1894 / 101 p. 9 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 30 Apr 1894 18:00:01 GMT) scan diff

Minister mit Herrn Stöcker darüber einig is, daß sie in der Sas der orthodorx-klerikalen Bestrebungen gehen wird; daher auch das Kokettieren der Herren mit dem Zentrum. Unter Führung des Herrn Brüel wird ja au das Zentrum heute entscheiden zwischen den verschiedenen Richtungen in der eyen Kirche. Das war früher niht so; noch bei der Abstimmung über die Synodalordnung hat sich das Zentrum nicht betheiligt; es enthielt sih der Abstim- mung, und Herr von Mallinckrodt motivierte noch ausdrüdlih diese ns damit, daß den Mitgliedern der protestantischen Kirche mög- ist vollständig E P gelassen werden müsse, und daß es ier um eine häusliche Angelegenheit der evangelishen Kirche handle.

err Stöcker aber ruft gerade den so verhaßten „interkonfessionellen“ andtag zur Entscheidung auf. Und wie“ wird das in Scene gefeßt! Mit der größten Rücksichtslosigkeit, in der kurzen Zeit von wenizen Wochen und merkwürdigerweise zu einer Zeit, wo der summus episcopus außer Landes weilt. Im Herrenhause genügte ein einziger Tag für das Geseß. Wie anders die katholische Kirche zur Zeit ihrer Herrschaft! Huß bekam wochenlang Zeit, \ich zu be- fehren, ehe man ihn auf den Sceiterhaufen brachte; mit Luther führte man wochenlang religiöse Gespräche; unsere modernen N rihter haben das nit nöthig. Sie haben ja den interkonfessionellen Landtag und sind sehr rash mit ihrem Urtheil fertig. Wir lehnen die Vorlage ab, weil sie die Freiheit der eigenen Ueberzeugung vernichtet. Wir waren zum Nachgeben im weitesten Maße bereit, aber unantastbar Knd die beiden Punkte des Wahlrechts und des Gelöbnisses für uns. Auf diesem Standpunkt stehen mit uns auch die Freikonservativen. Die evangelischen Gegner der Vorlage find in der großen Mehrheit gegen die Konservativen; wird das Geseß angenommen, so kommt es gegen eine Majorität der evangelishen Glaubensgenofsen zu stande. Das soll der Kirche den Frieden bringen, die verschiedenen Richtungen in der Gemeinsamkeit des Glaubens in einer Kirche vereinigen ? Nein, es wird den Unfrieden hineintragen. An den Träger der hohen- zollernshen Krone rihte ih daher zum Schluß den Ruf: Videant consules!

Minijter der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Ich habe nicht geglaubt, daß es bei der zweiten Lesung dieser Vorlage nohmals erforderli sein würde, daß ih den prinzipiellen Standpunkt, von dem aus ih die Vorlage an das Staats-Ministerium und mit dessen Zustimmung hier eingebracht habe, nochmals erörtern muß. (Sehr richtig! rets.) Ich glaube auch nit, daß die Rede des Abg. von Eynern, die wir eben gehört haben, mir auëêreihende Veranlassung bietet, hiervon abzugehen. (Sehr wahr! rets.) Aber der Herr Abg. von Eynern hat doh in einigen Punkten sich s\o persönlih an mih ge- wendet, daß ich glaube, es ihm und dem hohen Hause \chuldig zu sein, ihm eine Antwort niht zu versagen. Das ist der Grund, weshalb ich {hon jeßt das Wort ergreife. Meine Herren, ih will mich mit dem Herrn Abg. von Eynern nicht auseinanderseßzen in Bezug auf seine Stellung zum Apostolikum; denn mit dem Aposto- likfum hat diese Vorlage absolut nihts zu thun. (Widerspruch links ; ehr rihtig! rechts.)

Ich will nur bemerken, daß ih mih mit einem Saß des Herrn von Eynern nicht einverstanden erklären kann. Er hat gemeint: das Apostolikum sei zwar ein altes Symbol des Glaubens, es könne aber nie ein Bekenntniß sein. Es wird ihm {wer werden, den Theologen gegenüber diesen Say zu vertheidigen; denn in Bezug auf kirchliche Dinge hat man immer Symbol und Bekenntniß als einigermaßen gleihbedeutend angesehen. Ich wollte das wenigstens niht unwider- \sprochen laffen.

Im übrigen halte ich au dem Zweifel des Herrn Abg. von Eynern gegenüber durchaus aufreht, daß diese Vorlage der Ausdruck eines Geistes des Friedens und der Versöhnung ist und sein foll. (Beifall rets.)

Meine Herren, der Herr Abg. von Eynern hat gesagt, auf der General-Synode habe sich, so wie er die Verhandlungen der General- Synode gelesen habe, gar kein Bedürfniß für diese Vorlage gezeigt. (Abg. von Eynern: Das habe ih nicht gesagt!) Ich habe es fo verstanden. Ih habe aus den Verhandlungen der General- Synode und ihren Resolutionen herausgelesen, daß man das dringendste Bedürfniß nach dieser Vorlage habe.

Dann ift mir, wie das ja au {hon in der Presse geschehen ist, meine frühere ablehnendeAntwort wieder vorgehalten worden, undes ist auch jeßt von mir verlangt, ih hätte doch abwarten follen, daß die General- Synode ihre Wünsche speziell formuliere. Nun, meine Herren, die Wünsche sind speziell formuliert an mich herangetreten vom Ober- Kirchenrath, und wenn die General-Synode nicht versammelt ist, habe ih den Ober-Kirchenrath als Mund der Kirche anzusehen. Da war die Formulierung, die ich im vorigen Jahre vermißt habe, und das war dohch ausreihendes Material für mich, um auf die Sache ein- zugehen und die Anträge des Ober-Kirchenraths nicht kurzer Hand aus rein formalistishen Gründen abzulehnen.

Nun fagt der -Herr Abg. von Eynern, von einem offenen Konslikt zwischen dem Staat und der evangelischen Kirche sei bisher keine Rede gewesen; im Gegentheil, es sei zu befürhten, daß diese Vorlage den Konflikt herbeiführe. Ja, meine Herren, Gott sei Dank, daß wir einen offfenen Konflikt bisher niht gehabt haben; aber dieser Konflikt drohte uns, wenn wir die Wünsche, die die General - Synode einstimmig ausgesprohen hat, einfah von der Hand wiesen, wenn wir die Beschlüsse der General - Synode verächtlih behandelten. Das war meine Sorge, daß daraus ein Kon- flikt entspringen müßte, und diesem Konflikt wollten wir vorbeugen. (Beifall rets.)

Nun i} mir gesagt worden : Du bringst das Rad in’s Nollen ; traust Du Dir die Kraft zu, das Rad aufzuhalten ? Ja, meine Herren, nit mir traue ih die Kraft zu ; aber der Staatsregierung, und den Staatsinteressen traue ih allerdings die Kraft zu, das rollende Rad aufzuhalten, wenn es sih gegen den Staat wendet, und wenn die Interessen des Staats größer sind als etwaige un- berechtigte Ansprüche der Kirche. Meine Herren, das landesherrliche Kirchenregiment und das Interesse des Staats wird die unübersteig- lide Schranke bilden zwischen etwaigen übertriebenen Ansprüchen der Kirche Und dem, was im staatlihen Interesse nothwendig und zu ver- langen ift.

Es ist mir entgegengehalten worden, daß ih vielleicht der Kirche gegenüber von einem zu idealistishen Optimismus ausgegangen wäre. Es ist das namentli in der Kommission von einer Seite, auf die ich erheblichen Werth lege, mir gesagt: wie kannst du diesen Optimis8mus rechtfertigen? is überhaupt der evangelishen Kirche gegenüber ein folher Optimismus gerechtfertigt? Meine Herren, es ist sehr {wer zu entscheiden, ob eine mehr optimistische oder mehr pessimistifche Auf- fassung der Menschen und der Verhältnisse richtig ist. Ih für meine Person bekenne mich in verständigen Grenzen zu einer mehr optimistischen Auffassung. Das liegt [s{hon in meiner ganzen uristishen Entwickelung. Jn der ganzen Jurisprudenz "gilt der Say

„quisquis praesumitur bonus“; er gilt den physischen Personen gegenüber, er gilt in noch größerem Maße den moralischen Personen

gegenüber, und wenn er irgend einer Person gegenüber gelten soll, fo

muß es der moralischen Person der evangelishen Kirche gegenüber fein! (Sehr gut! rechts.)

Ih finde au, meine Herren, absolut keinen thatsächlichen Anhalt dafür, daß die Synoden Beschlüsse fassen werden, die den Frieden der evangelishen Landeskirche bedrohen werden. Wenn das wirklich gesehen sollte, dann hätten wir noch immer in dem landes-

herrlichen Kirchenregiment und dem Placet des Staats-Ministeriums -

sehr wirksame Mächte der Abwehr, und nah meiner Ueberzeugung wirk\famere als der interkonfessionelle Landtag, auf den jeßt die Kirche zurückverwiesen wird. (Sehr richtig! rechts.) Auch die Mazjoritäten des Landtags wechseln, und unter Umständen kann es kommen, daß der Landtag dem schärfsten Kirchengesez, wenn seine Majorität dazu an- gethan ist, zustimmt. - Nein, meine Herren, ih habe die Ueberzeugung, daß, wenn die Synodalverfassung überhaupt Sinn haben foll, man der evangelishen Kirche ein gewisses Maß von Freiheit und Selbständig- feit gewähren muß, ein Maß von Freiheit, unter dem sie ihre reichen inneren Kräfte entwickeln kann; niht um Dogmatismus zu treiben davon ist keine Rede.

Und, meine Herren, noch eins. Jch bin davon überzeugt, daß die Wahrheit und eht evangelische Freiheit in der evangelishen Kirche immer zum Durhbruch kommen muß, selb wenn einmal eine un- berechtigte Richtung in der evangelischen Kirche das Uebergewicht zeitweise gewinnen und die Wahrheit trüben follte, und diesen Opti- mismus, den vertrete ih vollständig.

Meine Herren, es is mir nicht entgangen, daß sih in den Kommissionsverhandlungen und auch son bei der ersten Berathung hier gezeigt hat, daß ernste evangelische Männer s{chwere Besorgnisse an diese Vorlage geknüpft haben; Männer, mit denen ih zum theil seit langen Jahren verbunden bin, von denen wenigstens von einem ih weiß, daß er mit mir auf demselben kirhlichen Bekenntniß und Standpunkt steht. (Hört! hört!)

Meine Herren, das hat mich veranlassen müssen und hat mi veranlaßt, mir nohmals die Frage vorzulegen: bist du hier nicht auf dem falschen Wege ? Hast du nicht Dinge übersehen bei dieser Vor- lage, die das ernste evangelishe Gewissen beunruhigen ? Ich habe diese Prüfung eintreten lassen, aber ih kann versichern vor Gott und meinem Gewissen, daß ich zu dem Resultat gekommen bin, daß das Prinzip der Vorlage richtig ist, und daß ih keine Veranlassung habe, davon zurückzutreten. Ih weiß, daß die Vorlage ein Werk des Friedens und der Versöhnung is (sehr richtig! rechts, Widerspruch links) und daf sie au so vom Staats-Ministerium aufgefaßt ist.

ch will auf die Einzelheiten alle niht eingehen; auch ih theile den Wunsch, daß eine große evangelishe Majorität, ja, womöglich alle Evangelischen des Landtags für diese Vorlage eintreten möchten; ih habe mih in der Kommission in diesem Sinne ausgesprochen, ih habe ausdrücklich gesagt, daß ih alles thun werde, was in meinen Kräften steht, um dazu zu helfen. Ich würde selbst da, wo ih den prinzipiellen Standpunkt der Vorlage für richtig halte, gar kein Bedenken tragen, darauf einzugehen, von diesem prinzipiellen Standpunkt etwas naczulassen im § 34; denn ich halte es für voll- Tommen ungefährlih: ih halte es für ausgeschlossen, daß die evan- gelishe Kirche in ihrer Vertretung unsinnige Beschlüsse fassen follte, auf Grund deren die Kirhe \sich selbst vernihten würde. Nein, meine Herren, «ih wünsche ja die Verständigung, aber ih bin dahin gekommen, daß ih prinzipiell sagen muß, die Vorlage an sich is richtig; sie wird auch dazu beitragen, den Frieden zu erhalten. Daß Sie jeßt diese Besorgniß in so großem Maße hegen, verstehe ih. Es ist nah der Ausarbeitung der Vorlage und nach ihrer Gutheißung von seiten der Staats- regierung die Agendenfrage aufgetreten. In dieser Agendenfrage sind ja manche Worte gefallen in der Presse und auch in den Provinzial-Synoden, von denen ih anerkenne, daß sie zu Be- denken Veranlassung geben können. Aber, meine Herren, was aus der Agendenfrage wird, das weiß ja heutzutage noch fein Mensh. (Bewegung links.) Nach meiner Ueberzeugung wird au die Agendenfrage in Frieden gelöst werden; es fehlt durchaus jeder thatsächlihe Anhalt für die Annahme, daß durch die Agende der Landeskirhe ein Zwang auferlegt werden foll, der un- erträglih wäre. Warten wir doch das ab! (Bewegung links.) Nun, um einer bloßen Besorgniß, um einer bloßen Tendenz, einer Tages\trömung willen, die augenblicklich in der Luft s{chwebt, und deren Ausgang mindestens ungewiß ist, diefes grundfäßlih als richtig anerkannte Geseß zurückzustellen und es fallen zu lassen nein, meine Herren, das ist eine Zumuthung, die für mi zu weit geht. (Bravo! rechts.)

Meine Herren, daß die Vorlage niht im tiefsten Grunde be- denklich ist, daß sie prinzipiell berechtigt erscheint, das ist anerkannt durch die Anträge, die hier vor uns liegen ; das sind Einzelheiten, aber der Grundgedanke der Vorlage wird damit als ein richtiger, als ein friedsamer, als ein der Versöhnung dienender zugegeben. Deshalb kann ih nur sagen, meine Herren: nehmen Sie die Vorlage an, ih will gern die Verantwortung dafür tragen (Bewegung links) ; ih bin ganz gewiß, daß sie zum Heil des Vaterlandes und zum Heil der Kirche dienen wird. (Lebhaftes Bravo! rets.)

Abg. Stöcker (kons.): Um sih einen glänzenden Abgang zu sichern, ruft Herr von Eynern: Vidoant consules! In Kirchenfsachen gehört das Wort eigentli niht hin. Als es sih im Reichstag um den österreihishen Handelsvertrag handelte, da hätte man das rufen fönnen; man hielt aber nicht einmal cine Kommissionsverhandlung für nöthig. Seit dem 30. Januar ist die Vorlage ausführlich erörtert worden. (Nufe links: Wo denn?) In der Oeffentlichkeit, in der Presse; die Sache steht seit 29 Jahren auf der Tagesordnung der evangelischen Kirhe. Nun will Herr von Eynern noch Frist zur Orientierung, zur Ueberlegung. Er muß also doch wohl in der ganzen Sache niht recht bewandert sein. Wenn er die Abwoesen- heit des Landesherrn herbeizieht, so vergißt er wohl, daß wir Post und Telegraphen, daß wir ein Staats-Ministerium haben. Herr von Cynern will offenbar die Vorlage besonders mit meinem Namen verknüpfen, wie das die Linke so an sih hat. Mir und tneinen Anschauungen geht der Entwurf lange nicht weit genug ; ih hätte einen viel kürzeren Entwurf ausgearbeitet. Dieser Entwurf ist eine Filtration, hindurhgegangen durch die Diskussion aller Nich- tungen in der General-Synode. Wenn die Linke fo feindlih dagegen auftritt, so zeigt sie, daß sie damit in Widerspruch steht zu Allem, was offizielle evangelishe Kirche heißt. Ein konservativer Minister fann wirkli niht wissen, was.später die General-Synode thun wird; bei cinem nationalliberalen Minister wird das vielleiht anders

sein. Wir werden die Vorlage dankbar annehmen. Wir werden ernst erwägen, ob wir weitere( Forderungen zu erheben haben,

ob «wir ein weiteres Stück Freit eit brauchen; kommt es dazu, fo

werden wir, unbekümmert um Ihren Widerspru, wieder an den Landtag herantreten. Die Genesis dieser Forderungen der Kirche hat Herr von Eynern ganz falsch dargestellt. Geistliches und welt- lies Regiment darf nicht yermengt werden; auf diesem Grundsaß steht die evangelishe Kirche, ohne ihn gäbe es diese Kirche gar nicht. Die Geschehnisse der Reformationsjahre haben diesen Grundsaß zeit- weilig in den Hintergrund geshoben. Aber namentli als der Staat ein konstitutioneller Staat wurde, haben alle denkenden Menschen in der Kirche, von Stahl an, die Wiederbefreiung der Kirhe vom Staat gefordert. Seit den vierziger Jahren stehen die Herren Liberalen auf der Zinne der Forderung: selbstständige Verwaltung kfirhliher An- gelegenheiten. Hätten sie die Mehrheit in den Synoden, so würden sie diese Zinne noch um ein Stockwerk höher errichten; aber sie haben die Mehrheit nicht gewonnen, weil es ihnen an Boden im Volke fehlte, deshalb sind sie jeßt gegen die Freiheit der Kirche. Etwas Kläglicheres giebt es überhaupt nicht, als die Rolle, die jeßt die Liberalen in den Kirchenfragen spielen. Einstimmig war der leßte Be- {luß der General-Synode.s:;Hat Herr von Eynern keine Achtung vor dieser Vertretung der größten evangelishen Kirche der Welt ? Lafsen Sie ih doch in die General-Synode wählen, verfehten Sie dort Ihre dogmatischen Ansichten, aber machen Sie den preußischen Landtag nicht zu einem Konzil! Die Liberalen sollten sih doch überlegen, ob dieser Streit unter den Evangelischen im Landtag von besonderem Taktgefühl zeugt gegenüber unsern fatholishen Kollegen. Wie ein Romans\chrift- steller malt Herr von Eynern die Preelicen Folgen dieses „Unfrieden- gesetzes" aus. Ein Thor, der es wünschen würde, die Zugehörig- keit zur evangelishen Landeskirhe vom Apostolikum abhängig zu machen, is mir noch 1#cht vorgekommen. Jh erkläre, daß ih jene Aeußerung, daß, wenn ein Geistliher die Verpflichtung auf das Apostolikum nit anerkennen kann, er aus der Kirche aus- {heiden möge, nur gethan habe im Anschluß an eine Zeitungsmeldung, wonach ein Berliner Geistlicher einen folchen A gethan haben sollte. Ich hatte dieser Auffassung zugestimmt. Es {stellte fich nah: her heraus, daß der Mann gesagt hatte, dann würde er sein Amt niederlegen. Die Verpflichtung auf das Apostolikum bei der Ordination, bei der Taufe, bei der Konfirmation steht in der geltenden Agende; die neue Agende will dies bci der Ordination weglassen, und dagegen erklären wir uns, weil in der heutigen Zeit, wo alles auf das Apostolikum einstürmt, ein solches Vorgehen verhängnißvoll wäre. H von Eynern hat den Schatten Luther's zitiert ; wäre Luther hier, er würde mit ihm kurzen Prozeß machen ! Warum soll das Zentrum nicht sein Urtheil abgeben, warum keine Meinung haben in diesen Dingen? Es handelt damit einfah_ in feinem NReht und in seiner Pflicht. Wenn Herr von Eynern von dieser Vorlage die Vernichtung der evangelischen Freiheit befürchtet, fo wird er sih {hon vier Wochen nah dem Inkrafttreten des Gesetzes vom Gegentheil überzeugen. Es is das Ganze ja bloß ein Lärm ad hoc, wie beim Schulgeseß. Rufen Sie nicht die Konsuln an, fondern den lebendigen Gott da droben! Wie in der politischen , giebt es in der geistigen Welt ein kleines Gebiet, wo Staat und Kirche, Gesetz und Freiheit fich in die Herrschaft theilen. Dieses Gebiet muß fich stets im Gleichgewicht befinden, sonst kranken beide Theile. Warum sind die Kirchen, wo die Geistlichen des Protestantenvereins predigen, fast ausnahmslos leer? Wir brauchen nicht folche Abstraktionen, sondern ein wahrhaftes, lebendiges Glaubensleben. Für diese Forde- rung liefert auch die Vorlage eine willkommene Form.

Abg. Freiherr von Zedliß (fr. kons.): Der Kirche soil jede Frei- heit gewährt werden, welche sie felbst für nüßlih und nothwendig hält: aber in Bezug auf die Einzelheiten liegt keineswegs Ueber- einstimmung aller Meinungen vor. Ich stehe niht auf dem grund- säglih ablehnenden Standpunkte der Nationalliberalen; ih stimme dem Kultus-Minister darin bei, daß auch der Landtag nicht immer Schuß gewährt gegen eine extremfirchlihe Geseßgebung ; zur Zeit glaube ich auch nicht, daß die General-Synode zu weitgehenden Ge- brauch von der Geseßgebungsfreiheit machen wird. Es steht anderer- seits fest, daß die große Mehrheit der Protestanten in diesem Hause erhebliche Bedenken gegen die Lösung der Bestimmungen über das Wahlrecht aus der staatsgeseßlihen Bindung hat. Ein praktisches Bedürfniß zu dieser Lösung hat auch der Minister, wie er in der Kommission erklärte, nit erkennen können. Durch diese Lösung wird, so fürhten weite Kreise, ein Glaubenszwang herbeigeführt werden. Um diese Befürchtung und. dieses Mißtrauen treuer evangelischer Kreise ¡u beseitigen, sollte man der Forderung entgegenkommen und unseren Antrag annehmen. Dann wird si eine wirklich beträchtliche evange- lische Mehrheit für dieses Geseß im Hause finden.

Abg. Dr. Porsch (Zentr.): Im Lande ist aus Anlaß des Um- standes, daß das Zentrum bei dieser Vorlage vielleicht den Aus\chlag geben könnte, eine Bewegung insceniert worden, welche sehr viel Aehnlichkeit mit derjenigen beim Zedliß’shen Volksshulgeseß besißt. Wie wir heute zu diesem Gesetze stehen, so haben wir von jeher zu solhen Gesetzen gestanden. Herr von Mallinckrodt hat nicht bloß das Recht, sondern au die Pflicht für das Zentrum in Anspruch ge- nommen, an der Votierung dieser E theilzunehmen, namentlich in Fällen, wo von seiner Stimme es abhängen möchte, das Gesetz zu stande kommen zu lassen. 1876 hat Windthorst denn auch ausdrüd- lih erklärt , das Zentrum werde gegen die Generalsynodalordnung stimmen, weil es die staatlihen Organe für niht zuständig erachten könne für die Konstituierung der evangelishen Kirche ; um so freudiger werde es einem Gesetze zustimmen, welches die kirhliche Gesetzgebung von der staatlichen Mitwirkung befreien würde. Aus dieser Erklärung Windthorst's geht zweifellos hervor, daß das Zentrum für die Vorlage stimmen muß, weil zur Zeit niht mehr zu erlangen sei und die Rechte auch damit zufrieden ist. In eine Crörterung der ein- zelnen Bestimmungen einzutreten, hat das Zentrum nicht die mindeste Veranlassung. Es is nicht rihtig, daß das Zentrum hier zwischen den verschiedenen Richtungen der evangelischen Kirche entscheidet; es handelt {ih hier bloß darum, das Verhältniß zwischen Staat und Kirche zu regulieren. Wie wir für üns die Freiheit wollen, find wir bereit, sie den anderen Kirchen zu gewähren. Wir wollen gerade den preußishen Landtag davor bewahren, daß hier die Fragen der Agende, des Apostolikums zur Debatte und Entscheidung geftellt werden. Wir glauben mit Mallinckrodt: es ist delikater, diese An- gelegenheit als eine häuélihe Angelegenheit der evangelischen Kirche zu betrachten. F

Abg. Dr. Enneccerus (nl.): Der Vorredner übersieht oder will niht wissen, daß mit diesem Geseß einem Theil der evangelischen Kirche im Kampfe gegen einen anderen eine gewe Staatsh. geleistet wird. Die Rede des Herrn Stöcker war wahrhaftig nicht diejenige eines Friedensapostels. Er hat uns eine Menge von Schmähungen entgegengeworfen. (Vize-Präsident Freiherr von Heereman erklärt den Ausdruck „Schmähungen“ für unzulässig.) Herr Stöcker will das Apostolikum, weil er Irrgläubige braucht, die dann aus den Aemtern und von der Kanzel vertrieben werden follen. Wer nit das Apostolikum ausdrücklih bekennt, soll von den kirchlichen Aemtern, vom kirhlihen Lehramt ausgeschlossen sein. Bei der ungemeinen Gestaltungsfkraft der Vorstellungen des Herrn Stöer erscheint es Herrn Stöcker so, als ob die Liberalen den Unfrieden, den tirchlidhen Kampf wollten. Daß in der General-Synode, d!e aus dreifachem Filtriersystem hervorgeht, jede Minorität unterdrüd! wird, ‘weiß Herr Stöcker so gut wie wir. Wie kann er die Voten dieser Synode als einstimmige der Kirche hinstellen? Herr Stöter sagt, er hätte den Entwurf ganz anders gemacht. Das glauben Gy ihm, davon sind wir überzeugt, aber deshalb treten wir gerade diesem ersten Schritt entgegen, weil ihm ganz unausbleiblich weitere folgen „werden. Damit is denn auch zugleich der Standpunkt des Ministers vollständig widerlegt. Daß wir, wie der Minister meint, mit dem übrigen Inhalt des Gesetzes einverstanden sind, weil wir uns nur gegen zwei Punkte erklären, ist nicht richtig. (Redner such! dies an einer Reihe von Einzelbestimmungen U _be- weisen, welhe § 1 von der geseßlihen Bindung [ôse.) Wenn wirklich niemand daran denkt, das Apostolikum zur Bedingung für das Gelübde und das Wahlrecht zu ae dann inachen Sie doch die Probe auf das Exempel und lassen Sie die staatsgesetzliche Bindung bestehen. Wenn . diese beiden Fra A momentan wirkli für Sie keine Bedeutung haben, fo nehmen Q!

doch unsere Anträge an, mit denen Sie im wesentlißen Alles, was Sie wollen, erreichen, und Sie erhalten das Geseß mit einer Mehr- heit, welche wirflih den firchlihen Frieden verbürgt. Die Frage des Gelöbnisses ist eine Frage der Zusammenseßung des Kirchenraths, denn nur diejenigen, welche das Gelöbniß ablegen, können in den Kirchenrath eintreten. Daraus geht schon hervor, wie ungemein S die Freigebung der kirchlihen Geseßgebung für das Ge- lübde ist.

Abg. Dr. Klasing (kons.): Neue Gesichtspunkte sind in der heutigen Berathung nicht zu Tage getreten. . Meine Fraktion mußte heute wieder die bedauerlihe Wahrnehmung machen, daß das wesent- liche Leitmotiv der Linken das Mißtrauen gegen die jeßige Organisation der evangelishen Kirche ist; die Linke bekämpft die Bedes: nicht aus sih heraus, sondern verlangt, die Einwirkung auf die Kirche von außen weiter zu behalten, weil sie glaubt, die innere Entwickelung der Kirche werde zu einem für die Linke unliebsamen Resultat führen. Wir theilen dieses Mißtrauen nicht; wir haben auch aus der Mitte der evangelischen Bevölkerung Stimmen des Mißtrauens nicht vernommen, im Gegentheil Petitionen erhalten , welche sich sehr warm für die Vorlage verwenden , und diese Petitionen stammen aus Kreisen, welche politish der Linken sehr nahe stehen und kirchlich der freieren Richtung angehören. Die Trennung der Kirche vom Staat ist doch seit 1848 eines der Ziele des zielbewußten Liberalismus

ewesen; um so unverständlicher ist die heutige Haltung der national- liberalen Partei. Noch 1877 haben angesehene Nationalliberale sich ganz anders geäußert. Wir beurtheilen die Vorlage nah dem Gesichts- punkte, ob für E eine Bestimmung derselben ein dringendes Staatstnteresse vorliegt, die staatlihe Bindung aufrecht zu erhalten. Dieses Interesse verneinen wir und stimmen daher der Vorlage zu. Auf die zwei Punkte, welche der liberale Antrag betrifft , legen wir mit Herrn Enneccerus das größte Gewicht; wir bedauern, uns mit ihm in dieser Beziehung nicht verständigen zu können.

Abg. Haake (nl.): Mit s{chwerem Herzen bin ih an die Prüfung der Frage herangetreten, wie ih mich diesem Geseßentwurf gegenüber verhalten follte; nah den heutigen Erklärungen des Abg. Stöcker ist mir mein: Entschließung sehr erleichtert. Herr Stöcker hat heute dürr und nackt proklamiert: Wer nicht glaubt, wie ich, ist nicht Mit- glied der offiziellen Landeskirche! In diefer Hinsicht stelle ih mich auf den Standpunkt des Zöllners, niht des Pharisäers. 1873 hat der Ober-Kirchenrath in einem Erlaß ausdrücklich ausgesprochen, daß für die auf evangelishem Boden Stehenden keine trennenden Unterschiede, sondern ein gemeinsames Band durch die Kirchen-Gemeinde- und Synodalordnung gegeben sei, daß also die größere oder geringere Kirchlihkeit nicht rtféteibend sein könne. Von diesem Geist ist in der Rede des Herrn Stöer nihts mehr zu merken gewesen. Wenn der Entwurf durhgeht, wird er mit zwei [{chweren Fehlern behaftet sein: er wird seinen Zwedck, staatliche und kirhlihe Befugnisse abzugrenzen, verfehlen, und er wird nur mit Hilfe von Nicht-Cvangelischen zu stande gekommen sein: Statt Frieden zu erlangen, werden wir wieder den Kampf haben, einen neuen Kultuckampk. Wenn Sie wirkli ein Friedenswerk wollen, so nehmen Sie unsere Vorschläge an!

Die Abgg. Dr. Irmer (kons.), von Kröcher (konf.) und Dr. Bachem (Zentr.) verzichten auf das Wort.

Abg. von Eynern will dem Abg. Stöcker in ausführlicher Weise nit mehr antworten. Mit diesem Apostel des Friedens sei nah dem, was er heute gesagt, nicht mehr zu diskutieren. Von einem Entgegen- kommen des Ministers im Sinne unserer Anträge, fährt MRedner sodann fort, haben wir in der Kommission nichts bemerkt; niht bloß die Herren Konservativen haben zu unseren Anträgen geshwiegen und uns dadurh zum Austritt aus der Kommission gezwungen, sondern auch der Minister hat geshwiegen.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Der Herr Abg. von Eynern scheint sich in einem ganz offenbaren Jrrthum zu befinden. Der Herr Abg. von Eynern daraus erklärt sich das vielleicht war in der betreffenden Kommissionssißung nicht anwesend, als Herr Abg. Haake diese Verständigungsvorschläge zuerst überhauvt erwähnte. Ich habe darauf erwidert, daß ih ich glaube mich der Worte noch zu erinnern einen unbeschreiblich großen Werth darauf legen würde, wenn ih dazu beitragen könnte, daß von einer evangelischen Majorität, womöglih von allen evangelischen Mit- gliedern, dieses Gese angenommen werden würde. Wenn Herr von Eynern dabei nicht gegenwärtig gewesen ist, so kann ih nicht dafür ; aber deshalb zu sagen, ich hätte es an Entgegenkommen fehlen lassen, nein, meine Herren, das halte ih nicht für gereht. (Bravo! rets.)

Abg. Stö cker (kons.): Die Linke ist außer stande, zu verstehen, vas wir wollen. Mit ganz erstaunlihen Uebertreibungen und Miß- verständnissen gehen Sie vor. Herr Haacke legt mir einen Ausspruch unter, den ih einfach nicht gethan habe, weil er Unsinn ist Die Schuld liegt auf Ihrer Seite; behandeln Sie die Dinge sahlich, dann wird man mit Ihnen verhandeln können! Ich identifiziere niht den Glauben und das Apostolikum; leßteres ist nur ein kleiner Theil unseres Glaubensbckenntnisses, wie es in den großen reforma- torishen Schriften niedergelegt is. Der Liberalismus will mit der Staatsmacht die Kirche bekämpfen, und diese historishe That- sache benutzt Herr Enneccerus, um meine subjektive Wahrhaftigkeit anzuzweifeln. Es ist weder gereht noch ehrlih, mit Jnsinuationen und Vermuthungen zu fechten.

Aba. Rickert (fr. Vgg.): Nicht Herr Enneccerus, sondern der Kultus-Minister hat gesagt, daß er auf eine Anregung des Herrn Stöcker der Sache R getreten sei. In dem Moment, wo Sie die Minorität in der Kirche unterdrückt haben, da wollen Sie noh weitere Vorcehte, Steuerrehte und sonstige Privilegien! Bei der dritten Lesung werden die Herren in dieser Beziehung noch weiter belehrt werden. Dieses Geseß wird den Frieden der Kirche niht bringen. Für die Freiheit des Steuerzahlens ohne Rechte in der Kirche danken wir. Es steht fest, daß für unsere Forderung zum Wahlrecht der Minister zugänglich ist, die Rechte aber die Hand der Versöhnung zu- rückweist.

Abg. Stö ker (kons.): Auch Herr Rickert imputiert mir, was ih Herrn Haake schon. zurückgewiésen habe. Wo geschieht es denn, daß, wenn man die Majorität e man sie nicht benußt? Diese Auffassung ist mir ganz neu, namentli von den Liberalen. Wo haben Sie denn früher, als Sie die Mehrheit hatten, uns in die Aemter der Synoden eingeseßt ? Wir sind zu jeder Versöhnung bereit, aber mit der Ver- \öhnung der Personen ist es niht gethan, und gewisse Grundsäte, biblischer Glaube und weltliche Gedanken können sich nicht versöhnen.

Abg. Knörck e (fr. Volksp.) : Meine Freunde werden dem Geles in allen Punkten entschieden entgegentreten, in der Ueberzeugung, da die Vorlage nicht ein Werk des Friedens, fondern ein Anlaß zu fort- geseztem verhängnißvollem Kampfe sein wird. Sie wollen den protestantishen Liberalismus vollends vernichten: das ist die fir- liche Freiheit, die Sie (rechts) wollen. Wir wollen die wirkliche firhlihe Freiheit, deshalb werden wir das Gefeß ablehnen. -

Abg. von Eynern (nl.): Beim Abschluß der allgemeinen Besprechung in der Kommission erklärte Herr Enneccerus, es sei uns unmöglich, den Verhandlungen weiter beizuwohnen, wenn die Mit- glieder in ihrem Schweigen verharrten. Da hat auch der Minister A obwohl ein Wort aus seinem Munde die Situation fo- ort verändert haben würde.

Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Jh hatte, als Herr Abg. Enneccerus in der be- treffenden Kommissionssißung die Schlußbemerkung machte, bereits materiell die Stellung genommen, die Herr von Eynern jeßt die Güte gehabt hat, in vollkommen zutreffender Weise zu bezeichnen. Damit hatte ich meine Stellung zu der ganzen Sache erklärt. Als der Gegensatz sih zuspißte, da war es nah meiner Auffassung ganz gewiß niht Sache des Ministers, sich in diesen häuslichen und durchaus

internen Streit der in der Kommission vertretenen Parteien einzu- mischen. (Sehr richtig! rechts.) Ich habe das mit der peinlichsten Sorgfalt vermieden und glaube au heute noch, daß es richtig war. (Sehr rihtig! Bravo! rechts.)

_Nach einigen mehr persönlichen Auseinanderseßungen zwischen den Abgg. Dr. Enneccerus, Ricert und Stöcker wird die Diskussion geschlossen.

Vor der Abstimmung beantragt Abg. von Eynern (nl.), den stenographischen Bericht dieser Sißung den Mitgliedern der General-Synode zuzustellen.

Der Präj ident erklärt einen solchen Antrag nah Schluß der Diskussion für niht mehr zulässig.

__ Der erste Antrag Enneccerus, wonach die kirhengefeßlihen Bestimmungen über das Gelöbniß der Kirchenältesten nah wie vor an die Zustimmung des Land- tags gebunden sein sollen, wird gegen die Stimmen der Nationalliberalen und Freisinnigen abgelehnt, desgleichen der zweite, mit dem freikonservativen Amendement übereinstimmende Antrag, welcher denselben Vorbehalt hinsichtlih des aktiven kirchlihen Wahlrehts macht in namentlicher Abstimmung mit 167 gegen 112 Stimmen.

8 1 der Vorlage wird darauf unverändert an- genommen.

Dafür stimmen die Konservativen, das Zentrum, die Polen und die Freikonservativen.

8 2 wird, nachdem der Abg. En neccerus E) erklärt hat, daß er eine weitere Diskussiow für nußlos halte, ohne Debatte angenommen. j :

Die Nationalliberalen und Freisinnigen verlassen zum größten Theil den Saal. i

Darauf werden auch die §8 3 bis 5, Ueberschrift und Einleitung des Entwurfs unverändert genehmigt.

Schluß nah 5 Uhr. Nächste Sizung Montag 11 Uhr.

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Antwerpener Ausstellung.

Am Sonnabend waren im Sitzungssaal des Reichs-Versicherungs- amts die Ausstellungsgegenstände des Verbandes der Deutschen Be- rufsgenossenshaften, welche für die internationale Ausstellung in Ant- werpen bestimmt sind, zur Besichtigung der Interessenten ausgelegt. Sie bestehen aus vier großen Wandtafeln, auf welchen die gesamnite deutsche Arbeiterversiherung graphisch und in Zahlen mit ihren Resultaten bis Ende 1893 dargestellt is. Außerdem werden sämmtliche sh auf die Unfallversiherung beziehenden Geseße aus der Bibliothek des Reichs-Versicherungsamts, sowie die Statuten und Unfallverhütungsvorschriften der deutschen gewerblihen Berufs- ge zur Vorführung gelangen. Der von dem Ge- heimen Regierungs - Rath Dr. Zacher, Mitglied des Neichs- Bersicherungsamts, \. Z. für die Chicagoer Weltausstellung aus- gearbeitete „Leitfaden zur Arbeiterversiherung des Deutschen Reichs“ ist vom Verfasser für das Jahr 1893 neu zusammengestellt und wird in der Antwerpener Ausstellung in einer französishen Ausgabe gratis zur Vertheilung gelangen. Sicherlih wird es für viele Besucher der Antwerpener Ausstellung von großem Interesse sein, durch die Ausstellung des Verbandes der Deutschen Berufsgenossenschaften über den Umfang der deutschen Arbeiterversicherung eine Uebersicht zu ge- winnen, durch welche deren Ergebnisse dank dem Entgegenkommen des Reichs-Versicherungsamts bis in die neueste Zeit Fräul werden.

Zur Arbeiterbewegung.

Fn Mühlenbeck haben die Arbeiter der Ofenfabrik von Holzhüter, 20 an der Zahl, die Arbeit niedergelegt. Im yver- gangenen Herbst war ihnen, wie der „Vorwärts“ berichtet, ein nicht unerheblicher Lohnabzug gemacht worden, den sie jeßt, da das Geschäft besser geht, wieder beseitigen zu können glaubten. Der Fabrikant entsprah anfangs dem Ersuchen der Arbeiter zum theil, machte aber seine Zugeständnisse später wieder rückgängig.

Hier in Berlin haben nah demselben Blatt in der Filz\chuh- Fabrik von Silberstein sämmtliche Zwicker wegen eines 15 pro- zentigen Lohnabzugs die Arbeit niedergelegt.

Aus Wien meldet ein Wolff’shes Telegramm: Jn zwei von den Wiener Bauarbeitern gestern abgehaltenen Versammlungen, die beide ruhig verliefen, wurde beschlossen, heute in den Ausftand einzutreten. Die Bauarbeiter, deren Zahl auf 30 000 geschäßt wird, verlangen eine Verkürzung der Arbeitszeit um eine Stunde, ferner Aufhebung der Accordarbeit sowie Einführung der einheitlichen Ar- beitsordnung. Die Zimmerleute lehnten es wegen der ungünstigen Verhältnisse ab, den Ausstand ins Werk zu seßen.

In Reichenberg i. B. stellten der „Köln. Ztg.“ zufolge sämmtliche Arbeiter der Tuchfabrik Langstein und Söhne die Arbeit ein, weil ihnen die Freigabe des 1. Mai verweigert wurde.

Aus dem Gouvernement Petrikau berihtet die „Bresl. Ztg.", daß der größte Theil der dortigen Arbeiter die Arbeit wieder aufgenommen hat. Das Militär ist theilweise in die Garnisonen zurückgekehrt. 4

Zum Weberausstand in Castres (vgl. Nr. 99 d. Bl.) wird der „Nhein.-Westf. Ztg.“ aus Paris geschrieben: 1100 Arbeiter verlicßen die Webstühle, weil man ihnen eine verlangte Lohnerhöhung niht gewähren wollte. Der Friedensrihter wollte in Gemäßheit des Geseßes von 1892 das Schiedsrihteramt übernehmen, drang aber damit nicht dur. Die Stimmung der Aus- ständigen is eine sehr gereizte. Etwa tausend von ihnen versperrten die Straßen, auf welchen die Fabrikanten die Arbeit nah den umliegenden Dörfern zu den kleinen Meistern befördern lassen wollten. Da die Ausständigen des bestimm- testen erklärt hatten, fie würden si eher todtshlagen lassen, als den Waaren den Weg zu öffnen, ließen die Fabrikanten die Wagen und die zur Deckung mitgeschickten Gendarmen wieder umkehren. Die Ausständigen begleiteten dann die Wagen bis in die Fabriken zurü.

Aus Rom wird : dem „W. T. B.“ telegraphiert: Nah Mit- theilungen der Blätter meldeten die Präfekten in ihren Berichten an das Ministerium des Innern, daß am 1. Mai sozialistishe Kundgebungen, wenn auch in geringerem Umfang, überall orga- nifiert seien.

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Koblen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 28. d. M. gestellt 10 696, niht rechtzeitig gestellt keine Wagen. i i In Ob ersWlesten sind am 27. d, M. gestelli 3403, nit recht} zeitig gestellt keine Wagen.

Zwangsversteigerungen

Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin standen am 98. April die nachbezeilhneten Grundstücke zur Versteigerung : Steglißerstr. 13, dem Kaufmann Adolf Auerbach gehörig; Fläche 10,25 a; Nußungswerth 22 230 M; Mindestgebot 1806 M; itr das Meistgebot von 302 000 A wurde der Prem.-Lieut. a. D. uad E Hans von Westernhagen, Französische- straße 11/12, Ersteher. Rosto ckerstr. 13, den Maurermeistern Aug. Sprenger und Alb. Minkfiß gehörig; Fläche 8,05 a; Nutungswerth 9800 4; für das Meistgeboù von 131 250 4 wurde der Shornsteinfegermeister. Wilhelm Burkhard, Belle-Alliancestr. 19,

teher. n Beim Königlichen Amtsgeriht 11 Berlin stand das

Grundstück des{Tapeziers Anton Bergmann zu Neu-Weißensee,

Charlottenburgstraße 61 belegen, zur Versteigerung; Fläche 3,34 a; Nuzungswerth 1850 4; Mindestgebot 1850 4; für das Meistgebot von 33 000 M wurden der Zimmermann Ferdinand Wenzel und seine Ehefrau Karoline zu Berlin, Sranuzser Allee 98, Ersteher. Auf das Dürrbaum’she Grun stück zu Neu-Weißensee Königschaussee 73a belegen, wurde ein Gebot niht abgegeben.

Berlin, 28. April. (Wochenberiht für Stätte Stärkefabrikate und Hülsenfrüchte von Max Sabersky.) [a. Kartoffelmehl 15—155 F, Ia. Kartoffelstärke 15—154 A, ITa. Kartoffelstärke und -Mehl 113—137 #4, feuchte Kartoffelstärke CopaS Berlin 7,70 #4, Frankfurter Syrupfabriken zahlen nah

erkmeister's Bericht fr. Fabrik 7 #Æ, gelber Syrup 17—174 M, Kap.-Syrup 18—18# A, Kap.-Erport 19—19} 4, Kartoffelzucker gelber 17—17# #Æ#, do. Kap. 18—18} „6, Rum-Kuleur 33—34 Æ, Bier-Kuleur 32—34 #4, Dextrin, gelb und weiß, Ia. 22—23 M, do. sekunda 20—21 c, Weizenstärke (fleinst.) 26—27 A, Weizenstärke - (großst) 39—36 #4, Hallesche und Stchlesische 35—36 M, eis\tärke (Strahlen) 45—49 #, do. (Stücken) 46—47 , Maisstärke 30—32 #, Schabestärke 28—29 M, Biktoria-Erbsen 16—20 F, Kocherbsen 16—20 #, grüne Erbsen 16—20 #4, Futtererbsen 13—14 #, inländishe weiße Bohnen 13è—15 A, Fee lachbohnen 16—18 . M, Ver Bohnen 13#—145 #, galizische und russishe Bohnen 12—13 , große Linsen 24—34 4, mittel Linsen 16—24 #4, kleine Linsen 10—16 #, Mohn, blauer 44—50 # nom., do. weißer 90—100 Æ nom., Hirse, weiße 20—22 Æ, gelber Senf 36—46 #, Hanfkörner 18 bis 20 #, Buchweizen 145—17 #4, Wicken 16—19 #, Pferdebohnen 13—15 M, Leinsaat 23—25 4, Mais loko 105—11 4 per 100 kg, Kümmel 30—36 , Leinkuchen 7—7§ #4, Navskuchen 7—7} A, Roggenkleie 43—43 4, Weizenkleie 43—5 A, pa. helle getr. Biertreber 28—30 9/9 54—6 M, pa. Getreide|chlempe 31—33 %/% 6}—7 Æ, pa. Maisshlempe 40—42% 62—7} M, Malzkeime 5—54 Fer e (Alles ab Bahn Berlin bei Partien von mindestens

S

Der Aufsichtsrath der Hamburg-Magdeburger Feuer- vexsiherungsgesellschaft hat den Beschluß gefaßt, die Gesell- schaft zu liguidieren. Zu diesem Zweck wurde mit der Magdeburger Feuerversicherungsgesellshaft ein Vertrag abgeschlossen, nach welchem diese das gesammte Geschäft mit allen Aktiven und Passiven gegen Auszahlung eines Kaufpreises von 2500000 46, also zum dollei Werth des Aktienkapitals der Hamburg - Magdeburger Feuer- versicherungsgesellshaft, übernimmt. Dieser Vertrag und der Antrag auf Liquidation der Gesellshaft wird der zum 17. Mai d. I. ein- berufenen Generalversammlung zur Genehmigung unterbreitet werden.

E Die zweiundzwanzigste ordentliche Generalversammlung der

wickauer Bank in Zwickau genehmigte den Geschäftsbericht, die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrehnung, ertheilte die Ent- lastung, beschloß die Verwendung des Reingewinnes nah den Vor- {lägen der Verwaltung und wählte die ausscheidenden Mitglieder des Aufsichtsrathes wieder. An* Stelle des infolge Ablebens ausge- schiedenen Herrn Kommerzien-Rath Guido Breitfeld, Erla, wurde der Direktor Hermann Stiehler, Zwickau, neugewählt. Die Aus- zahlung der Dividende für 1893 von 49% oder 12 A für die Aktie

erfolgt von heute ab. ;

Magdeburg, 28. April. (W. T. B.) ZutWerbericht. Kornzucker exkl, von 92% —,—, neue 12,60, Kornzuder erf. 88 9/0 Rendement —,—, neue 11,75, Nachprodukte exkl., 75 %/e Rendement 8,90. Ruhig. Braotraffinäde L ——, Bröottaffinae 1 Gem. Raffinade mit Faß ——, Gem. Melis 1, mit Faß —,—. Geschäftslos. Rohzucker. T. Produkt Transito f. a. B. Hamburg pr. April 11,55 Gd., 11,70 Br., pr. Mai 11,522 bez., 11,55 Br., pr. Juni 11,525 Gd., 11,55 Br., pr. Juli 11,255 bez. und Br. Fest.

München, 28. April. (W. T. B.) Die „Allgemeine Zeitung“ erklärt auf Grund zuverlässiger Mittheilungen das Gerücht von einer neuen Emission 3§% Staatseisenbahn-Anleihe für unbegründet; ein etwaiger späterer Geldbedarf würde sehr wahr- {heinlich dur freihändige Begebung von Stücken durch die Königlich bayerische Bank gedeckt werden.

Leipzig, 28. April. (W. T. B.) Kammßzug-Termin- handel. La Plata Grundmuster B. per Mat 3,325 #, per Juni 3,374, per Juli 3,40 4, per August 3,425 #4, per September 3,45 4, ver Oktober 3,474 #Æ, per November 3,47} #4, per De- zember 3,50 f, per Januar —. Umsay 25 000 kg.

Bremen, 28. April. - (W T. B.) Börsen - Schlußbericht. Raffiniertes Petroleum. (Offizielle Notierung der Bremer Petroleum- Börse.) Ruhig. Loko 4,75 Br. Baumwolle. Nuhig. Upland middling, loko 387 & F. Schmalz. Ruhig. Wilcox 394 4, Armour shield 39 &§, Cudahy 394 4, Fairbanks 33 . Speck. Nuhig. Short clear middling loko 354. Taback. Umsaß 39 Paten Türkei, 23 Packen Ambalema.

Pest, 28, April. (W..T. B.) Produktenmarkt. Weizen matt, per E 7,15 Gd.,, 7,17 Br, pr: Herbst 740 Vio 7,42 Br. Hafer pr. Frühjahr 6,65 Gd., 6,75 Br., pr. Herbst O Br. Mais pr. Mai-Juni 5,00 Gd., 5,02 Br., pr. Juli-August 5,19 Gd., 5,20 Br. Kohlraps pr. August-September

11,20—11,30. (W. T. B.) An der Küste 3 Weizen-

London, 28. April. ladungen angeboten.

A (0 Javazucker loko 143 ruhig, Rüben-Rohzucker loko est.

St. Petersburg, 28. April. (W. T. B.) Die Reichs- bank macht bekannt, daß sie von jeßt an in Sk. Petersburg bei Vorschüssen auf Spezialkonti gegen Unterpfand von 4 9/6 in Kredit- valuta emittierten Staatspapieren erheben wird: für Doi s bis 25 000 Rbl. 4209/0, für Vorschüsse über 25 000 Rbl. 5 9/0; für Vorschüsse auf Spezialkonti, die durh oben erwähnte Papiere sicher gestellt find, 59/0. Diese Vergünstigung erstreckt si niht auf vierprozentige, die Garantie der Regierung genießende Papiere von Privatgesellshaften.

29. April. (W. T. B.) Gutem Vernehmen nah werden die Kosten der Landesstempel für die deutschen, französishen und holländischen Inhaber der zur Konversion in die neue vierprozentige Rente gelangenden Orientanleihen und Bankbillets von der russischen Regierung übernommen.

Amsterdam, 28. April. (W. T. B.) Java - Kaffee good ordinary 522. Bankazinn 45}.

New - Vork, 28. April. (W. T. B.) Die Perrté eröffnete in ruhiger Haltung, wurde im weiteren Verlauf vorherrschend träge und {loß recht tell Der Umsay der Aktien betrug 76 000 Stü.

Weizen erö : Export, sowie auf günstiges Wetter im en. Schluß stetig. Mais \{chwäher infolge Abnahme im Erxportbegehr, fowie auf günstiges Wetter im Westen. Schluß willig, : 2

Der Werth der in der vergangenen Woche ein geführten Waaren betrug 10 598 748 Dollars gegen 7 783 039 Dollars in der Vorwoche, davon für Stoffe 1 676 801 Dollars gegen 1 503 330 Dollars in der Vorwoche. ; :

Chicago, 28. April. (W. T. B.) Weizen {chwädhte si nah Eröffnung etwas ab infolge matter Kabelmeldungen und au günstiges Wetter; später wurde der Rückgang theilweise wieder ein- Das Sghluß stetig Mais fallend während des ganzen Börsen= verlausfs. 5 Ó

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0 T7 Verdingungen im Auslande. T A a:

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Dänemark. 8. Mai, 1 Uhr. Staatsbahnverwaltung (Maskinafdelingens Contoir, Calbjörnsensgade 6 II) Kopenhagen. Lieferung vonz 800 m Wagenborten, 1000 Stück Wagenquasten, 1000 m Schnüren, 7000 Stück Schmierkissen, 200 m Schmierkissenzeug, 1000 Stück runden Lampendochten,