 1562, die der Filialen von 52 auf 32 vermindert. Der Congreß beschloß, sih dem neugegründeten Verbande der Holzarbeiter nicht anzu- ließen, sondern Cartelle mit verwandten Gewerkschaften einzugehen. Diesem Beschluß trat die Versammlung bei.

In Hosted t bei Bremen striken, wie der „Vorwärts“ mittheilt, M Vergolder der Firma Berwighaus en u. Co. wegen Lohn- ürzung.

Hier in Berlin is nah einer Mittheilung in demselben Blatte ein Maurerstrike bei dem Innungsmeister Scharnke ausgebrochen ; die Maurer forderten Erhöhung des Stundenlohns von 50 auf 55 „g.

In Wien kam es am Sonntag in einer Arbeiterversanmm- lung zwischen den sogenannten „officiellen“ und den * „unab- hängigen“ Socialdemokraten zu einem Handgemenge. Infolge dessen \chritt der anwesende Regierungsvertreter ein und {loß die Versammlung.

Die - Zimmermannësgehilfen Wiens haben gestern wegen ver- weigerter Lohnerhöhung den Strike begonnen. Von insgesammt 1500 Gehilfen find etwa 1400 ausftändig. Es kamen einzelne fleinere Ansammlungen vor, die Theilnehmer gingen aber auf polizeiliche Aufforderung ruhig auseinander.

Aus Graz meldet ein Wolff’sches Telegramm, daß gestern Vor- mittag etwa 1200 ausständige Maurer den Versuch machten, die Nichtitrikenden von der Arbeit abzuhalten und sie von den Gerüsten zu vertreiben. Die Wache mußte ein- schreiten, wobei drei Wachleute mit Steinen verwundet wurden. Die Gendarmerie stellte die Ruhe wieder her. Arbeitertrupp8 durchzogen die Straßen, wurden aber alsbald auscinandergesprengt. Das Militär war in den Kasernen consignirt.

Aus Naugast wird dem „Vorwärts“ berichtet, daß der Aus- stand in der Baumwollspinnerei von Gerson, Spitger u. Co. dur Vergleich beendet wurde.

Aus Hull meldet ein Telegramm des „W. T. B.“: Die aus- ständigen Arbeiter weigerten sich, gegen einen Stundenlohn von einem Schilling das auf der Brandstätte noch lagernde unversehrte Holz in Sicherheit zu bringen, und verstanden sich auch dann nit dazu, als ihnen 73 bis 10 Schilling pro Stunde geboten wurden.

Land- und Forstwirthschaft.

Ernteaussichten.

Im Regierungsbezirk Merseburg haben die Saaten, da sic durch eine reihlihe Schneedecke geshüßt waren, unter der heftigen Kälte im Januar nur ganz vereinzelt etwas gelitten. Die später ein- getretene milde und feuhte Witterung begünstigte dagegen ihre Ent- wicelung. Roggen und Weizen zeigen fast überall einen üppigen Wuchs. Auch der Stand von Klee und anderen Futterkräutern ist meist gut, wenn sich auch hier infolge der großen Trockenheit des vergangenen Herbstes stellenweise Lücken zeigen. Die Obstbäume haben reichlich Blüthenknospen angeseßt.

Auch aus dem Regierungsbezirk Wiesbaden wird gemeldet, daß die durh eine starke Schneedecke geschüßt gewesenen Saaten gut überwintert haben und zu den besten Hoffnungen für die kommende Ernte berechtigen. Der Stand der Weinberge läßt jedoch zu wünschen übrig, denn der Frost hat auf die älteren Weinberge, namentlich in niederen Lagen, und auf die reiheren Traubensorten nachtheilig eingewirkt. :

Saatenstand in Bayern.

Nach dem Berichte des Königlichen Statistischen Bureaus.

Oberbayern. Winterweizen, Klee und Wiesen stehen dur- \chnittlih mittel, bei Roggen abwechselnd von mittel bis gut und sehr gut. Die anhaltende Trockenheit verbunden mit kühler Temperatur hat die Wintersaaten nicht geföcdert; do ist ihr Stand fo, daß bei baldigem Eintritt von Regen und Wärme eine ret gute Ernte zu erwarten steht. In einigen Gegenden haben die Mäuse überhand ge- nommen. Die Frühjahrsbestellung is meist gut verlaufen. Doch ist Regen hierzu schr nothwendig. Das Keimen geht langsam vorwärts. n den Bezirken des Hopfenbaues ist das Aufbrechen des Hopfens be- endet und zeigten sih dabei die Stöcke frisch und B Warmer Regen wird in allen Bezirken für nothwendig gehalten. _

Niederbayern. Winterweizen, Roggen, Klee und Hafer stehen gut, obwohl manche Gegenden durch Frost gelitten haben. Sommer- roggen fann wegen Kälte und großer Trockenheit nur s{chwer aufgehen. Auch die Wiesen zeigen noch ein kahles Aussehen. Beim Schnitt des Hopfens fanden sich zwar in vereinzelten Gärten braunschwärzliche Stöcke, im allgemeinen ist man aber zufrieden. NReps mußte vielfach ausgeackert werden. Klee ist noch vièlfah zurück. Die Frühjahrssaak ist zwar beendet, bedarf aber dringend des Regens; die Kartoffeln werden bestellt; warmer Regen i} überall dringend S, A

Pfalz. Winterweizen, Spelz und Roggen haben dur schnittlich gut durhwintert und ist ein Umpflügen selten nöthig. Sommergerste und Hafer, wie Sommerweizen \tehen gut; die trockene und falte Witterung benachtheiligt jedoch allerdings den Stand der Früchte. Mit dem Seten der Kartoffeln und Stecken der Rüben ist begonnen, gon zum Theil erfroren. Hafer, obwohl hon lange gesät, geht

ei der Trockenheit niht auf. Klee und Wiesen großentheils mittel

zu gering. In einigen Bezirken hat der Klee dur die Mäuse außer- ordentlich gelitten, während anderwärts der rothe Klec im Winter zu Grunde e ist. Kartoffeln, Futterrüben und Zuckerrüben wer- den bestellt. Der Stand der Hülsenfrüchte (Erbfen 2c.) ift gut.

Oberpfalz. Die Wintersaaten stehen troy des Frostes noch ordentli. Weizen, Roggen und Klee befriedigend. Sommerfaaten Teimen wegen Mangels an Regen nur langfam. Raps mußte vielfach umgepflügt werden. Klee brauht Negen, wenn er nicht noch weiter zurückgehen soll; ebenso ist es bei den Wiesen. Futterpflanzen stehen gers: Hafer steht gut. Kartoffeln werden überall gelegt. Warmer

egen ift überall nothwendig. N :

Oberfranken. Die allgemeine Trokenheit hält die Vegetation zurück. Die Sommersaat is beinahe beendigt, aber es keimt langsam. Die Kleeäcker zeigen ungleihen Stand. Kartoffeln sind theils be- stellt; Hülsenfrüchte sind bestellt; Hopfen wird gehackt. Die auf die

_Rum-Couleur 36—37 M,

Wintersaat geseßten as sind durch die Trockenheit beeinträchtigt. Hafer und Klee stehen befriedigend. Wiesen noch kahl. Warmer Negen ist dringend für alle Bezirke nothwendig.

: Mittelfranken. Die Wintergetreive stehen durlhweg gut. Die Sommerfruchtsaat und die Kartoffelpflanzung is größtentheils beendet. Raps steht weniger gut. Frühgesäeter Hafer ift \chöôn auf- gegangen, bedarf aber, wie alle Früchte, ausgiebigen Regens. Wiesen, Rothklee und Weideklee stehen zwar noch gut, sind aber zurück. Hopfen hat gut überwintert, bedarf aber auß warmen Negens. Die Frühjahrébestelung macht überall gute Fortschritte und ist troß der Trockenheit noch kein Anlaß zu Befürchtungen gegeben.

Unterfranken. Die Wintergetreide stehen meistentheils gut; nur Reps und Klee in einzelnen Bezirken gering. Weizen mußte theilweise umgepflügt werden. Jn Sandboden und hohen Lagen hat s gelitten. Die Früßjahrssaat geht infolge der Trockenheit nur langsam auf. Für die ganze Vegetation is baldiger ausgiebiger Regen nothwendig. Das Kartoffellegen is im vollen Gang. Klee mußte wegen Mäusefraßes in vielen Districten umgepflügt werden. Soweit die Weinreben i gereiftes Holz besißen und sorgfältig ge- deckt waren, stehen die Weinberge verhältnißmäßig gut. Alte und von Frost gelittene Weinberge lassen auf einen geringen Ertrag \clicßen; die Schnittarbeiten sind ziemlich beendet.

Schwaben. Wintergetreide, Spelz, Klee und Wiesen haben im allgemeinen gut ausgewintert, wenn auh dur die Nachtfröste die Entwickelung hintangehalten wird. Die Frühsaat ist theils beendet, Gerste wird gesät. Kartoffeln sind bereits gelegt. MRegen thäte aber allseitig Noth. Manche Winterfrucht hat bur Mäulsefraß gelitten. Die Wiesen zeigen noch wenig Vegetation. Die Hafersaat ift größten- theils beendet. Die Düngung der Wiesen mit Mist ist {lecht dur- führbar, weil derselbe alsbald vollständig vertrocknet, Regen wäre daher sehr erwünscht.

Saatenstand in Sachsen. (Nach der Zusammenstellung des Landesculturraths.)

Troß des Legenarmen Herbstes, der strengen, anhaltenden Kälte im Winter und der oft mangelnden shüßenden Schneedecke sind die Wintersaaten (Weizen und Roggen) im allgemeinen, besonders die zeitigen, gut bis aus8gezeihnet durch den Winter gekommen, deren MWeiterentwickelung is aber infolge der anhaltenden Trockenheit und der starken Nachtfröste, 4 bis 69, in der Zittauer Gegend bis 9 9, am 12,, 13. und 14. stark ins Stocken gerathen und hat fh mancer- orts deren Stand vershlechtert. Einzelne Umpflügungen wegen gänzlicher Auswinterung haben nur in vier Bezirken stattgefunden. Der Stand des Napses is mit wenig Ausnahmen zufriedenstellend. Besonders günstig war die Witterung sür die Frühjahrsbestellung; die Saaten konnten bestens eingebracht werden, doch ist für deren Aufgehen baldiger, warmer Regen sehr nothwendig. Das Kartoffellegen ist gleichfalls zum theil beendet oder doch stark im Gange. Weniger günstig sind die Berichte über den Stand der Kleefelder und Wiesen, die zum großen theil infolge der vorjährigen Dürre dürftig in den Winter gingen und jeßt wegen mangelnder Feuchtigkeit und Wärme noch weiter zurückgehen. Wegen \{chlechten Standes der Kleefelder haben in einem Viertel der Bezirke Umpflügungen von 2 bis zu 50 09/0, im Mittel 2009/9 der Anbaufläche stattgefunden. Ob die starken Nacht- frôste den bereits stark entwickelten Blüthenknospen der Kirsh- und Birnbäume geschadet haben, ist noch nicht zu übersehen; jedoch find Befürchtungen hierüber bereits verlautbart worden. Für den Stand der sämmtlichen Feldfrüchte und deren Weiterentwickelung {nd aus- giebige Negen und Wärme dringend nothwendig.

: Saatenstand in den Herzogthümern Sachsen-Coburg und Gotha.

Nach den angestellten Erhebungen berechtigt der Stand der Saaten Mitte des Monats April im Herzogthum Coburg bei Winter- Weizen zu Note 1,0, bei Winter-Noggen zu Note 1,1, bei Klee (Luzerne) zu Note 4,8; im Herzogthum Gotha bei Winter-Weizen ¿zu Note 2,8, bei Winter-Noggen zu Note 2,4, bei Klee (Luzerne) zu Note 3,1, im Durchschnitt bei Winter-Weizen zu Note 2,3, bei Winter-Roggen zu Note 2,1, bei Klee (Luzerne) zu Note 3,7. Durch die Nr. 1 wird die Aussicht auf eine sehr gute, durch Nr. 2 auf eine gute, durch Nr. 3 auf eine mittlere (durchschnittliche), durch Nr. 4 auf eine geringe, durch Nr. 5 auf eine sehr geringe Ernte aus- gedrückt. Die Sommersaaten sind in den Herzogthümern infolge an- haltendec Kälte und außergewöhnliher Trockenheit in der Entwicklung fo zurückgeblieben, daß ein Urtheil noch nicht abgegeben werden kann, außerdem haben die sämmtlichen Saaten in cinzelnen Bezirken des Herzogthums Gotha durch Mäusefraß gelitten. Wegen Auswinterung find von der Anbaufläche des Winterweizens 2 9/0, des Klees 30 °/o umgepflügt.

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks

an der Ruhr und in Oberschlesien.

In Oberschlesien sind am 22. d. M. gestellt 2765, niht reht- zeitig gestellt keine Wagen. S Zwangs8-Versteigerungen.

Beim Königliden Amtsgericht I. Berlin standen am 99, April die nachbezeihneten Grundstüle zur Versteigerung : Beusselstr. 12, dem Maurermeister Gustav Steinberg ge- hörig; Nußungswerth 7700 M; für das Meistgebot von 140 000 4 wurde der Rentier Carl Ramme, Michaelkirchstr. 14, Ersteher. Liebenwalderstr., dem Töpfermeister G. Dragowski gehörig; Fläche 11,46 a; für das Meistgebot von 72000 wurde der Kauf- mann Adolf Auerbach zu Berlin Ersteher.

Berichtigung. Das Grundstük Siemensfsr. 17, Eke Emdenerstraße, erstand der Kausmann Julius Thalecke, Antonstr. 34, für das Meistgebot von 333 600 16, nicht der Redacteur Pataky, Prinzenstr. 100. j : C

Beim Königlichen Amtsgeriht 11 Berlin stand am 99. April das im Grundbuch von Weißensee Band 38 Blatt Nr. 1111 auf den Namen des Handelsmanns Ferd. Dderw ald eingetragene, zu Weißensee, Berlinerstr. 20b, belegene Grundstück zur Versteigerung; Fläche 9,33 a; Nußungöwerth 8395 f; für das Meistgebot von 9800 f wurde der Gerichtsvollzieher Wilh. Henk el zu Seelow Ersteher. S

Beim Königlichen Amtsgericht 11 Berlin standen am 24. April die nad On Grundstücke zur Versteigerung: Grund- bu von Stegliß Band 35 Blatt Nr. 1072, auf den Namen des Maurers Carl CLieb ke cingetragen, zu Stegliy belegen; Fläche 7,34 a; Nuzßungêwerth 6300 46; Mindestgebot 65 931 M; für das Meistgebot von 80000 4 wurde der Dachdeckermeister Georg Hirs\chfeld zu Nixdorf, Juliusftr. 27, Ersteher. Grundbuch von S{margend orf, auf den Namen des Tischlermeisters CarlSchm ie- decke eingetragen, in Schmargendorf belegen ; Fläche 6,01 a; Nußungs- werth 2010 4; Mindestgebot 43 430 4; für das Meistgebot von 44000 M. wurde der Restaurateur Paul Schlüter zu Berlin, Alt-Moabit 131, Ersteher. Grundbu von Stegliß Band 13 Blatt Nr. 432, 433 und 434, auf den Namen des Kaufmanns Richard Bru in Berlin eingetragen, zu Stegliß belegen; Fläche 15,37 a, 25,99 a und 15,19 a; Nr. 432 hat außerdem einen Nußungöwerth von 2030 4; Gesammt- Mindestgebot 850 46; für das Gefsammtgebot von 81 400 # wurde der Era Hermann Rosenfeld zu Berlin, Weißenburgerstr. 4,

rsteher.

Berlin, 22. April. (Wochenbericht für Stärke, Stärkefabrikate und Hülsenfrüchte von Mar Sabersky.) Ia. Kartoffelmehl 19—19} A, Ia. Kartoffelstärke A e, ITa. Kartoffelstärke und - Mehl 16}—18 4, feuhte Kartoffel tärke Frachtparität Berlin 10,50 4, Frankfurter Syrupfabriken zahlen nach Werkmeister's Bericht franco Fabrik 10,30 4, gelber Syrup 23—23} M, Cap. - Syrup 24{—25 A, Cap. - port 25-— 251 46, Kartoffelzucker gelber 23—234 Æ, do. Cap. 243—29 M, Bier-Couleur 35—36 A, Dextrin,

elb und weiß, Ta. 273—28 M, do. secunda 25—26 M,

eizenstärke (fleinft.) 31—32 M, Weizenstärke (großft.) 38—39 H, Hallesche und Schlesishe 39—40 #4, Reisstärke (Strahlen) 48 bis 49 M, do. (Stücken) 46—47 M, Maisftärke 32 nom., Schabe- stärke 30 A nom., Victoria-Erbfen 19—22 4, Kocherbsen 153—20 4, rüne Erbsen 16—20 #, Futtererbsen 14—15 Æ, Leinsaat 5—26 M, Linsen, große, 34—48 MÆ, do. mittel 28—34 Æ, do, fleine 16—28 M, gelber Senf 42—48 #, Kümmel 42—46 M, Mais loco 12—13è #4, Pferdebohnen 14—15 4, Buchweizen 15 bis 16 M, inländishe weiße Bohnen 16—18 #4, weiße Flahbohnen 20—-22 MÆ, ungarishe Bohnen 143—16 Æ, galizishe und russische Bohnen 13—14 #4, Wicken 1353—14 X, Hanfkörner 18—20 , Leinkuchen 16—17 #4, Weizenshale 9—95 M, Roggenkleie 9—9} M, Rapskuchen 131—145 4, Mohn, blauer 54—60 4, do. weißer 86—95 K nom., Hirse, weiße, 17—18 46 Alles per 100 kg ab Bahn Berlin bei Partien von mindestens 10 000 ks.

_— Der Weinhandel war wie aus dem Regierungsbezirk Wiesbaden berichtet wird, während der Monate Dezember und Januar ganz unbedeutend, weil wegen des starken Frostes ein Wein- versandt nicht stattfinden konnte. Im Februar wurde das Wein- geschäft etwas lebhafter, stand jedo hinfichtlih des Umsaßes gegen die gleiche Zeit des Vorjahres zurück. Die Schaumweinfabrikation hatte einen verstärkten Absatz zu verzeichnen.

In der gestrigen Generalversammlung der Hessischen

Ludwigsbahn wurde die vorgeschlagene Vertheilung einer Dividende vou 47/0 beschlossen. In den Aufsichtsrath wurde Wilhelm Dieudonné Valckenberg-Worms neu gewählt. _ Die gestrige außerordentliche Generalversammlung der Ham- burg-Amerikanishen Packetfahrt- Actien-Gesellschaft E die Ausgabe einer Prioritätsanleihße bis zu 7 Millionen Mark.

—Das „Gewerbeblattaus Württemberg“, herausgegeben von der Königlichen Centralstelle für Gewerbe und Handel in Stuttgart, hat in der Nr. 17 vom 23. April d. J. folgenden Inhalt : Die Noth- lage des kleinen Kaufmanns und die Hilfe des Geseßgebers. WVer- schiedene Mittheilungen. Literarishe Erscheinungen. Leistungen der Modellirwerkstätte der Königlichen Centralstelle vom 1. Januar bis 31. März 1893. Neues im Landes-Gewerbe-Museum.

Magdeburg, 24, April (W. D. D) ZUckCevberthl. Kornzucker excl., von 92% 17,85, Kornzucker excl., 88 9/0 Rendement —, Nadchproducte excl, 75% Nendement 14,60. Sehr fest. Brodraffinade 1. 30,00. Brodraffinade 11. —,—. Gem. Raffinade mit Faß 29,25. Gem. Melis I. mit Faß 28,256. Fest. Rohzudcker 1 Product Trauito } a. D. Qambura r. Aril 1000 bes, 1702 Br, pre Mai 1000 G U O Dr Ut L125 De, 1700) Br, pr. Juli 1720 G0 1027 De, Heir,

Leivzi0, 24 Mr (W. L. B) Kammzug-L ermin handel. L Plata Grundmuster B. per April —, per Mai 392 M, ver Sun 390 6 Ver SUN 2390 C Ver ugut 3,927 M, per September 3,977 Æ, per Oktober 3,975 M, per November 4,00 4, per Dezember 4,00 4, per Januar 4,00 4, per Februar —, per März —, Umsay 120 000 kg.

Wien, 24. April. (W. T. B.) Ausweis der österreichi #ch- ungarishen Staatsbahn (öfterreichishes Neß) vom 11. bis 20. April 584917 Fl., Mehreinnahme gegen den entsprehendèn Zeitraum des vorigen Jahres 83 235 Fl.

London, 29. Abtl. (W. L D) Nai) ener Veeldung dex „Philadelphia-Times*“ haben die Chicagoer Banken, bei denen 30 Millionen Dollars eingingen, dem Staatsshaß Gold angeboten.

London, 24 Al. (W. E. B) Wollauctton, Pretle unverändert.

An der Küste 2 Weizenladungen angeboten.

96% SJavazudker loco 178 fest, Rüben - Nohzucker loco 17 fest. Chile-Kupfer 44/16, pr. 3 Monat 443.

Glasgow, 24. April. (W. T. B.) Die Verschiffungen von Roheisen betrugen in der vorigen Woche 7673 Tons gegen 7620 Tons in derselben Woche des vorigen Jahres.

Bradford, 24. April. (W. T. B.) Wolle ruhßhigér, stetig, Garne ruhiger, Mohairgarne stramm. O in Stoffen matt.

Mailand, 24 Ml (L. 2) ie Einnahmen des Jtalien ishen Mittelmeer-Eisenbahnneßes während der z¡weitcn Dekade des April 1893 betrugen nah provisorisher Er- mittelung im Personenverkehr 1 623 638 Lire, 1m Güterverkehr 1 996 172 Lire, zusammen 3 619 810 Lire, im Vorjahre 3 411 701 Lire, mithin mehr 208 109 Lire.

Amsterdam, 24. April. (W. T. B.) Java-Kaffee goot ordinary 50. Bancazinn 56.

Rew-Yort, 21, April, E. V. D) Me Vote eröffnete befestigt, wurde im weiteren Verlaufe matt, {loß jedoch stetig. Der Umsaß der Actien betrug 312 000 Stück. Der Silber vorrath wird auf 400000 Unzen geschäßt. Die Silber verkäufe betrugen 10 000 Unzen. Die Silberankäufe für den Staatsschaß betrugen 595 000 Unzen zu 83,40 à 83,44.

Mit dem Lloyddampfer „Trave“ werden morgen 1 850 000 Doll. Sn verschifft werden; 200 000 Doll. Gold sind für Canada

estellt. :

Weizen eröffnete sehr fest, die Preise stiegen anfangs auf festere Kabelberichte, später trat eine Reaction ein infolge der Zu- nahme der unterwegs befindlihen Menge bedeutender Exporte aus Indien und Meldungen über günstiges Wetter. Hierdurch veranlaßte Nealisirungen in New-York und Chicago drückten die Preise. Schluß träge. Mais stieg anfangs bei lebhafter Bewegung infolge ge- ringer Ankünfte und festerer ausländisher Kabelberihte; dann führten Realisirungen eine Reaction und eine Abshwächung der Preise herbei. f ; N

Chicago, 24. April. (W. T. B.) Weizen eröffnete infolge von Realisirungen in {wacher Haltung. Der Preisrückgang wurde theilweise wieder eingeholt infolge Deckungen der Baissiers. Mais stieg anfangs infolge großer Käufe, shwächte sih aber |päter wieder ab.

Theater und Musik.

Königliches Opernhaus.

Zwei Werke von Anton Nubinstein: die komishe Oper „Unter Räubern“ und das Ballet „Die Rebe“, fanden bei ihrer ersten Aufführung gestern Abend eine sehr freundlihe Aufnahme bei den Hörern und Zuschauern. :

Der komischen Oper, die nur einen Act umfaßt, dient als Grund- lage ein unterhaltender Text voll frcbs.aniger Laune. Ernst Wichert, der Verfasser des Librettos, läßt hier, wie in seinen bekannten Lust- spielen, heitere Stimmung walten. Eine aus den verschiedensten Elementen zusammengewürfelte NReisegesellshaft fällt in die Hände spanischer Räuber; aber weder aus dem Prinzen, der in der Verkleidung eines harmlosen Naturforschers \teckt, noch aus der armen adligen Dame, der ältlilen Engländerin und der charmanten Sängerin sind bedeutende Summen als Lösegeld herauszushlagen. Der Anführer der Bande beklagt sih s{hwer über die hlehten Zeiten und die große Concurrenz, die es dahin gebraht habe, daß die Näuber , am liebsten das unsolide Handwerk aufgeben und ehrliche Leute werden möchten, wenn der König ihre Unthaten verzeihen würde. Dazu findet sich durch des Prinzen Hilfe Rath, und mit Tanz und Gesang wird die Nück- fehr der lustigen Räuberbande in die ehrsame bürgerlihe Gefellshaft gefeiert. Dem Text entsprechend, hat nton Rubinstein im allgemeinen nah dem Ausdruck liebenswürdiger Anmuth und heiterer Komik in seiner musikalischen Umschreibung der Vorgänge gle Die Einleitung hon i} auf Scherz und Fröhlichkeit dur unstvoll ersonnene Klangwirkungen abgestimmt und das lyrische Element herriyt überall vor. Von diesem leichteren Charakter weicht der Componist fast nur in den kurzen dramatischen Liebesscenen der in die Handlung eingewebten kleinen Liebesgeschichte ab. Hier neigt ih die Musik einem tieferen Ernst und einer heftigen Leidenschast- lichkeit zu, die chön und edel ansteigt und \sih scharf von dem leit- fertigen Hintergrunde der Haupthandlung abhebt. Von großer Schönheit, fkraftvoll und carakteristich durchgeführt, mit anmutbigen Klangwirkungen durhflohten, find die spanishen Tänze

und Lieder, und die Ensemblesäßze Es den vollen romantischen Charakter, der sih durch die Dertlichkeit und die Handlung recht- fertigt. Den Eindruck gemüthliher Räuberromantik hat die Regie durch kunstverständige Inscenirung angemessen verstärkt. Ein wildes Gebirgsthal mit kühnen Felsgestaltungen öffnet sih vor dem Zu- schauer und umfängt ein buntes Leben ; die Gestalten der malerif costümirten Räuber mischen sich mit denen der Reisenden, die na der Mode der Großeltern gekleidet sind. Besonderen Reiz gewinnt die Oper dur die Tanzproductionen, an denen sich die Herren Bulß und Stammer und die Damen Herzog, Göße und Schramm wirkungêvoll betheiligen. Frau Herzog als Sängerin Eufemia fang mit spielender Leichtigkeit ihre musikalishen Scherze und trillerte und lachte mit quellender, heller Stimme. Fräulein Leisinger (Laura) drückte der Liebe Leid und ihre Wonne edel und anmuthig aus. Als mißtrauishe, vorsihtige Mutter einer heirathsfähigen Tochter ermahnte und grollte Frau ge mit komishem Ernst, dem ih der volle, gesunde E ihres Organs trefflich anpaßte. In einer stummen Rolle, als englische Miß, rief Frau Schramm Lach- stürme hervor; sie umkleidete die verschrobene Gestalt, die, unbekümmert um alle Abenteuer, liest, zeihnet und {läft, und deren Herz gegen- über den Reizen eines {ön gestalteten Räubers niht unempfänglih bleibt, mit Anmuth und mit einer natürlichen, beinahe rührenden Unbefangenheit.

_Das Ballet „Die Rebe“ umschließt fünf, in zwei Acte einge- theilte Bilder ; es ist nah einem Text von Taglioni, Grandmougin und Hansen von Emil Graeb verfaßt. Die allegorische Dichtung ist nur dur den Anfang und den Schluß mit der Welt des Wirk- lichen verbunden. Die Verlobung eines jungen Paares wird festlih begangen; da fällt es dem Brautvater ein, die männlihen Gäste troy des Widerstrebens der Frauen zu einem kühlen Trunk in den Weinkeller hinabzulocken. Der Spukgeist der Fröhlichkeit entfesselt nun alle Geister des Weines; jedem Weinfasse entshlüpft eine zierliche Gestalt, die die Zecher entzückt und berauft: deutsche, italienische, A Ed griechische Weine und zuleßt der moussirende Champagner ziehen in lebensvollen allegorishen Tänzen vorüber, mit flatternden, zartfarbigen und leuhtenden Gewändern, in anmuthigem Netigen sich fliehend und zu shönen Gruppen zusammenfindend. Den Mittelpunkt aller dieser Tänze bildet die Rebe, durch Fräulein dell’Era dar- gestellt, deren Liebreiz den jungen Bräutigam verführt und nach sich zieht. Der zweite Act spielt im Weinberg, unter wolken- s{werem Himmel; die grünen Rebgelände werden durch anmuthige Mädchengestalten angedeutet. Die Königin der Neben führt den Jüngling, dessen Freude vorübergehend durch die Erscheinung der Ver- lobten an der Nebenwand getrübt wird, in ihr Reich ein: die all- gemeine Festfeier wird aber durch das Erscheinen der Phylloxera ge- stört, die, aus dem dunklen Felsgestein herauskriehend, {ih an die heftig widerstreitenden Reben - heftet. Bacchantischen Pa zeigt das folgende Bild; dem Wetingort

uldigen in trunfener Lust die Bacchantinnen, denen sich in wilden Botsprüngen die Satyrn und Faune beigesellen. Plößlih weicht der wilde Jubel dem Entseßen und dumpfer Trauer; die todte Rebe, ge- leitet von der trauernden Fröhlichkeit, liegt dem Gott des Weines zu Füßen. Flehend und hilfesuhend strecken sih alle Arme dem Gott entgegen, der selbst keine. Rettung weiß: da erscheint die Wissenschaft, die Leute in der Hand und erweckt die Rebe zu neuem Leben. Der junge Verlobte, der nah dem Tode der Rebe kummervoll nah seiner irdischen Verlobten seufzte, wird nun mit seiner Braut glücklih vereinigt, und Weinjubel und Hochzeitsfreude {ließen das Ballet ab.

Nubinstein fand hier reihe Gelegenheit, fein eigenartiges Gestaltungêtalent zur Geltung zu bringen. Die Tanzrhythmen haben ihn nirgends zu einer Leichtfertigkeit oder zur Trivialität verleitet ; man könnte eher das Gegentheil behaupten, daß er nämlich für eine solche Allegorie zuweilen zu tief in die menshlihe Seele hineingreift. Seltsam ergreifend wirkt z. B. die Musik bei dem Tod der Rebe. Das Wehklagen des Orchesters, das Menschenstimmen nachahmen will, trifft um so tiefer, als es zu dem vorangehenden bacchantishen Jubel in \{Gneidendem Gegensaß steht. Sehr s{ön und tief empfunden waren einige, die einzelnen Bilder des Ballets einleitende Orchester- säße. Rubinstein's Talent, den verschiedenen Nationen in der Tanz- melodie einen volksthümlihen, packenden Auêdruck zu verleihen, bewährte sih besonders glänzend in der Weinkellerscene des ersten Acts; die feurige Gluth des ungarishen Czardas, die lässige Grazie und verhüllte Sinnlichkeit des orientalischen Rei- gens wurde abgelöst von der prickelnden Beweglichkeit des rastlos \prudelnden, unter dem Zeichen des Champagners stehenden franzöfischen Tanzes. „Die Rebe“ ragt aber niht nur durch ihre Musik über die der gewöhnlihen LTanzdichtungen weit hinaus, sondern hat au als choreographishe Schöpfung einen höheren Werth. Der Solotanz fand in Fräulein dell’ Era als Rebe die berufenste Vertreterin; die Anmuth ihrer Bewegungen stellt fich in rühmlichen Wettstreit mit dem gleitenden Flusse der

Melodie. Die A waren hübsch erfunden und gefällig

durchgeführt, ebenso die Ensembletänze. ° Die Decorationen entsprahen dem Grundsaße künstlerischer Harmonie und spiegelten zumeist den romantischen, etwas s{chwer- müthigen Charakter der Musik wider.

Der Componist wurde nah jedem Stück wiederholt gerufen, und nah dem Ballet rief der fortdauernde Beifall auch den Königlichen Balletmeister Herrn Emil Graeb auf die Bühne.

Les sing-Theater.

Am Sonnabend kam das Wiener Volks\tück mit Gesang in drei Abtheilungen „Brave Leut? vom Grund" von Ludwig Anzengruber mit freundlihem Erfolg zur ersten Aufführung. Nah den Mittheilungen, die -das Anzengruber’sche Curatorium als Vorwort zu der Buchausgabe des Werks veröffentlicht hat, war die weiblihe Hauptrolle des Stücks ursprünglih für Marie Geistinger geschrieben. .Da diese Künstlerin aber inzwischen aus dem Wiener Theaterleben ausgeschieden war, um nur noch gelegentlih dorthin zurückzukehren, so hatte der Dichter vorgezogen, sein vollständig abgeschlossenes Werk wieder zurückzulegen. Daher ift es zu erklären, daß sich in dem Nachlaß von Anzengruber ein fertig vorliegendes Bühnenwerk gefunden hat, das niemals zur Aufführung gekommen ist. Die musikalischen und gefanglichen Beigaben, denen die Texte Anzen- ruber’s unverändert zu Grunde gelegt sind, wurden von Franz Rot, dem Kapellmeister des Deutschen Volkstheaters in Wien, componirt. Der wegen seiner meisterhaften Charakterifirung der Ge- stalten aus dem Bauernstande berühmte Verfasser hat in diesem Stück sich dem Wiener Volksleben zugewendet und mit köstlihem Humor Scenen vorgeführt, in denen das Verhalten des kleineren Bürgerstandes naturgetreu geschildert wird. Besonders hat der Charakter eines weiblichen Wesens, das in der ersten Abtheilung als vielumworbenes junges Mädchen, in der zweiten Abtheilung, ein Jahr später, als ae Frau und in der dritten Abtheilung, fünfzehn Jahre später, als Mutter auftritt, eine liebevolle Bearbeitung er- fahren. Jst es in der ersten Abtheilung der Einfluß des liebenden Weibes auf den von ihm begünstigten, dem Leicht- Bu zuneigenden, nun "durch die Macht der Liebe zu einem soliden eben8wandel geführten Bewerber und eine allerliebste Liebeëscene dur das vergitterte Gartenfenster, womit der Dichter zu fesseln und zu ergreifen weiß, so erreiht das Werk seinen Höhepunkt in der zweiten Abtheilung, wo es der jungen ver gelingt, den infolge Verführung dem alten Leichtsinn verfallenen Gatten durch weise Mäßigung bis zur Zerknirshung reumüthig und ihrem flugen Willen bedingungslos unterwürfig zu mahen. In der dritten Abtheilung empfängt der Zuschauer ein interessantes Bild von dem durch den natür- lichen Verstand und den feinen Herzenstakt der Mütter mit stets sich gleihbleibender Milde zum Guten nb ten Familienleben, indem die dem leichtlebigen Vater ähnliche fünfzehnjährige Tochter dem ersten sich ihr nähernden Freier mit offenen Armen entgegeneilen will, aber von der vorsorglichen Mutter bei sheinbarer Nach aats ntg rechtzeitig gewarnt wird und vor dem ihr drohenden Unglück bewahrt bleibt. Der Direc- tion des Theaters muß es als ein großes Verdienst angerechnet werden, durch eine în ene Bezichung vortreffliche Darstellung und Inscenirung

dieses anmuthige Werk des unvergeßlihen Dichters zur Aufführung