1896 / 59 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 07 Mar 1896 18:00:01 GMT) scan diff

lassen und können uns nicht nach den dogmatishen Ueber- lieferungen richten. i

_ Abg.-Stôödcker: Sie operieren mit dem Begriff „Leben“, wir mit dem Begriff „Gott“. Das Leben is Ihnen ebenso ein Ge- heimniß wie uns Gott. Was if also für ein Unterschied zwischen uns? Eine grüne Wiese in dem Sinne, daß gewisse Geister darauf eine Weide finden, um si an der Kirche zu reiben, besteht allerdings niht. Wer als Diener der Kirche in der kirhlichen Gemeinschaft steht, muß die fkirblihe Ueberzeugung der Gemeinschaft haben. Wenn man Luther's Wahrheit niht mehr anerkennt, dann hört unfere Kirche auf, dann muß man eine andere Kirche gründen. Auf das bishen Wissenschaft kann man keine Kirche, keine Religion auf- bauen. Die Synoden haben die Liberalen haben wollen, weil sie hofften, darin obenauf zu kommen, und jeßt können fie sie nicht brauchen. Wir follen zusammenhalten und an unseren Ueberlieferungen festhalten. Die Steuern, welche die Synoden aus\chreiben, sind sehr gering. Wenn sich Herr Virhow auf den Gendarmenmarkt stellte und sagte: ih schneide, shneide Speck, wer mich lieb hat, holt mich weg, so würden nicht hundert kommen, die mit ihm eine Kirche bilden wollen. Herr Dr. Friedberg ist persönlich und leidenschaftlich, weil er meinè Wahrheiten niht widerlegen kann. In der evangelischen Kirche handelt es sich niht um ein bischen abstraktes Wissen, sondern um ein Wissen, verbunden urit göttliher Offenbarung.

Abg. von Eynern (nl.): Ich kann diese Fragen nicht mit der Behaglichkeit und dem Wit behandeln, wie Herr Stöcker, dazu ist mir die Sache zu ern. Die Vorträge der Professoren Meinhold und Gräfe über die neuesten Forschungen in -dem Ferienkursus vor ordinierten Geistlihen werden feit Jahren auch den Studenten ehalten. Warum follen niht auch ordinierte Geistlihe die neuesten S orsctiden kennen lernen? Gegen die Vorlesungen vor den Studenten hat die Orthodorxie nihts eingewendet. Es stände schlecht um die Heilswahrheit der evangelischen Kirche, wenn . sie das nicht vertrüge. Die Orthodoxie kann ja zufrieden fein; thre Richtung ist jegt in Bonn durch die Berufung von Goebel au vertreten. Die protestan- tische Kirche hat überhaupt keine feste dogmatishe Gestalt. Wodurch würde sie sih noch von der katholischen Kirche unterscheiden, wenn sie den Weg ginge, den Herr Stöcker ihr vorschreiben will? Er übersieht diesen Weg wohl selbst noch nicht so, wie andere, die feinen Entwickelungsgang verfolgt haben.

Abg. Dittrich (Zentr.) widerspriht einigen Ausführungen des Abg. VirWow und bedauert dann, daß dem Gebiet der Apologetik, d. b der Wissenschaft, welhe fi die Aufgabe gestellt habe, die Grundlagen der christlihen Religion zu {üßen und sicher zu stellen, niht die gebührende Beachtung zu theil werde. Es müßtea apolo- getishe Professuren an den theologischen Fakultäten geschaffen werden,

Geheimer Ober-Regierungs-Rath Alth of: Der Minister, der heute leider verhindert ift, hat s gestern zur Lehrfreiheit bekannt. Aber die Lehrfreiheit hat, wie jede. Freiheit, ihre Beschränkungen rechtlier und ethisher Natur. Ausschreitungen in der Lehrfreiheit sind aber noch niht vorgekommen, und deshalb hat die Regierung keine Ver- anlassung, sih auf diese Doktorfragen einzulassen. Die Regierung muß das Berufungsrecht für die Professoren haben, es kommt nur darauf an, wie es im einzelnen Fall ausgeübt wird. Dafür über- nimmt die Regierung die Verantwortung, wie es auch im Bonner Fall geschehen ist. Im Auftrage des Ministers habe ich noh mit- zutheilen, daß alles, was in den Zeitungen über die Berufung des Professors Volkmar von Dorpat nach Greifswald gestanden hat, unrihtig is. Die Regierung hatte damit nichts zu thun, der Vorschlag war von Privaten ausgegangen. Die Gehalktsverhält- nisse der Professoren würden wir gern durch Diensialterszulagen ver- bessern, wenn niht die Schwierigkeiten der Honorare und Gebühren entgegenständen; aber diese alten geheiligten Einrichtungen können wir nicht beseitigen, außerdem müssen wir auf die Universitäten anderer Staaten Rücksicht nehmen. Auch die Finanzlage ist nicht für eine Aenderung günstig. Diese Frage muß mit äußerster Vorsicht behandelt werden ; es ist besser, sie mit Bedacht zu prüfen: nonum

rematur in annum. Für Apologetif bestehen in Süddeutschland ebrstüble, in Breélau haben wir auch einen Lehrstuhl dafür ge- schaffen, und wir werden damit weiter fortfahren.

Abg. Stöcker: Ih habe die Frage weder mit Leidenschaft, noh mit Behaglichkeit behandelt, fondern objektiv die richtige Mitte ge- halten. Luther wäre der erste, der eine bekenntnißlose Kirche verwerfen würde. Wir stehen einfah auf dem Boden der Schrift und unseres Bekenntnisses, und darum nennt man uns Extreme. Wir brauchen eine volfsthümliche Kirche, die undenkbar ist ohne die Grund- lage gôttliher Wahrheit. 2

Abg. von Eynern: Beim Lutberfest 1883 hat der nahmalige Kaiser Friedri aesagt: „Mögen wir stets dessen cingedenk fein, daß die Kraft und das Wesen des Protestantiêémus nit auf dem Buch- staben und ftarrer Form berubt, sondern auf dem lebendigen und demüthigen Streben nah der Erkenntniß christliher Wahrheit !*“ Das ist auch unser Standpunkt. |

Abg. Schall (kons.) meint, daß Millionen von Gläubigen auf dem Standpunkt des Herrn Stöcker stehen. Er wolle auch freie Ferivung, aber jede wahre Forshung führe zu Gott und nit von

ott ab. Gerade am Rhein werde man die geringschäßigen Aeußerungen des Abg. Virhow über die synodalen Einrichtungen nicht verstehen. Die petrefakten Anschauungen des Herrn Virhow über Religion seien wobl auf seine Beschäftigung mit vorsintfluthlichen Dingen zurü&- zuführen. Die Synoden, führt Redner weiter aus, beschäftigen \ich nicht nur mit Steuern und äußeren Dingen, fie haben auch die Agende z. B. berathen. Wir stehen auf dem Grunde göttliher Wahrheit. Ich habe jenes Wort des Kaisers Friedrich selbst gehört; es hat auf mich tiefen Eindruck gemacht, und ih untershreibe es Wort für Wort; aber die Lehrfreiheit findet ihre Beschränkung im Wesen der Kirche. Es ist betrübend, wenn die jungen Geistlichen, die das Wort Gottes predigen und Seelsorger sein sfollen, in Gewissenékonflikte gerathen , weil sie auf der Universität nit richtig vorbereitet sind.

Abg. Dr. Langerhans (fr. Volksp.) protestiert gegen die Be- hauptung, daß die Liberalen die Synoden hätten haben wollen ; fie hätten gegen das Geseg über die Synoden gestimmt, weil sie nicht von den Gemeinden gewählt werden. Dies sei auch der Grund, daß die Liberalen darin nicht vertreten seien. Die evangelische Kirche werde also auch nit durch die Synoden vertretea. Sollten alle die aus der evangelishen Kirche ausgeschloffen sein, welhe die orthodoxen Dogmen absolut nicht glauben können? Der alte Kaiser habe einmal gesagt: Orthodoxie führe immer zur Heuchelei. i;

Mit einer weiteren kurzen Bemerkung des Abg. Stöcker ist dieser Gegenstand der Besprechung erledigt.

Abg. Vopelius (fr. kons.) tadelt die Beschränkung der akademischen Freiheit der Studenten durch die Pedelle und kleinliche ; Dn und bezieht sih auf cinen Erlaß des Hallenser

eftors über die Ko1ps.

Gebeimer Ober-Regierungs-Rath Althof bemeckt, daß dieser Erlaß nur das Erscheinen der Studenten mit ungeheilten Wunden in der Oeffentlichkeit untersagt habe. Zwischen der Polizei und den Studenten bestehe ja seit Alters her keine Sympathie. Die Studenten seien mit Fodoformverbänden in der Pferdebahn gefahren 2c., und teshalb habe der Rektor eine Strafe von 5 #4 auf das Erscheinen in der Oeffent- lihkeit mit ungeheilten Wunden festgeseßt. Die Studenten hätten ih darübec beruhigt, wir brauhten uns also auch nicht darüber aufzuregen. R

Abg. Pleß (Zertr.) bittet den Minister, einen Lehrstuhl für Wafser- beilfunde an irgend einer Hochschule zu begründen.

Abg. Krause (nl.) mat auf dén Segen der an verschiedenen Universitäten eingeführten Leibesübungen aufmerksam und bespricht besonders die vorzüglihen Einrichtungen der Palaestra Albertina in Königsberg. Dieselbe plant jeßt den Bau einer großen Turnhalle für 400 000 A Ein Dr. Lange, dem er dafür ein Denkmal in der Oeffentlichkeit segen möchte, habe sein Vermögen dem Verein zur Verfügung geftellt; er bitte die Regierung um eine kräftige Unter- stützung dieses Vereins.

Geheimer Ober-Regierungs-Nath Althof sagt eine Unterstützung zu, wenn der Vercin mit seinen eigenen Mitteln nicht ausrei{e.

Abg. von JIazdzews ki (Pole) beklagt es, daß der Stipendien- fonds für Studierende nicht ebenso den polnischen wie den deutschen Studierenden zu gute komme.

Das Kapitel der Universitäten wird bewilligt. Beim Kapitel der höheren Lehranstalten weist

Abg. Knörcke (fr. Volksp.) auf die bedrängte Lage der Hilfslehrer an diesen Anstalten hin. Die kleinen Wünsche dieser Lehrer, bezüglich Remunerationen bei Vertretungen 2c., habe man erfüllt, aber nit die Hauptforderungen bezüglich der etatsmäßigen Anstellung. Etats- mäßiger Hilfslehrer sei eigentlih ein Unding. In Schlefien warteten Lehrer {on 6 bis 7 Jahre auf ihre Anstellung, obwohl fie schon Oberlehrerstellen versähen, und erhielten dafür 1500 bis 1800 A Alle diese Hilfslehrerstellen müßten in etatsmäßige Oberlehrerftellen um-

ewandelt werden. Und wenn Hilfslehrer Oberlehrerstellen voll ‘aus- üllten, müßten fie wenigstens das Minimalgehalt der angestellten Oberlehrer erhalten. / :

Geheimer Ober-Finanz-RNath Dr. Germar erwidert, daß eine Regelung des Verhältnisses zwischen den etatsmäßig angestéllten Lehrern und den Hilfslehrern {hon in Angriff genommen sei. Die Lehrer haben nit so lange auf Anstellung zu warten wie andere Beamte, z. B die Förster. e O

Abg. Wetekamp (fc. Volksp.) erkennt an, daß das Verhältniß der Hilfslehrer zu den angestellten Lehrern schon besser geworden fei; etatsmäßige Hilfslehrer sollte es aber eigentli überbaupt nit geben. Die Regierung sei nicht ohne Schuld an der Ueberfüllung des Lehrerstandes, denn sie habe nicht früh genug Veröffentlihungen über die Zahl der vorhandenen Kandidaten und den Bedarf an Lehrern ergehen lassen. Medner lenkt sodann die Aufmerksamkeit auf die Ueberfüllung der Klassen. Die Maximalzahl in den unteren Klassen von 50 Schülern sollte niemals überschritten werden, es gebe aber Klassen von über 60 Schülern. ‘Redner wünscht ferner eine andere Regelung der Funktionszulagen, die ganz ungleihmäßig vertheilt seien. Die Eheschließung werde den Lehrern durch die ungünstigen materiellen Verhältnisse ershwert, sie könnten aber die Kindessecele am besten verstehen und erziehen, wenn fie eigene Kinder haben. S@ließ- lih empfiehlt Redner die Gleichstellung der Lehrec mit den Richtern der ersten Instanz, die Verkürzung der Unterrichtsftunden bis durhweg auf § Stunden, fowie eine einheitlihe Regelung der Schulferien und in Verbindung hiermit eine Verlegung des S{uljahres.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Ich werde nahher zur Beantwortung der Wünsche und Beschwerden des Herrn Vorredners und des Herrn Abg. Knördcke, soweit es sih dabei um tehnishe Einzelheiten der Schulverwaltung handelt, das Wort für meinen Herrn Kommissarius erbitten. Der Herr Vorredner hat mi aber in zwei Punkten persönlich angeredet, und auf diese möchte ich selbs antworten.

Der éine Punkt ist die Gleichstellung der Lehrer an höheren Unterrichtsanstalten mit den Richtern, eine der ständigen Forderungen der höheren Lehrer. Vor einigen Jahren hat man bei der Feststellung eines neuen Normal - Etats mit der Landesvertretung und bei dem Geseß über das Diensteinkommen der Lehrer an den nichtstaatlichen Anstalten nichts Anderes im Auge gehabt als, sobald thunlich, eine Gleich- stellung der Lehrer an den höheren Unterrihtsanstalten mit den Richtern herbeizuführen, freilih, wie ih ausdrücklich hervorheben mödte, wenigstens annähernd und selbstverständli}ß mutatis mutandis. Ich habe, ih glaube im vorigen Jahre -— hier einmal den Ausdruck gebrauht: Lehrer find keine Richter und Richter sind keine Lehrer, und zu meiner Ueberraschung hat dieser an si völlig unbestreitbare Sat (sehr richtig! Heiterkeit) unter den höheren Lehrern eine mir ganz unbegreiflihe Aufregung verursaht. Sie haben offenbar gemeint, daß ih die Zusicherung meiner Herren Amtêsvorgänger, daß eine thun- liste Gleichstellung der höheren Lehrer mit den Richtern herbei- geführt werden solle, damit habe zurücknehmen wollen. Das hat mir aber ganz fern gelegen; daran denfe ich garniht. Jch habe nur, wie au der Herr Vorredner andeutete, der unberechtigten Forderung, daß man bis auf Heller und Pfennig und bis auf die kleinsten Einzelheiten die Verhältnisse der höheren Lehrer genau so regeln folle, wie die der Richter, entgegentreten wollen, weil ih glaube, daß das nicht erreihbar, jedenfalls jeyt nit erreihbar ift. Fch habe au nie behauptet, daß die höheren Lehrer dadur, daß ibre Verhältnisse in dem Sinne geordnet worden sind, wie sie jeßt geordnet sind, einen unberechtigten Vorzug vor auderen Beamten- fategorien erhalten haben. Aber bevorzugt sind sie worden in so fern, als andere Beamtenkategorien, die auch in recht s{limmer Lage sich befinden, noch bis auf den heutigen Tag warten und wahrscheinlih noch bis nächstes Jahr darauf warten müssen, daß endlich diese Dinge auch für sie geregelt werden. Also in fo fern liegt doch wirkli ein Vorzug für die höheren Lehrer vor, und ih glaube, daß sie fo lange, bis einmal die allgemeine Gehaltsaufbefserung der Beamten in die Hand genommen werden kann, in dieser Hinsicht von Einzelheiten absehen sollten, wie ih das {on gesagt habe, und im allgemeinen mit dem, was ihnen zu theil geworden ist, zufrieden sein könnten.

Weiter, meine Herren, hat mih der Herr Vorredner noch ange- redet auf eine anderweitige organishe Regelung ver Ferienordnung. Fch habe das, wie ih nur wiederholen kann, im ecsten Jahre meiner Amtsführung als Unterrichts-Minister in der We\se versuht, daß ih zunächst alle möglichen Behörden in allen Provinzen darüber gehört habe; dann haben wir eine allgemeine Negelung der Sache versucht und zwar in dem Sinne, daß wir es gern gesehen hätten, wenn \ih die großen Ferien an den Schluß des Sommerhalbjahres hätten legen lassen. Wir sind damit vollständig hineingefallen, um diesen etwas trivialen Ausdruck zu gebrauchen: von allen Seiten bin ih mit Be- \{chwerden wahrhaft übershüttet worden, und zwar nicht bloß von Lehrern und von Eltern, deren Kinder jeßt die höheren Lehr- anstalten besuhen, sondern aus allen Theilen « des Publikums: von Wirthen, von Badedircktionen (Heiterkeit), von Universitäten, von militärisher Seite, von Lehrherren, kurz überall her. Es hat sich herausgestellt, daß mit dieser Frage eine Menge von Verhält- nissen im engsten Zusammenhang steht, deren Regelung gar nicht in meiner Hand liegt. Man sagt mir wohl, ih könne ja auch an den Universitäten das Unterrichtsjahr ändern. Aber auch das ift sehr \{chwer, meine Herren; tas wäre ja nicht bloß für die preußischen Universitäten zu bewirken, sondern es müßte da eine Uebereinstimmung der deutshen Universitäten überhaupt gesichert sein, sonst geht die Sade einfa niht. So sind es tausenderlei Verhältnisse, die in die Ferienordnung hineingreifen, und gewiß nicht ‘gerne; aber der Noth ge- bordend, habe ich doch s@{li{lich mi entschlossen, von einer all- gemeinen Regelung der Frage abzusehen und den Provinzial-Swhul- follegien zu überlassen, daß sie nah Maßgabe des provinziellen Be- dürfnisses ihre Ferienordnung machen und mir mittheilen, sodaß ih darüber informiert und in der Lage bin, wenn etwa besondere Miß- griffe gemaht werden sollten, Aenderung eintreten ¿u lassen. So liegt die Sache, und ih glaube wirkli, daß na Lage der gesammten Nerhältnisse auf diesem Gebiete sih jeßt nicht mehr thun läßt; es ist am besten, wir lassen es einstweilen so, wie es jet ift.

__ Wirklicher Geheimer Ober - Regierungs-Rath Dr. Stauder giebt eine statistishe Uebersicht, um darzuthun, daß fih die Zahl der etatsmäßigen Hilfslehrer relativ {on verwindert habe; dieselben en abzuschaffen, sei nicht mögli. Die Ueberschreitung der Marximal, chülerzahl folle nicht vorkommen, es werde in jedem Fall fofort Remedur geschaffen. Die Funktionëzulagen sollen jeßt wenigstens innerhalb der L H gleihmäßig gemacht werden; das sei indessen nur ein Versuch, und die Verhandlungen darüber seien noch nicht ab- geshlossen. Durch die Verkürzung der Stunden auf È Stunden gehe dem Unterricht zu viel Zeit verloren. Nach 41/4 Uhr vertagt das Haus die weitere Berathung auf Sonnabend 11 Uhr.

Land- und Forstwirthschaft.

Auf das von der Land wirt hschaftskammer für Schlesien an Seine Majestät den Kaiser und König gerichtete Hul- digungs-Telegramm (f. Nr. 57 d. Bl.) ift, wie die „Schles. Ztg.“ berichtet, am 5. d. M. folgende Antwort ergangen:

„Seine Majestät der Kaiser und König haben Aller- böchftsih über den Ausdruck unverbrüchliher Treue feitens der zu ihrer ersten Sitzung zusammengetretenen Mitglieder der \{lefis{en Landwirthschaftskammer herzlih gefreut und lafsen der Kammer für ihre Berathungen Gottes Segen wünschen.

Auf Allerhöchsten Befehl von Lucanus, Geheimer Kabinets-Rath,“

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Nuhr find am 6. d. M. gestellt 11 675, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am 5. d. M. gestellt 4806, nicht reht- zeitig gestellt keine Wagen.

In der gestrigen Sißung des Aufsichtsraths der Deutschen Bank in Berlin wurde die Bilanz für 1895 geprüft. Der Generalversammlung wird eine Dividende von 10 %% (gegen 9 9/0 für 1894) in Vorschlag gebraht werden. Die Gesammtumsäte beliefen fih auf 37 900 537 501 (gegen 31 617 185 805 46 im Jahre 1894). Es betrugen am 31. Dezember 1895 die Hauptpoften des Gesammt- geschäfts einsließlich der Filialen: Aktiva : Feblende Einzahlung auf deutshe Bankaktien, V1. Serie, 9 840 600 4, Kasse, Sorten, Kupons 39182572 (1894 39117636) Æ Wechselbestände und Gut baben bei ersten Banquiers 147 586 477 (1894 136 447 982) A, Reports- und Lombardbestände 60 780 844 (1894 69 832051) A, Effektenbestände 49 409 193 (1894 40471400) #, Komman- diten und dauernde Betheiligungen bei fremden Unter- nehmungen 10660530 (1894 10776584) #, Debitoren (ge- deckte) 162 976 748 (1894 102 323 824) , ungedeckte 37 719 520 (1894 25 265 293) M, zusammen 200 636 268 (1894 127 589 117) Æ, Borschüsse auf Waarenverschiffungen 23 366 157 (1894 17 353 463) , Konfortialbetheiligungen 30 938 125 (1894 13 847 627) A, Immo- bilien in Berlin, Bremen, Frankfurt, Hamburg, London, München 6 503 711 (1894 3 608719) 46 Pasfiva : Aktienkapital 100 000 000 Se 75 000 000) A, Accepte (Zentrale) 20681 900 (1894 5 493 551) M, Accepte (Filialen) 101 814 606 (1894 78 371 914) Æ, Depvsitengelder 85 434 695 (74 792 960) 6, Kreditoren 210 411 254 (175 837565) M, Reserven (nach Hinzutritt des Agios auf §5 000 000 6 junge Aktien, VI. Serie, abzüglich der Herstellungs- fosten, Steuern und Einzahlungsspesen) 37 869 031 (1894 26 025 280) M Unter den Effekten-Beständen befindet sich wie im vorigen Jahre ein großer Betrag deutsher Staatsanleihen. Die Zunahme des Immo- bilien-Kontos rührt aus den Neu- und Erweiterungsbauten in München, Hamburg und Berlin her. Der Gesammtgewinn betrug brutto 16 200 153 (1894 13 480 864) Æ, wozu der vorjährige Gewinn- vortrag von 359540 4 tritt. Nah Abzug der Beträge für Handlungs-Unkosten von 4 724 334 (1894 4 132 872) 4, wobei Steuern 623 465 (1894 612 207) Æ, ferner der Abschreibungen auf Mobilien und Immobilien 415 911 4 und für Verluste 15 858 # mit zu- sammen 5 156 104 M verbleibt én vertheilbarer Reingewinn von 11 403 589 (1894 9 406 024) A Es wird vorgeschlagen, die ordent- lie Reserve mit 765 358 (1894 565 602) 4 zu dotieren, für auszu- führende Bauten 400 000 4 zurückzustellen, 1009/9 Dividende zu ver- theilen und auf neue Rechnung 457 437 (1894 359 540) # vorzu- trágen. Das Gewinn- und Verlust-Konto weist folgende Haupt- zahlen auf: Gewinn auf Wechsel 2773 409 (1894 2 95951 917) M, Zinsen 3 911 978 (1894 3 265 268) A, Sorten und Kupons 268 001 (1894 154109) Æ, Effekten und Konsortial 2900934 (1891 2 919 421) M6, Provision 5 655 253 (1894 4408 380) A Die Re serven werden sich bur obige 765358 M auf 38634390 A = 38,63 9/6 des erhöhten Aktienkapitals stellen.

In der heutigen Generalversammlung der Nationalbank für Deutschland wurde der Geschäftsberiht über das Jahr 1895 vor- gelegt. Die Bilanz nebs Gewinn- und Verlustkonto sowie die wegen der Verwendung des Reingewinns von der Direktion gestellten Anträge wurden genehmigt nnd der Verwaltung Entlastung ertheilt. Die auf 81 9% festgeseßte Dividende gelangt vom 9. März ab zur Auszahlung.

Vom oberschlesishen Eisen- und Zinkmarkt berichtet die „Schl. Ztg.“ : Auf dem oberschlesischen Eisenmarkt herrscht in- folge des außergewöhnlih umfangreiwen Geschäfts nah wie vor recht feste Stimmung. In Anketraht der regen Beschäftigung aller Ver- feinerungsstätten is der Bedarf an Roheisen steigend, sodaß eine weitere Erhöhung der Preise zu erwarten steht, zumal prompt liefer- bare Waare immer knapper wird. Auch Gießerei-Roheisen wird im Preise bereits höher gehalten, da mit Eröffnung der Schiffahrt in England größere Umsäße zu. verzeihnen sind und die Notierungen daselbst anziehen. Ob der angeblich beabsichtigte Bezug von englischem und westfälishem NRoheisen für Walzwerke nah Oberschlesien rentiert, bleibt abzuwarten, jedenfalls werden, selbs wenn dieser Fall eintreten sollte, diejenigen Hochofenwerke, welche für das 11. Semester noch Noheisen abzugeben baben, endlih befriedigende Preise zu erzielen in der Lage sein. Auf dem Walzeisenmarkti geht der Verkehr sehr flott vor si. Troßdem muß bemerkt werden, daß die Preife für Stab- und Bandeisen von den vereinigten Walzwerken nit \prungweise, fondern nah und nach und in durchaus angeme}jenem Umfange erhöht worden sind, wodurch dem Geschäft im allgemeinen die gesunde Grundlage erhalten bleibt. Daß für besonders prompte Waare böhere Preise gefordert worden sind, ist be- greiflih, In Westfalea is die erwartete Preiserhöhung für Stab- eisen, und zwar um 5 #4 für die Tonne, bereits eingetreten, sodaß jeßt der Mindestpreis für Schweißeisen 115 #4, derjenige für [uß- bifen 110 4 für die Tonne beträgt. Oberschlesien trägt diesen Iotie- rungen Rechnung. Für Bau- und Konstcuktionseisen hat die Nach- frage zugenommen, und auch für Feinbleche is eine Steigerung des Bedarfs niht zu verkennen. Für Grobbleche steigt der Ver- brauch ebenfalls, da die Kesselfabriken genügend beihäftigt find. Der Export, namentlich nah Nußland, gestaltet sich troy der Pretserh öbung für alle Fabrifate turhaus günstig. Die Draht- und Drahtfstift- fabriken haben ihre Produftion bis ins 2. Semester hinein verschlofsen und sind durhweg voll im Betriebe. Die Maschinenfabriken und Gießereien haben eine Beschäftigung, wie {hon seit langer eit niht mehr, zu verzeihnen und erzielen deshalb gute pre Aus dem Zinkmarkt bat die Nachfrage nah NRohzink im ‘aufe der leyten aht Tage nachgelassen, demzufolge auch die Londoner Notierungen etwas nachgaben, Die Preise für Walzzink dagegen sind gestiegen, und auch für Rohzink halten die {lesishen Hütten an ihren Forderungen fest, ohne von den Londoner Notiecungen \ih beeiuflussen zu lassen. Auch für B lei ift regerer Begehr vorhanden, sodaß die Preise höher gehalten werden können. Zinkstaub und Zinkweiß find un- verändert,

Zweite Beilage

zum Deutshen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

Ne D9.

Statistik 2nd Vol{8wir1hschaft. Das vorläufige Eraebniß der: Volkszählung vom 2. Dezembec 1895 im Deutschen Reich. Zufammengestellt im Kaiserli@en Sîatistishen Amt.

Zu- (+4) oder Abnahme

s (—) 1890 bis 1895 Staaten am | in 9/9 der

2, Dezbr. | 1. Dezbr. absolut | Bevölkg. 1895 | 1890 | von 1890

Ortsanwoesenbe Bevölkerung

Prov. Oftyreußen . Westpreußen Stadt Berlin . . Prov. Brandenburg Pommern . . Dosea Schlesien . . Sachsen Scchleswig- L annover . . Westfalen . .

essen-Nassau | 1756 554| | 92115 heinland

5 105 962] 4710 39h +— 8395571 Hohenzollern 65121 66 085) 964 Königreih Preußen 131 847 899/29 957 367] -+ 1 890 532

Bayern rechts des ; Pheins 5 031 500] 4866 643] 4- 164 857

Bayern 765 914| 728 33% + 837575

(Pfalz) __ (69 Königreih Bayera | 5 797 414| 5 594 982] + 202 432 Sachsen 3783 014| 3 502 684 280 330 Mürttaenberg . . 2 080 898! 2 036 522 44 376 Baden 1725 470] 1 657 867 67 603 1039388} 992 883 46 505

996 883| 578 342 18 541 338 887| 326 091 12 796 101513} 97 978 3 939 2373 662| 354 968 18 694 433 906} 403 773 30 133 223 972| 223 832 10 140 182 012 170 864 9 148

216 624| 206 513 10 111 293 123 271 963 21 160

78 248 2 738

88 590 2-727 57 782 501 67 454 4 700 131 469 11 658 41 224 2 061 134 617 6122 83 324 6 839 196 278 15 835 681/632 99 102 1 641 220 37 714

52 244 503/49 428 470] 4+ 2816 033

46 571 60 185 98 5957 280 360 93 131 76 478 187 172 119 134

66 807 143 826 271 589

2,38 4,20 6,24 11,03 3,49 4,37 4,43 4,62

5,48 6,31 11,18 5,93 8,40 1,46 6,31

3,39

5,16 3,62 8,00 2,18 4,08 4,68

3,21 3,92 3,61 5,27 7,46 4,93 5,39

4,90 7,78

3,63

3,18 0,87 7,49 9,73 5,26 4,76 8,94 8,78 9,49 2,39

5,70

2905234 1493 866 1677 351 2 8220830) :

1574020] 1: 1 828 120 4411 €30| 2 699 207

1286 3890| 2422 174 2 700 250

++++ ++++++++

Schweria . . .. Sachsen-Weimar Mecklenburg-Strelitz Data e 4 Braunschweig . . . Sacksen - Meinéngen Sachjen-Altenbuxg . Sachsen - Coburg-

Gotha Anhalt Schwarzburg-

Sondershausen SipwarGnrge

tudolftadt . .. Waldeck Reuß; älterer Linie . Reuß jüngerer Linie Ee ú

++++++++++ + ++ +++++++ ++++

Aa 66 lsaß-:Lothringen .

Deutsches Reich .

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Die Eisenbahnen Deutschlands im Betriebsjahre 1894/95. 11:2) Personenverkehr.

Einen erfreulichen Aufshwung haben in dem zehnjährigen Zeit- raum von 1884/85 bis 1894/95 der Personen- und der Güterverkehr genommen. Was den Personenverkehr betrifft, so wurde im Jahre 1894/95 bei einer dyrlntitliGen Betriebslänge von 43 310 km eine Einnahme von 392,20 Millionen Mark gegen 269,61 Millionen Mark im Sahre 1884/85, mithin ein Mehr von 122,59 Millionen Mark = 45,5 v. H- erzielt, obwohl die Betriebslänge dur den Hinzutritt neuer Bahnen nur um 21 v. H. gestiegen ist. Jedes Kilometer brachte eine Einnahme von 9056 # gegen 7529 4, mithin ein Mehr von 1527 4 d. f. 20,3 v. H. Dagegen is die Cinnahme für F 1000 Ahs- filometer der Personen- und Gepäckwagen von 116 auf 106 4 zurüd- gegangen, was sich vornehmlich dur den Hinzutritt neuer Bahnen mit anfänglih geringem Verkehr erklärt. Die reine Personenbeför- derung, einschließlich !: litär-? und T eriaoe, hat ein Mehr von 118,48 Millionen Mark, d. \. 45,5 v. H., die Besörderung von Gepädck und Hunden ein solches von 2,54 Millionen Mark, d. f. 27,8 v. H., aufzuweisen, während die Nebenerträge einen Zuwachs von 1,57 Millionen Mark, d. st. 541 v. H., erzielten. Die große bea der Neben- erträge wird besonders aus der erweiterten Einführung von Bahn- steigkarten zu erklären sein.

Während die Einnahme aus der I. Klasse eine Steigerung von 1,54 Millionen- Mark = 11,1 v. H., die aus der I1. Klasse eine solche von 20,22 Millionen Mark = 27 v. H. erfuhr, hat die Ein- nahme aus der III. Klasse einen Zuwachs von 57,62 Millionen Mark = 45,1 v. H. und die aus der IV. Klasse einen joleit von 34,83 Millionen Mark = 92,8 v. H. aufzuweisen. Die erhebliche Steigerung der Einnahme aus der 1V. Klasse ist namentlich auf eine Vermehrung der uge mit Wagen dieser Klasse, sowie darauf zurüdck- zuführen, daß die : gen L Sia größtentheils mit Sißpläßen ein- erichtet worden find. ; i einer U arusg von 51,37 Millionen im Jahre 1894/95 gegen 46/44 Millionen im Jahre 1884/35 en allen auf jeden Ein- wohner im Jahre 1894/95 durhshnittlich 11 isenbahnfahrten gegen durhschnittlich nur 6 im Jahre 1884/85, dagegen ist die durch- \{nittlih zurückgelegte Wegelänge von 28 auf 24 km zurückgegangen : eine Ersheinung, in der die beträchtliche Zunahme des Stadt- und Vorortverkehrs zum Ausdruck kommt.

An Personenkilometern find im Jahre 1894/95 im Ganzen 12 810,54 Millionen gegen 7689,33 Millionen im Jahre 1884/85, also zwei Drittel mehr zurückgelegt worden; auf 1 km der durh- s{hnittlihen Betriebslänge beträgt die Zunahme" 37,7 v. H.

Non den zurückgelegten Personenkilometern entfallen auf die 1. Klafse 196,94 Millionen (168,85), auf die II. Klasse 1934,48 Millionen (13/5,62), auf die 111. Klasse 6334,76 Millionen (3964,38), auf die 1V. Klasse 3666,62 Millionen (1780) und auf Militär 677,74 Millionen (400,48). Bei allen Klassen ift eine Zu- nahme eingetreten, und zwar bei der I. Klasse um 16,6 v. H., bei der 11. Klasse um 40,6 v. H., bei der IIL. Klasse um 59,8 v. H., bei der 1V. Klasse um 106 v. H. und bei dem Militär um

*) Siehe Nr. 57 des „Reichs- und Staats-Anzeigers“, Erste Beilage.

Berlin, Sonnabend, den 7. März

692 v. H., doch ift die prozentuelle Steigerung der Personen- filocneter bei allen Klassen höher, als die der Einnahmen, sodaß die durhsnittlihe ‘Einnahme für 1 Perfonenkilometer, die îm Jahre 1884/85 338 S betragen hat, bis auf 2,96 m Jahre 1894/95 zurückgegangen is. Die Ursache für diese rund 12 v. H. betragende Gcmäßigung ist theils in der Herabsetzung der Fahrpreise bei verstaatlicten Privatbahnen, theils in der vermehrten Ausgabe von Arbeiterfaërfarten, der \tärkeren Benußung der Zeit- Tarten und in der durch Freigabe der Schnellzüge. Ausdehnung der Gültigkeitsdauer u. \. w. begünstigten Zunahme des Nückfahr- und Nundretiseverkehrs, sowie in dem Anwachsen der TV. Klasse gegenüber den höhecen Klafsen zu erblicken. :

Während die Ausnußung der vemenien Plätze in den drei oberen Klassen zurückging, aämlic in der I. Klasse von 2,85 auf 8,20 v. H., ia der 11. Klasse von 20,69 auf 19,03 v. H. und in der Ill. Klasse von 25,11 auf 23,89 v. H., ift fie in der IV. Klasse von 30,30 auf 34,81 v. H. gestiegen.

Güterverkehr.

Wie der Personenverkehr, so hat auch der Güterverkehr sowohl hinfichtlih des Umfangs als auch der Erträgnisse in dem zehnjährigen Zela von 1884/85 bis 1894/95 eine erbeblihe Steigerung erfahren.

Während die Einnahme im Jahre 1884/85 685,06 Millionen Mark betragen hat, ist sie im Jahre 1894/95 auf 963,45 Millionen Mark gewachsen; es hat mithin eine Zunahme von 278,39 Millionen Mark oder von 40,6 v. H. stattgefunden. Jedes Kilometer brachte eine Einnahme von 21 916 Æ gegen 18 824 #, also 16,4 v. H. mehr ein. Die Einnahme für je 1000 Achskilometer der Güterwagen hat sih von 93 #4 auf 97 M gehoben. Diese Steigerung, die auf den ersten Blick befremden könnte, weil der durhschnittlihe Frachtbetrag für das Tonnenkilometer, wie weiter unten bemerkt, herabgegangen ift, rührt von der Erhöhung der Tragfähigkeit der Güterwagen her.

Von der Einnahme aus dem Güterverkehr entfallen im Jahre 1894/95 937,78 Millionen Mark auf Frachterträge, 1,96 Millionen Mark auf die Entschädigung für die Beförderung von Postgut und 24,11 Millionen Mark auf Nebenerträge gegen 663,76 Millionen Mark, 2,29 Millonen Mark und 19,01 Millionen Mark im Jahre 1884/85. Hiernah sind die Frachterträge, die aus der Beförderung von Eil- und Expreßgut, Frachtgut, Militärgut, Vieh, Leichen und frahtpflihtigem Dienstgut erzielt wurden, sowie die Nebenerträge um 41,3 bezw. 26,8 v. H. gestiegei, dagegen ist die Entschädigung für die Beförderung von Postgut um 31,9 v. H. zurüdckgegangen. Dieser Rückgang findet seine Erklärung darin, daß die Bestimmungen des - Eisenbahn-Postgeseßes vom 20. Dezember 1875 auf die ver- staatlihten preußischen Privatbahnen anzuwenden waren, nachdem der Staat das Cigenthum diefer Bahnen erworben hatte, und. daß die konzessionsmäßigen Leistungen der Mehrzahl der früheren Privat- bahnen zu Gunsten der Postverwaltung geringere waren als die all- E ier gi Von den FraGertragen aus\chlicßlich derjenigen ür Militärgut und für frahtpflihtiges Dienstgut, die t wegen der darin eingetretenen grundsäßlihen Aenderungen zum Vergleih nicht eignen, haben im Jahre 1894/95 die Klassen des einheitlichen deutschen Gütertarifs mehr eingebracht als im Jahre 1884/85: das Eil- und Expreßgut 5,44 Millionen Mark oder 29,86 v. H., das Stückgut einshließlich des Spezialtarifs für bestimmte Stückgüter 36,02 Millionen Mark oder 34,52 v. H., das Frachtgut in Wagenladungen 160,17 Millionen Mark oder 61,30 v. H., ferner die Wagenladungen von 10 t und darüber nach Ausnahmetarifen 44,96 Millionen Mark oder 18,46 v. H. und endlih der Viehtransport 9,38 Millionen Mark oder 41,29 v.

Die Anzahl dcr zurückgelegten Tonnenkilometer der gegen racht- berechnung beförderten Güter mit Auss{luß des Postguts ist von 16 207,51 Millionen im Jahre 1884/85: auf 24 349,73 Millionen, also um 50,24 v. H. gestiegen. Bei ur Sbrung der geleisteten Tonnenkilometer auf 1 km der dur{schnittlihen Betriebslänge hat

ch eine Zunahme von 445 353 Tonnenkilometern im Jahre: 1884/85 auf 553 891 Tonnenkilometer im Jahre-1894/95 = 108 538 Tonnen- filometer oder 24,4 v. H. ergeben. Die geringere Zunahme der Ver- kebrsdichtigkeit gegenüber der des Verkehrsumfangs erklärt fi daraus, daß die neu hinzugetretenen Strecken den älteren Bahnen hinsihtlih der Verkehrsdichtigkeit beträhtlich nahgeftanden haben. Bei den ein- MEINEN FAPRTIRIIER stellt sich die Steigerung der Tonnenkilometer wie folgt:

A. In den Klassen des einhbeitlihen deutshen Gütertarifs :

1) beim Eil- und / Expreßgut um 17,73 Millionen Tonnen- filometer oder um 22,63 v. H., #

2) beim Stückgut, einschließli des Spezialtarifs für beftimmte Sie, um 8349,88 Millionen Tonnenkilometer oder um 40,52 v. Y.,

3) La Frahtgut in Wagenladungen um 4831,54 Millionen Tonnenkilometer oder um 78,73 v. H.

B. Bei Ausnahmetarifen für Wagenladungen von 10 Tonnen U B um 1821,41 Millionen Tonnenkilometer oder um 21,66 v. H.

C. Beim Viehtransport um 185,49 Millionen Tonnenkilometer oder um 73,88 v. H. ; :

Die dur(hschnittlihe Einnahme auf ein Tonnenkilometer aller gegen Frahtberechnung beförderten Güter ift von 4,10 auf 3,85 25 Die dana eingetretene durhschnittlihe Verbilligung der

raten um rund 6 v. H. erklärt sich aus Tarifermäßigungen ver- chiedener Art, wie Herabminderung der Einheitssäße, Verseßung vieler rtikel in niedrigere Tarifklafsen, erweiterte Einführung ermäßigter Ausnahmetarife für Massentransporte u. \. w. Auf die Abnahme der durhschnittlihen Einnahme auf 1 Tonnenkilometer beim Vieh- transport von 9,05 auf 7,35 4 = 18,8 v. H. ist neben der Gin- führung von Frahtermäßigungen auf einzelnen Eisenbahnen die Aus- dehnung der direkten Expedition und das Fallenlafsen der Abfertigungs- gebühren bei Umexrpeditionen von Einfluß gewesen.

Fnvaliditäts- und Altersversicherung.

Bei der Versiheru ngsanstalt Baden sind im Monat Februar 1896 287 Rentengesuche (70 Alters: und 217 Invalidenrentengefuche) eingereiht und 308 Renten (41 + 167) bewilligt worden. Es wurden 49 Gesuche (13 + 36) abgelehnt, 130 (43 + 87) blieben unérledigt. Außerdem wurden tim \chiedsgerichtlihen Verfahren 1 Alters- und 3 Învalidenrenten zuerkannt. Bis e E sind im Ganzen 10561 Renten (5398 Alters- und 5163 Invalidenrenten) bewilliat bezw. zuerkannt worden. Davon kamen wieder in Wegfall 3222 (1552 —+ 1670), sodaß am 1. März 1896, 7339 Rentenempfänger vorhanden waren (3846 Alters- und 3493 Fnvalidenrentner). Verglichen mit dem 1, Februar 1896, dat sich die Zahl der Rentenempfänger vermehrt um 119 (7 Alters- und 112 Fnvalidenrentner). Die Rentenempfänger beziehen Renten im Gesammtjahresbetrage von 921 239 & 33 & F (mehr seit 1. Januar 1896 15 130 A 74 4). Der Jahresbetrag für die im Monat Februar bewilligten 42 Altersrenten berechnet sich auf 5514 & und für 170 Invalidenrenten auf 21 531 4 60 4, somit beträgt der Durchschnitt für eine Altersrente 131 M 29 --, sür etne Invalidenrente 126 M 66 &. Für sämmtliche bis 1. Januar 1896 bewilligten Renten betrug der durhschnittlihe Jahresbetrag einer Altersrente 129 M 88 A, ciner Invalidenrente 120 M 19 4.

1896

S Zur Arbeiterbewegung.

Aus Kottbus berichtet der „Kottb. Anz.“ zum Ausstande der dortigeu Terxtilarbeiter: Der Vorsißende des Kottbuser Gewerbe- gerihts Bürgermeister Dreifert hat den Antrag der Kom- mission der ausftändigen Texrtilarbeiter auf Anrufung des Gewerbegerihts als Einigungs8amt dem Verein zur Wahrnehmung der gemeinsamen nteressen der Tuchfabrikanten zu Kottbus mit dem Ersuchen zur Kenntniß gebracht, sih darüber zu erklären, ob die Arbeitgeber sih diesem Antrage anschließen. Die Kommission des Vereins der Tuchfabrikanten hat alsdann beschlossen, bas Gewerbegericht als Einigungëamt zwischen den ausständigen Ar- beitern und ihren Arbeitgebern niht anzurufen. Bürgermeister Dreifert hat darauf _der Kommission der Arbeiter geantwortet, daß er nah Lage der Sache von einem Eingreifen des Gewerbegerichts als Einigungsamt sih keinen Erfolg versprehe. In einer gestrigen Versammlung der Ausftändigen wurde beschlossen, das von dem Ge- werbe-Inspektor mitgetheilte Anerbieten des Fabrikanten-Verbandes (vgl. Nr. 58 d. Bl.) nicht anzunehmen und den Ausstand fortzuseßen. j Aus Koblenz wird der „Frkf. Ztg.“ gemeldet: Sämmtliche Thon -Grubenarbeiter der in der benahbarten Gemeinde Kärl ih gelegenen Gruben haben am leßten Dienstag wegen Lohnkürzung die Arbeit niedergelegt. B

Hier in Berlin sind, wie die „Post* mittheilt, im Ausstande der Holzarbeiter, der für beendet erklärt worden ist, die Forde- rungen in 930 Werkstätten mit 9000 Tischlern durchgeseßt worden, während sih noch in etwa 30 Werkstätten 200 Mann im Ausstande befinden. Die Stellmacher haben beschlossen, in eine Lohn- bewegung einzutreten.

Aus Verviers wird der „Köln. Ztg." geschrieben, daß der Ausstand sich auf die Spinnerei von Alph. Chapuis in Hodimont ausgedehnt hat. (Vgl. Nr. 50 d. Bl.)

Literatur.

_ Kurzer Auszug aus den Entscheidungen des Königs lich preußishen Ober-BVerwaltungsgerichts in Staats- steuersahen. Erstes Heft: Einkommensteuer, von dem Ober- tat he o Rohde und dem Regierungs-Rath von Kameke; zweites Heft: Gewerbesteuer, von dem Ober-Regierungs-Rath Rohde und dem Regierungs-Affessor Dr. jur. Helmentag. Berlin, Karl Heymann's Verlag. Preis je 75 4. Diese Hefte enthalten in kurz gefaßter E die von den Ober-Verwaltungsgerihts-Räthen Reinick und Heinsius herausgegebenen Entscheidungen des Ober-Ver- waltungsgerihts in Staats\teuersahen, Band 111, Abtheilung T: Ein- kommensteuer, und Abtheilung Il: Gewerbesteuer, in genauem An- {luß an die dortige Nummernfolge, und machen damit den wesent- listen Inhalt der wichtigeren - grundsäßlichen Entscheidungen jedermann leiht zugänglih. Denn selten ist eine Entscheidung nur dann verständlich, wenn ihre ausführlihe Begründung- bekannt wird; meist genügen hierzu {on einzelne Kernsätßze der Begründung. Diejenigen aber, welche das Bedürfniß haben nah einem tieferen Ein- dringen in die aus den Entscheidungen abzuleitenden Rechtsgrundsäße und nah mehr wissenschaftlicher ehanpzung. des einzelnen Rechts- falles, können die genaue Begründung einer Gntscheidung in der an- gezogenen Veröffentlichung nachlesen. Die vorliegenden „Auszüge“ aus den Sprüchen des obersten BteueegariGidbeles dürften in erster Linie den Einkommensteuer- und den Voreinshäßungs-Kommissionen, den Gewerbeaus\{hüssen und allen bei den Vorarbeiten zur Steuer- peranlagung - betheiligten oder für die Berufungen und Beschwerden der Steuerpflichtigen zuständigen Kommunalbehörden, nicht minder aber au den Steuerpflichtigen selbst sih nüßlich erweisen.

„Die Reform der Schwurgerichte, eine brennende Frage unserer gegenwärhgen Gesehgebung.“ Zweite, veränderte Auf- age der Schrift: „Schwurgeriht oder Schöffengericht ?* von A. Cordes, Richter in Bremen. Verlag vou M. Heinsius’ Nachfolger, Bremen.- Preis 1 4 Der Verfasser dieser Schrift unterzieht die dem Ge Uag vorgelegte Strafprozeßnovelle eincr Kritik und befür- wortet, cine Reform unserer Strafrechtspflege, in anderer Richtung anzustreben, nämli erftens durch eine Reform der Organisation der Schwurgerichte, zweitens durch die. Zuziehung von Laien (Schöffen) bei der Rehtsprehung der Strafgerichte und drittens dur die Er- weiterung der zum Schuße und für die Vertheidigung des Angeklagten getroffenen Bestimmungen.

Bettelei, Landstreiherei, Armenpflege. Ein Reformvorschlag von I. F. Landsberg, Gerichts-Assessor. Düssel- dorf, Verlag von L. Schwann. Preis 80 & Z. Das anregend ge- shriebene Schriften is ein Beleg dafür, wie die junge uristen- eneration mebr und mehr in eine foziologishe Betrachtungs- und Behandlungsweise des Strafrechts {ih einlebt. Der Verfasser be- kämpft die Annahme, daß man die Bettler- und Vagantenplage allein dur \trafrechtlihe Repression beseitigen könne, und sucht nahzuweisen, daß ein wirklicher Fortschritt nur möglich sei, wenn „die Armenpflege und- die Arbeitsvermittelung in ein anderes Bett geleitet werde®.

raktish verwendbar ersheint insbesondere der Ueberblick über die

tatuten und Thätigkeitsberichte bereits bestehender „Arbeitsnachweis- anftalten“ (S. 47 ff.). i E A

Von dem von g rofessor A. von Kirchenheim in Heidel- berg herausgegebenen „Juristishen Literaturberiht 1884 bis 1894" (Verlag der I. C. S e Buchhandlung in Leipzig), dessen hervorragende praktishe Bedeutung an dieser Stelle {on ge- legentlih des Erscheinens der ersten Hefte gewürdigt worden ift, liegen nunmehr als viertes und. fünftes Hest (Preis je 1,20 H) die Literaturberihte über das Privat- und Handelsrecht p Karl Gareis, Professor in Königsberg) und über das deutsche Prozeßrecht (von Georg Kleinfeller, Profefsor in Kiel) vor. Mit anerkennenswerthem Fleiß haben die Verfasser die ihnen zugefallenen s{chwiertgen Aufgaben gelöst. In jedem der be- handelten Rehtsgebiete werden die in dem leßten Jahrzehnt erschienenen führenden und bedeutenden Werke unter tittheilung der fie durh- ziehenden Grundgedanken aufgezählt, während von den geringwerthigen Schriften der Hauptinhalt wenigstens kurz angedeutet wird. Den Be- dürfnissen der Theoretiker, vor allem aber der Praktiker, die eine Uebersicht über die Gesammtentwickelung der juristischen Literatur sih zu vershaffen oder bezüglich der Literatur wenigstens eines Gebiets auf dem Laufenden zu R werden diese Literaturberihte in vortreffliher Weise ent|precen. t i

e der e v schen Sammlung deutsher Reichsgefeße in Textausgaben mit kurzen Kunterkungen hat das Neichsbeamten-

eseß vom 31. März 1873 mit seinen Ergänzungen eine neue

earbeitung durh den Geheimen Ober-Regierungs-Rath J. Pieper erfahren (Preis 3,30 4). Von der ir. Karl Heymann's Verlag, Berlin, ersheinenden Geseßsammlung in Taschenformat liegen je auch das preußische Einkommensteuergeseß vom 24. Juni 1891 nebst Ausführungs-Anweisungen, erläutert von B. Fuisting, Senats Präsidenten des ntg en Ober-Verwaltungsgerichts, (Preis 6 „) und das preußishe Gese über die Erbschafstssteuer vom 19 /24. Mai 1891 in der Fassung des Geseges vom 31. Juli 1886, erläutert von J. Boehm, Rechtsanwalt und Notar, (Preis 2,40 in handlihen Ausgaben vor. ;

Die Amtsführung der Gemeinde-, Guts+ und Amtsvorsteher in den östlichen Provinzen der preußischen Monardie. Non A. von Borries, Herzoglich sächsishem Staatsrath, früderem Königlichen Landrath des Kreises Einbeck. Zweite vermedrte und

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