1895 / 123 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 24 May 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Höft nüßlihen Weise und in einer für beide Theile nüßlihen Weise

zu Hilfe kommen kann. (Bravo!) E 5

Abg. Go thein (fr. Vgg.) erklärte, daß die Vorlage in den Etat aufgenommen werden müfse. Die Tendenz der Vorlage sei ihm dur(- aus sympathisch. Man folle nur auch auf dem Gebiete des Eisen- bahbnbaues dieselbe fabelhafte Schnelligkeit entwickeln, wie sie bei dieser Gelegenheit entwickdelt werde. Ér spricht sih jeßt gleichfalls für die Zurücckverweisung aus.

Abg. von Kölichen beantragte die Streihung des Wortes „Bauprämien“ aus § 4. Da die Minister dieser Streihung zuge- stimmt bâtten, seien die Bedenken der Konservativen beseitigt, und fie könnten auf nochmalige Kommissionsberathung verzichten.

Abg. Iäckel (fr. Volksp.) sprach sih für die Zurückverweisung &Æ&s Gesetzentwurfs an die Kommission aus. Auf eine Anfrage des- selben erflärte der

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Ob der Staat in Posen überhaupt gebaut hat, ift mir nicht bekannt. Wir find garnicht geneigt, da, wo das Wohnungs- bedürfniß durch Privatunternebmer gedeckt ist, wo mäßige Miethen zu zahlen sind, eine genügende Anzahl von Wohnungen vorhanden ift, diese fraglichen 5 Millionen zur Verwendung kommen zu lassen. Eine Konkurrenz gewifsermaßen auf Staatskosten dem Privatwohnungsbau zu machen oder ibn sonst zu erschweren, fann garnicht die Aufgabe sein; in diefer Beziehung kann ih der Herr Vorredner durchaus beruhigen.

Wenn nun der Herr Abg. Gothein die Rückverweisung in die Kommission damit motiviert, daß dann wohl auch eine Resolution ge- faßt werden könnte, die Staatsregierung zur Ausarbeitung des Wohnungsgesetes aufzufordern, fo steht dem Abg. Gothein die Be- antragung einer besonderen NRefolution auch fon zu jeder Zeit frei. Ich glaube, wir würden darüber garniht traurig sein, wenn der Landtag in Beziehung auf die Möglichkeit der Regelung des Wohnungs- wesens durch Gefeß, eine fehr {wierige Frage, eine bestimmte Stellung nehmen wollte. Das hängt alfo mit der Frage der Verweisung dieser Vorlage in die Kommission meines Erachtens durchaus nicht zusammen.

Abg. Letocha (Ztr.) tadelte, daß in Posen, troßdem kein dringendes Bedürfniß dafür vorliege, für Eisenbahnbedienstete Wohnungen bergestellt worden seien.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Es ift von einem der Herren Vorredner beklagt worden, daß in Posen ohne dringendes Bedürfniß Wohnungen für Eisenbahnbedienstete -und -Arbeiter hergestellt worden seien. Zu meinem Bedauern babe ich den Herrn Vorredner nicht vollständig ver- ftanden, aber aus seiner Rede entnehmen zu können geglaubt, daß er der Ansicht gewesen ift, daß die Staatseisenbahn-Verwaltung derartige Wohnungen hergestellt hat. Das ift niht der Fall. In Posen hat die Staatseisenbahn-Verwaltung überhaupt keine Wohnungen für Arbeiter und Bedienstete hergestellt. Wobl aber if in Posen ein Kreië-Spar- und Bauverein, eingetragene Genossenfthaft mit beshränkter Haftung, dem eine niht unbedeutende Zahl von Eisenbahnbediensteten angehören, und dieser Spar- und Bauverein hat seinerseits zwei Familienbäuser hergestellt, die im wesentlihen darauf berechnet sind, gering besoldeten Beamten eine angemefsene und billige Wohnung zu gewähren. Dieser Spar- und Bauverein bat \#ich an die Arbeiter- pensionskasse gewandt und von dieser ein Darlehen von 200 000 M erhalten.

Das sind die thatsählihen Verhältniffe.

Die Abgg. Dasbach und von Eynern sprahen sich für die Bewilligung von Bauprämien aus.

Abg. el führte aus, daß die Arbeiterwohnungen in Posen nicht den sanitären Anforderungen entsprechen.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Ich muß jede Verantwortung für die Bauausfüh- rungen des Bau- und Sparvereins in Posen ablehnen. Er steht nit unter meiner Auffiht; ih habe weder einen Einfluß auf seine Be- \{chlüsse, noch eine Kontrole über seine Bauausführungen. Das Ver- bältniß dieses privaten Vereins zu der Arbeitervensiontkafse ist das des Schuldners zu den Gläubigern. Die Arbeiterpensionskafe hat das Darlehen an den Spar- und Bauverein zu 34 und 3409/9 gegeben. Dem Spar- und Bauverein gehören an 171 Mitglieder, von denen 116 Eisenbahnbeamte sind. Gerade, daß dieser Spar- und Bauverein in Posen gegründet ist, beweist, daß das Bedürfniß nah Herstellung billiger und angemessener Wohnungen für kleinere Beamte dort ein sehr lebhaft empfundenes gewesen ist. Dasselbe wird uns auch von den dortigen Beamten bestätigt und ist auch ganz natürli, wenn man bedenkt, daß zum 1. April eine neue Direktion nah Posen verlegt worden ist, die mehrere bundert Beamte nach Posen neu hbin- gebracht hat. Es is nicht nur von unteren und mittleren. sondern auch von böheren Beamten beklagt worden, daß es shwer fiele, in Posen angemessene Wohnungen zu einem verhältnißmäßig billigen Preise zu bekommen, umsomehr, als, wenn ih nit irre, ih weiß das indeß nit siher dort auch eine Vermehrung der Garnison eingetreten ift.

Abg. Gerlich (frkons.): Nach den ausführlichen Erörterungen im Plenum und den Erklärungen der Herren Minister verzihten wir auf die NRückverweisung der Vorlage an die Kommission. Ebenso wollen wir auf die Streichung des Wortes „Bauprämie“ verzichten, wir werden aber das Geses eventuell auch mit der Streichung annehmen.

Die Debatte wurde hierauf geschlossen, der Antrag auf Rückverweisung an die Kommission abgelehnt, das Wort „Bauprämien“ gestrihen und die Vorlage im übrigen in der ihr von der Regierung gegebenen Fassung angenommen.

_ Es folgte die zweite Berathung des Geseßzentwurfs, be- treffend die Abänderung und Ergänzung einiger Bestim- mungen des Kommunalabgaben-Gesez 2s vom 14. Juli 1893.

Nach der Regierungsvorlage sollte das Einkommen, welches dem Steuerpflichtigen aus Vermögen oder Gewerbe- betrieb u. st. w. außerhalb Preußens zufließt, von der Einkommentteuer befreit sein.

Die Kommission änderte diese Bestimmung dahin, daß das Einkommen so weit von der Einkommensteuer befreit sein soll, soweit dasselbe aus anderen deutshen Bundes- staaten oder einem deutschen Schußt gebiet stammt.

Dazu bemerkte ;

Abg. Seyffardt- Magdeburg (nl.): Von der Stadt Maagde- burg ift eine Petition eingegangen, welche die Regelung dieses Gegen- standes für das Reich bebufs Vermeidung der Doppelbesteuerung wünscht. In der Kommission is diese Petition besprochen worden, und der Herr Regierungévertreter hat versprochen, daß Preußen im Bundesrathe dafür wirken wolle.

Geheimer Ober-Regierungs-Rath N oell: Die Bemerkungen des

.

Herrn Vorredners beruhen auf einem Mißverständniß. ch babe in der Kommission nur gesagt, S Breusen durch E O dieses Ge- seßes die anderen Bundesstaaten veranlafsen wolle, analoge Gesetze

zu erlassen. :

Nach der Regierungsvorlage sollte ferner das Ein- kommen der Steuerpflihtigen beim Heranziehen zur Ein- kommensteuer in ihren Wohnsißgemeinden, soweit dasjelbe aus anderen preußishen Gemeinden fließt, außer Bérehnung bleiben.

Nach der Kommissionsfassung ist die Gemeinde, in der der Steuerpflichtige seinen Wohnsiß hat, wenn das steuer- pflihtige Einkommen weniger als ein Viertheil des Gesammteinkommens beträgt, berehtigt, durch Gemeinde- beshluß ein volles Viertheil des Gesammteinkommens unter entsprechender Verkürzung des einer oder mehreren preußischen

orensalgemeinden zur Besteuerung zufallenden Einkommens

r sih zur Besteuerung in Anspruch zu nehmen.

Außerdem hat die Kommission einen neuen Paragraphen zugefügt, nah dem die Kreise das Halten von Hunden mit einem Höchstbetrage von 5 # besteuern können, ohne daß dadurch das Recht der Geme inden zur Besteuerung der Hunde ber ührt wird. Af :

Endlih soll nah dem Kommissionsbeschluß das Geseg am 1. April 1896 in Kraft treten, während es nach der Regierungsvorlage sofort nah seiner Verkündigung in Kraft treten jollte. i y

Ohne jede weitere Debatte nahm das Haus den Geseßtß- entwurf in der Kommissionsfassung an. E

Drei Geseßentwürfen, betreffend die Kir ch enverfassung der evangelischen Kirche in der Provinz Schleswig-Holstein, im Bezirk der Konfistorien zu Wiesbaden und zu Cassel und der evangelisch-reformierten Kirche der Provinz Han- nover, stimmte das Haus ohne jede Debatte in der Fassung zu, wie sie vom Herrenhause angenommen worden ist.

Es folgte die Berathung des vom Herrenhause bereits angenommenen Geseßentwurfs, betreffend die Ausdehnung verschiedener Bestimmungen des Allgemeinen Berg- geseßes vom 24. Juni 1865 auf den Stein- und Kali- jalzbergbau in der Provinz Hannover.

Abg. Gothein (fr. Vg.): Jeder wird es für berechtigt halten, den Stein- und Kalifalzbergbau unter Aufsicht der Bergverwaltung zu stellen. Es dürfte aber zweifelhaft sein, ob mit. den Bestimmungen des Allgemeinen Berggeseßes auszukommen sein wird, da in dem Geseß kein Unterschied zwishen Bergwerkseigenthum und dem Recht zum Bergbau gemacht ist. Jedenfalls wäre eine genauere Aufklärung nôthig; ih würde deshalb Ueberweisung des Entwurfs an eine Kom- mission von 21 Mitgliedern wünschen. e

Abg. Engels (fr. kons.) : Der Gesetzentwurf ist im Provinzial- Landtag von Hannover, sodann im Herrenhause berathen worden und liegt uns in einer Faffung vor, die zu Bedenken keinerlei Veran- lastung giebt. Herrn Gothein’'s Bedenken liegen auf rein bergrecht- lichem Gebiete, seine Ausführungen waren jedoch irrig. Von einem Uebertragen des Eigenthums auf denjenigen, der das Necht zum Bergbau besißt, ist in dem Gefeze nirgends die Rede. Der Berg- bautreibende muß mit dem Grundeigenthümer, dem in Hannover die Mineralien gehören, si verständigen, um die zum Bergbetrieb nöthigen Anlagen machen zu können. Ih halte die Bedenken des Herrn Gothein niht für zutreffend; die Bestimmungen des Gesetzes sind kÉlipp und klar, und ih möchte bitten, gleih in die zweite Be- rathung einzutreten. Wollten wir den Entwurf erst an eine Kom- million verweisen, fo - würde er in dieser Tagung kaum mehr fertig werden.

Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch:

Meine Herren! Ih kann mich dem Antrag des Herrn Abg. Engels nur anschließen. Wir sind der Ueberzeugung, daß dieses Geset, welches einem Wunsch dieses Hauses entspriht, in sich vollkommen Élar ist und den Zweck erreihen wird, den wir im Auge gehabt baben, vor allen Dingen die Bergpolizei und die Verhältnisse der Berg- arbeiter des Salzbergbaues in der Provinz Hannover nach den Be- stimmungen des Allgemeinen Berggesetes zu ordnen. Der Provinzial- Landtag der Provinz Hannover is gehört worden: er hat das Gefes en bloc angenommen, nachdem in einer Kom- missionsberathung die geäußerten Bedenken bescitigt worden sind und er hat sih in Bezug auf besondere Wünsche beschränkt, in der Ueberzeugung, daß es gerathen ift, zunähst die Materie so, wie sie vorgelegt worden ift, zu ordnen.

Bei den Berathungen des Provinzial:-Landtags is auch der Wunsch aufgeiaucht, die Verfassung des Salzbergbaus in der Provinz Hannover fo zu regeln, daß die Bildung von Gewerkichaften er- mögliht wird. Nachdem man über diese Frage aber eingehend ge- sprechen hat, hat sch{ließlich der Provinzial-Landtag si dabin geeinigt, eine Aendèrung zu diesem Gesey niht zu beantragen, dagegen eine Resolution folgenden Inhalts zu- fassen:

Die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, dur ein demnächst zu erlassendes besonderes Gese den Betrieben des Grundeigenthum- Bergbaues die Möglichk-it zur Bildung von Gewerkschaften dadur zu gewähren, daß auf sié die Bestimmungen der §8 24 bis 134 des Berggeseßes vom 24. Juni 1865 Anwendung finden.

Es ist den Herren zugesagt worden, daß dieser ihr Wunsh in Er- wägung gezogen werden würde. Jh möchte das hobe Haus bitten, auch seinerseits eine weitere Materie, als sie durch diese Vorlage geordnet worden ift, niht in das Gesetz hineinzutragen, weil sonst das Zustandekommen desselben in dieser Session gefährdet würde.

Abg. Eckels (nl.): In Hannover wird das Gesetz, das als eine Nothwendigkeit angesehen wird, mit Freuden begrüßt. Nachdem ih der Kalibergbau, wie geschehen, auëgedehnt hat, fann man mit volizei- lichen Bestimmungen allein niht mehr auskommen. Eine Kommissions- berathung erscheint mir überflüssig.

Abg. von Bockelberg (kons.): Wir sind der Ansicht, daß der vorliegende Entwurf allen an ein Geseß zu ftellenden Anforderungen entspricht und klar formuliert ift. Es ist deshalb wünschenswerth, heute noch in die zweite Berathuug des Entwurfs einzutreten.

Abg. Gothein (fr. Vg.): Ih gebe zu, daß Herr Abg. Engels Autorität auf dem Gebiet des Bergrechts ist. Jch babe aber doch Bedenken, ob die Redaktion des Gesetzes so klar ist, daß jeder Zweifel ausgeschlossen ift.

Ober-Berghauptmann Freun d: Die Regierung is genau der- selben Ansicht wie Herr Abg. Engels.

Abg. Gothein: Dann verzihte ih auf eine Kommissions- berathung. !

S Der Ges eßentwurf wurde hierauf ohne weitere Debatte in der vorliegenden Fassung angen ommen.

Das Haus ging über zur erjten Berathung des im Herren- hause aus Anlaß eines Antrags des Herrn von Bethmann- Hollweg beschlossenen Geseßentwurfs, betreffend die Auf- hebung der S8 18 bis 27 des Geseges wegen Auf- hebung direkter Staatssteuern vom 14. Juli 1893 (Auf ebung der Rückzahlung der Grundsteuer- Entschädigungen).

Abg. Jürgensen (nl.) wies darauf hin, daß ein von ihm ge-

ftellter gleiWlautender Antrag zur Zeit der Kommi sionsberatk unterliege, und bat, bei der zweiten Berathung des Gesehen gleichzeitig den Bericht der Kommission über seinen Antrag zu be, rathen

Zum Wort meldete sih niemand. âäsident von Köller sa u, daßer mit der zweit Lie s Gesetzentwurfs E des KommiffionsberiLe über den Antrag Jürgensen verbinden werde. rey war nah 21/2 Uhr die Tagesordnung erledigt. ächste Sizung Sonnabend 11 Uhr. (Dritte Bera ung der vorgestern in zweiter Berathung angenommenen Geseße: Petitionen.) S

Nr. 20 des „Zentralblatts der Bauverwaltung“ herausgegeben im Ministerium der öffentlihen Arbeiten" vom 18. Mai hat folgenden Inhalt: Runderlaß vom 6. Mai 1895" betreffend die Beschäftigung der Regierungs-Baumeister. Dienst, Nachrichten. Nichtamtliches: Der Bustard der antiken athenis{hen Bauwerke. (Fortsezung.) Die Staumauer von Bouzey bei Epinal, Wettbewerb um Pläne für ein Hallenshwimmbad in Breslau. Vermischtes: Wettbewerb zur Umgestaltung des Königsplaßes. Wettbewerb um Pläne für ein neues Provinzial-Museum in Han- nover. Verkehr auf dem fkanalifierten Main. Neue Patente.

Entscheidungen des Reichsgerichts,

Ist testamentarisch ein Betrag zu wohlthätigen Zwecken ohne nähere Bestimmung derselben auëgeseßzt mit der Maßgabe, daß nach Ableben des Testators ein namhafït gemadter Dritter nah seinem Ermessen über die Verwendung des Be- trages bestimme, so ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, IV. Zivilsenats, vom 8. November 1894, dieses Legat gemäß S 8 es preußischen Erbschaftésteuergeseßes vom 24. Mai 1891 und des dazu gehörigen Tarifs C. e. als eine Zuwendung zu w oblthä- tigen Zwecken mit 4 vom Hundert des Betrages zu ver- steuern, selbs wenn der ausgeseßte Betrag einer subjektiv befreiten Person, z. B. einem Ortsarmenverbande zur Ver- wendung für Hilfstedürftige gegeben wird. Der Kommerzien-Rath L. hatte in feinem Testament bestimmt, daß ein bestimmter Betrag aus seinem Nachlaß für wohlthätige Zwecke, sei es durch Zuwendung an Stiftungen oder an einzelne Personen, in der Stadt B. ver- wendet werde, und daß sein Bruder über die Verwendung nah seinem Ermessen bestimmen folle. Nach dem Ableben des L. zahlte dessen Bruder den angewiesenen Betrag an den Armenverbkand zu B. zur Verwendung für Hilfsbedürftige. Der preußishe Steuerfisfus beanspruhte von dem Bruder des Testators 49/6 Erbschaftsfteuer, welche dieser mit Vorbehalt zahlte. Dér Bruder klagte hierauf gegen den Steuerfiskus auf Erstattung und er erstritt in beiden Instanzen obsiegende Urtheile. Der Berufungsrichter ging davon aus, daß der gedachten Bestimmung im Testament mit Rücsicht auf § 49 1 12 Allg. L.-N. Rechtsgültigkeit niht beigemessen werden könne, weil die- selbe dem Ermessen eines Dritten einen zu weiten Spielraum gewähre und es nit als rihtig anzuerkennen sei, daß der Erblaffer zweifellos nur die Armen von B. habe bedenken wollen, derselbe vielmehr sehr wohl auch an Kranke, Waisen, an Sculen und andere Anstalten ge- daht haben fönne. Ferner führte das Berufungêgeriht aus, daß, wenn jenes Vermäctniß au als ein rehtsgültiges Legat zu erahten sei, alsdann doch der Ortsarmenverband zu B. als der vom Erblasser Bedahte gelten müsse, dieser Verband aber nah dem Tarif zum Erbschaftssteuergesez, Position Be- freiungen Nr. 2 f, von der Erbschaftsfteuer befreit sei. Auf die Revision des Steuerfiskus hob das Reichsgeriht das Be- rufungsurtheil auf und wies den Kläger mit seiner Klage ab, indem es begründèend ausführte: „Nah § 8 des Erbschaftssteuergesezes sollen, wenn ohne Begründung einer Stiftung Zuwendungen zu milden, gemeinnüßigen oder öffentlichen Zwèecken angeordnet oder einem Erben, Vermächtnißnehmer u. st. w. Leistungen zu gleihen Zwecken aufge- tragen sind, dieselben binsihtlich der Versteuerung ebenso behandelt werden, als ob zu demselben Zweck eine Stiftung im Betrag der Zu- wendung bezw. Leistung angeordnet wäre, und es ist die auf solche Zuwendungen entfallende Steuer von den mit der Zuwendung Belasteten zu entrihten. Bei dieser vom Berufungsrichter rechtsirrthümlich übersehenen Sachlage is aber nicht nur S 49 Th. T Tit. 12 Allg. L.-R. verleßt, da die Voraus- jebung, es sei die Ernennung des Legatars der Willkür eines Dritten überlaffen worden, überhaupt nicht vorliegt, sondern auch § 8 des Erbschaftésteuerge!eßes injofern verleßt, als diese Lorschrift ichließlih für die Entscheidung der Sache niht angewendet worden ist. Nach den Vorschriften der §8 7 und 8 des Erbschaftsfteuergeseßze® ift das Vermögen leßtwillig angeordneter Stiftungen sowie jede Zuwen- dung zu milden, gemeinnüßigen oder öoffentlihen Zwecken der Be- steuerung unterworfen, wobei binsihtlih der Höhe des Steuer- jaßes die Bestimmung des Tarifs zu diesem Gese unter der Position Allgemeine Vorschriften C. e. zur Anwendung kommt. Es tritt daher die Steuerpflicht, welhe auf dem Zweckvermögen haftet, grund- säßlih auch dann ein, wenn auf Grund der Zweckbestimmung der Vermögen®vortheil an eine subjektiv befreite Perfon, z- B. einen Ortéarmenverband zur Verwendung für Hilfébedürftig Position des Tarifs Befreiungen 2 f gelangt ist. Diese all- gemeine Befreiung {ließt die auf den Spezialbestimmungen der §§ 7 und 8 des Geseyes beruhende Steuerpfliht niht aus. Von einer gleichen Auffaffung ist das Reichsgeriht unter näherer Ls in wiederholten Entscheidungen auêgegangen. Hiernach ist binsichtli der Besteuerung lediglich der bestimmte Zweck maßgebend; der leßtere betrifft im Streitfalle unbedenklich die Woblthätigkeit, und es ist daher nah Litt. C. e deé Tarifs die Erbschaftsfteuer von 4 vom Hundert gerehtfertigt." (222/94.)

Entscheidungen des Ober-Verwaltungsgerichts.

Ein Ortsftatut ist, nach einem Urtheil des Ober-Verwaltungs- gerihts, II[. Senats, vom 31. Oktober 1894, deshalb nicht völlig unwirksam, weil eine einzelne Bestimmung deéselben, als ge!eß- widrig, der Gültigkeit entbehrt; vielmehr find seine übrigen, den ge!eß- lichen Vorschriften entsprehenden Bestimmungen wirksam. „Das Statut der Stadt N. (Provinz Sachsen) erklärt in seinem § 3 die betreffenden Eigenthümer {on dann für beitragspflihtig, wenn die- selben Gebäude auf den an die neuen Straßen an- grenzenden Grundstücken errihten. Es erscheint unzweifelhaft, das die leßtere Bestimmung, insofern sie von kem Erforderniß, daß dle Gebäude selbst an der neuen Straße liegen müssen, absiebt, als mit dem § 15 des Fluchtliniengesezes vom 2. Juli 1875 unvereinbar der Gültigkeit entbehrt. Ebensowenig ift aber au bedenklich, die Ansicht, das gesammte Statut sei aus jenem Grunde unwirisamt, fehl gebt; dasselbe muß vielmehr befolgt werden, soreit es mit X geseßlihen Vorschriften übereinstimmt. Auch mit dieser Beschränkung rechtfertigt es die seitens des Beklagten erhobene Forderung, (II 1469.)

Nah § 58 Abs. 1 des Krankenversicherungsgesetzes werden Streitigkeiten, welhe zwischen den auf C setzes zu Ver siwernden Personen oder ihren Arbeitgebern einerseits und der Gemeinde kranfenverfiherong oder der Ortskrankenkasse andererseits über ie Versicherungêverhältniß und über die Verpflichtung zur Leistung Einzablung von Eintrittsgeldern und Beiträgen oder über stüßungéansprühe entstehen, sowie Streitigkeiten Lan pre aus § 57a Abs. 3 und über ansprüche aus § 50 von der Aufsichtsbehörde entschieden ;

E iheiduns fann binnen vier Wochen ms der Zustellun Jeeselben

mittelst Klage im oxdentlihen Rehtswege, soweit sandesgefeßlich folde Streitigkeiten dem WVerwaltungs- fireitverfa ren überwiesen find, im Wege des letzteren angefohten werden. Bezug auf diese Bestimmung hat das Okter-Verwaltungs- gericht, T1I. Senat, durch Urtheil vom 19. November 1894 aus- gesprochen, daß- bei den im § 58 Abs. 1 erwähnten Streitigkeiten, insbesondere auch bei denen über das VersihherungSverhältniß, in Preußen die Anfechtung der Entscheidung der Aufsichtsbehörde nur mittels Klage im ordentlichen Rechtêwege mögli ist, da diese Streitigkeiten nit landesgeseglih dem Verwaltungsftreitverfahren iberwiesen sind. (ITI 1275.)

Statistik und Volkswirthschaft. Zur Arbeiterbewegung.

Aus Solingen wird der „Köln. Ztg.“ geshrieben: Die au €&- ständigen Ausmacher (vergl. Nr. 118 d. Bl) haben Montag Abend in einer zahlreich befuhten Versammlung den Beschluß gefaßt, in dem noch ftrittigen Punkt wegen des Einigungs8amts nahzugeben und den Vorschlag des Fabrikanten-Vereins : etwaige Lobnstreitigkeiten nit dem Einigungsamt des Gewerbegerihts, sondern einer aus

abrikanten und Ausmahern zusammengeseßten Vergleihskammer zur

B scheidung zu unterbreiten, anzunehmen, fowie den Ausstand auf- zuheben. Da mittlerweile zwishen Fabrikanten und Ausmachern private Unterhandlungen gepflogen worden sind, darf man hoffen, daß das neue Preisverzeihniß; in einigen Tagen fertiggestellt sein wird.

In Harburg ist der Ausftand in den Palmfkernöl- Fabriken vorm. Heins und Asbeck (vergl. Nr. 110 d. Bl.) im Sinne der Arbeiter beendet worden. Es ist folgende vom „Vorwärts“ mitgetheilte Vereinbarung zu stande gekommen: Die Ausftändigen nehmen die Arbeit wieder auf. Sie können darauf rechnen, daß ibnen von der Aufnakme der Arbeit an eine Lohnerhöhung von 20 „j für den Arbeitêtag auf das ganze Jahr gewährt wird, daß eine Mafß- regelung der Ausêständigen nicht eintreten soll und daß den die Arbeit wieder Aufnehmenden ihre frühere Arbeitszeit bei der Berechnung der Anciennetät angerechnet wird. Der Ausftand beganx am 28. April und endete am 17. Mai, hat also etwa 3 Wochen gedauert.

In Flensburg bat nach einer Mittheilung desselben Blattes ein Theil der Maurer die Arbeit eingestellt.

n Mainz sind, wie der „Frkf. Ztg.* berihtet wird, die Dach- deckergehilfen wegen Nichtbewilligung ihrer Forderungen am Mitt- woh ia den Auéstand eingetreten. (Vergl. Nr. 121 d. Bl.)

In Nürnberg ist nach dem „Vorwärts“ der Auéstand der Maler und Tüncher für beendet erflärt worden. Der Ausstand der Zimmerleute dauert fort. Der Strike der Maurer und Steinbauer darf als beendigt betrahtet werden, ohne daß an- sheinend etwas erreiht worden ift. - (Vergl. Nr. 119 d. Bl.) :

In Chicago ift, wie der Londoner „Times“ gemeldet wird, ein allgemeiner Ausstand der Ziegelarbeiter ausgebrochen, durch welchen von einigen Unternehmern eine Erhöhung der Löbne erzwungen werden soll.

Literatur. Geseze, Verordnungen x.

Von dem bekannten Sammelwerk „Das gesammte preußish-deutshe Gesezgebuncgs-Material“, welhes der Geheime Regierungs-Rath G. A. Grotefend herausgiebt (Verlag von L. Shwann in Düfseldorf), ift der Jahrgang 1894 erschienen. Das Buch enthält die in der Zeit vom 21. Oktober 1893 bis zum 31. Dezember 1894 ergangenen Gesetze (u. a. auch die deutschen Handelsverträge mit Rumänien, Rußland, Columbien und Uruguay), Verordnungen, Ausführungs - Anweisungen, Erlasse, Verfügungen u. s. w. der preußishen und deutshen Zentralbehörden aus den Geseß- Sammlungen für das Königreih Preußen und das Deutsche Reich, dem „Reichs-Zentralblatt“, dem „Justiz-Ministertalblatt“, dem „Ministerialblatt für die innere Verwaltung“, dem „Zentral- blatt für die Unterrihts-Verwaltung“, dem „Kirchlichhen Geseßz- und Verordnungsblatt“, dem „Amtsblati des Reichs-Postamts“, dem „Eisenbahn-Verordnungsblatt*, dem „Zentralblatt der Abgaben- geseggebung“ und anderen amtlichen Veröffentlihungen. In dieser

usammenstellung liegt der Werth des Bus. Denn welcher Vor- theil für die Reihs-, Staats- und Kommunal-Behörden und -Beamten wie für viele andere im öffentlichen Leben stehende Personen fih er- giebt, wenn ihnen der gesammte in einer Unzabl von Geseß- und Ver- ordnungsblättern zerstreute Stoff in einem Band vereinigt bequem zur Hand ist, das weiß jeder Praftikzr. Der Preis des Werks, dessen Benußung durch ein genaues Sachregister sehr erleihtert wird, konnte bei seinem großen Umfang naturgemäß fein niedriger sein ; er stellt sich auf 8,25 #4 für das brofchierte und 9,75 Æ für das ge- bundene Exemplar. Gleichwohl ist nicht zu bezweifeln, daß das Buch viele Abnehmer finden wird. 4 /

Von G. A. Grotefend’s „Erlassen zur Ausführung und Erläuterung der Geseße des preußischen Staats und des Deutschen Reichs 1809—1894, aus den amtlihen Ver- êffentlihuncçen der preußischen und der Reichs-Zentralbebörden zu den einzelnen Geseßen zusammengeftellt* (dritte, neu bearbeitete Auflage ; Verlag von L. Shwann in Düsseldorf) sind jeßt die Lieferungen 5—T7 ershienen. In übersichtliher Anordnung werden darin alle die- jenigen amtlihen Erlasse, Ministerial-Verfügungen, Ausführungs- Bestimmungen, Beschlüsse des Bundesraths, Bekanntmachungen des Reichskanzleramts u. }. w. mitgetheilt, welche in der Zeit vom 28. Dk- tober 1871 bis zum 5. September 1877 zu den noch geltenden preu- bischen und deutshen Geseßen ergangen find. Der Werth und die praktishe Brauchbarkeit dieses fast eine ganze Bibliothek erfparenden Werks i} schon früber hervorgehoben wcrden. / i

Die Sonntagérube im Gewerbebetrieb und im Handelsgewerbe. Nach den reicsgefeßlihen und landesgeseß- lihen Bestimmungen und Ausführungsverordnungen für Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden und Hessen bearbeitet und mit Erläuterungen versehen von Stadtrath C. Büttner in Leipzig. Verlag von Albert Berger in Leipzig. Preis 3,60 In einem handlihen Buche wird hier eine Uebersicht der reichs- geseßlihen und der in den sechs größten Bundesstaaten, Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden und Hessen geltenden landesgeseblichen Vorschriften über die Sonntagsruhe geboten. Der Verfasser hat \sch indeß nicht mit einer Zusammen- stellung dieser Bestimmungen begnügt, sondern if auch be- müht gewesen, durch Verweisungen auf die zu dem Geseß er- gangenen Ausfübrungéverordnungen upd dur erläuternde Bemerkungen das Verständniß zu erleichtern. Auch die über die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe seit dem 1. Juli 1892 ergangenen zahlreihen Ent- |eidungen der Ministerien, Gerichte und oberen Verwaltungsbehörden, sowie die einshlägige Literatur sind genügend berüdsichtigt, sodaß das

uch niht nur den Gewerbetreibenden, sondern auch den mit der Durchführung der Vorschriften über die Sonntagsruhe betrauten Beamten wesentliche ene n E O ist. unstgeshite. N

Anton Springer: Handbuh der Kunstgeschichte. I. Das Alterthum. Leipzig, E. A. Seemann, 1895. Lex. 8. 242 S. mit 359 Abbildungen. Als 1879 Anton Springer?s Urt zu Seemann?’s funsthistorischen Bilderbogen anonym erschien, war die Kritik bald darüber einig, daß in diesem bescheiden als Terxt- buch einer volfksthümlichen Publikation auftretenden Werk die shwierige Aufgabe, die Grundzüge der Kunstgeschichte klar und do niht seit darzustellen, klassisch gelöst war. Dieser Ruhm des besten und fnappsten Elementar - Handbuchs der Kunstgeshihte ist dem

auch in späteren Auflagen geblieben, unter denen die Geenwärtig erscheinende vierte si insofern in veränderter estalt giebt, als die Abbildungen in den Text auf- genommen sind, die früher als Bilderbogen einzeln erschienen. Damit

war die Nothwendigkeit eines größeren Formats gegeben, sodaß das Werk jeßt auch in seiner äußeren Gestalt sih anderen Handbüchern der Kunstgeshihte zur Seite stellen kann, deren geistigen Gehalt es zweifellos überragt. Der bisher erschienene erste Theil umfaßt das klassische Alterthum Und ist, wie shon in der dritten Auflage, von Profeffor Michaelis in Straßburg nah dem Tode des Verfassers aufs forgfältigste überarbeitet. Die gerade auf arhäologishem Gebiet so zablreihen neuen Forschungsergebnifse, die durch die unermüdlihen Ausgrabungsversuche von Tag zu Tag sih mehren, sind in vollem Umfang verwerthet, ohne doch den Umfang des Hefts allzusehr anschwellen zu laffen oder unausgetragene Fragen in die Diskussion zu ziehen. Der Herausgeber der neuen Auflage, ein Sohn des verstorbenen Verfassers, betont in feinem Vorwort, daß nur dasjenige Aufnahme unter die Nachträge gefunden bat, was als sicherer Erwerb ter Wissenschaft gelten fann. So ift namentlich auf dem Gebiet der altorientalischen und der -arhaish-griehishen wie auch der hbelleniftishen Kunft manche werthvolle Bereicherung der Darstellung zu verzeichnen. Die illustrative Ausftattung beschränkt sich keineswegs auf die bisher in den funfthistorishen Bilderbogen vereinigten Holzschnitte und Farbendrucke, welche leßtere die Anshauung der antiken Polychromie trefflih erläutern, sondern zahlreide Zusäße und Ergänzungen ge- ringerer Abbildungen durch neue Aufnahmen und glücklichere Re- produfktiontverfahren gereichen . dem neuen Buch, das in der That unter den illustrierten Darstellungen der gesammten Kunstgeschichte einen der vornehwsten Pläye einnehmen dürfte, zu lehrreihem Scchmuck. Das Andenken des genialen Verfassers, dem Herausgeber und Verleger in dieser Neuauflage ein pietätvolles Denkmal geseßt haben, wird damit auch bei der nahlebenden Generation in Ehren erhalten bleiben. Dichtungen.

«Prinz Louis Ferdinand“. Ein Heldenleben. Historische Dichtung von Hofrath R. Bunge. 276 Seiten 8°. Berlin, Verlag von Karl Siegismund. Preis brosch. 3,60 #, gebunden 4,590 A4 Diese neueste Schöpfung des beliebten Dichters, welhe von echt patriotisher Begeisterung getragen ist und sich eng an die historischen Ereignisse der Jahre 1793 bis 1806 anschließt, dürfte niht nur ihres fesselnden Inhalts, fondern auch ibrer reizvollen voetischen Form wegen die Aufmerksamkeit der Literaturfreunde auf sich ziehen. Die leßten dreizehn Lebenéjahre des preußishen Heldenprinzen, den der Dichter den Siegfried des tapferen Hohenzollerngeschlechts nennt, wer“ den in reizvoll wechselnden Versformen und so spannend erzählt, daß der Leser mit ibnen jene gewittershwüle und friegerishe Epoe des preußischen Hof- und Staatslebens mit zu durbleben meint. Die bervorragendsten Gestalten sind in dem Gediht mit gewissenhafter Porträâttreue wiedergegeben und zwar neben dem genialen Haupthelden der Dichtung namentlih au drei herzgewinnende Frauengestalten: allen übrigen voranleuchtend die unvergeßlihe Königin Luise, dann aber auch die geistvolle, philosophisch angelegte Rahel Levin und die anmuthige Gefährtin des Prinzen, Henriette Fromm. Theils stürmisch bewegte Heldendic:tung, theils ländlihes Idyll, wirkt die Dichtung selbs noch in der tiefsten Nacht der politishen Verbältnifsse Preußens durch den Sühnetod des Prinzen mit tragisch-poetiiher Gerechtigkeit erhebend und sittlih kräftigend auf den Leser, der darin den patriotischen Dramatiker des „Herzog von Kurland“, den liebenswürdigen Librettisten des „Trompeter von Säfkkingen“ und den feinsinnigen Poeten des „Camoëns* in seinen Haupteizenschaften wiedererkennen und von neuem ihäßen lernen wird.

Illustrierte Werke.

Bei S{midt u. Günther in Leipzig erschien soeben die erste Lieferung eines durchaus eigenartigen, intereffanten Prachtwerks, be- titelt: „Napoleon I. in Bild und Wort“, von A. Dayot, übertragen von O. Marschall von Bieberstein, mit 500 Textillustra- tionen, Vollbildertafeln, Karikaturen und Autographen. Das Wer erscheint in ca. 30 Lieferungen à 60 4. Nicht weniger als 108 Maler, 16 Bildhauer und 19 Graveure baben zu diesem Unternehmen bei- gesteuert, darunter Künstler ersten Ranges, wie David, Canova, Ingres, Isabay, Meissonnier, Philivyoteaux, Thorwaldsen, Horace Vernet 2c. Die berühmten Gemälde des Louvre, des Museums von Versailles, von Sèvres, aus dem Pantheon, ferner die interessantesten Gegen- stände der Sammlungen des Prinzen Napoleon, des Prinzen Roland Bonaparte, des Herzogs von Aumale, Herzogs von Bassano, Marquis de Girartin, der Sarah Bernhardt 2c. sind getreu reproduziert. Daran reihen sich ferner kize große Anzakl von Autographen des Kaisers, Briefe an feine Marschälle, an Josephine. an die Gräfin von Walewska, ferner Karikaturen Napoleon’'s aus England, Deutsch- land, Italien. Nach alledem verspricht diefe Publikation für jeden Geschichtsfreund b¿chst anziehend und werthvoll zu wecden.

Verschiedenes. :

Die Verlagsbuhhandlung Richard Eckstein Nachf. (H. Krüger), Berlin W. 57, Kirhbachstraße 3, versendet ihren soeben erschienenen, elegant auëgestatteten Verlagékatalog. Derselbe enthält außer den Titeln der Verlagêartikel eine interessante Erzählung aus der Feder des befannten Striftstellers Ernst Eckstein, sowie die Porträts der Schriftsteller und Schriftstellerinnen Valeska Gräfin Betbhusy-Huc, F. Frhr. von Dincklage, Fedor Dostojewski, Ernst Eckstein, Wilhelm Jensen, Agnes Gräfin Klinkowström, Guy de Maupafsart, Doris Freiin von Spättgen, C. Tanera, Leo Graf Tolstoi, Iwan Turgenjeff, Ernst von Wolzogen, Arthur Zapp, E. von Wald-Zedtwit, Fedor von Zobeltitz, Hans von Zobeltiß (Hanns von Spielberg), Émile Zola. Einige gediegene Auéstattungêproben von Werken des Verlags bilden den Schluß. Der Katalog, den die Verlagsbuchhandlung jedem Besteller gratis und franco zusendet, empfiehlt sih namentlich allen denjenigen, die sich vor Antritt der Batdereise mit einer gefälligen Lektüre ausrüften wollen.

Zeitschriften

Von der Zeitschrift „Der Zoologische Garten“ (Nedak- tion und Verlag von Mablau & Waldschmidt in Frankfurt a. M:) erschien soeben Nr. 3 des XXXVI. Jahrgangs für 1895 mit folgen- dem Inhalt: Einiges aus dem Seelenleben der Vögel von Dr. Emil Buck-Konstanz. Der Zoologishe Garten zu Dreéden im Sommer 1894 von Ernst Friedel. WBeobachtungen an Wüstenthieren von Richard Schmidtlein (mit einer Abbildung). Die Meisen, Paridas, eine Studie von Schenkling-Prévôt. Zur Geschichte der Hunde- Rassen von Dr. A. Hammeran (Fortsezung). Ein Rackelhahn bei Jena von Dr. med. Garl R. Hennicke. Korrespondenzen. Klei- nere Mittheilungen. Literatur. Eingegangene Beiträge. Bücher und Zeitschriften. A O

„Sport im Bild®* is der Titel einer neuen illustrierten Zeitschrift, welhe nach Inhalt und Ausftattung geeignet erscheint, si die Gunst des Publikums zu erwerben. Ein besonderer Vorzug ist ihre Vielseitigkeit. Jeder Sportzweig findet gleihmäßige Berüd- sichtigung. Die erste Nummer der Zeitschrift, in welher au das

rogramm derselben entwidckelt ist, enthält Abbildungen, an denen fih die Freunde des Pferdesports ebenso erfreuen dürften, wie Ruderer, Bicyclisten, Jäger, Segler und die Anhänger der Rasen- spiele. Die Momentphotographie nimmt in der neuen Zeitschrift einen großen Raum ein und spiegelt in charafkteristisher Weise den Verlauf einzelner spannender Ereignifse wider. In Bezug auf die sonstige Ausstattung scheinen englisch2 Muster zum Vorbild gedient zu haben, während der Tert auf die Mitarbeiterschaft Ldcite Fachleute {ließen läßt. In Sportkreisen dürfte die neue Zeitschrift, welhe im Verlage von Pitcairn-Knowles, Simon & Co. Berlin W., Leipzigerstraße 105, erscheint, Beifall finden.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrnngs- Maßregeln.

Argentinien. E Durch Regierungsdekret vom 25. v. M. sind die Häfen von Trugnos für rein erflärt worden. (Vergl. „R.-Anz.“ Nr. 100 vom 26. v. M.)

Cholera.

Spand, Dem Medizinal-Departement wurden bis zum 27. April folgende Erkrankungen (und Tedesfälle) gemeldet: in den

29. März bis 4. April und vom 12. bis 18. Apri

Gouvernements Wolbynien vom 7. bis 13. April 57 (18), Po-

dolien vom 14. bis 20. April 5 (4), in dem Gouvernement Wo l-

by r außerdem nachträglich für die Zeit vom 24. bis 30. März

Ostindien. Kalkutta. In den beiden Wochen vom 31. März bis 13. April find 221 Personen an Cholera gestorben. , Gelbfieber. -

In Havana wurden dem „Abstr. of sanit. ta. zufolge vom

je 1 Todesfall

(bei etwa 3 bezw. 2 Neuerkrankungen) festgestellt, in Vera Cruz

bom. 5. bis 18. April 2, in Rio de Janeiro in den 3 Wochen vom 10. bis 30. März 20, 21 und 20, in Santos vom 10. bis

16. März 48. : Tricinosfe.

Einer amtlihen Meldung aus Cincinnati zufolge find in der »

Nähe von New-Buffalo, Michigan, 6 Personen nah dem Genuß von halbgefohtem . Schweinefleisch an Trichinose schwer erkrankt.

Verschiedene Erkrankungen. i,

Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen starben an Masern (Dur&schnitt aller deutshen Berichtsorte 1881/90: 1,30%): in Straßburg i. E. Erkrarkungen wurden aus Berlin 50, Breslau 52, aus den Regierungsbezirken Arnéberg 124, Düsseldorf 93, Hildes- heim 150, Posen 1009, -aus Wien 239, Budapeit 29, -Œdinburg 82, Kopenhagen 32, St. Petersburg 35, Prag 32 gemeldet Er- franfungen an Scharlach famen in Berlin 60, Hamburg 37, Wien 100, London 179 (Krankenhäuser), Paris 80, St. Peters- burg 33 vor, an Diphtherie und Croup (1881/90: 4,499/s): in Dessau Erkrankungen kamen in Berlin 97, Wien 54, Kopen- hagen 34, Paris 81, St. Petersburg 44, an Unterleibstyphus in St. Peteréburg 37 zur Anmeldung.

Der Gesundheitéstand in Berlin blieb auch in der Woche vom 9. bis 11. Mai ein günstiger und die Sterblichkeitsziffer fast die glei niedrige wie in der Vorwoche (von je 1000 Einwohnern starben, aufs Jahr berechnet, 15,7). Unter den Todesursachen traten akute Ent- zündungen der Atbmungsorgane wohl noch immer fehr zahl- reih zu Tage, doch nahmen fie vielfach einen milderen Verlauf. Er- franfungen an Grippe wurden weniger beobachtet, aber immer noch 4 Todesfälle infolge von Grivpe berichtet. Erbeblih häufiger- als in der Vorwoche kamen dagegen wieder akute Darmkrankheiten zum Vorschein und führten, jedoch fas nur unter fkleinen Kindern, mehr Todesfälle herbei. Die Betheiligung des Säuglingsalters an der Sterblichkeit war jedoch nur eine wenig gesteigerte; von je 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, 43 Säuglinge. Von den Infektionskrankheiten famen Erfrankungen an Unterleibs- typhus gar nicht, an Scharlah, Masern und Diphtherie etwas mehr als în der Vorwche zur Anzeige, und zwar kamen Erkrankungen an Diphtherie aus der jenseitigen Louisfenstadt, der Rosenthaler Vorstadt und dem Wedding in größerer Zahl zum Vor- schein, während fch Erkrankungen an Masern und Scharlach in feinem Stadttheil in nennenëswerther Zabl zeigten. Zwei weitere Erkrankungen an Genidckstarre gelangten zur Aufnahme in die Kranken- häuser. Erkrankungen an Kindbettfieber wurden 4 bekannt; rosen- artige Entzündungen des Zellgewebes der Haut wurden etwas mehr zur ärztlihen Beobachtung gebraht. Erkrankungen an Keuchhusten, die ihren milden Verlauf behielten, zeigten fich seltener; auch rheumatisde Beschwerden aller Art gelangten etwas weniger zur ärzt- lien Behandlung.

Handel und Gewerbe,

Tägliche Wagengestellung für Koblen und Koks an der Nuhr und in Oberschlesien. An der- Rubr find am 22. d. M. geîtellt 11 173, nicht recht- zeitig gestellt 17 Wagen. In Oberschlesien sind am 21. d. M. gestellt 3973, nicht recht- ¿eitig gestellt keine Wagen.

Zwangs-Versteigerungen.

Beim Königlichen Amtsgericht 1 Berlin standen am 22. Mai die nachhbezeihneten Grundstücke zur Versteigerung: Forster straße 19, dem Maler G. Presser gehörig; Nuzßungs- wertb 10 820 Æ; mit dem Gebot von 192 200 M blieb der Rentier Mar Wygodzinski, Bellevuestraße 7, Meistbietender. Fidictn- straße 20d, dem Neftauratenr C. Dodzuweit gehörig; Fläche 5,94 a: für das Meistgebot von 142 000 A wurde der Rentier Carl Eggers zu Friedenau, Ersteher. Wriezenerstraße 41 und 42, dem Fabrifanten H. Weste gehörig; Nutßungëwerth 3200 4; Ersteher wurde der Steinfetzmeister Albert Brehme, Wriezcnerstraße 40, mit dem Gebot von 50 100

Beim Königlihen Amtsgeriht Il Berlin standen die nachbezeihneten Grundstücke zur Versteigerung: Das im Grund- buch von Wilmersdorf Band 33 Blatt Nr. 1024, auf den Namen des Maurermeisters Joseph Bieberstein eingetragene, zu Deuts ch - Wilmersdorf, am Kronprinzendamm 8, belegene Grundstü; Flächenraum 4,66 a; mit dem Gebot von 69 000 e blieb der Bild- hauer August Sander zu Berlin, Kastanien-Allee 31, Meist- bietender. Das im Grundbuche von Deutsch-Wilmersdorf Band 41 Blatt Nr. 1237 auf den Namen des Restaurateurs Hermann Hänsch zu Deuts - Wilmersdorf eingetragene, zu Deuts ch-Wilmers dorf, Ecke Letenburger- und Pfalzburger- straße belegene Grundstück; Flächenraum 8,82 a; mit dem Gebot von 1570 Æ blieb die Deutsche Grundshuld-Bank Aktiengesell- haft zu Berlin, Dorotheensiraße 95, Meistbietende. Das im Grundbuche von den Umgebungen Berlins, im Kreise Teltow Band 11 Blatt Nr. 436 auf den Namen des Maurermeisters Gustav Förder zu Treptow eingetragene, zu Treptow, Kief- bolzweg belegene Grundstü: Fläche 3,97 a. Mit dem Gebot von 73 000 Æ blieb der Rentier Wilhelm Andreas zu Eartville, Staat Illinois, Nord-Amerika, Meistbietender. Aufgehoben wurde das Verfahren der Zwangsversteigerung wegen des Grund- stücks zu Schöneberg, Koburgstr. 5 belegen, dem Privatier Paul T ippel gehörig.

Vom oberschlesishen Steinkoblenmarkt berichtet die „Schl. Ztg.“: In den leßten Wochen hat das obersclesische Koblengesäft eine Verstärkung nicht erfahren. Der Absatz an Stük-, Würfel- und Nuß T läßt zu wünschen übrig, während für die übrigen Koblensorten die Aufträge in befriedigender Weise eingehen. Nachdem die in Dombrowa, ruf. Polen, vom Brande heimgefuhte Grube die Förderung wieder aufgenommen, hat si der Export an oberschlesischen Koblen nah Rußland wieder vermindert, sodaß die groben Sorten jeßt zumeist für den Eisenbahnbetrieb, sowie nah Oesterreich, Posen und Ostpreußen versandt werden. Die fkleinkörnigen Sorten finden gegenwärtig für Ziegeleien und Fabriken, sowie als Betriebs- foblen für die ober|chlesischen Werke, und als Hausbrandkohlen starken Absay. Die Verladung entsprah im allgemeinen der Förderung, sodaß Feiershihten nirgends eingelegt zu werden brauhten. Die Sendungen nach den Umschlagstellen in Kosel und Pövelwiß waren infolge ungenügenden Absatzes für die groben Sorten ziemli mäßig. Im Koksgeschäft hat ih keine Aenderung vollzogen: die Lage blieb die der Vorwochen. Der Absaß für oberschlesishen Koks nah dem Auslande ift nicht bedeutend, und die obersclesishen Werke beziehen größere Quantitäten an Waldenburger und Witkowiter Koks seiner befferen Qualität wegen. Theer und Theerprodutte sind bei guten Preisen lebhaft begehrt.

Die nächste Börsenversammlung zu Essen findet am 27. Mai im Berliner Hof statt.

Die Königlich bayerishen Staatsbahnen verein- nahmten im April d. J. 9355 201 (+ 468 243) A und vom 1. Ja- nuar bis Ende April 33 017766 (— 50 498)

Die Einnahmen der Pfälzischen Eisenbahnen betrugen im April d. J. 1889 941 (+94 227) #4 und seit dem 1. Januar d. J. überhaupt 6 653 734 (— 32 400) Æ

Die Einnabmen der Königlih württembergischen Staatseisenbahnen beliefen sich im April d. J. auf 3134560

t (+ 201191)

E E L N