1894 / 82 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 07 Apr 1894 18:00:01 GMT) scan diff

L E s ars t mrr ri Q E A At A e Mir

lih des Besißes und der Abgabe der Fahrkarten insbesondere auch im Wege außerordentlicher Fahrkartenprüfungen durch besondere Beamte zu veranlassen und bei unberehtigter Benußung der Bahnzüge ein \trengeres Vorgehen eintreten zu lassen. Ein- rihtungen, welhe die Benüßung der Bahn erleihtern, dabei aber die Gefahr eines Mißbrauhs näher rücken, wie die Verlängerung der Gültigkeitsdauer der Rükfahrkarten, die neu eingeführten Zeit- karten für die ganze Bahn und die Fahrscheinbücher, wird die Eisenbahnverwaltung nur dann beibehalten und weiter ausbilden können, wenn sie in ihren Bestrebungen zur Fernhaltung von Ord- nungswidrigkeiten au bei den Reisenden selbst der erforderlichen Unterstüßung si versichert halten kann, und wenn die Schaffner, als die zunächst berufenen Organe, bei Ausübung ihres Dienstes durchaus das nöthige Entgegenkommen finden, insbesondere bei der Fahrkartenabnahme nit unnöthig aufgehalten werden.

Meine Herren, nah den Erfahrungen, die wir leider au unserer- seits mit den Rückfahrkarten und den länger dauernden Nundreise- billets und dergl. gemacht haben, ih verweise auf die ja allen Herren bekannten Fahrgeldhinterziehungen und die gerichtlichen Ver- handlungen über dieselben konnten wir uns nit entschließen, der allgemeinen Verlängerung der Gültigkeitsdauer der Rückfahrkarten zu- zustimmen. Wir konnten das um so weniger, als die Statistik nach- weist, daß ein großes Bedürfniß dafür niht vorhanden ist. Weitaus der größte Theil dieser Rückfahrkarten wird am ersten Tage zur Rückfahrt wieder benußt. Dur die Verlängerung der Gültigkeits- dauer der Karten ist, wenn Veruntreuungen stattfinden, die Möglich- keit erhöht, daß die Bahn um das Bahngeld auf Grund einer Fahr- karte wiederholt betrogen wird.

Meine Herren, der bedeutsamste und wichtigste Punkt der Aus- führungen des Herrn Abg. Broemel waren seine Bedenken gegen die Veranschlagung der Einnahmen des Personenverkehrs für den Etat von 1894/95. Meine Herren, Herr Abg. Broemel hat dabei zunächst einen Rükblick gethan auf die Erörterungen, welche bei demjenigen Etat hier im Hause gepflogen worden sind, und die im wesentlichen auch von seiner Seite damals ausgingen, dem ersten Etat, welchen ih die Ehre hatte, in diesem hohen Hause zu vertreten. Er hat mit Recht ausgeführt, daß er damals darauf aufmerksam gemacht habe, der Etat sei sehr viel zu hoch angeseßt. Heute hat Herr Abg. Broemel einen Theil der Gründe wiederholt. Er hat namentlih also bezüglich des Personenverkehrs angeführt, daß eine Erhöhung der Veranschlagung um 5 09/6 gegen die Vorjahre als entschieden außerhalb der bisherigen Gepflogenheit liegend und mit den thatsählihen Verhältnissen in Widerspru stehend hätte an- gesehen werden müssen. Meine Herren, ih kann, wie damals, auch heute nur darauf aufmerksam machen, daß der Durchschnitt der Steigerung der wirklichen Personeneinnahmen der beiden vorher- gehenden Jahre, also der Jahre 1891/92 und 1890/91, 7,33 war, daß 3,41 %/% die Verkehrssteigerung des laufenden Jahres 1891/92 bis zum August betrug. Wenn wir damals annahmen, die Verkehrs\teigerung würde für 1892/93 5 9/0 betragen, fo blieben wir meines Erachtens durchaus in dem Rahmen, der auch bisher beobahtet worden und maßgebend gewesen war. Daß die veranschlagten Einnahmen nicht würden er- reiht werden, konnten wir allerdings bei der Berathung des Etats, namentlich bei der zweiten Berathung des Etats in diesem Hause, für nicht unwahrscheinlich halten. Ih habe das auh felbst aus- gesprohen. Denn die Verhältnisse hatten sich seit der Zeit, besonders bezüglich des Personenverkehrs, erheblih vershlechtert. Wir würden aber doch, glaube ih, noch nahezu den Etat erreiht haben, wenn nicht die Cholera uns den gewaltig dicken Strich durh die Rechnung

gemacht hätte, Meine Herren, heute kämpfen wir aus entgegen-

eseßten Lagern. Heute findet der Abg. Broemel unsere Veranschla- gung zu niedrig. (Zuruf des Abg. Broemel.) Jh hoffe es. In dieser Hoff- nung stimme ich mit Ihnen überein. Aber, meine Herren, die Verhältnisse liegen doch bez. des Perfonenverkehrs folgendermaßen: Den Etat erreihen wir in diesem Jahre nicht bez. des Personenverkehrs, nah dêr bisherigen Schäßung bleiben wir um etwa zwei Millionen hinter der Veranschlagung zurück. (Hört! hört! rechts.)

Meine Herren, die Rechnung, die Herr Abg. Broemel aufstellt, ist ziffermäßig richtig, aber er vergißt dabei, daß ein Vergleich mit dem Cholerajahr 1892/93 überhaupt nit aufzustellen i. Schalte ih dieses Cholerajahr aber aus und berücksihtige nur die beiden anderen Jahre, dann bekomme ih eine Steigerung von 1,35 9/6, und dann hâtten wir den Personenverkehr noch um eine Million zu hoch geshäßt für 1894/95. Ich nehme auch an, daß diese Schäßung jeden- falls niht durch die Wirklichkeit wird unterschritten werden ; aber ih würde doch den Muth nicht finden, gegenüber diesen thatsächlihen Ver- hältnissen eine höhere Veranschlagung dem hohen Hause zu empfehlen. Ich möchte Sie daher dringend bitten, es bei der Veranschlagung, wie sie im Etat vorgesehen ist, zu belassen.

Meine Herren, es möge mir dann gestattet sein, auf die hoch- interessanten und nah mancher Richtung hin mir sehr \sympathischen Ausführungen des Herrn Grafen Kaniß zurückzukommen. Daß und inwieweit sie mir sympathisch sein müssen, darauf hat mih der Graf Kaniß bereits durch die Anführung meiner Erklärungen vor zwei Jahren aufmerksam gemacht. Jch muß nur dazu bemerken, daß diese Erklärungen von mir abgegeben worden sind zu einer Zeit, in der der Vorortstarif bereits in Gültigkeit war. Sie können also gegen mih bezüglich dieser Tarife niht angeführt werden. Meine Herren, sympathisch is mir durhaus die Auffassung, daß das un- gesunde Anwachsen der großen Städte, der großen Industriezentren und die zunehmende Entvölkerung des platten Landes wirth\schaftlic und politis in hohem Maße zu bedauern ist. (Sehr richtig! rets.) Meine Herren, wenn ih, lTosgelöst von den heutigen Berathungen des CEisenbahn-Etats, die Rede des Herrn Abg. Grafen Kani lesen würde, so würde ih glauben, sie {chlöse mit einem Antrag auf Aufhebung der Freizügigkeit (Sehr richtig! links); aber ih würde nimmermehr glauben, sie {lösse mit einem Antrag auf Erhöhung der Eisenbahntarife für den Berliner Vorortyerkehr. Meine Herren, die Vororttarife spielen meines Erachtens bei der Entschließung der Arbeiter, nah Berlin zu wandern, keine Rolle. Zu dieser Entschließung werden die Arbeiter geführt durh die Gründe, welche der Herr Abg. Graf Kanihz in so überzeugender und \tatistish belegter Weise ausgeführt hat. Er hat aber einen Grund nicht an- geführt, einen psychologishen Grund, der meines Erachtens von der allergrößten Bedeutung in dieser Frage is, das ist die wachsende Genußsucht unseres Volkes, insbesondere auch der Arbeiterbevölkerung. (Sehr richtig!) Die wachsende Genußsucht unseres Volkes führt die j ungen Burschen und Mädchen aus dem Lande in die großen Städte,

wo sie dieser Genußsuht nachgehen können, und dies Moment wird immer größer dadur, daß einer dem andern erzählt, übertrieben erzählt von all? den Vergnügungen, die er in der großen Stadt gefunden. Erzählt wird aber nicht, was er an Leib und Seele dabei ver- loren hat. (Sehr richtig!) é

Meine Herren, der Herr Abg. Graf Kaniß hat sich naturgemäß in erster Linie gewendet gegen die billige Beförderung der Arbeiter in dem Vorortverkehr. Er ist dabei von der irrigen Vorausseßung ausgegangen, daß diese Ermäßigungen nur für Berlin gewährt sind. (Widerspru rechts.) Dann bitte ih um Entschuldigung; ih habe das so verstanden. Ih wollte nur anführen, daß diese Arbeiter- wochenkarten für das ganze Land, für alle Strecken gelten und daß die Säge für diese Arbeiterwochenkarten überall 1 pro Kilometer be- tragen. Diese Arbeiterwochenkarten werden auch im Berliner Vorort- verkehr vorzugsweise von den Arbeitern benußt. Wir haben die Ueber- füllung der Stadt Berlin, namentlich mit Menschen der arbeitenden Bevölkerung, nicht herbeigeführt. Wir haben die Ueberfüllung niht dur unseren Vorortverkehr bewirkt. Unsere Bororttarife und die Arbeiter- wochenkarten haben nur einem bereits sehr fühlbar hervortretenden sozialen Nothstand Abhilfe schaffen wollen und zum theil auch Abhilfe geschafft. Es ift aber ein Irrthum, wenn man etwa glauben sollte, die Bevölkerung von Berlin fei seit Einführung der Vorort- tarife in höherem Maße gestiegen als bisher. Im Gegen- theil, die allgemeine wirthschaftliße Lage is ja haupt- sählih dabei maßgebend gewesen, die Steigerung der Bevölkerung von Berlin ist ohne irgend welchen ursächlichen Zu- sammenhang seit der Einführung der Vorortstarife in geringerem Maße erfolgt als vorher.

Meine Herren, es ist auch nicht das Bedürfniß allein hervor- getreten, die Arbeiterbevölkerung zur Domizilierung in den Vororten zu bewegen, obwohl das ja aus sanitären und sozialen Gründen meines Erachtens durhaus nothwendig wäre; es ist zu gleicher Zeit das ebenso starke, vielleiht noch stärkere Bedürfniß hervorgetreten, die vornehmlich draußen fich ansiedelnde Industrie mit den Arbeitern aus der Stadt zu versorgen. Wenn Sie die Arbeiterzüge sich ansehen auf unserer Stadt- und Ringbahn und den Vorortstrecken, so werden Sie finden, daß bei Beginn und Beendigung der Arbeitszeit diese Züge nah beiden Nichtungen voll beseßt, zum Theil übermäßig beseßt sind. Das ist ja auch ganz natürli: die Industrie findet in Berlin niht mehr den Raum und jedenfalls nicht mehr zu wirthshaftlihen Preisen den Naum, den sie bedarf; sie geht heraus. In fast allen Vororten und noch weiter hinein in die Vor- ortstrccken hat sih die Industrie angesiedelt und dorthin fahren die in Berlin und seiner nächsten Umgebung wohnenden Arbeiter.

Aber auch die Erscheinung, daß ein großer Theil der Arbeiter aus Berlin in die Vororte zicht, ist meines Erachtens, wie ih vorhin {on anführte, nicht zu beklagen, sondern zu begrüßen. Meine Herren, wenn Sie an einem Sommernachmittag nah der Arbeitszeit oder an Sonntagen mal hinausfahren nah Weißensee oder nah irgend einem der anderen Vororte und sehen, wie die Arbeiter dort jeder in seinem Stückchen Garten sißt, in einer Laube primitivster Art, draußen mit seiner Familie, so gewinnen Sie ein ganz anderes Bild von der Be- deutung des Vorortverkehrs. Diese Leute würden hier in Berlin nicht bei ihrer Familie, sie würden im Wirthshaus sißen. (Sehr richtig! links.) Denn die Wohnungen, die sie sich hier in Berlin bezahlen können, treiben den Mann heraus, sie treiben ihn in das Wirthshaus, sie treiben ihn in sozialdemokratishe Versammlungen. Gehen Sie mal hinaus in die Umgebung Berlins! Das Bild ift wirklich erfreulich, dort werden Sie den Arbeiter mit seiner Familie zusammen finden, um seine paar Quadratmeter mit Blumen und

*Gemüse zu bestellen.

Meine Herren, aber auch der Vorortverkehr, abgesehen vom Arbeiterverkehr, is meines Erachtens eine f\oziale Nothwendigkeit geworden für die Großstadt, und wenn wir sie nicht befriedigt hätten seitens der Staatseisenbahnverwaltung, so würden andere Verkehrs- anstalten sie befriedigt haben. Das Resultat würde für die Frage, die Herr Graf Kaniß angeregt hat, das\elbe gewesen sein. Die Pferdebahnen, wie die Trambahnen und in kurzer Zeit au die elektrishen Bahnen erstrecken sich schon jeßt nah allen Richtungen! Meine Herren, ein Bedürfniß, der sozialen Noth der Großstadt durch billige Fahrgelegenheit in die nächste Umgebung abzuhelfen, muß an- erkannt werden. Es mag beklagt werden, daß derartige Zustände sich hier entwideln, das ist eine Auffassung, der ih, wie gesagt, nur sympathish gegenüberstehe; aber dem thatsählihen Nothstand muß abgeholfen werden, und das ist meines Erachtens mit Recht durch die Einführung der BVororttarife geschehen.

Die Frage, die gleichzeitig berührt worden ist, sowohl vom Herrn Abg. Broemel wie vom Herrn Grafen Kanitz, die Frage nämlich, wie in Zukunft die Reform der Personentarife zu bewerkstelligen sein würde, hier eingehend zu behandeln, glaube ich mi enthoben zu schen. Ich stehe nah wie vor auf dem Standpunkt, den der Herr Abg. Broemel ja bereits gekennzeichnet hat, den ih auch keinen Anstand genommen habe, in den diesjährigen Verhandlungen der Budget- kommission zu vertreten. Jch betrachte unser gegenwärtiges Personen- tarifsystem als ein folhes, welches auf die Dauer unmöglich bestehen bleiben kann. Es ist allmählich ein solches Konglomerat von Un- regelmäßigkeiten, von Verschiedenheiten, unübersichtlichen Einrichtungen geworden, daß mit der Zeit mal dies alte Gebäude, in dem fo tausende von Kämmerchen und Stübchen sind, total niedergerissen werden muß, und was an seiner Stelle zu treten hat, kann meines Erachtens entnommen werden gerade aus den Nachtheilen des bisherigen Systems. Es muß etwas durchaus Ein- fahes an die Stelle geseßt werden. Wir werden ein Tarifsystem zu bilden haben, welches meines Erachtens weder Nückfahrkarten, noch Nundreisekarten, noh Sommerkarten, noch sonstige Spezialitäten, vielmehr nur die nah einheitlihen angemessenen Normen gebildete einfahe Fahrkarte kennt. (Sehr richtig! rechts.) Zur Vereinfachung der Expedition können dabei Einrichtungen getroffen werden, wir können den Leuten Rüfahrkarten geben, damit sie nicht unnöthig am Schalter sih zu drängen brauchen, aber die Nabattierung auf die Rückfahrt is meines Erachtens eine nicht mehr berechtigte Eigenthümlichkeit vergangener Zeiten. (Sehr ric)tig! rets.) Sie war berechtigt zu der Zeit, wo man im Deutschen Reich noch mit so und so viel Konkurrenzen zu kämpfen hatte. Da machte der Konkurrent seine Route dadur annehmbarer, daß er Nückfahrkarten ausgab mit billigeren Preisen ;! er behielt dabei den Passagier auf der Hin- und Rückfahrt.

Wann der Moment gekommen sein wird, an diese Reform der

Tarife heranzutreten, meine Herren, diese Frage vermag ih zur Zeit niht zu beantworten. Wir wären voraussihtlich bereits dahin gt kommen, wenn nit die allgemeine Finanzlage des Staats es ung unmögli machte, in ein großes Risiko mit Tarifveränderungen ein, zutreten. Wir werden also die Unbequemlichkeiten und Nachtheile des jeßigen Tarifs wohl noch eine Weile ertragen müssen es hilft nihts und die Reform verschieben bis zu einer Zeit, wo wir wieder festen Boden in unseren allgemeinen Finanzverhältnissen unter den Füßen haben. (Bravo!) /

Abg. Wurmbach (nl.) bedauert, daß die für Eisenbahnbauten bewilligten Gelder niht s{hneller verwendet würden, sodaß \ih zum Schaden der Industrie die unverwendeten Kredite vermehren. Die Verwendung der Kredite würde die Arbeitslosigkeit vermindert baben, Man würde bei den jepgigen billigen Preisen die durch die Nealifierung der Kredite nothwendig werdenden Zinsen herausgeshlagen haben vielleiht sogar für mehrere Jahre. Die Arbeiten der Eisenbahnen follten möglichst gleihmäßig vertheilt und nicht zu der Zeit aufgegeben werden, wenn ohnehin s{chon ein Aufschwung der Industrie eingetreten sei. Gerade die geschäftsstille Zeit sollte von der Eisenbahnverwaltung benußt werden. Ueberhaupt beginne der Fiskus mit seinen Bauaus, führungen vielfa, wenn die Bausaison in der Hauptsache vorbei fei, Das liege vielleiht zum theil daran, daß der Etat fo spät zur Ver, abschiedung gelange. L i

Abg. Sieg (nl.) bemängelt, daß die Ladestellen an den neuen Bahnen, namentli im Osten, zu klein angelegt seien, daß ferner immer noch, troß dér vor einigen Jahren bewirkten großen Beschaffung neuer Wagen, ein Wagenmangel herrshe. Redner verlangt ferner eine bessere Desinfektion der Viehwagen und auch der die Viehwagen be- gleitenden Personen.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Die Herren Adjazenten haben zwei Seelen. Die eine Seele hat das Gefühl, daß sie für den Grunderwerb auf folchen Nebenbahnen auch mit bezahlen müsse; infolge dessen wird das Ge- lände für derartige Ladestellen thunlichst knapp bemessen. Die andere Seele kommt dann in Thätigkeit, wenn die Herren den Bahnhof be- nuten, namentlich in einer Zeit in der Zuckerkampagne, wo es etwas harf hergeht. Nun meine ih: bei der Sparsamkeit, die der Eisen- bahnverwaltung nah allen Richtungen hin und von Jedermann zur Pflicht gemaht wird, können wir auf die kurze Zeit der Zucker- kampagne nicht die ländlichen Ladestellen mit breiten Pflasteranlagen versehen, die das übrige Jahr nicht benußt werden ; die Herren müssen sich da einigermaßen durhhelfen wie wir auch.

Was die Verhältnisse auf den beiden von dem Herrn Vorredner genannten Stationen anbetrifft, so bin ih nicht unterrichtet, werde aber gern Veranlassung nehmen aus der Anregung, mihch nach den Verhältnissen zu erkundigen und, wenn wirkli dort dauernd größere Verladungen stattfinden, Fürsorge treffen.

Was nun den Wagenmangel für die Verladung von Heu betrifft, so will ih von vornherein zugeben, daß es niht mögli gewesen ift, in allen Fällen den berechtigten Wünschen der Herren Nechnung zu tragen. Die Wünsche der Herren gehen naturgemäß zunächst dahin, große Wagen zu haben; diese großen Wagen sind aber nit überall zu haben und müssen oft erft mit großen Kosten von weit her beschafft

werden. Jh habe daher die Direktion ermächtiat, - ftatt der :

großen Wagen ohne Larifaufshlag zwei kleine zu geben; seitdem ist, soviel ih weiß, der Zustand viel erträgliher geworden.

Der dritte Punkt betrifft die Desinfektion. Meine Herren, die Desinfektion ist eine Reichsangelegenheit; sie wird im allgemeinen den Eisenbahnen gegenüber mit aller Schärfe gehandhabt. Das Neichs- Eisenbahnamt verfolgt jeden Kontraventionsfall, der ihm zur Anzeige gebracht worden ist, auf das s{ärfste, und bei der kleinsten Unregel- mäßigkeit, Nichtbeobachtung der Vorschriften tritt eine sehr harte Strafe ein. Nichtsdestoweniger . ist die Möglichkeit ja zuzu- geben, daß troy alledem hier ‘und da etwas, wie der Herr Vor- redner sagt, hängen bleibt in Wagen, den Rampen oder den Kleidern der Viehbegleiter ; daß diese Leute desinfiziert werden, wäre nah mehr als einer Richtung in manchen Fällen gewiß recht wünschenswerth. (Heiterkeit.) Aber dazu bedürfen wir doch einer Aenderung des Gefeßes. Augenblicklich werden, soviel mir bekannt ist, im Nessort der Reichsbehörde Ermittelungen in Bezug auf diejenigen Maßnahmen gepflogen, welche zur Verhütung der Ver- breitung von Seuchen si als unbedingt nothwendig erweisen ; vielleicht fommt man dann auch zur Desinfektion der Viehbegleiter.

Abg. Pleß (Zentr.) wendet sich gegen die Perronsperre sowie gegen den Zuschlag für die Harmonikazüge, welhe die anderen Schnellzüge verdrängten , und empfiehlt Tarifermäßigungen, die nicht immer Minder- einnahmen mit sich brächten, namentlichß mit Hinweis auf den ungarischen Zonentarif. Redner erklärt, er \eci ein begeisterter An- hänger der Cisenbahnverstaatlihung gewesen, möchte das heute aber beinahe bereuen, da die Hoffnungen, die man auf diese Maßregel ge- seßt habe, sich niht erfüllt hätten. Redner wendet sih {ließli gegen die Ansführungen des Grafen Kaniß, der sih auf falschem Wege befinde, wenn er durch Erhöhung der Eilenbahntarife die Sozialdemokratie bekämpfen wolle, und empfiehlt eine Gehaltsauf- besserung und eine größere Sonntagsruhe für die Beamten. ;

Abg. Bueck (nl.) spriht seine Befriedigung darüber aus, daß auch der Minister den Zustand der Personentarife als unhaltbar be- zeichnet habe. Einheitlichkeit sei nothwendig, aber sie dürfe nicht in Einseitigkeit ausarten, sondern müsse lokalen Verhältnissen Rechnung tragen durch Vororttarife und Arbeiterkarten. Die Arbeiter alle in die Vorstädte abzuschieben, sei niht wünschenswerth ; die Arbeiter sollten unter den anderen e wohnen, aber es müsse ihnen, wo das nicht möglich sei, die Ansiedelung in den gesunden Vororten erleichtert werden. Die Arbeitslosigkeit im Winter, fährt Redner fort, ist eine Wirkung der Bauspekulation ; früher waren die Bauhandwerker damit zufrieden, daß fie im Sommer mehr verdienten, im Winter wenig oder gar nichts. Das ist jegt anders geworden ; sie bilden den Grundstock der sozial- demokratischen Agitation, und man kann den Stadt- und Staatsbèhörden nur sagen: Landgraf, werde hart diesen Anforderungen gegenüber. Die Dezentralisation der Industrie kann am besten durh die Anlage von Kanälen gefördert werden. Eine Reform dec Personentarife darf niht eher vorgenommen werden, als bis unsere Massenartikel billiger gefahren werden; dadurch wird die Arbeit gefördert. Da die Ausnahmetarife der Industrie vorzugsweise zu gute kommen, ist ein Irrthum; die Industrie verläßt immer mehr die Großstädte, namentli Berlin, weil der Grund und Boden zu theuer ist. Bon der Entwickelung der Industrie haben auch die Arbeiter einen Vor- theil, und die Steigerung der Löhne, die einen immer größeren Theil des Unternehmergewinnes beansprucht, ist allein die Lösung der sozialen Frage. Der Export i} nothwendig zur Beschäftigung der Arbeiter, die sonst keine landwirthschaftlihen Erzeugnisse kaufen könnten. Darin besteht ein größerer Zusammenhang zwishen Industrie und Land- wirthschaft, als man nah den Debatten manchmal- annehmen sollte.

Abg. v. Schal scha (Zentr.): Die Arbeitslöhne sind eine alte Ein- richtung; fie sind künstlih vermehrt worden, indem man den Zuzug zu den Städten erleihterte. Mit jedem industriellen Krach vermehrte sich die Zahl der Arbeitslosen, namentlih wenn man der zügellosen ide e gegenüber keine Hindernisse in den Weg legt. Der derr Minister sollte sih etwas mehr in Acht nehmen; er hat si so unvorsichtig geäußert, daß er bei Herrn Broemel in den Verdacht

} Gesinnungen kommt; er möge vor dem Zorn des Herrn agrari\er arn sein! D wir unter dem Zeichen des Verkehrs stehen, mag rihtig sein; der Politiker muß aber erwägen, ob es richtig ist den Verkehr bis zum äußersten auszubauen.

' Darauf wird die weitere Berathung um 41/4 Uhr auf

Sonnabend 11 Uhr vertagt.

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Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Unfallgeseßgebung.

Dex als Verfasser des gehaltvollen „Handbuchs der Unfall- verleßungen“ bekannte Dozent für Chirurgie an der Universität Zürich Dr. Constantin Kaufmann erläutert in der als Separatausgabe aus den „Schweizerishen Blättern für Wirthschafts= und Sozialpolitik“ erschienenen Broschüre: „Die Unfallfolgen in Bezug auf die Unfall- Gesetzgebung“, Basel 1894, mit Rücksicht auf den Entwurf des National-Raths Forrer für cine staatliche Kranken- und Unfall- versicherung in der Schweiz in allgemein verständliher Form die Grundsäße der deutschen und österreichischen Unfallversiherungégeseße über die Gntshädigung bei Betriebsunfällen. Sehr bemerkens- werth ist die günstige Beurtheilung, welche die einschlägige deutsche Gescigebung von dieier berufenen Seite erfährt. Die in Deutschland emachten Erfahrungen werden als für die ganze Unfallmaterie geradezu Lestimmend bezeihnet. Besonders beifällig spricht sih Dr. Kaufmann über die Wirksamkeit der von zahlreihen Berufsgenossenschaften erridteten Unfallkrankenhäuser aus und hebt dabei den erheblichen finanziellen Vortheil hervor, den eine möglichs intensive ärztliche Behandlung der Unfaliverleßten durch die Berufsgenossenschaften für leßtere zur Folge hat. Der Verfasser äußert sih eingehend über die Bemessung der Höhe der Unfallentschädigungen durch die Spruch- behörden der Ünfallversiherung, vor allem durch das Reichs-Ver- siherungsamt. Die wiederholt angefohtene Praxis des leßteren bet der Entschädigung für Unterleibsbrüche hält er für durchaus zutreffend. Der „weite, menschenfreundlihe Blick“ der Spruchbehörden in der Beurtheilung dieser Fälle berühre äußerst sympathisch. Der Vorzug der auf cine rationelle und leistungsfähige Behandlung der Unfallver- leßungen die dem Lande einen großen Theil der Arbeitskraft wiedergiebt gerichteten energischeren ftaatlihen Unfallversicherung gegenüber der Haftpflictgesezgebung tritt in den Ausführungen des Verfassers deutlich zu Tage.

Produktion des Ober - Bergamtsbezirks Halle.

An Steinkohlen wurden im Ober-Bergamtsbezirk Halle (Provinzen Sachsen, Brandenburg und Pommern) im Jahre 1893 produzirt auf 3 Werken 10416 (gegen das Vorjahr 9766), im Werthe von 92920 M (gegen das Vorjahr 112011 4) bei einer Belegschaft von 59 Arbeitern (— 50). An Braunkohlen wurden produziert auf 299 Werken 15774 543 t (+ 213 025) im Werthe von 39895 868 4 (— 3410 968) bei einer Belegschaft von 25011 Ar- beitern (— 697). An Eisenerzen wurden auf 5 Werken produziert 492265 t (— 956715) im Werthe von 197029 A (— 20442) bei einer Delegschast von 163 Arbeiten (— 26). An Kupfererzen wurden auf 3 Werken produziert 5142037 t fas 13 529) im Werthe von 17 352 489 M (— 2 448 301) bei einer Belegschaft von 13 164 Arbeitern (— 821). Insgesammt wurden auf 310 Kohlen- und Erzbergwerken produziert 16 348 389,2 t (+4 209 179) im Werthe von 57 538 306 M (— 5d 993 947) bei einer Belegschaft von 38 397 Arbeitern (— 1599). Die Salzwerke produzierten L20200 U (F 1909960) im Werthe von 16558740 M (+ 2452 6298) mit 4600 Arbeitern (4+ 491). Der Kalkstein- bruch zu Rüdersdorf produzierte 316671 t (— 12510) im Werthe von 1308 789 46 (— 194 460) mit 939 Arbeitern (— 15).

Zur Arbeiterbewegung.

In Oldesloe stehen, wie aus einer Mittheilung im „Vor- wärts" hervorgeht, die Tischler und Stellmacher in einer Lohn- bewegung. Die Arbeiter fordern zehnstündige Arbeitszeit und 6 M Lohn für Stellmacher, 7 4 für Tischler; für außer Kost und Woh- nung arbeitende Gesellen 30 4 für die Stunde, sowie 40 » für Nacharbeit.

In Freiburg i. Br. ist nah demselben Blatt der Ausstand der Maurer ein allgemeiner geworden. Eine zahlrei besuhte Ver- sammlung der Ausständigen beschloß, an den gestellten Forderungen festzuhalten.

In Göter Berge bei Gr.-Kreuß is auf der Ziegelei von Boßdor f wegen einer den Arbeitern angekündigten Lohnkürzung ein Lohnftreit ausgebrochen.

Aus Wien wird dem „D. B. H.* gemeldet: Die Tischlergehilfen Wiens haben beschlossen, in einen allgemeinen Aus sa nd einzutreten, wenn ihnen niht ahtstündige Arbeitszeit, ein Minimallohn von 10 Fl. wöchentlih, Abschaffung der Accordarbeit in allen Betrieben und Freigabe des 1. Mai bewilligt wird. Wie die Blätter melden, beabsichtigen außerdem die Metallarbeiter und die Bauarbeiter den allgemeinen Ausftand zu beginnen, wenn ihnen nicht eine Ab- kürzung der Arbeitszeit bewilligt werden sollte. In der Färberei M. Chini?s Sohn (Kaisermühlen) sind, wie im „Vorwärts*" be- richtet wird, am 2. April 63 Arbeiter in den Ausstand eingetreten.

In Budapest sind die Steinmeßten in eine Bewegung zur Errinaung günstigerer Lohn- und Arbeitsbedingungen eingetreten. Als Forderungen sind aufgestellt: Achtstündige Arbeitszeit, Mindest- lohn von 2,590 Fl. für den Tag, Sicherung eines Minimal-Accord- verdienstes von 2,590 Fl., Freigabe des 1, Mai als Arbeiterfeiertag 2c. Am 18. März hat eine Verhandlung der Gehilfen mit den Arbeit- gebern stattgefunden, jedoh wurde ein Ergebniß nicht erzielt.

Ueber die Ausstandsbewegung in Züri h schreibt man dem Berner „Bund“: Der Zimmerleute-Fachverein lehnte mit 108 gegen 37 Stimmen das Angebot der Meister, 50 Cts. für gelernte

rbeiter, ab und beschloß, am Montag den Ausstand zu beginnen, do sollte zum Erhalt der nöthigen Zweidrittelmajorität heute eine nochmalige Versammlung stattfinden. Mit der nächsten Woche wird die Zahl der Strikenden in Zürich demna auf 1500 anwachsen, da am Montag die Shuhmacher und Zimmerleute die Arbeit niederlegen.

Aus Madrid meldet „W. T. B.": Nach hier vorliegenden Meldungen ist die Arbeiterbewegung in der Provinz Cadix im Wachsen begriffen. i

Veber den Ausstand in den Kohlendistrikten Penn- sylvaniens meldet „W. T. B.“ aus New-York: Eine große Anzahl der Ausständigen unterstüßen den Ausstand niht mehr. Man glaubte, daß die Arbeit heute wieder aufgenommen werden würde.

Der Ausstand nimmt insofern ein für die Ausständigen ungünstiges Ende, als die Gesellschaften jeßt nur english spre{chende Arbeiter anstellen.

Nach Mittheilung des Statistishen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 29. März bis inkl. 31. März er. zur Anmeldung gekommen: 958 Lebendgeborene, 557 Eheshließungen, 29 Todtgeborene, 566 Sterbefälle.

Gesundheit8wesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Sterblichkeits- und Gesundheitsverhältnisse im Monat Februar 1894.

Gemäß den Veröffentlihungen des Kaiserlihen Gesundheitsamts find im Monat Februar cr. von je 1000 Einwohnern, auf das Jahr berechnet, als gestorben gemeldet: in Berlin 16,4, in Breslau 22,8, in Königsberg 24,0, in Köln 20,1, in Cassel 13,1, in Magdeburg 21,5, in Stettin 19,7, in Altona 20,2, in Hannover 20,6, in Frankfurt a. M. 14,1, in Wiesbaden 17,2, in München 23,9, in Nürnberg 19,1, in Augsburg 27,2, in Dresden 19,1, in Leipzig 16,5, in Stuttgart 25,1, in Karlsruhe 17,7, in Braunschweig 17,6, in Hamburg 16,1, in Straß- burg 19,3, in Meß 17,5, in Amsterdam 19,8, in Brüssel 213, in Budapest 24,1, in Christiania 19,8, in Dublin 31,3, in Edinburg 17,9, in Glasgow 20,0, in Kopenhagen 20,4, in Krakau 38,6, in Liverpool 24,9, in London 194, in Lyon ?, in Moskau 31,6, in Odessa 23,1, in Paris 22,0, in St. Petersburg 31,6, in Prag 33,1, in Nom (Januar) 22,6, in Stockholm 17,8, in Triest 38,6, in Turin (Januar) 36,5, in Venedig 24,1, in Warschau 20,1, in Wien 26,8, in New-York 23,1. (Für die nichtdeutshen Städte ist der Zeitraum von vier Wochen, vom 4. Februar bis 3. März, zusammengefaßt worden.)

Der Gesundheitsstand im Monat Februar gestaltete sih in der überwiegenden Mehrzahl sowohl der größeren deutschen wie der nicht- deutschen Städte wesentlihß gürstiger als im Januar und auch die Sterblichkeit war in den meisten Orten eine erheblich kleinere als im vorangegangenen Januar. Die Zahl der deutschen Orte mit sehr geringer Sterblichkeit (mit einer Sterblichkeitsziffer unter 15,0 pro Mille ftieg von 3 im Januar auf 23, und, zwar war dies in Altendorf, Beuthen O.-S., Charlottenburg, Elberfeld, Frank- furt a. M., Grünberg, Harburg, Hörde, Cassel, Kreuznach, Lehe, Lüden- {cheid, Minden, Nordhausen, Osnabrück, Rathenow, Soest, Thorn, Wesel, Bauten, Meißen, Ludwigsburg und Offenbach der Fall. Die Zahl der deutschen Städte mit hoher Sterblichkeit (Sterblichkeitsziffer über 35,0 pro Mille) sank von 20 im Vormonat auf 1 im Berichts- monat, und zwar meldet eine solhe Sterblichkeit Greifswald und von nicht deutshen Orten Krakau, Triest und Turin (Januar). Das Sterhlichkeitsmarimum, das im Januar 55,9 betrug, erreichte im Februar Greifswald mit 36,2 pro Mille. Die Zahl der deutschen Vrte mit günstiger Sterblichkeit (Sterblichkeitsziffer 15,0 bis 20,0 pro Mille), die im Vormonat 35 betrug, stieg auf 87, und wollen wir aus der großen Zahl derselben hier nur Aachen, Barmen, Berlin, Schöneberg (b. Berlin), Bielefeld, Düsseldorf, Erfurt, Essen, Flens- burg, M.-Gladbach, Görlitz, Halle, Kiel, Krefeld, Spandau, Stettin, Trier, Wiesbaden, Bamberg, Bayreuth, Nürnberg, Dresden, Leipzig, Zittau, Cannstatt, Ulm, Karlsruhe, Mannheim, Darmstadt, Worms, Rosto, Schwerin i. M, Eisena, Altenburg, Gotha, Bremen, Lübeck, Braunschweig, Met, Straßburg, und von nichtdeutschen Städten Amsterdam, Christiania, Edinburg, London, Stockholm nennen. Die Zahl der deutshen Orte mit mäßig hoher Sterblichkeit (Sterblichkeitsziffer 20,0 bis 23,0 pr. M.) war eine etwas kleinere als im Januar und sank von 52 im Januar auf 46 im Februar. Wir erwähnen aus der Zahl derselben hier nur Altona, Lichtenberg und Rixdorf (bei Berlin), Breslau, Danzig, Dortmund, Duisburg, Frankfurt a. OD., Hannover, Köln, Magdeburg, Münster, Quedlin- burg, Fürth, Hof, Ludwigshafen, Eßlingen, Heilbronn, Pforzheim, Mainz, Wismar, Weimar, Bernburg, Coburg, und von nichtdeutschen Städten Glasgow, Kopenhagen, Paris, Nom und' Warschau.

Die Betheiligung des Säuglings8alters an der Gesammt- sterblihkeit blieb im allgemeinen eine niedrige, zum theil jedoch eine etwas größere als im Januar. Von je 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, in Berlin und Hamburg je 46, in Dresden d1, in Stuttgart 73, in München 94 Säuglinge. Die theilweise höhere Säuglingssterblihkeit wurde durch das an vielen Orten häufigere Vorkommen von akuten Darmkrank heiten hervorgerufen, die in Altona, Berlin, Breslau, Dresden, Gera, Hamburg, München, Stuttgart, St. Petersburg, Prag, Turin (Januar), Wien mehr, in Königsberg, Linden, Amsterdam, Budapest, London, Moskau, Odessa, Paris, Stockholm, Warschau weniger Todesfälle als im Vormonat veranlaßten. Dagegen war die Sterblichkeit in den höheren Altersflassen faft allgemein eine verminderte, indem die in ganz Mittel-Guropa im Februar noch immer auftretende Grippe-Epidemie an den meisten Orten eine erheblihe Abnahme aufwies und weit weniger Sterbefälle veranlaßte als im Januar. Immerhin blieb jedo die Zahl der Todesfälle an Grippe in einer größeren Zahl von Orten noch eine erheblihe. So wurden aus Berlin 30, aus Köln 17, aus Leipzig 12, aus Straßburg 8, aus Barmen, Breslau, Danzig, Braunschweig, Dortmund, Elberfeld, Chemniß, Stuttgart, Mülhausen i. E. je 6, aus Freiburg i. B. 5, aus Dresden, München, Weimar je 3, aus Amsterdam, Budapest, Kopenhagen, London, Moskau, Stockholm, New-York und den größeren Städten Nord-Amerikas noch immer eine erhebliche wenn auch Éleinere Zahl von Todesfällen als im Januar mitgetheilt. In Intrerburg und Koblenz, wo je 4, in Paris, wo 28, in Nom, wo (im Januar) 10, in Kairo, wo 6, in Alexandrien, wo 5 Personen der Epidemie erlagen, war die Zahl der Sterbefälle eine größere als im Januar. Auch akute Entzündungen der Athmungsorgane haben fast allgemein zugenommen; nur in wenigen Orten (Hannover, Magdeburg, Augsburg, Nürnberg, Chemniß, Mainz, Mülhausen i. E., St. Petersburg, Wien und Rom (Januar) überstieg die Zahl der an ihnen gestorbenen Personen die des Vormonats erheblicher. Sterbe- fälle an Lungenschwind sucht kamen gleichfalls etwas seltener als Todesursachen zur Mittheilung.

Die Nachrichten über die Verbreitung der Ch olera lauteten andauernd günstig. Aus dem Deutschen Reich, Oesterreich- Ungarn, Italien, Spanien, Belgien, Holland sind Cholera- fälle nicht mehr bekannt geworden. Aus Frankreich kamen Ende Januar im Departement Finistère vereinzelte (in Concarneau 2, in Brest und Pouldergat je 1) Todesfälle an Cholera zur Kenntniß. In Nußland hat die Epidemie fast allgemein abgenommen. Nur in den Gouvernements Radom, Kowno, Eriwan, Kursk, Wolhynien, Tschernigow, Stadt und Gouvernement St. Petersburg sowie in der

Stadt Warschau kam in der ersten D des Februar noch eine mäßige Zahl von Cholerafällen zur Feststellung; doch nahm auch hier im Laufe des Monats die Zahl derselben weiter ab, sodaß sih zu Ende Februar die Epidemie nur noch in Wolhynien, Tula, Stawropol, Tschernizew und in der Stadt Sl. Pete ra in wenigen Fällen zeigte und das Erlöschen der Epidemie evorstand. In der Türkei wurden aus der ersten Hälfte des Fe- bruar aus dem Vilajet Uzerum (in der Landschaft Aleshkert) sowie aus Konstantinopel noch eine größere Zahl von Fällen kterichtet; in der zweiten Februarhälfte hat jedoch auch hier die Epidemie erheblich abgenommen. Aus Persien sind seit Ende Januar weitere Nach- richten über die Cholera niht mitgetheilt worden. Jn der Garnifon von Tripolis (Afrika) sind Anfang Januar wieder mchrere Cholera- fälle festgestellt worden. Das gelbe Fieber hat in Rio de Ianeiro vom 24. Dezember bis 27. Januar 290 Todesfälle veranlaßt. Von den anderen Infektionskrankheiten wurden Sterbe- fälle an Masern, Unterleibstyphus und Pocken häufiger, an Scharlach, Diphtherie und Keuchhusten etwas weniger mitgetheilt als im Januar. So maren Sterbefälle an Masern in Köln, Potédam, Staßfurt, Regensburg, Budapest, Christiania, Liverpool, Moskau, Paris, St. Peteréburg, Prag, Triest, Turin (Januar), Wien zahlreicher, in Berlin, Leipzig, München, London, New-York, Warschau sebtenèr als im Vormonat. Erkrankungen wurden in großer Zahl aus Berlin, Hamburg, München, Budapest , Christiania, Kopen- hagen, Prag sowie aus den Regierungsbezirken Arnsberg, Hildesheim, Königsberg, Marienwerder, Posen, Schleswig und Wiesbaden zur Anzeige gebraht. Sterbefälle an Scharlachfieber waren in Berlin, Hamburg, Kopenhagen, Liverpool, London, Moskau, Odessa, St. Petersburg, Warschau, Wien seltener, in Glasgow, New-York, Stockholm dagegen häufiger. Die Sterblichkeit an Diphtherie und Kroup war in Aachen, Berlin, Bchum, Breslau, Erfurt, Cssen, Frankfurt a. M., Greifswald, Hagen, Halle, Hannover, Köln, Linden, Magdeburg, München, Nürnberg, Chemniß, Dresden, Leipzig, Heidelberg, Gießen, Hamburg, Colmar, Oldenburg, Budapest, Edin- burg, Kopenhagen, London, New-York, Odessa, Paris, St. Petersburg, Prag, Triest, Turin (Januar), Warschau, Wien vermindert, dagegen in Krefeld, Münster, Potsdam, St. Johann, Schweidniß, Pirmasens, Stuttgart, Mannheim, Gera, Mülhausen i. E., Amster- dam, Christiania, Glasgow, Moskau, Rom (Januar), Stockholm ver- mehrt, und blieb in Barmen, Marburg Bremen, Straßburg die gleih große wie im Vormonat. Erkrankungen kamen aus Berlin, Hamburg, München, Kopenhagen, Wien fowie aus den Regierungs- bezirken Arnsberg, Düsseldorf, Hildesheim, Minden, Münster in großer Zahl zur Anzeige. Todesfälle an Unterleibstyphus waren in Berlin, Breslau, München, Hamburg, Dresden, Leipzig, London, Moskau, New-York, Wien selten, nux in Parts und Prag hat die Zahl der Sterbefälle an Typhus bedeutend zugenommen. An Flecktyphus kamen aus Stendal, London, Stockholm je 1, aus Königsberg 2, aus Elbing 4, aus Moskau und St. Petersburg je 5, aus Odesja § Sterbefälle, aus dem Regierungsbezirk Stettin 1, aus den Regierungsbezirken Königsberg, Lüneburg je 3, aus Marienwerder 6 Erkrankungsfälle zur Mittheilung. An Genick- ]sttarre wurden aus Gleiwiß 1, aus St. Petersburg 4, aus Broollyn 9, aus New-York 23 Todesfälle, ferner aus Berlin, Kopenhagen, den Regierungsbezirken Düsseldorf und Posen vereinzelte Erkrankungen ge- meldet. Vereinzelte Sterbefälle an P ocken wurden aus Staßfurt, Budapest, Edinburg, Glasgow, Krakau, Prag, Wien und (aus dem Januar) New-Orleans, mehrfache: aus Boston (Januar) 2, aus London und Alexandrien je 3, aus Odessa 4, aus St. Petersburg und Triest je 11, aus Moskau 14, aus Bombay und Mailand (Januar) je 15, aus Birmingham 22, aus New-York 2, aus Warschau 29, aus Paris 37 berichtet. Erkrankungen an Pocken kamen aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf vereinzelt, aus Budapest und aus dem Regierungsbezirk Köntgsberg je 2, aus Hamburg 3, aus Prag 5, aus Kopenhagen 6, aus dem Regierungsbezirk Aachen 10, aus Edinburg 11, aus Wien 12, aus St. Petersburg 29, aus London 67 zur Anzeige. Aus Baltimore wird 1 Todesfall an T ollwuth (aus dem Januar) mitgetheilt.

Verkehrs-Anftalten.

Bremen, 6. April. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Schnelldampfer „Fulda“ ist am 4. April Abends in New- Vork angekommen. Der Schnelldampfer „Spree“ hat am 4. April Abends die Reise von Southampton nah New York fortgeseßt. Der Postdampfer „Neckar“ ist am 4. April Nahmittags von Neapel nah New-York abgegangen. Der Postdampfer Darmstadt" ist am 4. April Nachmittags in New-York angekommen. Der Reichs-Post- dampfer „Bayern“ hat am 5. April Mittags die Reise von Gen u a nah Southampton fortgeseßt. Der Schnelldampfer „Kaiser Wil helm 11.“ ist am 5. April Vorm. von Genua nach New-York abgegangen. Der Scnelldampfer „Werra * hat am 5. April Mittags die Reise von Neapel nah Genua fortgeseßt. Der Postdampfer „Braun - \chweig“ hat am ò. April Morgens Prawle Point passiert. Der Reichs - Postdampfer „Preußen“ hat am d. April Vormittags Gibraltar passiert. Der Postdampfer , München“ ist am 5. April Mittags von Wilhelmshaven mit einem Marine-Ablösungstrans- port nah der Ostküste von Süd-Amerika abgegangen.

7 April. (W. L. B.) Der Posftbampser Letpzig" ist am 2. April von Buenos Aires nah der Weser abgegangen. Der Postdampfer „Berlin“ ist am 3. April in Montevideo an- gekommen. Der Schnelldampfer „Aller“ ist am 6. April Morgens auf der Weser angekommen. Der Postdampfer „Roland* ist am 9. April Abends von New- Y ork nah der Weser abgegangen.

Damburg, 6. April. (W. T B) amburg-Ameri- kanishePadcketfahrt-Aktien-Gesellschaft. Der Postdampfer „Scand1ta*" ist heute Vormittag in Cuxhaven angekommen. Der Postdampfer „Kehrwieder“ ist heute in St. Thomas eingetroffen.

Wien, 6. April. (W. T. B.) In der heutigen Sißung der Konferenz, die zur Berathung über die Ausnahmetarife im Verkehr mit den ODrientbahnen zusammengetreten is, wandten sh die Vertreter der türkishen und serbishen Staats- bahnen gegen die von den bulgarishen Staatsbahnen geforderte Erhöhun der Einheits\äße, indem se er- Tlârten, daß sie im Falle der Gewährung eine gleihe Erhöhung fordern müßten. Da die bulgarischen Delegirten auf ihren Forde- rungen beharrten, so wurde beschlossen, die gekündigten Tarife der v ee Staatsbahnen vom 1. Juli d. J. ab außer Kraft treten zu lassen.

„Graz, 6. April. (W. T. B) Vom 1. bis 3. August findet hier ein Kongreß deutsher Eisenbahnverwaltungen statt.

London, 6. April. (W. T. B.) Der Castle-Dampfer N Castle“ hat gestern auf der Heimreise Madeira passiert.

1. Untersuhungs-Sachen. 2. Aufgebote, 2 ustellungen u. dergl.

. Unfall- und Invaliditäts- 2c. Versicherung. . Verkäufe, Verpachtungen, Verdingungen 2c. . Verloosung 2c. von Werthpapieren.

Deffentlicher Anzeiger.

6. Kommandit-Gesellschaften auf Aktien u. Aktien-Gesellsch. 7, Erwerbs- und Wirthschafts-Genossenschaften.

8. Niederlassung 2c. von Rechtsanwälten.

9. Bank-Ausweise.

10. Verschiedene Bekanntmachungen.

1) Untersuchungs-Sachen. | Mittags 12 Uhr, vor die 1. Strafkammer des | wohnhaft, geboren am 6. März 1865 zu Droschkau, | dieselben auf Grund der nah § 472 der Strafprozeß-

[76595] Oeffentliche Ladung. Der Kaufmann Josef Weinstein, früher in

haltsam, geboren am 22. Februar 1859 in Dobrzyn in Rußland, mosaish, wird beschuldigt, im Oktober 1887 zu Bromberg es unternommen zu haben, die Verbrauchsabgabe von mehreren hundert Litern | [1105] Branntwein zu hinterziehen. Vergehen gegen 88 17,

184, 20, 21, 34 des Reichsgeseßes vom 24. Zuni | Lehnin wohnhaft, geboren am 19. Februar 1860 zu

1887, betreffend die Besteuerung des Branntweins.

e Be Lehnin, und Derselbe wird hiermit auf den 4. Juni 1894,

Königlichen Landgerichts hierselbst, Zimmer Nr. 18, zur Hauptverhandlung geladen. ¿ ) Bei unentschuldigtem Ausbleiben des Angeklagten Bromberg wohnhaft, jeßt angeblich in Amerika auf- | wird zur Hauptver andlung geschritten werden. Bromberg, den 19. März 1894.

Königliche Staatsanwaltschaft.

Auswanderung der zu haben.

Kreis Namslau (Aktenzeichen E. 81. 94), werden beschuldigt, zu Nr. 1 als Wehrmann derLand- | zu Brandenburg a. H. ausgestellten Erklärungen ver- wehr, zu Nr. 2 als beurlaubter Reservist ohne Erlaub- | urtheilt werden. niß ausgewandert zu h ohne von der bevorstehenden ilitärbehörde Anzeige erstattet Uebertretung gegen § 360 Nr. 3 des Strafgeseßbuhs. Dieselben werden G Anordnung des Königlichen Amtsgerichts hierselb 1) Der Schiffbauer Gustav Thiele, zuleßt in | 4. Juni 1894, Vormittags 93 Uhr, vor das Königliche Schöffengeriht zu Brandenburg a. H., : Steinstraße 61, Zimmer 41, zur Hauptverhandlung 2) der Arbeiter Johann Gladies, zuleßt in Deeß | geladen. Bei unentschuldigtem Ausbleiben werden | am 9. März 1871 zu Zweiflingen, O.-A. Oehringen,

ordnung von dem Königlichen Bezirks-Kommando

Brandenburg a. Le den 24. März 1894. ppe, Gerichts\hreiber des Königlichen Amtsgerichts.

t auf den | [1711] K. Staatsanwaltschaft Hall. Vermögens-Beschlagnahme.

In der Strafsache gegen :

1) Johann Wilhelm Bartholomä, Bâter, geb.