This is a cache of https://digi.bib.uni-mannheim.de/periodika/reichsanzeiger/ocr/film/tesseract-5.0.0-20211201/1819-01-02--1832-06-30---001-019/015-9896/0463.hocr. It is a snapshot of the page at 2023-10-19T04:47:40.750+0200.
1830 / 240 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung)

1830 / 240 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

1832

Fluß mit der Weichsel und der dritte die Wolga mit der Moskwa verbinden soll. Diese drei Kanaͤle sind im Jahr 1825 begonnen worden und sollen naͤchstens fuͤr die Schiff— fahrt eroͤffnet werden.

Im Jahr 1828 hatte das Gouvernement Astrachan 58 Fabriken, unter denen 5 Seidenfabriken; Kostroma 52, wo⸗ von 1 Tuch⸗ und 11 Leinwandfabriken; Kambow 1460, zu de⸗ nen 11 Tuchfabriken, 1 Vitriol-Oelfabrik und 11 Eisenhuͤt— ten gehoͤren. Die Zahl aller Fabriken im Reiche betrug 5244, die zusammen 225,414 Arbeiter beschaͤftigten.

Odessa, 14. August. Der Kaiserl. Gesandte bei der Ottomanischen Pforte, wirkliche Geheime Rath von Ribeau⸗ pierre, hat unserem General-Gouverneur ein Exemplar der von der Griechischen Regierung bekanntgemachten Zoll-Be— stimmungen, die in allen unter ihrer Botmaͤßigkeit stehenden Haͤfen Griechenlands in Kraft treten sollen, zukommen lassen. In Alupka, einem in der Krimm belegenen Landgute des Grafen Woronzoff, hat man vor kurzem eine goldene Me— daille und in der Nachbarschaft mehrere andere silberne und kupferne Medaillen und alte Muͤnzen in der Erde gefunden. Die hiesige Zeitung verspricht, uͤber selbige eine vollstaͤndige Beschreibung zu liefern.

Polen.

Warschau, 26. August. Die Kreisstadt Biala ist von

einem großen Ungluͤck betrossen worden; durch eine Feuers— brunst ist der groͤßte Theil derselben in Flammen aufge— gangen. Von Herrn Sowiäski sind hier Gedichte uͤber den letz— ten Krieg in der Tuͤrkei erschienen, welche von dem Dichter dem Grafen Diebitsch-⸗Sabalkanski zugeeignet worden sind. Von demselben Verfasser wird naͤchstens ein Werk uͤber die Schriften beruͤhmter Polnischer Frauen erscheinen.

Es ist hier im Werke, eine Buchdruckerei auf Actien, fuͤr Werke der Rechtswissenschaften, zu errichten.

Das hiesige Handlungshaus markowski hat seine Zah— lungen eingestellt.

Der Cours unserer Pfandbriefe ist jetzt 953.

Frankreich.

Pairs-Kammer. Sitzung vom 21. Augu st. Meh— erer Pairs, die in den letzteren Sitzungen nicht zugegen gewe— sen, mittlerweile aber in der Hauptstadt eingetroffen waren,

unter andern der Marquis Maison, der Herzog von Maillé, der . Deeazes, der Herzog von Conegliano und der Graf von

ordesoulle wurden in dieser Sitzung vereidigt. Einige andere Pairs zeigten schriftlich an, daß sie Kraͤnklichkeits halber vorlaͤufig an den Sitzungen der Kammer keinen Theil nehmen könn— ten. In vier anderen Schreiben erklärten der Herzog von

Montmorench⸗ Laval, der Marquis Victor von Latour⸗ Maubourg, der Marquis v. Latour⸗Dupin und der Her— og von Havre⸗-de⸗Croi, daß, da sie der Charte Ludwigs

VIII. und dem Koͤnige Karl X. den Eid geleistet hatten, jetzt aber die Verfassung sowohl als die Thronfolge⸗Ordnung veraͤndert worden waren, sie den neuen Eid, den man von ihnen verlange, nicht leisten koͤnnten. ) Nachdem der Praͤ— sident diese Schreiben vorgelesen hatte, zeigte er der Ver— sammlung an, daß er auch noch ein fuͤnftes Schreiben von oher Wichtigkeit von dem Minister des Innern erhalten abe, worin der nachstehende Brief des Fuͤrsten von Polig— nac an ihn (den Praͤsidenten, Baron Pasquier) eingeschlos⸗

sen gewesen sey: San et⸗Lo, den 17. August 1830.

„Mein Herr Baron! Nachdem ich in Granville in dem Augenblicke verhaftet worden, wo ich, den stattgehabten trau⸗ rigen und e, , nen, Ereignissen entfliehend, nach der Insel Jersey uͤberzusetzen suchte, habe ich mich als Gefange— nen in die Haͤnde der provisorischen , , . der Praͤ⸗ fektur des Kanals gegeben, indem weder der Koͤnigl. Proku— rator des Bezirks von Sanct-Lo, noch der Instructionsrich—⸗ ter, nach . der Charte, einen Verhafts-Befehl gegen mich erlassen konnten, falls die Regierung, wovon mir indes— sen nichts bekannt ist, Befehle dazu ertheilt gehabt haͤtte. Nur mit der Bewilligung der Pairs“ Kammer, heißt es im Artikel 29 der jetzigen Charte, die darin mit der alten uͤbereinstimmt, kann ein Mitglied der Pairs- Kammer verhaftet werden. Ich weiß nicht, was die Kammer in die— ser Beziehung thun und ob sie mir die traurigen Ereignisse der beiden Tage zuschreiben wird, die ich mehr als irgend Jemand beklage, die mit der Schnelligkeit des Blitzes bei einem Gewitter eintraten und denen keine Gewalt, keine

) Das erstere dieser Schreiben haben wir be ausfuhr⸗ lich in Nr. 231. der Staats⸗ zeitung 35 , .

menschliche Klugheit Einhalt thun konnte, weil man in jenen furchtbaren Augenblicken nicht wußte, auf wen man hören, an wen man sich wenden sollte, und hoͤchstens sein Leben ver⸗— theidigen konnte. Mein Wunsch, Herr Baron, ware, daß man mir erlaubte, mich auf meinen Wohnsitz zuruͤckzuziehen, um die Gewohnheiten eines stillen Lebens wieder zu beginnen, die einzigen, die meinen Neigungen entsprechen und denen ich, wie Alle, die mich kennen, es wissen, gegen meinen Wil— len entrissen worden bin. Genug Wechselfaͤlle des Schick— sals haben mich betroffen, genug des Mißgeschicks hat in dem Laufe meines stuͤrmischen Lebens das Haar auf meinem Haupte gebleicht. Wenigstens kann man mir nicht vorwer— fen, in den Zeiten meines Gluͤcks jemals eine bittere Exinne— rung gegen diejenigen bewahrt zu haben, die in den Zeiten meines Ungluͤcks ihre Gewalt gegen mich vielleicht gemißbraucht hatten; und in der That, Herr Baron, wie wuͤrde es mit uns Allen, so

viel wir ihrer sind, bei diesen ewigen Veraͤnderungen, welche unser

Jahrhundert darbietet, stehen, wenn die politischen Meinun— gen derer, die vom Gewitter getroffen werden, in den Augen derjenigen, welche sich zu gluͤcklicheren politischen Meinungen bekennen, zu Vergehen oder Verbrechen wuͤrden? Sollte ich nicht die Erlaubniß erhalten koͤnnen, mich ruhig an meinen Heerd zuruͤckzuziehen, so wuͤnschte ich, daß man mir vergoͤnnte, mich mit meiner Frau und meinen Kindern nach dem Aus— lande zu begeben. Wollte endlich die Pairs⸗-Kammer die Haft uͤber mich verhaͤngen, so wuͤrde ich wuͤnschen, daß sie das Fort Ham in der Picardie, wo ich die lange Gefangenschaft meiner Jugend verbracht habe, oder eine andere bequeme und geräumige Citadelle dazu bestimmte. Der genannte Ort wuͤrde mehr als jeder andere meinem seit einiger Zeit ge— schwaͤchten und durch die letzten Exeignisse angegriffenen Ge— sundheitszustande zusagen. Das Ungluͤck des rechtlichen Mannes verdient in Frankreich einige Ruͤcksicht; aber jeden—⸗ falls wuͤrde es, Herr Baron, ich moͤchte fast sagen barbarisch

seyn, wenn man mich in einem Augenblicke, wo sich so viele

Vorurtheile gegen mich erhoben haben Vorurtheile, die meine Stimme allein nicht beschwichtigen und die nur die Zeit mildern kann, nach der Hauptstadt bringen lassen wollte; seit langer Zeit bin ich nur zu sehr daran gewöhnt, alle meine Absichten im gehaäͤssigsten Lichte dargestellt zu sehen. Ich habe Ihnen nun, Herr Baron, alle meine Wuͤnsche offenbart und bitte Sie, da ich nicht weiß, an wen ich mich wenden soll, dieselben gleichfalls gehoͤrigen Orts vorzulegen und die Ver— sicherung meiner groͤßten Hochachtung zu genehmigen.

. (Gez.) Der Fuͤrst von Polignaec.

P. S. Ingleichen ersuche ich Sie, mir den g dieses Schreibens bescheinigen zu wollen.“

„In dieser letztern Beziehung“, aͤußerte der Praͤsident, „habe ich dem Wunsche des Fuͤrsten v. Polignac genugt und ihm zagleich angezeigt, daß ich sein Schreiben der Pairs— Kammer mittheilen wuͤrde. Da es sich von der Verhaftung eines Mitgliedes dieser Kammer handelt, so gehoͤrt diese Sache ganz zu den Befugnissen derselben; sie betrifft einen hochwichtigen Gegenstand, fuͤr den ich die Berathungen die⸗ ser Kammer in Anspruch nehme. Vielleicht wird dieselbe es angemessen finden, eine Kommission nieder zu setzen, die sich mit der Sache beschäftigt und am naͤchsten Montag daruͤber Bericht erstattet“ Der Herzog v. Choiseul verwarf die— sen Antrag; er wisse nicht wohl, meinte er, was eine Kom— mission vorschlagen koͤnne; der Kammer gebuͤhre es, uͤber die Verhaftung eines ihrer Mitglieder zu entscheiden. Der Her— zog Decazes aͤußerte sich folgendermaßen: „Die Charte be— stimmt ausdruͤcklich, daß die Pairs-Kammer uͤber Verbrechen des Hochverraths, uͤber Anklagen gegen die Minister und uͤber Vergehen, deren sich die Pairs selbst schuldig machen moͤchten, erkennt. Kein Pair darf ohne die Bewilligung der Kammer festgenommen werden; der Kammer steht sonach in der vorliegenden Sache die Ent— scheidung zu; es ist dies ein Recht, das ihr sowohl als poli— tischem Körper, als auch als richterlicher Behoͤrde gebuͤhrt.

sir scheint aber, daß die Kammer nicht fuͤglich einen Be— schluß fassen koͤnne, bevor sie nicht die Thatsachen kennt.

Der edle Pair, der der Kammer seine Verhaftung anzeigt,

sagt gar nicht, auf welche Veranlassung und von welcher Be— hoͤrde er eingezogen worden ist. Es scheint vielmehr, daß er sich selbst als Gefangener gestellt habe, wenigstens beklagt er sich nicht uͤber seine Verhaftung. Vor Allem ist es daher noth—⸗ wendig, daß die Kammer sich hieruͤber die benoͤthigten Auf— schluͤsse von der Regierung verschaffe; diese koͤnnen aber nur von einer Kommission eingeholt werden, weshalb ich dem An⸗ trage des Herrn Praͤsidenten beistimme.“ Der Graf von Ponteco ulant meinte, wenn Herr von Polignae mit kei⸗ ner andern Wuͤrde als der eines Pairs bekleidet gewesen waͤre, so wuͤrde die Kammer vor allen Dingen ihren Praͤsi⸗

denten ersuchen muͤffen, den Koͤnig mit der Bitte anzugehen, daß er die Pairs-Kammer in det Eigenschaft als Gerichtshof zusammen berufe, damit sie ihr Richteramt versehen könne; der Verfasser des Schreibens sey aber nicht blos Pair, er sey auch Minister gewesen und dies aͤndre die ganze Sache. „Obgleich wir“, fuͤgte der Redner hinzu, „in diesem Augen⸗ blicke keinen Gerichtshof bilden, so kann es uns doch nicht unbekannt seyn, was in der andern Kammer vorgeht. Diese Kammer beschaͤftigt sich mit einem ihr gemachten Vorschlage, das vorige , in Anklagestand zu versetzen. Zwar hat sie in dieser Beziehung noch keinen Beschluß gefaßt; indeß muͤssen wir uns wohl huͤten, einen Gerichtsbarkeitsstreit zu erheben; denn da die Deputirten Kammer das Recht hat, einen Minister anzuschuldigen, so ist auch der Pair, insofern er Minister ist, dem Gerichtszwange dieser Kammer unter— worfen. Ich kann bei dieser Gelegenheit nicht umhin, mein Bedauern daruͤber zu erkennen zu geben, daß seit den 15 Jahren, daß wir die Repraͤsentativ-Regierung besitzen, noch keine dienstwilligen Mittheilungen zwischen beiden Kammern eingefuͤhrt worden sind. Dergleichen Mittheilungen bestehen in England seit undenklichen Zeiten und verhindern jeden Autoritaͤts-Konflikt zwischen dem Ober- und Unterhause. In Ermangelung eines solchen Huͤlfsmittels koͤnnen wir aber nur mit großer Vorsicht zu Werke gehen, damit jede unangenehme Verwickelung zwischen beiden Kammern vermieden werde.“ Nach dieser Erklarung theilte der Praäͤsident der Versamm— lung das nachstehende Schreiben des Großsiegelbewahrers mit, das mit dem beregten Gegenstande in genauem Zusammen— hange steht: „Mein Herr Praͤsident! Ich habe, nicht nach amtlichen Berichten, aber nach verschiedenen Geruͤchten, in Erfah— rung gebracht, daß mehrere der vorigen Minister, na— mentlich der Fuͤrst von Polignac und der Graf von Peyronnet, in St. Lo und Tours verhaftet und gefaͤng—⸗ lich eingezogen worden sind. Unter den gegenwärtigen Umständen und bei der vor der Deputirten-Kammer schwebenden Anklage halte ich es fuͤr unumgaͤnglich noͤ— thig, der Pairs-Kammer anzuzeigen, daß jene Minister sich in St. Lo und Tours in Haft befinden, damit die— selbe in ihrer Weisheit beschließe, was sie fuͤr angemes⸗ sen findet. Genehmigen Sie u. s. w. (Gez. Dupont (von der Eure) Nach einigen Bemerkungen des Grafen von Monville be— schloß die Versammlung, eine Kommission zu ernennen und derselben das Schreiben des Fuͤrsten von Polignac, so wie

das des Großsiegelbewahrers, zur Pruͤfung zu uͤberwei—

sen. Diese Kommission wurde sofort von dem Praͤsi—

denten in folgender Weise zusammengestellt: der Graf Si—

meon, der Marquis von Malleville, der Baron Sé— guier, der Graf Portalis, der Graf von Pontecoulant, der Baron von Barante und der Graf Bastard. Hierauf betrat der Minister des oͤffentlichen Unterrichts, Fee von Broglie, die Rednerbuͤhne und aͤußerte: alle

airs bis auf einen (der Vicomte d'Ambray) hatten dem

Könige unbedingt gehuldigt und die neue Charte beschwo⸗

renz; einige von ihnen haͤtten zwar geglaubt, daß sie es ihrer persoͤnlichen Stellung schuldig waren, ihren Eid zu motivi— renz die Kammer habe auch die angefuͤhrten Gruͤnde gewis—

senhaft angehoͤrt und denselben mitunter gar ihren Beifall

geschenkt; doch sey sie nichts desto weniger der Meinung ge— wesen, daß der solchergestalt geleistete Eid ohne irgend einen Vorbehalt dem Koͤnig und der Charte gelte; jetzt lese er aber in der Quotidienne e ee Schreiben: . „Versailles, den 15. August 1830. Mein Herr! Ich hatte nicht geglaubt, daß die Art, wie mehrere meiner edeln Freunde und ich selbst uns in der Sitzung vom 10. Mai ausgedruͤckt haben, noch irgend einer verschiedenen Ausle— gung faͤhig ware, so bestimmt und positiv waren die Worte des Herzogs von Fitz⸗James, denen wir beitraten; da es aber scheint, als ob man die Gesinnungen Mehrerer unter uns verkennen wolle, so erklaͤre ich aufs Neue, daß ich in der einzigen Absicht, nach meinen Kräften zu den Maaß— regeln mitzuwirken, die zur Erhaltung der Ordnung und zur Bewahrung meines Landes vor den Greueln der Anar⸗ chie beitragen koͤnnen, in der Pairs-Kammer geblieben bin, und daß ich hierin den foͤrmlichen Absichten der Koͤ— nigl. Familie, der ich fuͤr meine Lebenszeit zugethan bleibe und die uns selbst das Beispiel eines so erhabenen Opfers a hat, gehorcht zu haben glaube. Empfangen Sie . 2 2

w (Gez.) der Marquis v. Rouge.“ Aus diesem Schreiben, meinte der Minister, scheine her— vorzugehen, daß Herr von Rougé den Eid nur aus Gehor— sam gegen einen andern Eid geleistet, daß er dem jetzigen

1833

Souverain nur aus Gehorsam gegen einen fruͤheren Souve⸗ rain Treue geschworen, und daß er sich sonach durch zwei Side gebunden habe, wovon der eine höher als der andere stehe und dieser nur bedingungsweise geleistet worden sey, um zuruͤckgenommen zu werden, sobald der fruͤhere Souverain solches verlange. Unter diefen Umstaͤnden halte er (der Mi—⸗ nister) es fuͤr seine Pflicht, die Pairs⸗Kammer zu ersuchen, daß sie vorlaͤufig durch ihren Praͤsidenten Erkundigungen uͤber die Authentieitaͤt jenes Schreibens einziehen lasse, damit er demnaͤchst das Erforderliche in der Sache veranlasfsen könne. Der Marquis von Barb é⸗-Marbois gab sein Befremden daruͤber zu erkennen, daß der Herzog von Broglie, der doch mit den parlamentarischen Formen so sehr vertraut sey, der Kammer von einem Aktenstüͤcke spreche, das er in den Zei⸗ tungen vorgefunden habe und das sonach durchaus keinen authen⸗ tischen Charakter habe. Wollte die Kammer sich erst mit Zeitungs⸗ Artikeln beschaͤftigen, fuͤgte er hinzu, so wuͤrde sie den Lauf ihrer Berathungen jeden Augenblick gehemmt sehen. Der Graf Mols meinte, man koͤnne ein von einem Pair unterzeichnetes Schreiben unmsglich als einen bloßen Zeitungs-Artikel betrachten. Der Graf Tascher glaubte, daß man den Marquis v. Rouge bei seiner naͤchsten Anwesenheit in der Kammer muͤndlich be— fragen koͤnne, ob er der Verfasser des obgedachten Schreibens sey. Auf die Bemerkung des Herzogs v. Broglie aber, daß Herr von Rougés leicht den Berathüngen der Kammer vor der Hand gar nicht beiwohnen moͤchte, er selbst (Broglie) aber der Sache unmoͤglich so lange Anstand geben könne, be— schleß die Kammer, hieruͤber sofort schriftlich durch ihren Praͤsidenten Erkundigungen einziehen zu lassen. Zwei Propositionen waren auf das Buͤreau des Praͤsidenten nie⸗ dergelegt worden. Die eine (von dem Marquis von Malle— ville) betraf einen Zusatz zum Reglement, des Inhalts, daß man alle Reden der Pairs hinfuͤhro ausfuͤhrlich durch den Moniteur bekannt machen lasse; die Kammer beschloß, sich mit diesem Antrage in ihrer naͤchsten Sitzung zu beschaͤftigen. Die zweite Proposition (von dem Baron v. Barante) bezog sich gleichfalls auf eine durch die Ausdehnung der Initiative auf beide Kammern nothwendig gewordene Modification des dritten Artikels des Reglements. Die Ver sammlung zog die— sen Antrag in Erwägung. Den Beschluß der Sitzung machte ein Bericht ber mehrere bei der Kammer eingegangene Bitt— schriten. Die Sitzung wurde um 33 Uhr aufgehoben.

Deputirten⸗Kammer. Sitzung vom 20. August. Nachtrag.) Herr Viltem ain war der Meinung, daß die Gruͤnde, weshalb die mit der Pruͤfung des Salverteschen zorschlages (wegen Anschuldigung der vorigen Minister) beauf⸗ tragte Kommission die Functionen der Instruetions-Richter und Raths⸗Kammern fuͤr sich in Anspruch nehme, so wie die meisten Raisonnements der vor ihm aufgetretenen Redner, ihm allzu sehr aus der Gerichts-Ordnung geschoͤpft zu seyn schienen. Die Anschuldigungen der Deputirten-Kammer truͤ— gen aber ganz besonders den politischen Charakter an sich, und eben als politische Anklägerin besitze die Kammer schon eine so ausgedehnte Macht, daß kein Zuwachs derselben mehr noͤthig sey; man behaupte, daß die Kommission befugt seyn muͤsse, Zeugen zu verhoͤren, Vorladungen und Verhafts— Befehle zu erlassen; er seiner feits glaube, daß solches voͤllig uͤberflüͤssig sen; die Kammer beduͤrfe des Rechtes gar nicht, einen Minister gefaͤnglich einziehen zu lassen, da die Anklage an sich schon den Minister in der öffentlichen Meinung fuͤr immer stuͤrze. Wenn in England ein Minister vom Unter— hause angeschuldigt werde, so sey die Anschuldigung allein schon hinreichend, dessen Sturz zu bewirken; er trete vom Schauplatze ab, und man sey froh, seiner los zu seyn. (Stimme zur Linken: Dies ist nisht hinreichend; die Mini— ster durfen der wohlverdienten Strafe nicht entgehen.) „Ich sage auch nicht, daß dieses Beispiel auf den gegenwärti— gen Fall Anwendung finden solle. Wir haben die Minister in Handen, sie sind gefaͤnglich eingezogen worden, und die Pairs- Kammer wird . sie richten, wie solches auch in England der Fall ist, wenn die angeschuldigten Minister sich ihrer Verurtheilung nicht durch die Flucht ent— zogen haben. Dort begnuͤgt das Unterhaus sich mit einem ya. Ver hoͤre, ag, das Oberhaus eine foͤrmliche Un— tersuchung anstellt. Eben so ist bei uns die Deputirten⸗Kam— mer der große Anklaͤger, die Pairs⸗-Kammer der Richter. Es 66 unter den anzuklagenden Ministern Pairs; der 2gste rt. der Charte bestimmt aber, daß kein Pair anders als mit Bewilligung der erblichen Kammer verhaftet werden duͤrfe. Wollten wir also an einen solchen Pair ⸗Minister eee anlegen, so muͤßten wir die Genehmigung der andern

ammer dazu einholen. Ist es daher nicht natuͤrlicher, daß

wir der Pairs⸗Kammer selbst die Verhaftung uͤberlassen?