1895 / 256 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 25 Oct 1895 18:00:01 GMT) scan diff

¿D L » i : Oesterreich-Ungarn. __ Die Kaiserin ist gestern Abend von Gödölló in Wien eingetroffen.

In der gestrigen Sißung des Abgeordnetenhauses gab der Finanz-Minister Dr. von Bilinski zunächst die Ziffernmäßige Uebersicht über das Budget für 1896. Er nre aus, es sei keine leichte Aufgabe gewesen, einen ille

ebershuß aufrecht zu erhalten. Das Bild fir 1897 stelle ih eben nit freundlih dar. Jn den nächsten Jahren und schon im Jahre 1897 seifür viele neue Erfordernisse Sorge zu tragen, und die Regierung sei verpflichtet zu sagen, wie sie diesen Gefahren be- gegnen wolle. Von einmaligen Auslagen seien zunächst die . für das Kommunikationswesen ins 4 * zu fassen. Für die Bahnlinie Halisz—Ostrow—Tarnopol seien noch 3 Millionen nothwendig, und außerdem noch zwei galizishe Bahnen im gesammistaatlihen Jnteresse durchzuführen. Ferner handele es sih im Süden um die Verbindung von Bosnien und Dalmatien mit der Linie Spalato—Arzaud; betreffs einer zweiten Verbindung mit Trient lägen mehrere Projekte vor, für deren eins man sich werde entscheiden müssen. Hierzu kämen noch die Erfordernisse für den Bau von Lokalbahnen; für die Vermehrung. des Fahrparkes der Staatsbahnen werde auch die Summe von 10 Millionen Gulden niht ausreichen. Rechne man hierzu noch die noth- wendigen Hochbauten, die Bedürfnisse vieler größeren Städte und die Hilfeleistung für Triest, die do nicht in bloßen Steuer- freiheiten bestehen könnten, so kämen gewaltige Summen zusammen, die niht durch die regelmäßigen Einnahmen gedeckt werden fönnten. Schon jeßt seien viele Bedürfnisse durch Jnvestitions- fonds gedeckt. Er würde aber empfehlen, solhe Fonds nur dann fest zu begründen, wenn deren Höhe im voraus festgeseßt und alle A alten durh ein besonderes Gescy bewilligt würden. Bei Erörterung der dauernden Auslagen betonte der Minister die Dringlichkeit der Regelung der durhaus unzulänglichen Pensionen der Wittwen und Waisen und Staatsbeamten, und stellte die Reform der Gehälter der Beamten, Hilfsbeamten und Diener mit dem 1. Januar 1897 in Aussicht, ebenso wie er seine Bereitwilligkeit zur Aufhebung des kleinen Lottos er- klärte, wofern das Haus die erforderlihen Summen bewillige. Es handle sich aber viel mehr um die Deckung großer Ausgaben durch Mehreinnahmen. Jn dieser Hinsicht werde Oesterreih im Falle des Zustandekommens der Steuer- reform an der Spitze Europas marschieren. Die seit 10 Jahren einzelnen Ländern gewährten Steuernachlässe und Ueber- weisungen seien zwar begründet gewesen, doch müsse die Grundsteuer - Hauptsumme von 37,5 Millionen Gulden be- stehen bleiben. Der Minister erklärte unter dem Beifall des Hauses, wenn dasselbe die Regierung unterstüße, so könnten die Einkommensteuergeseßze am 1. Sauiar 1897 in Kraft treten. Bei der Besprehung der indirekten Steuern hob der Minister die Nachtheile des Prämiensystems für die Zuer- industrie hervor. Der frühere “Finanz-Minister habe eine internationale Regelung dieser Frage angeregt, doch sei diese angesichts des volkswirthschaftlihen Egoismus der Staaten unmwahrscheinlich. Was das Branntweinmonopol anlange, so erklärte der Minister, er sei kein Anhänger des Monopol- syjtems, aber er befürworte unter Hinweis auf das un- arishe Schankregal eine gewisse Erhöhung der gegenwärtigen ranntweinsteuer. Zur Börsensteuer übergehend, äußerte er, daß sie sich gut bewähre, daß sie aber nah der Ueberzeugung der Regierung noch ausgiebig erhöht werden könne. Natürlich werde nichts geschehen, was einer Feind- seligkeit gegen die Börse gleihsehen oder den Handel schädigen könne. Eine etwaige Besteuerung der Waarenbörsen werde von der Regierung studiert. Ein Theil der Einnahmen sei durch eine Erhöhung des Tarifs der Staatsbahnen zu be- schaffen. Die Bankfrage müsse fo gelöst werden, daß einerseits die Einheitlichkeit der Verwaltung erhalten, andererseits die 1887 Ungarn geseßlich zugestandene Parität vollständig entfaltet wcrde. Die Verwendung der Kassenbestände zur Regelung der Beamtengehälter sei unstatthaft; dieselben vertheilten sih nach den einzelnen Ländern verschieden, und den Landeskassen müßten au gewisse Rechte eingeräumt werden. Theilbeträge seien namentlich für Zwecke der Valutaregulierung gebunden, efffektiv seien nur 22 Mil- lionen Banknoten und Staatsnoten verfügbar. Die Geld- noth des Wiener Marktes rühre von der Ueberspeku- lation der Effektenbörse her; die Regierung fühle sich niht berufen, zur Herabsezung des Reports ein- zugreifen. Ein zweiter Grund der Geldknappheit sei die be- deutende Waarenaufspeicherung infolge des niedrigen Wasser- standes der Wassertransportwege. Er habe in dieser Be- ziehung einige Abhilfe durh die frühere Fälligmachung der Novemberverpflichtungen getroffen. Behufs Sanierung der ungesunden Marktverhältnisse solle eine Ausgabe von Baar- mitteln an die Bank stattfinden; aus den heutigen geringen Kafssenbeständen könne er zwar der Bank nicht zehn Millionen als Darlehen, wohl aber auf Girokonto geben, jedoch nicht einseitig verfahren, weil dies mit der Valutaregulierung zu- fammenhinge. Der Minister sprah schließlich die Hoffnung aus, die Frage werde bei den Ausgleihsverhandlungen glüdck- lich erledigt werden, und bat das Haus, den Staatsvoranschlag möglichst rash zu erledigen, damit Plaß für die angedeuteten Reformen, insbesondere die Steuerreform, geschaffen werde.

Lebhafter, andauernder Beifall und Händeklatschen folgten der Rede, der Minister wurde vielfach beglückwünscht.

Das Haus trat sodann. in die Debatte über das Pro- gramm der Regierung ein. Der Abg. Graf Küenburg konstatierte den sympathishen Eindruck, welchen die Aeußerung des Minister-Präsidenten über die Stellung des deutschen Volks gemacht habe; der Schuß des religiösen Gefühls in der großen Zahl der Konfesstonen sei wohlbegründet, doch nur im Rahmen des Staatsgrundgeseßes. Da die Regierung selbst den Verdacht reaktionärer Bestrebungen urüdckweije, so bestche kein Gegensaß zu der liberalen

artei. Hinweis wirthschaftlihen Programm der Regierung

fehle der Hinweis auf die Jnteressen der Mittelklassen. Er theile die Auffassung des Ministers bezüglich des ungarischen Ausgleihs. Die Erklärung der Regierung enthalte keine Gggrelsive, vielmehr manche sympathischen Punkte. Gegen- über der Regierung werde die deutsche Linke eine freie Stellung einnehmen; von den Thaten der Regierung im Hause und in der Verwaltung mache die liberale Partei ihre weitere Haltung abhängig. Der Abg. Herold erklärte, die böhmische Frage bleibe der Angelpunkt der österreichischen Politik. Die P blis in Böhmen seien durch die Nichtdurch- führung der sprahlihen Gleichberehtigung verschuldet; die Stellung der deutschen Sprache auf allen Gebieten sei contra legem. Redner polemisierte alsdann gegen den Grundsaß, die traditionelle Stellung des deutschen Volkes zu beachten.

‘Titel :

Die Verschiedenheit der Ziele der Regierung und des böhmischen Volkes nöthigten die Jungczehen zur Opposition ; solle diese aufgegeben werden, müsse die Regierung den Stein des Anstoßes vorher beseitigen. Der Abg. Graf Hohenmwart begrüßte die Erklärung des Minister-Präsidenten als das Programm einer starken, zielbewußten Regierung, welche jeßt mehr als je noth thue. Eine starke Regierung, wclcher nur Oesterreihs Banner vorschwebe, sei vollklommen sier, stets eine Mazorität zu finden, welhe gern und freudig folgen werde. Das Programm der Regierung enthalte nichts, was des Redners Partei nöthigen könne, auf irgend welche staatsrehtlihen, finanziellen und wirthschaftlichen Bestrebungen “zu verzichten. Der Eindruck, den das Programm mache, sei im großen Ganzen ein günstiger und befriedigender. Die Partei des Redners blicke der Thätigkeit der Regierung mit Vertrauen entgegen. Der Abg. von Zaleski charafterisierte das Ministerium als ein streng fonstitutionelles, nihtparlamentarishes, dessen Programm in keinem Punkte in Widerspruch stehe mit den Grundsäßen der Polen, insbesondere der Liebe und Dankbarkeit für den Kaiser. Die Polen hielten fest an der österreihishen Staatsidee in Verbindung mit der Autonomie der Länder und der Gerechtig- ket und dem Wohlwollen allen Nationalitäten gegenüber. Da auch die Erneuerung des Ausgleihs mit Ungarn den Traditionen der Polen enifiteibe würden sie die Regierung loyal unter- stüßen, zumal sie dem Chef der Regierung, dessen bisherige Wirksamkeit sie genau kennten, größtes Vertrauen entgegen- brächten. Der Abg. Pattai legte in längerer Rede die Ziele der christlih-\sozialen Partei dar, welche durhaus auf geseßlichem Boden stehe, den sozialen Frieden und den Schuß des einheimischen arbeitenden Volkes gegen Ausbeutung erstrebe. Die christlih- soziale Bewegung sei keineswegs gegen eine bestimmte Konfession gerichtet. Jn den Bestrebungen für den Schuß des Mittel- stands stehe die christlih-soziale Partei auf einer Basis mit den Liberalen, der Gegensaß liege in der Bekämpfung jüdischer Ausbeutung. Der Redner wünschte den L der kleinen Unternehmer, welche übler daran seien als die Arbeiter, und erklärte der Regierung gegenüber eine abwartende Stellung ein- zunehmen. Der slovenishe Abg. Ferjancic und der ruthenishe Abg. Barwinski erklärten, die Haltung ihrer Parteien werde sich nach der Thätigkeit der Regierung richten. Hierauf wurde die weitere Berathung auf heute vertagt.

Der Abg. Kronawetter hat im Abgeordnetenhause eine Interpellation eingebraht wegen der Zuschrift des Nuntius Agliardi an den Agitator Pater Stojalowski, worin diesem der Aufenthalt außerhalb seiner Diözese Antivari verboten wird.

Bei der Ergänzungswahl zum Reichsrath im Teschener Stä dtebezirk wurde der Bürgermeister Demel in Teschen mit 1114 von 1963 Stimmen gewählt.

Gegenüber der von mehreren Seiten mit Bezug auf die Programmrede des Minister - Präsidenten Aufaciwdefenen Frage, wen eigentlich Graf Badeni zu führen gedenke, legt das „Fremdenblatt“ die betreffende Stelle dahin aus, daß die Regierung das Parlament führen, die Volksvertretung leiten und sie dorthin lenken wolle, wohin sie ihr in Erfüllung ihrer Aufgaben folgen könne. Wenn ein Staatsmann fich auf den Standpunkt steile, daß er nicht Parteizwecken dienen, fondern stets die dringenderen An-

forderungen des Staats verwirklichen wolle; wenn er einen Weg

einshlage, von dem er überzeugt sei, daß ihn jeder betreten müsse, der von wahrem Pflichtgefühl gegenüber den öffentlichen JZnteressen erfüllt sei, so sei es ja evident, daß er auf das Parlament zähle. Sein Ehrgeiz sei es nicht, Führer einer Partei oder der Parteien, sondern Führer des Hauses zu sein und zu bleiben.

Die Erläuterungen, auf welche sih der Finanz-Minister in seiner in der gestrigen Sißung des Abgeordnetenhauses ge- haltenen Rede bezogen hat, geben nachstehendes Bild der Finanzlage:

Im Staatsvoranschlage für das Jahr 1896 wird das Gesammt- erforderniß mit 662 691 682 Fl., die Gefsammtdeckuna mit 662902 808 Fl. präliminiert, fo daß sih ein Uebershuß von 221 226 Fl. ergiebt. Im Finanzgeseze für das Jahr 1895 wurde das Erforderniß mit 644 481 087 Fl., die Bedéckung mit 644 518 696 Fl. festgesetzt, was einen Ueberschuß von 37 609 Fl. bedeutet. Die für das Jahr 1896 na dem vorliegenden Voranschlage resfultierende Uebershußziffer er- {eint somit um 173 617 Fl. höher als jene des Finanzgesetzes per 1895. Bei Vergleichung dieser bciden Uebers{hußziffern darf jedoch der Umstand nicht außer Acht gelassen werden, daß im Staatsvoranschlage für das Jahr 1895 ‘eine ganz exceptionelle Poft von 3 000000 FlI. für unverzinslie Vorschüsse und Unterstüßungen anläßlih des Erd- bebens in Krain und Steiermark eingestellt ist. Von den ersten fünf Kapiteln des Voranschlags weifen nur die Kapitel: „Reichsrat h“ und „Ministerrath“ bemerkenswerthe Differenzen auf. Die Erböhung des Erfordernisses bei dem erstgenannten Kapitel um 46 630 Fl. seßt fi aus einer Erhöhung des Ordinariums um 17 930 Fl. und des Extraordinariums um 28 700 Fl. zusammen. Die erstere if vor- nehmlih eine Folge des Umstandes, daß die Delegationen im nächsten Jahre in Budapest tagen werden; die leßtere wird verursacht dur

ie Steigerung des für den Bau, bezw. dix Ausshmückung des Par- lamentshauses bestimmten Kredits. /

Im Kapitel „Ministerrath“ resultiert ein Mehrerforderniß von 49732 Fl. Das Gesammterforderniß, kvelches in Gemäßheit des Voranschlages für die gemeinsamen Angelegenheiten einshließlih der Zollübershüsse im Jahre 1896 von der diesseitigen Reichshälfte zu bestreiten fein wird, beläuft sih auf 116 062 848 Fl., was gegen- über dem für den gleihen Zweck pro 1895 bewilligten Kredit von 112 960 244 FI. eine Erhöhung um 3 102 604 FI. bedeutet.

Das Erforderniß für das Ministerium des Innern weist gegenüber dem Jahre 1895 eine Erhöhung von 386 660 Fl. auf. Das bedeutendste Mehrerforderniß, und zwar von 312 911 Fl., ergiebt sih im olitische Verwaltung in den einzelnen Ländern, und wird dur die Errichtung von 11 neuen Bezirke-Hauptmannschaften (3 in Niederösterreih, 1 in Salzburg, 2 in Böhmen, 2 in Mähren, 1 in Schlesien und 2 in Galizien), deren Erforderniß im Voranschlage mit einer viermonatlihen Tangente erscheint, ferner dur die Vermehrung des Personals bei mehreren Landesstelien, die NReorganisierung des Status des Sanitätsdienstes und dur die Präliminierung der Dienst- alters-Personalzulagen hervorgerufen. Das beim Minisierium für Landesvertheidigung präliminierte VMehrerforderniß von - 989 838 Fl. kombiniert fih im wesentlihen aus Mehransprüchen im Titel ,Zentral- leitung“ von 43 600 FI., „Landwehr“ von 800 478 Fl., „Gendarmerie“ von 162790 Fl. und einem Mindererfordernisse für die Militär- Polizeiwahe von 17 610 Fl. Der Mehranspruh der Zentralleitung ist der Hauptsache nah eine Konsequenz der Vermehrung des Konzepts- und Rechnungspersonals des Landesvertheidigungs-Ministeriuums. Die Steigerung des Erfördernisses im-Titel „Landwehr“ per 800 478 Fl. seßt sih aus einem Plus von 640836 Fl. im Ordinarium und von 1596422 Fl. im Extra - Ordinarium zusammen, Das erstere wird vornehmlich verursaht durch die tweitere Ausgestaltung der Landwehr, speziell durch die Standeserhöhung der Landwehr-Fußtruppen, durch die Erhöhung des Erfordernisses für Theilnahme an den Waffenöbungen des Heeres und an Konzen- trierungen, endlih durch die Steigerung des Aufroandes für die -ver- schiedenen Arten der Landwehrschulen.

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Der Etat des Ministeriums für Kultus und Unterritt

weist ein Mehrerforderniß von 731 135 Fl. auf, wovon 178 348 auf die Abtheilung „Zentrale“, 2503 Fl. auf die Aötheilung , Kultús* und 550 284 FI. auf das Unterrichtswesen entfallen.

Im Etat des Finanz-Ministeriums zeigt sih ein Minder- Erforderniß von 5 612 677 Fl., wovon 3 Millionen auf den Entfall des pro 1895 aus Anlaß des Erdbebens bei der allgemeinen Kafsg- verwaltung präliminierten Unterstüßungskredits zurückzuführen sind, Es resultiert bei diesem Kapitel mit Rücksicht auf den Umstand, daß die Ausprägung der Münzen der Kronenwährung für Rechnung der allgemeinen Kassenverwaltung stattfindet, ein sehr beträctlihes Minder-Erforderniß (von 2 011550 Fl.) daraus, daß für das Jahr 1896 die Ausprägung von Landesgoldmünzen der Kronenwährung nur mit einem Betrage von 70 Millionen Kronen (gegen 100 Millionen Kronen im Jahre 1895) und jene von Silberkronen nur mit einem Betrage von 12 Millionen Kronen (statt 15 Millionen) vorgesehen ift, die Ausprägung von Nickelmünzen aber überhaupt entfällt. Eine ins Gewicht fallende Erhöhung erfährt bei dem in Rede stehenden Kapitel nur der Kredit für die Ertheilung von Subsistenz-Zulagen an die Staatsbeamten der untersten vier Rangklafsen und an das Staats- [ehrpersonal und zwar von 2368 000 Fl. auf 2513000 Fl. mit SUES M die nunmehrige Zugrundelegung des Personalstandes mit

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Die absolut und relativ bedeutendste Steigerung des Er- fordernisses weist der Etat des Handels-Ministeriums auf. Von dem Mehrerfordernisse diefes Etats per 14 276 030 Fl. entfallen, indessen 2084 562 Fl. auf die Neueinstellung einer Vergütung für die Annuitäten der Refsortschulden des Handels-Ministeriums (Fahrparkg- anleben der Staatébabnen, Anlehen für Verstaatlihung von städtischen Telephonneßen und Trtester Lagerhaus- Anlehen) an den Etat der Staatsschuld. Wird von dieser vom Standpunkte des Gesammt- budgets als durhlaufend zu betrahtenden Post abgesehen, so verblcibt noch ein Steigerungêbetrag von 12191 468 Fl. Letzterer Betrag wird nun allerdings durch die Echöhung der Einnahmen des Handelsressorts per 13586140 Fl. mehr als auf- gewogen, so daß die Bilanz dieser Ressorts pro 1896 gegen- über dem Jahre 189% um 1394672 Fl. gebessert erscheint. Das obenbezifferte Brutto-Mehrerforderniß des Handels-Ministeriums von 14276 030 Fl. beruht im wesentlißhen auf Mehransprüchen in der Höhe von 492 720 Fl. beim eigentlichen Staatsaufwand, von 2 683 300 FI. bei der Post- und Telegraphen- Anstalt, von 169 140 Fl. beim Postsparkassenamt, von 2534 000 Fl. beim Staatseisenbahn- Bau, von 8758370 Fl. beim Staats-Eisenbahnbetrieb und der Bodenfee-Dampfschiffahrt. Ein Minderanspruch von 369 030 Fl. findet sich beim . Titel Betheiligung des Staats an der Kapitalsbeschaffung zum Zweck des Baues von Privatbahnen. Von dem Mehranspruhe per 492720 Fl. für den eigentlichen Staatéaufwand entfallen 452172 Fl. auf die Vergütung der Annuität der Triester Lagerhaus- Anlehen an den Etat der Staats- \{uld. In der Steigerung des Aufwandes der Post- und Telegraphen- Anstalt um 2 683 300 Fl. ist die Vergütung der Annuitäten für die aus Anlaß der Verstaatlihung von ev bonattiel aufgenommenen Anlehen an den Etat der Staatsshuld im Betrage von 456 000 Fl. enthalten. Das Erforderniß für den Staats- eisenbahnbau erfährt eine Erhöhung um 2534000 Fl, d. h. bis auf 6 094 000 Fl. Es werden nämlich präliminiert: Für den Bau der Eisenbahn e d K 2186 000 FI. (+ 886 000 F[.), der Lokalbahn Lindewiese—Barzdorf 613 000 Fl. (— 387 000 #1.), der Lokalbahn S S 295 000 Fl. (+ 45 000 Fl.), der Eisenbahn Podwysokie—Chodorow 2 090 000 Fl. (+ 1 990 000 F1.), endlih für den Bau der Eisenbahn Beraun—Dusnik (als neues Erforderniß) 1000000 Fl.,, während das pro 1895 präliminierte Erforderniß von 1 Million für den Bau der Eisenbahn Stanislaw Woronienka entfällt. Von dem Ge- sammtanspruch per 6 094 000 Fl. bilden aber nur 4 186 000 Fl. ein effektives Erforderniß, da die Kredite für die Bahn- bauten Lindewiefe— Barzdorf, Niklasdorf Zuckmantel und Beraun—Dusnik durch die gleihe Hohe Bedeckung (Heranziehung der Investitionsfonds der österreihischen Lokal. Eisenbahn: Gesellschaft und der böhmishen Westbahn, sowie Interessentenbeiträge) ausgeglichen werden. In dem Mehrerforderniß von 8758370 Fl. beim Titel „Staatseisenbahnbetrieb und Bodensee-Dampfschiffahrt“ is als Ver- gütung für die Annuitäten der Fahtparkanlehen der Staatsbahnen an den Etat der Staatsschuld ein Betrag von 1176 390 Fl. enthalten. Wird von diesem leßteren Betrag abgesehen, so erübrigt noch eine Summe von 79581 980 F[., von welcher 5 324 060 Fl. das Plus im Ordi- Rarium und 2 2957 920 Ff. jenes im Extraordinarium darstellen. Bei Beschränkung der Vergleichung auf den Staats-Eisenbahnbetrieb reduziert sih das Gesammt-Mehrerforderniß auf 7 573 280 Fl., und zwar auf 5 317 960 Fl. im Ordinarium und auf 2255 320 Fl. im Extra-Ordinarium. Der größere Tbeil der erwähnten Steigerungen findet feine Erklärung in dem Zuwachs neuer Strecken naméntlid der Böhmischen Westbahn, der Mährisch-\{hlesischen Zentralbahn, mehrerer Lokalbahnen und der in das Präliminare früherer Jahre nur mit dem Netto-Erträgniß einbezogenen Wiener Verbindungsbahn. __ Der Etat des Ackerbau-Ministeriums weist nah dem vor- liegenden Voranschlag zwar ein Mindererforderniß von 236 219 Fl. auf, wenn jedo aus dem Voranschlag pro 1895 die bereits erwähnte durhlaufende Post für Ausgaben und Einnahmen aus dem Meliorations- fonds per 966 603 Fl. ausgeschieden wird, so ergiebt sih für dieses Ressort ein (Brutto-) Mehrerforderniß von 730 384 Fl.

._ Der um 384100F1. höhere Aufwand des Justiz-Ministeriums hängt in erster Linie mit der Erhöhung des ordentlichen „Erforder- nisses der Justizverwaltung in den Königreihen und Ländern“ um 431 000 FI. zusammen.

Die Steigerung der Präliminarziffer beim Pensions-Etat um 418 000 Fl. ift auf den nah einem dreijährigen Durchschnitt be- rechneten Zuwachs von Pensionsberehtigten und von Gnadengaben zurück -uführen.

__ Das Kapitel „Subventionen und Dotationen“ zeigt cinen Mehranspruch von 39 050 F[.

Der Etat der Staatsschuld zeigt eine Steigerung von 3 828 5938 Fl, welche sih, wie folgt, zusammenseßt: Allgemeine Staats\Muld : E e, an Zinsen 19 034 Fl., für Schulden- tilgung 1856 293 Fl. Staats[chuld der im Reichêrathe vertretenen Königreiche und Länder: Mehrerforderniß an Zinsen 4 926 643 Fl, für Schuldentilgung 777222 Fl. Das Mindererforderniß von 19 034 Fl. für die Verzinsung der allgemeinen Staatsschuld ist der Hauptsache nach eine Kombination des aus der alljährlichen Begebung von Tilgungsrente resultierenden Zinsenzuwachses und des s die fortschreitende Tilgung der alten Schuld erzeugten Zinsen- abfalles.

Die Gesammtdeckung wird mit 662902808 Fl, das ift gegenüber der in das Finanzgesey pro 1895 eingestellten Bedeckungsfumme von 644518 696 Fl. um 18384112 Fl. höher veranschlagt. Zunächst sind die Einnahmen im Kapitel „Minifster- rath“ in Gewärtigung eines höheren Ertrags der effiziellen Zeitungen um 12800 Fl. höher präliminiert. Die Höher- prâliminierung der Einnahmen des Ministeriums des Innern per 39 658 Fl. fußt auf den zu gewärtigenden höheren Beiträgen der Landesvertretungen zu den Kosten tes hydrographischen Dienstes in den einzelnen Ländern, auf Mehreinnahmen aus den Viehbeschautaxen, und auf den in Aussicht stehenden Einnahmen der neu errichteten Anftalt zur Gewinnung. des ns, Der Etat des M iniste- riums für Kultus -und Unterricht weist eine Mindereinnahme von 84 500 Fl. auf. Im Etat des Finanz-Ministeriums haben die Gesammteinnahmen eine Erhöhung um 5 040 360 Fl. erfahren, und zwar hauptsählich durch die Annahme höherer Eingänge bei den direkten und indirekten Abgaben. Die erhöhte Präliminierung #üß sich im allgemeinen auf die stetig steigenden Vorschreibungs? und Einzahlungs- Ergebnisse, bei der Grundsteuer speziell au darauf, daß der E des Jahres 1893 in Böhmen, welhe die Einzahlungs- Ergebnisse des Jahres 1894 sehr ungünstig beeinflußte, pro 189%, wie die erhöhten Eingänge im laufenden Jahre zeigen, eine Nach- wirkung niht mehr beigemessen werden kann. Für das Zollgefälle

# . y j Böbt si die Bcdccklung um 1228116 Fl. Füc die Gesammtheit A ie en Abgaben resultiert eine Erhöhung der Bedeckung um 6 406 334 Fl…., wovon 3 758 230 Fl. auf die eigentlihen Verzehrungs- steuern entfallen. Die Branntweingabe wurde pro 1896 mit der- selben Ziffer wie pro 1895 33 000 000 Fl. präliminiert, und zwar ungeachtet des bedeutend höheren Kassa-Erfolges im Fahre 1894 (33 984357 Fl.) im Hinblick auf das Schwanken

; des Betrages, welches diese Steuer zeigt. Bei der allgemeinen

Kassenverwaltung zeigt sich ein Minus von 1732770 Fl. Bor allem konnte nämli der Theilbetrag aus dem dur die Aus- gabe der Theilmünzen der Kcronenwährung erzielten Gewinne, welcher yro 1895 mit 2 239 230 Fl. angeseßt worden war, nur mit 365 946 Fl. eingestellt werden, eine Modifikation, welche allerdings nur rechnungs- mäßiger Natur ift, da derselben eine entspredende Verringerung des Erfordernisses der allgemeinen Kassenverwaltung für Präge- und Metallbeschafungs-Kosten I Im Etat des Handels- Ministeriums weist die Bedeckung gegenüber dem Jahre 1895 eine um 13 586 140 Fl. höhere Ziffer auf. Dieses Plus seßt \sich im wesentlihen zusammen aus der Präliminierung von Mehreinnahmen von 184 320 Fl. beim eigentlichen Staatöaufwand, 2 168 040 Fl. beim Post- und Telegraphenbetriebe, 169 140 Fl. beim Postsparkafsen- amt, 659 240 Fl. beim Staatseisenbahnbau und 10730130 Fl. beim Staatseisenbahnbetrieb und der Bodensee-Dampfschiffahrt, gege über dem Wegfalle der Beitragsleistung von 330 000 Fl. des Herzogthums Steiermark für die Eisenbahn Eisenerz-Vordernberg. Die Erhöhun der Bedeckung beim Titel „Post- und Telegraphen-Anstalt“ ist _ die Präliminierung eines um 190 140 Fl. höheren Geschäfteübershusses der Postsparkasse und auf die Steigerung dêr Einnahmen aus dem Betriebe der Post- und Telegraphen-Anstalt um 1 977 900 Fl. zurück- zuführen. An der Erhöhung der Bedeckung beim Staats- cisenbahn-Betriebe" um 10 760 620 Fl. partizipieren die ordent- liden Einnahmen mit 8740200 FI., die außerordentlichen mit 2020 420 Fl. Was die Erhöhung der ordentlihen Einnahmen anbelangt, fo konnten vor allem die Tranéporteinnahmen des ge- sammten Staatsbahnneßes um 9038500 Fl. höher veranschlagt werden. Bei dieser leßteren Steigerung find in erster Linie der Streckenzuwahs (Linz—Donau-Umschlagplatß, Böhmische Westbahn, Mährisch- Schlesische ea Lokalbabnen: Lindewiese—Barzdorf und Niklaëdorf—Zuckermantel, Halicz—Oftrow) und die Brutto- Präliminierung der Einnahmen der Wiener Verbindungébahn unter den Transporteinnahmen mit einem Gesammtbetrag von 6 135 000 Fl. in Rechnung zu ziehen. Der Reft per 2903 500 F[. repräsentiert die gegenüber dem Jahre 1895 veranshlagte Steigerung der Einnahmen des alten Neges. Der Antheil des Staats am Reingewinn der Kaiser Ferdinand®- Nordbahn wurde'* in das vorliegende Budget mit demselben Betrage wie pro 1895, d. h. mit 1 300 000 FI. einbczogen. Im Einnahme- Präliminare des Ackerbau -Min isteriums zeigt sich gegenüber dem Vorjahre s{heinbar ein Rückgang von 573 161 Fl., welcher si jedoch nah Ausscheidung der durchlaufenden, das Meliorationsfonds- Präliminare betreffenden, Post aus dem Voranschlage pro 1895 that- \ahlich in eine Einnahme-Erböhung per 393 442 Fl. verwandelt.

Die Mindereinstellung von 17 9009 Fl. beim Justiz - Etat hängt

hauptsählich mit der Präliminierung eines geringeren Erlöses aus dem in der Regie der Strafanstalten erzeugten Arbeitéprodukten zusammen. Im Etat der Staatsschuld erscheint eine um 521 960 Fl. höhere Bedeckung eingestellt. Die Bedeckung des Kapitels „Verwaltung der Staatsschuld“ weist cine um 137260 Fl. niedrigere Ziffer auf, und zwar vorzüglich deshalb, weil die zur Deckung der Verwaltungsauslagen für die gemeinsame s{webende S&huld bestimmte Einnahme aus dem dur Nichteinlösung von außer Umlauf gezogenen Ein-Gulden-Staatsnoten zweiter Emission erzielten, der diesseitigen Reichshälfte mit 70 9/0 zufallenden Gewinne im- Hinblick -auf die bisherige Benußung des betreffenden Fonds nur mit einem um 137 760 Fl. niedrigeren Be- trage eingestellt werden konnte.

Der ungarische Minister - Präsident Baron Banffy erklärte gestern im liberalen Klub, wie „W. T. B.“ aus Budapest berichtet, er werde heute die Jnterpellationen wegen dexr Agramer L d P A dahin beantworten, daß die ungarishe Fahne auf kroatishem Boden stets geachtet worden sci, daß die Ausschreitungen nur von einigen unreifen Burschen verübt worden, und daß daran die Bevölkerung vollkommen unschuldig sei. Die Schuldigen würden der gerechten Strafe nicht entgehen. A

Der Gemeinderath der kroatishen Stadt Warasdin drückte in einer Sißung sein Bedauern über die sträflichen Ausschreitungen aus und wählte den Minister- Präsidenten Baron Ban ffy sowie den Banus Grafen Khuen-Héder- váry zu Ehrenbürgern.

Frankreich.

Der König von Griechenland stattete gestern dem Präsidenten Faure einen etwa einstündigen Besuh ab. Der Präsident Faure erwiderte alsbald den Besuch des Königs.

Jn der Deputirtenkammer interpellierte gestern der Deputirte Jaurès (Sozialist) die Regierung über ihre Hal- tung während des Ausstandes in Carmaux. Er be- mängelte scharf die Feindscligkeit des Direktors der dortigen Glasfabrifen Resseguier dem Syndikat der Glasarbeiter gegen- über und sprach sih mißbilligend über die Verhältnisse aus, die einem einzigen Menschen gestatteten, Tausende von Familien verhungern zu lassen. Resseguier habe sich geweigert, die Glasbläsereien wieder zu öffnen, nachdem sich die Arbeiter unterworfen hätten, und die Regierung habe überdies ihre Be- amten in Resseguier's Dienst gestellt, statt Unparteilichkeit zu beobachten. Sozialistishe Deputirte hätten den Ausständigen immer nur Ruhe geprediat. Dic Besprechung der Jnterpellation wird heute fortgeseßt werden.

“_ Ftalien.

Der „Agenzia Stefani“ wird aus Lissabon gemeldet, der vóetulielide Minister des Auswärtigen habe den italienishen Geschäftsträger in Lissabon gebeten, der italienishen Regierung das [ébbaftifte Bedauern der portu- giesischen Regierung und den Wunsch auszudrücken, daß die gegenwärtige Lage sih nicht verlängern möge.

Türkei,

Der Sultan empfing gestern den großbritannishen Bot- schafter Sir Ph. Currie in Audienz, der seine Abreise atn der Störung des Eisenbahnverkehrs bis Montag ver-

oben hat.

Bat „Reuter’s{he Bureau“ berichtet aus Konstantinopel vom 23. d. M., daß die Zustände in den Breve Aleppo und Adana der christlihen Bevölkerung große Befürchtungen

fobie eines A und weiteren Blutvergießens ein-

flôößten. Nah Berichten von türkisher Seite planten die armenishen Bewohner des Bergdistriktes von Zeitun ebenfalls cinen Aufstan d gegen die Behörden. Jn Varna eingetroffene Nachrichten aus Konstantinopel melden, die liberale türkishe Bewegung nehme zu. Neuer- Las seien in Konstantinopel aufrührerishe Plakate entdeckt worden.

Serbien.

„W. T. B“ meldet aus Belgrad, daß die vorgestern von den dortigen Blättern gebrachte Nachricht, der König habe die Pensionierung des serbishen Gesandten in Wien

: x Simic nleraeicnet, wie von zuständiger Seite versichert werde, jeder Begründung entbehre.

Dänemark. ;

Die Kaiserin-Wittwe von Rußland, der Groß- fürst Michael und die Großfürstin Olga sind gestern As an Bord des „Polarstern“ nah St. Petersburg abgercist.

Amerika.

Aus Portorico ist in Madrid die Meldung eingetroffen, mit Messern bewaffnete Bauern hätten die Gendarmen an- gegriffen, seien aber verhaftet worden. Die Regierung wird ein Bataillon Marinetruppen zur Verstärkung der Garnison nah Portorico entsenden.

Asien.

Nach einer Meldung des „Reuter'shen Bureaus“ aus E ist Graf Fnouye zum außerordentlichen Ge- andten für Korea ernannt worden und nah Söul abgereist. 36 S oschis von Korea sind bei ihrer Ankunft in Uyeno verhaftet worden.

Aus Tokio erfährt dasfelbe Bureau, daß Japan durh die am 19. d. M. in Tokio ausgetauschten Noten vollständig den Gesichtspunkten beigetreten, welhe Ruß- land, Deutschland und Frankreih bei ihrer Jntervention in dem cinesishen Konflikt aufgestellt hatten. Japan ermäßige danach die Entschädigung, welche es von China als Ausgleich für die Räumung der Halbinsel Liaotong verlangt habe, auf 30 000000 Taels; ferner erklärte sih Japan damit einverstanden, aus dem Abschluß eines Handelsvertrages mit China keine Bedingung für die Räumung der Halbinsel Liaotong machen zu wollen; diese Räumung habe zu Ende des Monats Januar stattzu- finden. Endlich verpflihte Japan sih, auf jede Kontrole über den Kanal von Formosa zu verzihten und Formosa und die Pescadores-Jnseln an keine andere Macht abzutreten.

Kunst und Wissenschaft.

Das „Institut de France“ in Paris beging vorgestern und gestern die Säkularfeier seiner Gründung. Die Feier wurde am Mittwech Morgen durch einen Gottesdienst in der Kirche St.-Germain des Prés eingeleitet, welWem beinahe alle Mitglieder des Instituts beiwohnten. eru! vereinigten ih dieselben im Palais Mazarin zu einer Begrüßungsversammlung mit sich an- \cbließendem Lunch. Gestern Vormittag eipsing der Präsident der Nepublik Faure die zu der Feier eingetroffenen fremden außerordent- lichen und forrespondierenden Mitglieder. Nachmittags fand in Gegen- wart des Präsidenten die Fefisizung ftatt, in welcher zahlreiche Vorträge gehalten wurden. Jules Simon gab einen Abriß der Geschichte des Instituts; Ambroise Thomas begrüßte die zahlreich erschienenen Fremden; der Unterrichts-Minister Poincaré hielt eine Lobrede auf die Arbeiten des Instituts. Am Abend versammelten sich die Mitglieder unter dem Vorsiß des Ministers zu einem großen Fest- mahl. Herr Poincaré dankte den auswärtigen Mitgliedern für ihr Erscheinen und toastete auf die Wissenschaften und die Künste.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

j Spanien.

Durch Königliche Verordnung vom 17. d. M. ist für Herkünfte von Damiette Quarantäne angeordnet worden. Gleichzeitig gelten alle Hâfen, welche in gerader Linie niht- weiter als 165 km von Damiette entfernt find, als choleraverdächtig.

Portugal.

. Durch Verfügung des Königlich portugiesishen Ministeriums des Innern ist der Hafen von Damiette für choleraverseucht erklärt worden. Gleichzeitig gelten alle anderen Häfen Egyptens am Mittelmeer als holeraverdächtig.

Ferner sind der Hafen von Aleppo und die übrigen Häfen Syriens, sowie diz russischen Häfen am Schwarzen Meer seit dem 1. d. M. für rein von Cholera erklärt worden. (Vergl. „Reichs- Anzeiger“ Nr. 180 vom 31. W D. und Nr. 243 vom 10. d. M.).

gypTen.

Zufolge Beschlusses des internationalen Gesundheitsraths vom 16. d. M., ist gegen Herkünfte aus dem Hafen“ von Damiette für alle S Häfen Egyptens das Cholera-Reglement in Kraft gesetzt worden.

Handel und Gewerbe.

Zwan gs-Versteigerungen.

Beim KöniglichenAmtsgerihtlBerlin standam24. Oktober das Grundstück in der Wiclefstraße belegen, dem Maurermeister G. Kraeutlein gehörig, zur Versteigerung; Fläche 95,74 a; mit dem festgeseßten geringsten Gebot von 350 4 blieben die Frau Dr. Flora Straßmann, geb. Levy, Lennéstraße 4, die Frau Sanitäts-Rath Luise Straßmann, geb. Levy, Oranienstraße 58, der Lehrer (Rentier) Moriß Herzhold zu Dresden und die Kauf- leute Berth. Levy und Jul. Levy zu Berlin Meistbietende. Aufgehoben wurde das Verfahren ter Zwangsversteigerung wegen der Grundstücke Franseckistraße 34 und Danzigerstraße 29, dem Kazf- mann Jul. Auerbach gehörig.

Beim Königlihen Amtsgericht Il Berlin wurden die wegen der Wiederversteigerung des im Grundbuche von Weißen- see Band 46 Blatt Nr. 1358 wverzeihneten Grundstücks Neu-Weißensee, Lehderstraße 33, anberaumten Termine am 15. und 18. November 1895 aufgehoben. Das Verfahren der Zwangéversteigerung des ideellen Antheils des Kaufmanns Simon Iolowicz an dem zu Lichtenberg belegenen, im Grundbuch von Lichtenberg Band 35 Blatt Nr. 1117 eingetragenen Grundstück3 wird es adi is Die Termine am 6. und 11. Dezember 1895 allen fort. :

___—_ Vom obersch{lesischen Steinkohlenmarkt berichtet die „Schl. Ztg.“ : Die Lage des oberschlesishen Kohlengeschäfts hat in der leßten Berichtéperiode eine weitere Aufbesserung erfahren, indem die Nachfrage für sämmtliche Sortimente si verstärkte. Die Auf- träge gehen recht zahlrei ein, jedo sind die Gruben des Wagen- mangels wegen nicht im stande, den Wünschen der Besteller prompt nachzukommen. Wenn in der legten Zeit die Kohlenabfuhr zu den Ziegeleien wesentlich nachgelassen hat, so ist dagegen die Nachfrage für Hausbrandkohlen bedeutend gestiegen, und auch die Zuckerfabriken sind bemüht, sih mit Betriebskoblen zu versorgen. Die Sendungen von obers{lesischen Kohlen nah Rußland haben in leßter Zeit eine weitere Verstärkung erfahren, dagegen hat sih der Absatz mit der Bahn nah Galizien und Mähren nur wenig gehoben. Im kumulativen Debit ist das Geschäft, besonders bei den östlih gelegenen Gruben ret rege; täglih sieht man Hunderte von galizishen Fuhr- werken auf den Verladepläßen. Vom Koksgeschäft is neues niht zu berihten. Bei einzelnen Koksanstalten sieht man reht be- deutende Bestände liegen. Für Theer und Theerprodukte hat sih die Nachfrage bereits etwas verringert.

In der heutigen Generalversammlung der Vereinigten Königs- und Laurahütte, in welcher 8 928 600 4 Aktienkapital dur 14881 Stimmen vertreten waren, wurde für das verflossene Geschäftsjahr die Vertheilung einer Dividende von 4 9/ beshlofen. Zu Aufsichtsrathsmitgliedern wurden die ausscheidenden Herren Do- mänen-Rath Klewiß in Slawengiß und Geheimer Kommerzien-Rath Schlutow in Stettin wiedergewählt.

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In ter Verlafsensaftsfacke des verstorbenen Kapellmeisters Bohuslav Hrimaly zu Helsingfors sind, wie das Kaiserlich deutshe Konsulat in LENRUsars mittheilt, laut Beschlusses des Rath- hausgerihts daselbst die Nachlaßgläubiger aufgefordert worden, in dem auf Sonnabend, den 21. Dezember d. I., 11 Uhr Vormittags, vor Fn genannten Gericht angeseßten Termin ihre Ansprüche geltend" zu machen.

Düsseldorf, 24. Oktober. (W. T. B.) Börsenbericht. Des niedrigen Wasserstandes wegen nehmen die Bahnsendungen von Kohlen vach Süddeutschland zu. Eisenmarkt fest.

Stuttgart, 24. Oktober. (W. T. B.) Der Geheime Hof- rath Colin, Direktor der Württemberger Vereinsbank, ist infolge Schlaganfalls in Reutlingen gestorben.

O A oye!, 23. Oktober. (W. T. B.) Zwischen der Pforte und der Ottomanbank is ein Einvernehmen über die Bedingungen für die Konvertierungs-Anleihe der Zoll- Obligationen und Eisenbahnanschluß-Anleihe erzielt worden; doch hat si die Ottomanbank mit Rücksicht auf die Lage der Geldmärkte beh O für die Emission der neuen vierprozentigen Anleihe vor- ehalten.

Verkehrs-Anstalten.

Bremen, 25. Oktober. (W. T.B.) Norddeutscher Lloyd. Der Schnelldampfer „Spree“ ist am 24. Oktober Morgens auf der Weser angekommen. Der Schnelldampfer „Lahn“ hat am 23. Oktober Nachmittags die Reise von Southampton nah New-York fortgeseßt. Der Schnelldampfer „Werra“ is am 23. Oftober Abends în Genua angekommen. Der Postdampfer „Willebad“ ist am 23. Oktober Nachmittags von Baltimore nah der Weser abgegangen. Der Postdampfer „München“ ist am 24, Oktober Morgens in New - York angekommen. Der Schnell- dampfer „Aller“ ist am 24. Oktober Morgens in New - York angekommen. Der Postdampfer „Pfalz“ hat am 24. Oktober Morgens Dover passiert. Der Reichs-Postdampfer „Prinz-Regent Luitpold“ ist am 24. Oktober Morgens in Antwerpen an- CoROnen, Der Reichs-Postdampfer „Preußen hat am 23. Oktober

bends die Reise von Neapel nah Port Said®*fortgeseßt.

Hamburg, 24. Oktober. (W. T. B.) Hamburg -Ameri- kanische Padletfahrt-Aktiengesellshaft. Der Postdampfer „Palatia“ ist heute Morgen in New-York eingetroffen.

__ London, 24. Oktober. (W. T. B.) Der Union-Dampfer „Spartan“" is gestern auf der Ausreise von Plymouth abge- gangen. Der Uniondampfer , Moor" is} gestern auf der Heimreise von Kapstadt abgegangen. Der Uniondampfer „Tartar“ ist beute auf der Heimreise von Madeira abgegangen.

Theater und Musik.

L Berliner Theater.

Unter der Hand eines Dichters hâtte der Stoff, den Robert Misch in seiner gestern zum erften Male in Berlin aufgeführten . Komödie „Nachruhm behandelt hat, ein Lustspiel im besten Sinne werden können; er selbst hat sogar darin den Anlauf ¿zur Er- reichung eines höheren literarischen Standpunktes genommen, aber die Kräfte versagten auf halbem Wege. Diese Er- kenntniß liegt in der nihts\sagenden Bezeichnung „Komödie“, während die rihtige Benennung des Geleisteten unzweifel- haft „Schwank“ gewesen wäre. Es ist in der Geschichte aller Völker, niht zum mindesten aber in der deutschen eine häufige Erscheinung, daß geniale Künstler aus Mangel an Förderung und Interesse im Kampf mit den widrigen Schiksalen des Lebens unerkannt verkommen, um erst nah ihrem Tode gewürdigt oder gar übertrieben gefeiert zu reerden. Diese Idee, von der man fast sagen möhte : difficile, satiram non seribere, Liegt der Arbeit von Misch zu Grunde. Held derselben ist der junge begabte Komponist Hans Noland, der von dem kärglichen Ertrage einiger Klavierstunden und dem geringen Zuschuß, den ihm die Wittwenpension seiner bei ihm lebenden Mutter gewährt, sein Dasein fristen muß. Unaufgeführt liegt seine Oper, „Die Wikinger“ im Pulte, ungespielt bleibt seine längst komponierte Symphonie, unge- junger seine frishen „Spielmannslieder“. Selbst der Umstand, daß ihm ein Freund Gelegenheit verschafft, dem Theater-Direktor, dem Kapellmeister und dem ersten Kritiker und Musikverlcger der Stadt seine Werke vorzu- srielen, führen bei der beshränkten Urtheilsfähigkeit und Gleichgültig- keitdieser Herren zu keinem Resultat ; verzweifelt beschließt er daber, seinem Leben cin Ende zu machen: dies ist die Handlung bis zum Schluß des zweiten Akts. Der dritte spielt zehn Monate später. Welcke Wand- [lung ift inzwischen eingetreten! Die Oper ist aufgeführt worden und hatte großen Erfolg, ebenso die Symphonie, die „Spielmanns- lieder“ sind bereits auf der Walze jeder Drehorgel, und das alles, weil die Nachricht, daß Hans Roland in den Fluthen eines Schweizer Sees den Tod gesucht, das Sensætionsbedürfniß befriedigt und die Aufmerksamkeit auf ihn gelenkt hat. Kondolierend und voller Lobeserhebungen für den verklärten Meister sieht man alle jene zweifelhaften Kunstkenner, die sih in der Verspottung des Lebenden überboten hatten, feiner alten Mutter und seiner Wittwe nahen, die mit komishem Ernst die hochtrabenden Nekrologe, Reden und Huldigungen entgegennchmen; denn fie allein wifsen aus authentisher Quelle, daß Hans Roland lebt, daß der Selbstmörder ein ganz Anderer war. Der vierte und letteAft hat nihts Spannendes mehr zu bieten. Hans Roland, der als Kapell- meister einer wandernden Truppe in Jtalien weilte und von seinen Er- folgen in seiner norddeutschen Heimath nichts weiß, kehrt auf der Rück- reije in München bei einem alten Freunde ein und erfährt erft dort, wohin ihm die Seinigen entgegengereist sind, von feinem Glüe. In diese Handlung sind allerlei komische Episoden und auch die übliche Liebes- und Verlobungsgeschichte eines jungen Paares, das von Anfang an zu den unentwegten Freunden Hans Roland?s gehörte, eingeflohtkn. Sie nehmen darin sogar einen fo breiten Naum ein, daf die Haupt- vorgänge fast in den Hintergrund treten und die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf taufend effektvolle Nichtigkeiten gelenkt wird; das verleiht dem Werke {hon den Charaktec eines Schwanks.

Die Darstellung war in jeder Hinsicht eine tadellose und verhalf_ dem Stücke zu cinem vollen und unbestritienen Erfolge. Den Hans Noland spielte Herr Sommerstorf \{licht und natürlih und daher sehr glaubwürdig; diese Aufgabe ist troy ihrer Wichtigkeit, wie aus dem Gesagten hervorgeht, minder dankbar als manche Nebenrollen, infonderheit als diejenigen des jungen Liebespaare8, das durch Herrn Schönfeld der übrigens auch mit Geschick. die Regie führte und Frau Prafch- Grevenderg mit einem Aufwande von köfilihem Humor verkörpert wurde, der ihnen reiten Beifall nah den Aktshlüfsen und bei offener Scene eintrug. Gleiches Lob gebührt Herrn Kraußneck als alterndem, durch widrige Schicksale mißgünstig gewordenem Klavierlehrer und Herrn Formes als Präsidenten eines Gesangvereins. Auch die Herren Basser- mann und Pohl als Musikverleger und Opernkapellmeister und Frau Baumeister als Mutter Roland’'s schufen kleine Kabinetstücke feiner Ckarafteriftik. Das Berliner Theater hat jedenfalls mit der Auf- führung bewiesen, daß es über ein Lustspielpersonal ersten Ranges vetfügt. Der Hauptantheil des Beifalls, den der anwesende Ver- fasser einheimste, gebührte den Darstellern und der Regie.

Konzerte.

Die Berliner Liedertafel gab gestern unter der Leitung ihres Chormeisters A. Zander im Saale der Philharmonie ein Konzert, in welchem die Königliche Hofopernsängerin Frau Helene Lieban-Globig mitwirkte. Die Liedertafel brachte jene Chöre zum Vortrag, die in ihren Konzerten in Stuttgart und Straßburg den ungetheilten Beifall der Hörer gefunden hatten. Die Leistungen der Liedertafel verdienten auch diesmal alles Lob; die den Chor- liedern innewohnende Stimmung gelangte fast überall völlig zur Wirkung; auch die sorgfältige Einstudierung ‘wurde, wie in früheren Konzerten, wieder in der Präzision des Vortrags, in dem klingenden Piano und der verständigen Accentuation offenbar. Das Konzert begann mit einer Grell’shen- Motette für achtstimmigen Cbor, die durch den Ausdruck der Innigkeit und die zarte Tongebung erfreute; prähtige Klangwirkungen wurden bei der Wiedergabe zahl- reiher - Volkslieder erzielt. Den Schluß des Konzerts