1895 / 142 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 17 Jun 1895 18:00:01 GMT) scan diff

trägt. Die Inschrift lautet : „Ebrenpreis Seiner Majestät des Kaisers und Königs Wilhelm II., gestiftet 1895 für die Nudervereine der böberen Lehranstalten in Berlin.“ Die Ruderer selbst versammelten fih vor dem Beginn der Wettkämpfe auf der Terrasse des Regatta- verein8hauses. ofessor Wagner hielt hier eine kurze Ansprache an die jungen Leute, in der er der Hoffnung Ausdruck gab, daß die Theilnahme an der ersten Berliner Schülerregatta ihnen ftets in lebendiger Erinnerung bleiben möge, daß diese Theilnahme aber au dazu beitrage, sie dem Rudern für alle Zeiten zu gewinnen. Die Ansprache {loß mit einem begeisterten dreimaligen Hipp- Hipp-Hurrah dem Allerhöchsten Schirmherrn Kaiser Wilhelm I. Die ettkämpfe begannen furz nach 4 Uhr mit dem Er- munterungsrennen (Babnlänge 1200 m). Den Sieg errang nah 5 Minuten 23 Sekunden das Andreas-Realgymnasium. Es folgten die Friedrihé-Werdershe Ober-Realshule (5 Minuten 28 Sekunden), das Luisenstädtische Realgymnasium (5 Minuten 32 Sekunden), das Friedrichs - Realgymnasium (5 Minuten 43 Sekunden), sowie die 1. Realschule und das Leibniz-Gymnasium (beide 5 Minuten 48 Sekunden). Das Königliche Friedrih-Wilhelms-Gymnasium gab den Wettkampf auf, weil ibm ein Dampfer in den Weg fuhr. Die Sieger erhalten bronzene Medaillen mit dem Kaiserbild und der In- schrift „Schülerrudern Grünau. 15. Juni 1895“. Das Hauptrennen um den Kaiserpreis wurde mit noch erhöhter Spannung erwartet. Alle aht gemeldeten Schulen erschienen am Start, die Bahn war auch dieëmal 1200 m lang. Vor den Tribünen führte das Andreas- Realgymnasium, kurz vor Ziel aber seßte das Luisenstädtische Real- aymnasium mit einem mächtigen Spurt ein und siegte mit einer balben Länge nah 5 Minuten 5 Sekunden. Es folgten Andreas-Realgymnasium (5 Minuten 6 Sekunden), Friedrich-Wilhelm-Gymnasium (5 Minuten 173 Sekunden), Friedrihs-Werdershe Ober-Realschule (5 Minuten 214 Sekunden), Königstädtishes Realgymnasium (5 Minuten 24 Se- kunden), Leibniz-Gymnasfium (5 Minuten 31 Sekunden) und Luifen- Gymnafium (5 Minuten 33 Sekunden). Das Friedrihs-Real- aymnasium gab das Rennen auf. Die Preise vertheilte Provinzial- Sqhulrath Genz. j E Gestern wurden in Gegenwart Seiner Majestät des Kaisers und Königs die ersten 13 Rennen der dieëjährigen roßen Ruder-Regatta ausgefohten. Auf den Tribünen des egattavereins hatten als Ebrengäste der Minister des Innern von Köller, die Geheimen Ober-Regierungs-Rätbe Dr. Althoff und Dr. Naumann, der Regierungs-Präsident Graf Hue de Grais, der Landrath Stubenrauch, der Rektor der Universität Professor Pfleiderer, der Direktor der Militär-Turnanstalt Oberst-Lieutenant Brix und Pro- fessor Güßfeldt Plaß genommen. Gegenüber den Tribünen war eine große Flottille von Dampfern, reich geschmüdckten Segelyachten und Ruderbooten aller Art vor Anker gegangen. Seine Majestät der Kaiser, Allerhöchstwelher Marineuniform trug, und in dessen Gefolge sich der Kommandant des Hauxktgquartiers, General-Lieutenant von Plefen, der Vize-Admiral Hollmann, der Kontre-Admiral Freiberr von Senden- Bibran und Oberst von Scholl befanden, hatte um 2 Uhr die Station Wildpark verlassen und Sich zunächst mit der Eisenbahn nach der Station Treptow begeben, wo der Kaiserlihe Dampfer „Alexandria“ bestiegen worden war. Kurz nach 4 Uhr begrüßten Seine Majestät tausendfältige Hurrahrufe. Als die „Alexandria“ am Kaiserpavillon anlegte, intontierte die Pionierkavelle die Nationalhymne. Seine Majestät begrüßte vom Oberdeck aus huldvoll die zahlreihe Menschenmenge. Mit lebhaften Worten der Befriedigung \prach der Monarh Sich über das Schülerrudern aus und befahl die anwesende Siegermann- {aft alébald an Bord. Mit den jungen Leuten erschienen der Di- reftor des Luisenstädtiswen Gymnasiums, Professor Rose und der Protektor - der siegreihen Abtheilung Dr. Wappenhans. Nach Vor- stellung der Sieger konnte auf die Frage, ob das Rudern keinen s{ädlihen Einfluß auf den Schulbesuch ausgeübt, und wie lange die Mannschaft im Training gewesen, Direktor Rose die Versicherung abgeben, daß auch während des Trainings, das eigentlih nur 6 Wochen gedauert und “unter Leitung des „Hellas“ erfolgt sei, der häusliche Fleiß der Schüler zu keiner Klage Anlaß gegeben habe. Bei der Regatta felbst, die mit dem Rennen im Iuniorvierer um den Staatépreis begann, ftarteten von 14 Gemeldeten 11. Nach sharfem Kampfe siegte in 8 Minuten 8} Sekunden mit § Längen der Berliner Ruderklub „,Sport-Borussia“. Bei dem nun folgenden Rennen im Kaiser-Vierer starteten alle sech8 Gemesldeten. Der Mainzer Ruderverein siegte nah hartem Kamvf mit 2 Längen nah 7 Minuten 44¿ Sekunden. Das Rennen im 2. Doppelzweier ohne Steuer- mann gewann nach 8 Minuten 94 Sekunden „Sport-Borussia“". Im Wettkampf der Akademishen Vierer um den neuen Preis Seiner Majestät des Kaisers siegte der Berliner Akademische Ruderverein nach 8 Minuten 17È Sekunden. 8 folgte dann das Rennen im Ermunterungsvierer, offen, für Vereine, deren Ruderer 1895 nicht von einem Berufstrainer ausgebildet sind. Von 10 Gemeldeten starteten 9; den Preis holte sich mit 3 Längen nah 7 Minuten 93 Sekunden die Danziger „Viktoria®. Das 6. Rennen galt den 2. Einern, 11 waren gemeldet, 9 am Start. Fri Trendel vom Berliner Nuderverein siegte na 8 Minuten 584 Sekunden. Der Kaiser hatte während dieser Zeit die beiden Kaiserpreise an Bord bringen lassen und die sieareihe Mannschaft des Mainzer Rudervereins dorthin befohlen, Mit herzlihen Worten beglückwünschte der Kaiser die Sieger, welche den Preis aus der Hand Seiner Majestät des Kaisers entgegennahmen. Darauf erschienen au die Sieger im Akademischen Vierer (vier Studierende der Technishen Hochshule und ein Studierender der Thierärztlihen Ho&schule), um den großen Pokal von Seiner Majestät entgegenzunehmen. Dann fuhr die „Alexandria“ nohmals die Tribünen entlang und trat hierauf die Rückfahrt an. Der Minister der öffentlihen Arbeiten hät die Königlich preußi- schen Eisenbahn-Direktionen ermächtigt, den Veteranen aus dem Feldzuge 1870/71, die in den Monaten Juli, August und Sev- tember d. J. aus Anlaß der fünfundzwanzigjährigen Wiederkehr der Siegestage von 1870 festlihen Veranstaltungen auf den Scchlachtfeldern im Westen des Reichs beizuwohnen wünschen, und die sih entweder durch das Besitzzeugniß der Kriegsdenkmünze des Feldzuges 1870/71, oder für den Fall des Verlustes des selben durch eine Bescheinigung ihres Truppentheils, oder wenn dieser zur Zeit nicht mehr besteht, des heimathlichen Bezirks-Kommandos als folche Veteranen auêweisen, auf Erfordern die Hin- und Rückreise in der dritten Wagenklasse aller Züge zu Militärfahrpreisen (15 4 für das Kilometer) unter Ge- währung von 29 kg Freigepäck zu gestatten; dies darf auch dann ge- schehen, wenn die Veteranen mehrere Schlachtfelder zu besuchen und die Nückreise von einem anderen Punkt als dem Endpunkt der Hin- reise anzutreten oder einen anderen Rückweg zu nehmen wünschen. Denjenigen Veteranen, welche namentli aus gesundheitlihen Gründen die zweite Wagenklasse zu benußen wünschen, ist die Benußung dieser Klasse gegen Lösung von zwei Militärfahrkarten je für die Hin- und Rückfahrt für alle Züge gestattet. Die Kaiserlihe General- Direktion der Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen zu Straßburg und die Direktion der Main-Neckarbahn haben die gleihe Ermächtigung jedo mit der Einschränkung erhalten, daß auf deren Strecken rur 10 kg Handgepäck frei befördert werden. Ebenso sind die Königlichen Cisenbahn-Direktions. Präsidenten ermächtigt, den Verwaltungen der ibrer Aufsicht unterstellten Privateisenbahnen auf Antrag die Genehb- migung zur Gewährung der gleihen Fahrtbegünstigung zu ertheilen.

Der Historienmaler, Professor Julius Schrader feierte gestern unter reichen Ehrungen seinen achtzigsten Geburtstag. Das Kultus-Ministerium sandte ein Glückwunshs{reiben, für die Akademie der Künste überreichten Professor Becker, Geheimer Regierungs-Rath Ende und Professor Dr. Déüller eine Adresse, für die Hochschule der bildenden Künste sandte Anton von Werner ein Glücckwunschschreiben ; die Dresdener Akademie, deren Ehrenmitglied Professor Schrader ist, ehrte ihn gleihfalls durch Ueberreihung einer Adresse. Für den Berliner Künstlerverein nahm Professor Körner, der an der Spitze einer Abordnung erschienen war, das Wort, um eine Adresse zu verlesen. Als älteste Schüler erschienen die Maler Professor Hancke, Professor Tschautsh und Louis. Zahlreiche Telegramme, Briefe und

einem interefsanten Pfablbau hbergerihtet werden foll.

lumengaben erfreuten den Jubilar, der, wenn au leider erblindet, A Tag in körperliher Rüstigkeit im Kreise seiner Familie

verleben konnte.

ür die Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896 is, wie der Arbeitsaus\chuß mittheilt, die Aufstellung eines großen Fern- rohrs projektiert. Dasselbe soll eine Oeffnung von m haberi und würde demnah mit den größten Refraktoren der Erde konkurrieren und das bisher größte Fernrohr in Deutschland, nämlich das der Kaiser- lichen Sternwarte în Straßburg, um mehr als { m Oeffnung über- treffen. Im Gegensaß zu allen bisherigen Fernrohren wird dasselbe nah dem Vorscblage des Astronomen F. S. Archenhold statt des sonst üblihen Kuppelbaues ein leiht beweglihes zylindrisches Schuyrohr erhalten. Die Länge soll 21 m betragen, also größer sein als die des Fernrohrs der Lick - Sternwarte in Kalifornien, des größten jeßt im Gebrau befindlichen . Linsen- fernrohrs. An der Durchführung der Arbeiten find die Firma Steinheil in München, Professor Abbe und Dr. Schott in Jena, sowie die Firma C. Hoppe und G. Meißner hierselbst bethei- ligt. Zur Aufstellung des Fernrohrs is ein durch eine Brüte zu erreihender Plaß im Karpfenteich in Autsiht genommen, KETE zu n dem Dun der Stufenbahn, welches der Verkehrskommifsion der Aut- tellung zur Bearbeitung übergeben wird, sind die Aktiengesellschaft für Monierbauten, der hiesige Vertreter von Krupp, die Firmen Nütgers und Richard Damm betheiligt.

Stralsund, 17. Juni. Nach dem Bericht der „Stralsundischen Zeitung“ nahm das gestrige Kriegerfeft des hiesigen Bezirks- verbandes des Kriegerbundes bei s{önem Wetter einen groß- artigen Verlauf. Von 10 Uhr ab fand auf dem Bahnhof der Empfang der auswärtigen Theilnehmer stat® Nach einer Ansprache des Vor- fißenden Hauptmanns Schüß begann der Marsh nach dem Krieger- Denkmal, an welhem 2300 Krieger in 54 Vereinen mit 4 Musik- korys und 39 Fahnen ih betheiligten. Am Denkmal wurden nah der Festrede des Superintendenten Freßdor| und nach mehreren Vorträgen der Sie E eine Anzahl Kränze niedergelegt ; dann erfolgte der Nückmarsch durch die prähtig ges{müdten Hauptstraßen bei lebhafter Theilnahme der Bevölkerung aus Stadt und Umgegend. Um 4 Uhr begann das Festrzahl im Hotel Elysium unter Betheiligung der Spigzen der Militär- und Zivilbehörden. Oberst Roques brahte den Toast auf Seine Majestät den Kaiser und König aus. Abends fand in vershiedenen Gartenlokalen Konzert und Tanz statt.

Hamburg, 15. Juni. Das benachbarte Dorf Ahndorf, welches etwa 700 Einwohner hat, wurde dem „Hamb. Fremdenblatt“ zufolge durch eine furchtbare ene enn zerstört. Im Verlauf einer Stunde brannten 9 Gehöfte mit 40 Gebäuden nieder; nur die Kirche, das Schulhaus und das Gut blieben vom Feuer verschont. 600 Menschen sind durch die Katastrophe obdahlos geworden. Die Hufner sind zum größten Theil versichert, die kleinen Befißer hin- aegen unversichert. Der Schaden ift bedeutend.

Hamburg, 16. Juni. Der englishe Rheder Sir Donald C urrie gab gestern Abend an Bord feines Dampfers „Tantallon Castle“ ein großes Diner, an welhem 200 Gäste, Engländer und Hamburger, theilnahmen. Nach Beendigung des Diners begrüßte Sir Donald Currie seine Gäste und brachte nah dem Bericht des , W. T.B." ein Hoch auf Ihre Majestät die Königin Victoria und Seine Majestät den Kaiser Wilhelm aus. Bürgermeister Dr. Möndckeberg bielt in englisher Sprache eine längere Rede, in welcher er der Freude Aus- druck gab, Gladstone wiederhergestellt an der Festtafel zu sehen. Er feierte ihn als einen der bedeutendsten Staatsmänner und brachte sein Wohl aus. Gladstone erhob \sih furz darauf zu einer Rede, in welcher er Deutschlands und Hamburgs fehr sympathisch gedachte und die Hoffnung und Ueberzeugung ausfprach, daß die auf uralter Verbindung beruhenden engen und brüderlihen Beziehungen zwischen beiden Nationen durch die Jahrhunderte zur Sicherung des Friedens und des Glücks der Welt dauern möten. Schließlich sagte er den Vertretern des hamburgischen Staats und der Munizipalität seinen Dank für ihre Güte, die niemals dem Gedächtniß der englishen Gâäfte Sir Donald Currie’s ents{winden werde. Dem Diner folgte ein Konzert, nah dessen Beendigung Präsident Sieveking dem Gast- geber Sir Donald Currie den Dank der hamburaishen Gäste aus- \prah. Die Rückehr der Gäste erfolgte um 14 Uhr. Es herrschte lebhafte Befriedigung über den Verlauf der eigenartigen Veranstaltung. Der „Tantallon Caîtle“ verläßt morgen früh die Elbe, um fi über Skagen nach Kopenhagen zu begeben.

Madrid, 16. Juni. „W_ T. B.* meldet: Die Besaßung des russishen Schiffs „Abrahs“, welhes vor San Sebastian vor Anker gegangen war, empörte sich. Der Kapitän wurde mit Hilfe von spanischen Zoll- und Polizeibeamten Herr des Aufstands. Der Hochbootsmann und die Köchhe wurden verwundet. Die Unter- suchung ift eingeleitet.

Belgrad, 16. Juni. Heute früh 9 Uhr 50 Minuten fand bier eine leihte, 3 Sekunden dauernde Erdershütterung in der Nichtung von Norden nah Süden statt; in Palanka Czp ria wurde ein etwas beftigerer Erdstoß verspürt.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

München, 17. Juni. Seine Majestät der Kaiser fuhren um 101/4 Uhr mit dem Gesandten Grafen Monts, in der Uniform der Garde-Kürassiere, nah der Schack’schen Galerie, welche reich mit Flaggen geschmüdckt ist, und besichtigten die Galerie unter Führung des Galerie-Direktors von Seyd und des hiesigen Architekten Seidl, welcher den Umbau der Galerie ge- leitet hatte. Seine Königliche Hoheit der Prinz-Regent ist der Einladung des Kaisers zur Besichtigung der Schack schen Galerie um 12 Uhr gefolgt. Um 3 Uhr findet bei dem Prinz Regenten zu Ehren des Kaisers Galatafel statt, an welcher die Prinzen Ludwig, Leopold, Arnulf, die Ober-Hof- Chargen, der preußische Gesandte u. f. w. theilnehmen. Der Kaiser beabsichtigt, im Laufe des Nachmittags eine Spazierfahrt dur die Stadt zu unternehmen. Die Abreise erfolgt um 63/, Uhr. Das Residenzshloß und die Königlichen und städtishen Gebäude haben reich geflaggt. Jn den Straßen bewegt sih eine große Menschenmenge.

Riel, 10. N, Ore KönialiGen Hoheiten der Kron - prinz und die Kronprinzessin von Griechenland jowie die Prinzessin Friedrich Carl von Hessen sind gestern Abend im hiesigen Schlosse eingetroffen. Bei Seiner Königlichen Hoheit dem Prinzen Heinri findet heute zu Ehren der bereits eingetroffenen fremdländischen Admirale, Kommandanten und Offizierkorps ein Gartenfest im Se Schlosse statt.

ie Kaiserliche Yacht „Hohenzollern“ trat um 91/2 Uhr die Fahrt durch den Kanal nah der Elbe an. Die fran- zen Schiffe „Hohe“ und „Dupuy de Lôme“ anktern unter Langeland. Das britishe Geschwader, der nieder lánkit@e Kreuzer „Atjeh“, die portu- giesishe Panzerkorvette „Vasco da Gama“ und das dänische eshwader sind heute in den hiesigen afen eingelaufen und wechselten mit der Strandbatterie

Friedrihs8ort Salutshüfße.

®

Konstantinopel, 17. Juni. (W. T. B.) Es verlautet, daß die Botschafter Großbritanniens, Frankreichs und Rußlands die T abgegeben hâtten, auf Grund der türkishen Antwort seien Verhandlungen unmöglich. Die Botschafter der betreffenden Mächte seien daher enöthigt, Instruktionen abzuwarten. Der großbritannische

otshafter habe versprochen, im Hinblick auf den Wechsel im Großvezirat die britishe Regierung ver- anlafsen zu wollen, die Beschlußfassung auf kurze Zeit U DeTgOgern, Im allgemeinen bessere sih die Situation, da ie Haltung des neuen Großveziers Vertrauen gewinne und zu der Hoffnung berechtige, der Großvezier werde durch reht- zeitiges Entgegenkommen ernste Konflikte vermeiden. Die englishe Flotte sei im Begriff, nah Cypern zu dampfen. Es sei die Ansicht vorherrschend, Rußland und Frankreih würden die englishe Aktion nicht stren, auch wenn sie an der Aktion nicht theilnehmen sollten. :

(Fortjezung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

R E E S E E C E Wetterbericht vom 17. Juni, 8 Uhr: Morgens.

Wind. |

Bar. auf 0 Gr.

Wetter.

Stationen.

u. d. Meeressp. red. in Millim. Temperatur

in 9 Celsius 59C.=4%RN

NNO NW O

= [SW

¡ONO |[SO

¡OSO ¡SSO

¡NW [SW [SSW [SSW ONO

2\wolkig 3'bedeckt 4'wolkig 4wolkig | 2'wolkenlos | 6 bededckt 1'bededt | 1\wolkenlos ! 2\wolkig

fil beiter | 4 wolkenlos : 2'bedeckt 3'bededckt 3'halb bed. 1\wolkig 3'wolkig | 1 wolkig 1 Nebel

Belmullet Aberdeen Christiansund Kopenhagen Stoccktholm . Haparanda .

St. Petersburg Ma e

Cork, Queenstown Cherbourg

Helder

U a Hamburg Swinemünde Neufahrwasser . | Memel A L [WNW a S A 2 |SO M UneE. E 4 W : cl A [000 2'wolkig | ea 2 N 1'wolfkenlos | München E O 3 beiter 12 Chemnitz | 1/beiter l 42 Berlin SSO 3 wolkig ka Wien . ¡N 1lwelkenlo8 | 11 Breslau . ¡NW 2 wolkenlos | 10 Ile d’Aix [ONO 2shalb bed. | 16 Nizza . | 1'heiter 18 Triest . E, W 1'beiter E A0 Uebersiht der Witterung.

Der Luftdruck ift sehr gleihmäßig vertheilt. Ueber Lappland übersteigt derselbe 766 mm, während über dem Nordseegebiet, dem Gebiet des Bottnishen Busens, dem südlihen Rußland und vor dem Kanal Depressionen lagern. Das Wetter ist in Deutshland noch allenthalben fühl, im Nordwesten bei {wachen südlichen Winden trübe und regnerisch, im Osten und Süden am Morgen vielfach heiter; besonders an der Nordseeküste gingen ergiebige Regenfälle nieder, während im übrigen Deutschland nur vereinzelt Regen fiel. Fortdauer der unbeständigen Witterung wahrscheinlich.

Deutsche Seewarte.

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Theater- Anzeigen.

Berliner Theater. Dienstag: Der Herr Senator. Anfang 7{ Uhr. 5

Mittwoch: Der Geizige. Der ungläubige Thomas.

Donnerstag: Madame Sans-Gêne.

Neues Theater. Schiffbauerdamm 4 a. /5. Diensêtag: Gnsemble-Gastspiel der Mitglieder des Carl Schultze-Theaters (Ham- burg) unter Leitung des Direktors Joss Ferenczy. Tata-Toto. Vaudeville in 3 Akten nach Bilhaud und Barrá von Victor Léon und F. Zell. Musik von Antoine Banés. Anfang 74 Uhr.

Mittwoch: Tata-Toto.

Theater Unter den Linden. Behrenstr. 55/57. Direktion: Julius Frißshe. Dienstag: Miß Helyett. Vaudeville-Operette in 3 Akten von Maxrime Boucheron. Deutsh von Richard Genée. Musik von E. Audran. Dirigent: Herr Kapellmeister Federmann. Anfana 7# Uhr.

Mittwoch: Miß Helyett.

Familien-Nachrichten.

Verlobt: Frl. Lili Leidlof}} mit Hrn. Lieut. d. R. Arthur Brandt (Poethen Magdeburg). Frl. Else Schmidt mit Hrn. Ober- Grenz-Kontroleur und Prem.-Lieut. d. R. Irgahn (Berlin Meffersdorf). ;

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Hauptmann Ahlers (Berlin). Zwei Töchter: Hrn. Hauptmann von Brixen gen. von Hahn (Charlottenburg). Eine Tochter: Hrn. Dr. jur. von T (Zißewiß). Hrn. Kapitän-Lieutenant Adolf Schaumann (Wilhelmshaven). Hrn. Hilmar Frhrn. von Münchhausen (Nieder-Schwedeldorf). Hrn. Pastor Bone (Breslau). Hrn. Gymnasial-Direktor Thalheim (Hirschberg). A,

Gestorben: Verw. Fr. Geheime Regierungs-Rath Mathilde Dick- huth, geb. Damke (Breslau). Verw. Fr. Rittergutsbesiger Clara von Löbbeckte, geb. von Scholten (NRückers). Hr. Rittmeister a. D. August von Lewinski (Baden-Baden). Fr. Vally von Tschirshky und Boegendorff, ges. von Selhow (Burgdorf). Fr. Geheime Ober-Regierungs-Rath Schul, geb. May (Berlin). Hr. Oberst a. D. Theodor Riß (Charlottenburg). ©Vr- Eisenbahn-Inspektor a. D. Rudolf von Selgzer gen. Stahn (Frank- furt a. M.). Frl. Julie von Nettelbladt (Güstrow).

E

Verantwortlicher Redakieur: Siemenroth in Berlin. Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin. Druck der Norddeutshen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin SW., Wilbelmstraße 32. Fünf Beilagen

(einshließlich Börsen-Beilage). (10644)

zum N 142,

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 75. Sißung vom Sonnabend, 15. Zuni.

Ueber den Beginn der Sigzung is vorgestern berichtet worden. :

Die zweite Berathung des Entwurfs eines Stempel- steuerge]eßes wurde bei Nr. 59 des Tarifs (Stempel für Schuldverschreibungen aller Art) fortgesezt. Hierzu lag eine größere Anzahl von Anträgen vor, die sämmtlich: Er- mäß1gungen anstrebten, u. a.

ein Antrag des Abg. Herold (Zentr.): allgemein statt des Steuersaßes von 1/4 Proz. 1/29 Proz. zu seßen.

Abg. Richter (fr. Volksp.) beantragte, unter die Be- freiungen von der Stempelabgabe auh aufzunehmen:

„Beurkundungen von zinsbaren Darlehen, welche gegen f\vezielle Verpfändung oder Hinterlegung von edlen Metallen, Waaren, Wechseln oder Werthpapieren gegeben werden (Lombard- darlehben) und innerhalb Jahresfrist oder in einem kürzeren Zeit- raum zurückzuzahlen find.“

Die Abgg. Freiherr von Zedliß und Neukirch (frei- fons.), Schweckendieck (nl) und Genossen stellten den Antrag, die Litt. b folgendermaßen zu fassen :

„Sparkassenbücher und Bescheinigungen über einzelne Einlagen seitens öffentliher und folher Sparkassen, welche gemeinnüßige Zwecke verfolgen, insbesondere folcher, welche die Gewinnvertbeilung ausges{lofsen haben, sowie der Sparkassen derjenigen eingetragenen EGrwerbs- und Wirthschaftsgenofsenshaften, welhe die Förderung des genofsenshaftlihen Personalkredits bezwecken.*

Ein Antrag der Abgg. Schen ck (fr. Volksp.) und Noelle (nl.) s{hlug folgende Fassung der Litt. b vor:

„Sparkassenbücher und Bescheinigungen über einzelne Einlagen seitens öffentliher und solher Sparkassen, welche gemeinnütige Zwecke verfolgen. Insbesondere sind befreit die Svarkassenbücher und Bescheinigungen über einzelne Einlagen aller der Sparkassen, welche von eingetragenen Genoffenschaften betrieben werden.“

__ Abg. Schenck beantragte ferner, als Läitt. zu den Befreiungen hinzuzufügen: „C. Beurkundungen von Lombarddarlehen.“

Abg. Lotichius (Zentr.) empfahl den Antrag der Abgg. Schenck- -

Noelle. Würde diese Position in der Kommissionsfassung angenommen werden, fo würden z. B. die Raiffeisen’shen Spvar- und Darlebns- faffen und die Kreditgenossenschaften hart betroffen werden. Dur den Stempel würde die Kreditgewährung dieser Institute an kleine Gewerbetreibende und Handwerker wesentlich vertheuert werden. In Hessen- Nassau bestehen allein 496 solcher Kreditgenofsenschaften.

Abg. Herold (Zenitr.) begründete seinen Antrag. Abgesehen davon, daß der Steuersaß 1/129 nicht in das Dezimalsystem passe, sei die Belastung zu hoch. Eine Ermäßigung könne um so eher cein- treten, als durch die heutige Abstimmung die Besteuerung der münd- lichen Miethsverträge eine Mehreinnahme von 1 Million Mark er-

dann begründete auch der Abg. Schenck seinen Antrag in Rede, deren Einzelheiten auf der Tribüne niht ver- nind.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Es dient vielleicht zur Abkürzung der Diskussion, wenn ih mich jeßt hon über die verschiedenen Anträge erkläre. Den Antrag der Herren Haacke und Genossen, Nr. 228, betrachte ich als redaftionelle Verbesserung. Jch finde nit bei näherer Prüfung, daß eine sinngemäße Abweihung von den Beschlüssen der Kom- mission in diesem Antrag enthalten ist. Jh habe gegen die Annahme dieses Antrags nichts zu erinnern.

Was den Antrag der Herren Schweckendieck und Freiherrn von Zedliß auf Nr. 234 bezw. den Antrag der Herren Schenck, Jansen, Noelle und Rickert in Betreff der Freilassung der Einlagen der Sparkassen betrifft, so will ich mich gegen den Antrag des Herrn Schweckendieck nit erklären. (Bravo!) Dagegen glaube ih, er ift erheblih vorzuziehen dem Antrag der Herren Schenck und Genossen, während, soweit ich den Herrn Vorredner verstanden habe, ih eigentlich der Meinung bin, daß er auch niht weiter gehen will wie der Antrag Schweckendieck besagt, (Zuruf: Baugenossenschaften !) er fih also wohl mit diesem Antrag einverstanden erklären könnte. (Zuruf: Baugenofssenschaften !) Ja, die Baugenossenschaften! Jch werde die Unterschiede noch näher charakterisieren. Also der Antrag Schwedendieck will freilassen die Spareinlagen derjenigen eingetragenen Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenshaften, welche die Förderung des wirthscaftlihen Personalkredits bezwecken. Er beschränkt also die Sache auf diejenigen eingetragenen Genossenschaften, welhe diesen Zweck verfolgen. Von jelbständigen Sparkassen ift dabei au nit die Rede, sondern die Sparkasse steht bier unmittel- bar in Verbindung mit dem Zweck der Förderung des Personalkredits. Ver Antrag Schenck hingegen bezieht \sich ‘auf alle eingetragenen Ge- nofsenshaften, welhe eine Sparkasse errichten. Die gemeinnützigen Vaugenossenschaften sind ja überhaupt frei. Das kommt als niht in Frage. Dagegen is die Zahl der Arten von eingetragenen Genossenschaften nah ihren Zwecken ja geradezu Legion, und man ann diese generellen Bestimmungen nicht treffen; wenn sie eine Spar- lasse errichten, vielleiht direkt mit der Absicht, daraus cin gutes Ge- [hâft ¿zu machen, so stehen sie niht anders da als wie jede andere individuelle Bank, die derartige Sparkassen errichtet, fich Sparkasse nennt und nichts weiter ist als eine Depositenbank. (Sehr richtig! rechts.) Jh glaube daher, der Antrag Schweckendieck erreicht den Zweck, den der Abg. Schenck erreichen will; er is aber viel bestimmter und flarer, und ich glaube, die Herren könnten ih dabei durchaus beruhigen. Jch habe garnichts dagegen, wo die Ein- rihtung von solchen Sparkassen diesen Hauptzweck hat, die Förderung des Personalkredits zu unterstügen, sie da freizulassen; aber auf dem ganz unbekannten Gebiet aller möglichen Genossenschaften, die auch reine Erwerbszwecke zu vertreten in der Lage find alle „Sparkassen“ freizulassen, das würde nach meiner Meinung Ats ganze Frage direkt ins Dunkle ftellen und zu Konsequenzen ren, von denen ich überzeugt bin, daß auch Herr Schenck sie 9arniht will.

N Ich komme dann auf den Antrag Nichter in Betreff der Be- lung von sogenannten Lombarddarleßnen. Meine Herren, ih habe

an: n20o YHITST

Erste Beilage

Berlin, Montag, den 17. Juni

die Schwierigkeit dieser Frage hon bei der ersten Berathung hbervor- gehoben. Wir waren selbst geneigt, bei der Vorberathung die eigentlichen Lombarddarlehne ganz freizulafsen. Wir haben die Erfahrung gemacht, daß die Bestempelung der Lombarddarlehne sehr leicht umgangen werden fann, wenn namentlich im faufmännishen Verkehr alle möglichen anderen Formen, die denselben wirthshaftlihen Zweck verfolgen, àân die Stelle der Form des Lombarddarlebens geseßt werden. Nach dem bestehenden Recht können wir das Lombarddarlehn in Gemäßheit der Entscheidungen des Neichsgerihts genau so besteuern wie jede andere Schuldverschreibung ; es ist ja auch weiter nihts wie eine Schuldverschrei- bung. Wir werden aber von diesem unzweifelhaften Nechte nah Maßgabe der Entscheidungen des Reichsgerihts doch thasählih keinen wesent- lihen Gebrauch machen können, und in den allermeisten Fällen, wie gesagt, werden andere Formen gewählt; i erinnere nur an das sogenannte ofene Konto, das in-dem kaufmännischen Verkehr allgemein üblih ist, wobei das Lombarddarlebn wegfällt. Selbst die Reichsbank, die ja nur die Form des Lombarddarlehns hat, hat doch immer protestiert gegen die Anwendung, indem sie geradezu gesagt hat: wenn ihr mir ein Zwölftel abnehmt, so muß ih den ganzen Lombardverkehr aufgeben; dann ist diese gemeinnütige wirtbscaftlihe Thätigkeit nit zu halten.

Diese Erwägungen hätten allerdings für den Antrag des Herrn Abg. Richter sprehen können. Auf der anderen Seite haben wir es aber für bedenkliß gehalten, das Lombarddarleben ganz freizulassen ohne jede Schranke, weil dann der ganze Schuld- verschreibungs\stempel gefährdet werden kann, indem ja der Stempel für Schuldverschreibung, wenn man nur eine Zigarrenkiste als Waare hinterlegt, auf diese Weise umgangen werden fkann. Gegen diesen Antrag des Herrn Richter, der wenigstens das Gute hat, daß er das Lombarddarlehn rihtig definiert das ist immer {on ein Vorzug —, würde ih weniger Bedenken haben, wenn einigermaßen die Umgebungen, von denen ih vorher gesprohen habe, aus- geshlofssen wären. Das würde man dadurch erreihen töônnen, wenn man die Höhe der Sigerheiten, die entweder dur Edelmetalle, Wechsel, Werthpapiere u. |. w. gegeben werden, in irgend einen Zusammenhang brähte mit der Höhe der Schuldverschreibung. Dann würde die Sache son einen anderen Charakter haben: und im kaufmännischen Verkehr, um den es sih vorzugsweise handelt, ift

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es doch so: es wird im kaufmännishen Verkehr einem soliden Kauf- mann niht einfallen, wenn er ein Darlehn in großer Höbe giebt, eine geringwerthigere Hinterlegung anzunehmen, sondern er ver- langt, daß die Werthgegenstände der Höhe der Schuldverschreibung einigermaßen entsprechen. Er wird sogar meistens eine höhere Sicher- heit fordern, als der Betrag der Schuld if, der dur die Hinterlegung gesihert werden soll. Wenn eine folche Modifikation in den Antrag Richter hineingebraht würde, würde ih gegen denfelben weniger einzuwenden haben. Aber so, wie er gegenwärtig formuliert ist, habe ih do Bedenken gegen denselben und bitte, ihn in dieser Fassung abzulehnen.

Ich erfahre eben, daß Herr Gothein den Antrag des Herrn Abg. Richter dahin noch vervollständigen will, daß er sagt: vorausgeseßt, daß der Werth des binterlegten Pfandes dem gewährten Darlehn mindestens gleihtfommt. Wenn Herr Gotbein diesen Antrag stellt er ist noch nit gestellt so würde ih allerdings gegen den Antrag des Herrn Abg. Richter die vorher berührten Bedenken fallen laffen.

Endlich bitte ih, den Antrag Herold u. Gen. gänzlich abzulehnen. Gr ist für mich durchaus unannehmbar. Der Antrag bedeutet einen finanziellen Verlust von 7- bis 800 000 A Daß das natürli nach all den Erleichterungen, die hier {hon in das Gesetz hineingekommen find, aus finanziellen Gründen nicht annehmar is, brauche ih wohl nicht weiter auseinanderzuseten. E i aud kein dringendes Bedürfniß in dieser Beziehung hervorgetreten. Der Schuldverschreibungsstempel is in diesem Entwurf ja garnicht erhöht, fondern nur der bestehende beibehalten, und wesentliche Klagen sind nah dieser Rihtung garniht hervorgetreten. Ich bitte also, diesen Antrag, der für uns gänzli unannehmbar sein würde, ab- zulehnen.

Abg. Noelle (nl.): Meine politishen Freunde dürften dem

Antrage Richter mit dem Zusate, wie er seitens des Herrn Gothein gevlant ift, zustimmen. _ Abg. Kirsch (Zentr.): Der Herr Minister hat gegen die Herab- teßung des Stempels auf Schuldverschreibungen eingewandt, daß da- dur eine Mindereinnahme herbeigeführt wird. Andererseits wird von der Annahme der Tarifnummer 49 in der Kommissionsfassung ein Mehrertrag erwartet, sodaß dana {hon der Antrag Herold ge- rechtfertigt ersheinen müßte. Nun glaube ich aber, fo paradox das klingen mag, daß nah der Annahme der Kommissions- beschlüsse zu Nummer 4 auf feine Vermehrung, sondern auf eine Verminderung der Einnahmen zu renen ift. Der größte Grund- besiger ist der Fiskus. Nach der Bestimmung, daß der Berpächter ein Pachtverzeichniß einzureichen und die Steuer abzuführen hat, wird nunmehr die Last von den vermögenden Domänenpächtern und von den Pächtern großer Eisenbahn-Restaurationen abgewälzt auf die weniger Steuerkräftigen. Die Motivierung des Antrags Herold kann ih nit billigen; ich glaube aber, daß er troßdem aufrecht erhalten werden muß, weil er der Billigkeit entspricht.

Abg. Freiherr von Zedliß und Neukirch (fr. kons.): Die Ausführungen des Herrn Vorredners waren mir ret interessant. Ich perfönlih, und ih glaube, auch die Mehrzahl meiner Freunde, find niht der Ansicht, daß nach den Kommissionsbeshlüssen der Stempel von den Pächtern abgewälzt werden soll. Sollte das es bedarf dazu noch einer näheren Prüfung in der That der Fall fein, so dürfte sich bis zur dritten Lesung wohl eine Fassung finden lassen, die den Ansichten der Kommission mehr entspricht. Wenn aber, wie Herr Kirsch meinte, nah den Kommissionsbeslüssen eine Mindereinnahme zu erwarten ist, so wáre das erst recht ein Grund, den Antrag Herold abzulehnen, durch den ein Ausfall von 70000 4 entstehen würde. Von den übrigen Anträgen bedeutet der Antrag Haacke eine formelle Ver- besserung der Kommissionsvorshläge. Auch gegen den Antrag des Abg. Richter in Verbindung mit dem angekündigten Zusaß des Abg. Gothein hätte ich für meine Person nichts einzuwenden, und, wie ih glaube, auch die Mehrzahl meiner Freunde nicht. Die Lombard- Darlehen haben gerade für die produzierenden Klassen, Landwirthe wie Industrielle, einen besonderen Werth. Ferner bitte ich, den von mir in Verbindung mit anderen Mitgliedern der frei-

Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

1899S,

konservativen und der nationalliberalen Partei gestellten Antrag an- zunehmen. Er zeihnet sich vor. dem Antrage Schenck dadurch aus, daß er das ganze uferlose Gebiet der Genossenschaften ohne gemein- nügige Zwecke ausschließt. Er läßt nur diejenigen Genossenschaften frei, die im wirthschaftlichen Interesse möglist niedrige Zinsen nehmen, nicht aber die, die des Verdienstes wegen hohe Zinsen nehmen.

Vom Abg. Gothein war inzwischen der Antrag ein- gegangen, dem Antrage Richter den Zusag zu geben:

„DorauSgeleßt, daß der Werth des Pfandes dem Werthe des Dar-

lehns mindestens gleichkommt.“

._ Abg. Mohr (nl.): Die Sparkassen der Banken verfolgen den- selben Zweck, - wie die Sparkassen der Genossenschaften. Jch hätte nichts dagegen, wenn auch alle Aktienbanken von dieser Stempelsteuer frei blieben. Es wäre das auch schon deshalb zu verstehen, weil die Banken für die Darlehen weniger Zinsen nehmen als die Genofssen- schaften. Ven PVerrn Finanz-Minister möchte ich noch fragen, ob auch für Beschaffung von Geld im täglihen Verkehr Stempelsteuer zu bezahlen ift.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren, der Herr Vorredner bätte si ja garnicht für ten Antrag der Herren Noelle u. \. w. erklären dürfen, denn er spricht ja nur von Banken, während do in diesem Antrag nur von Genossen- schaften die Rede ist. Durch die Annahme des Antrags Noelle und Genossen würde er den Zweck, den er will, gar nit erreihen. Eine Bank auf Aktien ist doch keine Genossenschaft.

Nun möchte ih aber hervorheben, daß ja allerdings die eigentliche Absiht des Verrn Vorredners nur die zu sein scheint, jeder Bank, die sih Sparkasse nennt, das Privilegium zu geben, wenn fie auch ohne irgend etnen gemeinnüßigen Charakter ist. Wir müssen doch stehen bleiben bei dem Grundbegriff der Gemeinnügzigkeit. Da haben wir öffentlihe oder kommunale Sparkassen, die wir von vornberein als gemeinnüßig ansehen dürfen. Ich will deswegen noch nit lagen, daß alle diese wirkli gemeinnüßig sind, aber ih boffe doch, daß wir bald dabin tfommen, diese öffentlichen Sparkassen auf ihren wahren Charakter als gemeinnüßige In- stitute zu prüfen. Dann haben wir felbst solhe, die wirklich unzweifelhaft einen gemeinnüßigen Charakter haben. Endlich gehen wir noch einen Schritt weiter und sagen: wir wollen au folche Sparkassen, welhe den Zweck haben, den Personalkredit zu fördern, wo also die Spareinlagen in unmittelbarem Zufammenhang steben mit der Aufgabe, die die betreffende Genossenschaft sich gestellt hat, als gemeinnüßige betrahten und in fo fern sie also frei lafsen; darüber hinauszugehen und auch die Aktienbanken, die doch Erwerbszweckcke ver- folgen, frei zu lassen, dazu liegt nit der mindeste Grund vor; dann würden wir thatsählich die ganze Position verlieren. Ich bitte also, tetnen Schritt weiter zu gehen, als die Vorlage.

Abg. Richter: Will man die Lombarddarlehen freilassen, so soll man das ausdrüdcklih sagen. Das will mein Antrag. Wenn der Herr Finanz-Minister meine Definition der Lombarddarlehen als rihtig an- erkennt, so will ih E daß diese Definition niht von mir nlammt. Sie ist dem Reichsgeseßentwurf von 1881, der die Lombard- darlehen besteuern wollte, entnommen. Wenn diese Definition gut genug war, um die Einführung einer Steuer zu begründen, so glaubte ich, würde ste au gut genug sein, um sie zu bekämpfen.

Abg. Klasing (fons.): Wir werden für den Antrag des Ab- geordneten Freiherrn von Zedlitz stimmen, weil wir die Genossen- [asten als eine durhaus zu fördernde Institution des Kreditwcsens ansehen. Dem Antrage Richter-Gothein werden wir ebenfalls zus stimmen, um den Bedürfnissen des Verkehrs Konzessionen zu machen. Der Antrag des Abg. Herold if für uns aus finanziellen Gründen unannehmbar.

Der Abg. Schen ck zog seinen Antrag zurü.

U der nun folgenden Abstimmung wurden die Anträge der Abgg. Freiherr von Zedlig, Haacke und Richter- Gothein angenommen und der Antrag Herold ab- gelehnt.

Die Tarifposition gelangte mit den beschlossenen Abände- rungen zur Annahme:

Zur Tarifposition 61: „Standeserhöhungen und Gnadenerweise“ lag ein Antrag des Abg. Nichter vor, statt „Standeserhöhungen“ „Adels- und Titelver- leihungen“, statt „Herzogs würde, Fürstenwürde“ u. \. w. „erzogs titel, Fürstentitel“ u. #. w. zu seten.

__ Abg. Richter: Bet dieser Position wäre es am Plate gewesen, rößere Mehreinnahmen zu erzielen, als die Regierungsvorlage will. Ich bedauere es, daß diese unverändert in der Kommission ange- nommen worden ist. Es wird sih jährlich nur ein Mehrertrag von 20 000 M ergeben, von denen die Kommerzien- und Kommissions- Räthe allein über 19 000 A zahlen follen, während auf den gesammten Adel nur 500 M entfallen. Von einem Antrage auf Aenderung nach dieser Nichtung versprehe_ ih mir bei der Zusammensetzung des Vauses keinen Erfolg. Indessen möchte ih dringend bitten, in redaktioneller Beziehung diese Tarife so zu fassen, wie mein Antrag sie vorschlägt. Der Ausdruck „Standeserhöhung“ mag bei dem alten Stempelgeseß von vor 70 Jahren gerechtfertigt gewesen fein, heute aber sind die Standesunterschiede aufgehoben, denn alle Preußen sind nach der Verfassung vor dem Geseß gleih. Auch der letzte Ueberrest aus der Gefeßgebung früherer Zeit, daß Ehen von Adeligen mit Personen niederen Bürgerstandes ungültig sein Uen, t bereits beseitigt. _Standeëerhöhungen giebt es heute nicht mehr. : Cbensfowenig kann man von Herzogs8würde, Frei- herrnwürde sprechen. Das sind keine Würden, fondern Titel. ¿rüher fonnte der Adelstitel aberkannt werden, wie heute die bürger- lihen Ghrenrehte. Das Reichs-Strafgeseßbuch hat das aber abgeschafft. Wenn ein Herzog stiehlt oder unter|chlägt, so behält er den Titel „'Derzog bei, ebenfo wie Schulze oder Müller es sich gefallen lassen müssen, wenn ihr Namensvetter stiehlt oder untershlägt. JIch meine auch nit, daß jemand an Werth gewinnt, der cinen Adelstitel erhält. Wer feiner Väter gern gedenkt, der behält den Namen, mit dem er auf die Welt gekommen ist, mag er bürgerlih oder adelig sein. Wenn aber diese Auédrücke hier beibehalten werden, so werden sich die Bürger mit Recht gekränkt fühlen.

„Der Antrag wurde abgelehnt und die Position ohne Veränderung genchmigt.

Hur Tarifstelle 72 , betreffend die Versicherungs- policen, und zwar die Lebens- und Rentenversicherungen, die Unfall-, Haft- und Transportversicherungen und die Ver- sicherungen gegen andere Gefahren (Feuer-, Hagel-, Vich- versicherungen u. }. w.), lag ein Antrag der Abgg. Vroemel (fr. Vg.) und Gothein (fr. Vg.) vor, welcher die Befreiung der Transportversicherungspolicen von der Stempelsteuer bezweckte.