1895 / 96 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 22 Apr 1895 18:00:01 GMT) scan diff

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Tourde der empfangen. Galatafel statt.

andte auch von Jhrer Majestät der Königin bends fand zu Ehren des spanischen Gesandten

Oldenburg.

H) Jhre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Sciceceis haben am Sonnabend eine Reise nah der Schweiz und Jtalien angetreten.

Sachsen-Coburg-Gotha.

re Königlichen Hoheiten der Herzog und der Erb- ei Ri aser von Coburg über Bres i nach London

ist. ug Elsaß-Lothringen.

Der Kaiserlihe Statthalter Fürst zu Hohenlohe- Langenburg is mit der Fürstin und dem Erbprinzen gestern Nachmittag zu einem dreitägigen Aufenthalt in Met eingetroffen.

Oefterreih-Ungarn.

Bei der am Sonnabend in Reichenberg vorgenommenen Neichsrathswahl der nicht fideikommissarishen Groß- grundbesizer wurde Freiherr von Lilgenau mit allen ab- gegebenen 15 Stimmen gewählt. e

Die „Neue Freie Presse“ meldet aus Brody, daß am Sonnabend etwa 40 Offiziere der benachbarten russischen Garnison als Gäste der österreichischen Lee dorthin gekommen seien. Bei der dargebotenen kamerad|caft- lichen Bewirthung habe die Militärmusik unter großem Bei- fall die bsterreihide und die russishe Nationalhymne gespielt.

Der Nuntius Msgr. Agliardi empfing gestern Vor- mittag in Budapest eine Deputation des St. Stephan- Vereins. Auf die Ansprache des Führers der Deputation, des Grafen Ferdinand Zichy, erwidernd, erwähnte der Nuntius die Kämpfe Ungarns gegen die Türken und hob hervor, der Papst verfolge mit freudigem Herzen die Vorbereitungen u dem Millenniumsfeste und werde Mittel finden, irgendwie Lai dem Fest betheiligt zu sein. Schließlih forderte der Nuntius die Mitglieder der Deputation auf, ihr Wirken auf dem Gebiet der Wissenschaft und der Literatur fortzuseßen und der Kirche und dem Vaterlande gleihmäßig zu nüßen.

Großbritannien und Jrland.

Bei der am Sonnabend in Oxford vorgenommenen Ersaßwahl zum Unterhause wurde an Stelle des ver- storbenen konservativen Mitgliedes Chesney der Viscount Valencia (konservativ) mit 3745 Stimmen gewählt. Der liberale Gegenkandidat Dr. Little hatte 3143 Stimmen erhalten. Die Majorität, mit der Chesney seinerzeit gewählt worden war, betrug nur 120 Stimmen.

Frankreich.

Die Offiziere der Armee und der Marine gaben, wie „W. T. B.“ aus Havre meldet, am Sonnabend Vor- mittag dem britishen Konsul und den Offizieren der Au iralig ein Fest. Der Oberst Thibon, der den Vorsiy führte, brachte einen Trinkspruch aus, worin er sagte, die Entsendung der „Australia“ werde die zahlreichen und engen Bande, welhe zwischen beiden Ländern beständen, noch enger gestalten; gleichzeitig gab er der Bewunderung und der Sympathie für die Offiziere der englischen Marine Ausdruck. Der britische Konsul dankte für den der- „Australia“ bereiteten warmen Empfang und sprach die Hoffnung aus, die Beziehungen beider Länder zu einander möchten niemals andere als solche herzlicher Courtoisie und Freundschaft sein. /

Der Präsident Faure wohnte vorgestern Abend in Havre einem glänzenden Ballfeste im Stadthause bei. Unter den sih auf etwa 2000 Personen belaufenden Theilnehmern be- fanden sich sämmtlihe Offiziere des britishen Kreuzers „Australia“. Gestern A wohnte der Präsident von seiner Villa aus einer Regatta bei, später dem Vorbeimarsch der Shüßen-, Turner- und Kriegervereine, besuchte darauf Graville und kehrte zum Frühstück nah Havre rae, Troß des starken Regens hatte fsih eine zahlreihe Menschenmenge eingefunden, welche ihm lebhafte Ovationen bereitete.

RNufß;land,

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus St. Peters- burg gilt dort die Ernennung des Senators Grafen Peter Kapnist, früheren Gesandten im Haag, zum Botschafter in Wien als sicher, obshon der betreffende Ukas noch nicht erschienen ist. Desgleichen soll die Abberufung des Ge- sandten in Belgrad Persiani im Prinzip beschlossen sein.

Ftalien.

Der König der Belgier ist in der vergangenen Nacht an Bord des“ Dampfers „Scilla“ von Brindisi nah Korfu abgereist. : O i

Die von dem Marine-Ministerium getroffenen Dis- positionen über das nah Kiel zu entsendende Geshwader bestimmen, daß dasselbe aus neun Schiffen bestehen soll, darunter vier große Panzerschiffe und die Yacht „Savoia“. Die Namen der SUe sind: „Umberto T.“, „Andrea Doria“, „Sardegna“, „Ruggero di Lauria“, „Aretuja“, „Partenope“, „Etruria“ und „Stromboli“. Die Yacht „Savoia“, auf welcher sih der Kommandant des Geschwaders, der Herzog von Genua, einschiffen wird, geht zur Ausrüstung am 28. April nah Spezia. Das Geschwader versammelt sich am 1. Mai in Spezia, von wo es den Blättern zufolge direkt nach Kiel geht, nachdem es sich in England mit Kohlen versorgt hat. Es wird noch hinzugefügt, daß der einzige wahrscheinliche Besuch, den das Geschwader auf der Rückreise von Kiel machen werde, England zu Theil werden dürfte.

Spanien.

Der Ministerrath hat dem „W. T. B.“ zufolge be- lossen, in dem Gebiet am Meerbusen von Rio de Oro an der Westküste von Afrika cine Kolonie zu errichten.

Die Kommission der Kammer zur Prüfung der Vor- lage gegen die separatistishen Bestrebungen auf Cuba hat die Festsezung analoger Strafbestimmungen, wie sie gegen anarchistishe Umtriebe bestehen, beantragt.

Niederlande. :

Die Königin und die Königin-Regentin sind am Sonnabend in Amsterdam eingetcoffen und am Bahnhof von den Zivil- und Militärbehörden empfangen worden. Vom Bahnhof aus begaben sih die Königinnen in offenem Wagen,

von der Bevölkerung überall lebhaft begrüßt, nah dem Palais. Später erschienen me Königin und die Königin-Regentin auf

. dem Balkon des Palais.

Belgien. : In Mons isst vorgestern an Stelle des - Sozialisten Desesarto , der sein Mandat niedergelegt hatte, der Sozialist Lafontaine zum Senator gewählt worden.

Rumänien.

Der Geburtstag des Königs und die Wiederkehr des Tages seiner Wahl ou] den Thron von- Ru- mänien ist am Sonnabend in Bukarest festlih begangen worden. Die Stadt war beflaggt.

Serbien.

Das „Amtsblatt“ vom Sonnabend veröffentlicht. das Ver- eihniß der 40 ernannten Krondeputirten; es sind 18 ortschrittler, 10 Liberale, 1 Radikaler und 11 Neutrale.

In Wranja und zwei anderen Wahlbezirken sind dem „W. T. B.“ zufolge die Wahlen am Freitag sistiert

worden. Jn Belgrad wurden unter lebhafter Wahlbetheili- gung die Regierungskandidaten gewählt. Jn Go lubaÿ wurde der bekannte Führer der Radikalen Rista Popovic, in Ni sch einstimmig der Liberale Dani c gewählt.

Nach den neuesten Berichten wurden 130 bis 140 Fort- \hrittler und Neutrale, 20 bis 30 Liberale und 5 bis 6 Radikale gewählt. . : i

Die Skupschtina ist für morgen nah Nish einberufen worden.

Bulgarien.

Eine Meldung der „Politishen Korrespondenz“ aus Sofia führt die verlängerte Anwesenheit des Minister- Präsidenten Stoilow in Wien auf die L OE behufs prinzipieller Verständigung über den künftigen Handels- vertrag zwischen Desterreih und Bulgarien zurück. Die Accisenfrage sei der Hauptsache nah vor der Abreise Stoilow’s nah Berlin erledigt worden.

Schweden und Norwegen.

Die Kronprinzessin ist, wie die „Karlsr. Ztg.“ meldet, am 18. d. M. von Amalfi wieder E und in Rom eingetroffen. Höchstdieselbe is von dem Aufenthalt in Amalfi außerordentlih befriedigt und hat daselbst die gewünschte Stärkung und Kräftigung wieder vollkommen erlangt. Einige Tage verbrachte die Kronprinzessin auch auf Capri.

Die außerordentliche Session des shwedishen Reichstags ist am 20. d. M. wieder geschlossen worden. l

Das dem Storthing vorzulegende, in der Sißzung des norwegischen Staatsraths vom Freitag angenommene außer- ordentlihe Vertheidigungsbudget beläuft sich auf 6 948 000 Kron., wovon 3 388 000 Kron. auf die Armee und 3 560000 Kron. auf die Marine entfallen. Di die Armee handelt es sich hauptsählich um die Anschaffung von Feld- geshüßen, Handfeuerwaffen (Krag-Jörgensen'she Gewehre) und Munition, für die Marine um den Neubau eines Panzerschiffs, wofür als erste Rate 3 000 000 Kron. eingestellt sind.

Dänemark.

Vor Schluß des Reichstags traten vorgestern, wie „W. T. B.“ aus Kopenhagen berichtet, sämmtliche Gegner des Ausgleichs im Folkething zu ciner Partei zusammen, welche den Namen „Linken-Reformpartei“ trägt. Die neue Partei zählt 53 Mitglieder; zum Obmann wurde der Präsident des Folkething Hogsbro gewählt; der Vorstand besteht aus Mit-

liedern allex bisherigen Gruppen der Gegner des Ausgleichs.

Secror konstituierte sih vorgestern die 27 Mitglieder zählende ausgleihsfreundlihe Linkenpartei des Folkething; der frühere Vorstand wurde wiedergewählt.

Amerika.

' Der „Times“ wird aus Ottawa gemeldet, in der Sißung des kanadishen Unterhauses vom vorigen Freitag habe der L dre G. E. Foster erklärt, da Kanada Frankreich die Meistbegünstigung bezüglich gewisser Produkte gewähre, müsse nah Ansicht der kanadishen Regie- rung eine entsprehende Behandlung auch Deutschland und Belgien gewährt werden. Dem fkanadishen Parlament müsse daher eine dahin gehende Vorlage gemacht werden.

Dem Madrider „Jmparcial“ wird aus Havanna gemeldet, die Zahl der Aufständischen in der Provinz Santiago belaufe sich auf 6000. Jn der Umgegend von Baracoa seien zwei neue Abtheilungen von Jnsurgenten erschienen. Jn Paris ist aus Cuba die Nachricht engen en, daß der Oberst Santocildes die Aufständischen bei anzanillo geschlagen habe. Elf Aufständische seien getödtet und mehrere verwundet worden.

Asien.

Aus Simla von gestern meldet das „Reuter\{che Bureau“, nah Berichten aus Chitral sei die dortige britishe Garnison am 16. April aufs shwerste durch die Eingeborenen bedrängt worden, deren unterirdishe Gräben bis zu 10 Yards an das Fort heranreihten. Jnfolge dessen rücke eine fliegende Kolonne unter General Gatacre so {nell als möglich gegen Chitral vor, die gestern Dir erreicht habe. Eine spätere Meldung desselben Bureaus besagt, daß, nah einem in Simla ein- getroffenen Telegramme des Generals Low von gestern früh diesem aus zuverlässiger Quelle die Meldung zugegangen sei, Chitral sei bereits ke nähere Nachrichten erwarte er heute. Sher Afzul, der Beherrscher von Chitral, sei geflohen. Jn Simla wartet man gespannt auf Nachrihten vom Oberst Kelly, der von der Seite von Gilgit aus nah Chitral marschiert. Die leßten Nachrihten von ihm datieren vom 13. April, kurz nah seinem Siege über die Eingeborenen.

Nach einem Telegramm des „Reuter’shen Bureaus“ aus Hiroshima ist der Friedensvertrag am Sonnabend ratifiziert worden.

In Shanghai verlautet, die neuen von Japan als Freihandelspläße geforderten Häfen seien: Tscheng-tu, Kaiföng-fu, Peking, Shaoking und Kutschou.

DicAunge Ti hand ist vorgestern wieder in Tientsin eingetroffen.

Aus Söul von heute wird gemeldet, die Untersuchung gegen Liyoshun, den koreanishen Gesandten in Japan, der in der vorigen E verhaftet wurde, habe begonnen. Liyoshun sei des Mordes und des Verraths angeklagt. Jn die Angelegenheit seien noch andere Beamte verwickelt.

Parlamentarische Nachrichten.

- Bei der am 19. d. M. im 1. Düsseldorfer Wahlkrei (Lennep-Remscheid-Mettmann) vorgenommenen Ersaß waßhx zum Reichstag wurden nach der „Köln. Ztg.“ 28751 Stimmen abgegeben. Davon entfielen E Hermann Wülfing (fr. kons.) , Otto Fishbeck (fr. Volksp.) 4843, Gerh. Stöges (Zentr.) 3649, Professor Dr. Wendlandt (d. Refp.) eist (Soz.) 13 148, Albert Kemmann (d. t, 2332 Stimmen. Es ist also eine engere Wahl zwischen Fishbeck und Meist erforderlich.

Entscheidungen des Reichsgerichts, insichtlih der Zustellung venSchriftsäßen dur Gerichts.

vollzieher ift, nah einem Urtheil des Reichsgerihts, VI. Zivilsenats,

vom 19. November 1894, als Wohnung desjenigen, welhem zuy; gestellt werden soll, die Wohnung der Eltern zu erachten, bei welhen er sfih zur Zeit befuhsweise aufhält und thatsählih wohnt; die Ersatzzu g in Abwesenheit desselben darf an das Dienst, mädchen der Eltern erfolgen. „Daß der Beklagte zur Zeit der Klagezustellung seine Wohnung K . . .str. Nr. 16 gehabt hat, nimmt das Berufungsgericht felbst an, und diese Annahme erscheint nah dem Zeugniß des Dienstmädchens T. unbedenklih, indem diese bekundet hat, daß der Beklagte damals ungefähr ein Vierteljahr bei seiner Mutter besusweise sich aufgehalten und gewohnt habe. War auß der Aufenthalt nur ein besuchsweiser und vorübergehender, so hatte doh während der Dauer des Befuhs der Beklagte seine Wohnung im Sinne der §8 165 flg. der Z.-Pr.-O. mit seiner Mutter in den von dieser bewohnten Räumen. Dagegen verneint die Vorinstanz, daß die T. „in der Familie“ des Beklagten gedient habe, und zwar deshalb, weil bei dem Begriffe der Familie im Sinne des § 166 der Z.-Pr.-O, xiht so das Verwandtschaftsverhältniß für fich, als die Fugehörigfeit zu demselben Familienhausstande das Entscheidende, der Beklagte aber mindestens seit dem 25. Mai 1891 aus dem Hausstande seiner Mutter ausgeschieden sei. Der hieraus gezogene Schluß, daß der Beklagte am 19. April 1892 zur Familie- ftuer Mutter im Sinne des Î 106 Z.-P.-O. nicht gehört habe, kann indessen für gerehtfertigt nicht er- achtet werden. Denn das Berufungsgericht läßt unbeachtet, “i der Beklagte bei dem besuchsweisen Aufenthalt in der Wohnung feiner Mutter in deren Hauéstand wiederum eingetreten war und sih während der Dauer seines Besuchs in der Gemeinschaft der ganzen Familie befunden hat, in welcher die T. als erwachsene Person diente und angestellt war.“ (240/94.)

Nach § 37 Abs. 1 der Gebührenordnung für Rechtsanwalte er- hâlt der 9echtsanwalt für die Mitwirkung bei einem der Klage vorausgehenden Sühneverfahren (§8 471, 571 Ziv.-Pr.-Ordn.) drei Zehntheile der Säße des § 9. In Bezug auf diese Bestim- B hat das Reichsgericht, I. Zivilsenat, durch Beschluß vom 27. November 1894 ausgesprochen, daß diese Gebühr auch dann zu bewilligen ist, wenn der Rechtsanwalt lediglich die Ladung zum Sühnetermin besorgt hat, im Sühnetermin felbst aber nicht mit- gewirkt hat. „... Die einshränkende Auslegung des § 37, für welche sih allerdings die dem Entwurf beigegebene Begründung verwerthen ließe, kann nicht gebilligt werden. Muß biernad angenommen werden, p jede in Ansehung des Sühneverfahrens entwickelte Thätigkeit des Rechts- anwalts, insbesondere auch die Erwirkung der Terminsbestimmung und die Besorgung der Ladung, den Anspruch auf die mehrerwähnte Gebühr retfertigt, fo darf sie, soweit es sih um Prozesse vor dem Landgericht handelt, nach § 37 Abs. 2 auch dem als Prozeßbevollmächtigten ge

estellten Nechtsanwalt nicht versagt werden; denn nah diefer Vor {rift ist die Gebühr nicht, wie der Entwurf wollte, in allen Fällen, sondern nur dann auf die Prozeßgebühr anzurehnen, wenn die Ver- handlung des Rechtsstreits vor dem Amtsgericht stattfindet.“ (141/94)

Entscheidungen des Ober-Verwaltungsgerichts.

Nach § 8 des Kommunalabgabengeseßes vom 27. Juli 1885 er- folgt die Ermittelung der Bruttoeinnahmen der Ver- sicherungs-, Bank- und Kreditgeshäfte in dreijährigem Durch- \hnitt nah Einsicht eines den abgabeberehtigten Gemeinden von dem Unternehmer bezw. Gefellshaftsvorstande jährlih mitzutheilenden Vertheilungsplans:. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Ober- Verwaltungsgericht, 11. Senat, dur Urtheil vom 12. Dezember 1894 ausgefprochen, daß hinfihtlich dieser Durhschnittsbere{ßnung die ein- schlägigen Vorschriften des Einkommensteuergeseßes vom 24. Juni 1891 und der Ausführungsanweisung zum EÉin- kommensteuergeseß vom 5. August 1891 maßgebend sind. Es kommen demna die der Veranlagung oder, im Falle die Ver- anlagung na Beginn des Steuerjahres stattfindet, die dem Beginn des Steuerjahres (1. April) unmittelbar vorangegangenen drei Wirthschaftsjahre des Steuerpflichtigen in Betracht, deren Brutto-

einnahmen zur Zeit der Veranlagung resp. des Beginns des Steuer-

jahres festgeseßt werden konnten. Besteht das Geschäft noh nicht lo lange oder ist im Laufe der bezeihneten Jahre eine- wesentlihe Veränderung im Gewerbebetriebe eingetreten, so sind die Brutto- einnahmen nah dem Durchschnitt des Zeitraums seit der Entstebung bezw. der wesentlihen Veränderung des Unternehmens, nöthigen- fals nach dem muthmaßlihen Jahresertrage in Ansag zu bringen. „Der § 8 des Geseßes vom 27. Juli 1885 be- stimmt nur, daß die Ermittelung der in den einzelnen Gemeinden erzielten, für die Vertheilung des der Einkommensbesteuerung unter- liegenden Einïommens maßgebenden Bruttoeinnahmen der Bank- geshäfte in dreijährigem Durchschnitt zu erfolgen habe. Darüber hinaus bleibt, was die Art der Durchschnittsberehnung anlangt, nur übrig, auf diejenigen Vorschriften zurückzugehen, welche in dem Ein- kommensteuergeses und in den zu diesem ergangenen Auëführungê- anweisungen für die Ermittelung des Einkommens aus Handel und Gewerbe gegeben sind. Während nun vor Erlaß des Gesetzes vom 24. Juni 1891 in diefer Hinsicht die dem Steuerjahre unmittelbar vorhergehenden drei Jahre maßgebend waren, hat die Anweisung des Finanz-Ministers vom 5. August 1891 in ihrem Art. 5 die ge- seßlihe Vorschrift 10 des Gesetzes vom 24. Juni 1891), daß es auf die drei der L unmittelbar vorangegangene Jahre an- kommen solle, in zuläfsiger Weise dahin deklariert, daß der maßgebende Zeitabschnitt si bei jedem einzelnen Steuerpflichtigen nach dem voi diesem angenommenen Wirthschaftsjahre richte, und daß als das der Veranlagung unmittelbar vorangegangenen Wirthschaftsjahr das leßte gelte, dessen Ergebnisse zur Zeit der Veranlagung festgestellt werden könnten. Weil nun cine Steuererklärung der Gemeinde egenüber nicht abgegeben wird, so bildet bei der selbständigen Ein- iätung zur Kommunalsteuer den fkritishen Moment der Tag der Veranlagung, vorausgeseßt, daß diese ‘vor dem 1. April dem Beginn des Stenéziahres stattgefunden hat. Jst aber die Einschätung erst später erfolgt, so kommt es auf diejenigen Ber“ hältnisse an, welche am 1. April obgewaltet hatten. Denn abgf- schen davon, ob eine erst nah Beginn des Steuerjahres eintretende Rug als eine völlig forrefte angesehen werden kann, ift au Zeränderungen, die im Laufe des Steuerjahres vorkommen, der Rege nah nicht Nücksicht zu nehmen. Hierbei exsheint es übrigens unerheblid, ob an dem fritishen Tage die Ergebnisse gerade festgestellt worden find; es soll vielmehr, um jede Willkürlichkeit zu verhindern, nur das entscheidend sein, ob sie haben festgestellt werden können. ée fommt also auch für die Vertheilung darauf an, we Bruttoeinnahmen zur Zeit der Veranlagung, event. a 1. April des Steuerjahres festgestellt werden konnten. - C Es fann vorkommen, daß bei der Veranlagung das Erge it niß des legten Wirthschaftsjahres einer Aktiengesell|cha] noch nicht feststand, weil die Generalversammlung

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u. st. w. noch nit genehmigt hatte, während damals bereits es war, die Bruttoeinnahmen des leßten Jahres zu er- mitteln. Weiter if davon auszugehen, daß der Durbschnitt der drei Vorjahre dann nicht entscheidet, wenn das Geschäft noch nicht so lange bestanden hat oder wenn im Laufe der bezeichneten Jahre eine wesentlihe Veränderung im Gewerbebetriebe eingetreten is. Jt lezteres gesehen, fo kann die der Veränderung étbettegan eie Zeit lt in Betracht kommen. .…..* (Il. 1701.)

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Statiftik und Volkswirthschaft.

Invaliditäts- und Altersversicherung.

Bei der Invaliditäts- und Dea - Anstalt Berlin sind im Laufe des Vierteljahrs Januar/März 1895: 136 An- träge auf Gewährung von Altersrente eingegangen ; aus der Zeit vor dem 1. Januar 1895 lagen noch 26 Anträge vor, hinsichtlich deren die Entscheidung noch ausstand. Von den 162 Anträgen sind be- willigt 95, abgelehnt 30, anderweit erledigt 3 und unerledigt auf das folgende Vierteljahr übernommen 34. Bis zum 1. April 1895 waren insgesammt bewilligt an Altersrenten 2780. Von diesen sind A OS, durch Tod 421, aus anderen Gründen 45, zusammen 466, sodaß am 1. Januar 1895 9314 Alterêrentenempfänger v&chanden waren. Innerhalb des gleihen Vierteljahrs find 387 Anträge auf Gewährung von Invaliden- renten eingegangen und 90 unerledigt aus dem Vierteljahr über- nommen. Von diesen 477 Invalidenrenten-Anträgen Po 253 be- willigt, 111 abgelehnt, 24 anderweit erledigt, 89 unerledigt auf das folgende Quartal übernommen worden. An Invalidenrenten sind bis zum 1. April 1895 überhaupt 1713 bewilligt worden. Ausgeschieden sind inzwishen durch Tod 312, aus anderen Gründen 25, zusammen 337. Mitbin war am 1. April 1895 ein Bestand von 1376 Invaliden- renten-Empfängern aufzuweisen.

Deutschlands Roheisenproduktion. :

Nach den statistischen Singen des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller belief sich die Noheisenproduktion des Deutschen Reichs (eins{ließlich Luxemburgs) im Monat März 1895 auf 481 144 t; darunter Puddelroheisen und Spiegeleisen 138 160 t, Bessemerroheisen 37 388 t, Thomasrobeisen 230 464 t, Gießereiroheisen 75132 t. Die Produktion im März 1894 betrug 440 320 t, im Februar 1899 434704 t. Vom 1. Januar bis 31. März 1895 wurden produziert 1 405 423 t gegen 1 270 112 t im gleihen Zeitraum des Vorjahres.

: Zur Arbeiterbewegung.

Aus Wien berihtet ,W. T. B.“ zum Ausstand der Ziegeleiarbeiter: Die auéständigen Arbeiter in der Ziegelfabrik auf dem Wienerberg bewarfen am Sonnabend die arbeitenden Ver- lader mit Steinen; sie wurden von der Polizei zerstreut; sons war die Nuhe ungestört. Gestern wurde in einer Versammluna, die von ewa 2000 ausftändigen Arbeitern der rege Biegelfabrik besuht war, beschlofsen, den Ausstand fortzuseßen. Am Sonnabend Vormittag drang ein Haufe Arbeitslofer in dieRoth-Neusitiedler Ziegelwerke ein und versuchte, die Materialien zu zerstören. Die ein- shreitende Gendarmerie wurde mit Steinen beworfen; ein Gendarm, der lebensgefährlich Hedroht wurde, versezte einem Arbeiter einen {weren Säbelhieb auf den Kopf. Bei der Wahl des Ge- hilfenaus\chusses des kaufmännischen Gremiums kam es zwishen den M R Antisemiten und den Sozialdemokraten nah vollzogener Wahl zu heftigen Scenen, die in Schlägereien ausarteten. Die Polizei mußte cincrcilés und nahm zroölf Verhaftungen vor.

In Prag wurden, wie „W. T. B.* meldet, in der Nacht zum Sonntag etwa 2000 Plakate aufreizenden Inhalts verbreitet, in welchen zur Theilnahme an der Maifeier aufgefordert wird. Die Plakate wurden beschlagnahmt, fünf Personen wurden verhaftet.

In Paris fand in der vergangenen Naht eine von etwa 9000 Personen besuhte Versammlung der Angestellten der Omnibusgesellschaft statt, von welcher der allgemeine Aus - stand beschlossen wurde. Als Gründe werden die Lohn- verhältnisse und die grage der verabschiedeten Beamten angeführt, denen die esellschaft jede Genugthuung ver- weigert. Heute verkehren nach einer Mittheilung des „W. T. B.“ nur sehr wenige Wagen der Omnibusgesellshaft und diese unter polizeilildem Schuß; ebenso werden auch die Omnibusstationen poli-

¡eilih geschüßt. Kunst und Wissenschaft.

B C A on des Kaiserlichen Ar häolo- gishen Instituts hielt an den Tagen vom 17. bis 20. d. M. ihre jährliche ordentlihe Gesammtsizung in Berlin, wozu von den auswärtigen Mitgliedern die Herren Professor Michaelis aus Straßburg und Professor Loeshcke aus Bonn sich ein- gefunden hatten.

_ Der Verein der Künstlerinnen und Kunstfreun- dinnen hielt gestern Mittag unter Vorsitß der Gemahlin des Staats- Ministers Dr. Delbrück im Oberlichtsaal seiner Zeichenschule die Generalversammlung ab. Der Verein zählt jeßt 386 Mitglieder. Die Schule, deren Lebrerkalieaium sih um vier Herren vermehrt hat, war im leßten Jahre von 380 Damen besucht, die 748 Fächer in 22 Klassen belegt hatten ; das Zeichenlehrerinnen-Seminar hatte 28 Schüle- rinnen. Vereinnahmt wurden an Schulgeld 29 804 4, die Ausgaben der Schule betrugen dagegen 31 213 4; der Fehlbetrag wurde aus den Zuschüssen des Staats und der Stadt gedeckt, welche zu- gleich die Möglichkeit boten, Freistellen und Erleichterungen im Betrage von 4449 #4 zu gewähren. Auf der vom Verein veranstalteten Ausstellung, die einen Veberschuß von

39 A brachte, ließ Seine Majestät der Kaiser vier Bilder an- taufen ; eine neue Ausstellung i} für 1896 geplant, die ursprünglich beabsichtigte Betheiligung an der Berliner Gewerbe-Ausstellung dagegen aufgegeben worden. Auf der vom Verein veranstalteten Weihnahtsmesse sind Kunst egenstände im Werthe von 14386 4 verkauft worden. Der Umsaß war um 4000 6 höher als im

ahre vorher; insgesammt betheiligten sich 80 Künstlerinnen an der Mess j Sn diesem Jahre will der Verein die toße norddeutshe Industrie-Ausstellung in Lübeck mit einer sorg- îltigen Auswahl von Kunstgegenständen beshicken. Die Pensions- fasse hat z. Z. ein Vermögen von 35 334 4; am 1. Oktober, nah ¡jehnjährigem Bestehen, wird die Kasse mit der Auszahlung von Men ionen beginnen. Die Hilfs- und Darlehnskafse gewährte sieben Dar- lehne im Betrage von 970 4 und verausgabte 385 4A zu Unter- j, Fungen und 1526 M zu Ankäufen. Zurükgezahlt wurden 600 A; i. 9. [tehen 19 Darlehen im Betrage von 2370 4 aus. u Ehren-

. Mitgliedern ernannt wurden Professor Siemering und Professor Hans

üller, An Stelle der verstorbenen Gräfin Oriola trat Fräulein Gottheiner in den Vorstand. : i Im Verein für deutsches Kunstgewerbe wird am Mitt- wo) Herr Professor Dr. Stockbauer, Kustos des bayerischen Gewerbe- fult, eums in Nürnberg, einen Vortrag halten „über das Glas in Y turgeshichtliher und kunstgewerbliher Beziehung“. Die Sihung ndet statt im großen Saale des Architektenhauses, 84 Uhr Abends. bli, Die bei Franz Hanfstaengl in München ver egte periodische Ge lifation „Die Kunst unserer Zeit * verfolgt ihr Ziel, eine E Mi des modernen Kunstlebens zu sein, mit stetig fortshreitendem Retse Als eine sehr glücklihe Idee erweist s das von der L ation jestgehaltene System, Monographien einzelner hervorragen- Re Künstlerersheinungen der Gegenwart unter Beifügung von biet toduktionen der für ihr Schaffen charakteristischsten Werke darzu- is Ein besonders anziehendes Heft dieser Art is die Doppel- Gurlits 2, 3 des laufenden 6. Jahrgangs, in welcher Cornelius vit eine eingehende Würdigung des englishen Prä-Raffaeliten

Sir Edward Burne-Jones unternimmt. Man An seiner unbédingten Vorliebe für diesen eigenartigen Künstler nicht nach allen Richtungen zu folgen, jedoch wird man ihm das Verdienst nicht absprehen können, daß er das Didckicht der Vorurtheile, welches die genannte Künstlershaar von der Mitwelt Biel durch die Vor- führung eines ihrer Hauptvertreter erheblich geli tet hat. Verleugnen mandche Bilder des englihen Meisters bei allem idealen Gehalt doch nit die Sucht nach Absonderlihem und lassen sie, als Folge allzu veristishen Strebens besonders in den weiblichen es eine große Abhängigkeit von Modellen mit bleihsühtigem Antliß und über- \{lanken Formen erkennen, fo erfreuen sie andererseits doch auch wieder dur einen Adel der Posen, eine Sorgfalt der Gewandung und Gruppirung, welche lebhaft an den großen Florentiner Sandro Botticelli erinnert, der ihm ofenbar Vorbild für sein Schaffen ge- wesen ist. Eine große Anzahl der besten Werke von Burne- Jones is auf dem Heft beigefügten vorzüglichen Lichtdrucken veranshaulicht. Zum Theil sind es Allegorien, zum Theil

iguren und Kompositionen mythologishen oder Personikationen ver-

tedenartigen, manchmal myftishen Stimmungsinhalts, meist aber leidenschaftslosen, idyllishen Charakters, von geläuterter idealer Da- seinsfreude oder - \{chwärmerisher Melancholie erfüllt. Zu den ge- lungensten dürften zählen: Liebe und Vergänglihkeit, Der Spiegel der Venus, Das Bad der Venus, Die goldenen Stufen, Le chant d’Amour, Die f\echs8 Schöpfungstage und Waldnymphe. Am wenigsten geglückt sind ibm die Bilder mit religiösen Vor- würfen. Eine Reihe von Studienköpfen giebt Zeugniß von dem

leiß, mit dem der jeßt 62jährige Künstler gearbeitet hat.

eft 4 macht uns mit einer Anzahl interessanter neuerer Künstler und ihren Werken vershiedener Schaffensrihtung bekannt. Wir finden da die Namen: Emanuel K. Liska („Michel Angelo's Traum“), Henri Bource („Dahin"), August Fink („Mondaufgang im Winter“), Stefano Farneti („Die E Hermann Koch („Unerwarteter Besuch*) und Klara Walther (, Madonna“). Im Uebrigen ist dieses Heft mehr der Unterhaltung gewidmet und bietet zunähst eine Künstlernovelle von E. Merk, betitelt „Ein guter Freund“ mit 9 Illustrationen von Paul Hey, während Dr. Friedri Spiro sich über „englisWen Einfluß au _deutshes Musikleben“ verbreitet. Von bervorragendem Werth ift p 5, 6, enthaltend einen von

. Spier verfaßten, biographisch - kunstkritishen Essay über den berühmtesten deutschen Porträtisten der Gegenwart, Franz von Lenbach. Zur lebendigen Erläuterung dient eine lange Reihe von Lichtdruck-Nachbildungen seiner Werke, die glei interessant find wegen der dargestellten bedeutenden Persönlihkeiten, wie wegen der geistvollen Art ibrer Erfafsung und der mit den knappsten Mitteln erreichten treffenden Wiedergabe sowohl der äußeren Erscheinung wie der charakteristishen inneren Eigenschaften der Porträtierten. Es ew die Bildnisse Kaiser Wilhelms 1., des Reichskanzlers Fürsten zu Hohen- lobe, der Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen, ferner von

ermann Lingg, Gottfried Semper, Moriß von Schwind, sowie eine

eibe anziehender Damenporträts der vornehmen Gesellschaft aller Länder. Im Text findet man ferner die neueste, flott \kizzierte Aufnahme des Fürsten Bismarck, Bildnisse von Hans von Bülow,

ranz Stuck, Paul Heyse, Ignaz von Döllinger, der Herzogin

lementine von Coburg nnd der lieblihen kleinen Tochter des Meisters. Die vollendet getreue Facsimile-Reproduktion aller dieser Porträts macht das Heft zu einem der werthvollsten der ganzen Serie der Hanfstängl’scen Publikation. Dasselbe wird den Verehrern des Meisters gewiß viel Freude bereiten, aber auch den Kunstjüngern, welche die Geheimnisse seiner folhe Wunder zu Stande bringenden Griffelführung studieren wollen, willkommen sein.

_— Der Archäologe Gustav Hirschfeld, Professor an der Universität zu Königsberg, kst nah einer Meldung des ,W. T. B.“ vom Sonnabend nah langem s{chwerem Leizen in Wiesbaden ge- storben. Hirschfeld war am 4. November 1847 zu Pyriß in Pommern geboren, f\tudierte zu Tübingen, Leipzig und Berlin und ver- weilte seit 1870 als Stipendiat des Archäologischen Instituts in Griechenland, Italien und Kleinasien. Von 1875 bis 1877 ftand er den Ausgrabungen in Olympia vor, worauf er 1878 zum außereordent- lihen, 1880 zum ordentlihen Professor in Königsberg ernannt wurde. Er veröffentlihte: „Tituli statuarum sculptorumque Graecorum“ (Berlin 1871); „Athena und Marsyas" (1872); Paphlagonische Felsengräber“ (1885); „Die Felsenreliefs in Kleinasien und das Volk der Hittiter" (1887); „Griechishe Inschriften des Britishen Mu- seums* (1893). Auch an den beiden ersten Bänden der „Ausgra- bungen in Olympia“ (1877 bis 1878) war er betheiligt. Jn Moltke’s „Gesammelten Schriften“ gab er dessen „Briefe aus der Türkei" (1893) heraus. N

Die Verhandlungen und Vorträge des X1I. Deutschen M0 grapentgges in Bremen fanden am Sonnabend ihren Abschluß. In der S{hlußsißung sprach nah dem Bericht des „W. T. B." Geheimer Rath Wagner dem Ortsausshuß im Namen der Versammlung den wärmsten Dank aus, dem \sich ein Hoh auf Bremen anshloß. Den Schluß der Sitzung bildete ein von dem Geheimen Admiralitäts-Raäth, Professor Dr. Neumayr ausgebrachtes Hoch auf das deutsche Vaterland. Die Mitglieder des Geographentages unter- nahmen Nachmittags auf dem vom „Norddeutschen Lloyd“ zur Ver- fügung gestellten Dampfer „Harzburg“ eine Fahrt in See. Die Rück- kehr erfolgte um 7} Uhr Abends.

Die Centennar - Feier der „Ecole normale supérieure“ in Paris, welche drei Tage dauern wird, begann, wie ein Telegramm des „,W. T. B.* von gestern meldet, mit der Aufstellung einer Gedenktafel für die A L Bens und der Schule. Die Betheiligung war eine fehr zahlreihe. Bei dem aus diesem Anlaß veranstalteten Bankett verlas Dr. Schwarß - Berlin eine Adresse der Berliner Akademie der Wissenschaften und sprah über das Thema: „Die Wissenschaft hat kein Vaterland“.

ophus Lie aus Leipzig brachte auf das Wohl der Schule einen Trinkspruch aus, dem fich Bac Keysen von der Universität Leyden anschloß; ebenso auch Professor Fuhs aus Berlin und Bodiot aus Rom. Professor Renard aus Lausanne verlas eine längere Adresse der dortigen Universität.

In St. Petersburg fand am 18. d. M. unter dem Vorsiß des Kaisers Nikolaus Ik. cine Sißung der Kaiserli] russischen historischen Gesellschaft statt, in welher der Kaiser dem „W. T. B.* zufolge die nachstehende Ansprache hielt: „Sie ent- sinnen sich, meine Herren, mit welcher Liebe und Sorgfalt mein unvergeßliher Vater die Arbeiten unserer historishen Gesell- schaft verfolgt hat. Indem ich den Vorsißb der Gesellschaft übernehme, werde ich bemüht sein, seinem hohen Beispiel folgend, mit derselben Innigkeit wie er an der Fortseßung des von ihm be- onnenen Werkes zu arbeiten. Ich bin überzeugt, meine Herren, Vhrerseits volle Unterstüßung zu finden in neuer fruhtbringender GSbite zur Erforschung und Ausarbeitung der vaterländischen

eshichte.*

Handel und Gewerbe.

St. Petersburg, 21. April. (W. T. B.) Nas amtlicher Mittheilung sind dem Reichsrath Vorlagen zugegangen über die Be- willigung von 200 000 Rubeln zum Bau einer Lelegraphenlinie zur Murman-Küste, ferner über die Abänderung der bestehenden Patentordnung und den Shuß von Waarenmarken.

Wie die „Nowoje Wremja" hört, sind die Hauptpunkte der von den vereinigten Abtheilungen des Reichsraths im Prinzip genehmigten Vorlage des Finanz - Ministers über Geschäftsabschlüsse in Goldvaluta folgende: Es wird gellanet, jede Zahlung in Gold zum Tageskurse zu bewerkstelligen, wenn der Empfänger damit einverstanden is. Ferner is es ge- stattet, jeglihe Geschäfte mittels Wechsel, Kontrakte, Kaufbriefe, Versaßscheine, Schuldscheine 2c. in Goldvaluta abaulQtieuen, was bis her untersagt war. Die Erlaubniß, Geschäfte in Goldwährung abzu- schließen, erftreckt sich nit auf den Bürger- und Bauernstand. Der Kurs der Kreditbillets wird dur den Börsenzettel festgesest. Die Staatöbank hat niht das Ret, in Goldmünze gemachte Einlagen in Kreditbillets

zum Kurse zurückzuerstatten, Bald soll es auch gestattet werden, die

Zucker- und Naphtha- Accise, später auh andere Zahlungen an die Krone in Gold zu entrihten. Den Kurs, zu welchem die Krone Gold an- ftatt Kreditbillets annimmt, wird der Finanz-Minister für 1 oder 3 Monate, je nah Umständen, festseßen.

Rom, 21. April. (W. T. B.) In dem Gebäude der hiesigen ndelskammer fand heute eine Versammlung zu Gunsten der tiederherstellung der Handelsbeziehungen mit Frank -

reich statt. Anwesend waren die Vertreter von 40 italieni- sen Handelskammern, 14 anderen Kammern und 10 Depu- tationen verschiedener Vereine. Einstimmig elangte eine von dem Präsidenten der Handelskammer in ailand vorge- \{lagene Tagesordnung zur Annahme, in welcher der Hoffnung Aus- druck gegeben wird, daß dem gleichzeitigen Vorgehen der italienischen und der E mie die allmähliche Wiederherstellung der französisch-italienishen Handelsbeziehungen gelingen möge.

Verkehrs-Anstalten.

London, 20. April. (W. T. B.) Der Castle-Dampfer „Dunottar-Castle“ is heute auf der Heimreise in London an- gekommen. Der Castledampfer „,Norham Castle“ is heute auf der Ausreise in Dur b an O angekommen. Der Castledampfex „Roslin Castle“ is heute auf der Ausreise von London abge- gangen. Der Castledampfer „Arundel Castle“ und der Castle- dampfer „,Lismore Castle“ haben Donnerstag auf der Heimreise die Canarischen Inseln passiert.

St. Petersburg, 20. April. In ‘dem Comité für den Bau der sibirischen Bahn wurde in Anwesenheit des Kaisers darauf hingewiesen, daß bis zur Vollendung der Eisenbahn um den Baikal- see die Uebersezung der Eisenbahnzüge über den See dur (mit Eisbrechern versehene) Dampfer geschehen könnte... Der Kaiser be- ne nunmehr, 500 000 Rubel zum Bau eines Trajektdampfers anzus

eisen.

Theater und Musik,

Lessing - Theater.

Gestern Abend gelangte der Sckwank „Artikel 214" von André Sylvain und Maurice Ordonneau zur ersten Auf- führung, der \sich seinem Inhalt nah in den ausgetretenen Bahnen des modernen Zonen Lustspiels bewegt und wegen des Mangels an ursprünglicher Erfindung troß mancher treffenden komischen Einzel- heit nur getheilten Beifall fand. Der neue Schwank behandelt den oft bearbeiteten Stoff von einem Gatten, der seiner Frau, die er im Sturm jugendlicher Liebe heimgeführt, überdrüssig wird und sih heiden lassen will, um sich mit einer andern Frau ver- binden zu können. Die geseßeskundige Gattin giebt aber den Gemahl niht frei und geht als Siegerin aus dem Scheidungsprozesse Hervor; da fie es aber überdies yver- steht, ihren Gatten durch kleine Künste wieder zur alten Liebe zu bekehren, so endet das Stück nach einer Reihe komischer Scenen mit einer Wiedervereinigung des entzweiten Paares und dem völligen Triumph der geshickten Frau.

_ Alle auf der Bühne erscheinenden Personen: der dur die Schlau- heit seiner Frau übertrumpfte Gatte, die verliebten und verlebten alten Geden und eben jene geshickt intriguierende Frau sind in fran- zösischen Lustspielen und Shwänken so oft verwendet worden, daß sie nur dann noch erträglih ersheinen, wenn aus einem hershenden Grundgedanken heraus eine Fülle natürlih und [ogisch sich ergebender kfomisher Situationen geshafffen wird, die den Hörer und Zuschauer unterhalten und fesseln. Q solher Wirkung reicht die dihterishe Arbeit und vielleiht auch das Talent der Herren Ordonneau und Sylvain nit aus. Einige lustige Einfälle und komische Zu- fälligkeiten überrashen und erfreuen nur vorübergehend, während der Gang der Manptung im Ganzen lahm und langweilig ersheint. Dies war der Grund, daß der dritte Akt gen ein {hon ermüdetes Publikum vorfand, sodaß die Komik der leßten Scene, in der die vor der Scheidung stehenden Gatten in einem nur durch eine spanische Wand getrennten gemeinsamen Zimmer gegeneinander intriguieren, niht mehr die gehoffte starke Wirkung erzielte.

__ Die Darstellung des Schwanks war in allen Theilen tüchtig, aber die Rollen boten den Schauspielern keine dankbaren Aufgaben. Herr Sauer spielte den Maler Montabart, der sich seiner Frau entledigen möchte, mit Frische und guter Laune. Fräulein G roß gestaltete die beweglihe und gewandte Frau Montabart durch ihr temperament- volles Spiel zu einer wagen Figur. Herr Guthery stattete einen thörihten Gecken und betrogenen Betrüger mit seinem breiten, behaglichen Humor fast zu freigebig aus und Fräulein Reichen bach gefiel verdientermaßen dur geschickte Wiedergabe der an ßch un-

edeutenden Nolle der Yvonne von Fournières.

Dem Schwank ging ein kleines harmloses Lustspiel „Die Generalin“ von G. von Moser voraus, das wegen seines ruhigen Unterhaltungstons niht recht zünden wollte; es fehlte an packendem Wiß und shnellem Fortschreiten der Handlung, sodaß selbst das flotte Spiel der Damen Elfinger, Reichenbach und Waldegg fowie der Herren Vorwerk und Wehrlin kaum mehr als eine ge- U te PRRSIGE und \{ließlich den Beifall eines „Achtungserfolgs“ ervorrief.

Konzerte.

Der Kulenkampff’s{he Frauenchor, der in dieser Saison mehrfach mit Erfolg fich hören ließ, gab am Sonnabend im Saal Bechstein ein Konzert, welhes mit dem stimmungsvollen, melodiss gehaltenen Chorlied von O. Eichberg „Im Bann der Nacht“ er- offnet wurde. Im Vortrag dieses Liedes, sowie anderer von Meyer- Olbersleben, Kleffel, Thieriot, Seyffardt und in dem Volksliede „Keine Nose, keine Nelke“ bewährten sich die Leistungen des Chors nit bloß in der Präzision des Ensembles, in dem sicheren Ein- und Abseßen der Stimmen, sondern auch in der stets eingehenden und belebten Ausdrucksweise, sodaß reiher Beifall des zahlreih erschienenen Publikums einem jeden Liede folgte. Unterstützt wurde das Konzert dur den Baritonisten Herrn A. van Eweyk und die Mezzosopranistin Fräulein Clementine Engelmann. Ersterer brahte seine klangvolle, umfangreihe und in allen Lagen gleihmäßig leiht ansprehende Stimme sowie seine edle, oft tief R Vortragsweise in Schumann's Gesängen aus der „Dichterliebe“, in dem hübshen Liede „Natur®“ von Kulenkampfff, in Liedern von Jensen und in ODuetten von Schumann, Herschel und Hildah ganz vorzüglih zur Geltung. Die Sängerin, die nur über eine {chwache, in der Höhe etwas aus- iebigere Stimme verfügt, trug Lieder von Weber, E. E. Taubert,

ulenkampfff und Anderen vor; ihre Mitwirkung in den Duetten machte einen ganz besonders günstigen Eindruck. Die Gesangsvorträge der beiden Solisten erfreuten sih gleihfalls einer beifälligen Aufnahme.

Im Königlichen Opernhause gehen morgen „Hänsel und Gretel“ (Fräulein Rothauser, Fräulein Dietrich, Herr Betz) und „Cavalleria rusticana“ (Frau Pierson, Fräulein Krainz, Herr Sommer, Herr Bulß) in Scene. Musikdirektor Steinmann und Kapellmeister Dr. Muck dirigieren.

Im Königlihen Schauspielhause gelang: morgen, am Geburtstag des Dichters, Shakespeare’s Zauber-Komödie „Der Sturm“ mit folgender Beseßzung zur Aufführung: Prospero : Herr Nesper, Antonio: Herr Kahle, Gonzalo: Herr Vberländer, Alonso: Herr Keßler, Ferdinand: Herr Purschian, Sebastian: err Plashke, tiranda: Frau von Hochenburger, Ariel: räulein Deppe, Caliban: Herr Grube, Trinculo: Herr Link, Stephano : Herr Heine. Die Musik von Wilhelm Taubert ges unter Mitwirkung dex Königlichen Kapelle und Leitung des Musik- Direktors Wegener zu Gehör. N

err Direktor Ù Pras hat für das Berliner Theater das vieraktige Charakterbild von Heinri Lee „Der S(hlagbaum“ an- enommen, welches eine der ersten Novitäten der neuen Direktion fein wird. Das Stück ist im Verlag A. Entsch erschienen. In der letzten dieswinterlihen Quartett-Soiróe der Herren

Professor Josef Joachim und Genossen, welhhe am Sonnabend in