1895 / 39 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 13 Feb 1895 18:00:01 GMT) scan diff

nern, Allgemeine Fonds, Reichskommifsariate, Schiffs- E Entscheidende Diet örden“, werden ohne Debatie genehmigt.

Die weitere Berathung wird sodann vertagt.

Schluß 51/2 Uhr.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

18. Sißung vom Dienstag, 12. Februar. Ueber den Anfang der Sißung is in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Im weiteren Verlauf der zweiten Berathung des Eisenbahn-Etats und der im Anschluß daran von der Budgetkommission beantragten Resolution, betreffend die Verwendung des aus den Ueberschüssen der Einkommensteuer angesammelten Fonds (\. d. Anfangsbericht), nimmt nah dem Berichterstatter Abg. Dr. Sattler das Wort der

Abg. Dr. Bachem (Zentr.): Wenn wir die Zustimmung zu dem Kommissionsantrage geben, fo wären wir soweit gebunden, daß wir die Mittel für den Eisenbahn-Betriebsfonds bewilligen. Ueber den Uebershußfonds besteht die geseßlihe Bestimmung, daß er am 1. April 1895 zu den allgemeinen Staatsfonds zu vereinnahmen ist. Um diese

eseßlihe Bestimmung aufzuheben, wäre ein neues Geseß nöthig. Korrekt wäre es gewesen, wenn die Regierung ein folches Geseß zur richtigen Zeit eingebraht hätte. Der Herr Referent hat nun als gangbaren Weg auch vorgeschlagen, vor dem 1. April keine Verfügung zu treffen, der Regierung vielmehr zu gestatten, dem Fonds so viel zu entnehmen, wie ihr Tee seine, und im nächsten Etat darüber Nehnung abzulegen. iese außeretatsmäßige Verwendung scheint mir kein ordnungsmäßiger Weg zu sein. Wir haben wohl alle die Ueberzeugung, daß eine Stärkung des Betriebsfonds der Eisenbahnen nöthig ist; ob aber in dem Maße, wie die Budgetkommission vorschlägt, sheint mir doch fraglih. Bis 1892/93 ist man ja mit Anleihen zurehtgekommen, und hat auch die Jahre, in denen das Reih Dugende von Millionen an Preußen überwies, nicht daran gedacht, eine Stärkung des Betriebsfonds zu fordern. Das Nächstliegende wäre die Verein- nahmung des angesammelten Fonds zu den allgemeinen Staats- fonds, um die entstandenen Defizits zu deen. Es kommt dazu, daß dieser Fonds gesammelt ist in den Jahren, in denen, wir Defizits hatten. Er stammt aus der Einkommensteuer, also aus Mitteln, welhe zur Begleihung des Budgets dienen sollen. Wenn die ge- sammte Einkommensteuer in den Etat eingestellt worden wäre, hätten wir kein oder nur ein sehr geringes Defizit gehabt. Bei derartig shwerwiegenden Fragen ist die größte Vorsicht nöthig. Deshalb halte ih für besser, dem Kommissionsantrag gegenüber fich ablehnend zu verhalten, falls uns niht von der Regierung näher und genügend das Bedürfniß nachgewiesen wird. 9

Abg. Dr. Rrause (nl.): Die Ansicht des Herrn Vorredners, daß die konstitutionellen Befugnisse des Landtags durch den Antrag der Budgetkommission in irgend einer Weise angetastet werden, ift durchaus irrig. Jn dem Antrage steht kein einziges Wort über die

orm der Batllußfaffung und der Mitwirkung des Landtags. ir erklären uns mit Annahme des Antrags nur materiell damit einverstanden, daß der rers in dieser Weije verwendet werde. das in Form eines Geseßes oder eines Nachtrags-Etat bestimmt wird, ist gleihgültig. Wenn uns das Bedürfniß für einen höheren Betriebsfonds der Eisenbahn-Verwaltung nachgewiesen wird, so darf man nicht auf vergangene Zeiten zurückweisen, die günstiger für unsere G oanlaae waren. Dann hätte man auch nicht die Steuerreform einführen dürfen, die ja auch in einer ungünstigen geit eingeleitet wurde. Die Resolution entspricht der Auffassung der ehrheit des Hauses bei der Schaffung des Fonds, und ih empfehle E e aus allgemeinen Gesichtêpunkten wie aus finanzpolitischen ü ten. bg. von Eynern (nl.): Wenn die Sache so läge, wie Herr Krause fie darstellt, so wäre die Refolution eigentlich überflüssig. Jh ftehe der Resolution aber niht fo harmlos gegenüber, auf Grund der Erfahrungen, die man mit folchen Resolutionen schon früher gemacht hat. Der Zweck der Resolution is doch nur, uns die Freiheit der Verwendung des in Rede stehenden Fonds am Ende der Etats- berathung zu beschränken, und darum muß ich mich da- gegen erklären. Erst am Schluß der Etatsberathung können wir übersehen, welWe Bedürfnisse noch vorhanden sind. Augenblicklich steht nicht einmal die Höhe des ver- fürbaren onds feft. Der Herr Berichterstatter beziffert ihn auf 100 bis 120 Millionen Mark; das ist doch eine ganz bedeutende Differenz. “hau die Verwendung des Fonds können drei Richtungen in Betracht ommen. Man kann eine Verwendung beschließen: einmal im Sinne der vorliegenden Refolution, oder im Sinne früherer Aeußerungen des Herrn Finanz-Ministers zur Deckung des Defizits, oder endlich zur außerordentlihen Schuldentilgung. Um sih über die Art der Ver- wendung zu entscheiden, muß man die Entstehung des Fonds ins Auge fassen. Er if aus den Uebershüssen der Einkommensteuer gé- bildet. Bei der Steuerreform wurde in Aussicht gestellt, daß diejenigen Ueberschüsse, welhe 80 Millionen Mark übersteigen würden, zur Rückzahlung an die Steuerpflichtigen kommen sollten. Nun soll der Fonds in der e von 100 Millionen Mark zur Verstärkung der General-Staatsfasse zu Gunsten der Eifenbahnverwaltung dienen und der Rest zur Schuldentilgung verwandt werden. Jch vermisse zunähft den Nachweis des Bedürfnisses einer solhen Verstärkung der General-Staatskafse. Wenn die Finanzverwaltung erklärt, es habe ihr niemals ein Fonds zur Beschaffung von Betriebsmitteln zur Ver- fügung gestanden, so ist das do ein Irrthum; in dem Preise, den der Staat für die Privatbahnen zahlte, sind doch die gesammten Be- triebsmittel mit einbegriffen gewesen, und nur für Neuanschaffungen bedurfte es eines Betriebsfonds. Jch kann mir auch nicht denken, daß die Eisenbahn-Verwaltung eines Vorshusses von der General- Staatskasse bedurft hätte. Das kann allerdings möglih sein, wenn es sich darum handelt, große Kohlenvorräthe aufzustapeln, um Be- triebsftörungen zu vermeiden, aber doch nicht für laufende Material- beshaffung. Wenn bei den hohen Uebershüssen der Eisenbahn, die an die Staatskasse abgeführt werden, andernfalls ein Vorschuß von der General-Staatskafse nöthig is, fo scheint mir die Kafsenverwaltung der Eisenbahn nicht richtig organisiert zu J Ferner kann ich mir garniht denken, daß die vorzeitige ealisation von Anleihen nöthig war; sollte denn da die Ober- Rechnungskammer nicht Einspruh erhoben haben? Ich möchte also doch davor warnen, daß wir uns dur diese Resolution für später binden, bevor wir die Frage nicht einer nochmaligen eingehenden Be- rathung unterworfen haben. Ich habe au das konstitutionelle Be- denken, daß wir in dem neuen Fonds dem Herrn Finanz-Minister einen Dispositionsfonds geben, der allerdings für einen bestimmten Zweck festgelegt ift, über dessen Verwendung zu Neuanschaffungen wir aber keine Kontrole haben. Lehnen Sie also die Resolution in diesem Stadium der Etatsberathung ab! i

Abg. Freiherr von Puene (Zentr.): Die von der Budget- kommission eingebrachte Resolution ist erst nach reiflihen Berathungen und nachdem die Mitglieder der Kommission mit ihren politischen

reunden in Verbindung getreten waren, mit allen gegen eine timme angenommen worden. Das Gesey bestimmt : die angesammelten Fonds find am 1. April 1895 zu den allgemeinen Staatsfonds zu vereinnahmen. Die Fonds würden also im Etat 1895 als außerordentliche Ginnahme zu buchen sein. Wenn dann die Rechnung aufgemacht wird, würde es sich zeigen, daß aus den Uebershüfsen der Eisenbahnen nicht foviel wie früber zur Deckung der allgemeinen Ausgaben nöthig war.

Wenn also niht vorher eine Verständigung zwis{den dem Ab- |

geordnetenhaus und der Regierung stattgefunden hat, wird das Geld indirekt auch zur Stärkung der Finanzen der Staatsbahnen verwandt

werden. Wir haben nun überlegt, ob es rihtig sei, so zu verfahren. Bei Slatglbexizreungt haben wir a E die Genefiaéaun

zu ertheilen. Da die Ausgaben aber einmal gemacht sind, handelt es sih einfah um eine Bestätigung. Hier liegt die Sache anders. Das e das zum Betriebsfonds verwandt wird, it noch vorhanden; wir können nahträglich den Staat also immer noch zwingen , das Geld später noch_ zur Schuldentilgung zu verwenden. Nun if gesagt worden, der Staat sei bisher auch ohne folhe Stärkung des Eisenbahn - Betriebsfonds ausgekommen. Es ift aber doch die Frage, ob es befser ist, vorhandenes Geld für den Betriebsfonds zu verwenden oder das Geld zur Schulden- tilgung zu verwenden und dann für Eisenbahnzwecke eine Anleihe zu machen. Wir werden dadurch abhängig von der Börse, und das ist für die Finanzverwaltung niht angenehm. Für die Gisenbahnen können au plôtlih große Summen nöthig werden, so im Fall eines großen Kohlenstrikes oder gar im Fall eines Krieges. Da ist es beser, wenn Geld vorhanden ist, als wenn man \ich auf den Patriotismus der Geldleute verlassen muß. Ich glaube, die Budgetkommission s{lägt Ihnen eine zweckmäßige Verwendung der Fonds vor; ein konstitutionelles Recht kommt, glaube ih, niht in Frage. Eine Verständigung in aller Ruhe ist das Beste; es handelt sich ja nit um Einführung neuer Steuern, sondern darum, eine gute Finanzverwaltung zu führen, denn unter einer \{lechten Finanzverwaltung haben nit zuleßt die Steuer- zahler selbst zu leiden.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Wenn ih mir die Rednerliste ansehe, nah welcher aus den verschiedenen Fraktionen ein Redner dafür, ein anderer da- gegen spricht, so halte ich mich davon wenigstens überzeugt, daß diese einfache finanzielle Zweckmäßigkeitsfrage vom Hause nicht als eine politishe Frage angesehen wird, als eine Frage des Vertrauens oder Mißtrauens; es ist wirklich nihts als einfa eine finanzielle Zweckmäßigkeitsfrage.

Meine Herren, der Herr Abg. von Eynern und auch der Herr Abg. Dr. Bachem sagen: Wozu sollen wir jeßt überhaupt eine Reso- lution beshließen? Das ift ja noch viel zu früh, wir können 4a ganz ruhig warten, bis die Sachen an uns kommen! Gewiß, so hätten wir es machen können. Jch will Jhnen sagen, was dann geschehen wäre: Dann würde ih, meiner Verpflichtung als Minister getreu, die- jenigen Dinge auf seine Verantwortlichkeit zu übernehmen, von denen er überzeugt ist, daß sie im Interesse des Landes liegen, und erwartet werden kann nach der Gesammtlage, daß das Haus sie hinterher genehmigen wird, genau so verfahren haben, wie hier vorgeshlagen wird. Nach dem Ergänzungsfteuergeset fließt der Fonds in die Staats- kasse; es ist niht gesagt, was- damit gemacht werden soll. Wenn der Fonds nun sih am Finalabs{luß in der Staatskasse befindet und Verwendung finden soll, fo muß er nach dem Geseß unmittelbar beim Final- abshluß zur Schuldentilgung verwendet werden. Das würde ih nit gethan haben, fondern ich würde da materiell gar kein Bedenken in der Sache ist, denn wenn das Haus nachher dieses Vorgehen des Ministers niht genehmigt, wie Herr von Huene sehr richtig aus- einandergeseßt hat, so würde dies Verfahren jeder Zeit geändert werden können den Fonds ruhig behalten und als Betriebsfonds ver- wendet haben. j

Nun wäre die Uebersicht, die diese Thatsache feststellt, der Rech- nung pro 1895/96 an das Haus gekommen, und das Haus hâtte ge- sagt: nein, wir sind mit dem Minister nit einverstanden, wir billigen diese Art Verroendung niht. Gut, dann würde einfach der Fonds auf Schulden hinterher abgeschrieben und es wäre nihts verloren.

Warum ich die Resolution nun jeßt {on vorgelegt habe, meine Herren? Weil ich wünschte, auch {hon jeßt darüber ins klare zu kommen, ob materiell das Haus diesen Weg billigt. Das Haus kann gewiß sagen: wir wollen uns darüber nicht äußern; der Minister fragt uns; er will gern versichert sein, daß er in materieller Uebereinstimmung mit dem Hause handelt; aber wir wollen nicht antworten! Gewiß fkann das Haus das sagen. Aber ih frage: Ist das nun richtig, wenn ein Minister das Haus fragt, ehe er handelt, um lar darüber zu sein, ob das Haus materiell mit ihm übereinstimmt ist es dann richtig seitens des Hauses, zu sagen : die Frage ist ja sehr wichtig, aber mag der Minister auf seine eigene Kosten handeln, wir wollen uns nicht aus\prehen —? Das is nach meiner Meinung kein richtiges Vorgehen, Herr von Eynern, und würde der Stellung und dem Ansehen des Hauses und der Bedeutung seiner Anschauungen, vor denen der Minister sih beugt, indem er das Haus fragt, in keiner Weise entsprehen. Meine Herren, wenn das Haus heute sagte: wir billigen deine Ansicht nicht, es \oll dieser Fonds nicht zu einem Betriebsfonds dienen, er soll zur Schuldentilgung verwendet werden, so würde ih mich dem fügen. Darin liegt es also, welhe Bedeutung es hat, daß ich das Haus überhaupt frage. In dem Augenblick, wo hier Herr von Eynern oder Herr Dr. Bachem eine Gegenresolution einbringen, und das Haus beschließt: wir wollen keine Vermehrung des Betriebsfonds, mag der Fonds auf Schuldentilgung abgeschrieben werden so werde ih diese Resolution befolgen. Aber in demselben Augenblick werde ich kommen und sagen: dann stelle ih an das Haus den Antrag, nunmehr durch Anleihe diesen Betriebsfonds wieder zu be- schaffen; dann werden Sie mich gezwungen haben, in der Rechnung abzuschreiben, und gleichzeitig sih zwingen, mit \{chweren Kosten und Risiken eine neue Anleihe zu machen. (Sehr richtig!) Meine Herren, ich habe ja {hon lange die Erfahrung gemacht, wie wenig im ganzen das große Publikum denn das Haus nehme ih immer aus (große Heiterkeit) finanzielle Fragen klar erfaßt und wie leiht sie verdunkelt werden. Das hat man namentlich bei Gelegenheit der Finanzreform im Reich gesehen, welhe ungeheuren Nebel über diefe Sachen verbreitet sind, und wie viele Menschen in diesen Nebeln fstecken geblieben find.

Aber ih glaube, ich brauhe doch nur wenig hinzuzufügen, denn sowohl der Herr Berichterstatter, als Herr Dr. Krause, als namentlich der Präsident der Budgetkommission haben die ganze Sache so klar dargelegt, daß mir eigentlich noch sehr wenig zu sagen übrig bleibt; ich möchte nur noch eine kleine Nachlese halten. Der Abg. von Eynern sagt ganz ungemein sicher: die Eisenbahnverroaltung braucht keinen Betriebsfonds. Ich möchte ihn bloß fragen, ob er sein früheres Geschäft ohne Betriebsfonds geführt hat. (Heiterkeit.)

Ih möchte mal ein großes Unrternehmen kennen, welches keinen Betriebsfonds. brauht. Ja, wenn man hätte vorsichtig sein wollen, was man in Preußen nicht gewesen ift (hört! hört!) das ist eben eine der Unterlafsungen die wir jeßt nachholen müssen so müßte man, wie früher im Königreich Hannover, bei jeder Neu- bewilligung einer neuen Bahn zugleich den Betriebsfonds dafür be-

willigen. Das ist nie geschehen; wir haben sogar die Betriebsfonds, die uns von den Privatbahnen überkamen, zu anderen Zwecken ver-

wendet und den nothwendigen Betriebsfonds der Gisenbahn entzogen.

Nun sagt Herr von Eynern: Wenn ihr bisher keinen fonds gebraucht habt, warum braucht ihr denn in Zukunft einen olen? Ihr habt ja bisher keine Schaßanweisungen ausgegeben. Nichts un- richtiger als diese Frage, und keine Frage beweist mehr, daß Herr von Eynern die eigentlihe Sachlage durchaus irrig auffaßt. Denn, wir haben bisher einen Betriebsfonds gehabt; wir werden denselben Betriebsfonds in Zukunft haben. Glauben Sie denn, daß die Eisenbahn 91 Millionen, wie das mal zusammengestellt ist, an Materialien beschaffen kann, ohne Geld zu haben?! Die Materialien kommen doch erst später zur Verwendung und bringen doch erst später Rente; aber bezahlt muß doch den Fabrikanten werden. Wir bestellen ja viele Materialien, die wir \{hon in der Arbeit zum theil bezahlen, wenn wir Vorschüsse geben. Woher entnimmt die Eisenbahn diese Vorshüsse? An jedem Viertel- jahrstag hat die Eisenbahn 40 Millionen pränumerando für Beamten- gehälter zu zahlen. Hat sie dafür {hon die Einnahmen? Nein, sie muß die 40 Millionen vorausbezahlen. Also ein Betriebsfonds war da. In dieser Beziehung ist nichts geändert. Daß 25 000 km Eisen- bahnen ohne Betriebsfonds betrieben werden können, das ift etwas, was man eigentlich gar nicht in einem-so hoch angesehenen Hause wie dem Abgeordnetenhause auseinanderzuseßen braucht. (Heiterkeit)

Wodurch haben wir nun den Betriebsfonds bisher bekommen? Wir haben ihn dadur bekommen, daß wir am Anfang jedes Jahres Anleihen aufnahmen, welche bestimmt waren für bestimmte Kredite, deren Ausführung®noch garniht unmittelbar bevorstand, und ih habe das immer für eine wenig Tonstitutionell fkorrekte Sache ge- halten. (Sehr richtig! rechts.) Jh habe mich nah dem Zeit- punkt gesehnt, wo wir aus dieser konstitutionellen SInkorrekt- heit, kann man wenigstens sagen, herauskommen Eönnten. Diese Anleihen haben nun uns doch Zinsen gekostet. Oder glauben Sie, meine Herren, daß die Börse uns die Anleihe umsonst gegeben hat? (Heiterkeit.) Wir haben do Zinsen dafür bezahlen müssen. Wenn wir das in Zukunft nicht mehr brauchen, sparen wir dann nit an diesen Zinsen? Wenn ich keine Anleihe zu diesem Zweck im Januar mache, spare ih dann nit die Jahreszinsen dieses ganzen Be- trags ? (Zuruf links: Nein!) Nein? (Zuruf links: Geld verzinst si doch au!) Erlauben Sie! Wenn ich 100 Millionen Mark Anleibe aufnehme im Januar, fo muß ich vom Januar ab die Zinsen bezahlen. Diese 100 Millionen Mark lege ih hin, damit dieselben als Betriebsfonds der Königlichen Eisenbahnverwaltung dienen. Wenn ih in Zukunft nun diese 100 Millionen Mark nicht aufnehme, weil ih das Geld selbst besie, so spare ich doch die Zinsen der Anleihe, die ich aufgenommen habe. (Zuruf links: Nein! Heiterkeit.) Darüber kann doch niht der mindeste Zweifel sein. Dagegen kommen natürlich in Ausgabe (aha! links) die Zinsen des Betriebs- fonds, den ich selbst besie. Ja, aha! (Heiterkeit.)

Ich will ja nur auseinanderseten, daß wir dur diese Operation gegen früher keine Zinsen verlieren. Früher haben wir die Anleihe im Anfang des Jahres aufgenommen und haben Zinsen dafür zahlen müssen, und jeßt nehmen wir sie überhaupt nit auf, müssen uns aber allerdings die Zinsen des Fonds zur Last legen. Folglich tritt in dieser Beziehung gar kein Unterschied ein. (Sehr richtig! rechts.) Finanziell kann der Staat nichts dabei verdienen.

Nun hat der Herr Berichterstatter vollkommen rihtig gesagt, daß hier nur bestimmte Wege sind. Entweder wir s{hreiben die Sache auf Anleihe, vermindern dadur neue Anleihen; dann sparen wir die Zinsen dieser neuen Anleihen, sind dann aber genöthigt, uns einen neuen Betriebsfonds zu schaffen. Diesen können wir uns nur beshaffen durch eine neue Anleihe. Das, glaube i, würden Sie selbst doch für geradezu sonderbar halten. Weiter kannn i darüber nichts8 sagen. (Sehr richtig! rechts.) Sie würden mich ja nur zwingen, ganz unnüß die ganzen Spefen und NRisiken einer neuen Anleihe zu laufen. Es leiht kein verständiger Mensh Geld, wenn er welches in der Tasche hat; oder aber wir operieren mit Schaßanweisungen. Darübek möchte ih ein paar Worte sagen. Schaßanweisungen sind s{chwebende Schulden ; eine rationelle, solide Finanzverwaltung nimmt {webende Schulden auf die Dauer nur auf für vorübergehende Bedürfnifse, wenn man mit Sicherheit sagen kann: hier ist ein extra- ordinäres, Pplöblich herantretendes Bedürfniß, mein ordinärer Betriebsfonds reiht nicht dazu aus; ich habe auch die Mittel, das kann ich berechnen, um zur bestimmten Zeit zurückzuzahlen. Aber für einen Betriebsfonds der Eisenbahnen, der permanent ift, der jahraus, jahrein mindestens in gleiher Höhe, wenn nicht steigend bleibt, dafür das nöthige Kapital mit Schaßanweisungen zu beschaffen, wäre im höchsten Grade unsolide und gefährlich.

Meine Herren, zieht ein privater Geshäftémann nit yor, Be- triebskapital selbst zu besißen, als es sich zu beshaffen durch Banquier- kredit ? Ist aber die Sache für den Staat nicht noch viel bedeutsamer und dringliher ? Sollen wir durch Banquierkredit dauernde Bedürf- nisse befriedigen ? Herr von Huene hat die Folgen {hon auseinander- gech Vin M dent t der Lane, wenn 19 etiva 100 Millionen Schaßanweisungen laufen habe, selb noch über den rihtigen Zeitraum einer definitiven Anleihe zu disponieren? Nein, meine Herren, dann können die Banquiers oder diejenigen, die die Gelder vorgeschofsen haben, ihrerseits einen Zwang gegen die Verwal- tung dahin ausüben (sehr rihtig! rechts), wann die Anleihe aufgenommen werden foll. (Zuruf rets : das wollen sie! ) Das wollen sie ? (Zuruf rechts: die Banquiers!) Aber das ist doch kein Staatsinteresse (Heiterkeit), sondérn das geht doch nah der entgegengeseßten Seite. Meine Herren, es ist vollkommen richtig, daß es Zeiten giebt, wso es billiger ist, bei niedrigem Diskont mit einer \hwebenden Schuld zu wirth- haften. Dennoch aber wird ein Privatmann es lieber sehen, selbst in solchen Zeiten eigene Mittel zu besißen, als in der Hand eines Gläubigers #sch zu befinden. Außerdem können die Zeiten auch einmal ganz anders kommen, wo plöglih. der Diskont in die Höhe geht, wo man zu 4, 5 und 6 *% \{ließlich die Schaßanweisungen unterzubringen hat, und wo es sehr unbequem ist, zu einer bestimmten Zeit zurückzahlen zu müssen. Herr von Huene hat schon leise darauf hingedeutet, daß die Entblößtheit von Mitteln zu einer Zeit, wo besonders große Bedürfnisse an die Staatsverwaltung herantreten, daß die Entblößtheit von einem solhen nothwendigen Betriebsfonds und die Verweisung auf Schatzanweisungen doch sehr bedenklich und unbequem fein kann. IJch will niht einmal an eine Mobilmachung denken, obwohl das doch auch immer eine Möglichkeit is, und in welcher Lage wir wären, wenn wir die Vorschüsse für die Betriebsverwaltung der Gisenbahnen durh Schayganweisungen genommen hätten. Vielleicht

laufen in diesem Moment 50 bis 80 Millionen Schaßanweisungen ab.

würden mir da für Bedingungen gestellt werden! Ja, würde man überhaupt vielleiht in der Lage sein, die Schaßanweisungen erneuern zu lassen? In folhen Zeiten hält jeder sein Geld zurück. Die | laufenden Verpflichtungen der Eisenbahnen fommen heran: es sind 20 Lokomotiven geliefert; der Termin der Zahlung ift da, kana i der Eisenbahn die Mittel verweigern, solche

[ungen zu leisten? Können aber nicht Herr von Huene hat auf große, Kohlenstrikes und derartige Dinge hingewiesen selbs im

jeden solche Momente kommen? Kann der Betriebsfonds der Generalstaatskasse nicht au bei großen Unglüdsfällen u. \. w. n der stärksten Weise in Anspruch genommen werden? So ift vollkommen klar, daß, felbst wenn ein kleiner Zins- perlust dabei wäre, die Solidität einer großen Verwaltung, wie do der preußishe Staat sie führt, verbietet, dauernde Bedürfnisse dauernd durh schwebende Schulden zu deen. :

Meine Herren, Herr von Eynern hat gemeint : wir bänden das eherrenhaus. Nein, meine Herren, dur Resolutionen können wir kein

enhaus binden; das Herrenhaus kann ja morgen eine entgegen- geseßte Resolution fassen, dann bin ih so klug wie zuvor. Das Herrenhaus kann zustimmen oder kann nit zustimmen. Die Budget- fommission im Herrenhause wird wahrscheinlih die Frage seiner Zeit ebenso behandeln und ist jeder Zeit in der Lage, dem Herrenhause in dieser Beziehung nun den Ausspruch in Form einer Resolution vorzulegen.

Meine Herren, Herr von Eynern hat nun gemeint, es wäre doch jedenfalls jeßt noch zu früh ; denn wir wüßten gar niht, wie der Etat abgeshlossen werde. Hat denn diese Frage mit dem vorliegenden Etat das geringste zu thun ?

Es ift angedeutet worden, auch von Herrn Dr. Bachem, in einer mir unverständlihen Deduktion: man könnte doch möglicherweise das Pefizit dieses Jahres durch diesen Fonds deen. Nun, meine Herren, das wre ganz genau dasselbe, was wir hier thun !’ Wir decken dann das Defizit

durh unser Kapitalvermögen, welches wir besitzen, wir schreiben æ# auf Schulden ab und dann haben wir wieder keinen Betriebfonds umd müffen wieder diesen Betriebsfonds dur eine Anleihe beschaffen. Jh verstehe nit, wie man eine solche Auskunft fordern kann. Herr von Eynern ößt sich noch immer an einem ihm sehr unbequemen Ge- danken ; daher kommen auch, glaube ih, seine Bedenken gegen die Resolution. Er fagt si: in den leßten drei Jahren haben die Einkommensteuer- pflichtigen zuviel bezahlt, und es wäre eigentlich danah wieder das Richtige, daß man den Einkommensteuerpflihtigen das Geld wieder ¡urückgebe. (Heiterkeit.) Die Idee hat e: {on früher einmal ent- wickelt. Die Einkommensteuerpflihtigen haben aber niht zuviel ge- zahlt, sie haben bezahlt, wozu sie veranlagt waren nah Maßgabe ihres Einkommens auf Grund des Gesetzes. Das ist die Lage. Sie twerden in Zukunft genau dasselbe bezahlen. Wir ver- {enken ja doch nit diesen Fonds an die Einkommensteuerpflihtigen oder wir reduzieren nicht die Einkommensteuer um 40 Millionen nein, sie zahlen jahraus jahrein genau dasselbe, hoffentlih allmählich noch mehr. (Heiterkeit. )

Warum haben wir denn diese Fonds überhaupt angesammelt ? Veil die Grund-, Gebäude-, Gewerbesteuer und Bergwerksfteuer erst am 1. April dieses Jahres aufgehoben werden; wenn der Staat nun für seine allgemeinen finanziellen Bedürfnisse diese 40 Millionen ver- wendet und als Fonds nicht angesammelt hätte, hätte der Staat aus den Steuern die doppelte Einnähme erzielt. Das war der Grund. Venn wir gesagt hätten, die Einkommensteuer bringt jeßt 120 Nillionen auf; die verwenden wir für allgemeine Staatszwecke, dabei erheben wir noch bis zum 1. April 1895 Grund-, Gebäude- und Ge- werbesteuer, fo würde der Staat auf drei Jahre eine Einnahme für allgemeine Finanzzwecke verwendet haben, die er am 1. April 1895 dur Preisgabe der Realsteuern wieder verloren hätte.

Vas wäre nun möglicherweise der Erfolg gewesen ? Hâtte nicht der Erfolg derselbe sein können wie bei den großen UVeberweisungen bon Reih und bei den ftarken Uebers{hüssen der Eisenbahnen, wie wir fledamals herausgerechnet haben daß wir nämlich diese 120 Millionen berwendet hätten zu dauernden Ausgaben und jeßt verlören wir die 120 Millionen und hätten nihts an die Stelle zu seßen? Das ist das Geheimniß der soviel angefohtenen Thesaurierung.

Man wollte eben verhüten, daß durch die Steuerreform den Staat eine Mehreinnahme zuwuchs; denn das wäre der Fall gewesen, wenn wir vor Ueberweisung der Realsteuern dos Plus der Einkommensteuer zu allgemeinen Staats- ¡weden verwenden wollten, welches eben dazu dienen sollte, um den Verlust der Realsteuer zu kompensieren. Jch glaube, das Haus A mih wohl verstanden haben, ih kann es wenigstens nit klarer machen.

Nun, meine Herren, wenn der Abg. von Eynern und auch Herr Dr. Bachem hat eine Art von Andeutung dahin gemacht La darauf hinwies, daß wir doch reihe Leute wären, weil wir diesen Fonds von 120 Millionen besäßen, so möchte ih an die Herren die einfahe Frage richten: wenn ein Privatmann von einem Kapital von 100 Millionen 40 Millionen jêhrlih einnimmt, aber rechtlich verpflihtet is, auch wieder 00 Millionen an andere zu zahlen, is er dann reicher geworden ? Er ist genau derselbe geblieben. Wir haben die Zinsen dieses Fonds für

Stulzwecke verwendet und sie auf die General-Staatskasse übernommen ; die General-Staatskasse empfängt jeßt das Geld wieder, d. h. den gleichen Zinsbetrag, sie is weder reiher noch ärmer geworden. Das wird mir das Haus kaum bestreiten können: wenn ih dasselbe Aktivum und dasfelbe Passivum habe, so habe ich Null.

Meine Herren, wenn ich nun noh zwei Worte über die konsti- tutionelle Frage sagen darf, so kann ih nur in jeder Weise bestätigen, was namentlich der Herr von Huene ausgeführt hat. Das Haus leibt in allen feinen Rechten; wenn das Haus hinterher die Maßnahmen niht genehmigen will oder ihm der Betriebsfonds zu hoh genommen trsheint, so kann das Haus sagen: ich genehmige nicht. Dann muß uh Maßgabe des Gesetzes hinterher der ganze Fonds zur Schulden-

gung verwendet werden. Das Haus hat alfo in jedem Augenblick

Sthwert in der Hand, das zu erzwingen, was ihm gutdünkt. e würde der Fall sein, wenn ich das Haus garnicht gefragt Ma Das Ganze kommt doch nur auf den Versuch hinaus, eine wo erielle Uebereinstimmung in der Sache selbst zwischen dem Hause Weis Staatsregierung zu konstatieren, welche formell in keiner ustin bindet. Jedenfalls wird das Haus ja in vollem Maß seine immung geben müssen zu der bemessenen Höhe des Fonds ; denn

Fonds gar noch nicht bemefsen. Wenn ich ihn naher in der Rechnung auf 100 Millionen bemesse, und das Haus würde glauben, 50 Millionen waren genügend, gut, so müfsen 50 Millionen aus dem Betriebs- fonds heraus, und diese 50 Millionen müssen zur Schuldentilgung verwendet werden. Es bleibt also dem Hause in dieser Beziehung jede Freiheit, und die einzige Frage, worauf es ankommt, ift die Frage materieller, finanzieller Zweckmäßigkeit, und ih glaube, darüber kann nicht der geringste Zweifel sein, daß diese im höchsten Grade vorliegt, und wir können uns glücklih s{chägen, daß wir aus einer mehr oder weniger unsoliden und inkorrekten Finanzgebahrung durhch den zu- fälligen Besiß eines solhen Fonds heraus und auf solide, unseren preußischen Traditionen nah allen Richtungen entsprehende Grund- lagen kommen. (Bravo! rechts.)

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Nach den klaren und. meines Erachtens vollständig überzeugenden Ausführungen des Herrn Finanz-Ministers, des Herrn Präsidenten der Budgetkommission, des Herrn Referenten und des Herrn Abg. Dr. Krause habe ih vom Standpunkt der Eisenbahn- Verwaltung nur sehr weniges hinzuzufügen. Die Eisenbahn-Verwaltung ist in dieser Frage erst in zweiter Linie interessiert. ‘Die Eisenbahn- Verwaltung bekommt durch den Betriebsfonds nihts Neues. Sie hat bisher, wie der Herr Finanz - Minister au bereits aus- geführt hat, diesen Betriebsfonds \{chon gehabt; er lag für sie in den bereiten Mitteln der General - Staatskasse. Die Eisenbahnverwaltung war in der Lage, aus der General-Staatskasse die Beiträge entnehmen zu können, die sie für Zwecke brauchte, für die ihr im Etat ein Kredit niht zu Gebote stand. Wenn Sie die Re- folution gutheißen, besteht der Unterschied gegen den früheren Zustand für die Eisenbahnverwaltung nur darin, daß den Verfügungen der Eisenbahnverwaltung eine bestimmte Grenze gezogen wird, über die sie niht hinausgehen darf. Also es tritt eher eine Beschränkung ein, H E der Eisenbahn-Verwaltung in dem Betriebsfonds ein Geschenk zuflösse.

Nun hat der Herr Abg. von Eynern bezweifelt, ob denn über- haupt die Eisenbahnverwaltung einen namhaften Betriebsfonds nöthig habe; seines Wissens habe bei Privatbahnen ein derartiger Betriebsfonds nicht bestanden. Er hat ausdrücklich auf die Bergisch- Märkische Privatbahn hingewiesen. Meine Herren, das i} ein Jrrthum.

Die Bergish-Märkishe Eisenbahn hat immer mit sehr großen Betriebsfonds gearbeitet und arbeiten müssen. Dieser Betriebsfonds wurde zum theil entnommen aus den Anleihen, die für Neubauten aufgenommen wurden, zum theil aus Erneuerungs- und Re- servefonds oder drittens aus Banquierkrediten. (Zuruf.) In dieser Beziehung bin ih besser unterrichtet, als Herr von Eynern, zeitweise ist auh die Bergish-Märkishe Eisenbahn bei den Banquiers stark in der Kreide gewesen, wie das bei einem so großen Unternehmen unvermeidlih.

, Meine Herren, es ist überhaupt gar niht mögli, wie das zu- treffend von den übrigen Herren Rednern ausgeführt ist, ein großes Unternehmen ohne einen Betriebsfonds zu betreiben. Kann denn ein Schienenwalzwerk ohne Betriebsfonds in Betrieb geseßt werden ? Muß es nit außer den Herstellungékoften für das Werk und dessen Zubehör auch die Gelder zur Verfügung haben, um Kohlen, Noheisen, Kalk und alles, was zum Betrieb eines derartigen Unternehmens noth- wendig ist, anzuschaffen ?

Meine Herren, wie hoch die Summen sind, die in der preußischen Staatseisenbahn - Verwaltung? auf diesen Betriebs- fonds angewiesen sind, hat der Herr Finanz - Minister schon angedeutet. Es liegt mir hier ein Abshchluß vom Jahre 1893/94 vor; dieser Abschluß weist allein für Materialien der Betriebs- verwaltung, also mit Aus\{chluß der Neubauverwaltung, deren Be- schaffungskosten im laufenden Etat keine Deckung finden, einen Betrag von 91 733 000 4 auf. (Hört, hört!)

Meine Herren, nun kaun ja mit Recht die Frage aufgeworfen werden: ist es überhaupt nothwendig, mit derartig erheblichen Vorräthen zu wirthshaften ? Diese Frage ist, glaube ih, ziemlih einfa zu beant- worten. Woraus bestehen diese 91 Millionen ? Sie bestehen zunächst aus Betriebsmaterialien, die für den eigentlihen Betrieb nothwendig sind: Kohle, Oel und was alles dahin gehört. Wir können keinen ordnungsmäßigen Betrieb führen, wenn wir nicht jahraus, jahrein für eine nicht unerhebliße Periode diese Vorräthe liegen haben; wir würden unverantwortlich handeln, wenn wir aus der Hand in den Mund lebten, wenn wir nicht Kohlenvorräthe hätten, die uns über eine Zeit hinwegbringen können, in der wir möglicher- weise durch einen Strike im Bezuge der Kohlen lahmgelegt werden.

Es bestehen zweitens sehr erheblihe Vorräthe an Oberbau- materialien. Es sind das zum theil Oberbaumaterialien, die leider, wie die Sache z. Z. liegt, von Jahr zu Jahr fortgeshleppt werden müssen, nämli Vorräthe an folhen Schienen, Schwellen, Kleineisenzeug und anderen Dingen, die einem in früheren Jahren verwendeten, aber in neuerer Zeit verlassenen Profil angehören, die aber in gewissen Mengen vorgehalten werden müssen, um die Unterhaltung der betreffenden Strecken ausführen zu können. Sie bestehen ferner in Baumaterialien, namentlich in Vorräthen, größeren Vorräthen an Kies, Klein- flag u. st. w., und endli in einer ganzen Reihe von Materialien, die sich in den Werkstätten, Gasanstalten u. st. w. befinden; daraus seßen si diese 91 Millionen zusammen. Es is seit Jahren mit der größten Strenge darauf gehalten worden, die Vorräthe an diesen Materialien nit über das dringendste Bedürfniß hinauswachsen zu lassen. Im Laufe des Jahres nehmen die Materialien nätürlicher- weise erheblich ab, aber am Finalabshluß am 31. März sind sie aus ebenso natürlihen Ursachen weit höher als im Lauf des Jahres, weil alle Vorräthe gesammelt werden müssen, um in der Frühjahrsperiode die Bauten kräftig zu beginnen, die Umlegung der Geleise zu veranlafsen u. \. w.

Meine Herren, wir haben bisher, wie {hon ausgeführt worden ist, die Mittel zu diesen im Etat niht vorgesehenen Ausgaben aus den bereiten Mitteln der General-Staatskasse entnommen. Es hing das zum theil auch mit dem bisherigen Rehnungs- und Buchungs- system zusammen, welches wir am 1. April verlassen wollen. Wir hatten für alle diese Dinge Vorshußkonten, auf die diese Ausgaben gebucht wurden. Dieses System der Vorschußkonten is jedenfalls vom konstitutionellen Standpunkt aus niht zu billigen, und, wenn auch die Ober-Rehnungskammer bisher dieses System ge- duldet hat, weil es im Normalbuchungsformular vorgesehen war, so ist doch au bei ihr, soviel ich weiß, kein Zweifel gewesen, daß es

gebe ¡ja selbft zu: in diesem Augenblick kann ih die Höbe des

dringend wünschen8werth sei, dieses System zu verlassen und zu einer

direkten Verrehnung der Materialien zu kommen. Dazu bietet fich jeßt Veranlafsung einerseits durch die Aenderung des Buchungssystems und andererseits durch den außerordentlih glüdcklihen Umstand, daß genügend Geld vorhanden ist, um einen Betriebsfonds zu bilden. Ich möchte daher von meinem Standpunkt aus, von dem dringenden Interesse aus, welches die Eisenbahn-Berwaltung niht minder wie die Finanzverwaltung hat, in forrekte dem konstitutionellen System entsprehende Bahnen zu kommen, Sie bitten, der Resolution Ihre Zustimmung zu ertheilen. (Bravo!)

O, Broemel (fr. Vg.): Die Ausführungen der Herren, die für die Resolution sprachen, führen mich gerade zu der Ansicht, daß die Entscheidung, wenn fie getroffen wird, nothwendig eine definitive sein muß. Wenn wir eine vorläufige Entscheidung treffen, müßten wir bei der Rehnungsübersiht eventuel, den Nachweis führen, daß die Verwendungen der Gelder inkorrekt waren, während bei Verwen- dung der Fonds ohne vorherige Zustimmung unsererseits der Herr Finanz-Minister den Nachweis erbringen müßte, daß sein Verfahren orrekt war. Der Herr Eisenbahn-Minister hat über die Höhe der Materialien Aufschluß gegeben; es wäre mir aber erwünscht, wenn bis zur definitiven Regelung der Sache dem Abgeordnetenhause weitere ziffermäßige Angaben gemaht würden. Es wäre vor allem der Nachweis zu führen, ob eine fo hohe Inanspruchnahme der General- Staatskasse nöthig war. Ein prinzipieller Widerspruch gegen die Bildung eines Betriebsfonds besteht im Hause überhaupt nicht.

Abg. Freiherr von S irch (fr. konf.): Materielle oder prinzipielle Einwendungen find gegen die Resolution nicht ge- macht worden. Es is vielmehr in der Diskussion anerkannt worden, daß der bisherige Zustand konstitutionell und finanziell niht wünschens- werth ift. „Kontititutionell ist es mißlich, daß die Eisenbahnausgaben in Form einer {webenden Schuld gebuht werden müssen, finanziell unzulässig, daß Anleihen vor der Zeit flüssig gemaht werden müssen, um Ausgaben zu bestreiten, die dem Betriebsfonds entnommen werden müßten. Herr von Huene hat mit Reht darauf hingewiesen, daß es wünschenswerth sei, die Finanzverwaltung unabhängig von der Börse und der Großfinanz zu mahen. Wenn irgendwelhe innere oder äußere Verwickelungen eintreten, bei denen \chnell große Summen flüssig gemaht werden müssen, würden wir uns sagen müssen, daß wir einen {chweren, verhängnißvollen Fehler begingen, wenn wir die Schaffung eines Betriebsfonds nicht gut hießen. Konstitutionell hätte ih es für wünshenswerther und forrekter gehalten, wenn über die Verwendung der Fonds in Form eines Etatspostens abgestimmt worden wäre. Es steht der Staatsregierung noch frei, den Weg des Geseßes in Form eines Nachtrags-Etats zu wählen. Herr von Huene hat aber klar dargelegt, daß unsere Stellung dur den vorgeshlagenen Weg nicht alteriert wird. Ge- nehmigen wir die Verwendung der Fonds nachträglih überhaupt nicht oder nit in ihrer ganzen Höhe, fo sind wir im stande, noch unseren Willen durchzuseßen und bestimmte Summen zur Abschreibung von Anleihen zu verwenden. Jh habe also gegen die Resolution nichts einzuwenden, wenn au ein anderer Weg formell besser gewesen wäre. Nun haben einzelne Vorredner dagegen Bedenken gehabt, daß wir uns jeßt präjudizieren. m laufenden Etat hâtte eine bestimmte Aufstellung nicht gemacht werden Fönnen, da die Höhe der Auéêgaben, vor Allem der Einnahme- posten, niht fest zu bestimmmen war. Wünschenswerth ist eine Annahme von dem Standpunkt aus, daß das Haus der Abge- ordneten und die Staatsregierung Hand in Hand gehen sollen, um über das Wohl des Landes zu berathen. Eine vorherige Verstän- digung entspriht dem Wesen unseres Konstitutionalismus. In der Höhe der Summe präjudizieren wir uns niht. Herrn Broemel’s Be- mängelungen bezogen fich aber nur auf die Höhe der Summe. Soweit die Anforderungen an den Betriebsfonds berechtigt sind, werden Ne erfüllt werden können, wenn auch über die Höhe eine prinzipielle Entscheidung nicht ge wird. Eher habe ich nach anderer Richtung materielle Bedenken. Mehrere Tage haben wir uns über Agrarfragen unterhalten. Es ist dabei erörtert worden, daß es ohne staatliche Hilfe niht möglih sein würde, den Personal- und Real- kredit auf dem platten Lande zu heben. Es wäre wünschenswerth ge- wesen, wenn aus den bereiten Mitteln von Kreditinstituten Fonds hâtten zur Verfügung gestellt werden können, um den Personalkredit zu heben. Dur Schaffung des Betriebsfonds wird aber die Sechandlung stärker in ihren Mitteln werden. Im Interesse der Erfüllung unserer Wünsche, daß den öffentlichen Kreditinstituten Fonds aus Staats- mitteln zur Verfügung gestellt werden, um auch den bäuerlichen Kredit zu heben, hoffe ich, daß diese Mittel vorhanden sein werden, um zur Stärkung des ländlichen Besitzes zur Verwendung zu kommen. Wenu diesen Bedürfnissen entsprochen werden kann, wie ih glaube, kann ih die Resolution zur Annahme empfehlen.

Abg. Graf zu Limburg-Stirum (kons.) erklärt namens seiner Partei, für die Refolution stimmen zu wollen.

Die Resolution der Kommission wird angenommen. Dagegen stimmen die Freisinnigen, ein großer Theil des Zentrums und einige Nationalliberale.

Im Extraordinarium des Eisenbahn - Etats werden für bauliche Anlagen aus Anlaß der Berliner End im Jahre 1896 1100 000 ge- ordert.

Abg. von NRiepenhausen (kons.): Jch bedaure, daß die Stadt Berlin fih nit hat bereit finden lassen, auch nur einen Pfennig zu den Kosten dieser Anlagen beizutragen. Wie viel Bedürfnisse werden in den Provinzen niht berücksichtigt, weil die Provinzen erklären, keine Beiträge leisten zu können! Ganz kleine Anlagen in der Provinz unterbleiben, wenn kein Beitrag gezahlt wird, und hier will man fo große Summen bewilligen, ohne einen Beitrag der reihen Stadt Berlin. Wir haben dem Bahnbau nur zu- estimmt, weil wir mit der Regierung annehmen, daß die An- agekostes durch die Einnahmen gedeckt werden. Jn O auf die Anlage einer elektrishen Bahn richte ih die Anfrage an die Regierung, ob sie niht von einer solchen Anlage mit gleichartigen Gleisen und mit direktem Anschluß an die Eisenbahn eine Konkurrenz fürchtet. Sodann frage ih, ob es sich bestätigt, e die Stadt Berlin ih nit nur geweigert hat, einen Zushuß bei Beseitigung des Niveauüber- ganges in Stralau-Nummelsburg zu leisten, sondern auch zur Hergabe von Grund und Boden nur durch Enteignung veranlaßt werden kann.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Jh habe nicht die Aufgabe und auc nicht die Pflicht, hier als Anwalt für die Stadt Berlin aufzutreten. Auch ih muß meinerseits bedauern, daß bei den Verhandlungen, ‘die wir mit der Stadt Berlin über einen Beitrag zu den Kosten zu dieser Anlage gepflogen haben, nihts herausgekommen ist. Aber, meine Herren, ih möchte doch zur Aufklärung thatsählih das anführen, daß die Stadt Berlin zu der Ausftellung 6 Miklionen Mark bewilligt hat (hört! hört !), und daß sie nur darum für diese Eisenbahnanlage nichts ge- gegeben hat, weil sie ihrerseits von der Ansicht ausgegangen is ih habe das natürli bestritten —, daß an diesen Ausgaben nur die Staats-Eisenbahnverwaltung ein Interesse hätte, indem sie ja auch die Einnahme davon erhielte. (Sehr richtig! links.)

Meine Herren, wir haben infolge der Nichtbewilligung, wie der Herr Vorredner bereits ausgeführt hat, das Projekt einfacher ge- staltet. Aber, meine Herren, was jeßt im Extraordinarium steht, 1 100 000 4, müssen wir ausgeben, um unsere bestehenden Anlagen soweit auszubilden, daß wir dem zu erwartenden Verkehre genügen können. Die Staats-Eisenbahnverwaltung kann und darf sh niht in die Lage seßen, daß gegenüber einem solchen Unternehmen dem zu erwartenden großen Andrang aus allen Ländern

die Staats-EGisenbahnverwaltung mit ihren Einrichtungen unleistungs-