1893 / 103 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 01 May 1893 18:00:01 GMT) scan diff

Im Kroll’schen Theater wurde. die Wiederholung von Lasca’s „A Santa Lucia“ ait dem Künstlerpaar Stagno-Bellincioni, welche auf morgen angejeßt war, vielen an die Direction gelangenden Wünschen entgegenkommend, auf Mittwoch verlegt.

Mannigfaltiges.

Wiewohl s{hon vor mehreren Jahren dem hiesigen Publikum behufs möglichster Beschleunigung des hiesigen Briefbestellgeshäfts in den r und im Zusammenwirken mit der Postverwaltung empfohlen worden is, von der L von Briefkasten an den einzelnen Wohnungen in ausgedehntem Umfange Gebrauch L machen, so hat do diese zweckmäßige Aufforderung im hiesigen

rte noch niht den Erfolg gehabt, welher tur gleichartige Ein- wirkungen auf das Publikum in anderen großen Städten - erzielt worden ist. Den hiesigen Wohnungsinhabern wird daher im eigenen Interesse von neuem gerathen, Briefkasten an den Eingangsthüren anbringen zu lassen; die Wirkung einer größeren Beschleunigung des Briefbestellgeshäfts und die gesihertere Wahrung des Brief- und des Geschäftsgeheimnifses wird alsdann nit ausbleiben.

In der Charité i} die Besuchszeit für geisteskranke Männer, statt wie bisher auf Freitag, von jeßt ab auf Sonnabend, Vor- mittags 83 bis 9 Uhr, angeseßt worden.

Ueber das „Deutsche Haus“ auf der Weltauéstellung in Chicago entnehmen wir einem Bericht des „Centr.-Bl. d. Bauv.“ das Nachstehende: Abseits von den riesigen Hauptausstellungspalästen und ihrem Menschengewoge, till und poetish an der breiten Küsten- Promenade, die den malerish ges{chwungenen Ufern des Michigansees

«Bochumer Verein für Gußstahlfabrikation“ angefertigtes Glocken- geläut enthält. Im Gegensaß zu der auf der We faudtieltung sonst fast auss{hließlich angewendeten Herstellung der Gebäude aus Dol¿- gerüften mit Gipsplattenbekleidung ist das „Deutsche Haus“ durweg massiv gemauert und nach den besten Regeln deutscher Maurer- und Zimmermannskunst unter der Leitung des in Chicago ansässigen deutschen Architekten Fiedler aufgeführt. Nur der Hauptthurm an der Seefront is aus Eisen hergestellt und mit Gips- bewurf auf Latten versehen worden. Alle Fronten sind in Kur und Fachwerksbau, die Sockel aus Bruchstein, die Ge- pu , Fenstergewände und Fialen des Ostgiebels aus Kunst- andstein hergestellt. Bis auf die Bausteine sind alle zum Bau verwandten Materialien, sämmtlihe Balkenlagen und Holz- verbindungen, die Falzziegel und Kupfertheile der Dachdeckung, sowie alle Gegenstände des inneren Ausbaues aus Deutschland be- zogen; auch find bis auf die Herstellung der Maurerarbeiten lediglich deutsche Arbeiter beim Bau verwendet worden. Deshalb werden si die ursprünglih auf 30) 000 (_ veranschlagten Baukosten, troßdem die Unternehmer einen großen Theil der von ihnen übernommenen Arbeiten kostenlos oder nur unter Berechnung der Selbstkosten geleistet haben, auf nahezu 500 000 Æ erhöhen.

Morgen Abend hält Herr Dr. Oskar Lubarsch in der Urania zum ersten Mal einen chemisch - physikalischen Experimental-Vortrag über „die Atmosphäre in ihrer Be- deutung für die Lebensprozesse der organishen Welt.“

Liegniß. Der Musik-Director im Grenadier-Regiment König Wilhelm 1. (2. Westpreußisches) Nr. 7, Goldschmidt in Liegniß feiert heute sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum. Seit beinahe vierzig Jahren steht Goldshmidt an der Spiße des Musikcorps des Negi-

1. Mai. Das Wikingerschiff ist laut

Christiania, T. B.* gestern Nachmittag von Bergen nach

Meldung des „W. Amerika abgegangen.

Nach Schluß der Redaction eingegangene Depeschen.

Rom, 1. Mai. Die beiden Sonderzüge mit Jhren Majestäten dem König Humbert und der Königin Margherita sowie Jhren Majestäten dem Kaiser Wilhelm und der Kaiserin Auguste Victoria sind auf der Fahrt von Neapel nah Spezia gegen 3 bezw. 39%, Uhr Nachts ohne Aufenthalt und ohne in den Bahnhof einzufahren, hier durchpassirt. Eine Begrüßung dur die Spigzen der Behörden unterblieb auf Wunsch Jhrer Majestäten.

Spezia, 1. Mai, Vorm. (W. T. B Die Stadt, besonders der Bahnhof sowie die Straßen, welche Jhre Majestäten Palfren werden, sind auf das festlihste geschmückt; überall - ist in italienischen und deutshen Farben geflaggt. Auf dem Bahn- hof ist der Wartesaal erster Klasse in einen prächtigen Empfangssalon umgewandelt worden. Die Straßen sind über- füllt; aus den benachbarten Ortschaften strömen die Landleute in großen Schaaren herbei. Die Vereine versammeln sich um 10 Uhr im Stadttheater und nehmen dann zum Empfange Jhrer Majestäten Aufstellung. :

Spezia, 1. Mai, Mittags. (W. T. B.) Die Kaiser- lihen und die Königlichen Majestäten sind unter enthustastischer Begrüßung der Bevölkerung hier eingetroffen.

folgt, erbebt sih das „Deutsche Haus“, das Repräsentationshaus des Der Schwerpunkt in der Gesammtanordnung des Gebäudes, dessen Entwurf von der Hand des Königlichen Regierungs- ist auf eine mögligft malerishe Gruppirung der einzelnen Bautbeile gelegt worden. Und auf die Gefahr hin, daß der strenge Kritiker eine klare, einheit- liche Wirkung der gesammten äußeren Erscheinung vermissen möchte, find in diesem Architekturstück die Formen gothishen Stils mit denen der deutschen Frührenaissance geshickt verquickt worden, während die Schöpfer der großen Ausstellungspaläste fast ohne Ausnahme den Formen antiker Bauweise gehuldigt haben. Der Haupteingang des Gebaudes, durh einen Giebelaufbau mit darüber aufsteigendem hohen Aufbau betont, ist an der der Strandpromenade zugekehrten östlichen Hauptfront des Gebäudes angeordnet worden. Durch die eine geräumige, mit

Deutschen Neichs.

Baumeisters Nadke in Berlin herrührt,

strengen

ofene Vorhalle gelangt man in Sterngewölbe überdeckte das Treppenhaus, rets

des MNeichscommissars anschließen. Nach

Empfangs- und hinten

Eingangshalle in ihrer ganzen Breite unmittelbar nah den Haupt- ausstellungsräumen des Gebäudes, zwei großen, durch zwei Geschosse ks theils durch hohes Seitenlicht erhellt werden und im Obergeshoß mit ringsumlaufenden Galerien umgürtet sind, welche die Verbindung der in diesem Stock- werk befindliGen Bureaus des Reichs-Commissariats untereinander In den höheren nur zum theil ausgebauten Stockwerken ollen die Geshäftsräume des Stangen'schen Reisecomptoirs ihren großen Hauptausstellungs\älen mit der | „W. T. B.“ zufolge im Centrum der etwa vierzig Häufer durh eine Feuersbrunst in Asche gelegt. Aus Carlstad traf mittels Separatzuges Hilfe ein. mittags gelang es, dem Feuer Einhalt zu thun.

reichenden Sälen, die theils durch gewö

herstellen.

laß erhalten. Von den

Sammelausstellung des deutshen Buchgewerbes und der Zellstofffabrik Waldhof gelangt man auf einer breiten Freitreppe zu der Ausstellung kirhlicher Kunstgegenstände in cinen nah Westen angeschlossenen Kapellen-

j

bau, dessenGloctenhaus ein für die Gnadenkirche inBerlin bestimmtes, vom

Eingangshalle, an die

ments, zuerst als Vertreter feines

Bremen, ‘1. Mat. Kolbergermünde telegraphirt: reichem | „Reichstelegraph“ gerettet.

ih links Arbeitszimmer öffnet sich die Eisgang bedrohten S ormowoer

Catania, 29. April.

flüssige Lava gezeigt.

Mt vem 1, Mat, Morgens.

ca —+— —_— Co S S e c —_

Stationen. Mind. Wetter.

Bar. auf 0 Gr. u. d. Meeres\p red. in Millim.

Belmullet. . | 761 fehlt “Aberdeen . . | 760 _|[WNW ‘Christiansund | 756 |W Kopenhagen . | 755 |WNW Stockholm . | 755 [NNO Haparanda . | 763 |ONOD St Petersburg 757 |ODNO Sai (02 [G Cork, Queens- E town ... | 764 \W 3 wolkig Cherbourg . | 767 |\SW 2wolkig DAIDeE ¿ ¿s «s | 0039 |W 4 wolkig S DIT 108 INNW 2 halb bed.1) ebuta L 100 98 4 bededt winemünde | 755 |WSW 4 bedeck1?) Neufahrwasser| 754 |W 5'bededt ?) Memel... | (02 |SW 4Regen®) S... 1 708 [S Munster ._.| (62 |W Karlsruhe . . | 767 |SW Wiesbaden . | 765 |NW München . . | 766 |NW Chemnig .. | 763 |W wolkig In « - » « | (09 2B 5 heiter?) Breslau . . . | 762 |[W 4 wolkenlos_ Dix] 767 |SV 3 wolkenlos Ma ee] 0 [D 1 wolkenlos

S 1 wolkenlos WSW 4 wolkenlos 4 wolkenlos 4'wolkig

4 heiter

5 wolkig

1) Früh Regen. *) Nachm. Regen, böig, Nachts Bi, 6 adbin. Nachts s: 4) Nachts, Mor- gens feiner Regen. *) Gestern Vorm. Gewitter mit wenig Regen.

Vebersicht der Witterung.

Unter der Wechselwirkung eines A dessen Kern über Frankreich liegt, und eines ostwärts fortschreitenden barometrischen Minimums füdlih von Wisby wehen über Central-Europa vorwiegend west- liche Winde, welche an der Küste sowie im westlichen

Déutschland vielfach stark auftreten. In Deutschland ist das Wetter kühl, an der Küste trübe und böôig, im Binnenlande vorwiegend heiter; _vielfah ist Regen

efallen, am meisten 12 mm in Kiel. An leßterer tation und in Berlin fanden Gewitter statt. Eine neue Depression scheint nördlich von Irland heran-

zunahen. Deutsche Seewarte. R L R RRE F URE t T S S A E? E fh I I I T T S E 7ST B B E S Theater - Anzeigen.

Königliche Schauspiele. Dienstag: Opern- haus. 110. Vorstellung. Cavalleria rusti- czna (Bauern - Ehre). Oper in 1 Aufzug von Pietro Mascagni. Text nach dem gleich- namigen Volks\tück von Verga. In Scene geseßt vom Ober - Regisseur Teblaff. Dirigent: Kapellmeister

Komische Oper in 2 Acten von G. Donizetti. Text nach dem Französischen des St. Georges. Dirigent: Kapellmeister Wegener. Anfang 7 Uhr.

Neues Theater (am Schiffbauerdamm 4/5). 117. Vorstellung. Vasantasena. Drama in 5 Auf- zügen von Emil Pohl, mit freier Benußung der Dichtung des altindishen Könias Sudraka. Jn Scene geseßt vom Ober - Regisseur Max Grube. Anfang 7 Uhr.

Mittwoch: Opernhaus. 111. Vorftellung. Der rFreishüßz. Romantishe Oper in 3 Acten von Carl Maria von Weber. Dichtung von Friedrich Kind (nah der gleihnamigen Erzählung von August Apel’'s.) Neu in Scene geseßt vom Ober-Regisseur Tetzlaff. Dirigent : Kapellmeister Weingartner. An-

fang 7 Uhr.

Neues Theater (am Schiffbauerdamm 4/5). 118. Vorstellung. Die Anna-Life. Schauspiel in 5 Aufzügen von Hermann Hersh. (Anna-Lise: Frl.

Plan, als Gast.) Anfang 7 Uhr.

Deutsches Theater. Dienstag: Zwei glück- liche Tage. Anfang 7 Uhr.

Mittwoch: Der Talisman.

Donnerstag: Don Carlos.

Berliner Theater. Dienstag: Die Jour- nalisten. Anfang 74 Uhr.

Mittwoch : Graf Waldemar. (Agnes Sorma, Nuscha Bute, Ludw. Barnay, Ferdinand Suske.)

Donnerstag: Viel Lärm um Nichts.

Lessing-Theater. Dienstag: Brave Leut’ vom Grund. Anfana 7F Uhr.

Mittwoch: Hanna Jagert.

Donnerstag: Brave Leut’ vom Grund.

Friedrich - Wilhelmstädtishes Theater. Gean 25.

Dienstag: 9. Gastvorste g der Frau Ilka von Palmay. Zum 9. ale: Mamselle Nitouche. Vaudeville mit Gesang in 3 Acten von H. Meilhac und A. Millaud. Deutsch von Richard Genée. Musik von Hervó. (Denise de Flavigny : Ilka von Palmay.) Anfang 7x Uhr.

Mittwoch: Der Bettelstudeut.

Donnerstag: 10. Gastvorstellung von Jlka von Palmay. Die schöne Helena. 1. Act. (Helena: Ilka von Palmay.) Zum 1. Male: Stupida. Opéra Buffa in 1 Act von Richard Genée und F. Zell. Musik von Alexander Neumann. (Pia: Jlîa von Palmay.)

Residenz-Theater. Direction : Sigmund Lauten- burg. Dienstag: Jugend. Ein Liebesdrama in 3 Acten von Marx Halbe. In Scene geseßt von Hans Meery.

Anfang 7F Uhr. i ;

Mittwoch: Neu einstudirt: Die Sirene. (La Flamboyante.) Echwank in 3 Acten von Albin Valabrôque. In Scene gesegzt von Sigmund Lauten-

burg.

Kroll's Theater. Dienstag: Fra Diavolo.

Ausübung des Dienstes behinderten Vorgängers, seit 1858 aber als Stabshautboist. 1869 wurde er zum Königlichen Musik-Director ernannt. Im Feldzuge von 1870/71 hatte Goldschmidt, so lange das Haupt- quartier des hochseligen Kaisers Wilhelm in Versailles war, alle Musikaufführungen zu leiten und auszuführen. bei der Kaiser-Proclamation hatte er 180 Hautboisten und Sänger eingeübt, welche die großartige geschihtlihe Feier begleiteten. s Verhalten bei Weißenburg und Wörth erhielt er aus der Hand des Kronprinzen, nahmaligen Kaisers Friedrich 1IT., das Eiserne Kreuz.

Der Vorstand der NRettungsfstation Fischerboot Nr. 74 drei Personen durch das Rettungsboot

St. Petersburg, 30. April. Nach einer Depesche des „W. T. B.“ aus Nishny Nowgorod ist die Rettung der dur den sämmtlih aus der Wolga nah dem Okafluß übergeführt.

| Auf dem Grunde des Centralkraters des Aetna hat sich, dem „W. T. B.“

Stockholm, 1. Mai. In der vergangenen Nacht wurden dem

durch Alter und Krankheit an der

Kaiser und Am 18. Januar 1871 |

Für sein tapferes

halbe

Am 1. Mai von dem gesuukenen Schiffe gelungen. Sie wurden

6 Strikender ist zufolge, an vier Stellen glühende,

tadt Christinehamm Um 9 Uhr Vor-

2 Acten von Tasca. (Rosella: Gemma Bellincioni; Ciccillo: Noberto Stagno, als Gäste.)

Victoria-Theater. Belle - Alliancestraße 7/8. Dienstag: Mit neuer Ausftattung: Die Reise um die Welt in achtzig Tagen. Großes Ausftattungs\tück mit Ballet in 5 Äcten (15 Bil- dern) von A. d’'Ennery und Jules Verne. Ballet arrangirt vom Balletmeister C. Severini. Musik von Vebillemont und C. A. Raida. Anfang 7 Uhr. Mittwoch: Die Reise um die Welt in achtzig Tagen.

Theater Unter den Linden. Dienstag: Zum 5. Male (vollständig neu inscenirt): Der Mikado. Burleske Operette von V. S. Gilbert. Musik von Arthur Sullivan. Hierauf: Zum 38. Male: Die Welt-Ansftellung in Chicago und Die deutsche Abtheilung in dem populären Aus- stattungs-Ballet Columbia. Anfang präc. 7x Uhr. Mittwooch: Dieselbe Vorstellung.

Adolph Ernst-Theater. Dienstag: Zum 32. Male: Goldlotte. Gesangsposse in 3 Acten von Ed. Jacobson und W. Mannstädt. Couplets theil- weise von G. Görß, Musik von G. Steffens. In Scene geseßt von Adolph Ernst. Anfang 7F Uhr.

Mittwoch und folgende Tage: Goldlotte.

Der Sommer-Garten is} geöffnet.

Uranig, Anstalt für volksthümliche Naturkunde.

Am Landes - Ausftellungs - Park (Lehrter Bahnhof). Geöffnet von 12—11 Uhr.

Concerte.

Concert-Haus, Leipzigerstraße 48. Dienstag, Anfang 7 Uhr: Karl Meyder-Concert.

Ouv. „Meeresstille und glücklihe Fcehrt“ von Mendelssohn. „Giralda“ von Adam. Phantasie aus „Die Stumme von Portici“ von Auber. „JFmmer oder Nimmer“, Walzer von Waldteufel. Phantasie aus „Trovatore“ für die Violine von Alard (Herr Carnier). „Klänge aus Steyermark“ für Piston von

Hoch (Herr Steffens).

Circus Renz (Carlstraße.) Dienstag, Abends

(L Ur: Abschieds - Vorstellung. i; Auftreten sämmtlicher Künstlerspecialitäten, ies Vorführen und Reiten der bestdressirten Freiheits- und Schulpferde. Ferner: Zum Abschied, großes Divertissement des gesammten Corps de ballet und des Herrenpersonals. Abschiedsgruß. E Der Reichshauptstadt fühle ih mich bei meinem diesmaligen Scheiden zu ganz besonders lebhaftem Danke verpflichtet. Die Gunst der Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften, der hohen Behörden, der resse und des gesammten Publikums aus allen heilen Berlins und der Umgegend hat die erste unter meiner Direction verlaufene hiesige Saison so

Anf O, "Mitt Melodrama in

Dr. Muck. Die Tochter des Regiments.

-

Mittwoch: A Santa Lucia.

glänzend gestaltet, daß ih mit voller Befriedigung

Die Batterien der Forts und die auf der Rhede vor Anker liegenden Schiffe gaben Salutschüsse ab. Genua, 1. Mai.

i (W. L: D) Je Majestät der die Kaiserin werden heute Abend 8 Uhr

43 Minuten hier eintreffen und um 8 Uhr 49 Minuten die Reise über den St. Gotthard fortseßen.

MeiMWenberg, 1 Vat. dustriestadi Grottau an der sähsishen Grenze wurde eine Compagnie Jäger stöórungen anläßlich der Maifeier be zerstreute mehrere Arbeitertrupps, drohender Haltung vor einigen Fabriken angesammelt hatten. Etwa die Hälfte der Arbeiter seßt die Arbeit ruhig fort.

London, 1. Mai. (W. T. B.) Trogz der gestern von den Dock- arbeitern zu Gunsten eines allgemeinen Strikes gefaßten Beschlüsse haben fast sämmtliche Lond o ner Dockarbeiter mit Ausnahme der Kohlenträger heute früh die Arbeit aufgenommen. Eine

C. H) Na dee In- weil man Ruhe- Das Militär

ira welche sich in

ürchtet.

) wieder große Menge Arbeitsloser, auch an den Eingängen zu den Docks versammelt

und beschuldigt die Arbeiterführer in erregter Weise, sie ver- lassen zu haben.

Paris, 1. Mai. Stadt ist ruhig wie gewöhnli; alle Verkaufsmagazine sind geöffnet, in fast allen Fabriken und Werkstätten der Vorstädte wird gearbeitet.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

(W. T. B.) Die Physiognomie der

darauf zurückblicken darf. Wie mich dies mit dem tiefsten Dankgefühl beseelt, fo legt es mir aber zu- leich auch die Verpflichtung auf, mich auch für die Bukunft dieser Gunst durch Darbietung des Voll- kommensten auf allen Gebieten der circensishen Kunst würdig zu erweisen. Indem ich daher verspreche, daß es mein unablässiges Bestreben sein wird, mich auch ferner des allgemeinen Wohlwollens würdig zu erweisen, bitte ih noch cinmal, den Ausdruck meines tiefstgefühlten Dankes entgegennehmen zu wollen, und verharre mit einem herzlidben Auf Wiedersehn ! Hochachtung8voll Fr. Nenz, Director.

Familien-Nachrichten.

] e

Das Reichs-Justizamt und die Commission für die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gefetßbuchs für das Deutsche Reich haben durch das estern infolge einer Lungenentzündung eingetretene Ableben des :

Staatssecretärs des Neichs-Justizamts,

Wirklichen Geheimen Raths Herrn Hanauer Excellenz :

einen {weren Verlust erlitten. Auetgestattet mit seltener Geistesschärfe, umfassendem Wissen und un- ermüdlicher Arbeitskraft, hervorragend durch Lauter- keit des Charakters, hat der Entschlafene dem NReichs- Justizamt von seiner Begründung im Jahre 1877 ab als Director angehört, feit April vorigen Jahres aber an der Spitze dieses Amts und der Commission gestanden, Das Andenken des hochverehrten und ge- liebten Mannes, der bis ans Ende uns allen ein leuhtendes Vorbild selbftloser Pflichterfüllung war, wird im Reichs-Justizamt und in der Commission treu bewahrt werden.

Berlin, den 1. Mai 1893. : Die Mitglieder des Reichs-Justizamts und der Commission für die zweite Lesuug des

Entwurfs eines Bürgerlichen Gefeßbuchs.

Verlobt: Frl. Clara Plantier mit Hrn. Divisions- Pfarrer Christian Rogge (Berlin).

Verehel iht: Hr. Rittzneister a. D. August von Lewiúski mit Frl. Agnes von Pawel (Berlin). Me Prem.-Lieut. Oscar Müller mit Frl. Margot

ittmann (Saule). Hr. Bürgermeister Karl Simon mit Frl. Elise Langner (Frauftadt).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Pfarrer Robayek (Momehnen). Hrn. A. von Walther-Croneck (Kapatschüß). Eine Tochter: Hrn. Professor E. Lesser (Bern). y

Gestorben: Frl. Maria von Herrinann (Schwedt a. O.). Hr. General-Major a. D. von Klein (Ludwigslust). Hr. Geh. Regierungs-Rath und Landrath a. D. Rudolph von Oergzen (Anklam).

Nedacteur: J. V.: Siemenroth.

Berlin: - Verlag der Expedition (Scholz).

Druck der Norddeutshen Buchdruckerei und Verlags- Anstalt; Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Neun Beilagen

(768F)

(ein’ch{ließlich Börsen-Beilage).

S O R E E Et ci N e A Pairie 2 E Rie S M S mad d p E io

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

„M2 103,

Deutscher Neichstag.

86. Sißung vom Sonnabend, 29, April, 1 Uhr.

Ueber den Beginn der Sitzung is bereits in der Nummer vom Sonnabend berichtet worden.

Als vierter Gegenstand steht auf der Tagesordnung die zweite Berathung des Geseßentwurfs, betreffend die Ab- zahlungsgeschäfte, über welhe der Abg. Dr. Mehnert (dcons.) namens der IX. Commission Bericht erstattet hat. Die Commission hat an dem Entwurf nur unwesentlihe Aenderungen vorgenommen.

S 1 der Vorlage hatte folgenden Wortlaut :

Hat bei dem Verkauf einer dem Käufer übergebenen beweg- lichen Sache, deren Kaufpreis in Theilzahlungen berichtigt werden soll, der Verkäufer sih das Necht vorbehalten, wegen Nichterfüllung der dem Käufer obliegenden Verpflichtungen von dem Vertrage zurückzutreten, fo ist im Falle dieses Nüktritts der Käufer berechtigt, gegen Rückgabe dcr empfangenen Sachen die Nückgewährung der von ihm geleisteten Theilzahlungen zu fordern. Eine entgegen- stehende Vereinbarung ist nichtig.

Dem Vorbehalte des Nüktrittsrechts \teht es glei, wenn der Verkäufer wegen Nichterfüllung der dem Käufer obliegenden Ver- Pau kraft Gesezes die Auflösung des Vertrages verlangen ann.

Die Commission schlägt eine anderweite Formulirung vor, wonach im Falle des Rüktritts jeder Theil verpflichtet sein soll, dem anderen Theil die empfangenen Leistungen zurück- zugewähren. Beide Fassungen bezwecken die Beseitigung der bisher in fast allen Verträgen dieser Art enthaltenen soge- nannten Ver wirkungsklausel.

_ Die Abgg. Dr. von Bar (dfr.) und Genossen beantragen, die Fassung der Regierungsvorlage mit der Einschränkung anzu- nehmen, daß der Käufer die Nückgewährung der Theilzahlungen insofern zu fordern berechtigt sein soll, als er nachweist, daß bei Verwirkung der geleisteten Theilzahlungen die Vermögens- vortheile des Verkäufers in auffälligem Mißverhältniß zu der von ihm gewährten Leistung stchen.

Abg. Heine (Soc.) sragt an, wie es denn mit dem größten Ab- zahlungsgeschäfte von allen gehalten werden foll, ‘von dem bis jeßt noch gar nit die Rede gewesen sei, nämlich dey Staatslotterie, die doch unzweifelhaft ihrem ganzen Charakter näach nichts Anderes als ein Abzahlungsgeschäft sei.

Abg. Wöllmer (dfr.): Die Begründung der Vorlage bezüglich

der Nothwendigkeit einer so einshneidenden Maßregel, “tvie es“ die

Aufhebung der Verwirkungsklausel ist, war ganz ungemein dürftig. In der Commission wurde auf die Vorlegung umfassenden Materials gedrungen. Aber Alles, was infolge dessen von Gerichten und aus den Acten der Justizverwaltung beigebraht werden konnte, genügt nicht im entferntesten, um das Bedürfniß einer Aenderung der Gesetzgebung nachzuweisen. An einzelnen Gerichten hat sich ja allerdings die Zahl der abgeurtheilten Prozesse dieser Art sehr ge- bäuft; das liegt aber daran, daß zahlreiche große Geschäfte der Art, namentlich Nähmaschinenfabriken und einige rheinishe Tertilfabriken, sih den Gerichtsstand ihres Ortes in den Verträgen ausdrücklich aus- bedungen haben. Einzelne Fälle von unwirthschaftlihen Anschaffungen sind ja nachgewiesen; es hat sih ein Schullehrer zwölf Hemden- einsâße, ein Küster Brockhaus? Conversationslexikon gekauft, auch habe jemand sih drei Anzüge geleistet. Alle diese Fälle aber sind Aus- nahmen. Die bedeutendsten Handelskammern haben sich gegen das Gesetz erklärt. Wie die Nähmaschinenbranche durh das Gesetz ge- schädigt wird, brauche ih nur anzudeuten. Der Eigenthumsvorbehalt foll bleiben, aber ohne Verwirkungsclausel ist er ganz werthlos; es wird dadurch nicht nur der Zugriff Dritter, sondern auch der Zugriff des Veräußerers selbst gehindert, da diefer den Gegenstand nicht pfand- mäßig versteigern darf. In diesem Zugriff aber liegt ein starker moralischer Zwang für den Käufer, es mit der Erfüllung seiner contractlih übernommenen Verpflihtung \o ernst wie möglich zu nehmen. Während bei den Krankenkassen und theilweise auch bei der Invaliden- und Altersversiherung jeder Versiche- rungspflihtige ohne weiteres seiner Gesammtansprühe wver- lustig wird, wenn er mit der Zahlung der Beiträge wieder- holt im Nückstande bleibt, will man hier ganz im Gegen- saß zu diesem durch Neichsgesez festgelegten Verfahren abweichen. Und dabei strebt man nur eine Beseitigung des Mißbrauchs, nicht cine Schädigung des legitimen Abzahlungsgeschäftes an. Dieses Ziel läßt fih nah der Meinung der deutschfreijinnigen Partei besser auf dem Wege des Antrages Bar erreichen, den wir Ihnen zur Annahme empfehlen. Auch wir wollen hier wie beim Wucher Mißbräuche mit derselben Schärfe treffen wie Sie, wir wollen aber au die Rechte der Verkäufer in der Weise wahren, wie diese es zu verlangen be- rechtigt sind.

Abg. Ackermann (dcons.), Vorsißender der Commission, tritt für die Commissionsvorschläge ein. Die Verwirkungsclausel müsse be- seitigt werden. Sie zu gebrauchen in den Verträgen werde garnicht verboten, fondern nur die bei völliger Ausnußung derselben hervor- getretenen Unbilligkeiten follen beseitigt werden. Auch bei Näh- maschinen sei von dieser Clausel in einer Weise Gebrauch gemacht, die einer Auébeutung der Nothlage gleihkommt. Man könne hier also keine Ausnahme statuiren. Der Antrag Wöllmer behandle die beiden Contrahenten nicht gleihmäßig; er lege die Beweislast dem Käufer auf und dränge geradezu alle diese Angelegenheiten auf den langwierigen Prozeßweg.

Abg. Dr. von Bar (dfr.): Wenn sonst Mißbrauch mit der Festseßung einer Conventionalstrafe getrieben wird, geht niemand soweit, deshalb die Conventionalstrase als folhe für eine ab- zuschaffende Einrichtung zu erklären. Wenn der Vertrag aufgelöst ist, soll nah § 2 ein entsprehender Werth für Gebrauch oder Benußung der Sache vergütet werden. Aus dieser Be- stimmung in Verbindung mit § 1 wird ih ein ganzes Nest von Controversen herausbilden. Der ganze Vorgang findet in unserem Givilreht nirgends einen Präcedenzfall. Wir wollen, daß der Käufer beweisen soll, daß dem Verkäufer cin unverhältnißmäßiger Vortheil bei der Auflösung des Vertrages erwächst ; denn wer einen Contract unterschreibt, soll ihn auch vorher genau ansehen und sich die Ver- pflichtungen, die er übernimmt, klar machen. Die Commissions- fassung muthet dem Nichter zu, sich vollständig in einen Preis- taxator zu verwandeln. Wenn man in dieser Weise die Leute verhindern will, Sachen zu kaufen, die sie wirthschaftlih shädigen, dann müßte man auch ein wachsames Auge - von Geseßes wegen auf die Schaufenster haben, die durch ihre Auslagen vielfa die Leute zum Ankauf namentlih yon Schmucksachen verführen. Jh habe nicht ohne ein gewisses Bedenken felbst unseren Antrag formulirt, weil ih befürchte, daß das Geseß im ganzen nur zu einer Schädigung des foliden Geschäfts führen muß; ih bitte Sie aber, unseren Antrag anzunehmen, um Schlimmeres zu verhüten.

Königlich preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Geheimer Regierungs-Rath Dr. Dungs: Daß der Verkäufer bei Lösung des Vertrages den Betrag herausgiebt, um den. er sih zum Nachtheil des Käufers bereichert hat, ist ein gerechter Gedanke des Entwurfs. Durch den Antrag Bar würde aber der Zweck des Gesetzes vollständig ver-

Berlin, Montag, den 1. Mai

1893.

citelt werden. Man fann nicht jede Unbilligkeit in Leistung und Gegenleistung vor den Strafrichter bringen. Der Auédruck „AUf- fälliges Mißverbältniß“ ist aus dem Wuchergesez übernommen; aber der Unterschied ist, daß nah dem Wuchergeseß der ganze Vertrag bei einem folhen Mißverhältniß civilrechtlich ungültig ist. Wir können dem Nichter nicht die Entscheidung darüber anbe adDeN: wo die Auf- fälligkeit des Mißverhältnisses anfängt. Nach Annahme des Antrages Bar würde die Äbnuzungsclausel nur auf dem Papier stehen und in Wahrheit die Sache beim Alten bleiben.

_ Abg. Kraemer (nl.): Wir stehen der Vorlage freundlich gegen- über in der Erwartung, daß sich genügende Bürgschaften gegen die Uebervortheilung der Verkäufer durch böswillige Schuldner finden [assen werden. Ob das auf der Grundlage des Entwurfs möglich lein wird, ist nicht unbedingt sicher. Der Antrag Bar ist zwar gut gemeint, aber niht durchführbar. Jedenfalls ist aber § 1 der Com- missionsbeschlüsse geeignet, den bisher auf dem Gebiet der Abzahlungs- geschäfte hervorgetretenen Mißständen entgegenzuwirken.

Abg. Spahn (Centr.) empfiehlt die Beschlüsse der Commission gegenüber der Vorlage und dem Antrage Bar.

abn, Mlter (Soz.): Die Minorität der Commission war ter Meinung, daß mit den Vorschlägen der Regierung das solide Geschäft mehr beeinträchtigt, als der Consument gegen Schäden gesichert werden würde. Die Majorität glaubt das nicht, und zu dieser Majorität gehörte auch ih. in der Commission. Wir werden heute in der zweiten Lesung für die Commissionsbeschlüsse stimmen. Die Verwirkungsclausel, welhe den Grund zu allen den vielen Klagen über die Abzahlungsgeschäfte gegeben hat, muß wenig- stens in ihren s{chlimmsten wirthschaftlihen Folgen beseitigt werden. Die Halsabschneiderei, die mit der rücksihtslosen An- wendung dieser Clausel betrieben wurde, wollen wir unmög- lih machen. Ob im einzelnen Alles so vortrefflich geordnet ist, wie man wünshen muß, bleibt dahingestellt, jedenfalls würde den \{limmsten Mißständen auf diesem Gebiete abgeholfen. Daß böse Mißstände in dieser Beziehung bestehen, wird wohl niemand leugnen. Nach zahlreichen Verträgen verfällt der Gegenstand bereits, wenn eine Rate nicht gezahlt wird; dann kann der Gegen- stand vom Eigenthümer zurückgenommen werden, der zu jeder Tageszeit mit so viel Leuten, als er zum Transport bedarf, zu diesem Zweck in der Wohnung erscheinen darf, ohne daß der Miether darin eine Verleßung seines Hausrechts oder dergleichen zu erblicken hat. Solh Contract gebe den Käufer hilf- los in die Hände des Verkäufers. Wenn nun eingewendet wird, daß diese Contracte in so shroffer Form garnicht ausgeführt würden, fo mag das für die Mehrzahl der Geschäfte zutreffen; es sind aber au Geschäfte nicht selten, welhe darauf ausgehen, ja geradezu darauf begründet sind, auf dem Wege der Verwirkungsclaufel sich zu bereichern. Wir gehen. gewiß „viel lieber mit der Linken als mit dem Abg. Ackermann und Genossen, aber die Anträge der Freisinnigen konnten wir diesmal nicht acceptiren. Die von den Interessenten an uns gelangten Petitionen enthalten vielfach Uebertreibungen und entkräften nicht, „daß himmelschreiende Mißbräuche des wril Basttiden Ueber- gewichts auf Grund des bestehenden Rechtszustandes vorgekommen sind.“ Mit dem Antrage Bar würde dem Käufer eine Beweislast zugeshoben, die er in den allermeisten Fällen nicht übernehmen kann. Richtig ist ja, daß Nähmaschinen jeßt meistens im Wege der Abzahlung angeschafft werden. Aber gerade die Nähmädchen und -Frauen, die zu dieser Art der Beschäftigung gezwungen sind, sind auch die ausgebeutetsten Arbeiterklassen, die ohne irgend einen Nebenerwerb, der leider nur zu oft in Proftitution besteht, niht existiren können, und die Prostitution ist gerade dadur, daß Nähmaschinen durch Abzahlung angeschafft werden können, sehr stark gefördert worden. Das Nähmaschinengeshäft, wie es jeßt betrieben wird, hat also neben seinen unleugbaren Vorzügen auch seine bedenkliche Schattenseite. Die Befürchtung, daß das Abzahlungsgeshäft zu Grunde gehen werte, ist nicht \tichhaltig.

Abg. Dr. von Bar (dfr.) entgegnet dem Regierungsvertreter, wenn der Strafrihter im Wuchergeseß den Begriff des auffallenden Mißverhältnisses festzustellen vermöge, so werde es hier auch der Civilrichter können. Die Wendung vom Schuße des Schwachen treffe auf die vorliegende Materie niht ganz zu.

Abg. Dr. Osann (nl.): Der Entwurf reicht meiner Ansicht nach nit einmal aus, wirklih die Mißstände zu beseitigen; zu erreichen ist das nur dadurch, daß, wie vorgeschlagen wird, jeder Eigenthumsvorbehalt vollständig fortfällt und der Verkäufer nur ein Reht hat, nämlich das, Theilzahlungen zu verlangen und. zu erzwingen. Wenn Sie eine Fundgrube von Nechtss\treitigkeiten haben wollen, so nehmen Sie die Borlage in der Commissionsfassung an, sonst niht. So schlimm sind die Mißstände nicht, daß derartige Maßregeln gerechtfertigt wären.

Vor der Abstimmung wird ein Vertagungsantrag an- genommen. :

Schluß 5 Uhr. Nächste Sigung Dienstag 1 Uhr. (Dritte Lesung der Vorlage, betreffend die Ersaßvertheilung, und des Nachtrags - Etats für 1892/93, Antrag Ahlwardt, Wahl- prüfungen.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

71. Sißung vom Sonnabend, 29, April.

Bei der Fortseßung der zweiten Berathung des Com- munalabgabengeseßes nahm in der Debatte über 8 45 und dem dazu eingebrachten Antrage der Abgg. Dr. Bachem und Genossen (Centr.) [}. d. vorgestrige Nummer d. Bl.] nah dem Abg. Schmigz-Erkelenz (Centr.) das Wort der

Präsident des Staats-Ministeriums, Minister des Jnnern Graf zu Eulenburg:

Gewiß, meine Herren, wird einen großen Theil des Hauses und so auch mich das warme Interesse sympathish berühren, mit welhem der Herr Vorredner für die Interessen des Grundbesitzes in Beziehung auf seine Heranziehung zur Besteuerung eingetreten ist. Indessen, meine Herren, ih muß doch darauf aufmerksam machen, daß die Con- sequenzen der Ausführungen des Herrn Vorredners sehr viel weiter gehen, als er sie selbst gezogen hat, und daß es zweitens doh nit unberüdcksichtigt bleiben darf, daß- bei allem berechtigtem Interesse für die Erleichterung ter Lasten des Grundbesißes das zur Geltung kommen muß, was er selbst gesagt, aber in seinen weiteren Ausfül- rungen, wie mir scheint, niht durhgehend befolgt hat: daß nämlich diese Berücksichtigung nicht einseitig erfolgen dürfe, sondern nur unter der Berücksichtigung der übrigen in Betracht kommenden Interessen. Gerade die Vereinbarung dieser vershiedenartigen Interessen ist es, um die allein es sich hier handelt, und darum bin ih der Meinung, daß die tiefer greifenden Erwägungen hier sehr viel weniger Play greifen als Rücksichten der Zweckmäßigkeit; denn es handelt sich eben lediglih um die Bestimmung des Maßes, bis zu

welchem eine gleichmäßige Heranziehung der Realsteuern und Personal- steuern erfolgen soll, und von welchem an eine stärkere Heranziehung der Einkommensteuer ihre Berechtigung hat. Das, meine Herren, ist an si keine große principielle Frage, sondern eine Frage èes Maßes und der Zweckmäßigkeit.

Ich bitte nun zu berücksichtigen, wie das Verhältniß der Commissionsbeshlüfse gegenüber der Regierungsvorlage {ih gestaltet. Die Regierungsvorlage ging davon aus, ein allgemeines Maß fest- zustellen, in welhem Real- und Personalsteuern herangezogen werden sollen, nämlich mindestens gleih oder höchstens zum Anderthalbfachen ; dem gegenüber bringt der Beschluß der Commission eine erheb- lihe Einschränkung nämlich dahin, daß, wenn die Real- und die Einkommensteuer 150 % erreicht haben, dann die Einkommen- steuer doppelt so stark herangezogen werden foll wie die Realsteuern, und der Antrag des Herrn Vorredners und seiner Freunde geht dahin, diese Grenze von 150 auf 100 % herabzuseßen. Jch bin der Meinung, daß das eine Abshwächung des Princips der Regierungs- vorlage ist, welhe soweit geht, daß ihre Annahme zu den s{chwersten Bedenken berechtigt. Denn, meine Herren, in der. überwiegenden Mehrzahl der Fälle würde dics herbeiführen, daß der Nachlaß der staatlihen Grund- und Gewerbesteuer fast vollständig ohne eine Aus- gleichung auf dem Gebiete der Communalgesezgebung den Grund- und Gebäudebesißern und den Gewerbebetreibenden zu gute kommen würde, und so sehr, wie ich noch einmal hervorhebe, nicht allein der Wunsch, sondern das bekundete Bestreben vorliegt, die Ueberbürdung der Grund- und Gebäudehesizker und der Gewerbetreibenden zu beseitigen, so wenig kann doch die Absidht dahin gehen, ihnen einen Vorzug einzuräumen, welcher nur auf Kosten der übrigen Steuerpflichtigen in der Gemeinde \sich würde herbei- führen laffen.

Aus diesen Gründen, meine Herren, glaube ih, daß es nicht wohlgethan fein würde, an der auf sorgfältigen Erwägungen be- ruhenden Abmessung, wie sie in der Commission angenommen worden ist, zu rütteln und nun noch in weiterem Maße Bestimmungen zu treffen zu Gunsten der Grund- und Gebäudebesißzer und der Gewerbe- betreibenden. Recht hat der Herr Vorredner unzweifelhaft darin, daß die Wirkungen dieser Bestimmungen in den verschiedenen Gegenden außerordentli verschiedene sein -würden, das wird aber bei dem Vorschlage, den er macht, genau ebenso der Fall sein, und gegen diese verschicdenartigen Wirkungen hat das Gesetz denn doch eine ganze Reihe von Cautelen vorgesehen, mit denen den etwa hervortretenden Unzuträglichkeiten abgeholfen werden kann. Ich mache zunächst darauf aufmerksam, daß die durh eine Steigerung der Zuschläge zu den Realsteuern eintretende Verminderung des Steuer- bedarfs doch auch wiederum den Realsteuerpflichtigen zu gute kommt dadurch, daß die Zuschläge zur Einkommensteuer sih vermindern. Jh weise, was die Ungleihmäßigkeit betrifft, ferner darauf hin, daß den Gemeinden ja eine große Latitüde darin gewährt werden soll, nicht festzuhalten an den staatlich veranlagten Realsteuern als Maßstab, fondern besondere Realsteuern einzuführen, welche den Verhältnissen in den verschiedenen Gemeinden gerecht werden.

Und endlich, meine Herren, ist doch niht außer Acht zu laffen, daß dieser Maßstab nur die Regel sein soll, und daß da, wo er eben nicht angemessen ift, wo also eine Ueberbürdung der Grund- und Gebäudebefißer und der Gewerbebetreibenden eintreten könnte, eine Ab- weichung durch den zunächst folgenden Paragraphen, § 46, mit Ge- nehmigung der Aufsichtsbehörde zugelassen ift.

Aus allen diesen Gründen kann ih Sie nur bitten, es bei den Beschlüssen der Commission zu belassen. Jh halte dieselben in der That für einen billig-mäßigen Ausgleich der verschiedenen in Betracht kommenden Interessen, und einen folchen billig-mäßigen Ausgleich der verschiedenen Interessen herbeizuführen, darauf werden Sie Alle ein großes Gewicht legen müssen, wenn Sie eben das Ziel erreichen wollen, daß unsere Gesetzgebung das Anerkenntniß einer gerehten ver- dient. (Bravo!) :

Im weiteren Verlaufe der Berathung erklärte nach dem Abg. Hitze (Centr.) zu demselben Paragraphen der

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Jh möchte, bevor ih auf die Sache selbst ein- gehe, den beiden Herren Vorrednern aus Rheirland und Westfalen doch einige Bemerkungen entgegenhalten. Jh kann mir denken, daß aus den Erfahrungen, die sie in diesen Provinzen gemacht haben, ein gewisses Bedenken gegen die angemessene Heranziehung der Real- steuern für sie hervorgeht, und daß sie dieselben hier zum Ausdruck bringen. i Meine Herren, im Rheinland und zum theil auch in Westfalen find bisher die communalen Steuern in einer fehr irrationellen Weise vertheilt worden. Man hat ohne jede innere Begründung vielfah die gesammten Communalsteuern auësc{ließlih oder in einer ganz überwiegenden Weise auf die Perfonalsteuern geworfen. Woraus erklärt sih das ? Weil die Einkommensteuer fo sehr niedrig veranlagt war ich werde gleih darauf nod zurückfkommen —, waren die be- sißenden Klafsen garnicht abgeneigt, auf die Perfonalsteuern die Laft zu nehmen, um so mehr, als diese selben besfißenden Klassen meistens entweder Grundbesißer oder Gewerbetreibende waren, welche die Ein- kommensteuer vorzugsweise zu zahlen gehabt hätten. Dadur erklärt ih nun, daß jebt allerdings eine wesentlihe Veränderung in diesen Zuständen eintritt durh die Bestimmungen des § 45 und daß diese Bestimmungen gerade in diefen Provinzen hier und da unangenehm empfunden und nicht reht als gerecht angesehen werden.

Wir haben aber andere Landestheile, wo bisher schon es von jeher üblih war, für die communalen Zwede „die Realsteuern sogar vor- zugsweise heranzuziehen; andere, wo es durchaus üblich war, alle slaat- lihen Steuern gleihmäßig heranzuziehen, wie beispielsweise in der Provinz Hannover und Schleswig-Holstein. Sie werden diesen § 45 mit ganz anderen Augen betrachten; denn sie werden sagen: Wenn wir nur 100 9% zu zahlen baben in der Gemeinde und wir erhalten 100 % erlaffen, fo find diese 100% für uns definitiv erlassen; wie