1916 / 255 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 28 Oct 1916 18:00:01 GMT) scan diff

érstatte. Das Krieg8ministerium kann das für öffentliche Wohlfahrtsanstalten, abriten usw. unentbehrliche Personal vom Militärdienst befreien.

Griechenland.

Der Admiral Fournet ist vom König in einer langen Audienz empfangen worden und gab, wie der „Secolo“ meldet, dem König Erklärungen zu den Maßnahmen, die zur Sicherung der Ordnung in Athen getroffen worden find. Nacheinander erschienen sodann die Gesandten der Entente beim König. Der englische Gesandte stellte den Antrag, die griechischen, als Revolutionäre verhafteten Offiziere aus der Haft zu entlassen.

Amerika.

Das amerikanische Kriegsdepartement teilt, dem „Reuterschen Bureau“ zufolge, mit, es habe die sichere Nachriéht erhalten, daß Gegner der Politik der Re- gierung gegenüber Me x ik o mit Villa und anderen Banditen einen “Scheinangriff auf die amerifanischen Truppen -an der Grenze oder auf eine Grenzstadt vor Beginn der Präsidentenwahlen verabredet hätten, um Stimmung gegen die Regierung zu machen. Das Kriegsdepartement habe die amerikanishen Kommandanten an der Grenze, deren Truppen in Bereitschalt gehalten würden, von den Einzelheiten in: Kenntnis gesezt. Der Staatssekretär Lansing, erklärt, in der Nachricht an das Kriegsdepartement sei nicht gesagt worden, daß Amerikaner an dem mexikanischen Komplott be- teiligt seien. An maßgebender Stelle glaube man, daß mexi- kanische Jnteressen in den Vereinigten Staaten für die Ver- shwörung verantwortlich seien.

Der ftanadishe Premierminister Borden sagt in dem Aufruf, den er an das kanadische Volk zu erneuter Anstrengung für die Stellung von Freiwilligen zum überseeischen Militär- dienst Und. zu verstärkter Kraftentfaltung und Steigerung der heimischen Produktión erlassen hat, wie bereits kurz mitgeteilt :

Der Höhepunkt des Krieges ist in rasdem Anzuge. Die letzten 100.000 Mann, die Kanada in die kämpfenden Reihen stellt, können in dem Kampfe auss{laggebend werden, dessen Ausgang über die Herrschaft in _unvsèrem Reide und in der ganen Welt entsGeiden wird. Sett Anfang des Krieges haben fch in Kanada über 370 000 Mann in die Listen eintragen lassen, 250 000 sind über See gegangen und mehr als 200 000 stehen in der Schlochtreibe. Für die erjten 10 Monate diéses Jahres erreicht die Zahl der Avdgesh!ckten an- nähernd 141 000. Vom 1. Januar bis zum 15. April dieses Jahres beiruzen die Eintragungen in die Listen fast 1000 am Tage. Während der leßten vier Monate haben die Eintraguogen stark abgenommen, und in Voraussichr kommenden Bedarfs ist es jetzt an der Zeit für

diefen Aufruf.

Dié „Daily News“ melden, daß Kanada die norwegi- sche Handels flotte wieder aufbauen wolle. Verhand- lungen darüber würden son seit einiger Zeit geführt und es seien vorläufig Kontrakte für den Betraa von 700 000 Pfund zustande gekommen. Es werde über Schiffshauten für einen Betrag von insgesamt 4 Millionen Pfund Sterling verhandelt und es bestehe die Absicht, die Werftanlagen zu vergrößern. Die kanadische Regierung habe die Pläne gebilligt und werde ihre Dur@führung auf jede möglihe Weise unterstützen.

f Ma Australien.

Nach einer Meldung der „Times“ haben sih die der Arbeiterpartei angehörenden Minister von Neusüdwales von der Arbeiterpartei, die gegen die Dienstpflicht ist, losgesagt. Der Premierminister und andere Führer haben beschlossen, im Parlament eine neue nationale Partei zu bilden, zu deren Programm u. a. die Fortsezung des Krieges und soziale Re- formen gehören.

YVarlamentsbericht.*)

Deutscher Reichstag. 67. Sißung vom 26. Oktober 1916.

Nachtrag.

Die Rede, die bei Beratung der zur auswärtigen Politik gestellten Anträge in Erwiderung auf Aus- führungen der Abag. Dr. Gradnauer (Sogz.), Haußmann (Fortschr. Volksp.), Dr. Stresemann (nl.) und Kreth (dkons.) der Stellvertreter des Reichskanzlers und Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. Helfferich gehalten hat, hatte folgenden Wortlaut: :

Meine Herren! Wenn ich noch einmal um das Wort gebeten habe, so ist es nicht gesehen, um dem Herrn Vorredner auf das Gebiet des parlamentarishen ‘Negimes zu folgen, denn die Anträge, wie sie vorliegen, der Kommissionsantrag sowohl wie der Antrag der Herren Konservativen, habew mit dem parlamentarischen Regime nah meiner Auffassung nicht das mindeste zu tun. (Sehr ribtig! links. Zuruf rechts.) Jch weiß, der Herr Abgeordnete Kreth hat die Dis- füsswón nit begonnen, aber er hat sie fortgeseßt. Jch meinerseits wünsche nicht, diesen Weg weiterzugehen, habe vielmehr um das Wort gebeten, weil mir in Fragen, die unsere Verfassung berühren, die außerste Klarheit notwendig erscheint, und weil es erforderlich ist, von vornherein Mißverständnisse in solchen Fragen zu vermeiden. Jch ‘habe aber in: den Reden der Vorredner doch dies und jenes ge- bört, wás mir nah einem Mißverständnis klang.

Ich darf dabei eine kleine Bémerkung voraus\hickten. Einige der Herren Vorredner haben bei meinem Herrn Kollegen vom Aus- wärtigen Amt und mir die Begeisterung vermißt, mit der wir uns zu den Anträgen hätten äußern sollen. Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen, der sachlich über die Anträge gesprochen hat, hat aus- drüdcklih festgestellt, daß die Tendenz der vorliegenden Anträge sich mit den Wünschen der Neichsleitung begegnet, daß wir die Vorteile der Aufrehterhaltung eines engen Konnerxes mitdem Neichs- tag auch während der Vertagungsdauer in diesen außerordentlichen Kriegszeiten durchaus zu würdigen verstehen, und ich glaube, es fann uns niemand den Vorwurf machen, daß wir von diesen Vorteilen nicht den ausgiebigsten Gebrau gemacht hätten. Wir sind bereit, die Formen, in denen bisher auch während der Vertagung die Fühlung stattgefunden hat, nah den Wünschen umzuwandeln, wie sie wohl in der: Gesamtheit des Reichstags bestehen. Diese Formen bestanden bishér in freieren Besprechungen mit den Fraktionsführern. Wenn der Reichstag abet wünscht, daß diese Besprehungen in Zukunft mit der Budgetkommission stattfinden sollen, so haben wir erklärt, daß wir

*) Ohne Gewähr, mit Ausnahme der Reden der Minister und Staaltsselretäre.

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diesen Wünschen gern Rechnung tragen werden. Aber, meine Herren, ih perfönlih habe über die Frage ter staatsrechtlihen Grundlage dieser Anträge gesprochen, und staatsrechtlibe und Verfassungs - fragen, Fragen der Auslegung der- Verfassung sind niht mit Be- geisterung zu behändéln, sondern mit dem Verstand.

Was nun das Verhältnis der Anträge zur Vérfassung betrifft, so scheint mi der ‘Herr Abgeordnete Kreth doch mißverstanden zu haben. Jch glaube deutlih genug zum AusdruX gebracht zu haben, daß i angesichts der verfassungsrehtliden Lage dem Antrag der Kon- servativen den ‘Vorzug vor dem Antrag der Kommission gebe, weil in dem Antrag der Konservativen ausdrüdlih der Wuns aus-

gesprochen ift, daß- die Einberufung des Haushaltsausscusses auf dem.

verfassungösmäßigen Wege verwirklicht werden mödte.

Zu dem Antrag der Kommission möchte ih bemerken, daß dieser Antrag. dahin lautet: Dèr Reichstag ermächtigt den Ausschuß für den Neichshaushalt, . . . während der Vertagung zusammenzutreten. Jn Verbindung mit. der Interpretation, die der Herr Abgeordnete Gröber gegeben hat, Tommt er \saclich auf dasselbe hinaus wie der konservative Antrag; denn der Herr Abgeordnete Gröbet hat ausgesprochen, daß mit der Annahme dieses Antrags durch den Reichstag für fi allein noch kein Recht geschaffen wird, daß dieser Antrag noc- nicht genügt, um die Kommission während einer ' Vertagung durch den Kaiser zu- fammentreten zu lassen. Ic glaube, darin ist sih das ganze Hâàus wohl einig, daß an sih die Annahme dieses Antrages nicht genügt, um die Möglichkeit zu schaffen, daß die Kommission während einer durch den Kaiser erfolgten Vertagung zusammentritt, (Sehr richtig!) Darüber besteht kein Mißverständnis, und mit dieser Interpretation, wenn sie festgelegt wird, wie 1d es hiermit tue, ist wohl ein tolerari posse geschaffen, obwohl zweifellos der tonsfervative Antrag den Vor- zug verdient.

Der Herr Abgeordnete Dr. Stresentänn hat gesagt, er habe mit rèét verstanden, ob: ich mich dahin ausgesprochen hätte, daß Tagungen des Hauptausschusses des Reichstags nur während des Krieges er- wünscht seien und nicht darübet hinaus. Auch hièr möchte i, wenn meine Auffassung auch Jhren Wünschen nicht entspricht, keinen Zweifel lassen. Jch habe. deutlich gesagt: wenn die Vertagung dur den Kaiser ausgesprochen wird, so beendet sie die Arbeiten des Reichstags; die Vertagung scließt die Arbeiten zwar niht ab wie der Sessionss{luß, der alle Anträge und Vorlagen erledigt, vielmehr können beim Zu- sammentritt des Reichstags nah der Vertagung die verschiedenen Ar- beiten dort wieder aufgenommen werden, wo sie vor der Vertagung stehen geblieben waren. Aber immerhin ift bei der durch den Katser ausgesprochenen Vertagung die Sachlage so, daß der Reichstag in seiner Gesamtheit, also Plenum und“ Kommissionen, ihre Arbeiten einstellen. Von diesem normalenw Fall kann man aber Ausnahmen machen und sind gelegentlich Ausnahmen gemacht worden. Zu einer \folhen Ausnahme sind wir auc jeßt bereit. Aber aus staatsre{cht- lihen und praktisden Gründen möchte ich vor weitergehenden Wünschen warnen. -Wir können in Friedenszeiten nicht dazu kommen, daß die Kommissionen während.dær Vertagung thre Arbeiten fortsezen. (Widerspru bei den Sozialdemokraten.) Wir

fönnen nidt als Regelfall-dazu fommens+ es kann nur in bestimmten

Fällen geschehen, und in solchen bestimmten Fällen muß auf Grund eines besonderen sachlichen Bedürfnisses eine Einigung zwiscben Reichs- leitung und Reichstag vorausgehen. Wenn die Vorausseßungen vor- liegén, dann werden wir uns von: Fall zu Fall über die Notwendigkeit der Fortseßung der Kommissconsarbeiten während der Vertagungbdauer einigen. Ich möchte mib aber bestimmt und - unzweideutig gegen Wünsche aussprechen, die dahin gehen, daß in allen Fällen bei einer dur den Kaiser ausge»rohenen Vertagung die Kommissionen ohne weiteres ihre Arbeitere fortseßen.

68. Sizung vom Freitag, 27. Oktober 1916, 3 Uhr.

Am Bundesratstische: die Staats\sekretäre Dr. Helfferich, Dr. Lisco, Graf - von Roedern.

Erster Vizepräsident Dr. Paa sche eröffnet die Stßung um 314 Uhr. ;

Das Andenken des verstorbenen Abg.. Hofrichter- Cöln (Soz.) ehrt das Haus durch. Erheben von-den Pläpen.

Auf der Tagesordnung stehen zunächst Anfragen.

Die Abgg. Frhr. v. Richthofen, Dr. Riesser und Noland-Lücke (nl.) fragen:

„Im Jahre 1914 hat der Herr Staatssekretär des Auswärtigen im Haushaltsaus\huß des Neichstages gewisse Neformen bestimmt in Aussicht gestellt, welche betreffen:

1) die Vereinheitlibung der Prüfung der Anwärter auf den Konfular- und diplomatischen Dienst; |

9) auf eine erbeblihe Erweiterung der Prüfungs8gegenstände;

3) die Zuziehung von zwei Vertretern des praktischen Wirt- \chaftslebens zu den Eraminatoren.

Ist eine dieser Reformen bereits durbgeführt und ist der Herr Meichskanzler gewillt, unter Vorbehalt grundlegender Re- formen nach Kriegsbeendigung, die oben erwähnten Reformen, soweit dies noch nicht geschehen, auch während des Krieges zu verwirk- lichen?"

Unterstaatsfekretär im Auswärtigen Amt Zimmermann: Um die Prüfung zum Zweck der Zulassung. zum diplomatischen und fonfularischen Dienst im Sinne des Neichstagsbeschlusses auf eine ein- heitlihe und breitere Basis zu stellen, sind nah Verabschiedung des Neichshaushaltsplanes für 1914 alsbald die erforderlichen Negulative für die Zulassung der Prüfung, für die Prüfung selbst und für die Zusammenseßung der Prüfungskommission ausgearbeitet worden. Dabei ist namentlih auch auf die Hinzuziehung von Vertretern des praktishen Wirtschaftslebéns zu der Prüfungskömmission Bedacht genommen. Die neuen Bestimmungen könnten jederzeit in Kraft gesebt werden, und zwar nötigenfalls auch {on während des Krieges, sobald sih ein Bedürfnis dafür ergibt. Das it allerdings noch nicht der Fall gewesen. (Heiterkeit und Zurufe.) Bitte, meiñe Herren, dem vorhandenen Personalbedürfnis des diplomatischen und konfula- rischen Dienstes wird einstweilen durch die aus dem feindlichen Aus- land freigewordenen Beamten genügt, so daß Neuanstellungen vor- läufig nicht erforderlich sind. - Die etwa prüfungsreifen Anwärter aber stehen zurzeit im Felde. Wenn so der Krieg auch hier die praktische Durchführung neuer Einrichtungen verzögert hat, hai er uns anderer- seits sehr wertvolle Erfahrungen machen lassen, an denen man auch in der Frage der Ausbildung der Anwärter für den diplomatischen und fonsularisen Dienst nit vorübergehen kann, und die bei: der künfti- gen grundlegenden Reform ernste Berücksichtigung verdienen. Die bisherigen Vorarbeiten werden daher noch einer eingehenden Nach- prüfung unterzogen.

Abg. Dr. R i eser fragt:

„Die. aktiven und pensiomerten Neichs- und Staatsbeamten, insbesondere die mittleren und unteren Beamten find ungeachtet der gewissen Beamtenklassen bereits gewährten Teuerungszulagen durch die dauernd fortgeschrittene Verteuerung der Lebensmüttel und

der übrigen Gegenstände des täglichen Bedarfs nah allen Grmitks lungen- und Mitteilungen in schwere Bödrängnis geraten.

Was gedenkt der Herr MWeichskanzler unter diesen Umständen zu tun und bei den Bundesstaaten zu veranlassen?"

Direktor im Reichsschaßamt Dr. Sr ö dar: Im Hinblick auf die infolge des Krieges eingetretenen außergewöhnlihen Teuerungs- verhältnisse hat-die- Reichsleitung mit Wirkung vom 1. Oktober 1915 den geringer besoldeten Beamten laufente Kriecgsbeihilfen gewährt, Diese e wogen der gesbeigerten Unkosten der Lebenshaltung nah der Höhe der Säße und nah dem Umfang des Teilnehmerkreises fort= oeseßt ausgebaut worden. Insbesondere hat die Negelung zum 1. Juli 1916 den beteiligten Beamten wesentli Erhöhungen der Beihilfen gebraht. Die Maßnahmen sind im jedesmaligen Einvernehmen mit der Königlich preußischen Regierung erfolgt und sind den übrigen Bundeöregierungen zur. Kenntnis gebrachbt worden. Die Angelegen- bert ift aber hiermit nit als“ abgeslossèn ángesehen worten. Es \hwebèn vielmehr béreits seit oiniger- Zeit“ Erroägungen; inwieweit mit Rücksicht auf die weitere Verteuerung der notwendigsten Bedarfs- gagenstände eine: Neuregelung der Grundsäße über die Gewährung von Kriegsbeihilfen zugunsten der Beamten zu etfolgên haben wird. Für die 1m Ruhestand "lebenden Beamten würde eine Negolung von glätben Gründsäßen nicht den gewünschten Erfolg-herbeifthren. (Gs istt deshalb im Etat der Allgemeinen Finanzverwaltung für 1916 beù Kapitel. 14 der eikmaligen Ausgaben ein einmaliger außerordentlicher Zuschuß von 1,5 Millionen Mark zu dêm entsprechenden Unker=- \stüßungéfonds aller Reichsverwaltungen ausgeworfen, um unter- stüßungsbedürftigen- Rubegehaltéempfängern und deren. Hinterblie- benen im evböhten Maße über eine rourt\chaftliche Bedrängms hinmiege belfen zu können.

Aba. Keinath (nl.) fragt:

„In einer Anzahl von Vêrordnungen werden über den- Hartide! und Berkehr mit „Gegenständen des täglichen Bedarfs“ : und „Gegenständen des notwendigen Lebensbedarfs“ Bestimmungen ge- troffen, niht. nur über die Preisbuldung, fondern. auch über -die Form des Handelsverkehrs, über Paküngen u. dergl; Zuwiderhänd- lungen werden mit erheblichen Geldstrafen und Gefängniéstrafen bedroht.

Gn den Handels- und Gewerbekreisen bestebt allgemein Un- sicherheit darüber, wàs zu Len Gegertständen des täglichen Bedarfs und des notwendigen Lebensbedarfs gehört, da weder die gerichts liben Gntshêidungen noch* Anfragen boi den Verwaltuttgsstellen Klarheit geben und auch die Anwendung der Verordnungen dur die stellvertretenden *Gerierafommandos8 ‘eiñe * vershitdenartige ift.

Was gedenkt der Herr Reichskanzler zu tun, um

1. eine möglidste Kläruncks der Nechtslagèé durch eine Auts- legung der genannten Begriffe herbeizuführen und

2. ein einbeitlide Afendung! ter Verordnungen in Hinsicht sicherzustellen?“

Direktor im Reichsamt des Jnnern Müller: Der în. mêéh. reren Bunbesratsverordnungen verwendete Begriff „Gegenstände des täglicben Bedarfs“ ist dem § 1 des Geseßes, betreffend Höobstprèise, von 4. August 1914 (Neichs-Geseßbl. Seite 339) entnommen, Nach dem Zwecke dieser Vorschrift wie aub der Bundesratsverotdnungen muß der Begriff eine möglichst weite Auslegung erfahren, er joll alle Gegenstände umfassen, die, mie inébesondere Nahbrungs- und Futtérmittel, Heiz- und Leuchtstoffe, volkétüm"icke Genußmittel und Bestandteile der bürgerlichen Kileidung, die täglihen Bedürfnissen weiterer Bevölkerungskreise zu befriedigen dienlich sind. Nicht unter den Begriff der Gegenstände des täglichen Bedarfs fallen hingegen Waren, die nur dem Bedürfnisse einzelner zu genügen bestimmt sind, insbesondere solche, die dem Luxus dienen. Det Begriff der Gegen- stände des notwendigen Lebensbedarfs, der den Bestimmungen über die Preisprüfungsstelle zugrunde liegt, ist ein engerèr, er umfaßt nur

jolhe Sachen, deren die Bevölkerung zum Leben notwendig bedarf,

—afo zx B-- nicht Futtermittel: Es—tst-der Reichsleiturg ht ette"

gangen, daß hinsibtlich gewisser Warengattungen, insbefonderè Bints- sichtlich feinerer Gewebe, Papierwaren und dergleichen, die Beurteilung er Frage, was als tägliher Bedarf und notwendiger Lebensbedarf anzusehen ist, si in der Praxis der mit der Handhabung der Vor- schriften betrauten Behörden Sichwvierigkeiten und Meinungsverschie- denheiten ergeben haben. Diese Ünzuträglichteiten dur eine \chärfere Umgrenzung der Begriffe zu bebeben, wird bei der Mannigfaltigkeit der 1n Betracht kommenden Waren, fowie bei der Verschiedenartigkeit und dem \chnellen Wechsel hrer Verwendbarkeut nit moglich sein. Welche Waren den Verordnungen unterliegen, wird, wie immer die Begriffe bestimmt fein mögen, im wesentlichen Tatfragen fein, und mithin der Entscheidung der zuständigen Behörden überlassen bleiben müssen, Jeder Versuch einer engeren Begrenzung der Begriffe würde die Wirksamkeit der im-Interesse der gesamten Bevolkerung erlassenen Vorschriften ‘in erheblicher: Weise beeinträchtigen und ihre Umgehung fordern. Cine Auslegung des-Begriffs „Gegenstände des täglichen Be- darfs“ hat das. Neichsgericht bereits in einem Urteil vom 12. Mai 1916 mit folgender Ausführung“gegeben: „Es ist mögli, daß Gegen- stände, dia früher nur als Luxusartikel dem seltenen Genuß und nit dem täglichen Bedarf dienten, ‘unter verändetten Umständen zu all- gemein gebrauchten Nahrungsmitteln werden “und ebenso“ umgekehrt. Im übrigen beschränkt fich § 5. Nr. 1 der Verordnung. vom 23. Juli 1915 nicht auf Nahrungsmittel im engeren- Sinne, sondern kann auch reine Genußmittel betreffen, fofetn* diese nur Gegenstände des täg- lichen Bedarfs geworden sind. Daß dabei ein tagtäglicber Bedarf für jedermann vorausgeseßt wird, - ift Jelbstverständlih. Die: Gegenstände müssen nur folcbe fein, für die in der Gesamtheit des Volkes täglich ein Bedürfms vorliegen kann, das Befriedigung heisht. Auch Nah- rungs- und Genußmittel von feinerer Zubereitung, die vorwiegend von den begüterten Kreisen des Volkes begehrt werden, gehören hierher, wenn sie in diesen Kreisen dem . tägliben Bedarf 1n obengenanntem Sinne dienen. Preiswucher is gegen Arme und Reiche in gleicher Weise verboten. Nur ausnahmsweise genommene Leckerbissen (die eigentliden Lurußgartifel) können mit zu den Gegenständen des tag- lichen Bedarfs gezählt werden.“ Die Zentralbehörden haben bet ge- legentlihem Antraae den Begriff in einer dem Urteil entsprechenden Weise erläutert. Das Urteil und die von dew Zentralbeböorden er- teilten Auskünfte sind in dew Mitteilungen der Reichsprüfungsstelle für Leben&mittelpreise veröffentliht worden. Eine weitere Auf- klärung durch entsprehende Veröffentlihungen des Kriegbernährungs- amts 1} beabsihtigt. Man wird deshalb erwarten können, daß im Laufe der Zeit in der Praxis der Behörden, insbesondere der Gerichte, die in den Kreisen der Interessenten jeßt noch vermißte Klarheit ge- wonnen werden wird.

Abg. Bassermann (nl.) fragt:

„In Portugal ist deutshes Eigentum mit Beschlag belegt worden. Jst der Herr Reichskanzler in der Lage ünd bereit, nähere Mifteilung hierüber zu machen?

elche Gegenmaßhnahmen hat der Herr Reichskanzler ge- troffen?“

Direktor im Auswärtigen Amt“ Dv, Kriege: Die Pportu- aiesishe Regierung hat in ihren Verordnungen vom 20. und 23. April d. J. jeden Handel mit Deutschland verboten und außerdem die zwangs- weise Sequestrierung und Verwaltung allen beweglichen und unbeweg- lichen deutschen Eigentums angeordnet. Die portugiesishen Behörden sind über diese, Maßnahmen noch hinausgegangen, indem. sie in ver- schiedenen Fällen deutsches Eigentum zwangsweise verkauft und es dabei mehr oder weniger vershleudert haben. Deütscherseits ist da- gegen nachdrücklicher Protest erhoben worden, der zunächst zur Ein- stellung der Zwanasverkäufe fühtte: doch würden diese auf Grund der Beschlüsse der Pariser Wirt|chäftskonferenz_ wieder aufgenommen, ohne daß der dagegen - nohmals eingelegte Protest bisher Erfolg ge- habt hat. Weiter hat die -deutshe Regierung alsbald nah dem Bekanntwerden_ der Pportugiesisben Nerotbquitg den Weg der Vergeltung béschritten. le zu diesem Zwecke vèr- öffentlihte Bekanntmächung des Herrn eidéfanzlers vom 14, Mai -diéses- Jahres bestimmt, däß Zahlungen nah Portugal verboten sind, daß portugiesishes Vermögen in Deutschland der Anmeldepflicht und der Sperre unterliegt, sowie daß povtugiesischt

Unternchmungen în Deutscbland unter Zwangsvetwaltung gestellt werden können. Wogen der Liquidierung portugiesisew Bermögens in Deutschland hat sih- die Neichsleitung ihre Entschließung bis zu dem Zeitpunkte vorbehalten, wo sich das Ergebnis ihres leßten Pro- testes übersehen läßt.

Aba. Schi ffer- Magdeburg (nl.) fragt:

„In Spanien ist wegen- der Versenkung von Frachtschiffen dur deutshe U-Boote eine gewisse Erregung entstanden, obgleich diese Maßnahme fih durchaus 1m Rahmen der völkerrechtlichen Be- stimmungen hält:

Ist der Herr Reichskanzler in der Lage, darüber Mitteilung zu machen, ob die Königlich spanische Regierung wegen dieser Ñor gänge vorstellig geworden ist, und wenn dies der Fall gewesen ist, welche Antwort rhr gegeben wurde?“

Unterstaatéssekretär Zimmermann: Am 26. September d. J. übergab der spanische Botschafter im Auftrage seiner Regierung dem Auswärtigen Amte eine Protestnote wegen der Versenkung des nach Liverpool bestimmt gewejenen spanishen Dampfers „Luis Vives“. Der Fen wurde damit begründet, daß dèr Dampfer aus\cließlich mit Früchten (Zwiebeln und Trauben) beladen gewesen fei. Außer- dem rictete si der Protest gegen die der Schiffahrtsbesaßung angeb- lih ZutKil gewordene Behandlung. Der \panishe Botschafter wurde zunächst mündlih darauf hingewiesen, daß die Versenkung des Schiffes 1m regelrechten Kreuzerfrieg. erfolgte, gemäß der von der spanischen Ne- gierung mitunterzeichneten Londoner Veklaration und unjerer bekannt- gegebenen Prisenordnung. Sodann wurde Herrn Polo de Bernabe unter dem 19, Oktober \chriftlich mitgeteilt, die zuständigen deutschen Marinebehörden seten mit einer gründlichen Prüfung der Angelegen- beit befaßt, die baldigst beendet fein würde. Inzwischen war der spanische Botschafter ebenfalls im Auftrage seiner Regierung auf die rage der Behandlung spanischer Dampfer mit aus\cltießlicher Frucht- ladung generell zurückgekommen und hatte betont, daß durch die Ver- hinderung des Abtranéports der spanischen Fruchternte Spanien etn \chverer Schadé zugefügt rwoürde. Tausende von Familien, die von der FrüchteÞproduktion lebten, würden ins Elend gestürzt und ganze Probingew ruinièrt. Daraufhin hat die Kaiserliche Regierung nah Benehmen mit dem. Admiralstab der Vlarine die spanische Regierung dur dèn: Kaiserlichen Botschafter in Madrid wissen lassen, wir seten mit Nücksicht auf die ärmere Bevölkerung Spaniens bereit, bis auf weiterès bei spanischen Fruchttransporten nach England in jedem Ginzelfall die aus\cblicßlihe Fruchtladung des Dampfers durch unsere Botschaft bezw. unser€ Konsulate in Spanien feststellen zw lassen und zutreffenden Falls dem Kapitän einen Geleitsbein auszuhändigen, den unsere Seestreitkräfte respektieren würden. Wir gingen dabei von der BVoräusfeßung: aus, daß die spanische Regierung unverzüglich bei der englisben Negterung die Durcblassung einer entsprechenden Anzahl spaniscæt Fruchttransporte nach Deutschland verlangt und erwirkt. Die Verhandlungen über unseren Vorschlag sind noch nit abgeschlossen.

Abg. Gothein (fortshr. Volksp.) fragt:

„Jst. dem Herrn Reichskanzler bekannt, daß das Versicherungs- amt Rostock umd das Oberversicherungsamt Schwerin den Che- frauen von Seeleuten, deren in webrpflicktigem Alter stehende CGhemänner dur die kriegerischen Ereignisse im neutralen Aus land zurü@&gehälten wetden oder in Feindesland interniert sind, die RNeichéwochenhilfe verweigerte? Was gedenkt der Herr MNeits- fanzler zu tun, um: diese untersciedlibe Behandlung der Familien on in Mecklenburg anfaässigen Seeleuten“ zu beseitigen?“ Direktor im Reichsamt des Innern Dr. C a spa r : Ob die Be- fanntmachungen über die Gewährung von Neichkswochenhilfe an die (Ghefrauen der Kriegsteilnehmer auch die Ehefrauen von Seeleuten und änderen in wehrpflichtigem Alter stehenden Deutschen mit- umfassen, die infolge des Krieges im Ausland interniert oder zurüd- gohalten sind, kann bei strenger Auslegung des Wortlauts zweifelhaft ersheinen, Der Herr Staatssekretär des Innern hat indessen im

(Einvernehmen mit dem Sett Stäatsftkretir Ves Amte?

auf mwiederbolte Anfragen erklärt, daß seinerseits gegen eine wohsl- mwollende Auslegung der Vorschrift zugunsten jener Ehefrauen Be- denken nit geltend gemacht werden würden. Mät diefer milden Auf- fassung stimmt, soweit bekannt geworden, die Praxis der zuständigen Spruchbehörden und Lieferungsverbände fast durchweg überein. Nür das Versicberungsamt Rostock und das 1hm übergeordnete ODberver- siherungëamt Scbwrwverin baben si auf den entgegengeseßten Stand- punkt gestellt. Nachdem dies denv Herrn Staatssekretär des Innern dur eine Beschrwoerde der Seeberufsgenossensckchaft bekanntgegeben war, hat er sih alsbald, um Abhilfe zu erwirken, mit der Groß- herzoglich mnedcklenburgisden Regierung ins Benehmen geseßt. - Hierbei war, was die Möglichkeit eines Eingreifens des Nerchskanzlers an- betrifft, zwischen den Fällen zu unterscheiden, in denen Versicherungs» amt und - Okerversichérungsamt im Streitverfabren ¿wischen der Wötnerin und der Krankenkasse oder Seeberufsgenossen|cchaft als Sprucbinstanz zu entscheiden hatten, und denjenigen, in welchen sie nur bei Nachprüfung der von der Kasse oder Seeberufsgenossenscaft verauélagten Beträge nach § 5 Abs. 3 der Bekanntmachung vom 3. Dezember 1914 (NReichsgeseßblatt Seite 492) das Recht der Be- anstandung ausübten. In ersteren Fällen liegt ein Akt der MNechi« sprechung vor, demgegenüber eine Korrektur nur dur die geseßlich geordnete hödste Instanz hier also. das Reichsversiherungsamt möglich ist. Die Meichsleitung mußte sich insoweit vorliegenden alles darauf beschränken, den beteiligten Versicherungsbehörden ihre Nechtsauffassung durch Vermittlung der Landesregterung zur Kenntnis zu bringen und dabei darauf hinzuweifen, ‘daß- die gegenteilige Aus- legung zu ‘einer sicher nit. erwünschten Schlechterstellung der mecklen- burgischen Seeleute gegenüber - den „Seeleuten. anderer Sitaatsange=- horigkeit führen müsse. Anders liegt die" Sache - béi ‘Beanstandung der von Krankenkasse umd Seeberufsgenossensckaft nachgewiesenen Be- träge gemäß der erwähnten Vorschrifk des § 5 Abs. 3 der Bekannt- machung vom 3. Dezember 1914. Die Versiherungsämter und Ober- versichetungsämter haben bei Wahrnehmung der thnen durch § 5 Abi. 3 der Bekanntmähung vom 3, Dezember 1914 zugeratesenen Obliegenheit ledigli die Interessen des Reichsfiskus wahrzunehmen. Es liegt in der Natur der Sache, daß sie dies nicht auch gegen die eigene Auffassung der berufenen Vertreter des Reichsfiskus zu tum haben. Nun find aber nach § 5 Abs. 3 a. a. O. die Entscke1- dungen der Oberversicherungsämter zwar endgültig, diese Endgültig« feit hat aber eine andere Bedeutung, als die Endgültigkeit der Ent- fheidungen des Oberversicherungsamts als Spruchbehörde. Das Oberversicherungsamt handelt in den Fällen des § 5 lediglih als Verwaltungsbehörde; der Krankenkasse, steht gegenüber seinen Ent- f{eidungen. kein Necktêmittel mehr zw Dies hindert aber nicht, daß diejenigen Reichsbehörden, welhe das Oberversicherungsamt hièr nur vertritt, ihm ihre abweichende grundsäßlihe Auffassung zu er- fenen geben, und daß seine zuständige Aufsichtsbehörde es nötigen- falls mit der entsprehenden Anweisung versieht. Die Großherzoglich mecklenburgische Negierwng ist daher ersucht worden, das Oberversiche- rungsamt und Versicherungsamt entsprechend verständigen und zu einer Aenderung threr bisherigen Stellungnahme veranlassen zu wollen.

Hierauf erstattet Abg. v. Payer (fortshr. Volksp.) namens der Geschäftsordnungskommission Bericht über das Schreiben des Gouvernementsgerichts in Thorn um Geneh- migung zur Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Abg. Dr. Liebknech t (soz. Arbeitsgem.) wegen Vergehens gegen die 88 110 und 130 Str. G. B. und über das Schreiben des Stellvevtreters des Reichskanzlers, betreffend Genehmigung zur Fortseßung eines bei der Sächsischen Staatsanwaltschaft in Dresden eingeleiteten Strafverfahrens gegen den Abg. Rühle (wild, soz.) wegen Beleidigung. Die Kommission beantragt, in beiden Fällen die Genehmigung zu versagen. Jn dem Falle Liebknecht hat die Kommission sich nicht davon- überzeugen können, ob L Abg. Liebknecht an der Abfassung der in einer: Jenaer Versammlung gefaßten, allerdings sehr scharfen Resolution beteiligt hat oder nicht. Aber selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, so wäre dies nach der Ansicht der Mehrheit

der Kommission kein Anlaß, die Genehmigung zur strafrecht- lichen Verfolgung des Abg. Licbknecht zu erteilen. Jm übrigen ivar die Kommission cinmütig der Ansicht, die Genehmigung, nicht zu erteilen. f

Ohne weitere Besprechung tritt das Haus dem Vorschlage der Kommission bei. Í e

Es folgt der mündliche Bericht desselben Ausschusses über den am 29, September eingereichten s{leunigen Antrag der Abgg. Bernstein und. Genossen, betreffend Aufhebung des gegen den Ab. Dr. Liebknecht béi dem Militärgericht anhängigen Strafverfahrens und „Aufhebung der. Untersuchungshaft für die Dauer der Legtslaturpericde. Die Kommission beantragt, den Antrag Bernstein abzulehnen.

Berichterstattèr Abg. v. Payer: - In der Vollsizung vom 11. Oktober hat dèr Reichstag gegen eine Minderheit, welche eine |0- fortige Ablehnung des Antrags ohne Kommissionsberatung wünschte, bes{lossen, den Antrag dem Geschäftsordnungsaus\{huß zu überweisen. Man war in. dem Ausschuß der Meinung,-daß man formell befugt sei, auch jeßt noch eine Ausseßung des Verfahrens zu beschließen, wenn die Sachlage sich so wesentlich verändert hätte, daß eine Aufhebung des früheren Beschlusses und eine andere Beurteilung des Falles gerecht- fertigt wäre. Ob diese Vorausseßungen zutreffen oder nit, darüber gingen in der Kommiffion die Meinungen äAuseinander. Von einer Seite wurde dies ‘bejaht. Die Auffassung, daß die Untersuhung und Aburteilung des Falles einer ruhîgeren Zeit zu: überlassen sei, fei durch die seitdem ergangenen beiden von einander abweichenden Urteile be- stätigt worden. Während * die: erste Instanz dem - Angeklagten die bürgerlichen Ghrenrechte ausdrüdlih zugesprochen habe, habe -dre“zweite íSnstanz sie thm abgesprochen und das Strafmaß sehr’ erheblich erhöht, in der Annahme, daß seine Handlungsweise einer ehrlofen Gesinnung entsprungen * sei, während doch ' das Meichsgericht in einem“ analogeèt Falle- 1907- daes verneint habe. Der Nichter habe sich auf einen -poli- tisben Standpunkt gestellt, und ein solcher Nichtev könne ‘kein objef- tives Urteil ‘fällen. + Von anderer Seite wurde darauf hingewiejen, daß, wenn die Sachlage sich seitdem geändert habe, dies eher für eine Bestätigung als für eine Aufhebung des früheren Beschlusses * des Neichstags | spräche. Die Differenz - zwischen den beiden Urteilen ser nit cine fo erbeblihe, daß man déébalb annehmen forme, - däs Revifionsgericht werde ein politisches Urteil fällen. - Daß die Gerichte über die Abexrkennung der bürgerlichen CGhrenrechte- verschiedener Ansicht scin könnten, sei schon bei -der Beschlußfassung vom 11. Mai d: J. berücksichtigt «worden. Etwas- Neues sei also nicht- eingetreten.

Abg. Dr. Landsberg (Soz.): * Wiv: hatten im "Mai einen gleichlautenden Antrag gestellt und dessen Annahme wäre im Interesse des Neichtags erwünscht gewesen. Dann wäre das Strafverfahren gegen Liebknecht bis zu einer ruhigeren Zeit aufgeschoben worden. Das Militärgericht erfter Instanz hat erkannt, ‘daß der Angeklagte sich von politischen Erwägungen hat leiten lassen, und ihm deshalb die bürgerlichen Ghrenrechte belassen. Das Gericht zweiter Instanz hat dagegen die Handlungsrdeise des Angeklagten für ehrlos erklärt und ihm die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt. Diese gerichtliche Fest- stellung ist unrichtig; darin sind alle einig, die Liebkneht kennen, darunter Männer, die die ganze Laufbahn dieses Mannes, mit seinem sehr komplizierten Charakter . überbliden und ein richtigéres Urteil über ihn haben, als die Richter, die ihn nur in- der Verhandlung kennen gelernt haben. Wer über Menschen rihten will, muß mensch- lich fühlen, ‘fih niht ein Jdealbild eines Menschen konstrueren, sondern in die Seele des Angeklagten hineinleuhten, um seine Be- weggründe zu erkennen. Hätte Liebknecht dié Kriegsmaht Deutsch- lands zugunsten unserer Feinde erschüttern - wollen, so wäre dieser Antrag nicht gestellt worden. Liebkneht“ will nicht im geringsten Deutschland! zugrunde richten, sondern einen Frieden herbeiführen durch Verständigung und Versöhnung der Volker. Dazu will er die Massên in Bewegung \e Krieges zu zwingen. “Diesès Mittel balte ih für verfehlt; Ltebkiebt hat seine Ktäfte überschäßt und ebenfo die korrespondierenden Kräfte im Auslande. Aber diesex Jrrtum“ is nicht ehrlos. Bald * wird man dies Gerichtsurteil neben die Urteile aus der Meaktionsperiode der fünfziger Jähre stellen; noch kann es. aus der Welt ge\ckchF#ft werden. Der Gedankengang der Aktion Liebknechts ist derselbe wie in feiner antimilitdristishen Broschüre, derentwegen ihm 1907 das Neichsgericht die bürgerlicbewm Ehrenrechte nicht aberkannt hat, weil er von: politischen Gründen ausgegangen ist. In leidenscaftsloserer Zett würde das jeßige Urteil nicht zym zweiten Male gefällt werden. Wir stimmen deshalb dem Antrag Bernstein zu.

Abg. Stadthagen (soz. Arbeitsgem.): Das Parlament hat die Pflicht, seine Mitglieder ohne Unterschied der politishen Richtung versammelt zu halten. Die „Kreuzzeitung“ hat früher einmal erklärt, daß, wenn man nur im einem einzigen Fall das Immunitätsrecht durchbricht, man damit die Türe des Parlaments zuschließt. Politische Regungen mussen hier aussckcheiden. Eine einzige Ausnahme wäre nur denkbar von dem Prinzip, unter keinen Umständen einen Abgeordneten durch ein Strafverfahren fernhalten zu lassen, wenn nämlich ein gemeines Verbrechen vorliegt und eine Verdunkelung des Tatbestandes möglich wäre. Davon ist bier nicht die Rede, denn Licbkneht hat sh in allen Instanzen mutig zu dem Tatbestand bekannt. Seine Meinung war nur: Nieder mit der Regierung! Nieder mit dem Krieg! Von einem Ausnahmefall kann also gar keine Rête fein, und vollends dann mckbt, ‘wenn es sich um politische Ansichten handelt; gegen politisde Üeberzeugungen könnte ja fonst von jedem Richter gegen jeden : Abgeordneten » eangesckritten * werten. "Einige * Besonderheiten

dieses Falles find erst nah dem 11. Mai eingetreten. und macen es

“dringend “notwendig, ¿unferew Antrag anzükehmèn.* ? Es“kommen. Uni-

stände "in Betracht, die nur eintrèten konnten,“ weil “wir unter dem

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Belagerungézustande leben, / und weil Liebknecht Abgeordneter ist. Eine der Straftaten Liebknechts soll darin bestehen, daß er sozial. demokratische Gesinnung, betätigt habe. Schon darin zeigt sich, daß es sich hier um ein Tendenzurteil handelt. Würde au gegen einen Konservativen vorgegangen werden, weil er scine konservative Ge- finnung betätigt habe? Leider sind die Urteilsgründe der zweiten Instanz unter Ausschluß der Oeffentlichkeit verkündet. Für einen Sozialdemokraten it es doch ein Nonsens, daß das Eintreten. für den Frieden das Verbrechen des Landesverrats darstellen soll; Sogialdemokrat Liebknecht kann überhaupt nicht Landesverrat gehen. Es ist absolut unbeareiflib, wie durch sein Verhalten Kriegsmacht des Deutschen Neickes geschädigt werden kann. ist die Ueberzeugung der ungeheuren Mehrheit des Volkes, und feiner Verurteilung haben nicht weniger als 50000 - Arbeiter im den Munitionsfabriken die Arbeit niedergelegt und für ihn demonstriert. Die Verurteilung wegen Landesverrats steht jenseits der Grenze des Nechts. In der Presse is gegen den inhaftierten Liebknecht eine wahre Hetße inszentert worden, wobei man mit den Tatsaien mebr als willkürlid umgesprungen ist; der Belagerungszustand und die Zensur hat dahin geführt, daß die Urteilsgründe für die Oeffentlichkeit geßälsht worden sind, um durch eine solde Entstellung der Wahr- heit den Ehrenmann Liebkneht mit Schmuß zu bewerfen. Es ift der Presse auferlegt worden, nur das aus den Urteilsgründen mit- zuteilen, was das W. T. B. mitteäilte. Die Kritiken dés Urteils wurden zugelassen, soweit sie das Urteil als ¿u milde ansahen, die anderen wurden verhindert. In dem offiziöfen Bericht über das Urteil, der zweitew Instanz, der allein veröffentliht werden durfte, ist gesagt, er habe selber eingestanden, daß er eine Sckaädigung der deutsden Kriegsmachb bezweckte; so heißt es tatsächlih in diesem offiziósen Lügenbericht. Das ist unwahr; aber die Zensur hät keine Berichtigung zugelassen. Ist das nicht eine unglaubliche tendenziöse Beeinflussung der öffentlichen Meinung? pa! man hier nit das Gericht als Mittel zum Zweck benußt, die, öffentlihe Meinuna gegen Liebknecht aufzubringen? Alle dieje Tatsachèn ergeben, daß seme Verurteilung erfolgt ist, weil er Siozialdemokrat und weil er Ab« geordneter ist. Und fie sprechenm auf das èindringlichsté gegen die Fortseßung des Verfahrens in dieser so erregten Zeit. Die cbsichtlich alsde Berichterstattung steht in engstem Zusammenhange mit dèt erutteilung in der zweiten Instanz, dis zur Aberkennung der bütget- lichen Ehrenrechte führte. Nicht weil Liebkecht ebrlose Gesinnung

gen, uni die Negieretiden: zux, Beendigung des.

haft, ist er verurteilt worden, sondern weil man 1th ( tog herausbringen wollte, Wie es fommen fonnte, daß: fh. Richter tazu haben verleiten lassen, i mckcht {mer zu ergründen. Jt feßen dann ftat. Früber 3 prToPagierten, egen HDochverrats angetlagt; ich Kampyß- Und» nalz-Gesellen zu erinnern. J erinnere an Hoffmann v. Fallers- eben, der aus fast allen deutschen Vaterländern auégewitjen wurde. Die Richter vers Ansichten Liebknechts nit, und. sie können sie besonders in der jeßigen- Zeit nit verstehen, deshalb urteilen sie fals. Es handelt sckch nickt um das Recht des Abg. Liebkneht, es handelt fi as Recht des Parlaments! Die schwerste Schâdi- l Deutschen Reiches Liegt in der Unterdrüuckdung des Pat-

r Unterdrückung der Meinungsfretheit. hle (mild, Soz.): Ich brauche nicht - zu ‘versichern, bg. Liebknecht dem vorliegenden Antrage vollstandig [etu-

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( ie dazu: aufruft, Jhre Pflic Der Antrag des Geschäftsordnunasaus)chusses wird gegén die Stimmen der beiden fozialdemokratischen Gruppen hd der Polen angenommen.

Es folgt die erste Beratung des Entwurfs eines Geseßes, betreffend die Feststellung eines zweiten Nachtrags zum Reichshaushaltsetat für das Rechnungsjahr 1916.

Zunächst nimmt der Staatssekretär des Reichsschaßamits Graf von Roedern das Wort, dessen Rede wegen vex- späteten Eingangs des Stenogramms erst in der nächsten Nummer d. Bl. im Wortlaute wiedergegeven werden wird. 1er politischen Freunde und wohl aub im Namen des Hauses, wie 1ch hoffe, di Zustimmung ‘zu der Vorlage zu erklären... Wir jehen inder Be willigung von 12 Milliarden ein weiteres Mätteb zur Erringung eines dauernden und den gebraten Opfern gere’ enden éeriedens. Den Worten des Dankes fetitens des Staal ‘etars fut alle “T

G & E A4 A 0 M S too 10 “on s zl Fro die bisher inso reidblicker Weije die nonwendi Vertitel auf gebr:

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S, (Tx (ck Iontr ) O Lal nA ne Mony Abg. Dr. Spahn (Zentr.): Jch habe namens me1!

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‘baben, ließe 14 mich an. Ebenso gedenken wir aber auch dantb dor MoriAnlidon Cabn o 44 of s E Du dt ‘ad AOTZON e 1 B02 Der Perionen 2APTCT, Me 111 VICEIET DEIL GCOTA CULEN. menge aus | diesem Grunde, daß die Vorlage eâner Kommij}htonsbératung t RoRarf 4, bitte die Vorlaae ohne RKömmissionê mtcoT DeDars. S DTLK E OPTLAGT ONC ommi Ion Sg- beratung anzunehmen. Abg. Eber t (So0z.): Wir haben. zu len müssen, daß zurzeit Aussichten auf baldi anden sind. Die Erklarungen der leitenden \ Krieg führenden Länder lassen von einer Friedentberei! fpuren. - No immer geben hre nckch der Hoffnung ibe Lage zu ihren Gunsten wenden zu Tonnen. alistiscien Kreisen dex mit uns Krieg fuhrende Apr } j ; Nf 1 mmung dieselbe. Man will immer noch den Bestand dés E Or E ada - Gg gr S C2 Com (un lr Ao ody èutschen Neiches. in Frage stellen. Angesichts dieser Sachlage \tehen

r auch heuie nock vor der Notwendigke 1g

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, die Mittel zu bewilligen, dic; erforderlich: indu unfer Land gegen. den Æfffturnmder' feindlichen Uebermacht auf allen. \chU Unser Volk leistet Ges waltiges. Wir fordern daher 3 die alles agufbietet, um die Schivierigkeiten in der t der Verteilung ter Nah-

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rungsmittel zw-überwinden und sobald als* mögli ei der Preise - für Nahrungsmittel und Gebraucbsgegenständt führen. Auch ein wirksamer Sckuß der Arbeiter und ie in der Kriegsindustrie beschäftigt sind, ist nötig. l

weitero Mittel nötig, um die Wunden lindern. Die Kriegsverleßten müssen ' vor ilfen für die Familien der Kriegsteilnehmer erhöht werden. wir vnseren Beschluß “hier von neuem bekunden, spreckchben wi hegen die Envartung, Frieden zu kommen, neuên Kriegen

uns aber erheut gegen Annerxwonen aus, Winx af die Regierung nichts unvertsucht läßt, zw einem f er im Interesse dex Kultur liegt, un vewahrt, zu einem Frieden, der von Dauer i} : Abg. Bérn stein (foz. Avbeitsgem.): Angesichts sol? a

l rungen muß m d

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n sich doch fragen, wie lange soll der dauérn? Dér Scaßsekretär hat eine Rei on Mitteilungen mat, wie die Kriegsanleihen aufcebracht worden find. Mir sow wie meinen Kollegen sind ie Reihe voù Fallen bekannt, wo starker Drück auf: die Zeichner ausgeübt n i zeicbner der Kriegsanleiben sind große Insti

näber zu unterswben, werden wi |

ties vur möglidh war auf Kosten der eigenen ( : der sib spater noch sehr s{wer rächen kann. Ein großer Anlerhezeihner stammt aus den Kreisen: der erfolgreiden Lan erfotarerder. Gcnttler und: Großindustrieller, -die große Kriegsg

gémadtt babêh. “Die größe Volksmasse dageœrn muß alles teuer

° c A 5 A Cb A o Tut zahlen, und eine größe Methe von Eristenzen geht wahren Folgen werden sich ert zetcen, wenn in die Friedenswirts{aft ubergeführt werden

muß ja dieser Krièg èin Ende nebmen.

eine Neibe von Elementen unserer Bevölkerung verchert. Die Großindustriellen und die Landwirte Kriege wahrsceinlih gestärkt hervor, gestärkt in kraft und gestärkt aud. in der Organisation tn den

Die Arbeiters{haft acht aber einer sehr ernsten Zukunft entgegen. Gt wird \cktwer sein, ihre Lebenshaltung auf den Friede

bringen. Je länger der Krieg dauerb, um so s{limnter ift seine Wir= fung tn dieser Hinsicht auf uksere arbeitenden Kilassen. C8 ift außerordentlich bequem, zu sagen, die anderen sind daran s{chuld, daß kein Frieden wird. Aber kein Mens will doch den Krieg des Frie- dens willen. Es kommt darauf an, was mat tut. Man muß fich fragen, wie das Ausland due Tätigkeit unferer Feuerköpfe auffaßt. Leider gehören däju auch Demokraten und Sozialdemokraten. Wir dürfen do nit vergessen, daß auch unter den englis{en und fran- sischen Sozia isten Fricdensneigungen bestehen. Diess verlangen nur die Anerkennung des. de ‘atischen Gelb immungsrechts der Völker. Jch muß erst darüber belehrt werder, daß dies mcht im Jn- teresse des deuten Volkes ist. Kein zurehnungsfähiger Mensch im Auslande denkt daran, Deuts(hland zu vernichten. Wer kann denn auf den Gedanken kommen, cin Volk von 70 Millionen ver- nichten zuw wollen. Versfucke natürlich, zu einem Sonderfrieden mit einem Einzelnen zu kommen, wie z. B. mit Rußland, müssen fehl» {lagen und sind nit einmal ehrenvoll für unser -Vand.. “(Vigeprä- sident Dr. Paas he bitteb den Redner, zur Sache zu sprechen.) Diese Friedenserklärungen an dassec“be Rußland, gegen das män vor zwei Jahren die ganze zivilisierte Welt als gegen einen Barbaren» \taat aufgerufen bat, baben einen fehr ungünstigen Eindruck gemacht. Mas uns im Auslande so schadet, ist das Mißtrauen gegen uns, das wit nur in den hberrs{enden Klassen und Regierumgen, sondern auch unter den. Völkern zu finden ist. (Vizepräsidént Dr. Paasche fordert den Redner wiederum auf, zur Sache zu sprèchen.) Nit die SFebler des einzelnen Diplomaten im Auslande tragen die Haupt- schuld, sondern die Fehler, die in unserer Zentrale gèmgccht werden. Die Békämpfung dieses Mißtrauens in der Wet hänat mit det Bes endiguria dieses Krieges zusammen (Scblußrufe!) (Als der Redner unsere Kriegführung und die Mobilmachung ktitisieren wall, witd er unter steigender Unruhe des Hauses vom Präsidenten aufgefordert

Son Mavkandor D «S TLUUHDTI

néstand zuruŒÆzit»

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