1894 / 28 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 01 Feb 1894 18:00:01 GMT) scan diff

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Meine Herren, wie stellt fich nun der Herr Abg. Richter zu dieser Sachlage im Frühjahr des Jahres in der Militärkommission ? Da sagte er ih habe das schon einmal verlesen, lege aber Werth darauf, das noh einmal hier festzustellen :

Die Hoffnung des Reichs-Schayamts sei auf die Steigerung der Zolleinnahmen um 70 Millionen basiert, die Reichs- Finanzverwaltung finde also für die zugestandenen Mehrausgaben der nächsten fünf Jahre in den eigenen Einnahmequellen des Reichs keinerlei Deckungsmittel.

Daher eben die Steuervorshläge, meine Herren. Er sagt weiter :

Die Mehrausgaben seien in der Berechnung viel zu knapp berehnet. Selbst wenn ih zugeben wollte, daß die Mehrerträge aus den Zöllen künftig dem Reih verbleiben follen, so würden diese 70 Millionen für die natürlihen Mehrbedürfnisse des Reichs in keiner Weise ausreichen, da {hon jeßt 38 Millionen auf jene 70 Millionen fest angewiesen seien nah der Anrechnung des Reichs- Schaßamts. Mit einer Steigerung von dur@tschnittlih fünf Millionen Mark jährlich sei dem Reich für die naturgemäße Steigerung der Ausgaben nicht gedient.

Selbst der Herr Abg. Richter nimmt also an, daß wir mit 9 Millionen steigender Ausgaben nicht auskommen tönnen, während wir nah der jeßigen Einnahme- und Ausgabe- bilanz gar keine Aussicht haben, Mittel für steigende Ausgaben ver- fügbar zu bekommen. Der Herr Abg. Richter sagt dann ferner :

Nachdem man in den leßten fünf Jahren 1300 Millionen Mark Schulden gemacht, der Marine-Etat in zehn Jahren um 116 Millionen Mark angewathsen, zeige das Jahr 1894/95 nur den siheren Anfang einer fortgeseßten Periode finanzieller Verlegenheiten, auch abgesehen von der Militärvorlage. Der Trost, daß die bisherigen „Jugendjahre“ des Reichs die starken Mehrausgaben veranlaßt haben, verfange nicht ; auch das reife Alter erheifhe große Aufgaben.

Also, meine Herren, wenn hier dem preußishen Herrn Finanz- Minister und den verbündeten Regierungen der Vorwurf gemacht ist, sie hätten in der Militärkommission alles rosig dargestellt und jeßt trieben sie systematishe Shwarzmalerei, so behaupte ih umgekehrt, der Herr Abg. Richter hat damals in der Militärkommission die Sache ungünstiger angesehen, jezt aber malt er rofa in rosa. (Zuruf links.)

Nun, meine Herren, ih weiß ja, daß gegen gewisse Be- hauptungen zu kämpfen, ebenso nuglos ist, wie mit Muscheln gegen den Leuchtthurm zu werfen. Aber ih habe es doch für meine Pflicht gehalten, bier gegen eine vollkommen tendenziöse Darstellung der Finanzlage des Reichs mit Thatsachen und aktenmäßigen Belegen zu dienen. (Bravo! rechts.) Meine Herren, es ist in der gestrigen De- batte weiter gesagt worden: wir müßten die Bundesstaaten an der Gestaltung der Reichsfinanzen interessiert halten, wir sollten ihnen niht einen Automaten geben, den man aufzieht und der nah fünf Jahren abschnurrt, sodaß die Bundesstaaten gar kein Interesse mehr an der Gestaltung der Reichsfinanzen hätten; was hier ver- langt sei, sei zentralistisch, niht föderalistisch. Also daß wir den Einzelstaaten eine pauscalisierte Entshädigung von 40 Millionen sihern wollen, das ift zentralistisch ; die Einzelstaaten aber vor der zer- rüttenden Wirkung der s{hwankenden Ueberweisung zu hüten, fie fortgeseßt in der Lage zu belassen, daß sie bei Aufstellung ihrer Etats niht beurtheilen fönnen, ob die Grundlage, auf der sie den Etat bauen, wirkli den Etat tragen wird, das is föderalistisch. Meine Herren, es if uns ferner gesagt worden: wir wollten jeßt 100 Millionen ; die vorige Reichsverwaltung, der frühere Herr Reichs- Schaßsekretär, habe aber selb nur 58 Millionen gefordert. Ja, bei Gelegenheit der Militärvorlage wurden allerdings nur 58 Millionen neuc Steuern gefordert, aber ohne Ueberweisungen; %er Herr Abg. Richter hat aber noch gestern gerade getadelt, daß wir jeßt Steuern machen wollten, daß aber den Einzelstaaten nichts zuflösse; wenn der Fürst Bismarck eine Steuerreform gemacht hätte, so hätte er auch den Einzelstaaten Steuerentlastung zu gute kommen laffen.

Damals gab der Vertreter des Reihs-Schaßamts die Erklä- rung ab:

Danach würden einerseits die Bundesstaaten in den Ueberweisungen aus Neichsfteuern volle Deckung für die Matrikularbeiträge finden müssen; andererseits würde das Reich, soweit solhes für seine Bedürfnisse unerläßlich, die Matrikularumlagen bis zu dieser Grenze steigern können. .

Alsodamals war einevöllige AufsaugungderMatrikular- beiträge in Aussiht genommen. Einer solchen Eventualität stand aber zu jener Zeit, noch im Frühjahr des vorigen Jahres, der Herr Abg. Richter sehr unsympathisch gegenüber. Er erklärte:

Der entwickelte Plan fei völlig reihsfiskalisch gedacht, ganz unbekümmert um die Lage der Einzelstaaten ; derselbe stehe im Widerspruch mit den Absichten der Franckenstein’s{en Klausel.

Also, meine Herren, was damals „reichsfisfalisch“ war, soll jeßt angeblih „föderalisti\ch* sein; jeßt soll es ganz gerechtfertigt sein, daß die Einzelstaaten von der clausula Franckenstein nichts übrig behalten als die angenehme Erinnerung an die ehemaligen Ueber- shüsse! Die verbündeten Regierungen sind eben bei der Vorlage von der Ansicht ausgegangen, daß wir nit, wie der Herr Abg. Richter sagt, einen Strich dur die clausula Frandenstein machen wollen,

daß wir vielmehr die moralishe Verpflichtung baben, gegenüber den Vorausseßungen der UVeberweisungsgeseßgebung, seit dem Jahr 1879, den Einzelstaaten wenigsters einen bescheidenen Betrag aus diesen Ueberweisungen zu erhalten.

Es ist dann ferner von der Schuldentilgung gesprohen und dieselbe eigentlich als eine Spielerei dargestellt worden, solange man fortgeseßt neue Schulden mache, als ein alter Finanzzopf. Nun, ih bemerke zunähst, daß der Redner des Zentrums, der Herr Abg. Lieber, auf einem andern Standpunkt steht; derselbe erklärte ausdrück- lich, daß die

nothwendige Voraussetzung für die Bewilligung einer Neichs- Finanzreform durch das Zentrum bei der gegenwärtigen Entwicke- lung des Reichs-Schuldenwesens auch eine regelmäßige Schulden- tilgung ist.

Meine Herren, au diese Behauptung, daß eigentli bei fort- geseßter Kontrahierung neuer Schulden die regelmäßige Schulden» tilgung keinen inneren Zweck habe, is durhaus falsch. Die regel- mäßige Schuldentilgung hat eben den Zweck, daß die lebende Generation fortgeseßt eine erhöhte Last zum Besten der kommenden Geschlechter tragen muß. Es ist rihtig, daß man denselben Erfolg

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wie mit der Schuldentilgung dadurch erreichen könnte, daß man immer mehr Beträge aus dem Extraordinarium, aus dem Schulden- titel, ins Ordinarium hinübernähme. Aber das geschieht ja nicht; die Finanzgeschichte des Reichs seit 20 Jahren giebt den Beweis dafür ; und es geschieht {on um deshalb niht, weil man keine positive ge- seßlihe Bestimmung hat und auch nit erlassen kann, was in das Ordinarium und. was in das Extraordinarium zu seßen ist.

Ist also einmal Ebbe in der Reichskafse, jo wird durch die Verschiebung von Extraordinarium und Ordinarium eine derartige versteckte] Schuldentilgung immer wieder illusorisch gemacht werden.

Wenn der Herr Abgeordnete sagt, die obligatorishe Schulden- tilgung, das wäre nur so eine Töpfchenwirthschaft des absoluten Staats gewesen, verzeihen Sie mir, so bin ich mir do zweifelhaft, ob die wechselnden Majoritäten der Parlamente besonders für eine geordnete Finanzwirthschaft höhere Garantien bieten als beispielsweise der abfolutistishe preußishe Staat, der bekanntlih eine ganz aus- gezeihnete Finanzwirthshaft geführt hat, die uns heute im parla- mentarischen Staat noch ein Vorbild fein könnte. (Hört, hört! links.)

Es ift weiter gesagt worden, eine Störung des Etats der Einzel- staaten durch nahträglihe Bewilligungen sei niemals eingetreten, es ständen nachträgliche Erhöhungen der Matrikularbeiträge und nah- träglihe Ueberweisungen in einem festen Zusammenhang. Das ift unzweifelhaft richtig; aber, meine Herren , der Nachtheil der jeßigen Finanzverhältnisse zwishen Reih und Einzelstaaten liegt eben für die Einzelstaaten darin, daß sie bei Aufstellung des Etats nie wissen, was sie an Ueberweisungen bekommen werden, ob die Grundlage, auf der sie ihren Etat bauen, wirkli diesen tragen fann.

Der Herr Abg. Richter hat dann weiter gesagt, ih hätte noh keine praktishen Erfahrungen in Bezug auf die Budgetbehandlung, denn sonst bätte ih unmögli sagen können, der Shwerpunkt des Budgetrechts einer parlamentarischen Versammlung liege in der Ausgabebewilligung. Wel sonderbare Vor- stellung aus der Studierstube! rief der Herr Abg. Riter. Nun, ich wünschte dem Herrn Abg. Richter, daß er statt seiner 22 jährigen parlamentarischen Mensurpraxis so viel ins Freie gekommen wäre wie ih, dann würde er bei dem hohen Maß seiner kritishen Be- gabung manche Verhältnisse praktisher beurtheilen und vor allen Dingen die Verhältnisse auf dem platten Lande. (Sehr richtig! rets.) Ich habe, als ih von dem Budgetrecht des Parlaments sprach, den Unterschied, den Herr Abg. Richter vollkommen zutreffend gemacht hat zwishen dringenden, nothwendigen und nüßlichen Ausgaben, ganz genau gekannt und auch sehr wohl gewußt, wie eine derartige Staffelung der Ausgaben selbstverständlih wirken muß auf die Be- messung der Einnahmen. Aber ih kann zu meinen Gunsten einen Zeugen anführen, dem man gerade von jener Seite immer den Vor- wurf gemacht hat, daß er zu wenig Studierstube habe. Fürst Bismarck sagte nämlich am 10. März 1877: :

Die parlamentarishe Macht bleibt einer ver- fassung8mäßigen Regierung gegenüber durch das Ausgabebewilligungsreht gesichert.

Wenn die Sache indeß zweifelhaft ist, meine Herren, so folge ih Heute immer noch lieber den Irrthümern des Fürsten Bismarck als den JIrrthümern des Herrn Abg. Richter. (Sehr gut! rets.)

Ferner sind wir verwiesen worden auf eine Stärkung der Finanzverwaltung dadur, daß wir den Bundesrath in erhöhtem Maße betheiligen follten an der Beschlußfassung über den Reichs- haushalts-Etat. Meine Herren, ih halte diese Forderung für eine durchaus berechtigte, und ich habe erst fürzliß namens des Herrn Reichskanzlers im Bundesrath eine Erklärung abgegeben, daß die Reichs - Finanzverwaltung allen Eifer anwenden werde, um den Reichshaushalts - Etat so zeitig aufzustellen, daß der Bundes- rath in der Lage is}, eingehend und sahlich denselben zu prüfen. Ich halte es für den \{hwersten politishen Fehler, einer politishen Körpershaft Rechte zu geben, die fie nur formell handhaben fann, aber nit sahlich; denn dann trägt sie nah außen zwar die formelle Verantwortlichkeit, fühlt aber selbst nit die fahliche Verantwortlichkeit, und das ist ein außerordentlih ge- fährlicher politischer Zustand. Aber, meine Herren, ziehen Sie anderer- seits die thatsählihen Verhältnisse in Erwägung! Bis Mai, Juni herein tagt der Reichstag, dann kommt die Periode, wo si auch das Beamtenpersonal einmal erholen will, denn sie sind, fo zu sagen, auch Menschen. Dann kommen erst die Anmeldungen der For- derungen der einzelnen Ressorts, ein endloser Kampf mit den s\teigen- den Ressortforderungen ; dann folgen die Konferenzen, wo verbliebene Differenzen zu begleichen sind, und s{ließlich hat über die Fälle, wo eine Einigung nit erzielt ift, der Herr Reichskanzler zu entscheiden. Mitte November pflegt der Reichstag schon wieder zusammenzu- treten. Nun sagen Sie si selbs, meine Herren, wie viel Zeit kann selbst bei sachgemäßer und frleißiger Behandlung der Etats herausgeschlagen werden, um dem Bundesrath, dessen Mit- glieder zum theil wieder ihre Instruktionen von ihren Regierungen einholen müssen, eine absolut gründlihe, sachlihe Prüfung des Etats zu ermöglihen? Der Schwerpunkt bei der Etatsprüfung wird immer liegen : erstens in der Institution einer starken Reichs- Finanzverwaltung, und die soll durch das Neichs-Finanzreformgesetz gegeben werden, und dann darin, daß der Vertreter der Neichs- Finanzverwaltung au den anderen Ressorts gegenüber die nöthige innere Selbständigkeit besigt.

Und wenn der Herr Abg. Rickert gesagt hat, er vermöge nicht zu verstehen, was darin für eine Stärkung der Reichs-Finanzverwaltung liegen könnte, daß in Zukunft die fehlenden Beträge durch Zuschläge beshafft werden sollten, statt durch einfache Erhöhung der Matrikular- beiträge, so ist mir, muß ih sagen, diese Auffassung des Herrn Abg. Rickert nicht erklärlih. Es ift do in der That eine ganz andere Sache, ob man einfa einen Einnahmetitel, der {hon im Etat steht, erhöht, oder ob man gegenüber den wachsenden Ansprüchen der Ressorts zu dem Entschluß kommen muß, ein Spgzialgesetz vorzulegen, wona Zuschläge zu den bestehenden Verbrauhsabgaben erhoben werden sollen ; das ist der {werere Schritt der Entschließung.

Meine Herren, was die künftige Behandlung dieser Vorlage be- trifft, so nehme ich nicht an, daß der Neichstag eine Vorlage, die von dem Bundesrath einstimmig beschlossen is, von dem Bundesrath, der dem Reichstag doch ebenbürtig gegenübersteht, an der Schwelle abweisen wird. Jch nehme an, Sie werden beschließen, die Vorlage der Kommission zu überweisen. Herr Abg. Richter hat, wie die Erklärung des Herrn Abg. Lieber abgegeben war, sofort gerufen: sie ist todt. Nun, meine Herren, wenn Sie die

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Vorlage auch todtmachen in der Kommission, ih versichere Ihnen, Sie begraben einen Scheintodten; sie wird wiederkommen in diese Versammlung. J

Meine Herren, es is weiter gesagt worden im Abgeordnetenhause : die Vertreter der verbündeten Regierungen schienen gegenüber dem Empfang, den ihre Vorlagen im Reichstag gefunden haben, sich in einer sehr gedrückten Stimmung zu befinden. Mit nihten, meine Herren! Wenn diese Vorlage auch ganz oder theilweise abgelehnt werden follte, wir blicken mit Vertrauen in die Zukunft, weil wir das Bewußtsein haben, daß wir eine gerechte und verständige Sache wollen, die \{chließlich durch ihr eigenes Shwergewicht siegen wird. (Beifall rets.)

Abg. Dr. Sch aedler (Zentr.): Der Reichs-Schaßfekretär hat den Bayern Schrecken einflößen wollen, indem er die erst _im vorigen Jahre gescheiterte Biersteuer wieder heraufbes{wor. Quieta non movere, fagte Fürst Bismarck. Nimmt diese Steuer wirklich Gestalt an, so fönnte der Reichstag eine Wiederholung des Vor- ganges des württembergischen Minister - Präsidenten erleben, nur daß dann ein . bayerisher Minister die Interessen des Einzelstaats zu wahren hätte. Wir bayerishen Zentrumsmitglieder stehen voll und ganz auf dem Boden der Erklärung des Abg. Dr. Lieber; der Gegenfaß zwischen den Abgg. Dr. Lieber und Dr. Bachem is nur für die verbündeten Regierungen, nicht für uns vorhanden. Wir halten fest an der clausula Aae in ihrer ftaatsrechtlihen, ihrer politishen Bedeutung. Wenn ich mich für verpflichtet halte, mitzuarbeiten an der Deckung der Kosten für die Militärvorlage, so geschieht das unter dem Gesichtspunkte, daß nichts mehr bewilligt wird, als was zu diesem Zweck nöthig erscheint, und damit fällt für mich au die Reformvorlage. Auch der Titel derselben kann mich niht loten; um \o weniger, als erst neue Steuern die Mittel dazu beschaffen sollen. Heute spriht der Schaßsekretär bon einer „unglüdlihen“ Tabelle, die so oft wieder hervorgezogen werde; in Bayern meinte der Minister auch, es fei mehr eine Privatarbeit, gestüßt auf zu optimistische Auffassungen. Heute maht der Schaßsekretär eine ganz andere Rechnung auf, da steht also do innerhalb noch nit eines ganzen Jahres Regierung gegen Regierung. Und \{ließliß weiß man wirklih niht mehr ret, was man glauben soll. Es erhellt R daß je nah dem Zwecke die Zahlengruppierung und die Berech- nungen verschieden ausfallen. So leiht und so oft sollten fo große Unterschiede niht vorkommen. Dieser Umstand ad uns gerade desto vorsichtiger machen; denn wer weiß, welhe Ne nung in nächster Zukunft uns aufgemaht wird! Tief bedauern muß ih, daß die ver- bündeten Regierungen, auch die bayerische, so in die Militärvorlage hineingegangen sind, ohne die Deckungsfrage gründlich “erwogen zu haben. Um so mehr haben wir auf der Hut und wachsam zu sein! So angenehm der Schuß gegen die finanziellen Schwankungen wäre, ebenso wenig wollen wir die Regierung auf die Dauer von fünf Jahren in die Versuhung führen. Der preußische Finanz - Minister Dr. Miquel hät am Dienstag ausgesprochen, man sei jeßt mit der Heeresvermehrung in der Hauptsache am Ende. Ob man auch mit der Marinevermehrung am Ende ift, hat der preußische Finanz-Minister Dr. Miquel nicht gesagt. Heute äußerte sih der Scha sekretär bezüglich des Heeres nicht ganz entsprechend der Erklärung des inanz-Ministers von A: unsere Rüstungen seien die Konsequenz der Nüstungen der Nachbarstaaten. Andererseits sind doch unfere Rüstungen auch die Ursache der Verstärkung der Rüstungen der anderen; wo soll denn das chließlich hinaus? Man will geordnete Finanzverhältnisse. Wer aber hat den Wirrwar geschaffen? Das haben die verbündeten Re- gierungen mit ihren Forderungen an das Reich gethan. Der preußische Pee inister Dr. Miquel hat gestern den Beschluß der Budget- ommission, die Einnahmen aus dem Post-Etat zu erhöhen, einer abfälligen Kritik unterzogen. Der Beschluß ist aber kein willkürlicher ewesen, er beruht vielmehr auf den Auskünften felbst, die dec Staats- sekretär Dr. von Stephan und seine Räthe gegeben haben. Ueber die Grage, ob die indireften Steuern die Aermeren oder die Reicheren mehr drüdcken, werde ih nicht sprechen, nachdem am Dienstag schon einem anderen Redner zugerufen worden ist: „Studieren Sie Nationalökonomie!“ Der bayerishe Etat ist niht fo ungünstig, wie der preußishe Finanz-Minister Dr. Miquel ihn darstellt; die Finanzlage ist befriedigend und die Inanspruchnahme neuer direkter Steuern zur Bilanzierung nicht erforderlich. Hier sind die Kosten für die Heeresvermehrung zwar nicht einbegriffen, aber der Finanz-Minister hat ausdrücklich erklärt, daß die Quote für das erste halbe Jahr aus den Mehreinnahmen des laufenden Jahres werde be- schafft werden können, eine Steuererhöhung werde erst später eîn- treten müssen. Eine Erhöhung der Matrikularbeiträge würde mi niht s{hrecken ; die Verantwortung dafür fällt auf die Negierung, welche gegen den ausgesprochenen Willen des weitaus größten Theils des Baverifben Volkes für die Militärvorlage eingetreten ist. Hoffent- li werden die Einzelregierungen dadur fünftig vorsichtiger werden und nicht mehr so schnell für neue Belastungen eintreten. Für eine Reform der direkten Steuern sind wir in Bayern bereits mit einem besonderen Antrage eingetreten. Der preußische Finanz-Minister Dr. Miquel meint, die Steuern seien nit im Verhältniß zu den Ausgaben gewachsen; ih ziehe daraus den Schluß, daß die Ausgaben ciugeräutt werden, daß man sich nah der Dee \trecken müsse, nicht aber, daß man nun eine Steuererhöhung eintreten lassen müße. Wir müssen kommen zu entschiedener Sparsamkeit und zu ganz ent- n Abstrichen besonders auf dem Gebiet des Militärs und der

tarine!

Abg. Dr. Böttcher (nl.): Gewiß sind wir alle bereit, mit- zuwirken bei den Bemühungen, dem Prinzip der Sparsamkeit zu feinem Rechte zu verhelfen ; aber damit werden doch die erforderlichen Mittel niht gewonnen. Jch habe für mi und meine Freunde zu erklären, daß au wir heute auf dem Boden der Franckenstein’schen Klausel stehen; aber darum treten wir für die Vorlage ein, denn sie soll erst die Frandckenstein’she Klausel für die Zukunft erhalten. Verlassen aber wird das System der Franckenstein Then Klaufel von ihren Urhebern, am feierlihsten von dem Abg. Dr. Bachem. Ein bestimmtes Maß indirekter Steuern aufzustellen, „über welches hinaus unter keinen Umständen gegangen werden dürfe, i bei uns eine reine Unmöglichkeit. Ich bin deshalb kein unbedingter Freund der indirekten Steuern, möchte im Gegentheil die Salzsteuer gern beseitigen ; aber jeder direkten Steuer mit ihrem Zwang ziehe ih eine indirekte Steuer auf einen Verbrauhsgegenstand vor, der nicht zu den nothwendigen

Nahrungsmitteln gehört: Wenn man absichtlich das Steuersystem .

so konstruieren will, daß die besizenden Klassen vorzugsweise davon betroffen werden, so wird das weder die Zufriedenheit mit den Staats- einrihtungen, noch die Freude an ihnen bei der Gesammtheit der deutshen Bevölkerung vermehren. Aue eine beweglihe Steuer im Reich würde ih an der Seite des Abg. Richter eintreten, wenn wir damit das Budgetreht des Reichstags festlegen können. Die Bedeutung der Matrikularbeiträge für das Einnahmebewilligungsreht des Reichs- tags ist bei weitem übershäßt worden ; ihre Bedeutung in dieser Beziehung war eine rein formelle. Wir hoffen, daß in der Kom- mission über die Vorlage eine Verständigung gewonnen werden wird.

Abg. Freiherr von Stumm (Rp.) tritt den Abgg. Richter und Dr. Bachem entgegen. Die indirekten Steuern seien in der That in ihrer Ausbildung neben und hinter den gesteigerten Ausgaben des Reichs zurückgeblieben. Eine ungleihmäßige Belastung oder gar eine Ueberlastung der unteren Klasse in Preußen mit indirekten Steuern werde zwar behauptet, eine genaue Prüfung des Aufkommens an direkten Steuern von den Begüterten bewei t aber das Gegentheil. Die Tabacksteuer is in ganz eminentem Sinne des Wortes eine Lurusfteuer, und also das Ideal einer Steuer. Die Abgg. Richter und Rickert wollen die Kosten der Militärvorlage auf die höheren Einkommen legen, das Zentrum lehnt aber doch die Reichs. Einkommen- steuer ab. Bleibt der Reichstag hartnäig, so werden die Einzel- landtage und die Bevölkerung der Einzelstaaten in eine dem NReichs- gedanken nit zuträglihe Mißstimmung erathen. Jede Schwächung des Föderativgedankens is auch na meiner Meinung eine Schwächung des Reichsgedankens; aber an diesem Resultat werden

diesmal die Herren vom Zentrum selber \chuld sein. Daß die Sozial- demofraten gegen die Vorlage stimmen werden, begreife ih aus dem- selben Grunde vollkommen. Das Zante arbeitet also durch diefe Haltung den Sozialdemokraten in die Hände.

Abg. Fu ch s (Zentr.): Die Untersuchungen über den Werth der direkten und indirekten Steuern und über ihr Verhältniß zu einander haben wirkflich nur akademische Bedeutung; immer ist es derselbe Steuersäckel, der Geldbeutel des Steuerzahlers, aus dem die Steuererträge fließen. Man foll doch die Dinge. -wie sie liegen, ins Auge fassen. Ist der Reichstag geneigt, neue Steuern zu bewilligen? Wir werden höchstens erreihen, daß „in der Hauptsache die Mehrkosten für die Heeresverstärkun bewilligt werden. Die Möglichkeit, spätere Mehrbedürfnisse des Neichs auf dem Wege der Einführung direkter Reichs\teuern zu decken, wird durch die Vor- lage für immer ausgeschlossen. Um die Finanzreform durchzuführen, müssen wir doch erft den Bären erlegt haben, dessen De hier ver- theilt werden soll. Da empfiehlt man nun immer noch die Taback- steuervorlage; der eine Pfennig Vertheuerung der 5:-Pfennig- Zigarre soll feine fühlbare Belastung darstellen. Aber niht nur die Taback- und Zigarrenarbeiter werden infolge des Konsum- rückganges zu Tausenden entlassen werden, sondern die ganze Schaar der Kleinhändler und Kleinfabrikanten wird durch diese Fabrikat- steuer der Existenz beraubt und durch die Großfabrikanten ersetzt werden. Von der Weinsteuer wird nichts Erheblihes übrig bleiben. Die Schwierigkeiten der Finanzlage des Reichs sind niht geschwunden, sondern haben sih lawinenartig gehäuft; ich freue mich deß, denn ih betrahte diese Schwierigkeiten als ein Mittel gegen künftige Mehrforderungen für Militär und Marine. Wenn man außerdem mit fester Hand an die Streichungen im Etat geht, so wird Besserung eintreten. : ; /

Damit schließt die Diskussion. Die Vorlage wird an die Steuerkommission überwiesen. |

Die Vorlage über die Abänderung des 8 41 der Konkursordnung, betreffend das Vorrecht des Ver- iniethers, deren erste Berathung bereits stattgefunden hat, wird heute mit den inzwischen dazu eingegangenen Anträgen Rintelen, Buhka und Schwarze der Kommission für den Zentrumsantrag auf Abänderung der Konkursordnung über- wiesen.

Schluß 5 Uhr.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

8. Sißung vom 31. Januar 1894. In der fortgesezten zweiten Berathung des Staats- aushalts- Etats für 1894/95 und zwar des Etats des Finanz-Ministeriums, einmalige Ausgaben (f. den An- fangsberiht in der Mittwoch-Nummer d. B ) nimmt bei der Debatte über die Kosten für den Umbau der Königlichen Theatergebäude in Berlin, Hannover - und Cassel nah dem Abg. von Eynern (nl.) das Wort zu folgender, bereits im Auszug mitgetheilten Rede

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren ! Man muß in Beziehung auf das Theater zu Hannover unterscheiden das Rechtsverhältniß wenn ein solches be- steht zwischen dem Staat und dem Kronfideikommißfonds und das Rechtsverhältniß beider zu irgend einer anderen Korporation, die ih zur Zeit niht kenne. Wir sind darüber gar nicht im Zweifel ge- wesen, und darüber ist au mit dem Haus-Ministerium nicht ver- handelt, daß der Kronfideikommißfonds nicht verpflichtet ist, das Ge- bäude in Dah und Fah wenn ih so sagen darf zu unter- halten, also folche Ausgaben zu leisten, welche nicht unmittelbar in dem Betriebe des Theaters liegen. Wir sind darüber nit in Zweifel gewesen, daß das Eigenthum an diesem Gebäude, wie es dem hannover- schen Staat früher gehörte, so jeßt dem preußishen Staat zugefallen ist; wir haben aus der Thatsache, daß der Staat anerkennen muß, Eigenthümer dieses Theatergebäudes zu sein, die Veranlassung ge- nommen, das Gebäude den polizeilichen Anforderungen entsprechend in stand zu seßen. Damit übernimmt der Staat aber, wie ih ausdrüdck- lih betone, für die Zukunft keinerlei Verpflichtung, das Gebäude überhaupt oder zu dem bestimmten Zweck zu unterhalten. Wir lehnen in dieser Beziehung für die Zukunft ab, daß man aus dieser ein- maligen Leistung des Staats irgend welche Verpflichtungen des Staats herleiten fönnte.

Was nun die Krone betrifft, so kann auch diesseits eine Ver- pflihtung der Krone, das Theater dort fortzuführen, weder als eine rechtliche noch als eine moralishe anerkannt werden, und ih babe diese Erklärung abgeben wollen, damit aus dieser einmaligen Bewilligung, die ja naturgemäß ist, eine Aenderung der bestehenden Verhältnisse nit hergeleitet wird. Solange das Theater überhaupt sih im Be- triebe befindet, solange die Stadt Hannover zu dem Theater in kein Verhältniß gebracht ift, solange diese ganze Sache niht dauernd ge- regelt ist, haben wir aus den zur Zeit bestehenden Gesammtverhält- nissen es für richtig gehalten, diese einmalige Ausgabe hier dem Landtag vorzulegen, und ich bin erfreut, daß der Landtag geneigt zu sein scheint, dem Antrag der Staatsregierung zuzustimmen. Der Landtag selbst wird aber, glaube ich, wie die Staatsregierung aus dieser einmaligen Leistung und Bewilligung irgend welche- Aenderung in den bestehenden Rechtsverhältnissen nicht herleiten wollen.

Den Ausführungen der Abgg. Stengel (fr. kons.) und Dr. Sattler (nl.) gegenüber erklärt der

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Jh habe diese Behauptungen aufgestellt, weil, wenn die Staatsregierung au nur eine moralische Verpflichtung der Krone anerkennte, das Theater fortzuführen, damit von felbst auch zurückgeshlossen werden könnte auf Verpflichtungen des Staats. Ich brauche das nicht weiter auseinanderzuseßen, das liegt ja flar auf der Hand.

Die Frage selbs will ich hier garniht erörtern. Jch will nur betonen, daß durch diese Bewilligung weder für den Staat noch für die Krone ein Präjudiz geschaffen werden soll.

Nach e des Etats des Finanz-Ministeriums folgt der Etat der estüts - Verwaltung, und zwar zunächst die Einnahmen.

Abg. Freiherr von Dobeneck (kons.) bittet, seinen hon früher ausgesprohenen Wünschen im Interesse der Landwirthschaft Folge zu geben, nämli na einer strengeren Durchführun der Körordnung durch

ermehrung der Landbeschäler. Das hat wohl, fährt Redner fort, bisher niht geschehen können, obglei die Mittel zum Ankauf von Hengsten vorhanden sind. Dadurch sind Schäden entstanden für die Pferde- zut, namentlich in der Fo Brandenburg, durch den- Mangel an O ür die Remonteankäufe findet man deshalb gering- werthigeres Material. Die Provinz Brandenburg bedarf dringend mindestens dreißig neuer Hengste. És muß eine Zuchtstätte dafür gela en werden, denn n können diese Hengste nit werden.

edner bittet, das Gestüt in Neustadt wiederherzustellen. Die Regierung habe früher einmal entgegenkommende Erklärungen

abgegeben, aber im Etat sei feine Ausgabe dafür aus- geworfen. Die Ländereien des Gestüts sud verpachtet; die Ein- Ens könnte fehr bald getroffen werden, und der Pächter würde wohl als landwirthschaftliher Administrator in den Dienst der Ver- waltung treten. Die einmaligen Ausgaben sind vielleicht etwas hoch bemessen. Der Ankauf von 180 Morgen zur Arrondirung des Haupt- gestüts Trakehnen für 55 000 ist theuer. Ebenfalls theuer ift ein Bau in Trakehnen, der mit 17 400 .% veranschlagt ist. Aber über- mäßig theuer ersheint der Ankauf von 13 Morgen beim Landgestüt Insterburg für 50 300 4, bloß um einen besseren Play für die Bewegung der Pferde zu haben. Wenn man folche Ausgaben machen fann, dann wäre es doch besser, das Landesgestüt in Neustadt wieder einzurihten, was jeßt fehr leit geschehen kann. Die Hauptgestüte Trakehnen, Gradiß und Beberbeck würden wobl im stande fein; 90 Stuten nah Neustadt abzugeben. Nur 80—100 000 A würden erforderlich sein, um diesen dringenden Wunsch der Provinz Branden- burg zu erfüllen. -

Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden:

Meine Herren! Die in Aussicht gestellte Petition is mir noch niht zugegangen, wohl aber ift der Königlichen Staatsregierung be- kannt, daß, wie der Herr Vorredner ausführte, innerhalb der Provinz Brandenburg der Wunsch besteht, ein Hauptgestüt in Neustadt wieder eingerihtet zu fehen. Dieser Wunsch fällt. mit den Absichten ‘der Königlichen Staatsregierung zusammen; es hat sich in diesem Jahre nur nicht ermöglichen lassen, diese Absichten zur Ausführung zu bringen. Wenn der Herr Vorredner weiter für die Provinz Brandenburg den Mehrbedarf an Landbeschälern auf 30 Stü angab, so kommt dur de-n gegenwärtigen Etat {hon die Hälfte des Bedarfs zur Einstellung. Ich fann hinzufügen, daß unter Zustimmung der Finanzverwaltung Fürsorge getroffen ist, um diese Hengste sofort verwenden zu können.

Veber die Handkßabung der Körordnung mich weiter auszulassen, habe ih für jeßt feine Veranlassung. Es is in der Natur der Sache begründet, daß, wenn in einem Landestheile eine Körordnung ein- geführt ist, daß dann ein Theil der bisher benußten Beschäler aus- gemerzt wird, und es ift desh alb nothwendig, daß die Uebergangszeit mit \{onender Hand überwunden wird, damit staats\eitig die zum Ersaß nothwendigen Landkesdäler beshafft werden können. In diesem Sinne ist meinerseits einge wirkt. Ueber das leßte Jahr liegen mir die Körnahweisungen noch nicht vor. Jedenfalls glaube ih das ausfprechen zu können, daß, wenn auch hin und wieder ein Mangel an Hengsten dur die Körung eingetreten ist, dies doch nit als ein Schaden betrachtet werden kann; die abgeförten Hengste waren jeden- falls niht brauchbar und es ist gut, daß sie ausgemerzt sind.

Abg. Dr. Ostrop e bedauert, daß die Wünsche verschiedener Bezirke, z. B. der Kreise Neck inghausen und Coesfeld nah Vermehrung der Zahl der Beschäler von dem westfälischen Landgestüt nit berück- sichtigt werden konnten. i

ODber-Landstallmeister Graf Lehndorff: Solche Wünsche werden in allen Provinzen geltend gemacht; es ift aber selbstverständlich, daß sie nit alle gleihzeitig erfüllt werden können. Es muß zuerst da ein- egriffen werden, wo es am nothwendigsten ist. Im Landgestüt

arendorf sind faltblütige Hengste eingestellt; der Leiter des Gestüts wollte in Zukunft nur Oldenburger Hengste haben ; _ih habe troßdem einen Belgier dorthin geshickt, weil einer mehr besser ist, als einer zu wenig.

Abg. von Mendel-Steinfels (konf.): Die große Einfuhr von Pferden ist von wirthschaftliher Bedeutung. Große Summen gehen dafür außer Landes, während es beffer wäre, wenn angesichts des Nückganges der Nentabilität des Getreidebaues man si der

ferdezuht mehr zuwendete. Thatsächlich ist die Strömung- unter den andwirthen vorhanden. Man follte sich die Gelegenheit niht ent- gen lassen und sih auf die Pferdezucht legen. Deshalb follte der andwirthshafts-Minister das sächsische Landesgestüt mehr mit kalt- blütigen Hengsten beseßen. Je mehr das \{lechtere Material verschwindet, desto mehr wird die Neigung zur Zucht si bemerk- bar machen. Für gekörte Hengste sollten Prämien gewährt werden, damit die Privatzuht si _wieder darauf legt, gute Hengste zu kaufen. Es ist die E aufgeworfen worden, weshalb die König- lichen Hengste eine fo geringe Fruchtbarkeit aufweisen. Es liegt einmal an der mangelhaften Bewegung derselben ; deswegen haben wir vorgeshlagen, vom Vorwerk Kreuz einen Theil sür diesen Zweck a zuzweigen. Ferner is ermittelt worden, daß die Futter- rationen sehr niedrig bemessen waren. Wenn der Etat das zuläßt, eins man die Nationen vermehren, dann wird auch die Fruchtbarkeit eigen.

bg: Herold (Zentr.) empfiehlt eine bessere Beseßung des west- fälischen Landgestüts Warendorf, in welhem manche Hengste einge- stellt seien, die beinahe als abschreckende Beispiele erschienen.

Vei den Einnahmen aus den Renngewinnen bei dem Hauptgestüt Gradiß weist _ Abg. Dr. Sattler (nl.) auf den Spielerprozeß in Hannover hin, welcher ergeben _habe, daß bei den Rennen die Spielwuth R entfalte, so daß man si fragen e ob der Staat sih nicht dur Gestattung des Spiels eine {were Schuld auflade; denn bei vielen Fällen von Veruntreuungen 2c. seien die Rennpläte der Anlaß zu dem wirthschaftlichen Ruin der betreffenden Personen geworden. Gerade im preußishen Staate sollten die erlassenen Vorschriften doch beahtet werden. Die Buchmaherei i} verboten, erklärt Redner, aber sie besteht ofenkundig. Der Totalisator ist vom Ober- Verwaltungsgerit als Glüsspiel bezeichnet worden : mehrere Jahre lang hat man den Betrieb eingestellt, dann hat \sich die Verwal- tung veranlaßt gesehen, ihn wieder zu gestatten. Man sagt : ohne Totalisator kein Rennen und keine Vollblutzuht, fkein gutes Miilitärpferd. Das is} ein Trugs{hluß; denn die Kriege vor 1870 sind geführt mit einem Pferdematerial, zu dessen Er- zeugung kein Totalijator nothwendig war. Sa verständige allerersten Ranges erkennen auch einen folhen Zusammen ang zwishen Rennen und Pferdezucht nicht an; ja sie meinen, daß eine allzu große Be- tonung dessen, was auf dem ennplaß Et, ist, die Zucht in eine falsche Richtung treibe. Sobald die S ielsucht niht mehr ge- fördert wird, würde der Zusammenfluß bedenklicher Elemente bei den Rennen Ge Für die Spielsucht hat der Staat nicht zu sorgen, deswegen bin ih stets ein Gegner der Lotterie gewesen. Die Spielsucht muß energisch unterdrückt werden. err von Kröcher, der jeßige Referent der Budgetkommission, hat dieselben Ausführungen {hon 1880 in beredterer Weise gemacht, und seine Parteigenoffen haben si ihm angeschlossen. JIch kann daher nur dringend der Ne- geeuns meinen Wunsch ans Herz legen.

eheimer Ober-Regierungs-Rath Dr. Hermes erklärt, daß der Buchmacherei nachgestellt werde. Vom Polizei-Präsidium seien Ver- zeichnisse der Leute, welche deswegen bestraft sind, aufgestellt worden, aber nur bei dringendstem Verdachte seien die Polizeibeamten zum Einschreiten befugt. Be S des Totalisators bestehe kein Wider- spruch zwischen der Rech prechung und Verwaltung. Das gericht- liche Urtbeil habe sich gerichtet; als man den Tota

gegen eine andere Totalisatoreinrihtun ; als isator 1888 wieder eingeführt habe, sei er fo cingerihtet worden, daß die Dinge, welhe das Gericht be- mängelt hatte, wegfielen. Moralishe Bedenken ständen dem Totali- sator entgegen, aber sie ließen \sich nur dann ganz unterdrücken, wenn

man alle Rennen verböte; das wäre aber ein Nachtheil für die Pferdezucht „Und für den gesunden Rennsport. Wollte man den Totalisator verbieten, so würde damit nur die Buch- macherei gefördert „werden ; das habe fich in der Zeit gezeigt, in welcher der Totalisator nicht gatte war. Es habe eine Be- {hränkung des Verkehrs am otalisator stattgefunden; den klei-

neren Rennplägen sei er ganz entzogen, bei den größeren Pläßen sei

- L

die Zabl der Totalisatortage eingeshränfkt. Daraus fei eine Vermin- derung des Umsages von 24 auf 11 bis 13 Millionen Mark ent- ftanden. Nur die Einnahmen aus dem Totalisator hätten es den NRennvereinen ermögliht, die Rennen aufrecht zu erhalten. Die Staatsfonds zur Unterstüßung der Rennen seien sehr flein. Franf- reih habe einen doppelt so hohen Fonds und aus dem Totalisator würden den Rennen 6 Millionen Francs zugewendet, was dahin geführt habe, daß Frankrei aus einem pferdeeinführenden ein vferde- auéführendes Land geworden fei. So lange die moralishen Folgen nit sehr bedenklih erscheinen, sollte man nicht zur Beseitigung einer Einrichtung schreiten, die die Mittel ¿ur Förderung des Rennsports liefere, welche sonst aus Staatsmitteln von den Steuerzahlern gedeckt werden müßten. :

Abg. von Bockelberg (kons.): Einiger unliebsamen Folgen wegen sollte man dieæNennen nit verurtheilen. Totalisator ist do so eingerichtet, daß_ eine Förderung des Glü s[piels nit ein- tritt, schon wegen der Oeffentlichkeit des ganzen Vorganges. Der Totalisator ist nur eine Regulierung der Wetten. Das Wagen und Wetten wird man von den Rennpläßen nicht verdrängen; das Wagen gehört zum deutschen Charakter und das Wetten ist shließlich nihts Schlehteres als das unmäßige Biertfrinken. Es ist zu unterscheiden zwishen dem erlaubten und unerlaubten Glüdckéspiel. Wenn der Totalisator verboten wird, dann werden die unerlaubten Buchmachereien sih breit machen; der F der Moral wird also kein besserer werden. Dur den Eotalisator sind die Renn- preise erheblich vermehrt w-rden, denn RNennfport fann nur gedeihen unter den Strahlen einer goldenen Sonne. Ein Verbot der Wetten würde dem Rennwesen den Todes\toß versetzen.

Abg. Dr. Sattler (nl.): Daß die alten Deutschen auch gewettet baben, daß sie sih dabei manchmal fogar zur Sklaverei entschlossen baben, ist richtig ; aber das gehört doch nicht zum deutschen Charakter. Daß die Rennpläte zur Spielsucht angereizt haben, ist erwiesen. Wenn nur eine geringe Zahl von Buhmachern bestraft ist, fo liegt das an der laxen Handhabung des Verbots. Die Beschränkung der Totali-, satortage ist erfreulich ; aber daß an diesen wenigen Tagen 11 Millionen im Spiel umgeseßt wurden, ist doch bedenklih. Wenn der Totalisator verboten würde, so müßten wir die für die Pferdezucht erforderlichen Mittel von Staats wegen gewähren. Uebrigens will ih feststellen, daß nit alle meine Freunde mit mir übereinstimmen.

5 Abg, von Waldow (konf.) hält den Totalisator für bedenk-

lich und nur für einen Nothbehelf, um die fehlenden Mittel zu be-

hafen. Die Regierung, erklärt Redner, sollte die Totalisatortage

jo einschränken, daß nur das herausfommt, was zur Erhaltung der

N nothwendig ist. Aber es bleibt dabei: Der Totalisator it ein ebel.

Abg. von Eynern (nl.) bekennt ih selbft als einen Sünder; er habe mehrfah den Totalisator benußt und dabei viel Vergnügen gehabt. Die Ausfchreitungen beim Totalisator seien eingeschränkt, damit müsse man si begnügen ; wenn man die Rennpläte zu moralischen N machen wollte, dann würde die Pferdezuht dabei Schaden eiden.

Der Titel wird hierauf erwor

Bei den einmaligen usgakhen bemängelt

__ Abg. von Pappenheim-Liebenau (konf.) die Höhe der Bau- fosten und bittet, die Anschläge sparsamer aufzustellen. :

Die einmaligen Ausgaben werden sodann bewilligt.

Es folgt der Etat der Forstverwaltung.

Bei den Einnahmen aus Holz führt 4 Abg. von Eynexn (nl.) aus, daß die s{lechten Einnahmen der Selm aufgébessert werden könnten durch eine billigere ?racht für Grubenhölzer aus dem Osten; dabei würde au die Eisenbahnverwaltung einen Vortheil haben.

Abg. Möller (nl.) {ließt si diesen Ausführungen an.

_ Abg. von Schöning (kons) bittet die Regierung, die unentgelt- lihe Verabfolgung von Pflanzen an kleinere Besißer im Interesse der Landeskultur anzuordnen.

Bei den Einnahmen aus Nebennußgzungen dankt

Abg. von Trott zu“Solz (kons.) der Regierung für die Abgabe von Futter und Streu -aus den fiskalishen Waldungen; es sei dadurch bei der Futternoth verhindert worden, daß eine zu große Verminde- rung des Viehbestandes eingetreten. Nun werde, bis neues Futter gewonnen werden kann, Stroh meist als Futter, nicht als Streu verwendet werden. Die kleinen Landwirthe würden also wieder auf die Streuentnahme aus dem Walde angewiesen sein. Redner bittet, soweit dies ohne Devastation des Waldes geschehen fönne, den leinen Leuten mögli entgegenzukommen.

Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden:

Eine derartige allgemeine Erklärung, wie sie der Herr Vorredner gewünscht hat, und wie ih sie im vorigen Jahre mitten in den Noth- standszeiten abgegeben habe, heute wieder abzugeben, trage ich Be- denken, und zwar um deswillen, weil ih den Eindruck habe, daß die Worte, welche ich im Sommer vorigen Jahres sprach, daß der Wald im Interesse der nothleidenden Landwirthe und namentlich der Éleineren geöffnet werden solle, doch vielleicht theilweise falsch verstanden sind, jedenfalls theilweise dazu geführt haben, daß das Andrängen in den Wald früher stattfand, als bis an Ort und Stelle diejenigen Mafß- nahmen vollständig geregelt sein konnten, welche zur ordnungsmäßigen Entnahme von Streu und Laub erforderlih waren. Es lagen da- mals auch die Verhältnisse anders als jeßt; - wir wußten damals, daß ein weitverbreiteter Nothstand herrshte, während wir heute wissen, daß in dem größten Theile der da- mals betroffenen Landestheile von einem bedenklihen Wieder- ausbruch eines Nothstandes, im Frühjahr günstige Witterung vorausgeseßt, nicht wohl die Rede sein kann. Der Herr Vorredner hat völlig zutreffend bemerkt, daß die bäuerlihe Bevölkerung es in hervor- ragendem Maße versteht, Haus zu halten, um derartige schwierige Zeiten zu überwinden. Es wird jedenfalls die oft gemachte Wahr- nehmung auch hier eintreten, daß man s{ließlich in knappen Jahren noch mehr übrig hat, wie in reihen Iahren, wo niemand an Sparen beim Futter denkt.

Wenn ih also eine derartige allgemeine Erklärung, wie sie ge- wünscht wurde, nicht abgebe, so kann andererseits der Herr Vorredner versichert sein, daß, wo sich Noth herausstellt, meinerseits das, was an Streu ohne Schädigung des Waldes abgegeben werden fann, au abgegeben werden wird. Es ist aber und ih glaube, die Aus- führungen des Herrn Vorredners sind eine Bestätigung dessen gewesen nothwendig, daß man mit den Vorräthen und mit den Mitteln, die der Wald abgeben kann, Rath hält. Hätten wir in früheren Jahren und auch im vorigen Jahre widerstandslos all den Ansprüchen, die an die Forstverwaltung herantraten, obne Ausblick in die Zukunft stattgegeben, [so wäre es doch absolut un- mögli, jeßt noch Streu abgeben zu können. Dabei befürchte ih daß vielfah doch {on so viel Streu abgegeben ift, daß fein ver- fügbares Material mehr vorhanden ist.

Um einen Ueberblick zu geben, welhe Streu-Abgaben aus den Staatswaldungen stattgefunden haben, erwähne i, daß im vorigen Jahre im Vergleich zum Jahre 1892 1 287 000 rm Streu mehr verabfolgt sind. Die übrigen Summen sind kleiner, und ih will Sie damit nit er- müden. Es sind ferner gegen das Vorjahr 25 000 Stück Rindvieh und 50000 Stück Schafe mehr zur Waldweide verstattet. Daß nicht noch mehr Gras abgegeben werden konnte, liegt einfa darin:

wenn überall alles verdorrt, fo verdorrt es im Walde auch.

R E E S