1914 / 304 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 29 Dec 1914 18:00:01 GMT) scan diff

“Zu sorgen und den vor dem Feinde stehenden Soldaten damit die Zuversicht zu geben, daß in liebevoller Weise ihrer ge- dacht wird.

Jch bitte von der sonst üblichen Absendung von Glück- wünschen an meine Person im Hinblick auf den Ernst der Zeit diesmal freundlichst abzusehen und in deutscher Treue aus- zuharren und weiter zu bauen an unseren Liebeswerken zum Segen des teuren Vaterlandes bis zu einem ehrenvollen Frieden, zu dem uns Gott bald führen möge.

Berlin, den 27. Dezember 1914. Auguste Victoria I. R.

Das neu errichtete Bekleidungsbeschaffungsamt, veltes Geschäftskreis durch Vereinigung der bisherigen Ver- gebungen der Bekleidungsämter naturgemäß sehr groß ist, hat seine Arbeiten bereits aufgenommen, die in erster Reihe in dem seinen vielseitigen und umfassenden Aufgaben ent- een Ausbau des inneren Verwaltungsbetriebes be- tehen müssen. Die Durchführung dieser notwendigen Vorarbeiten wird aber, wie „W. T. B.“ mitteilt, durch den Andrang der Anbieter und die unzähligen ohne Rücksicht auf den vorliegenden Bedarf eingehenden Angebote in empfind- lihster Weise gestört und aufgehalten. Das Amt erklärt daher erneut, daß der persönliche Besuch von solchen Be- werbern um Aufträge, die hierzu. nicht aufgefordert sind, völlig zwecklos ist, da es nur schriftlihen Angeboten, und zwar nur solchen, nähertritt, die durch Vermittlung der zuständigen Handels- oder Handwerkskammer 2c. vorgelegt werden, welche dem Angebot ein Zeugnis beifügt.

Mündliche oder ohne Vermittlung der obenbezeihneten Körperschaften vorgebrachte Angebote sind zwec1o0s; auch muß im Interesse des ‘ungestörten Ausbaues des Beschaffung83- amtes dringend ersucht werden, daß Besuche von Mitgliedern der ““figazeit Körperschaften zunächst weitmöglichst vermieden werden.

Der heutigen Nummer des „Reich3- und Staatsanzeigers" liegen die Ausgaben 291 und 292 der Deutschen Verlust- listen bei. Sie enthalten die 112. Verlustliste der

reußischen Armee, die 130. Verlustliste der bayeri-

[hen Armee, die 83. Verlustliste der sächsischen

“n und die 85. Verlustliste der württembergischen rmee.

Großbritannien und Frland.

Die Versicherungsprämien bei Lloyds gegen deutshe Vorstöße an der Ostküste steigen. Von Harwich nordwärts werden 55 Prozent, von Harwich bis Dover 30, von Dover um die Südküste 15 Prozent gefordert. Zahlreiche Verträge wurden abgeschlossen. j

Nuf:land.

Der Großfürst Nikolai hat dem Gouverneur von Astrachan telegraphish mitgeteilt, der Zar wünsche, daß die Kalmüccken dem Kosakenstande zugeteilt werden.

, Ftalien,

Der Papst empfing vg im Thronsaale den öster- reichisch - ungarischen Botschafter, die Gesandten Preußens, Bayerns und Brasiliens sowie den peruanischen Geschäftsträger. Der österreichisch-ungarishe Botschafter brachte dem Papste im “Namen seiner Kollegen die Glückwünsche dar, auf die der Papst dankend erwiderte.

Niederlande.

Der niederländishe Dampfer „Leersum“ aus Rotter- dam stieß am Sonnabendabend zwischen Scarborough und Filey auf eine Mine und sank. Zwei Mann der Besaßung werden vermißt, 17 wurden in Scarborough gelandet.

Numänien.

Blättermeldungen zufolge finden zwischen Bukarest und Sofia diplomatishe Unterhandlungen statt, die die Begegnung der Herrscher beider Länder auf rumänishem Ge- biete bezwecken.

Amerika.

Der amerikanishe Staatssekretär Bryan erklärt, laut Meldung des „W. T. B.“, daß alle Schritte des ameri ka- nischen Gesandten in Brüssel, die eine Herabsezung der Krieasfkontribution zum Ziele hätten, inoffiziell und ohne Ermächtigung der Regierung gemacht würden.

Die Regierung von Venezuela hat der „New York Times“ zufolge der Leitung der panamerikanischen Vereinigung den Vorilag unterbreitet, eine internationale Konferenz aller neutralen Nationen einzuberufen, um eine Revision der Bestimmungen, betreffend die Rechte der Neutralen in Kriegszeiten, zu beraten.

Nach einer vom ',W. T. B.“ verbreiteten Meldung ist es im japanischen Parlament vor der Auflösung zu stürmishen Szenen gekommen. Die Verteidiger der Jnsel- politik gerieten sogar in ein Handgemenge mit den Kontinental-

politikern. Afrika.

Meldungen des „Temps“ zufolge hat die Bewegung feind- licher Stämme im Tasa- und Fes gebiet nachgelassen. Der Branesstamm nimmt jedoch noch immer eine feindselige

altung ein. Die Lage im Tadla- und Khenifra-Gebiet t unverändert. Sendboten verbreiten dort Nachrichten über die reignisse in Europa und versuchen, die Proklamation des

Heiligen Krieges zur Erregung einer Aufstandsbewegung aus- unußen. Aus dem Tafilelt- und dem Veddragebiet wird bie nsammlung feindliher Arabertruppen gemeldet, die an- scheinend nah Colomb Beschar und Bu Tenib vorstoßen wollen.

Kriegsnatrihten.

Westlicher Kriegsschauplaß.

Großes Hauptquartier, 29. Dezember, Vormittags. (W. T. B.) Bei Nieuport und südöstlih Ypern gewannen wir in kleineren Gefechten einigen Boden. Mehrfache starke französishe Angriffe nordwestlih St. Ménehould wurden unter {weren Verlusten für die Franzosen zurückgeshlagen. Dabei machten wir einige hundert Ge- fangene. Ein Vorstoß im Bois Brulé westlich Apremont führte unter Erbeutung von drei Maschinengewehren zur Fort- nahme eines französischen Schüßengrabens. Französische Angriffe westlich Sennheim wurden abgewiesen. Oberste Heeresleitung.

Oestlicher Kriegsschauplaß.

Großes Hauptquartier, 29. Dezember, Vormittags. (W. T. B.) Jn Ostpreußen und Polen rechts der Weichsel feine Véränderung. Am Bgzura- und Rawkaabschnitt \hritten unsere Angriffe vor. Jn Gegend südlich Fnowlodz wurden starke russishe Angriffe zurüd- geschlagen. Oberste Heeresleitung.

Wien, 28. Dezember. (W. T. B.) Amtlih wird ge- meldet: Nördlich des Duklapasses wichen unsere Truppen dem Angriffe der Russen in Stellungen näher am Karpathenkamme aus. Zwischen Biala und Dunajec, im Raume nordöstlih Zakliczyn, wurden sehr heftige Angriffe des Feindes abgewiesen. Sonst hat sih auf dem nordöstlichen Kriegsschauplaße an unserer Front nichts Wesentliches ereignet.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes :

von Hoefer, Feldmarschalleutnant.

Südlicher Kriegsschaupla 8.

Wien, 28. Dezember. (W. T. B.) Amtlih wird ge- meldet : Auf dem Balkankriegsschauplay herrscht, von einigen Grenzplänkeleien abgesehen, volllommene Ruhe. Die Serben \sprengten wieder die Semliner Brücke. Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes :

von Hoefer, Feldmarschalleutnant.

Der Krieg der Türkei gegen den Dreiverband.

Konstantinopel, 27. Dezember. (W. T. B.) Nach glaubwürdigen Mitteilungen fand das Seegefecht, von dem die amtlihe Mitteilung des H auptquartiers (vergl. Nr. 303 des „Reichs- und Staatsanzeigers“) spricht, bei Zungulda!k statt.

Basel, 28. Dezember." (W. T. B.) Wie die „Basler Nach- rihten melden, ist das verbündete Geshwader vor den Dar danellen neuerdings verstärkt worden. Es be- steht jeßt aus 40 Wimpeln, darunter 15 Dreadnoughts und anderen Schlacht schiffen. Das französische Schlacht- if „Waldeck-Rousseau“ mit dem kommandierenden Admiral an Bord ist in Saloniki eingetroffen.

Konstantinopel, 28. Dezember. (W. T. B.) Das Hauptquartier teilt mit: Heute von der Kaukasus-Armee angelangte Nachrichten besagen : Wir haben den Feind verfolgt und eine beträchtlihe Anzahl Kriegsgefangene gemacht und Kriegsmaterial erbeutet.

Konstantinopel, 28. Dezember. (W. T. B.) Unsere Truppen lieferten dem Feinde eine Schlacht im Tale des Muradflusses und brachten ihm eine völlige Niederlage bei. Sie nahmen zwei: Kanonen mit Zubehör, ein Maschinen- gewehr, zwei Artilleriemunitionswagen, 36 Maultiere und 115 Pferde und machten zwei höhere und fieben Subaltern- offiziere und 96 Mann zu Gefangenen.

Konstantinopel, 28. Dezember. (W. T. B.) Das Hauptquartier meldet : Die Engländer haben neuerdings eine Landung bei Akaba versucht; zwei fseindlihe Boote ver- suchten, sih der Küste zu nähern, kehrten aber unter dem Feuer unseres Gendarmeriepostens um.

Wohlfahrtsþpflege.

Sn gleicher Weise, wie von dem Kaiserlißen und Königlidien Kriegstfürsorgeamt in Wien im Namen der verbündeten österreichi|cch- ungarischen “Armee unserer kämpfenden T1uppen anläßlih des Weih- nachtsfestes dur reiche Liebesspenden gedacht worden 1, hat, wie „W. T. B." berichtet, auch das Deutsche Neich unter hervor- ragender pe: sönlicher Beteiligung Seiner Majestät des Deut)chen Kaisers es si niht netmen lossen, den mit uns in treuer Kameradschaft kämpfenden österreihisch-ungarishen Truppen eine Weihnachtsgabe zu übersenden. Ihre Zuführung, die fich durch militärishe Dispositionen verzögert hat, exfolgt in neunzehn Eisenbahnwaggons und an drei verschiedenen Gtappenorten. Der durch den Berliner österreichi|ch. unaarishen Verein festlich ge- \chmüdte Zug verließ am 27. Dezember Berlin und am 28. Breslau Die sämtuüchen Arbeiten der Vorbereitung, Zusammenstellung und Abfertiguyg des Zuges sind im höchsten Auitrage durch den Kriegs- aut \{chuß für warme Unterkleidung (Berlin, Reichstag) erfolgt, dessen Vorstandsmitglied Fürjt zu Sa!m-Horstmar in Begleitung von Ver- tretern der beieiligten Organisalionen au die Führung bis zu den Vebergabeorten übernommen hat.

Wie die „Norddeutshe Allgemeine Zeitung“ mitteilt, is, um den Gefühlen der Zusammengehörigkeit des deutschen Wolkes mit dem Osmanischen Neiche im Kampfe gegen die gemein\samen Feinde auch auf dem Gektete der Liebeotätigkent Uuédruck zu verleihen, ein veut\ches Hilifskomitee zum Zwedke von Sammlungen zugunsten des Roten Halbmonds tin der Bildung begriffen. Seine Majestät der Kaiser hat für diesen Zweck den Betrag von 40 000.46 gestiftet und davon unmittelbar Seiner Majehät. dem Sultan Keuntnis gegeben. Es sind weiter vom Stadtrat in Dresden 5000 4 und vom städtischen Kriegsfürsorgeauschuß tn Chemniß 1500 4 gespendet worden. Der Reichskanzler hat dos Ehren-

Nach einer Meldung von „W. T. B.“ aus Konstantinopek ist die vom deutschen Roten Kreuz ausgerüstete Expedition für die Türket gestern dort eingetroffen.

Der „Nationalstiftung für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen“ hat die Neihspostverwaltung thre PViitwirkfung dadur geliehen, daß sie sämtliche Postanstalten des Neichspostgebiets in dankenswerter Weise zur Annahme von Spenden für die Stiftung ermähtigte. Bisher sind durch die Postanstalten rund 868000 #4 an den Schaßzmeister der Stiftung abgeführt worden. Einen weiteren erfreulichen Zuwachs haben die Stiftung8mittel vor kurzem erfahren, indem der National- stistung von dem „Ausschuß der Kriegsspende von Ange- börigen der Neichspost- und „telegraphenverwaltung aus den von den Berufsgenossen gespendeten Beiträgen die Summe von 100000 6 überwiesen worden ist Mit Rücksicht auf den guten Zweck der Stiftung —- Versorgung der Hinterbliebenen unserer tapferen Krieger ist zu wün)chen, daß ihr die Teil nahme weiter Kreise der Bevölkerung auh fernerhin er- halten bleibt. Eine günstige Gelegenheit zu folcher Betätigung dürfte das bevorstehende Neujah1sfest bieten, wenn die für die Ablösung von Neujahrsglückwünschen und Geschenken be- stimmten Geldbeträge diesmal in möglichst ausgedehntem Um- fange der Naticonalstiftung zugewendet werten Zur Einzahlung: der Beträge i} überall bequeme Gelegenheit vorhanden, da alle Post- anstalten einschließ.ich der Postagenturen und Posthiifestellen, ja fogar auch die Landbriefträger auf den Bístellgängen Beiträge für die Natitonalstifttung vom Publikum cntgegennehmen.

Statistik und Volkswirtschaft.

Die deutsche chemische Industrie und der Krieg.

Auf der legten Pariser Weltausstellung (1900), auf der die chemischen Industrien wohl aller Kulturländer vertreten waren, wurde die Veverlegenheit der deutshen vor der aller anderen Länder, wenn auh nit neidlos, fo dcech unbedingt anerkannt. Der französische Chemifer Haller erklärte sie tn seinem umfangreichen Bericht über die Auéstellung für eine unbestreitbare Tatsache. Der Berliner Chemiker Piofessox Großmann . untersucht nun im „Neuen Deutschiand“, ob der Kiieg, der ja von England mit der bewußten Absicht heraufbeschworen ist, den deut|chen Handel und die deutsche íIndustrie wenn nicht ganz zu vernihten, so doch in sehr er« heblitem Maße zu \chwäcen, hierin wohl etne Aenderung wird herbeiführen können. Zunächst ist festzujtellen, daß troß" großer wissenschaftliher und technischer Leistungen auf hemischem Gebtete, die seit der legten Weltausstellung auch in anderen Ländern zu ver- zeichnen waren, Deutschland doch das Weltzentrum der chemischen Industrie gebiieben 1st. Ihr Ubsay ist auch nah Frankreih und Amerika erheblich gestiegen, die durch erhöhte Zoll!chranken ibr Ab- bruch zu tun versuchten, ebenso der rach England, das durch eine Aenderung der Patentgeseßgebung (1907) ebenfalls der zunehmenden Einfubr deut\cher Produkte entgegenzuarbeiten versuchte. Trotz*em hat sch die Ausfuhr chemisher Fabrikate seit 1905 mehr als verdreifaht und im leßten Jahre bereits den Wert von einer Milliarde Mark überschritten. Nun versuht ja Eag- land, gegen uns ein System der Handelssperre durchzuführen, das an die Napoleonshe Kontinentalsperre erinnect. Es kann ganz dabingestellt bleiben, in wie geringem oder in wie großem Maße die Durchführung dieier Absicht gel-ngen wird; sicher it, daß unfere ckchemish- Industrie dadurch vor zahlreiche neue Uufgaben fi gestellt sieht, um für viele Rohmaterialien, deren Zufuhr mehr oder weniger beschränkt ist, Ersay zu schaffen und die im Lande vor- hantenen Stoffe ohne Vershwendung rationell und sparsam auszu- nußen. Wo aber wissenschastlibe und techni\che Fragen auftaucen, da werden sie auch gelöst, und es fann daher leiht kommen, daß der Krieg den Anstoß zu wetttragenden chemi|ch:n Entteckungen und ihrer praktischen Anwendung gibt. Auf Einzelheit-n kann hierbei natürlich aus naheliegen- den Gründen nicht etngegangen werden. Auch die Chemie des Auslands, dem die Zufuhr an Chemikalien aus Deut}chiand fehlt, sieht sih vor ähnliche Autgaben gestellt. Wir brauchen nur die Farbeninduîtrie zu erwähnen. Die englische kann aus eigener Kraft nur ein bis zwei Fünftel des engiishen Farbenverbraudhs decken und hat bisher zahlreiche Farben von ganz besonderem Wert überhaupt nicht herstellen fönnen, weil weder die fabrikmäßtigen Einrichtungen noch die tehnischen Erfahrungen dafür vorhanden waren und außerdem die déutshen Patente die Fabrikation verboten. Ueber diele rechtlihen Bedenken seßt man ih“ jet in England bkanntlich hinweg, indem man Zwangs- lizenzen an englische Unternehmungen ertetlt. Aber durch Nechtsver- lezungen \chaff}t man keine erhöhte techntsche Leistungsfähigkeit, auf die es legten Entes doch ankommt. Um die Leistungs- fähigkeit der englishen chemischen Farbenindustrie fo zu entwidckeln, daß sie das eigene Land vollständig versorgen kann, würden viele Jahre notwendig sein. Wir brauchen ja vur daran zu denken, daß die Badische Anilin- und Sodafabrik fast 20 Jahre lang viele Piillionen Vearf aur die Indigo-Synthese verwendet hat, ehe eine praktische Durchführung diejer Synhese im großen glücken konnte, die uns dann allerdings von dem Tridui an die angloindi|che Volkswt1itschaft befreit und auch auf zahlreiche andere Zweige der Großindustrie der anorganischen Chemie e'nen nachaltigen Einfluß ausgeübt hat. Ob in so großzügiger Weise Kapitalien ohne Autsicht einec Rentabilität Jahrzehnte hindurch auch in andern Ländern aufgewendet werden, kann do einigeimaßen zweifelhaft ersheinen. Wir können uns darauf gefaßt machen, daß auch nach Herstellung des Friedens die Bemühungen weiter gehen werden, die deutsche chemisde Industrie aus ihrer weltbeherrshenden Stellung herauszudrängen. Aber wir können ebenso sicher feln, daß der Geist, der in den vergangenen Jahrzehnten gerade unserer _deut- hen chemishen Industrie die ersie Stelle in der Welt verschafft hat, auch weiterhia in ihc lebendig bleiben und ihr diese ersle Stelle

erhalten wird.

(Weitere „Statistishe Nachrichten" \. i. d. Ersten Beilage.)

Knnft und Wissenschaft.

A. F. Jn der leßten Fahsizung der Berliner Gesellschaft für Anthropologie hielt Dr. A. Ktekebusch einen interessanten Vortrag über tie Ausgrabungen des Märkischen Museums bei Küstrin. Die erfolgreichen Feststellungen dieses For|chers, daß an einer beträchtlichen Anzahl von Oertlichkeiten der Provinz Branden- burg ibre Zabl beläuft si heute bereits auf 18! —, die sih in der Gegenwart als Wiesen- und Weideland darstellen, über die der Pflug geht oder auch Kieferhetde emporgewach}en t, einst in längst ver- aangenen Tagen Siedelungen von Menschen, sogar folche ausaedehnten Umfanges, bestanden baben, hatten Dr. Kiekebush aus bestimmten, wohlerwogenen Gründen auch zur Vermutung solher Siedelungen in der Nachbarschaft von Küstrin geführt. Seine Erwägungen knüpften im wesentlihen an die eigenartige Lage Küstrins an. Nachweislich sind überall in der Welt und zu allen Zeiten Punkte, an denen ¿zwet Flüsse zusammenströmen, begehrte Ansiedlungsorte gewesen. Vom Zusammenfluß von Oder und Warthe hat dies sicher auch f|0- lange Zeit gegolten, als die Gegend einigermaßen bevölkert war, und dech geht, nach den uns vorliegenden geschichtlichen Nachrichten, Küttrins Vergangenheit nicht viel wetter als bis 1261 zurück. Doch

Lage in immer steigendem Maße die Blicke, namentlich kluger Fürsten, auf {ih lenkte. Um die genannte Zeit böchslens_ in der ursprünglichen Art befestigt, wie alle mittelalterlihen Städte von einiger Bedeutuna, empfing es seinen Auébau zur Festung erst nach 1535 du'ch den Markgrafen Johann, Sohn des älteren Joachi

der bekanntlih fein Land zwischen, seine betden Söhne Joachim i nd

des Fürsten von Haßfeld t, Herzogs zu Trachenberg, des Präsidenten

A T ie e

des Fürsten. übernommen. Die Vorarbeiten liegen in den Händen | des Reichstags Dr. Kaempf und des Géneralkonsuls von Ko.

et Bts H A E Res

strins a

darf als der Entdecker- der Wichtigkeit

\cheint es damals immerhin bereits etn namhafter Ort gewesen zu fein, und €s bewährte sich an ihm scitdem auch die Erfahrung, daß seine

1 Fohann teilte, wobei die Neumark an den leßteren gelangte. Dieser i 18 Waffenplaÿ

gelten. Als er 1570 fkinderlos starb, wurde die Neumark wieder mit der Kurma1k vereipiat, und Küstrin bestand foitan neben Svandau als richtiger Waffenploß von Kubrandenburg. Mit Spandau teilte es dann auch 1631 das Schisal, an Georg Wilbelm, den Shwedenkönig, als Pfand ausgeantwortet zu werden. Glülich waren auch sväter seine Schicksale nit: Im Jahre 1758 hatte es eine schwere Besageruna durch die Nussea zu bestehen, und 1803 gehörte es zu den preußishen Festungen, die im November bereits, tro des 48 Jahre hnüher aegetenen guten Beiipiels erfolg- reichen Widerstandes, dem fkorsishen Eroberer die Tore öffneten. Das 19. Jahrhundert hat in der Folge Küstrin als Waffenplay und als wihtigen Eisenbahnknotenpunkt in seiner Bedeutung erhöht, wie nit minder in seinen ausgedehnten Beziehungen zum Schiffsverkehr auf beiden Strömen, und grade diese Beziehungen, etn- schließlih der von jeher bestehenden reihen Fis{gründe in Oder und Warthe, ließen den Gedanken erstarken, daß hier uralter Kulturboden sei, dessen Ausdehnung wahrscheinli viel erhebliher aewesen, als jeßt die wenigen Dörfer der Nachba' schast vermuten lassen. Dr. Ktekebush befand \sich in diesen Gedanken in Uebereinstimmung mit dem Gymnasialdirektor Frederih; Verfasser etner Küstriner Chronik, der als genauer Kenner der geschichtlichen Veraangenheit Küstrins darauf aufmerksam machte, daß hier Orts- bezeihnungen fortleben, für die es an genügender Erklärung fehlt. So wird der älteste Uebergang von der Alt- zur Neustadt Küstrins obne Begründung durch eine Niveauverschiedenheit als „alter Berg“ bezeichnet ‘und einige andere Flurnamen ließen darauf \{ließen, daß in nächster Nähe der Stadt eine Ort'haft mit Namen „Klößniß* bestanden haben müsse, die niht mehr vorhanden ist. Desgleichen wurde nachgewiesen, daß Warthe-aufwärts, etwa halbwegs noch Warnick, ein Dorf etw" in der Nähe der Lagardis mühle gelegen baben müsse, das seit 1417 aus den Urkunden verschwunden ist. Obgle!h oberflächlihe Untersuchungen bei Anlegung eines Ptonier- übungsplayzes in der Nähe etner ausgedebnten Handel8gärtneret der Alistadt nur einige wenige Scherben zutage gefördert hatten, stelite Pr. Kiekebu'ch an dieser Stelle eneraishe Ausgrabungen an, und es gelang in der Tat alsbald, überaus zahlreihe Scherben zu finden und, auf diesen Erfolg gestüßt, tn den Tagen des 6. bis 17. April d. F. in der gleihen Art, wie es in Buch und an anderen Stellen gealückt, aus einer fehr größen Anzahl von Pfostenlöhern“ das Vorhandengewescu- sein einer bedeutenden Siedelung an dieser Stelle zweifellos fest- zustellen. Es sien anfangs unsicher, ob man es mit einem Pfosten- bau oder einem Schwellenbau zu tun habe. Beim críteren werten hölzerne Pfosten in die Erde gegraben und diese stüßen tie Wand, während bei anderen ein großer Balken, gewöhnlich auf St-inen, auf der Erde ltegt und die Stütpfosten der Wand in diesen Balken eingelassen werden. Letztere Bauart ist die minder standhaste und hinterläßt entsprehend au ungewissere Spuren, während die in der Erde verfaulten Pfosten die Löcher, welche sie: ausgefüllt und dadurch die Bauait des Hauses an ibrer geaen das andere Erdreich stark abweichenden, sicher erkennbaren duntlen Farbe aufs zuverlässigste zu bestimmen erlauben. Die erste auf diese Art bestimmte Siedelung vor den Pforten von Alt Küstrin erwies sih unzweifelhaft als ein Pfostenbau, die Zahl der genau festgestellten runden Pfosten! öcher is nah dem vom Vortragenden gezeigten, an Ort und Stelle aufgenommenen Plan aber so beträchtlih, daß es noch Mühe bereiten wird, aus ihnen die Hausumrisse genau zu be- stimmen, flets erkennbir als nahezu in Rechteckform angelegt. Es geht aus diesem ansŸheinenden Wirrwarr der Pfosten]öcher hervor, daß hier, ‘vielleicht infolge von Bränden, wtederholt gebaut und reu angelegt worden ift, wobei man den Vieubauten abweichende Lage und Größen- verhältnisse gah, daß die S edelung also von beträchtlichem Alter ge- wesen sein muß, als si ließli ganz ver|chwand. JIhre Chronologie zu best‘mmen, iit mit Hilfe der massenhaft gefundenen Scherben mühsam, aber nit ihwer; denn d'eser Zweig der arhäologishen Wissenschaft ist so erfreulich entwidelt, daß wir mit voller Gewißheit aus den Ornamenten der Scherben“ mindestens das Jahrhundert zu ershließen imstande sind, dem sie angehören. So wurde denn aus den in den Oberschihten gefundenen Scherben festgestellt, daß die Siedelunz Klößnty, wie man sie aus den oben dafür an- gegebenen Gründen benannte, auf „trühe Wendenzeit*, d. i. 6. und (. Jahrhundert, allenfalls mittiere Wendenzeit, d. i. 8 und 9. Zahr- bundert, anzusezen ist; denn a!s Zeiten zu 1) fanden sih noch Spuren von Leichenbrand; die Gefäße, zu denen die Stherben gehörten, waxen ohne Drehsckeibe gefertigt, die Ränder der Gefäße zeigten nur- geringe Ausbiegung, während andere Scherben an fcharfer Umbiegung der MNänder, an Wellenlinien und mit einem zackigen Gerät hergestellten Verzierungen sh als etwa 100 Jahre jünger erwtesen. Eine Ueberrashung aber brachten die tiefiten, scherbenführenden Schichten ; denn diele ganz anders aus- sehenden Gejtäß|cherben erwiesen sich an thren Mäandermustern in Nädchentechnik als germanishe Arbeit. Die wendishe Siedelung war also die Nachfolgerin etner vorher an derseiben Stelle vorhandenen germanischen gewesen: die Kultur|hidt zeigte sich als ungemetn start, bis zu l m tief. An die genauere Unter)uchung, die in Buch so interessante Dinge zutage gefördert hat, will man erst nah weiteren F-ststellungen dec Hausumrisse herantreten. Won Geräten sind, neben vielen Tierknochen, bisher Knochenpfriemen u»d -kämme, Stebgefäße für die Milchwirtschatt gefunden worden, dagegen fein Hasilber, sondern seltsamerweise nur eine Münze, stammend aus Durdewteck und dort um 1060—1070 geprägt. Noch viel ergebnis- reidec als diese Alt Küstriner Ausgrabung gestaltete sh eine zweite an der vorbezeichneten Stelle bei Lagardismühle vorgenommene. Hier ist offenbar eine âltere germanishe Siedelung von Ptostenbauten fretgelegt worden, die nah den Scherben- und anderen Funden auf die früheste Eisenzeit und jüngste Bronzezeit zurütgeht. Jhr vollständiger Aufschluß ist noch im Werden. Eine Merkwürdigkeit, der man an drei Stellen begegnete, mate anfänglich Kopkzerbrechen : Ein Kranz von großen Feldsteinen, auf denen fich zu Felshärte er- starrte Lebmzylinder erheben, das Innere jetzt mit Sand ausgefüllt. Man glaubte erst auf Altäre gestoßen zu sein; aber das Fehlen etnes tens in der runden Packung belehrte darüber, daß bter ein Luftloch gewesen und man Backöfen vor si habe, derengleichen mehrfach in germanischen Siedelungen Thürinaens ge*unden worden \ind. Ein Gremplar dieser ursprünglihen Backofenbauart ist an das Märkische Museum abgeliefert worden. Cin seltsames Stück wurde auch in M eines Stempels mit lateinishen Buchstaben in Spiegel schrift In der Jahreës\{lußsibing brachte ein Vortrag tes In enteurs

Dp R Döhring interessante Auf\s{lüsse über Hauen be K uns. Im Gegensay zur Kunst von Japan und China find Kunst und Kuns1gewerbe Siams in Europa noch wenig bekannt, verdienen aber, wie der Vortragende durch zablreie Lichtbilder erhäxtete, genauer _ bekannt zu wérden. An dieser Unbekannishaft il bisher Siam der Hauptschuldige gewesen. Wie in diesem Lande nur der Könta dauernd einen Namen hat, alle anderen Siamesen nur mit ihrem Nangtitel oder Beruf:namen ge- nannt werden dürfen, so bestand btäher die Beschränkung, daß Künstlern und Kunsthandwerkern nur für den Hof oder einige Greße zu schaffen erlaubt war. So seltsam diese Bestimmung, so wunder- lich sind auch manche Kunsterzeugnisse, vor allem die ter Architektur. Eine fünfzimmertge Wohnung besteht z. B. aus 5 Häusern. Man kann sh vorstellen, weile rerwidelte Anlage z. B. ein Tempel mit dem ihn stets begleitendem Kloster darstellt. Nur der Köntaspalast ist, weil nah europäishem Vèuster gebaut, verhältnizmäßig einfach, wenn au prächtig. Sarbenpracht und Fomreihtum zeiwnen die Tempelbauten aus, deren Architektur keine vertikale, au ketne hborizontale Unte kennt. Wunderbare, von China und Japan offenbar beeinflußte, aber doch etgenartig entwideite Bronze- und Fayencepiat!en, Säulen, Türen, Fenster, jetes von dem andern vers{cht den ges{mücckt, häufiz perl- mutterbelegt, geben, bestrablt von der Sonne, ein märcenhaft schönes Bild und stehen merkwürdig ab von * dem in dämmeiigem Licht gehaltenen „Innern der Tempel, das immer nur die goldene Buddha-Statue zeigt. Von Kunfileistungen Siams ver- dienen noch hohe Anerkennung seine Ladarbetten, Sttckereien, gerialten Und gewebten Stoffe, Elfenbeins{huizerèien, geschniltenen Ledérorna-

mente, gemalten Porzellone, Gold- und Silbers{miedearkeiten. Kein Geringerer als der Kenlg von Siam selbst hat vor längerer Zeit ein Buch über die Kunst )eines Landes geschrieben, in dem er sie in ihrer Ursprünglichkeit unvermischt mit auderen Eizflüssen, zu be- wahren dringend empfiehlt.

In Berlin if der Geheime Regierungsrat, Professor Dr. Karl Lieb ermann, der bis vor kurzem an der Teichen, Hocscbule in Berlin-Charlottenburg das Lehramt für Chemie innchaite, im 72. Æbenétjahre gestorben. Ein geborener Berliner, studierte er in Heidelbera bei Bunsen, dann in Berlin unter Kirhhoffs und Bayers Leitung Physik und Chemie. Der organishen Chemie widmete er, nachdem er nah mehrjährtiger Laboratoriumétätigkeit im Iah1e 1869 als Privatdozent an der Gewerbeakademie die akademische Lauf- bahn begonnen batte, auch in der Folge seine Fo1schertôtigkeit. Von besonderem Erfolge „waren feine Untersuhungen über Anthracen- und Anthrachinonstoffe, über Pflanzenalkaloide und den Autbau des Kokains begleitet. Neben feiner Tätigkeit an der aus der Gewerbe. akademie hervoroegangenen Technischen Hoscule lehrte der Ver- storbene seit 1870 auch an der Universität als Privatdozent und später als außerordentliher Professor. Auch im Kaiser Wilhelm-Institut tür Chemie, wo ihm ein besonderes Laboratorium eingeräumt war, lag Geheimrat Liebermann jetnen wissenschaftlichen Untersuchungen ob.

Abteilung „Kind und Schule“ auf der „Brugra* hervorgekten soll und für das sich eine Vereinigung gebildet hat, haben die städtischen Be- hôrden Leipzigs zunächst, um die Bestände der Schulaut stellung zu retten, 5000 Æ und die Nâäume einer Leipziger Schule bewilligt, in der vorerst vorúbergehend ein fleines Museum untergebradt werden foll. Man hofft aber, daß nach dem Frieden etn eigenes Muscumägebäude errichtet werden fann. Die Leitung der Kommission für die Gr- rihlung des Schu!mufeums liegt in den Händen des Leipziger Privat- dozenten Dr. Morx Brahn, des Leiters des Instituts für erperi- menteile Pädagogik.

Literatur.

._— Das Dezemberheft der bei Teubner in Leipzig erscheinenden eÍnternationalenVéonatsschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik“ (beuründet von Friedrich Althoff) hat folgenden Inhalt: Enno Littmann, Professor an der Universität Göttingen : Der Krieg und der islamtische Orient; Alexander Brückner, Professor an der Untyersirät Berlin: Der Krieg und die Slawen; Paul Clewen, Professor an der Universuät Bonn: Unfer Sch: der Kunstdenkmäl-r im Kriege; Max Meinertz. Proftsscr an ter Universität Münster: Meminisse iuvat; Georg von Below, Professor an der Unive:si1ät Fre burg i. B.: Das Deutsche Heerwe'en in alter und neucr Zeit; Paul Feive, Profeffor an der U iversfität Halle: Nation, Kultur, Religion; Wilhelm His, Professor an der Universität Berlin : Yiotwehr; Carl Mi:bt, Professor on der Universitôt Eöitingen : Das Auslanddeutshium und dle (prisilichen Missionen in dem gegenwörtigen Weltkrieg; Einst Sellin, Professor an der Universität Kiel: Dir Krieg; Hunrich Timerding Professor an der Technisdben Hcchs{ule Braunsckdweig: Die deutshe Mathematik; Karl Babn, Generalmajor a. D., Averbah (Hessen): Entwtcklung der deutschen Artillerie in den leßten Jabrzebrten.

Aus dem oben erwähaten Aufsatz des Piofessors von Below - Freibura i. Br. über „Das deutsche Heerwe)en tin alter und neuerZeitt “seten folgende Ausführungen mitgeteilt: Noch das 18. Jahr- hundert zeigte viele unerfreulidze Seiten des Söldnerhee1s. Die Betreiung gerade der wohlhabenten Klassen hatte für die Armee üble Folgen. Ihr Ans: hen sank, wenn die Bessergestellten militärfrei blieben. Es fam vor, daß der Mititärdienst als Kriminalstiare verhängt wurde. Lroß all der strengen. Disziplin, in der das friderizianishe Heer gebaltcn wurde, blieb der aus dem Aus"and gewcrbene Soldat doch ein anderer als ver preußi\che Untertan. Anschaulich

,_{chldert diesen Gegensatz in feiner Selbstbiograpbie ein Schweizer aus

Toggenburg, der in das Heer Friedrihs etngetreten war. Uls die SwWlacht bet Lobosig b.ganv, stürmten die geborenen Preußen und Brandenburger mit Bravour voran; sie packten, wie der Schweizer erzählt, die Panduren wie Furien. Der Schweizer sann auf xlucht. Die vorstürmenten Prevßen riefen ihm zu: „Komm, komm, Bruder, Viktoria!“ Dec Schweizer aber „tat ein wenig blesstert“, duckte sich und nahm dann NRetßaus. Wenn dur die Be- fretungen vom H eresdienst unter Friedrich dem Großen der Fortichritt zum staatlihen Heer eine Beeinträchtigung erfuhr, fo hat er in_ anderer Weise doch wieder für die Ver|chmelzung von Heer und Staat, Heer und Volk gearbeitet. Seine Nurnestaten hoben bas staailich navonale Bewußtsein, das preußische und au das deut\che. Sie shufen die Möglchkeit eincs nationalen D:amas und ließen die Dichter vom Tode fürs Vaterland sprehen. Der etnzelne sah sib enger verknüpft mit dem Geschick des Staats; er fürciete und hoffte mit der preußtshen Armee. Während die Stände früber das stehende Heer als eine ihnen feindliche Einrichtung ansahen, wor jetzt der Adel in das Staatsinteresse gezogen. Grelfbar zeihnet Gustäv Freytag dle Stimmung des preußischen Gutsherrn der frideriziantshen Beit: „Wie komwt es, daß der steife, trockene Mann so sehr die Fassung verloren hat ? Der Brief auf dem Tische meldet ihm doch, taß sein Sohn, Dffizier im Heere des Köntgs, aus blutigem Treffen unversehrt entkam. Warum weint der Veann und tingt die Hände? Sein König itt in Not, der Staot, zu dem er gebört, in Todesgefahr. Er hat ein Vaterland, um das er sih grämt;z; er ist größer, reicher und besser, als irgendeiner von feinen Ahnen war.* Ver friderizianische Geist ist aus dem preußisben Heer nicht mehr gewichen. Bei der Erneuerung der Armee im Beginn des 19. Jahrhunderts gehörte er zu den Grundlagen, die den Neubau stüßten. Damals griff Preußen in der Not der napoieoni\hen Zeiten zu der allgemeinen Wehrpflicht. Die fran;ösiscbe Revolution hatte {on gegenüber einer Für ungereht ausgacgebenen Invasion die gesamte Volkskrajt aufgeboten, die zum Dienst tüchtige Monnschaft obne Unterschied ina Feld geshickt. Sie mußte freilich die Grfahrung maten, daß das bloße Aufgebot noch fo breiter Massen den Crîìolg niht fiheit. Tie Revolutionsheecre unter- [lagen zunächst der geübteren preußischen Armee und erst nah längerer Zeit der praktischen Uebung erfchten sie ihre Siege. Das siegreihe Frankreich aber gab den Grundsay der All- gemeinheit der Wehrpfliht auf, und der französ]he Maht- haber, der sein Regiment auf die Schwächen und Fehler der von ihm Beherrschten gründete, erklärte die Stellvertretung für zu- lässig. Dies Syi1em der sog. Kon|kription ist die Grundlage der Weébrvertassung geblieben, bis Frankreih \ich die Lehren von 1870 nußbar machte. „So ging“, wte man treffend bemerkt hat, „die große Aufgabe, den Waffendienst zur ersten Bürgerpflicht zu ade!n, pon den Franzosen unaelöst an die Deutschen über.“ Die Männer der preuß'sden Reform erklärten die Waffenführung für „die ebrenvollste Beschäftigung zu teder Zeit des Lebens“. Sie riefen die gesamte Mannschaft zur Verteidigung des Vater- landes auf. Wenn damit Preußen den Gedanken der französischen MNevolution wieder aufnatm, so reiht doch die Aehnlichkeit mit dem französischen Vorbild nit über die Wahl des Kampfmittels hinaus. Dot hatte das große Volksaufgebot \chließtich dein Zweck gedient, die französichen Grenzen ins Unermeßliche hinauszuschieben und Völker und Staaten zu vnterdrücken. In der Hand des preußischen Staates diente das Volkzaufgebot dazu, die Tyrannei des Korsen zu stürzen, deutshe Sitte, deutshe Sprache, deutshen Glauben, deutsche Wissenschat, deutsche Kunst, deutshes Recht zu verteidigen, Und es war auch nicht nur das Beispiel der franzöfisden Revolution, was den Anlaß zur Erneuerung der: all- gemcinen Webrpflicht gab. Man entfann fich, daß diese \hon einmal bestanden batte; man erinnerte sich der allgemeinen Wehrrähig« keit und Kriegsrüstung der alten Deutschen. Die WVergangen- heit einer edlen Nation ist ein Junagbrunnen für sie. Wie bei dem Erlaß der preußl\chen Städteordnung die Et-

innerung an die Herrlichkeit und Freiheit der mitlelalterlichen

Für das Deutsche Shulmuseum in Letpzig, das aus der -

Städte mitwirkte, so hatte man das Bewußtsein, mit der all gemeinen Wehrpfl-cht zu dem Heldenzeitalter der germanishen Recken zurückzukehren. Die Heeresorgznisaticn, die die preußische Reform- ¿eit \chuf, vereinigte in sih die Vor,üge der Heeresarten, die die früheren Jahrhunderte gesehen hatten. An der Einrichtung des stehenden Heeres hielt man duraus fest. Man war si darüber klar, daß die unen1behrlichen Eigenschaften der garündliden technischen Auébildung der Moannszuht, de militärishen Ehrgefühls und des Korp2gcifles nur im stehenden Heere gewonnen werden fönnen. In dieser Nichtung bewahrte man die Ueberlieferungen des Heeres der alten Verfassung, zumal die altpreußischen Traditionen. „Um ein ganzes Volk zu Soldaten zu machen“, sagt Gneisenau, „muß ihm mitten tim Fri-den militärisGer Geisi eingeflößt werden.“ In dem Difizterkorps lebte und lebt das Ideal des Lehnsöheers, die Vasallentreue. Dieser ritterliche Geist fand #sich zusammen mit dem Geist der Mannszucht und Hingebung, den die preußishen Herrscher des 18. Jahrhunderts threm Offizierko: ps verltehen : hatten.

Technik.

__ Unterseeboote vor mehr als hundert Jahren. Es dürfte wenta bekannt sein, daß die !1nterseeboote, diese modernste W fe der Martne, \chon ver fast anderthalb Johrbunderten im See- trieg aufgetaucht find. In den Unabhängtgkeitskämpfen der ameri- fanischen Kolonien gegen England wurde ein solches verwendet. Es war 1775 von David Bu}hnell erfunden und erbaut worden und wurde das erste und bis auf die neueste Zert einzige, das wirklich im Ernst zur Anwendung kam. Dieses Boot war aus Eichenholz her- gestellt und hatte eine fast fugelrunde Form. Jede mögliche Vorsicht war angewandt worten, um die Maschine wasserdiht zu machen. An dek Spige befand sich ein fkreisrundes, mit etner Wetallplattee, in die dicke Glasplatten eingelassen waren, fest verschließbares Loh, um den Führer herein« und berauszulassen. Am Boden war ein Bleigewiht von 700 Pfund betestigt, um das Boot in der richtigen Stellung zu er- halten, wovon jedoch im Notfalle 200 Pfund abgeworfen werden fonnten, wenn der Aufstieg des Bootes anders nit zu erreichen war- Das Sinken geschah dur Aufnahme von Wasser, das Steigen durch dessen Avstreibung mittels zweier Kraftpumpen. Für den Boots- führer war nur ein Naum vorhanden, in dem dieser gerade zu stehen und die ver\{icdenen Maschinen zu handhaben vermohte. Das Steuer in Gestalt einer Fishflosse befand sich auf einer Sette, gegenüber zwei Nudern, die nah A:t von Windmühlenflügeln an einer Achse befestigt waren. Der Komvaß ‘im Innern des Schiffes war zur Bezeihnvng der Nordlinie mit zwei Stücken pheréphoreszierenden Dolzes verseßen, die Nachts oder während des Untertauchens die einzige Lichtquelle für den Bootführer bildeten. Die Tiefe, in der sich das Boot befand, wurde an dem Wasserstand einer Röhre abgelesen, die mit dem Außenwasser in freier Verbin- „dung stand; in der Röhre ftieg etù Kork auf und ab, je nachdem das Boot sank oder stieg. Die Geschwindigkeit des Sch:ffes erreichte 9 km in der Stunde bet ruhiger See. Als Waffe diente ein ein- facher höôlzerner Behälter mit einer Ladung von 130 Pfund Schieß- pulver, die dur ein einfaches Flintensch!oß aus Feuerstein im Zusawmen- hang mit einem Uhrwerk innerhalb etner gewünschten Zeit entzündet werden tonnen. So reckt schien der Erfinder seinem Boote aber do% nit zu trauen; denn er wollte feine eigene Haut darin nicht zu Markte tragen, fondern bat sich von dem amerifanishen General Parjons drei Leute aus. die unter seiner Anleitung die Bedienung der Ma- shinerie des Bootes erlernten. Einer versuhte dann nah einigen Probefahrten eines der vor New York Uiegenden englischen Kriegs=- schiffe in die Luft zu sorengen, er wurde dabei jedoch entdeckt und verfolgt. Diefer mutige Mann hat dann später eine Erlebnisse bef den untermeerishen Fahrten in etner wissenschaftlihen Zeitschrift be- \hrieben. Wenig bekaunt ift ferner die Taisache, daß der berühmte Ei finder des Dampiscbiffes, Nobeit Fulton, etn Untérséeboct nach eigenen Ideen gebaut und 1797 dem Direltorium der französishen Republik vorgefübit hat. BVersuchsfahrten wurden ihm jedoch erst 1801 unter dem Konsulat in Havre, Nouen und Brest auge Im leßt=« genannten Hajen bleb Fuiton bei feiner Fahrt mit drei Begleitern in scinem „Nautilus“ eine Stunde lang unter Wasser, und zwar in einer Tiefe. von 25 Fuß unter der Oberfläche; bei einer späterèn Gelegenhe!t machte er togar etne 43 stündige Fahrt mit 5 Personen in einer Tiefe von 5 Fuß. Wie die Luftzufuhr bewerkstelligt wurde, ist nicht ganz klar; es wirb nur ein tupferner Globus erwähnt, der Luft unter etnem Druck von 200 Ntmosphären enthalten haben soll. Betrieben wurde? das Boot dur) Menschenkraft, die Fahrticfe konnte nah Belieben bergestelt werden. Im Gegensaß zu Bushnell benußte Fulton als Waffe ein echtes s{chwimmendes Torpedo, das mit Leinen an dem Unterjecboot besesligt blieb und von diesem aus entzündet wurde. Bei Sprengversuchen, die in Frankreich, England und Amerika unternommen wurden, hatte er einen vollen Crfoig. Er gibt felbst in einem setner Werke über „Torpedokrieg und untermeerishe Ervlosionen“ cin merkwündiges Bild von der Zer- störung der Brigg _„Dorotbea* durch einen seiner To1pedos. Seine Lieblingsidee war, die Torpedos mittels ihrer Leine an der Ankerkette eines Schiffes zu befestigen und sie dann - von der Flut unter den Schiffskörper spülen zu lassen, wo sie si entladen sollten.

Gesundheitêwesen, Tierkrankheiten und Absperrungs- maßregeln.

Das Kaiserlie Gesundbeiteamt meldet den Ausbruch der Maul- und Klauenseuche vom Schlactviehhof in Zwitckau am 24. Dezember und vom Schlachtyiehhof in Mainz am 28. Dezember. é

N Die künstlihe Höhensonne. Immer wieder kehrt die Beobachtung. wieder, daß arg zersepte, stark verunreintigté, nit ijelten au8ge]proÞen brantige Wunden, en!geg&h aller bakteriologlsher Theorte, ohne fiebe: baîte Wundinfektion glatt heilen. Dieser tröst- lie Sag, daß glückiicerweise niht olle eine Wunde infizierende Bazillen, tor denen man si gerate im Felde zuwetlen nit schüßen kann, unbedinat zu etner Wundintektton tühren, wird in der Feldärztlichen Beilage der Münthener Mediztnischen Wochen|chrift hervorgehoben, wo Or. Tedering die kücstlihe Höhensonne und thre Anwendung in Krieg8- lazarelten be piicht. Zu enem großen Teil siebt er den aünstigen Ver- laut der Heilung lo mancher an'cheinend verschmußten Wunde auf die gute Körperbescaffenbe't unserer Soldaten, die ja aus den kräftigsten und gesundesten Leuten bestehen, zum Teil aber mag die günstige Heilwirkung des Lichts auch cuf einer Abtötung von Bakterien beruhen, sodaß die Wunden durch dte Bestrahlung desinfiziert werden. Die Heilkraft des Lichts zeigt ch im wesentlichen nur als eine obe:flächlich wirkende, auf oberflählih gelegenen Wunden, auf tief reihende Schußkanäle errveist fi die Belichtung obne Einfluß. Wirksam sind vor allem die ultravioletten Strahlen des Lichts, die in den dihten Luftshichten der Atmosphäre absorbiert werden und daher nur in der Höhe der Gebirgéluft sih als wirf'am erweisen können. Die Technik ist aber imstande gewesen, au in den tiefen Tälern eine sogenannte künstliche Obhcnsonne herzustellen. Es is das lediglich eine Art Quarzlampe, in ‘der nah den Angaben des Berliner Physikers Arons zwischen Quedilberelektroden ein elektrisher Strom über eht, wodur ein glänzender Lichtbogen e7;220t wicd, der besonders reih an ultravtoletten Strahlen ist. Die Einschließung in Quarz ist vöôtig, weil durd Glas gerade die wirksamen uitraviolctten Strahlen absorblert werden. Daß die Béstrahlung mit diesem „Quarzlich1* die Heilung ober« flächlih geleaener Shußwunten in günstige pbysiolog!)che Bahñen lenkt, ist außer allem Zweifel. Ob die Bestrahlurg wUiklich eine abtötende Wirkung auf fkrankheitserregende Keime ausübt, ist freil schwer zu sagen, doch nah der oben angeführten Erfahrung wc scheinlih. Dafür \priht auch die Beobachtung, daß |

Wunden schon nach wenigen Beleuchtungen mit der

geruchlos werden,