1895 / 221 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 14 Sep 1895 18:00:01 GMT) scan diff

reichischen Kaisers an den Beherrscher des uns so eng ver- bündeten Deutschen Reichs braucht nicht erst sharfsinnig zwischen den Zeilen herausgelesen zu werden; der Monar spricht es unumwunden aus, daß er die herzlichen Beziehungen unserer Armeen noch enger zu gestalten wünscht. Der Dank, den der Kaiser dem obersten Kriegsherrn Deutschlands für die Einladung zu den Manövern absftattet, die ungewöhnlich zahlreichen Ordensauszeihnungen des Monarchen an die deutshen Würdenträger alles das soll nur die Auf- richtigkeit diejes Wunsches deutlihst bezeugen. Da dies aber nur eine wahsende Garantic für die Erhaltung des Friedens durch wiederholte warme Betonung der Bundesbeziehungen bedeutet, so begleiten auch alle Völker Oesterreih-Ungarns die Aeußerungen des Handschreibens mit freudiger Zustimmung.

Der Statthaltcr von Galizien Graf Badeni is gestern früh in Wien eingetroffen und hatte im Laufe des Tages eine mehr als zweistündige Unterredung mit dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses EICAN von Chlumecky. Heute Vor- mittag wurde Graf Badeni von dem Ka iser in Privataudienz empfangen. E /

Aus Budapest erfährt „W. T. B.“ von unterrichteter Seite, daß die Begnadigung der im Memorandumprozesse verurtheilten rumänischen Agitatoren sih auf sämmtliche Verurtheilten erstrecken werde. Dieser Gnadenakt solle die Auffassung zur Geltung bringen, daß die Regietung hinsichtlich der nationalen Agitationen jeßt die Lage als beträchtilih ver- ändert und gebessert ansehe.

Großbritannien und Jrland.

Mit Bezug auf einen von den St. Petersburger „Nowosti“ veröffentlichten Bericht, dem zufolge die englisch- russische Pamir-Kommission auseinandergegangen sei, ohne ein Ergebniß zu erzielen, und mit zug auf die Be- hauptung der „Nowosti“, daß Rußland keines Abkommens be- dürfe, besonders nachdem England Chitral genommen habe, wird dem „Reutershen Bureau““ von maßgebender Seite mitgetheilt, daß die Meinungsverschiedenheit zwischen den britishen und rusfishen Kommissaren durch An- rufung der beiderseitigen Regierungen bereits beseitigt sei. Außerdem wird hervorgehoben, daß, da cin english-russishes Abkommen, welhes die Grenze fesseße bereits bestehe, der Behauptung der „Nowosti“, daß kein Vertrag erforderli sei, die Grundlage fehle: Es wird ferner erklärt, daß Chitral, welches stets zur englishen Sphäre gehört habe, nihts mit der Frage zu thun habe.

Frankreich.

Der Präsident der Republik Faure wird fich morgen von Havre nah Fontainebleau begeben. Von dort wird er am 18. September mit dem Minister-Präsidenten Ribot, dem Kriegs-Minister General Zurlinden und dem Marine-Minister Admiral Besnard zum Abschluß der großen Manöver nah

Mirecourt reisen.

Rußland, _ Der Minifter des Aeußern Fürst Lobanow-Rostows ky ist gestern Abend von St. Petersburg nah Contrexéoille abgereist.

Ftalien.

Der Präsident der Kommission zur Anweisung von Zwangswohnsißen hat nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Palermo, in Anwendung des Geseßes vom Juli 1894, einen Verhaftsbefehl erlassen, infolgedessen zwölf Führer der revolutionären sozialistishen Partei in Haft ge- bracht worden sind. Unter ihnen befinden si der Fürst Cuto, sowie der Herausgeber und die Redakteure des Blattes eRiscossa“, welches zu erscheinen aufgehört hat. Drei Per- sonen, gegen welche Öaftbefehle erlassen wurden, waren nicht aufzufinden.

. Niederlande.

Die marok?kanishe Regierung hat die anläßlih der Beraubung des niederländishen Schiffs „Anna“ geforderte Entschädigung vollständig bezahlt.

Velgien.

Die „Etoile Belge“ will wissen, die Regierung des Unab- hängigen Congoftaais habe den General-Gouverneur be- auftragi, den Kommandanten Lothaire zu sih zu berufen, damit derselbe vollständige Aufklärungen gebe über die Vor- gänge, die ihn bewogen haben, S tofes vor das Kriegsgericht zu stellen, welches dann gegen diesen die Todesstrafe verhängte.

Türkei.

Der Khedive ist gestern von Konstantinopel abgercift.

Die „Politishe Korrespondenz“ meldet aus Kon- stantinopel: Das Kriegs-Ministerium stehe im Begriffe, die kürzlich einberufenen 12 Bataillone Redifs der Brigade Uesküb und des Reaimenis Guemueldshina zu demobilisieren, da die Lage in Macedonien feinen Anlaß zu Besorgnissen biete. Diese Maßregel beweise, daß die von der macedonischen Propaganda in Sofia ausëgesprengten Nachrichten über das Auftauchen neuer Banden in Macedonien oder im Vilajet Adrianopel den Thatsachen nicht entsprächen.

Infolge des Ablebens des griechischen Bischofs von Prizren sind, dem „W. T. B.“ zufolge, die serbischen Kreise in Konstantinopel bemüht, das ökfumenishe Patri- archat zur Erfüllung des durch Dyonis V. ertheilten und während der Anwesenheit des Königs von Serbien in Kon- stantinopel erneuten Versprehens zu veranlassen, den Bischof- siß mit cinem serbischen Kandidaten zu beseßen.

Bulgarien.

Die „Agence Balcanique“ meldet: Der Korrespondent der „Times“ Bourchier, welcher vor drei Tagen von seiner an- geblichen rern g die er auf Einladung der Regierung geführt hatte (siche Nr. 213 d. Bl.), zurückgekehrt ist, hat bisher der Regierung über die Ergebnisse suchung fkeinerlei Mittheilungen . gemaht: Bourchier hatte ftillshweigend die Aufforderung der Regierung angenommen, eine Untersuhung über feine Behauptungen anzustellen, daß bulgarishe Museimänner verfolgt worden und wolf von ihnen diesen Verfolgungen zum Opfer gefallen eien, wobei ihm von der Regierung die Eskorte, die er ver- langt haite, bewilligt wurde. Anstatt aber eine Untersuhung úber die angeblih gegen die Türken in Bulgarien verübten Grausamkeiten anzustellen, begab fich Bourchier nah Dospat, welches auf türkishem Gebiet gelegen isst und von dem niemals in den Reklamationen der bulgarishen Regierung gegenüber Bourchier die Rede war. Bourchier hat also ver-

dieser Unter-

sucht, die Angelegenheit auf fremdes Gebiet übertragen. A eits wurde auf Befehl der buigaräiden gierung in ganz Bulgarien eine gans Untersuchung angestellt, welche ergeben hat, daß in leßten Zeit zwei Türken getödtet worden seien. Ein Fall ereignete sih in Fatma, 10 ein reicher türkfisher Grundbesißzer in s{chwerverleßtem Zu- stande in seinem Landhause aufgefunden wurde. Vor seinem Tode Fe M E, E zwei ait e zeihnen, die dur Fenster mehrere intenshüfse abgegeben hatten und fi später in die Türkei flüchten konnten. Der zweite Fall ereignete sich in Tschirpan, wo die in zwei Parteien fe paltenen Türken vor einem öffentlihen Bade in einen Kampf geriethen, bei welhem einer getödtet wurde. Diese von den Gerichtsbehörden authentish festgestellten That- sachen laffen feinen Zweifel zu; andere Vorfälle haben \ih absolut nicht ereignet. Dänemark.

Die Kaiserlich russishe Yacht „Polarstern“ konnte des ungünstigen Wetters - wegen heute früh 18/4 Uhr nach Libau in See gehen. Um 11 Uhr passierte sie die gat „Osborne“ mit dem Prinzen von Wales an Bord. Beide Schiffe gaben Salutschüfse ab.

Amerika,

Aus Havanna wird gemeldet, daß die Jnsurgenten das Fort Managnita mittels Dynamits in die Luft ge- sprengt und das Dorf Raselles angegriffen hätten. Leßteres sei von der spanishen Besaßung heldenmüthig vertheidigt worden.

Anstralien.

Einer in San Francisco eingetroffenen Meldung aus Honolulu zufolge ist die wegen Betheiligung an den Noya- listenaufstand zu fünfjährigem Gefängniß verurtheilte frühere Königin Liliuokalani begnadigt und sämmtlichen aus diesem Anlaß Verbannten, mit Ausnahme der Brüder Ashford, die Rückehr gestattet worden.

Nr. 37 des „Zentralblatts für das Deutsche Reich“, berausgegeben im Reichsamt des Innern, vom 13. September, hat folgenden Inhalt: Handels- und Gewerbe-Wesen: Bekanntmachung, betreffend die Ausfuhr der zur Kategorie der Rebe nit gebörigen

änzlinge. Bank-Wesen: Status der deutshen Notenbanken ende August 1895. Konsulat-Wesen: Ernennung; Bestellung eines Konsular-Agenten; Exequatur-Ertheilung. Dolizei-Wesen: Ausweisung von Ausëländern aus dem Reich8gebiet.

Die Nr. 37 des „Zentralblatts der Bauverwaltung“, herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 14. Sey- tember, bat folgenden Inhalt: Amtliches : Dienstnachrihten. Nichtamtliches: Der Höhepunkt einer Sturmflutb. Dienstgebäude für die Wasser - Bauinspektion in Tapiau. Die neuen „Handels- reiben“ in Moskau. Anwendung der Bruchstein-Zement-Bauweise bei Eisenbahnbrücken. Vermischtes : Wettbewerb für den Lageplan der 1896 in Kiel stattfindenden Ausftellung der Provinz S&leswig- Holstein. Bezug der Patentschriften. Neues Amtsgericht in Demmin. Befuchsziffer der Technishen Hochschule in Darmstadt im Studienjahre 1894/95. Klemmgesperre von Vorreiter und Dr. Müllendorf in Berlin. Bücherschau. :

Entscheidungen des Reichsgerichts,

Der Zusaß einer geringen Menge von Ocker zu einer größeren Menge Kaffee, um dem Kaffee ein eien, gleihmäßiges Aussehen zu geben, ift, nah einem Urtheil des Reichsgerihts, 1. Strafsenats, vom 11. Februar 1895, nicht obne weiteres als Nahrungsmittel: verfälshung zu bestrafen. „Richtig ift, daß der in § 10 Nr. 1 des Nahrungêmittelgeseßes vom 4. Mai 1879 vorgesehene Begriff der Verfälschung eines Nahrungs - eder Genußmittels auch dann erfüllt wird, wenn der Waare der Schein einer besseren Beschaffenheit verliehen wird. Unter dieser Beschaffenheit ist aber nicht zu verstehen das bloße Ausfezen der Waare ohne Rüdcksicht auf deren eigenes Wesen; es muß vielmehr das äußere Ansehen den Schluß auf ein besseres Wesen, auf eine Qualität, die mehrwerthig ift als die in Wirklichkeit vorbandene, berechtigt erscheinen laffen. Der Angeklagte hat dem von ihm im gebrannten Zustande verkauften Kaffee einen Zusay von einem Theelöfel Oder auf 150 Pfund Kaffee gegeben : einer}eits um die Verflüchtigung des Aromas zu verhindern, andererseits um dem Kaffee ein besseres gleich- mäßiges Ausfehen zu geben. Der erste Zweck kommt hier nicht in Frage. Aus der zweiten Erwägung aber fann nur der Scbluß gezogen werden, daß nicht über das Wesen des Kaffees und ¡einen Werth getäusht, sondern daß nur das Ausseben an sich verbessert werden sollte und verbessert worden is. Der Vorderrihter konnte ohne Rechtsirrthum die Frage, ob der Angeklagte durch den Ockerzusaß dem Kaffee den Schein einer besseren Beschaffen- heit bat verleihen wollen, verneinen und die Revision zieht mit Un- recht den Schluß, daß, weil die Färbung des Kaffees zu dem Zweck vorgenommen worden, um der Waare ein befseres, glei&mäßiges A us- seben zu geben, hon deéhalb der Waare der trügerishe Schein einer böberwerthigen und befseren Beschaffenheit verliehen werden sollte.“ (4996/94.)

Nur die gemarbêmäbige Benußung eines fremden Gebrauchsmusters, sei es die Nachbildung des Musters, sei es das Inverkebrbringen, Feilhalten oder Gebrauchen der durch Nachbiltung bervorgebrahten Geräthshaften und Gegenstände, ist, nah einem Urtheil des Reichtgerihts, Il. Strafsenats, vom 8. März _ 1895, vom Gebrauhémufterihuß-Geseß vom 1. Juni 1891 unter Strafe aeftellt. N., welcher in seinem landwirthschaft- lichen Betrieb Butter zum Zweck des regelmäßigen Verkaufs erzeugt, hatte ein einem fremden ges{hügten Gebrauchz- muster nachgebildetes Geräth etwa dreimal in seiner Wirth- schaft gebraudt und mittels desselben Butter hergestellt und einen Theil dieser Butter ebenso wie die anderweitig erzeugte verkauft. N. wurde wegen Vergehens gegen das erwähnte Gesetz, § 19, ver- urtheilt, und seine Revifion wurde vom Reichëgericht verworfen, indem es begründend ausführte: „Das Wort „gewerbêmäßig“ in § 4 des Gebrauhêmustershuß-Seseßes bezieht sih auf sämmtliche Fälle der tr ieg des Schupgrehts, sodaß der Gebrau eines dur Nachbildung bervorgebrahten Geräths nur dann unter § 4 und folge- weise §10 a. a. O. fällt, wenn es gewerbsmäßig geschieht, während durh einen anderweitigen Gebrauch, insbesondere einen solhen zu häuslichen Zwedcken, das Schugreht nicht verleßt werden kann. Unter Gewerbs- mäßigfeit ift auch bei der Au®?legung dieses Gesetzes eine auf fort- geseßten Erwerb gerichtete Thätigkeit, demnah aber unter gewerbs- mäßigem Gebrauch jede Benußung bei dem Betriebe eines Gewerbes zu verstehen. Als Hilfémittel der gewerblihen Pro- duktion ist ein Arparat verwendet, falls er im Gewerbebetriebe benußt ist und die mittels desselben gewonnenen Erzeugnisse ebenso wie die anderen Erzeugnisse des Gewerbebetriebes verwerthet sind. Dies trifft bier zu.“ (4857/94 )

Entscheidungen des Over-Verwaltungsgerichts.

Die Benachrichtigung von Steuerveranlagungs- Verfügungen an einen Zenfiten hat, nah einem Urtheil des Ober- tungêgerihts, 11. Senats, vom 3. Juli 1895, gemäß den Vorschriften der Zivil - Prozeßordnung über die Zuterimnges zuerfolgen, soweit nicht binsihtlih der kommunalen

teuerberaniiehungSverfügungen ortsftatutarische Vorschriften der betr. Kommune über die Form der Benachrihtigung bestehen. Ift die Benachrichtigung niht in der von der Zivil-Prozeßordnung bezw. ortéftatutarisch vorgeshriebenen Form erfolgt, so ift es Sache der Steuerbehörde anderweitig den Nachweis zu führen, daß der Zensit bezw. sein Generalbevollmächtigter rechtzeitig von der an- lagung benahrihtigt worden sci. Die Zuftellung der Benach- egung _an den Generatbevollmähtigten des Zensiten hat in Abwesenbeit des Generalbevollmächtigten an einen zu der Familie desselben gehörenden erwachsenen Hausgenofsen oder an eine in dessen Familie dienende erwachiene Person, nit aber an einen anderen Bediensteten oder Beamten des Zensiten zu erfolgen. Am 25. März 1893 also wenige Tage vor dem Ablauf des Steuerjahres 1892/93 erließ der Magistrat zu Berlin eine Steuerheranziehungéverfügung an den z. Z. niht mehr in Berlin wobnenden Fürsflen X. auf Zablung einer Gemeinde - Einfommen- steuer ven 30100 Æ pro 1892/93. Die Benachrihtigung war ge- richtet an „den Generalbevellmädhtigten der Fürstlich X.'schen Domänen- Direktion Herrn Y. zu Z.* Diefer Brief wurde ausweislih der Zu- stellungéurfunde am 29. März 1893 dur den Postboten zu Z., da der Genecralbevolmächtigte selbst nit in dem Geschäftslokal ange- troffen wurde, „dem Fürstlichen Kanzlei-Inspektor Herrn N.“ übergeben. Gegen diese Steuerberanziebung klagte namens des Fürsten der eral- bevollmächtigte gegen den Magistrat zu Berlin auf Anerkennung, daß der Herr Kläger pro 1892/93 nicht der städtischen Einkommensteuer unter- liegt, indem er in erfter Reibe geltend machte, daß der Fürst bezw. der Seneralbevollmädtigte erst im Laufe des April 1893 also erst im Steuerjahre 1893/94 Kenntniß von der Heranziehung erlangt habe, diese leßtere alfo im Hinklick auf die §§ 5 und 6 des Gesetzes vom 18. Juni 1840 unwirksam sei. (Ferner malte der Herr Kläger geltend, daß er seinen früheren vin guy A ‘in Berlin îm Jahre 1892/93 bereits aufgezeben hatte.) er Bezirksaus\huß verurtheilte den Magifirat zu Berlin nah dem Klage- antrage, und die vom Beklagten eingelegte Revision wurte vom Ober-Verwaltungégeridt zurückgewiesen, indem es begründend ausführte: „Weder allgemeine, noch speziell für Berlin geltende Vor- schriften bestehen darüber, in welher Weise die Zustellung von Heranziehungêverfügungen zu erfolgen Fat; mithin entscheidet der Grundsatz, daß die Benacrichtigung dann als gehörig erfolgt anzu- sehen ist, wenn diejenigen Vorschriften, welhe die Reths-Zivilprozeß- ordnung über die Zustellungen giebt, beobachtet sind. Allein, daß dies gesehen, ift zu verneinen. . . . Daß die Zustellung nicht an den Zenfiten selbft erfolgt ist, bedarf der weiteren Ausführung nit. Sie is aber auch an den ‘Generalbevollmäthtigten niht erfolgt. Das wäre nur dann anzunchmen, wenn bei der Ab- wesenheit des Generalbevollmäÿtigten das fragliche Schreiben gemäß S 166 Zivilprozeßordnung an einen zu der Familie des General- bevollmächtigten gehörigen erwachsenen Hausgenossen oder an eine in der Familie dienende erwachsene Person auêëgebändigt worden wäre. Der Beklagte kann fich auch nit auf § 169 Abs. 1 Zivilprozeß- nung berufen, weil die Fürftlih X.’s{e Domänen-Direktion zwar einen Namen träat, der auf bebördlihe Eigenschaft bindeutet, in Wahrheit aber feine Behörde ift." (IT. 1069.) .

Statistik und Volkswirthschaft,

Die Ergebnisse der Arbeiterzählung im Königrei Sachsen in den Jabren 1893 und 1894.

Die Bewegungen, welhe sih im Laufe der Zeit hinsihtlih der Zabil der gewerblihen Anlagen wie auch der Arbeiter derselben er- geben, fönnen als vorzügliche Unterlage bei Beurtheilung der Ent- wickelung und der Lage der Induftrie eines Landes dienen. Es möge daher bier zunähst eine Zusammenstellung der Zu- bezw. Abnabmen folgen, welhe im Königreih Sachsen in Bezug auf die Zahl der ge- werblihen Anlagen und der von diesen beshäftigten Arbeiter in den eten fünf Jahren eingetreten sind. Die am 1. Mai 1894 vorgenommene Arbeiterzählung ergab nach den Veröffentlihungen des Königlichen Statistischen Bureaus 15 268 gewerbliche Anlagen mit 404010 Arbeitern, während im Jahre 1893 nur 14 808 dergleihen Anlagen mit 394 426 Arbeitern gezählt worden find, sodaß fih für die Zeit von 1893 bis 1894 bei den gewerblihen Anlagen cine Zunahme von 469 oder 3,11 °/s und bei den in denfelven beschâftigten Arbeitern eine solhe von 9584 oder 2,43 °/9 herauéstellt In den vier voraufgegangenen Jabren be- trugen die Zunahmen (+) bezw. Abnahmen (—) in Prozenten

bei den Azxlagen Arbeitern 3,26 _— 8,45 —+ 2,39 + 0,62 + 0,73 ,8 7,

von 1889 big 1890 .

1800 180L.,

O 1899.

e 188 /

2.1993 I S h Aus dieser Uebersicht dürfte bervorgehen, daß die unbefriedigenden ge- schäftlichen Verbältnisse, w-lhe in den Vorjahren, besonders in der Zeit von 1891 bis 1892, zu beobachten gewesen sfind,- in den leßten beiden Jahren eine Besserung erfahren baben, die \sih namentli in der Zeit von 1892 bie 1893 bemerflich gemaht und auch in dem leßten Jahr zu einer nit unerbeblihen Vermebrung der gewerblichen Anlagen sowie der Arbeiter Veranlafung gegeben hat.

Das bezüglih der Gewerbebetriebe in der Zeit von 1893 bis 1894 bervorgetretene Anwachsen, das \sich auf 3,11 9% beziffert, ist indeß bei den einzelnen Jndustriegruppen ein außerordentlich verschiedenes. Es beziffert sich z. B. in dem Baugewerbe, ter Textilindustrie, den polygrapbishen Gewerben, der chemischen Industrie, der „Metallverarbeitung“ und der „Industrie der Ma- schinen, Instrumente und Apparate“ die Vermebrung der Zahl gewerb- licher Anlagen auf 23,97 bezw. 7,74, 7,71, 6,67, 5,54 und 4,10 °/, übertrifft also den auf das ganze Land bezügliden Durhshnittszuwachs zum theil in sehr erheblidem Maße. Eine Abnahme in der Zahl der Betriebe hat nur die Industrie der Steine und Erden erfahren. Weitere große Verschiedenheiten in den Veränderungen der Zahl gewerbliher Anlagen ergeben s\ich, fobald man die ne Motoren, die mit Dampfkraft arbeitenden und die ih anderer Elementarkräfte bedienenden Anlagen gesondert betrachtet. Während die Zabl der chne Motoren arbeitenden Betriebe nur um 15 oder 0,40 9% gestiegen ist, beträgt die Zunahme bei den mit Dampf- kraft arbeitenden Anlagen 376 oder 6,72 °%/, und bei denjenigen Be- trieben, welche sih anderer Elementarkräfte bedienen, 69 oder 1,26 °/o. Hierbei ersheint jedoch die Annahme nit unberehtigt, daß die Zahl der ohne Elementarkraft arbeitenden Anlagen, welche in der Zeit von 1893 bis 1894 errihtet worden oter im Jahre 1894 durch Ver- mehrung der Zahl ibrer Arbeiter zu dem bisherigen Bestand hinzu- getreten sind, die Zabl 15 wefentlich überfteigt. Es wird aber von derjenigen Anlagen, die si bisher feiner Elementarkrafi bedienten, eine größere Anzakl zum Elementarbetrieb, insbesondere zur Benußung der Dampfkraft, übergegangen sein.

_ Auch die Zunabme, welche binsihtlich der Arbeiterzahl für die Zeit von 1893 bis 1894 hervorgetreten ist, und die sh insgesammt auf 9584 oder 2,439%/6 beziffert, ift bei den vershiedenen Arbeiter- klafsen eine vershiedene. Werden die gezählten Personen zunächst nah dem Geschlecht getrennt, fo ftellt sich heraus, daß die Zahl der männ- liden Arbeiter um 7900 oder 3,04 9/9 und die der weiblichen nur um 1684 oder 1,25% zugenommen hat. Noch größere Unterschiede er-

geben ih, wenn man die Alteréklafsen einer näheren Betrabtung unterzieht und hierbei eine Trennung der

ird zunächst die uen äden

Geschlehter vornimmt. jüngflte Altersflafsfe, welde die Kinder umfaßt, fen, so zeigt - fich, daß die der Knaben um 575 oder 45,609%/o und die der um 272 oder 46,26 9% abgenommen hat. Dieser außergewöhnlih bobe Rückgang in dem Beftand der in Fabriken ver- wendeten Kinder ift auf die Bestimmungen des Gefeßes vom 1. Juni 1891 zurüdzuführen, die hinfichtlich der Kind-rarbeit am 1. April 1894 voll in Kraft getreten sind, und nah welhen nunmehr Kinder unter 13 Jahren in Fabriken überbaupt nicht mebr und Kinder über 13 Jahre nur dann beschäftigt werden dürfen, wenn fie nicht mehr zum Besuch der Volksïchule verpflichtet find. In welh:-m Umfang das in Rede stehende Geseß auf die Entfernung der Kinder aus den Fabriken und diesen gleihstebenden gewertlihen Anlagen hingewirkt hat, ergiebt fi; wenn der Beftand der am 1. Mai 1890 gezäblten, bier in Betrai kommenden Kinder mit dem verglihen wird, welcer si bei der im Jahre 1894 vorgenommenen Arbeiterzäblung ergeben hat. Jm ersteren Fall betrug die Zahl der Kinder 12 448 (7846 Knaben und 4602 Mädchen), im leßteren dagegen nur 1002 (686 Knaben und 316 Mädchen), sodaß dieselbe in der Zeit vom 1. Mai 1890 bis 1. Mai 1894 um 11 446 oder 91,95 9/9 abgenommen hat. Bei den jugendlihen, im Alter von 14 bis 16 Jahren itebenden Arbeitern ist sowobl binsihtlich der weiblichen als au der mönnlihen Personen eine Verminderung in dem Bestande eingetreten. Sie beziffert sich bei den jungen Leuten mänrliten Geshlechte auf 110 Köpfe oter 0,61 %, während sie bei den Mädchen die weit böbere Zabl von 1141 Köpfen oder 8,50 % erreiht. Der NRüdck- garg im Bestande dieser Arbeiterklasse dürfte zum theil darauf zurückzufübren sein, daß mehrfach Unternehmer von der Einstellung jugendliher Hilfekräfte absehen, um den Be- stimmungen der See E aus dem Wege ju geben, welche ¿zum Schuze der jugendlihen Arbeiter getroffen worden sind. Stellt man den Bestand an dergleicen Arbeitern sür den 1. Mai 1894 demjenigen vom 1. Mai 1890 gegenüber, so ergiebt sh, daß die Zakl ter jugendlihen Arbeiter im Alter ron 14 bis 16 Jahren e von 30 612 auf 30 128 oder um 1,58 9/6 zurückgegangen ist, während die Gesammtzabl der in Fabrifen und diesen gleihftehenden Betrieben beschäftigten Arbeiter in der Zeit von 1890 bis 1894 eine Zunabme von 369258 auf 404 010 oter um 9,419/6 erfabren hat. Werden end- lih die erwasenen, über 16 Jahre alten Arkeiter ins Auge gefaßt, so stellt sich beraus, ta die männli@en Personen in der Zeit von 1893 bis 1894 um 8585 eder 3,56 9% und die weibliten um 3097 oder 2,58 9/9 zugenommen baben. Das immerhin nit unkbteträcbtliche Anwachsen des Bestandes ter weiblichen Arbeiter tiefer Alterstlafsse, das die durchsnittlihe, auf das ganze Land entfallende Zunahme der Arbeiterzabl im Betrage von 2,42% etwas übertrifft, dürfte nah Lage der Sache zum theil darauf zurüdckzufübren sein, daß entlaffene jugentlihe Arbeiter und Kinder durch erwachiene weiblihe Personen erießt worden find. i Die Veränderungen, welche die Zabl der in den gewerbliden Ankagen Beschäftigten in der Zeit von 1893 bis 1894 erfahren kat, sind indeß bei den einzelnen Induftriegruppen fehr verschieden. Be- sonters ‘Tobe Zunahmen des Bestandes der Arbeiter, und zwar ab- jelut wie au prozent ual, ergeben fi sür die „Industrie der Ma- schinen, Insirumente und Aprarcte“, für die „Metaliverarbeitung“ und für die „Industrie der Bekleitung und Reinigung“, wo etn Anwachsen ter Arbciterzahl um 2300 oter 4,75 %/g bezw. um 1655 oder 7,65% und um 1328 oder 6 839/69 eingetreten ift. Eine Ab- nabme des Arbeiterbestandes weist nur die hemishe Industrie auf ; sie beziffert sich auf 3,902/9. Hinsichtlich der unter 14 Jahre alten Mäden ergeben alle Gewerbegruppen, bei denen folie Arbeitskräfte anzutreffen sind, mit Ausnahme der „Industrie der forstwirthschaftlien Neben- produkte“, wo der Bestand von 2 unverändert getlieben is, Abnabmen. Aehnlich liegt die Sache bezüglich der Knaben dieser Alterékiafse; auch bier ergeben alle Industriezweige mit Ausnahme der eben genannten Gruppe, wo der Bestand an Knaben von 2 auf 5 gestiegen ist, einen Rúckgang in der Zabl der kindlicen Arkbeitékräfte. Bei den jugend- l‘chen Arbeitern im Alter von 14 bis 16 Jahren, und zwar bei denen mêrnliher Geschlehts, weisen ter Bergbau und das Hütterwefen, die chemishe Industrie, die Industrie der forstwirthshaftlihen Neben- produkte. die Textilinduftrie, die Papier- und Lederinduftrie, die In- dustrie der Nabrungë- und Genußmittel und die polyaraphishen Ge- werbe Abnahmen auf, während im übrigen cin Arwachsen der Zahl dieser Arbeiter eingetreten is, das indessen nur in der „Metall- verarbeitung* und der „Industrie der Maschinen, Instrumente und Apparate“, wo eine Zunahmz- von 158 bezw. 157 Köpfen zu verzeichnen if, einen nennenswerthen Umfang erreiht. Etwas anders liegen die Verhältnisse bei den weiblichen, im Alter von 14 bis 16 Jahren stehenden Arbeitern. In Bezug auf diese Hilfsfräfte find Zunahmen nur in den Industrien der forstwirthshaftliden Neben- prcdufte, der Holz- und Schnißstoffe, im Baugewerbe und im Kunst- gewerbe wahrzunetmen, die fih jedoch nur auf 7 bezw. 12, 2 und und 5 Kêpfe beziffern ; während bei den bier in Betracht kommenden Betrieben der Industriegruppe „Bergbau und Hüttenwesen*“ weibliche Personen dieser Altertklafse überbaupt niht beschäftigt werden und alle übrigen Gewerbe Abnahmen ergeben, die namentlich bei der Textilindustrie sowie der Nahrungë- und Genufmittelindustrie, wo eine Verminderung des Bestandes dieser Arbeiterklasse um 849 bezw. 111 Köpfe zu rerzeidnen if, hervortreten. Was endlih die erwachsenen, über 16 Jahre alten Arbeiter

Wird unter. 14

anlangt, so ergiebt bezüglih ter Mänrer nur die chemishe Industrie

eine Abnahme, die sid auf 3 60 %/o beziffert, während hinsichtlich der Frauen außer diejem Industriezweig auch die Holz- und Sw{nitstoff- Sndustrie owie die polygrapbischen Gewerbe Abnahmen in Höhe von 1,45 bezw. 0,92 und 1,32 9%% aufweisen. Die höcften absoluten Zu- nabmen in der Zabl der männlihen erwathfenen Arbeiter ergeben die Giwerbegruppen „Metallverarbeitung*“ und „Industrie der Maschinen, Instrumente und Apparate“, wo sie 1447 bezw. 1980 Köpfe betragen, während bezüglich der weiblichen - erwahscnen Personen die größte absolute Zunahme bei der Textilindustrie anzutreffen ist. Sie beträgt hier 1791 Köpfe, wogegen der Bestand der märnlihen erwachsenen Arbeiter dieser Industrie nur um 625 gestiegen if. Hiernach, sowie im Hinblick arauf, daß die Textilindustrie birsihtlich ter jugendlichen Arbeiter im Alter von 14 tis 16 Jahren fowie der Kinder unter 14 Jahren die höchsten Bestandsziffern aufzuweisen hat, und taß bei ihr erstere in der Zeit von 1893 bis 1894 um 1180 oder 8,10% und die Kinder um 330 oder 46,09 9% abgenommen baben, erscheint die Annahme gerchtfertigt,

daß namentlih in dieser Industrie ein Theil der in Abgang ge-

kcmmenen jugendlihen und findlihen Arbeitéfkräfte dur erwachsen weibliche Perjonen erseßt worden ift, y

Zur Arbeiterbewegung.

In Leipzig hat eine Versammlung der ausftändigen Maler - und Ladckierergehilfen geftern Kenntniß genommen von dem Antwortschreiben der Innung, nach welchem erst die nähste General- versammlung darüber beschließen soll, ob den Gehilfen vom 1. April 1896 ab ein Mindestlohn voa 45 H bei neunstündiger Arbeitszeit zu gewähren sei (vergl. Nr. 219 u. 220 d. BL). Die Gehilfenversamm- lung beschloß darauf, den Ausstand fortzuseßen und in weitere Unter- handlungen mit der Innung nicht einzutreten. j

Hier in Berlin fand gestern eine Versammlung der Stein- bildbauer und Steinmeßten ftatt, in der über den Auéstand der Steinbildhauer (vgl. Nr. 210 d. Bl.) verhandelt wurde. Wie die Berliner „Volks-Ztg.* berihtet, wurde mitgetheilt, daß bis jeßt sieben Firmen die siebenstündige Arkeitszeit bewilligt haben, sodaß bei diesen die Arbeit aufgenommen werden konnte. Die Innungsmeister, die meist große Firmen vertreten, verhalten sih sämmtli ablehnend. Inêgyesammt haben 135 Bildhauer die Arbeit RUVeTIEEaT Zu unterstüßen sind 124 Mann darunter 72 Ledige und 52 Verheirathete —, nahèem 11 Ausftändige abgereist sind. Nach einem Beschluß der Versammlung sehen die Steinmetzen vor-

J è t

läufig von einem Ausftand äb, wollen jedo im näthften Frübjahre die achtstündige Arbeitszeit eventuell durch einen Auéftand erzwingen.

Nach Mittheilung des Statiftishen Amts der Stadt Berlin find bei den biesigen Standesämtern în der Wotde vom 1. September bis i 7. September cr. zur Anmeldung qaekommen: 865 Lebendaeborene, 243 Gheschlickungen, 26 Todtgeborene, 828 Sterbefälle.

Kunft und Wiffenschaft.

Der Kunfiverlag von Richard Bong bierselbft bat das Recht zur Reproduktion des in der Großen Kunstausftellung befindlihen Ge- mäldes von Rudolf Eichstädt erworben, welhes unter dem Titel „Für das Vaterland, Tilsit, den ‘6. Juli 1806“ das Zusammentreffen der Königin Luise mit Napoleon I. s{ildert. In Holzshnitt sorgfältig wiedergegeben, wird dasselbe nebft dem von Seiner Majestät dem Kaiser Wilbelm II. gemalten Bilde: „Kampf der Panzerschiffe“, den Haupt- \chmudck der in dem genannten Verlaae eriheinenden ,Modernen Kunst * bilden, die mit diesen patriotischen Kunftgaben ihren zehnten (Jubiläums-) Jabrgang würdig einleitet.

Der russisde Minister für Volksaufklärung hat, wie dem „W. T. B.* aus St. Petersburg gemeldet wird, die Kaiserliche Erlaubniß; erbeten, Manuskrivte Immanuel Kant?s, welche Eigenthum der Universität Dorpat sind, auf einige Zeit nach Berlin zu fenden. Die Entsendung der Manuskripte erfolgt auf Ansuchen des deutshen Botschafters bebufs Unterstüßung der Berliner Akademie der Wissenschaften bei der Herausgabe der voll- ständigen Sammlung der Werke Kants.

Land- und Forstwirthschaft.

Ernteaussichten in Rußland.

Ueker die dieëjährigen Ernteauésihten in Rußland, wie sie sich zu Ente v. M. stellten, gehen uns aus einzelnen Gouvernements folgende Nachrichten zu:

In Kur- und Livland ist fast durchgängig eine gute Mittelernte erzielt worden.

Dagegen kann das Ergebniß in Polen nur als mittelmäßig be- zeichnet werden. Die Qualität des Korns ift befriedigend, die Menge aber fcll nicht viel mebr als die Hälfte einer Mittelernte betragen. Von den Sommersaaten ift Gerste am besten gerathen, das Ernte- ergebniß wird jedoch nur auf zwei Drittel einer Mittelernte geschäßt. Nerbältnißmäßig am besten is die Getreideernte in den links der Weichsel gelegenen Gouvernements ausgefallen.

In Finland wird eine theils mittlere, theils gute Ernte erwartet.

In den Gouvernements Wilna, Kowno und Grodno bat Roggen eine faum mittelmäßige Ernte ergeben, während die Weizenernte etwas besser auégefollen ist. Sommergetreide, insbesondere Gerste, verspricht ein gutes Resultat.

Im Südwestgebiet, wo das Getreide unter günstigen Bedingungen eingebraht wurde, hat Winterweizen und Sommergetreide im all- gemeinen eine Ernte über mittel und Roggen eine Mittelernte er- geben. Hierbei muß jedoch berüdfibtigt werten, daß die Anbaufläche für Wintergetreide etwas geringer als im Vorjahr ift. Die Qualität des Getreides foll fast durckweg vorzüglich sein.

Im Gouvernement Cherson wird das durchschnittlide Ernte- ergebniß auf über mittel und im Gouvernement Taurien auf mittel geshäßr.

Im Kuban- und Terek-Gebiet ift im Durchschnitt eine gute Mittelernte erzielt worden, aus dem Gouvernement Stawropol wird über mangelhafte Qualität Klage geführt. In den Gouvernements Tiflis, Elisabethpol und Erivan war das Ernteergebniß im all- gemeinen gut.

Der internationale A OSFNan on arés (vgl. Nr. 220 d. Bl.) verwarf geftern, wie „W. T. B.* aus Brüssel weiter meldet, das Prinzip der Zwanasversicherung gegen Viehfterben, verwies an eine internaticnale Fommission zur Vorlage an den nächsten Kongreß den Wunsch auf Einführung der geseßlihen Arbeiterversiherung gegen Krankheit, Unfälle und Invalidität zurück und stimmte - einigen Wünschen zu, betreffend die Uebertragung des Eigenthums, die Einführung von Maßregeln gegen den Alkoholismus und die Ent- schädigung der Pächter. Ferrer faßte der Kongreß Beschluß über eine größere Anzahl von Anträgen der Sektionen und überwies die Beschluß- fassung über gewisse Vorlagen dem nächsten, zu Budapest abzuhaltenden Kongreß.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten uud Absperruungs- Maßregeln. Spanien.

Durch ministerielle Verordnung vom 7. d. M. ift für Herkünfte von Tanger eine mindestens dreitägige Beobachtung angeordnet worden, wenn die Schiffe mit reinen Päfsen oder mit solchen, welche nur verdächtige Fälle erwähnen, ankommen. Jst aber in den betreffenden Pâfsen ein wirkiiher Cholerafall angeführt, ¿fo bat sih das Schiff der Quarantäne zu unterwerfen.

Norwegen. Durch Verordnung der Königlich norwegishen Regierung vom 6. d. M. ift Kleinasien bis auf weiteres für choleraverieudt erflärt worden.

Mien, 13. September. Nach dem offiziellen Cholerabericht fanden am 11. September in Tarnobol zwei Erkrankungen an Cholera statt, von denen eine tôdtlich verlief, in Zabaraz 6 Er- frankungen und 7 Todesfälle.

Handel und Gewerbe,

Vom oberschlesishen Eisen- und Zinkmarkt be- rihtet die „Schl. Ztg.*: Der obershlesishe Eisenmarkt hatte si auch im Verlaufe der leßten Woche fstabiler Verbältnisse zu erfreuen. Die Produktion von Roheisen hielt sih auf der bisherigen Höhe und wurde von den Walz- und Stablwerken in vollem Umfange ver- brauht. Gießerei-Rohbeisen ist zwar immer noch weniger gut gefragt, do waren die Verladungen derartige, daß eine Vermebrung der Bestände, über welche übrigens nur ein obers{lesisches Werk in größerem Maße verfügt, niht ftattgefunden bat. Weder für Puddel- noch für Gießerei-Robeisen ist eine Preissteigerung zu melden. Der Walzeisenmarkt verfolgte die steigende Tendenz weiter. Am 16. d. M. findet in Berlin eine Sihung der vereinigten ober- \{lesishen Walzwerke statt, in welher wegen des flotten Geschäfts- ganges eine weitere Preiéerböhung für Walzeisen beschlofn werden dürfte. Auf die zu neuen Preisen zu fiande gekommenen Abschlüsse laufen bei den Werken bereits umfangreihe Spezififationen ein. Jn Anbetracht des starken Bescäftigungégrades werden von den Werken in den seltensten Fällen Lieferfristen unter vier bis sechs Wochen be- willigt, da die Läger fast vollständig geräumt sind und zur Ausfüh- rung der Aufträge niht mit herangezogen werden können. Die Blech- walzwerke sind namentlich mit Herstellung von Dalhblechen derartig in Anspruch genommen, daß sie außer stande find, die eingegangenen Lieferfristen, auf deren Innebaltung von den Abnehmern wegen der vorge!hrittenen Bausaison bestanden wird, einzuhalten. Ganz bedeu- tend sind die Feinblech-Verladun gen nah Rußland. Auch die Stahlwerke sind wieder etwas besser beshäftigt, dagegen klagt ein Theil der Maschinen- und Kesselfabriken über unzureichenden Eingang von Aufträgen. Die vor einiger Zeit neu in Betrieb geseßte Waggonfabrik in Königshütte if durch Herstellung einer größeren Anzahl Güterwagen für die Staatsbahn mit Arbeit vollauf versehen.

Die Röbrenwalzwerke sind nah wie vor gut beschäftigt und bringen namentlich bedeutende Posten Gaësröbren zur Verladung;- es fommt ibnen das fúr Bauten anhaltend günstige Wetter ebenso wie den Konftruktionêwerkstätten gut zu statten. Für Kleineisenzeug, intbesondere Nieten, bat die Nachfrage in der lezten Zeit stark nad gelaffen, sodaß die Werkstätten theilweise über mangelhafte Beschäf- tigung zu klagen baten. Bei den Draht- und Nägelwerken haben sih die Verbältniffe niht geändert. —' Die Gießereien sind größtentheils ungleih beschäftigt; während einzelne, beson- ders die Röbrengießereien, immer noch genügend zu thun baben, klagen die anderen über zu geringen Eingang an größeren Auf- trägen. Der Zinkmarkt hat sih au in der abgelaufenen Woche wenig geändert. Die Zinkblehpreise behaupten ibren bisherigen Stand, obwobl die Robzinknotierungen an der Londoner Börse in der leßten M weniger fest waren und um Kleinigkeiten nachgegeben haben.

infstaub und Zinkweiß gelangen in vollem Umfange der Pro- duktion zur Verfrahtung. Auf dem Bleimarkte hat fich nihts geandert.

Verkehrs-Anstalten,

Der vom 1. Oktober d. I. ab gültige Fabrvlan für die der Königlichen Eisenbahn-Direktion Erfurt unterstehenden Eisenbahnlinien entbält gegenüber dem Sommer-Fabrplan folgende wesentlidbere Aenderungen: A. Neue Züge: Vorz Tage der Betrieb2- eröffnung Stadtilm—Saalfeld fährt Zug 475, von Saalfeld kommend, ab Arnstadt 5,12, an Erfurt 5,50 und Zug 478 ab Erfurt 7,22, Arnstadt 7,22 bis 7,42 weiter nah Saalfeld. B. Ausfallende Züge : Die Züge 81 und 82 zwis{en Erfurt und Neudietendorf, die Züge 215 und 216 zwischen Eisena und Korbetha, 219 und 220 zwischen Leipzig und Korbetha und 179 von Eisenach nah Erfurt fallen fort. Die Züge 81 und 82 fallen von Neudietendorf bis Subl aus und verkehren auf der Strecke Subl— Ritschenbausen als gemischte Züge. C. Wesentlit ere Aenderungen : Zug 344 verkehrt im Anschluß an den Zug 22 von Merseburg bis Mücheln 27 Minuten früber. Zug 22 fährt unter Aufgabe des Anschlusses in Halle vem Zuge 125 von Magdebura, aber unter Beibehaltung des Anshlufses von Kottbus bereits 10,28 ab Halle und wird erft in Weißenfels vom Zuge 32 überbolt, sodaß die im Sommer vorhandene Verbindung von Leipzig nach Stuttgart—München (Züge 216/78/32) auch im Winter be- stehen bleibt (Züge 216/22/78/32). Der Zug 74 fährt wegen - des" künftigen Anschlusses in Arnstadt in der Richtung nah Saalfeld von Erfurt vor dem Zuge 26, aber unter Aufnahme des Anschlufses von diesem. Zwischen den Stationen Stadtsulza und Apolda wird die Station „Niedertrebra*“ eröffnet, daselbft halten die Züge 26, 24, 22, 28 und 9 25, 23. Zug 299 Erfurt—Nordbaufen erbält wieder die Lage wie im vorigen Winter. Der Zug 298 nimmt den Anscluß vom Zuge 55 in Wolkraméhausen auf und fährt deshalb ab Nordbaufen 26, an Grfurt 24 Minuten früber als jeßt (Ver- besserung der Verbindung Hannover—Erfurt. Zivischen Sußl und Dießbausen wird die Station Mäbendorf eröffnet, daselbst halten die Züge 74, 76, 72 und 73, 77, 71. Schnellzug 32 erbält wegen des Anscblufies der Strecke Triptis—Lobenstein Aufenthalt in Triptis.

Der Fabrp lan für die Linien der Königlichen Eisenbahn- Direktion Cassel vom 1. Oktober d. F. weit in folgenden wichtigen Aenderungen von dem bisberigen Sommerfahrplan ab: 1. Aus- fallende Sommerzüge. Die Schnellzüge 71 a Göttingen—Elze (—Ham- burg) und 72a (Hamburg—) Elze Göttingen; Zug 71a Göttingen ab 2,48, Elze durch 4,01 Nachm. ; Zug 72a Elze ab 1.30, Göttingen an 3,01 Nahm. Die Personenzüge 5l a und 62a zroishen Northeim und Nordhausen Zug 5la Northeim ab 6,42, Nordhausen an 8,22; Zug 62a Nordhausen ab 2,49, Northeim an 4,43 Nachmittags. IT. Wesentliche Zuaverlegungen und Herstellung neuer Anschlüsse. Der Personenzug Nr. 104 von Benner wird bereits 2,47 Nachmittags, also 11 Minuten früher als bisber, in Caffel angebracht, um daselbst den Ans{chluß an Zug 186 nach Warburg zu gewinnen. Zug 182a Bebra— Cafiel fährt in der Zeit vom 1. Oktober 1895 bis 31. März 1896 eine Stunde später als im Sommer. Die bereits seit dem 15. Juli d. J. cingeführte beschleunigte Durführung der Züge Nr. 183 Warburg—Cafsel und Nr. 257 Cafssel—Eichenberg zum Anschluß daselbst an den D-Zug Nr. 51 Frankfurt—Berlin, sowie die damit verbundene Früherlegung der Anschlußzüge is in den Winter-Fahrplan ausgenommen worden.

_ Der Postdampfer „Rotterdam“ der Niederländisch-Amerika- nishen Dampfschiffahrts-Gesellshaft ift am 13. Septezber in New- York angekommen.

Bremen, 13. September. (W.T. B.) Der „Norddeutsche Llovd“ hat seine Zwischendecks-Passagierpreise vom 16. September an wie folgt festgeseßt: Nach New- York Schnell- dampfer 140 Æ, Postdampfer 140 , Rolanddampfer 130 4: nah Baltimore Postdampfer 130 4, Rolanddamvfer 120 4 für deutsche, 130 Æ für nihtdeutshe Pafsagiere. Von New-York nah Bremen Schnelldampfer 134 #4, Postdampfer 126 4, Rolanddampfer 113 4; von Baltimore Postdampfer 113 4, Rolanddampfer 113 M

Bremen, 14. September. (W. T. B.) Norddeutscher Llovd. Der Postdampfer „Willehad* is am 12. September Nachmittags von New-York nah der Weser abgegangen. Der Postdampfer „Weimar" is am 13. September Nachmittags auf der Weser angekommen. Der Reichs-Postdampfer „Bayern“ ist am 13. September Nachmittags auf der W eser angekommen.

London, 13. September. (W. T. B.) Der Castle-Dampfer „Methven Castle“ ist auf der Ausreise am Dienstag und der Castle-Dampfer „Hawar den Castle“ am Mittwoch in Kapstadt angekommen. Der Caftle-Dampfer „Harlech Castle“ ift auf der Heimreise beute in London angekommen. Der Union-Damvfer „Goth“ ist auf der Ausreise heute von den Canarischen Inseln, der Union-Dampfer „Merican“ auf der Heimreise von Madeira abgegangen.

Kopenhagen, 12. September. (W. T. B.) Von Oktober ab werden mehrere Dampferlinien für den Vieh:-Export zwischen Esbjerg und den ostjütländishen Städten einerseits und den mit Quarantäne-Anstalten versehenen deutschen Pläzen andererseits eröffnet werden.

Theater und MufFik,

In Kroll’s Theater bringt die Königlihe Oper morgen Carl Maria von Weber's ,Freischütz“ unter Kapellmeister Dr. Mus Leitung in folgender Beseßung zur Aufführung: Agathe: Ges Hiedler, Aennchen : Fräulein Dietrih, Max: Herr Sommer, Kaspar :

r Mödlinger, Ottokar: Herr Bulß, Kuno: Herr Krolop, Eremit :

err Stammer, Kilian: Herr Krasa, Samiel: Herr Schmidt, Braut-

jungfern: Damen Weiß, Krainz, Deppe. Montag werden „Hänsel und Gretel“ und „Die Puppenfee“ gegeben.

Im Königlihen Schauspielhause geht morgen Shake- speare’'s „Sowmernachtstraum“, folgendermaßen beseßt, in Scene.

éttel : Herr Vollmer, Squenz: Herr Blencke, Puck: Frau Conrad.

räulein Galafrés spielt zum ersten Mal den Oberon. Fräulein

illy Kraufe gastiert als Titania. Die Mendelssohn’s{he Musik wird unter Mitwirkung der Königlichen Kapelle und Leitung des Musikdirektors Wegener zu Gehör gebracht. Am Montag findet die Gesammt- oufführung von Friedrih Hebbel's „Nibelungen“ mit „Kriemhilds Rate“ ihren Abschluß. Die Besezung lautet : Etel: Herr Ludwig, Dietrich von Bern: Herr Nesper, Rüdiger: Herr Klein, Kriemhild: Fräulein Poppe, Hagen: Herr Molenar. /

Das Scbauspiel „Die Mütter“ von Georg Hirschfeld, welchcs im Deutschen Theater am nächsten Dienstag, den 17. d. M., zum ersten Mal in Scene geht, wird in den meisten Rollen von den näm- lichen Darftellern gespielt, welche in dem Werke auf der Freien Bühne