1896 / 286 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 02 Dec 1896 18:00:01 GMT) scan diff

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E E s

er nun mit \äner Heataks a

gen Tod vor Augen hatte, gab \sich niht der Todesfurht hin,

28 man vielleicht hätte entschuldigen können unter diesen s{chwierigen Verhältnissen. Er war mit seiner Besaßung eingedenk des Eides, den er vor ott Seiner Majestät dem Kaiser geschworen hatte, aúuszuharren bis zum et Augenblick und Ihm Treue zu bewahren, bis ih das Auge ließt. Was thaten die Leute? Sie befiegelten mit einem Hoch Seine Majestät den Kaiser diesen Eidshwur, und kurze Zeit Milauf war es mit ihnen zu Ende. Meine Herren, es ist wohl gesagt worden : warum haben die Leute niht zu Gott gerufen? Warum

“haben sie an ihren Kaiser gedaht und niht an ihren Gott, dem

fie in wenigen Augenblicken vor Augen stehen sollten? Da muß ih sagen, meine Herren, ih bin der Ueberzeugung, das kann nur ein wahrer Christ, was diese Leute gethan haben. (Sehr rihtig! Bravo! rechts.) Wenn sie ihren Kaiser vor Augen haben, so haben sie au ihren Gott vor Augen! (Widerspru und Heiterkeit bei den Sozial- demokraten.) Sie haben, meine Herren, an die Obrigkeit gedacht, die ihnen Gott geseßt hat (Lebhafter Beifall rechts), und diese Obrigkeit war ihnen das Heiligste in ihrem Herzen. Wie man diese Sache ins Lächerliche ziehen kann, kann ih niht begreifen. (Sehr richtig! Bravó! rehts.). Ich sprehe ohne Zorn, meine Herren, obglei ih wohl Veranlassung haben könnte, über die Gesinnung, die sih gezeigt hat, meinen braven Kameraden gegenüber, zornig zu reden. Ich habe mir aber vorgenommen, das zu unterdrücken. (Bravo!) Jh will in ruhiger Weise die Thatsache hier erzählen.

Also, meine Herren, was war der Grund zu dieser That? Nach meiner Auffassung: die Leute sahen keine Rettung, kein Mensch konnte daran denken, dem Tode zu entrinnen, und nur dur einen wahren Zufall find die wenigen gerettet worden. Der Zufall ift der, daß das Schiff von der Brandung abfiel und nicht in dieselbe hineingeworfen wurde. Wäre das leßtere erfolgt, dann hätte keine Seele Kunde von dem gebraht, was fich ereignete. Es war also keine Ausficht auf Rettung; nah der Voraussicht dieser Leute konnte kaum Kunde von ihrem Thun in die Welt dringen. Also keinerlei Rücksichten irgend welher Art, nihts Derartiges, keine Nebenumistände konnten fie dazu führen, zu diesem Hoch auf den Kaiser, zu diesem Beweis ihrer Treue nein, nur das innere Bedürfniß. Sie waren dem Tode geopferte Leute, troßdem vergaßen sie ihre Pfliht nicht; ja, sie seten sie über die Todesfurht. Das waren Helden! (Lebhaftes Bravo!) Der Reichstag, die große Majorität des Reichstages und hinter dem Reichstage das ganze Land werden nicht einen Augenblick zweifeln, davon bin ih überzeugt, diesen Leuten die Palme des Sieges zuzuerkennen. (Lebhaftes Bravo!) Sie haben sih selbst bezwungen, und der Herr Vorredner hat mit vollem Recht gesagt, das ist ein {önes Beispiel, es ist auch für uns ein leuhtendes Beispiel, und die Versicherung kann ih Ihnen geben, es giebt in der Marine keinen, niht hoch nit niedrig, der nit sagte, er möchte den Leuten nacheifern und es möge ihm in der leßten Stunde, wenn der Tod gewaltsam erfolgt, ein ebenso \{ônes Ende beschieden sein. (Bravo!) Jch weiß nicht, ob die Zeitungen die Gesinnung Ihrer Partei (zu den Sozial- demokraten gewendet) kundgegeben haben. Ih hoffe es niht und Tann es auch nicht glauben, aus dem Grunde niht glauben, weil ih den Glauben an die Menschheit verlieren müßte, wenn ih das an- nehmen follte. Die That entspringt der edelsten Regung einer menschlichen Seele und das muß überall durchdringen. (Lebhafter Beifall.)

Staatssekretär des Reichs - Schaßamts Dr. Posadowsky-Wehner:

Wiederholt Habe ich in der Deffentlichkeit und au in diesem hohen Hause hören müssen, der diesmalige Etatsentwurf mache einen sehr ungünstigen Eindruck; ih freue mich deshalb, daß mein verehrter Herr Kollege vor mir Gelegenheit genommen hat, um den Anfang mit der Beweisführung zu machen, daß die Forderungen, die hauptsächlich dem Etat das ungünstige Aeußere geben sollen, unbedingt nothwendige sind. Ich möchte zunächst in meinen weiteren Ausführungen anknüpfen an eine Aeußerung des Herrn Abg. von Leipziger. Er ist kurz zurück- gekommen auf meine gestrigen Ausführungen in Bezug auf die Handels- bilanz und die finanziellen Wirkungen der Handelsverträge auf unsere Zolleinnahmen. Wenn der verehrte Herr Abgeordnete das Stenogramm meiner Rede nachlesen wird, wird er finden, daß ich die Frage nur nach absoluten Zahlen und von der finanziellen Seite betrachtet habe, daß ih auf die wirthshaftlihe Frage garniht eingegangen bin, aus dem einfahen Grunde, weil das meines Amtes garnicht gewesen sein würde. (Widerspruch links.) Das ist unzweifelhaft, das kann ih dem Herrn Abg. von Leipziger zugestehen, daß das Getreide, was nah Deutschland kommt, was hier verzollt und konsumiert wird, auch hereinkommen würde, wenn der Zoll pro 100 kg um 1,50 A höher wäre und daß in der Zollermäßigung für Getreide somit un- ¿weifelhaft ein lucrum cessans liegt. (Zuruf rechts.) Die finanzielle Frage. ist nur die, ob denn, wenn die Getreidezölle die bisherige Höhe behalten hätten, auch die übrigen Zölle in gleicher Höhe eingegangen wären. Das ift die Streitfrage, die ich indeß hier weiter zu erörtern keine Veran][assung habe. Der Abg. Richter hat gestern wieder seine Angriffe basiert auf eine finanzielle Entroickelung, die ih vorläufig jedenfalls für abgeshlofsen halte, nämlich auf die ersten Schritte der verbündeten Regierungen bei Erlaß der ersten Finanz- reform. Der Abg. Richter hat ausgeführt, welch ungeheure Ueber- schüsse gegenwärtig dem Reiche zur Verfügung \tehen oder den Bundesstaaten zufließen würden, wenn seiner Zeit der Reichstag die Steuervorlagen angenommen hätte. Ih glaube, wenn jemand für das erste Finanzreformgeseß hätte Propaganda machen wollen, so hätte es niemand wirksamer thun können, wie der Herr Abg. Richter selbst. Ich halte es deshalb für niht angemessen, daß er jet nah Jahren immer wieder auf die Frage zurückommt; denn gerade er war es, der in der Militärkommission ich will die Stelle niht wieder verlesen, ih habe es schon einmal gethan darauf hingewiesen hat, daß es schiene, als wolle man die clausula Franckenstein matt

Graf von

legen, daß man vielmehr den Einzelstaaten die Ueberweisungen lassen

müsse. Er hat ferner darauf hingewiesen, daß die Steuern, die da-

mals vom Reichstage gefordert wurden, noch nicht genügen würden,

um ein etwaiges Defizit zu decken; im Gegentheil, daß, wie er sagte, wir im Anfang einer wachsenden Reihe von Verlegenheiten ständen. (Hört! hört, rechts.) Und meine Herren, was hat denn das erste Finanzreformgesetß bezweckt? Es hat die wechselnden Ueberweisungen in der Form den Regierungen erhalten wollen, daß hierfür ein Pausch- quantum, welches jedes Jahr zu zahlen war, festgeseßt würde. Der Gesetzentwurf hat ferner das Defizit was auch der Herr Abg.

Richter befürchtete troh der damaligen Gieuervor agen, deen wollen indem gleihzeitig Steuern zur /Deckung ‘der Nilitärvorlage mit 56 Millionen gefordert wurden.

Meine Herren, daß sich die Verhältnisse so günstig entwidckeln, daß wir einem solchen Aufshwunge entgegengehen würden, einer folhen Erhöhung der Zolleinnahme, haben aller- dings damals die verbündeten Regierungen nit voraussehen können, aber au der Herr Abg. Richter niht. Erst in dem Augenblicke, wo die neuen Steuergeseße kamen, wurde seine Stimmung eine optimiftischere, weil er die Steuergeseße zu Fall bringen wollte. Der Herr Abg. Richter hat dann gestern eine eigenthümliche Zahlen- rechnung aufgemacht; er hat gesagt: wären die neuen Steuern bewilligt, dann hätten wir jegt 119 Millionen Uebershuß. Ja, meine Herren, wenn jemand in den Zeitungen liest: 119 Millionen Uebershuß, dann muß er allerdings denken, es wird im Deutschen Reiche sehr wenig sparsam verwaltet. Aber wie liegt die Sahe? In diese Rehnung hat der Herr Abg. Nichter zunächst die 12 Millionen herein- gerechnet aus der eigenen Wirthschaft des Neichhs. Die haben weder mit der Finanzreform noch mit den Ueberweisungsfteuern irgend etwas zu thun, fondern, seit der Reihs-Etat aufgestellt wird, wird dieser Ueberschuß aus der eigenen Wirthschaft des Reichs im übernächsten Etat zur Verminderung der Matrikular- beiträge eingeseßt. Wenn aber die neuen Steuerforderungen und das Finanzreformgeseß wirkli bewilligt worden wären, dann hätten allerdings die Bundesstaaten zunächst aus dem Uebershuß 40 Millionen feste Ueberweisungen erhalten, die übrigen Mehrüberweisungen aus dem Abschluß des Jahres 1895/96 in Höhe von 40 Millionen wären aber in den Ausgleihsfonds geflossen und hätten eventuell zur Schulden- tilgung gedient. Meine Herren, ih halte indeß diese ganze Aus- einanderseßung eigentlih für eine derartige, die keinerlei politishe Aktualität mehr besißt. Der Gedanke der festenUeberweisungen ist vou den verbündeten Regierungen im zweiten Finanz- reformgeseß fallen gelassen worden, und das zweite Finanz- reformgeseß ging nur von dem Gedanken einer Lilanz zwischen Einnahme und Ausgabe aus, das heißt zwischen Ueberweisungen an die Bundesstaaten einerseits und der Forderung von Matrikular- beiträgen andererseits. Was heißt das eigentlich? Das heißt nichts wie: das Reich sollte, wie jeder Einzelstaat, auf seine eigenen Einnahmen mit seinen eigenen Ausgaben an- gewiesen sein. Jch glaube, es giebt kein größeres Kompelle für eine sparsame Finanzwirthshaft und ih bin überrascht, daß gerade dieser Punkt der Finanzreform seiner Zeit dem Herrn Abg. Richter völlig entgangen ift.

Das Finanzreformgeseß bezweckt aber ferner eine Sicherung der Bundesstaaten gegen die wechselnden und wachsenden Anforderungen des Reichs, und keine Dialektik wird das Berechtigte dieser Forderung der Bundesstaaten aus der Welt schaffen. Man kann in den Einzelstaaten keine geordnete Finanzwirths{chaft führen, wenn man niht weiß: welhe Forderungen kommen vom Reiche, für welche Forde- rungen des Reichs muß im eigenen Landesausgaben - Etat unter allen Umständen der Play freigehalten werden, um diesen Forderungen des Neichs zu genügen? Für die eigenen Finanzen können die Bundes- staaten {ich ceinrihten, da können fie die nothwendigen Ausgaben im Nothfalle zurückstellen, aber die Matrikularforderung des Reichs ift

* eine unabwendbare, die m u ß beshafft werden; das bisherige Ver-

hältniß für die Einzelstaaten ist deshalb um so s{chwerer, weil sie niht voraussehen können, welche Forderungen im eigenen Landes - Etat neben der Leistung an das Reich berücksichtigt werden fönnen. Schließlich wollte das zweite Finanzreformgesez eine Schuldentilgung durch den Ausgleihsfonds. Meine Herren, im Reiche das kann ich Ihnen vertraulich fagen gebe ih den Ausgleichsfonds gern preis; denn es iff meines Erachtens vollkommen gleihgültig, ob ich in einem guten Finanzjahre die Uebershüsse dazu verwende, um Reichs-Anleihe aufzukaufen, in einen Reservefonds zu legen und aus diesem Reservefonds die Anleihescheine wieder zu ver- kaufen zur Deckung von Fehlbeträgen in kommenden Jahren (Zuruf links) die preußischen Verhältnisse liegen ganz anders, hierauf darf ih leider nicht eingehen oder ob man in guten Jahren, wie im laufenden Jahre, auf Grund der lex Lieber die Uebershüsse von den offenen Krediten abschreibt und demnächst in Fehljahren das Anleibekonto höher belastet. (Zuruf links.) Jch glaube, Herr Abg. Richter, ein folher Gedanke der Finanzierung müßte doch Ihren bisherigen An- shauungen auch entsprehen, Sie haben sich früher wiederholt dafür ausgesprochen, man solle keine obl igatorische Schuldentilgung im Reiche machen, sondern nah Maßgabe der jeweiligen Ueberschüsse, und man solle in {hlechten Jahren dafür das Extraordinarium höher belasten. Ich bin allerdings der Ansicht und freue mi, wenn der Herr Abg. Richter das bestätigt, daß man auf diesem Wege dasselbe erreichen kann , was durch den Ausgleichsfonds erreiht werden sollte. Meine Herren, diese ganze Finanzreform-Geseßgebung ift seiner Zeit so- fort mit dem Schlagwort Automatengeseyz bezeihnet worden; ih glaube, der Herr Abg. Richter nimmt die geistige Urheberschaft dieses Bonmots für fich in Anpruh. Es ein Unglück unserer Zeit, daß man mit einem Schlagwort alles todt machen kann. Sobald ein S{lagwort durch die Oeffentlichkeit läuft, fühlt keiner mehr die Verpflichtung, selbs zu prüfen, selbs zu denken, sondern man findet sih bequem mit diesem Schlagwort ab. Keiner will mehr Automaten- gast sein. Meine Herren, wenn man dieses zweite Finanzreform- geseß ein Automatengeseß nennen will, so ist meines Erachtens jedes Finanzgeseß ein Automatengeseß, welches eine spezielle finanzielle Ge- bahrung vorschreibt. Dann könnte man ein Komptabilitätsgeset, was von der linken Seite des Hauses wiederholt verlangt wird, auch ein Automatengeseß nennen. (Sehr richtig! rechts.) Ih gebe deshalb die Hoffnung nicht auf, daß eine Einigung zwischen dem hohen Hause und den verbündeten Regierungen dahin stattfinden wird, daß einerseits die Bundesftaaten gegen unerwartete Forderungen des Reichs ges{hütt werden, und daß andererseits in der Schuldentilgung nah Maßgabe der finanziellen Entwickelung ini Reiche fortgefahren wird. (Bravo! rehts.) Der Herr Abg. Richter hat dann wieder eine fehr herbe Kritik geübt an der Finanzierung des Etats. Er hat gesagt, noh nie habe fich eine Regierung so abgewendet von ihrem eigenen Ver- fahren im vorhergehenden Jahre. 70 Millionen Mehrüberweisungen fönnten unter Umständen die Bundesstaaten im nächsten Jahr bekommen, und dabei macht man 56 Millionen Mark neue Schulden.

Er hat dann darauf hingewiesen, man hätte in diesem Etat ebenso verfahren sollen, wie das durch das Geseß, welhes der Herr Abg. Lieber im Hause eingebraht hat, geschehen ist. Die lox Lieber hat aber mit der Finanzierung des Etats absolut nihts zu thun, und

, [ i will Ihnen - sofort nahweisen, warum nicht. Ein Etat kann nur

auf Grund von Schätungen aufgestellt werden, und Schähungen bei den Etats können \ich nur - auf Rechnungsergebnisse vergangener Jahre stügen. Eine solide Etatswirthshaft muß indeß für diese Schätungen feste Grundlagen haben. Der Here Abg. Richter, weiß ih, wünscht aber keine festen Grundsäße bei der Aufstellung des Etats; er will die Einnahmen nah den wechselnden Konjunkturen feststellen. Jch habe aber im Plenum dieses hohen Hauses, wie in der Budgetkommission, ausgeführt, warum eine derartige Etatisierung unbedingt {ädlich wäre. Wenn wir den Etat finanziert hätten, wie es der Herr Abg. Richter will, dann müßten wir den Schuldtitel dadurch ganz vershwinden lassen, daß wir die Einnahmen soin die Höhe schrauben, daß sie hinreichen, um auch das Extraordinarium mit zu decken. Was heißt

das aber? Wir würden dann Ausgaben feststellen, obglei wtr gar-

nit sicher sind, ob wir die Einnahmen im nächsten Jahr in dieser Höhe bekommen; denn dazu sind eben die Durhschnittssäße von gün- stigen und ungünstigen Jahren in den Einnahmen berücksichtigt, um einem derartigen Defizit zu entgehen. Und was würden wir weiter thun ? Wir würden bas Defizit im Reich, das durch Schulden beglichen werden soll, vorläufig allerdings vermeiden; wir würden das Defizit aber auf das Konto der Einzelstaaten shieben; denn die Einzelstaaten würden, wenn diese Ueberweisungseinnahmen nicht eingehen, ihrerseits dafür durch die gleih hoh bemessenen Matrikularbeiträge vor den Riß treten müssen. Jn der Militärkommission, meine Herren, hat der Herr Abg. Richter das sehr gut erkannt; denn da sagte er von einem ähn- lihen Verfahren, welhes angeregt worden war, wörtlich:

Die clausula Frandenstein soll jeßt mattgeseßt werden. Das hieße die finanziellen Verlegenheiten des Reichs auf die Einzelstaaten Übertragen.“

Also, meine Herren, ein folhes Schäßungsverfahren is meines Erachtens niht durchführbar, und auch der Herr Abg. Richter hat den springenden Punkt, der gegen ein soldes Schägungsverfahren spricht, in der Militärkommission sehr richtig herausgefunden. Er bat auch selbst gesagt: auf fo hohe Zolleinnahmen können wir in Zukunft niht immer rechnen; denn die Haupteinnahmen kommen aus den Zöllen auf Getreide, und die Getreideeinfuhr ist bekanntli eine wechselnde. Was hat aber nun der Antrag Lieber gethan? Der An- trag Lieber hat nicht über Einnahmen im Etat disponiert, die wir nochch nicht haben, sondern er hat bestimmt, daß, wenn aus den Ueberweisungen“ auf Grund der Rehnungen mehr eingeht, als im Etat veranschlagt ist, dann ein Theil zur Schuldentilgung verwendet werden soll. Das ift etwas ganz Anderes; denn bei einer Etatsveranschlagung über die Dur(schnittssäße hinaus wird über Summen disponiert, von denen wir niht wissen, ob sie eingehen; der Antrag Lieber disponiert aber über Summen, soweit sie wirklih auf Grund der Rechnungen eingehen. Meine Herren, das ist überhaupt die Schwäche unseres ganzen finanziellen Verhältnisses zum Reiche, daß wir im Interesse einer soliden Etatsaufstelung gezwungen sind, die Einnahmen nah Durchschnitts\säßen in - den Etat einzu- stellen und das Reich gleichzeitig mit Schulden zu belastén, daß aber auf Grund der Rehn ungen den Bundesstaaten troßdem noch erhebliche Mehrüberweisungen zufließen. Während wir Schulden machen auf Grund des Etats, fließen den Bundesstaaten die Ueberweisungen auf Grund der Rechnungen zu, und diesem Uebelstande, der für die Bundesstaaten wie für das Reih meines Erachtens gleih groß ift, muß eben durch ein Finanzreformgeseß abgeholfen werden, und ih kann mir denken, daß man sehr wohl ein Finanzreformgesetz ver- einbaren kann, welches die Bundesstaaten gegen die Schwankungen sichern und in vernünftiger Weise die Schuldentilgung im Reiche fortführen kann. Wenn wir die bisherigen Grundsäße für die Ver- anshlagung der Einnahmen verließen, so kann das unter Umständen im Interesse der parlamentarischen Taktik sehr {wer wiegen. Ih kann mir denken, daß ein folcher Veranschlagungs8modus, wenn man niht auf die Finanzen sieht, sondern nur auf die parlamentarische Macht, etwas sehr VBerlockendes is und eine sehr ge- wichtige Waffe in der Hand der Parlamente werden könnte. Die Sache hat aber auch eine sehr gefährlißhe Kehr- seite; denn wenn heute der Reichstag den vom Abg. Richter vorge- \{chlagenen Weg gehen follte, um das Anleihesoll aus der Welt zu schaffen, die Einnahmen über die finanz-technischen Grundsäße hinaus im Etat zu erhöhen, so kann das heute der Reichstag thun, bei den nächsten Etatsaufstellungen kann dasfelbe von den einzelnen Ressorts gefordert werden, da kann si derselbe Vorgang vollziehen ; wenn der Reihs-Schaßsekretär erklärt : nah der ordnungsmäßigen Veranschlagung der Cinnahmen können die und die Ausgaben nicht mehr gewährt werden, können nicht mehr Aufnahme in den Etat finden, wird seitens der Ri ssort-Chefs dann der berechtigte Einwurf erhoben werden, man möge “einfach die Einnahmen so hoh anfeßen, daß die geforderten Ausgaben noch gedeckt werden können. (Sehr richtig! rechts.) Also wenn Sie diesen Weg gehen, und ich möchte dies auch gegenüber dem Herrn Abg. Frißen bezüglih der Veranschlagung der Börsensteuer bemerken, dann brechen Sie meines Erachtens der Reichs:-Finanzverwaltung den Rücken. Der Herr Abg. Fritzen sagte gestern, die Börsensteuer sei etwas unvorsichtig veranshlagt gewesen. Jch habe selbst zugestanden, daß es möglih, ja sogar wahrscheinlich ift, daß der Ansay bei der Börsensteuer niht erreicht würde. Aber die Ansäte sind nah demselben Prinzip erfolgt, und wir müssen uns damit trôsten, daß die Mindereinnahmen in dem einen Titel gedeckt werden bei vorsihtiger Veranschlagung durch Mehreinnahmen eines anderen Titels.

Wenn der Herr Abg. Nichter gesagt hat: „wenn wir so fort- fahren, wie es der Herr Schahsekretär will, dann kommen wir apodiktisch zu neuen Steuern“, fo kann ich ihm erwidern: ich wünsche (apodiktisch keine neuen Steuern, und ih werde alle Diligenz daran seßen, um die Forderung neuer Steuern fo lange hinzuhalten, wie nur irgend möglih. (Bravo! rechts und in der Mitte.) Der Herr Abg. Richter is gestern auch auf die Zuckersteuer zu s\prehen gekommen. Meine Herren, für mih hätte die Versuhung auch “sehr nahe gelegen, dieses Thema zu berühren ; aber ich hielt es doch nicht für ganz unbe- denklich, diese Etatsdebatte, die die großen Finanzfragen des Reiches möglichst | vertiefen, die gesammte Finanzlage des Reiches nicht nur hier im Reichstage, sondern auch draußen den Steuerzahlern klar legen foll, in eine Zuckersteuerdebatte zu verwandeln, nahdem wir, glaube ih, zehn Plenarsißzungen über die Zuckersteuer erst im Früh- jahre dieses Jahres gehabt haben. Troßdem zwingen mih die Aus- führungen des Herrn Abg. Richter, mit einigen Worten auf die

Frage einzugehen. Derselbe sagte zunächst, die Erhöhung der Verbrauchs-

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abgaben habe dem Reiche nur eine einzige Million elngedradi: Das war ja beabsibtigt; bei der Erörterung der Zuckersteuer i} von mir ausdrüdcklich hervorgehoben: die Erhöhung der Verbrauhsabgaben soll dem Reiche keine neuen Einnahmen zuführen, sondern lediglich dazu führen, die Prämien im Interesse der Landwirthschaft und Industrie entsprechend zu erhöhen. (Sehr richtig! rechts.) Ferner hat der Herr Abg. Richter sehr absprehend über die Wirkungen des Ge- setzes geurtheilt. Meine Herren, bei der Branntweinsteuer, die si, glaube ich, glänzend bewährt hat (fehr richtig ! rechts), habe ich mir gestattet, erst nach 13 Jahren mir ein abschließendes Urtheil zu bilden; und ih halte es für ein sehr gewagtes Unternehmen, über ein Gesetz, welches erst sechs Monate in Kraft ist, unter dessen Herr- haft cine neue Rübenbestellung noch gar nicht stattgefunden hat denn die Rübenbestellung, die jeßt verarbeitet wird, hat noch vor Erlaß des Gesetzes stattgefunden —, über ein solhes Gese, welches ganz allmählich die Produktion mehr dem Konsum anschließen soll, nah so kurzer Zeit überhaupt ein so absprehendes Urtheil zu fällen. (Sehr richtig! rets.) Auch in Interessentenversammlungen und ih bedauere es wird unter Umständen über das Geseß glatt der Stab gebrochen. Ich frage: Wo liegt denn der Beweis dafür, daß die Senkung der Zuckerpreise die Folge dieses Ge- sezesiff? Im Gegentheil, sowohl die Motive wie die Ausführungen der Vertreter der verbündeten Regierungen find stets davon ausgegangen : es ist gar nicht zu erwarten, daß die Zuckerpreise, wie wir sie im März, April, Mai hatten, bei der zunehmenden Ueberproduktion {ih halten, und weil wir mit Sicherheit aus der allgemeinen Lage der Zuckerproduktion voraussehen müssen, daß die Preise wieder einen erheblihen Tiefftand erreihen werden, deshalb wollen wir die erhöhten Prämien, um einerseits die Inlandspreise zu heben und andererseits unserer Zuckerindustrie den Export zu ermögliGen. (Sehr richtig! rechts.) Der Abg. Richter verfährt meines Erachtens bei den Zahlenangaben, die er gemaht, auch nicht ganz korrekt. Er sagt nämli: die Preise haben 25, 26 M ge- standen, jeßt stehen sie 19 #, das ist die Folge des Geseßes. Der Vergleich hinkt; die Preise haben im März, April, Mai 25—26 # gestanden und jeßt stehen sie 19 4 Wenn man folche Ver- gleiche anstellt, darf man nur die gleihen Monate im Jahre vergleichen, und wir werden einmal sehen, wie die Preise im März, April, Mai künftigen Jahres stehen werden; dann würde eventuell der Vergleich einigermaßen zutreffender sein.

Und dann, meine Herren, die Senkung der Preise: die beruht meines Erachtens in ganz anderen Ursachen als in irgend einer Wirkung dieses Zulkersteuergeseßes. Die Senkung der Preise beruht darin, daß z. B. ein Land wie Schweden, nah dem wir früher einen erheblihen Zuckerimport hatten, jeßt {hon selbs an Ueber- produktion leidet ; ferner darin, daß Oesterreih, welches bei ¡der {lehten Zuderkonjunktur seine Anbauflähen um 28 9% yer- ringert hat, jeßt wieder seine Anbaufläße um 19 0% erhöht hat. Das sind Dinge, die in den Preisen zum Aus- druck kommen müssen. (Sehr richtig! rechts.) Und wenn gesagt wird: ja, das kann nit anders sein bei diesem Zuckersteuergeseßz, das Geseß muß ja auf die Veberproduktion hinwirken, fo wende ih ein : dieses Gesetz kann nicht die Ursache der Ueberproduktion sein für die gegenwärtige Ernte, sondern höchstens für die Ernte, die im nähsten Jahre wachsen wird; dann könnte man vielleiht sagen, das Geseyß wäre Ursache der Ueberproduktion. Aber ih glaube, dazu be- darf es keines Beweises, daß doch jedenfalls die Ueberproduktion größer wäre, wenn dieselbe nicht durch eine Kontingentierung ab- ges{hwäht worden wäre und die Prämien bei den damaligen Preisen in der: bisherigen Höhe geblieben wären, als wenn sie um 1,25 4 erhöht sind und in so erhebliGer Weise die ganze Produktion ein- geshränkt worden ist. Denn das sagt fich jeder Produzent, daß mit jedem Doppelzentner Zucker, den er über das Kontingent herstellt, er den Gewinn an der Prämie si selbs verringert. Und, meine Herren, dié Zuckerindustrie selbs und die betheiligte Landwirthschaft sieht die Entwicklung und die Folgen des Geseßes gar niht so trüb an, im Gegentheil, die ift ganz befonders hoffnungsreih. Seit diesem Betriebsjahre sind zwei neue Fabriken eröffnet worden, vier neue große Fabriken sind im Bau begriffen, vier neue Fabriken stehen in sicherer Aussicht und zehn neue Fabriken werden geplant, von denen ein großer Theil unter allen Umständen ausgeführt werden wird.

Ja, glaubt der Herr Abg. Richter, daß alle die Männer, die in diese Unternehmungen ihr Vermögen \tecken, à tout prix ihr Geld verlieren wollen? Die Klagen über das Zuckersteuergesetz, die jeßt in Vereinsversammlungen hier und da laut werden, tragen alle ein Leit- motiv: es ist der Kampf um das Kontingent. Selbstver- \tändlih, meine Herren, die Fabriken, die sh nicht mehr ausdehnen Fönnen, fürchten eine Ermäßigung ihres Kontingents ; die Fabriken im Norden und Osten, die fich noch erheblih ausdehnen können, auh am Rhein, wo noch große Flächen sind, die mit Rüben bestellt werden können, Hoffen auf eine Erhöhung ihres Kontingents. Das ift eine wirthshaftlihe Entwickelung, die sich weder mit noch ohne Kontingentierung aufhalten läßt, und gerade der Herr Abg. Richter hat \fowohl in der Kommission wie im Plenum des Hauses bei Berathung des Zulersteuergeseßes immer gesagt: ich will die Kontingentierung niht haben, weil ich nicht will, daß irgend eine Landschaft, wo noch rübenfähiger Boden i, daran gehindert werde, auch Rüben zu bauen und Zucker zu produzieren. Jh glaube: er kann sich also jeyt auf die Klagen der betheiligten Fabriken und Interessentenkreise nicht berufen, die lediglich Vorwürfe gegen das Zuckersteuergeseß er- heben, weil fie eine Shmälerung ihres Kontingents durch die Aus- dehnung des Rübenbaues und der Fabriken in anderen Landestheilen fürhten. Der Herr Abg. Richter hat aber \{ließlich einen Vorschlag gemacht, der zwar nicht neu i}, den ih aber doch zahlenmäßig etwas näher beleuhten möchte. Er sagte nämlich zur rechten Seite dieses Hauses: einigen Sie sich doch mit uns, lassen Sie die Prämien einseitig fallen und ermäßigen Sie die Verbrauhsabgabe auf 15 A Ih würde fehr ge|pannt sein, zu hören, wie ih der Herr Abg. Richter die Ausführung dieses Vorschlages denkt. Jch gestatte mir zunächst, den verehrten Herrn daran zu erinnern, daß zwei Drittel unserer gesammten Zuckerproduktion, d. h. 10 Millionen Doppelzentner, bekanntlih erportiert werden. Glaubt nun der Herr Abg. Richter, daß diese 10 Millionen Doppelzentner, auf denen doch ein erhebliher Theil unseres ganzen Zuckerrübenbaues bei uns im Lande beruht, plôößlich durch eine Ermäßigung der Konsumabgabe von 5 M in den inneren Verbrauch übergehen werden? Vom Jahre 1890/91 bis zum Jahre 1895/96 is der Zulerpreis für 100 kg von 37 # auf 21 4 gefallen, also um 16 A Nach den Auffassungen

des Herrn Abg. Richter, sollte man annehmen, müßte infolge dessen

der Konsum im Lande ganz ungeheuer gestiegen sein. Was ift aber ges{chehen? In derselben Zeit ist der Konsum von 10§ auf 11} kg pro Kopf gestiegen, d. h. um 900 000 Doppelzentner, um den zehnten Theil des Quantums, was jeßt exportiert wird und welches dann in den inneren Konsum übergehen sollte, indem man die Verbrauchs- abgabe um 5 M ermäßigte. Nun, ih glaube, was einer Ermäßigung des Zuckerpreises um 16 4 nicht gelungen ist, wird einer Ermäßigung der Konsumabgabe um 5 auch nicht gelingen. Und, meine Herren, ih habe mir auch die Rehnung auf das Exempel gemaht. Wenn ih einen Reichstag fände, der auf diesen Vorschlag einginge, und wenn die Industrie geneigt wäre, diesen Vorschlag zu acceptieren, dann wäre der Reichs-Schaßsekretär aus allen Finanzsorgen auf lange Zeit heraus. Denn ih habe berechnet, daß, wenn wir die Prämien fallen lassen und die Konsumabgabe von 20 auf 15 #6 ermäßigen, der Reichsfiskus eine Mehreinnahme von 131 Millionen haben würde. (Zwischenruf links.) Bitte um Entschuldigung, Herr Abg. Richter, ih folge Ihnen weiter. Also das nehme ich nicht an, daß der Herr Abg. Richter selbst glaubt, diese 10 Millionen Doppelzentner könnten infolge der Senkung der Konsumabgabe in den inneren Konsum übergehen. Dann giebt es nur zwei Möglichkeiten: entweder es gelingt au ohne Exportprämien, diese 10 Millionen Doppelzentner weiter zu exportieren ih glaube das freilih nicht; alle anderen Staaten würden thre Exportprämien aufrecht halten, und unser Zucker würde ohne jede Exportprämie. einfach nicht mehr exportfähig sein oder die zweite Alternative: der Rübenbau muß um zwei Drittel in Deutsch- land zurückgehen, weil zwei Drittel unserer ganzen Zuckerproduktion niht mehr absaßfähig, d. h. niht exportfähig find. Das wäre die denkbar s{chwerste Schädigung, die man überhaupt unserer Landwirth- {haft anthun könnte. (Sehr richtig! rechts.) Jch halte selbstver- ständlih au diesen Weg nicht für gangbar.

Und nun gestatte ih mir noch eine ziemlich ernste Bemerkung. Die verbündeten Regierungen haben nicht einen Augenblick die Frage der Abschaffung der Zuckerprämien aus den Augen gelassen. Ich per- fönlih bin auch der Ansicht, daß durch unsere Prämienpolitik in ganz Europa unsere Zuckerindustrie eine Art Treibhauspflanze ge- worden ist, die den frishen Luftzug der Freiheit niht mehr vertragen kann. (Oho! links; Sehr richtig! rechts.) Das ift aber ein Zustand, den man nit ohne die shwerste Schädigung der Industrie von heute auf morgen ändern kann. Dieser Zustand kann nur geändert werden durch internationale Abschaffung der Prämien, und an diesem Ziel arbeiten wir fortgeseßt. (Lachen links.) Es sind darüber auch in der Presse sehr verkehrte und sehr {chädlihe Nachrichten verbreitet worden. Diese Nathschläge, die uns da gegeben werden, fommen mir vor, als wenn Jemandem, der mit Wogen und Wind {chwimmt und kämpft, vom sicheren Lande aus gute Nath- schläge gegeben werden, wie er {wimmen foll. (Sehr gut! rets.) Die Mittel, die wir zu ergreifen haben, um zur Ab- \chafffung der Prämien zu kommen, können wir selbs nur am besten beurtheilen, wie ich im vorigen Jahre {on hervorgehoben habe, und ich bleibe dabei in dieser Beziehung hat die Zuckersteuer-Novelle hon günstig gewirkt, und ih bleibe ferner dabei, daß, wenn Sie diesem Gese ruhige Entwickelung lassen werden, das Gesey auch die Hoffnungen erfüllen wird, die an *das\elbe ge- knüpft find. (Bravo! rechts.) Meine Herren, auch der Etat der Postverwaltung hat dem Abg. Nichter zu einigen Betrachtungen Anlaß gegeben. Er befindet sich in einem zahlenmäßigen Irrthum, den er mir gestatten wolle, zu berichtigen. Was Ueberschuß der Neichs- Postverwaltung ist das wissen die Herren ja —, is eine sehr bestrittene Frage. (Sehr richtig! rechts.) Objektiv is der Uebershuß der Reichs-Postverwaltung überhaupt nicht zu berechnen, weil sich die Reichs-Postverwaltung in dem bekannten Monopol freien Transports bis zu einem Waggon mit jedem Personenzug für alle Briefe und Gepäcke befindet (sehr rihtig!), weil aber andererseits die Neihs-Postverwaltung au fehr erheblihe Leistungen kostenfrei für das Reih ich erinnere nur an ihre Funktionen bei der sozialen Geseßgebung zu besorgen hat. Wenn man aber die Reinerträge der Reichs-Postverwaltung in der Weise berehnet, daß man die Postbauten von den Ueberschüssen abzieht und außerdem die Zinsen derjenigen Anleihebeträge, die auf der Postgemeinschaft ruhen, so hat die Reichs-Postverwaltung im Jahre 1895/96 einen Rein- übersGuß von 23} Millionen gebracht. Die Zinslast der Post beträgt der Herr Abg. Richter hat sich wohl geirrt in seinen Zahlen niht 11, sondern 3 Millionen. Jch habe aber nit gesagt, meine Herren, daß ih glaube, die Postbauten würden aufhören, und der ganze Betrag, der jeßt im Ordinarium der Postverwaltung eingestellt ist, würde dem Uebershuß zuwachsen können. Jch habe nur die vor- sihtige Erwartung ausgedrückt, daß die Poft jeßt zu einem gewissen Beharrungszustand gelangt und es vielleiht möglich wäre, in Zukunft die Bauausgaben noch weiter einzushränken.

Der Abg. Richter is auch zurückgekommen auf die Frage des 20 Grammgewichts. Ich gestatte mir, hierbei daran zu erinnern, daß der Herr Staatssekretär des Reichs-Postamts die Erhöhung des Einheitsgewoichts der Briefe von 15 auf 20 Gramm an drei Bedin- gungen \. Z. geknüpft hatte. Erstens daran, daß der Weltpostverein das gleihe Einheitsgewicht acceptiere das ist bisher nit geshehen. Zweitens daran, daß die ruralen Bedürfnisse der Post vollkommen befriedigt werden das ist bisher auch noch nicht geschehen. Wir haben heute von dem Herrn Abgeordneten von Leipziger gehört, daß er dankbar anerkennt, daß in dieser Beziehung jeßt mehr für das platte Land geschieht; es muß aber meines Erachtens, um die vielfachen Erschwernisse des platten Landes gegenüber den Städten auszugleichen, noch sehr viel hergegeben werden aus den Einnahmen der Post. Drittens knüpfte der Herr Staatssekretär des Reichs-Postamts diese Konzession daran, daß es die Finanzverhältnisse des Neiches über- haupt erlauben. Meine Herren, wir haben zwar in den leßten Tagen die Finanzverhältnisse des Reiches in einer ziemli rosfigen Beleuchtung gesehen, und ich will keineswegs die freudige Stimmung herab- drücken; aber wenn man eine Schuld von 56 Millionen hat, wenn man mit anderen Worten eine Masse Ausgaben, die man aus dem Ordinarium decken müßte, auf Schulden nimmt, dann kann man von einer glänzenden Finanzlage noch niht sprehen. (Sehr rihtig ! rechts.)

Ich glaube auch wirklih, diese Frage wird über ihre Wichtig- keit behandelt. Kaufleute {hreiben auf sehr dünnem Papier und fönnen auf 15 Gramm Papier schr große Geschäfte abschließen; auch für den intimeren Gefühlsverkehr, wenn man nicht auf Pappe \reibt, genügen 15 Gramm. Auch auf 15 Gramm Papier kann man sehr

viele und sehr innige Gefühle ausdrlicken. (Heiterkeit.)

“J komme zu den Telephongebühren. Ih freue ih,

in dieser Beziehung den Ausführungen. des Abg. Richter einig entgegenkommen kann; ih habe keine Bedenken, dem Wunsche der Reichs-Postverwaltung zu genügen, daß im Vorortverkehr die Telephongebühren entsprehend herabgeseßt werden. Ebenjo stehe ich dem Postzeitungstarif gegenüber. Jch meine allerdings, die Post muß solche Geschäfte lediglih als Transportanstalt betrachten und die Gebühren des Zeitungstarifs wie andere Gebühren lediglih nah ihrer Leistung bemessen. Jh kann dem Herrn Abg. Richter auf seine gestrige Anregung hin versichern, daß jeyt zwischen dem Herrn Staat?4 sekretär des Reichs-Postamts und mir vollkommene Uebereinstimmung in dieser Beziehung besteht und wahrscheinlich in Folge dessen ein entsprehender Geseßentwurf, betreffend den Postzeitungstarif, Ihnen vorgelegt werden wird.

Auch den Militär-Etat hat der Herr Abg. Richter mit einigen Worten gestreift. Zunächst hat er es bemängelt, daß wir einen Etats- posten für die Verstärkung der Naturaltienreserve des Heeres eingestellt haben. Ich gestatte mir aber, den Herrn Abg. Richter daran zu erinnern, daß diese Einstellung ja auf seine eigene Anregung erfolgt ist. (Sehr rihtig! rechts. Hört, hört!) Der Herr Abg. Richter monierte es meines Erachtens vollkommen richtig, daß die Reichs-Militairverwaltung aus Fonds, die zu ganz anderen Zwecken bestimmt seien, über die etatsmäßigen Bewilligungen und über das Etatsjahr hinaus Naturalien einkauft. Ich trete den Urkundenbeweis an. Der Herr Abg. Richter sagte nach dem Protokoll der Budget- kommission :

„Abg. Richter hält es nicht für zulässig, daß Betriebsfonds in Naturalienfonds umgewandelt würden. Jeder Fonds müsse seinem Zweck erhalten bleiben.“

Es heißt dann an einer anderen Stelle:

„General-Major Freiherr von Gemmingen: Die Sache ift hier {hon erörtert worden. Wir müssen die vorhandene Reserve, die unverantwortlich niedrig ist, erhöhen und folgen nur der hier gegebenen Anregung. Neue Bestände sollen nicht angeschafft werden“. Abg. Richter: „Vorausbeschaffungen sollen also aus diesem Fonds bestritten werden. Der Gedanke ist ihm sym- pathisch, er kennt aber den Wortlaut der Limitierungy niht. Wir entnehmen das Geld aus Anleihemitteln, und aus \olhen Betriehs- mittel zu beschaffen, ist nicht rihtig, namentlich unter den augen- blicklihen Verhältnissen.“

Nun, meine Herren, in diesem Etat und im vorigen ist das Geld niht aus Anleihemitteln entnommen. Das Geld steht vielmehr im Ordinarium und wird aus den ordentlihen Einnahmen entnommen. Wenn der Herr Abg. Richter es also seinerzeit für unrihtig hielt, die Naturalien des Heeres zu beshaffen aus sonstigen allgemeinen Fonds, fo dürfen sie selbstverständlih auh niht aus sonstigen Resten- fonds beshafft werden, die für andere Zwecke bestimmt sind. Jch glaube deshalb, er kann über diesen Ausgabetitel ein Monitum kaum ziehen.

Der Herr Abgeordnete hat ferner hervorgehoben, daß seitens der Reichsverwaltung in der Budgetkommission erklärt worden wäre, es sollten jedes Jahr nur 20 Millionen zu Kasernenbauten verwendet werden; in diesem Etat wären aber 26 Millionen ausgeworfen. Auch diese Behauptung kann ich für rihtig nicht halten. Jch glaube, der Herr Abg. Richter hat hier die Kasernenbauten nicht getrennt von den anderen Bauten. Für Kasernenbauten sind in diesem Etat nur 17 Millionen angeseßt. Ferner hat der Herr Abgeordnete bei Ge- legenheit des Neihs-Marine-Etats gemeint, ih hätte die Belastung des Reichs-Marine-Etats in diesem Etatsentwurf zu günstig dargestellt gegenüber dem gegenwärtigen Etat. Das ist nicht richtig. Jh habe nur von den Schiffsbauten, ihrer Armierung und der Torpedo- Armierung gesprochen.

Jch halte es für ganz überflüssig und auch nicht für recht, in Finanzangelegenheiten Geheimnißkrämerei zu treiben, Zahlen zu ver- \chweigen, die sih jeder selbs ausrechnen kann. Wenn der Herr Abg. Richter den Marine-Etat durhblickt, wird er finden, daß der Marine-Etat ifán Ganzen mit 99 Millionen für die Zukunft belastet wird. Würde hierzu noch der Bau des Reichs - Marineamts treten, \so würde die Zukunftsbelastung 102 Millionen betragen. Den Bau des Reichs-Marineamts halte ich aber für unbedingt nothwendig. Ich habe die Frage sehr eingehend geprüft, weil ih großen Bauten im Reich persönlich sehr wenig sympathish gegenüberstehe; ih habe mich jedoch überzeugen müssen, daß es für eine Behörde, wie das Marineamt, eine arge Belästigung des Dienstes is, in drei vershiedenen Gebäuden vertheilt zu sein, und ih habe mi ferner überzeugt , daß die Bureaux des Reihs-Marineamts in einer Weise untergebraht sind, die eigentlich länger niht verantwortlich ift; wir stehen deshalb vor der Frage, entweder ein sehr theures Mieths- haus zu miethen, oder einen Neubau in Aussicht zu nehmen. Bei einem Meiethshaus aber, in dem noch andere Personen wohnen, liegt do eine große Gefahr vor, so wichtige Akten, wie sie die Reihs- marine zum theil doch hat, unterzubringen. Jch halte das in der That, in Uebereinstimmung mit dem Herrn Staatssekretär des Reichs- Marineamts, für unzulässig. Diese Erwägungen haben mich bewogen, der Forderung des Reichs-Marineamts nachzugeben und den Bau eines Reihs-Marineamts als durchaus nothwendig anzuerkennen.

Nun gestatte ih mir dem Herrn Abg. Richter gegenüber eine Swlußbemerkung. Er is gestern auf eine Nede von mir zurück- gekommen, die ich bei Gelegenheit der Zuckersteuer-Debatte gehalten habe. Meine Herren, ih bemühe mich stets in diesem Hause, fo sahlich wie nur irgend mögli zu sein. Jch bin der Ansicht, daß Nanküne bei der Behandlung öffentliher Angelegenheiten entweder ein Zeichen schwacher Nerven oder verleßter Eitelkeit is, Wenn ih aber damals dem Herrn Abg. Richter in scharfer Form gegenüberzutreten genöthigt war, fo wird er sich aus den stenographischen Verhandlungen überzeugen, daß das nur eine Antwort war auf scharfe Angriffe gegen- über den verbündeten Regierungen. Ich bin aber nicht geneigt, \o lange ih an dieser Stelle stehe, derartige Angriffe auf die verbündeten Regierungen zum Schaden ihrer Autorität unerwidert zu lassen. (Bravo! rets.) 1): Auf bie ‘von ven Al E

a e (n u e von dem nein inielbelten will s niht e fageren. Schon der Staats- sekretär hat nachgewiesen, daß der Abg. Richter manhmal etwas prophezeit hat, was nicht eingetroffen is. Die Sage E des é und die Etatsaufstellung verdient niht eine so abfä ige Kritik. baben in den letzten Ade keine neuen Schulden, wen A

Q ations\hulden gemacht. Wenn wir in den leßten ren nur ne O Anlei Hen q g ehabt haben, so ist das eine d er

li e Entwilung. ngs werden für das nächste Jahr 57 Millionen Aoleibe vorgeschlagen; aber es is niht zu befürchten, daß diese etats-