1913 / 258 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 31 Oct 1913 18:00:01 GMT) scan diff

| ium für Handel und Gewerbe. Zu Oberlehrern sind ernannt worden: Regierungsbau- meister Dipl.-Jng. Arthur Brauer und Dipl.-Jng. Paul Breidenbach an den vereinigten Maschinenbauschulen in Elberfeld-Barmen, Dipl.-Jng. August Steimle an der höheren Maschinenbauschule in Stettin, Dipl.-Jng. Otto Wienbreyer an der höôheren Maschinenbauschule in Hagen, Dipl.-Jng. August A an der Maschinenbauschule in Frankfurt a. M. und ngenieur Oskar Küper an der Maschinenbauschule in Görliß.

Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.

Dem zum Kreistierarzt ernannten Tierarzt Hans Jacobsen ist die Kreistierarztstelle in Neustadt a. Rbg. ver- liehen worden.

__ Der Oberförster Freiherr von der Recke in Rosenthal ist nah Morschen verseßt worden. Dem Oberförster Rothmaler in Barmstedt ist die Ober- försterstelle Sillium übertragen worden. j __ Der Oberleutnant a. D. Hinüber in Born ist zum Forst kafsenrendanten ernannt worden.

Finanzministerium. Versett ist: der Katasterkontrolleur, Steuerinspektor Reiter

von Streluo nah Werden a. R. : / Bestellt sind: die Katasterlandmesser Beese, Freitag, Kühlewind und Künzel zu Katasterkontrolleuren in Sullen-

chin bezw. Montabaur, Strelno und Hermeskeil.

Bekanntmächung.

Geinäß 8 46 des Kommunalabgabengeseßes vom 14. Juli 1893 (G.-S. S. 152) wird hierdurch bekannt gemacht, daß das steuerpflichtige Reineinkommen der Liegniß-Rawitscher Eisenbahn aus dem Betriebsjahre 1912/13 auf 347 500 6, bu(hstäblich: Dreihundertsiebenundvierzigtausendfünfhundert Mart, festgesezt worden ist.

Breslau, den 28. Oktober 1913.

Der Königliche Eisenbahnkommissar. J: V.: Pannenberg.

Nichkamiliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 31. Oktober 1913.

Jn der am 30. Oktober 1913 unter dem Vorsitz des Staatsministers, Staatssekretärs des Junnern Dr. Delbrü abgehaltenen Plenarsißung des Yundesrats wurde dem Entwurf von Ausführungsbestimmungen über die Gewährung von Beihilfen an Kriegsteilnehmer die Zustimmung erteilk. Zur Annahme gelangte ferner der Entwurf neuer Muster für dié Salzstatistik. Den zuständigen Ausschüssen überwiesen wurde der Entwurf einer Bekanntmachung, betreffend die von der Krankenkasse zu erteilende Bescheinigung an Wandergewerbe- treibende, der Entwurf einer Bekanntmachung, betreffend Ueber- gängsbestimmungen zur Reichsversicherungsordnung, und der Entwurf einer Bekanntmachung über Durchführung der haus- gewerblichen Krankenversicherung. Demnächst wurde über die Beseßung einer Reichsgerichtsratsstelle sowie über verschiedene Eingabén Beschluß gefaßt.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Handel und Verkehr und für Justizwesen sowie der Ausschuß für Handel und Verkehr hielten heute Sißungen.

Der Königlich bulgarische Gesandte Guéchow ist nach Berlin zurückgekehrt und hat die Leitung der Gesandtschaft wieder übernommen.

Laut Meldung des „W. T. B.“ sind S. M. S. „Eber am 28. Oktober in _Victocia . (Kamerun), S. M. S. „Gneisenau“ am 30. Oktober in Port Arthur und S. Me: „Iltis“ an dem gleichen Tage in Nagasaki eingetroffen.

Baden.

Das Gesamtergebnis der gestrigen Stichwahlen zur Zweiten badishen Kammer ist nach Meldungen des „W. T. B.“ folgendes: 11 Nationalliberale, 4 Mitglieder der Fortschrittlichen Volkspartei, 4 Sozialdemokraten und 1 Mitglied des Zentrums. Die Gewinn- und Verlustliste der Parteien stellt sich nah den Stichwahlen, wie folgt : Nationalliberale plus 7, minus 5; Fortschrittlihe Volkspartei plus 2, minus 4; Sozialdemokraten plus 1, minus 8; Zentrum plus 4, minus 1; Konservative plus 2; Bund der Landwirte plus 1, minus 1; Wilde plus 1. Die Zweite Kammer seßt sich nunmehr folgender- maßen zusammen: 30 Mitglieder des Zentrums, 5 Konservative, 1 Wilder, 19 Nationalliberale, 13 Sozialdemokraten, 5 Fort- \chrittler, insgesamt 73 Abgeordnete.

Braunschweig.

Die amtlichen „Braunschweigischen Anzeigen“ veröffent- lihen an der Spiße ihrer gestrigen Ausgabe folgenden Erla ß Seiner Hoheit des Herzogs Johann Albrecht zu Mecklenburg, Regenten des Herzogtums Braun- schweig: j

Fm Begriff, von dem so teuren Braunschweiger Land zu scheiden, das der Herzogin, meiner Gemahlin, und mir eine zweite Heimat geworden ist, sagen wir der Bevölkerung des Herzogtums für alle uns erwiesene Liebe und Anhänglichkeit unseren wärmsten Dank. Möge Gottes Segen auch in Zukunft auf dem Lande und seiner Bevölkerung ruhen.

Fohann Albreht, Herzog zu Mecklenburg.

Seine Hoheit der Herzog-RNegent hatte zu gestern mittag in den Thronsaal des Residenzschlosses die Mitglieder der Landesversammlung und die Spiyen der Behörden einge- laden, um sich von den Vertretern des Landes feierlich zu verabschieden. Erschienen waren die Mitglieder des Staais-

ministeriuums, Staatsminister Hartwieg, Minister Wolff und Minister Radkau, Staatsminister a. D. Dr. von Otto, Wirklicher Geheimer Rat a. D. Dr. Trieps sowie die Präsidenten sämtlicher Zweige der Verwaltung. Wie „W. T. B.“ meldet, hielt Seine Hoheit der Herzog-Regent an die Versammelten folgende Ansprache:

Meine Herren Abgeordneten! Bewegten Herzens heiße ih Sie hier zum -leßten Male wilikommen. Es ist mein Wunsch, Zhnen, den berufenen Vertretern des Landes, als Regent des Herzogtums feterlihst Lebewohl zu sagen. Als ich fraft Patents vom 5. Juni 1907 die Regierung übernahm, habe ih bei meinem fürstlichen Wort versichert, die Landesverfassung in allen ihren Bestimmungen beobachten, auf- reGterhalten und beshüßen zu wollen. In Erfüllung dieses Gelöb- nisses habe ih es in vollem Cinklang mit meinen persönlichen Gefühlen als eine meiner vornehmsten Pflichten angesehen, die Beziehungen des Herzogtums zu seinem angestammten Fünstenhause, soweit es mit dem Nechtsbestand der Regentschaft vnd mit der unverbrüchliden Treue aegen das Reich und seine Mitglieder vzreinbar war, zu pflegen, zu fördern und zu vertiefen. Wenn nunmehr durch Gottes gnädige Fükbrung die Hindernisse beseitigt find, die der Vebernahme der Ne- gierung seitens des berechtigten Erben der Krone bisher entgegènstanden, so gereiht diese bedeutungsvolle Wendung der Dinge auch mir zur Genugtuung und zur hohen Freude. Aus innerstem Herzen beglückwünsche ih das Herzogtum zu der Wiedervereinigung mit seinem angestammten Herrsherhause. Meine Herren! Es machen sich in mir aber au) andere Gefühle geltend. Ih fühle mich mit dem Braun|\hweiger Lande und mit dem Braunschweiger Volke eng verwachsen. Herbes Leid, aber auch hohe Fceude habe ih im Verlaufe meiner Negierung €r- fahren. Das s{óne und so wechselreide Land ist mir in allen seinen Teilen lieb und wert geworden. Ich habe die Eigenart der Braun- \{chweiger und eine groke Anzahl Personen aus allen Städten kennen und s{chäâßen gelernt. Staattgeshäste und persönliche Erlebnisse haben zahlreiche und bedeutsame Fäden zwischen mir und den Braunschweiger Nerhältnissen geknüpft. Ich darf wohl in dieser Stunde versichern, daß ih von dem Tage, als ih dieses urdeutshe Land betrat, mich ganz als Braunschweiger fühlend, unablässig bestrebt gewesen bin, die mir auferlegten hohen Pflichten nach besten Kräften zu erfüllen. So wird es denn mir und der Herzogin, meiner Gemahlin, die meine Gefühle nach allen Richtungen teilt, sebr chwer, aus dem uns ans Herz gewachsenen Lande zu scheiden. Peine Herren Abgeordneten ! Sie werden au diese Gefühle zu würdigen wissen. Allein, diefe Gefühle müssen zurücktreten. Möge das Herzogtum Braunschweig unter seinem erlauhten Heirsherhause und mit diesem alle Zeit blühen und gedeihen, möge die braunschweigishe Landebversammlung in guten und bösen Tagen treu zu ihrem Fürstenhause stehen und auf dieser Grundlage die Wohlfahrt des Landes fördern. Empfangen Sie, meine Herren, für das mir erwiesene Vertrauen und für die während meiner Regierung dem Herzogtum geleisteten treuen und erfolgreichen Dienste meinen aus dem Herzen kommenden fürstlißen Dank. Gleich herzlihen Dank sage ich auch in dieser Stunde vor den Nertretern des Landes, den verantwortlihen NRäten der Krone für ihre unermüd- lie und hingebende Mitwirkung bei der Regierung des Landes. Auf eine glüdlihe Zukunft des Herzogtums rufe ih in dieser weihevollen Stunde den Segen Gottes herab und schließe mit der Bitte, daß Sie alle mir und der Herzogin, meiner Gemahlin, ein freundlihes An- denken bewahren.

Darauf erwiderte der Staatsminister Hartwieg u. a. folgendes:

Niemand vermag so wie die Mitglieder des Staatsministeriums zu bezeugen, mit welher hingebenden Fürsorge Gure Hoheit die Geschide des Landes geleitet haben, und ih will in dieser erhebenden Stunde vor den Vertretern tes Landes und der Beamtenschaft feicrlihst bekunden, taß Eure Hokbeit mit einer Pslichttreue für die Wohlfahrt des Landes und seiner Bevölkerung Sorge getragen haben, die ohncgleihen dasteht. Eure Hoheit wollen die ehr- furchtsvollste Versiherung entgegennchmen, daß die Jahre Curer Hoheit Regentschaft bei uns stets in dankbarster Erinnerung bleiben. So sehr wir uns freuen, daß dank Eurer Hoheit tatkräftiger Mit- wirkung das angestammte Herrschzrhaus nun wieder den Thron des Herzogtums besteigt, so tief {chmerzt uns doch der Abschied von Curer Hoheit. Wie Eurer Hoheit, so darf ih an dieser Stelle au Jhrer Hoheit der Frau Herzogin nochmals ehrfurch1svollst und herzlihst danken für alle Güte und landesmütterliche Fürsorge, die Ihre Hoheit allen Werken der Nächitenliebe in weitem Sinne hat zuteil werden lassen, und die Versicherung hinzufügen, daß das Bild der hochverehrten Fürstin in seinem Herz und Gemüt gewinnenden Zauber bet uns nie verblassen wird.

Darauf nahm der Präsident der Landesversammlung, Kreisdireftor Krüger-Wolfenbüttel, das Wort zu einer An- sprache, in der er u. a. betonte, daß das Vertrauen, das die Bevölkerung in die Regierung des Regenten geseßt, nicht ge- täuscht habe. Er {loß mit einem dreifachen Hoch auf das Regentenpaar. Nachdem Seine Hoheit der Herzog-Negent nohmals herzlichst gedankt haite, verließ er unter großem Vor- tritt den Thronsaal.

Am Abend fand im Landschaftsgebäude zu Ehren Jhrer Hoheiten des Herzog-Regenten und der Herzogin ein Festma hl statt, zu dem die Abgeordneten des Landtags und die Spitzen der Behörden erschienen waren. Währendîdes Mahls hielt der Landtagspräsident, Kreisdireltor Krüger-Wolfenbüttel, eine An- sprache, die in ein Hoh auf das hohe Paar ausflang, worauf Seine Hoheit der Herzog-Regent erwiderte. Der Landtag hat dem Herzog-Regenten ein Abschiedsgeschenk, eine Nachbildung des Brunnens auf dem Hagenmarkt mit dem Standbilde Heinrich des Löwen in getriebenem Silber, überreicht.

Mecklenburg-Strelitz.

Wie ‘die „Landeszeitung für beide Mecklenburg“ von zu- ständiger Seite erfährt, hat der Strelißer Staatsminister Bossart nah Beendigung der Verhandlungen über Die mecklenburgishe Verfassungsfrage bei Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog von Meclenburg- Streliß seine Entlassung nachgesucht.

Oesterreich-Ungarn.

Die Verhandlungen wegen Erteilung eines V orf usses an die bulgarishe Regierung sind gestern in einer Be- sprechung zwischen dem in Wien eingetroffenen bulgarischen Finanzminister Dr. Tontshew und dem Vertreter des Banken- fonsortiums abgeschlossen worden und haben zu einer prin- zipiellen Einigung geführt. Wie „W. T. B.“ meldet, will das Bankkonsortium der bulgarischen Regierung einen Vorschuß von 30 Millionen Franks gegen Schaßzwechsel erteilen, die halbjährige Laufzeit haben und mit 6 Prozent jährlich ver- zinslih sein werden. Außerdem hat sih das Konsortium eine entsprechende Provision bedungen. Falls die bulgarische Re- gierung nicht früher einè Anleihe abgeschlossen haben sollte, ift das Konsortium zu einer einmaligen Verlängerung der Schah- wechsel verpflichtet.

Die Regierung hat gestern im österreichischen Abgeord- netenhause den Geseßentwurf über die Erhöhung des Rekrutenk ontingents eingebraht. Wie „W. T. B.“ meldet, beträgt danach die Vermehrung für die beiden Reichs- hälften 1914: 5600, 1915: 11 300, 1916: 17 000, 1917: 17500, 1918 und iw den folgenden fünf Jahren 18 000 Mann für

1 die gemeinsame Armee. Gleichzeitig wird das Rekrutenkontingent

der österreichishen Landwehr stufenweise um 7300, das der ungarischen Landwehr um 6000 Mann erhöht, sodaß das Gesamt- fontingent der gemeinsamen Armee einschließlich der Marine und der beiden Landwehren 1918: 243800 Mann gegen die gegen- wärtige Ziffer von 212500 betragen wird. Die Begründung des Gesetzentwurfs verweist auf die weitreichenden Maßnahmen der Großmächte zur Verstärkung ihrer Streitkräfte und auf die enisprehenden Maßnahmen der Balkanstaaten. Für die Monarchie ergebe sich daraus das durch den Selbsterhaltungs- trteb diktierte Gebot, in der militärishen Ausgestaltung wenigstens auch soweit zu gehen, daß die Qualität und die Kriegsbereitschaft der bewaffneten Macht tunlichst den Verhält- nissen der anderen Staaten entsprechen. . Während andere Staaten besondere Mittel anwenden müßten, um eine Steigerung der Wehrkraft noch durchführen zu können, verfüge die Monarchie auch nah der neuen Wehrreform noch über eine ausreichende Reserve an taugliher Mannschaft.

Das Subkomitee des Budgetaus\schusses zur Beratung der Schiffahrtsangelegenheiten hat gestern seine Beratungen beendet und eine Resolution angenommen, in der es obiger Quelle zufolge heißt:

Das Subkomitee billigt die Absicht des Handelsministeriums, den Sgiffahrtsverkehr Oesterreichs vom nordatlantischen Schiffahrtskartell unabhängig zumachen und Einfluß auf dessen Bereinbarungen zu ge- winnen sowie insbesondere den Auswandererverkehr von der monopo- listishen Ausbeutung durch diefes Kartell zu befreien. :

Die Regierung wird aufgefordert, den ungeseßlichen Formen der Agitation auf dem Gebiete der Auswanderung allenthalben und ohne Rücksicht auf irgendeine Gesellschaft ihr Augenmerk zuzuwenden. Das Subkomitee wird zunächst einen Bericht an den Budgetaus\huß über die Frage der Canadian Pacific erstatten.

Im Laufe der Debatte erklärte der Mintster des Junern Dr. Fretherr von Heinold, daß das eingeleitete Strafverfahren zu den größten Strafsachen gehöre, mit denen sih die Gerichte seit langem befaßt hätten. Deshalb sei auch der Justizminister nicht in der Lage, jeßt {on eine bestimmte Auskunft bezüglih der peinliden Frage zu geben, ob etne Liste über Geldspenden an Abgeordnete vorhanden sci. Bisher sei eine folche Liste nicht gzfunden worden. Wenn das Straf- verfahren einen gewissen Grad der Reife erlangt haben werde, werde der Justizminister so s{hnell als möglih die peinlihen Zweifel in dieser Frage aufklären.

- Da der Beginn des Finanzjahres vom 1. Januar auf den 1. Juli verlegt worden is}, hat der Finanzminister statt eines Staatshaushaltsgeseßentwurfs den Entwurf zu einem Ermächtigungsgefetz vorgelegt, auf Grund dessen der ungarische Staatshaushalt im Rahmen des vorjährigen Voranschlags mit gewissen Abänderungen weitergeführt werden soll. Dieses Jydemnitätsgeseß ermächtigt den Finanzminister, eine RêEntenanleihe von 250 Millionen Kronen zur Deckung der einmaligen außerordentlichen Ausgaben der Armee- reform und zu Juvestitionen aufzunehmen, falls dies jedoch un- möglich sein follte, diese Bedürfnisse durch eine s{webende An- leihe zu decken.

Die gestrige Sißung des ungarischen Ab- geordnetenhauses verlief sehr bewegt, da nah längerer Pause die Opposition vollzählig erschienen war.

Nach dem Bericht des „W. T. B.“ erklärte der erste Redner, der oppositionelle Graf Karolyi, die OppositioneUen hielten sich von den Sißungen fern, weil sie sih niht dazu hergeben wollten, eine bloße Statiitenrolle zu spielen. Es sei offenbar, daß die Oppo- fitionellen, wenn fie eine \härfere Tonart angeschlagen hätten, fogleih von der Parlamentswache hinautgeführt worden wären. Der Ministerpräsident Graf Tisza erwiderte, die Opposition habe keine Ursache, einen Gewaltakt zu befürchten. Er verurtetle parlamentartsche Gewalttätigkeiten aufs {ärfste, und eben deshalb habe er si ent- \{lossen, der häßlichsten aller Gewalttätigkeiten, der Gewalttätigkeit der Minderheit, durch energishe Maßregeln ein Ende seßen. Der Ministerpräsident fand es fonderbar, daß Karolyi jeden, der seine Auffassung nit teile, als ‘verderbz und sittlich verkommen bezeihne. Pêerkwürdig sei es, daß Karolyi fogar die zahlreichen BVertrauenskundgebungen der Komitate für die Regierung als ein Zeichen des Verfalls ansehe. Die Komitate würden gegen etn folhes Urteil fih verwahren und bei den Wahlen die entsprechende Antwort erteilen. Was den Wablfonds betreffe, so set es bekannt, daß die Parteien überall einen Wahlfonds besitzen, und ein Recht Karolyis, über die Wahlkasse den Stab zu brechen, könnte nur dann anerkannt werden, wenn Karolyi auf Ehrenwort versichere, daß feine Wahl nichts gekostet habe. (Zwischenrufe: Es ist ein Unterschied, ob die Wahlkosten aus der eigenen Tasche oder durch Negierungsgelder gedeckt werden.) Der

(T4 Ta?

4 ‘- Ministerpräsident appellierte dringend an bie Opposition, den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit niht in Enthüllungen von Korruptions- affären zu verlegen, sondern an der Beratung der vorliegenden hoh wichtigen Angelegenheiten teilzunehmen. Darauf sprachen die Abgz- ordneten Grafen Andrassy und Vassonyi. Dieser beschäftigte h mit der Sptelbankaffäre und erwähnte dabei, die Konzessionäre der Spielbank hätten die Behauptung, fie seten von der Ne- gierung betrogen worden, niht zurückgezogen. (Zwischen- ruf des Ministerpräsidenten: Lüge! Der Präsident ruft den Minister- präsitenten zur Ordnung.) Bet der Fehtstellung der Tagesordnung entspann {i etne lebhafte Debatte, in deren Verlauf Graf Karolyt, bezugnehmend auf die Aeußerung des Mtnisterpräsidenten, erklärte, er habe die Kosten bei seiner Wahl ganz aus eigener Tasche bestritten. Der Ministerpräsident Graf Tisza erwiderte, ex fei mißverstanden worden, da er gefragt habe, ob bei Karolyîis Mahl nicht auh gemäß der leider eingerissenen Unsitte ungefeßzlihe Wahlkosten aufgewendet worden seien. Auch er, der Viniserpräsident, habe die Wahlfosten in seinem Bezirk aus eigener Tasche gedeckt ; als er jedo mit Berufung auf seine Partcitreue aufgefocdert worden sei, noch in einem zweiten, dem sehr \chwierigen Arader Wakhlbezirke als Kandidat aufzutreten, habe er erklärt, daß er si um die Wahl= kosten nicht kümmern werde, worauf einige Mitglieder der dorttgen Negierungépartet _sih bereit erklärt hätten, den größten Teil der Wahlkosten zu bestreiten. Hierauf wurde die vom Präsidenten vor= g:\hlagene Tage8ordnung angenommen.

Frankreich.

__ Der Ministerrat hat gestern, wie- „W. D. B.“ meldet, die Prüfung der finanziellen Fragen Für das Budget des Jahres 1914, das am Dienstag der Kammer vorgeleg! werden wird, beendet. Der Präsident Poincaré unterzeichnete ein Dekret, durch welches das algerish-tunesishe Küsten- gebiet als Küstenarrondissement mit Bizerta als Hauptstadt organisiert wird. Zu Mitgliedern des Obersten Kriegs- rats wurden der General Ruffey, Kommandeur des XII]. Armee- korps, und der Divisionsgeneral Castelnau, erster Souschef des Allgemeinen Generalstabs der Armee, ernannt. Der General Taverna, Kommandeur des VIII. Armecekorps, wurde zum Kommandeur des XVI., der General Alix, Kommandeur des XVL., zum Kommandeur des XTIL., der Divisionskommandeur Sarrail zum Kommandeur des VIIT. Armeekorps, der Kom- mandeur der Truppen in Westmarokko, General Franchet Desperey, zum Kommandeur des I. Armeekorps und der Divisions- general Belin zum ersten Souschef des Allgemeinen General: stabs der Armee ernannt,

F

Der bulgarische Minister des Aeußern Ghenadiew ist gestern in Paris eingetroffen und von dem bulgarischen Gesandten und einem Vertreter des französischen Ministers des Muswärtigen empfangen worden.

Rußland.

Der Ministerrat hat für den Bedarf der Eisenbahnen die zollfreie Einfuhr von ausländischer Kohle bis zu 15 Millionen Pud genehmigt.

Der Marineminister hat in der Reichsduma, wie „W. T. B.“ meldet, eine Geseßvorlage eingebracht über die Anweisung von 77752549 Rubeln für 1914 zum Bau von Kriegsschiffen und zum Ausbau von Fabriken des Marineressórts. Der Justizminister hat in der Reichsduma eine Gesezvorlage betreffs Feststellung der Strafbarkeit bei Nichterweisung von Hilfe gegenüber notleidenden Schiffen und Menschen zur See eingebracht. Die Vorlage bildet eine Erweiterung des im Zusammenhang mit der „Titanic“'- Katastrophe erfolgten Brüsseler Konferenzbeschlusses, der für den Kapitän eines Schiffes, der Hilfe verweigert, eine zwei- bis sehzehn- monatige Gefängnishaft vorsieht und das Gericht ermächligt, dem Schuldigen für die Dauer von ein bis fünf Jahren den Dienst als Schiffskapitän zu verbieten.

Der Kongreß für Handel und Jndustrie in Minsk hat zur Revision des russisch-deutshen Handels vertrages Stellung genommen und laut Meldung des „W. T. B.“ folgende Wünsche geäußert:

Einführung eines erhöhten Einfuhrzolles auf deutsches Getreide angesihts der Zunahme der Einfuhr von deutschem Getreide aus den Grenzgebieten ;

Einschränkung der Ausfuhr von Kleie und Delkuchen aus Nuß- land zwecks Deckung des Lokalbedarfs ;

Negulterung der gesamten Frage des Viehexports, der dur die hohen deutschen Eisenbahntarife achemmt werde ;

Herabseßung der deutschen Eisenbahntarife für T ransitsendungen en Kartoffelmebl bis zu den Säßen, die für deutshe Kartoffeln be- teyen ;

Herabsetzung der russishen Eisenbahntarife für unbearbeitetes Holz mit dem Hinweis darauf, daß die bestehende Tarifdifferenz zwischen Nohholz und bearbeitetem Holz Deutschland begünstige, welches Nohholz einführe und nah Bearbeitung wieder nach Rußland aussuÿre.

Ftalien.

Die Wahlergebnisse aus sämtlichen Wahlkreisen liegen nunmehr vor. Außer den bereits gemeldeten Ergebnissen ist, wie- „W. T. B.“ meldet, die Wahl noch je eines Ministeriellen, eines ministeriellen Radikalen und eines Sozialisten zu ver- zeichnen. An den Stichwahlen sind beteiligt: 110 Ministerielle, 9) Nadikale, 5 verfassungstreue Oppositionelle, 13 Katholiken, 39 Sozialisten, 6 reformierte Sozialisten und 10 Republifaner.

Spanien.

Gestern mittag hat im Königlichen Palast in Madrid Die Taufe des jüngstgeborenen Jnfanten Ataulfo statt- gefunden.

Jn einem unter dem Vorsiß des Königs abgehaltenen Ministerrate bezeichnete der Ministerpräsident Dato Maura als den unbestreitbaren Chef der fonservativen Partei und be- dauerte die dur die Zusammensezung des Kabinetts in der Partei entstandenen Meinungsverschiedenheiten.

Türkei.

Da die Pforte auf die durch die Athener Delegierten ent- chiedenen Punkte des türkisch-griehischen Frieden s- vertrags noch keine Antwort erteilt hat, ist in den Verhand- lungen ein Stillstand eingetreten. Die vorgestrige Unterredung des griechischen Gesandten Levidis mit dem Großwesir und dem Minister des Junnern hatte, wie „W. T. B.“ meldet, den Zweck, der Pforte den Standpunkt der hellenischen Regierung auseinanderzusetzen, die erflärt, in den noch unentschiedenen Punkten nicht weiter nachgeben zu können, nachdem sie alle möglichen Zugeständnisse gemacht habe. Levidis brachte eine Depesche seiner Regierung zur Kenntnis, in der die ver- schiedenen Phasen der Unterhandlungen dargelegt und über die Verschleppungstaktik der Pforte Beschwerde geführt wird.

Serbien.

Jn der vorgestrigen Sizung der Skupschtina führte der Ministerpräsident Paschitsch in seinem Exposé über die äußere politische Lage laut Meldung des „W. T. B: weiter aus :

Gr müsse den Vorwurf zurückweisen, daß die Negterung den geeigneten Moment zu einer Verständigung mit Bulgarien habe ver- itreichen lassen, nämlih den Moment, wo Serbien um Unterstüßung hei der Erstürmung Adrianopels angegangen worden sei. Ein solches Rerhalten bätte die Regierung in den Verdacht gebracht, sie wolle auf ihren Verbündeten drücken in dem Augenblick, wo der Feind vor den Toren stände. Außerdem hätte Bulgarien vann eben Adrianopel {hon damals preisgegeben, wie es dies sväter getan habe, und Serbien wäre unter ungünstigeren Nerhältnissen in den Streit um Mazedonien eingetreten. Das Exposé rekapituliert sodann die Bemühungen um eine Verständigung auf der St. Petersburger Konferenz der Ministerpräsidenten der vier Balkanstaaten, die infolge der Haltung Bulgariens ergebnislos geblieben sei, und erwähnt den ebenfalls von Bulgarien abgelehnten Borschlag einer beiderseitigen Demobilisierung. Bulgauien habe statt dessen versucht, auf Schleihwegen Rumänien für ih zu ge- winnen, indem es ihm serbishes Territorium angeboten habe; dann Habe es cine Verständigung mit Griechenland allein angestrebt, um dieses von Serbien zu trennen, und s{ließlich der Türkei verschiedene Zusicherungen gemacht, damit sie neutral bleibe. In Serbien felbst fei nun unter dem Banner des Patriotismus ein Kampf gegen die Regierungspolitik entfacht worden und man habe Maßregeln ge- fordert, die niht nur die serbishen Erwerbungen in Alitserbien und Mazedonien in Frage gestellt, sondern geradezu die Existenz des Staates bedroht hätten. Die einfahe Einverleibung der beseßten Sebiete, die man gefordert habe, hätte etnen Konflikt mit den Groß- mächten bedeutet und Bulgarten die Möglichkeit gegeben, sich seiner- seits gegen eine Verletzung des Vertrages zu verteidigen. Außerdem wäre Serbien dadurch in“ eine \{chwterige Lage gegenüber Griechenland gekommen, mit dem es damals noch fein Bündnis gehabt hätte. Es hätte ferner wahrscheinlich gewissen Mächten des Oreibundes Anlaß zu Vergeltung8maßregeln gegeben, was umso gesährlicher gewesen wäre, als in diesem Falle auch die Mächte der Tripleentente thm ihre Sympathie und ihre Unterstüßung versagt hätten. Die Presse des Dreibundes hätte mit noch weit größerem Nachdruck als die der Tripleentente betont, daß man Serbien für seine Treulosigkeit gegenüber dem Balkanbund be- strafen müsse. Noch {hlimmer wären die Konsequenzen gewesen, wenn Serbien Bulgarien den Krieg erklärt hätte. Das Exposs erinnert weiter an den Verlauf des von Bulgarien ver- räterisch heraufbeschworenen Krieges, an das Eingreifen Mu- mäniens, an die Forderung Oesterrei - Ungarns nah einer MNevision des Bukarester Friedensvertrages durch die Groß- mächte und an den Wunsch Nußlands nah etner Revision lediglich

der Kavalla-Frage. Diese Wünsche seien von den anderen Mächten nit unterstüßt worden, und nun sei Serbien doppelt so groß wie vor dem Krîege, die Opfer der Bevölkerung feien reich belohnt und eine glänzende Zukunft Serbiens gesichert. Serbien habe die Pflicht, Rußland, Frankceich und England seine tiefe Dankbarkeit freimütig und öffentli auszudrücken, weil fie mit Gerechtigkeit seine Bestre- bungen gewürdigt und gestüßt hätten. Es sei Deutschland dankbar, das seinerseits fich um die Begrenzung des Krieges- und um die möglichst frühzeittge Wiederherstellung des Friedens zwishen den Balkanstaaten bemüht habe. Serbien bedürfe jeßt einer langen Periode des Friedens. habe es wiederholt seinem Wunsche Aus- druck gegeben, den Großmächten die Bildung des neuen Staates Albanien zu erleichtern, da es als unmittelbarer Nachbar das größte Interesse an dem Frieden an seinen Grenzen habe. Troß des albanishen Angriffs auf Gebiete, die die Botschaster- fonferenz als niht zu Aibanien gehörig bezeihnet habe, sei Serbien daher au bereit gewesen, die Großmächte um die Nege- lung der Grenzfrage zu bitten. Angesichts dieser Erklärung sei Serbien von dem Ultimatum Oesterreih-Ungarns überrascht worden. Fett erwarte es von den Großmächten etne Bürgschaft gegen eventuelle albanesische Einfälle. Serbien könne nur bedauern, daß troß des besten Willens, den es habe, das Vertrauen und freundlihe Be- ziehungen zwishen Serbien und Oesterreih-Ungarn herzustellen, immer wieder irgend ein unerklärliher Zufall die Geneigtheit zu einer für beide Teile vorteilhaften Lösung zun!hte mahe. Troßdem habe es Grund, zu glauben, daß solhe Zufälle sih nicht wiederholen würden, und daß bald all die Spannungen verschwinden würden, die bisher als ein Hindernis für die beiderseitige Neigung zu einer Lösung der Serbien und Oesterreih-Ungarn gleihermaßen interessierenden Fragen sid erwiesen hätten. Zum Shluß erklärte Paschitsd, daß die Grenz- festseßzung mit Griechenland fortshreite und hoffentlich vor Wiederein- tritt der \hlechten Jahreszeit werde beendet werden können ; Bulgarten gegenüber beständen lediglih noGß Schwierigkeiten wegen eines einzigen Ortes, weil die beiderseitigen Karten nicht übereinstimmten. Aber diese Meinungsverschiedenheit werde bald ausgeglichen sein. Die Ab- grenzung gegen Montenogro nähere sih ebenfalls ihrem Ende. Die serbis-albanishe Grenze werde von einer internationalen Kommission festgelegt werden. Die Beziehungen Serbiens zu Rumänien seien sehr intim und freundshaftlih, da sie auf denselben Interessen, den- selben Gefühlen und denselben Bestrebungen beruhten. Das Erposé \chließt mit einem zuversichtlißen Ausblick in eine glänzende Zukunft Serbiens.

Die S kupschtina hat gestern die Geseßvorlage, betreffend die Anleihe von 250000000 Dinar, mit 83 gegen 51 Stimmen angenommen. Mehrere fortischrittlihe Abgeordnte haben mit Rücksicht auf die großen in der Staatsverwaltung eingetretenen Veränderungen einen Antrag auf Nevision der Verfassung gestellt

Bulgarien.

Nachdem die Wiederbeseßung Thraziens beendet ift, hat die Regierung an die Bevölkerung der neuen Gebiete einen in bulgarisher und türkisher Sprache abgefaßten Erlaß gerichtet, der laut Meldung des „W. T. B.“ die Vereinigung dieser Gebiete mit Bulgarien auf Grund des Friedens von Konstantinopel verkündet und erklärt, daß die Regierung, um für immer die traurige Er- innerung an die blutigen Ereignisse auszulöschen, die der Türkei und Bulgarien und deren Untertanen soviel Unglück gebraht hätten, und um Frieden, Liebe und Eintracht wieder herzustellen, es als ihre Pflicht betrachte, eine allgemeine Amnestie für alle diejenigen zu verkünden, die an den Feindseligkeiten teilgenommen oder sich vor Abschluß des Friedensvertrages politisher Vergehen \huldig gemacht hätten. Weiter heißt es, daß Zivil- und Militärbehörden strengsten Befehl erhalten hätten, die Bewohner der wiederbesetzten Gebiete mit dem größten Wohlwollen zu behandeln und ihre Religion und Nationalität zu achten. Die neuen Untertanen würden sich aller Rechte erfreuen, die durch die Verfassung gewährleistet werden. Jhre religiösen Freiheiten und Schulen würden ebenso wie ihre Sitten, ihr Glaube und ihre geweihten Stätten geshüßgt werden.

Amerika.

Das Bankkomitee des amerikanishen Senats hat, einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge, in der Reformvorlage der Geldumlaufsbill wichtige Aenderungen vorgenommen, um der Möglichkeit einer politischen Kontrolle der. Bundesreserve fommission vorzubeugen.

Nach einer von dem genannten Telegraphenbureau ver- breiteten Depesche aus Veracruz befindet sih Felix Diaz als Flüchtling auf dem amerikanischen Schlachtschiff „Louisiana“. Es ist ihm verboten, mit dem Lande in Verbindung zu treten, außer wenn Admiral Fleiher ihm die Erlaubnis dazu gibt. Die Regierung in Washington hat dem Admiral Fletcher den Befehl gegeben, Felix Diaz und seine Begleiter an Bord eines von New York nah Cuba bestimmten Postdampfers bringen zu lassen, nachdem dieser den leßten mexikanischen Hafen ver lassen hat.

Koloniales.

Der Staatssekretär des Neichskolonialamts Dr. Solf ist nach einer Meldung von „W. T. B.“ auf der Rückreise aus Deutsch und Britisch Westafrika gestern in Southampton angekommen und hat sih zwecks Besprehung von Diamanten fragen noch auf einige Tage nah London begeben.

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

__ Die Verhandlungen, welche die Direktion der Te cklenborg- Werft in Geestemünde mit den ihrerseits ausgesperrten Arbeitern gepflogen hat, haben, wie ,„W. T. B.“ meldet, zu dem Ergebnis ge- führt, daß die Arbeit zu den Bedingungen der Werft wieder auf- genommen wird. Tatsächlih haben demzufolge die Nieter gestern die Arbeit wieder aufacnommen. Damit ist der Ausstand beendet und die Lage auf den deutschen Schiffswerften nunmehr geklärt. (Vgl. Nr. 256 d. BL.)

Die Arbeititec in der Fabrik von Nichard Poble und in der Dra b tfabrik „Merkur“ inNiga sind, „W. T. B." zufolge, in den Ausstand getreten. In der russisch-baltischen Waggon- fabrik wird teilweise gestreikt, ebenso unter den Bahnarbeitern.

Aus Wellington (Neuseeland) wird dem „W. T. B.“ tele- graphiert, daß es gestern infolge des Hafenarbeiterausstands (val. Nr. 257 d. Bl) zu Ausschreitungen kam. Bei Zusammen- stößen zwischen Polizei und Ausständigen wurden zwei Polizeibeamte und mehrere Streikende verletzt. Hunderte von Bürgern find als außerordentliche Polizeibeamte vereidigt worden. Die Arbeit auf den Kais und der Schiffsverkehr ruhen noch immer. Die Hafenarbeiter d E sind gestern in einen Gemeinbürgschaftsausstand ein- getreten.

‘Sâäulenhallen aufgefüllt.

Weoßhlfahrtsöpflege.

Seine Majestät der Kaiser und König hat die ihm zum Regies rungsjubiläum dargebrahte Nationalspende zugunsten der hrist- lihen Missionen in den deutshen Kolonien und Schuh=- gebieten, die evangelischerseits den Betrag von dreiundeinbalb Millionen Mark erbracht hat, zu verteilen geruht. Die evanaelishen Missionsgesellshaften erbalten dana, wie die „Corresp. des Evangel. Preßverbandes für Deutschland“ mitteilt, insgesamt einen Betrag von 2 825 000 1; eine Reihe ‘von Einrichtungen, die allen oder mebreren Missionsgesellshaften gemeinsam dienen, ist inegesamt mit 175 000 46 bedacht worden er Nest ist, außer zur Bestreitung der Verwaltung8- fosten und Bildung eines Ausgleihsfonds von geringem Betrage, für ein Unternehmen bestimmt worden, das als dauernde Organisation der deutschen evangelischen Missionsarbeit dienen foll. Die Beträge für die Missionsgesellshaften sind zu 80% nah der Kopf- zahl ihrer Berufsarbeiter, zu 20 9/6 nah der Zahl ihrer Schulen und Schüler in den deutshen Kolonien und Schußgebieten zugeteilt, daneben sind an sie Zuwendungen für ihre ärztlihe Tätigkeit gemacht worden. Diejenigen Gesellschaften, welche die Missionsarbeit in den deutshen Kolonien und Schußzgebieten vorbereitet hatten, find gebührend berücksichtigt worden. Wo der Teilungsbetrag hinter der Höbe der mit besonderer Bestimmung dargereihten Gaben zurüdblieb, ift er entsprehend erhöht. Die besondere Notlage einzelner Mission8= gesellshaften, namentlih der Berliner, ist durch entsprehende Era höhung berüsihtigt worden. Danach werden erhalten, Baseler Missionsgesellshasi 455095 46, Berliner Missione gesellschaft 97 640 M, Barmer Missionsaefellschaft 254 005 4, Bremer Missionsgesellshaft 935 626 M, Missionsaesellshaft der Brüdergemeinde 218269 X, Leipziger Missionsgesellsast 202422 #, Breklumer Missionsa gesellshaft 104 449 Æ, Neukirchener Missionsgesellschaft 30 536 16, Bielefelder Missionsgesellschaft 167 540 46, Allgem. Evang.-Protest. Missionsverein 118126 4, Neuendettelsauer Missionsgesellschaft 149 732 MÆ, Lebenzeller Missionsgesellshäft 66 215 M, Mission der deutschen Baptisten 98 723 M, Mission der deutshen Adventisten 50 000 #, Morgenländischer Frauenverein 3696 4, Goßnersche Missions= gesellshaft 30 000 A, Hermannsburger Missionsanstalt 76 926 Ff, Hilfsbund für christlihes Liebeswerk im Ortent 30000 4, Deutsche Mission im Bisämarckarchipel, Samoa und Marschallinseln 36 000 4. Unter den Einrichtungen, die allen oder mehreren Missionsgesell= haften gemeinsam dienen, werten erhalten: Deutsch-Evangelischer Kirchenaus\chuß (für Gotteshäuser zur abwechselnden Benußung von Europäern und Eingeborenen in den deutshen Schußaebieten) 10000 46, Ausshuß der Deutshen Evangelishen Missionen 5000 4, Missionsstudienkommission 25 000 , Schwesternheim in Hamburg 10000 4, Zentralaus\chuß für Innere Mission (zur Förderung der „inneren Mission an den Eingeborenen in den deutshen Kolonien und Schutgebieten) 5000 4, Suaheli- Zentralseminar in Morogoro 20000 #, Deutsches Institut für ärztlihe Mission in Tübingen 100000 . Mit bes sonderer Dankbarkeit und Genugtuung wird es die deutsche evangelishe Bevölkerung begrüßen, daß ein Unternehmen ins Leben gerufen werdei fol, welches in Fortführung der bei Sammlung der Nationalspende veranlaßten Aufklärung über die Bedeutung der Mission in den deutshea Kolonien und Schußgebieten die allgemeine Teilnahme für die deutsche evangelische Mission erweckten, pflecen und fördern soll. Die Vorbeceitungen zu der Gründung dieses Unter« nehmens find im Gange.

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Kunst und Wissenschaft.

Ausgrabungen im römischen Kaiserpalast in Trier.

Am 14. Oktober d. I. besichtigte Seine Majestät der Kaiser und König eingehend die Ausgrabungen des sogenannten „Kaiser=- palastes“ in Trier unter Führung der beiden Leiter der Grabungen, des Museumsdirektors- Professor Dr. Krüger und des Regierungs- baumeisters Krencker. Bei dieser Gelegenheit wurde, wie der leßt genannte im „Zentralblatt der Bauverwaltung" mitteilt, als fejres (Ergebnis der Autgrabungen bekanntgegeben, daß das Gebäude nicht nur einen thermenähnlihen Grundriß“ hat, sondern als Badeanlage gebaut worden ist. Der jeßt noch aufrecht stehende Teil ist das älte Caldarium. Bis vor 40 Jahren hieß die Nuine „die Bäder“. Als man damals die großen rômishen „Barbarathermen“ in Trier auf- deckte, wurden „die Bäder“ zum „Kaiserpalast“ gestempelt, da man nicht daran glauben konnte, daß das römishe Trier zwei Bäder besaß mit Sälen, die fich nur mit denen der großen Kaiserbäder Noms mefffsen. :

Im Laufe der Jahre hatte fih der Glaube an den Kaiserpalast roß der völligen Aehnlichkeit des Grundrisses mit dem anderer Bäder und der Verschiedenheit von denen bekannter Kaiserpaläste sehr zähe festgeseßt. Es hat zunächst einige Mühe gekostet, um die bisherigen Borurteile zu überwinden. Dies ist nunmehr einmütig geschehen ; vor allem gelang es dur den Nachweis einer Anzahl technisher Einzel- heiten, die mit der Wasserzuführung zusammenhängen. Die Bade - anlage scheint in die leßten Jahre Konstantins des Großen zu fallen, eine Vollendung hat sie nicht gesehen, denn in dem großen Säulen=- hof, dessen Boden etwa 3 m tiefer liegt als die ihn umgebende Säulenhalle, konnte der Nachweis erbraht werden, daß Bauten älterer Zeiten, die während der Bauzeit nur vorläufig und zum Abbruch be= stimmt in der einen Hälfte des Hofes belassen wurden, niht mehr bis zur geplanten Höhenlage des Hofes abgerissen worden find. Die Hofwände verraten Unfertigkeit.

Ein wesentlihes Ergebnis der Ausgrabungen ist die Feststellung eines aroßzügigen Umbaues, der noh tn spätrömische Zeit zu seßen ist. Der größte, westlibe Saal, das alte Frigidarium, fiel ihm ganz zum Opfer, der große Säulenhof wird entsprehend nach Osten ver- arôößert, der als große Piscina oder Palaestra ursprünglih bestimmte Sáâäulenhof des Bades wird bis zur Höhe der ihn umgebenden Unter dieser Hbhenlage vershwinden erst die älteren Hausreste im Hof. Von den großen Prachtsälen der Badeanlage bleibt nux noch das Caldarium stehen, dem, einem neuen Zweck entsprehend, einige Näume noch angegliedert bleiben. Der mittlere Kuppelraum, das einstige Tepidarium, wird Vorhalle und liegt an dem bis dahin erweiterten Säulenhof. Den Zwecken einer Badeonlage diente dieser Umbau nicht mehr; er muß eine gänzlih andere Bestimmung gehabt haben. Es ist die Aufgabe der weiteren Grabungen, die Frage nah der Bestimmung des zweiten Baues zu klären. Die Ansichten gehen noch auseinander, einige wollen einen in die Zeit Valenttnians und Gratians zu sehenden Kaiser- palast darin erblicken. Nach dem Untergang des römischen Trier diente {on in fränkischer Zeit der Bau aller Wahrscheinlichkeit nah als Kirche zum heiligen Kreuz, und in den heute noh stehenden Ueberresten hätten wir es zugleih mit dem ältesten in Deutschland erhaltenen monumentalen Kirchenraum zu tun, dessen drei Konchen troß der Entwicklung der Naumbildung aus Thermensälen (vor allem dem Caldarium der Diccletianbäder in Nom) immerhin einen gewissen Einfluß auf die rheinisch-romanische Kirchenkunst ausgeübt haben mögen. Diese Kirche bestand bis ins 12. Jahrhundert, sie ist später als Ruine in die miittelalterlihe Stadtbefestigung einbezogen worden.

__ Das Karolinische Institut in Stockholm hat beschlossen, den dies- jährigen Nobelpreis für Medizin dem Professor der Physiologie an der Universität Paris Charles Richet zu erteilen.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs- maßregeln. Rußland.

___ St. Petersburg, s1. Oktober. m Kischinew in Bessarabien find seit Ausbruch der Cholera«

(W. T. B.) Im Kréiss

epidemie 39 Personen erkrankt, davon 15 gestorben.