1871 / 35 p. 9 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 14 Jun 1871 18:00:01 GMT) scan diff

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die Mitglieder der Regierung der nationalen Vertheidigung |

über die Ausübung ihrer Vollmachten Rechenschaft ablegen sollen. Hierauf sehte Trochu die Gründe für die Niederlagen und für das Mißgescbick der Rheinarmee auseinander. Er be- merkte in dieser Beziehung, daß die Hauptursache in der Demora- lisation der Armee gelegen habe, welche zu Anfang August v. J. nicht vorbereitet gewesen sei, dem Feinde gegenüberzutreten. Er sei der einzige von allen damals in Paris befindlichen Gene- ralen gewesen, welcher die Belagerung von Paris und deren Bedeutung für den Feldzug vorausgesehen und den Kaiser \chriftlic davon benachrichtigt habe, daß alle anderen Ereignisse nur nebensächlicher Natur seien und daß eine vor Paris ver- einigte Hülfsarmee die einzige Rettung Frankreichs sein würde; er habe gebeten, daß die Armee Bazaine's zurückberufen werde ; politishe Erwägungen hätten jedoch die Ausführung dieser be- reits begonnenen Maßregel verhindert. Jn dieser Lage, wo von diejem Zeitpunkt an alle Unterstüßung fehlte und Paris dadurch in Bedrängniß gerieth, habe er am 17, August v. J. einer Konferenz beigewoohnt, an welcher sich der Kaiser, Mac Mahon, der Prinz Napoleon und Andere betheiligten. Es handelte sich um die Frage, ob der Kaiser das Ober-Kom- níando oder die Regierung niederlegen sollte; da der Kaiser jedo die Regierung wieder Übernehmen wollte, so habe er (Trochu) in seiner Stellung als Gouverneur von Paris die Aufgabe übernehmen sollen, die Rückkehr des Kaisers nach Paris ' vorzubereiten unter der ausdrüdlichen Be- dingung, daß die Armee Mac Mahons s\ich auf aris zu in Bewegung seßen sollte, um dort als ülfS- Armee zu dienen. Die Kaiserin jedo habe sich aus Mißtrauen der Rückkehr des Kaiscrs formell wiederseßt. Der General Palikao habe ihn übel empfangen und nicht zu- geben wollen, daß die Armee sich nach Paris begebe. Derselbe habe im Gegentheil den unglücklichen Entschluß gefaßt, alle disnoniblen Kräfte zur Unterstüßung nah Verdun und Meß

zu entsenden. So sei er dem Mißtrauen ausgeseßt worden, dessen -

Gegenstand er vom 18. Auguß bis 4. September gewesen und in der That habe er damals kein Kommando mehr über die Armee von Paris gehabt. Trochu gedachte hierauf der Ereignisse des 4. September und machte dann nähere Mittheilungen über die Hergänge, welche die Bildung der provisorischen Re- gierung begleiteten und ihn zur Annahme des Vorsites dersel- ben veranlaßten; er fügte hinzu , daß er shon seit Ende Sep- tember \ inen Kollegen auf ihre Anfrage die Ansicht ausgesprochen habe, daß Paris besiegt werden würde , da keine Hülfsarmee mehr“ existirte. Der Widerstand sci eine heroische Thorheit, aber nothwendig gewesen, um die Ehre Frankreichs zu retten. Nichtsdestowecniger habe cr immer noch auf den Beistand von Amerika, England und Jtalien gerechnet. Er spielte sodann auf die bitteren Erfabruugen an, dic er gegen Ende seiner Ngufbabn grmacht Und vertheidigte sih hierauf gegen die ihm gemachten Vorwürfe. Er hob namentlih hervor, daß die Fortifikationen von Paris durchaus unzulänglich gewesen und keineswegs dem Fortschritte auf dem Gebiete der Artillerie entsprochen hätten. Es seien keine Ausrüstung8gegenstände und zudem sogar nach der Einschließung von Paris nur sehr wenig Soldaten vorhanden gewesen. Seine shwierigste Aufgabe habe darin bestanden, den Glauben zu erwecken,

daß es sich um eine wirkliche Belagerung handle. Nach der

Schlacht bei Chatillon seien die 6 Wochen, welche dazu ver- wandt worden, um die Nationalgarde in Paris einigermaßen zu formiren, von den Deutschen dazu benußt, um Werke zu errichten, welche ihre Linien undurchdringlich machten. Trochu hielt diese Werke für die furhtbarsten, welche man jemals ge- sehen und seßte auseinander, daß die improvisirten Soldaten von Paris nach den so s{hrecklichen Anstrengungen, welche sie zu ertragen hatten, solhe Reihen nicht durhbrechen konnten. Die Versammlung beschloß hierauf, weitere Au§einanderseßun- gen Trochu's in der morgigen Sißung entgegenzunehmen.

Marseille, 13. Juni. (W. T. B.) Das hiesige Kriegsgericht

hat heute seine Sizungen eröffnet. Bei Beginn der Verhand- lung bestritten die Angeklaaten die Kompetenz des Gerichts- hofes, dieser erklärte sich jedo für kompetent. Es wurden sodann die Jeugen, 160 an der Zahl, aufgerufen und die An- tlage-Afkte verlesen.

Ftalien-. Florenz, 14. Juni. (W. T. B.) Jn der De- putirtenkammer antwortete der Finanz-Minister Sella heute auf die in-der gestrigen Sißung gemachte Bemerkung des Deputir- ten Peruzzi, betreffend die Gotthard8bahn. Er wies die Vortheile nach, welche der Bau der St. Gotthardbahn für sämmtliche Provinzen Italiens zur Folge hätte und hob die Wichtigkeit derselben hervor. Er erklärte sodann, daß dic Regierung auf ihrem Antrage beharren werde. Peruzzi sprach sein Bedauern darüber aus, daß das Ministerium aus dieser Angelegenheit eine Kabinetsfrage mache.

Griechenland. Athen, 13. Juni, (W. T. B.) Ueber Veränderungen im diplomatishen Corps liegen folgende Mit- theilungen vor: Zum Gesandten für Konstantinopel wurde Trikoupis , für Paris Rangabe und für Berlin Johann De- liannis errannt, Fürst Ypsilanti bleibt Gesandter in Wien und Boudouris Gesandter in St. Petersburg.

Túürkei. Der »Ungarische Lloyd«e vom 14. Juni erhält aus Konstantinopel einen Bericht , nach welchem es wahr- scheinlich ist, daß die Mission des Msgr. Franchi scheitert. Jm leßten Augenblicke flellte nämlich der päpstliche Legat das An- finnen an die Pforte, den abgesezten Patriarchen Hussum wie- der cinzuseßen. Ali Pascha wies diese Zumuthung mit großer Entschiedenheit zurü, besonders betonend, die Pforte werde nie einer fremden Macht eine Jurisdiktion über ihre Unterthanen einräumen, was man in Rom zu vergessen scheine.

Numánien. Bukarest, 14. Juni. (W. T. B.) Die Abgeordnetenkammer votirte eine Adresse, welche die Loyalität und Ergebenheit des Hauses für den Thron aus- spricht und der Regierung ihre Unterstüßung zusagt.

Reichstags - Angelegenheiten.

Berlin, 14. Juni. Jn der gestrigen Sigung des Reichs- tags leitete der Reichskanzler Fürst von BiS8marck die Be- rathung des Geseßentwurfs, bctreffend die Gewährung von Beihülfen an Angehörige der Reserve und Landwehr, wie olgt, ein:

! V erlaube mir, über diesen Gegenstand, der das Haus {on in einer anderen Form beschäftigt hat, nur wenige erläuternde Worte u fagen.

p r Einverständniß mit dem Prinzip und mit ten Absichten, wélche unserm Antrage zu Grunde liegen, hat sih bereits bei einer anderen Gelegenheit bekundet. Es wird sich nur um Spezialitäten der Ausführung handeln. Die verbündeten Regierungen sind der Meinung gewesen, daß es sih hier un die Befriedigung eines Be- durfnisses handelt, welches niht in allen Bundesstaaten überhaupt, namentli nicht in allen gleihmäßig, aufiritt. Es waren deshalh von einigen unserer Bundesgenosscn Bedenken dagegen geltend ge- macht worden, die Sache üb. rbaupt auf dem Reichöwege zu bebandeln. Diese Bedenken, auf statistishe Nachweise bajsirt, erschienen der Mehrheit der verbündeten Regierungen nicht unbegründet und es is daher längere Zeit der Gegénftand dec Erwägung der Regierungen gewesen , wie sich ein Modus finden ließe, nach 1welchem das Bedürfniß da, wo es vorhanden war, befriedigt uad den Re.ierungen da, wo es niht vorhanden war, die Opfer nitt auferlegt wurden oder wenigstens nicht in ungleiwem Maße auferlegt wurden. Das Einfachste und Nahßhecliegendste war, diese ganze Sache der Fürsorge der einzelnen Regierungen zu überlassen. Es Fand dem nur Eins entgegen und das wurde von den- jeaigen Regierungen, die das Bed! fniß mehr empfinden, namentlich, wo größere Städte und iadustrielle Bezirke heimisch sind, geltend gernaht; das Hinderniß war dieses, daß keiner der deutschen Landtage, ohne deren Bewilligung solheMittel nicht aufgebracht rverden können, zur Zeit versammelt ist, und daß nach dem Stande der Jahreszeit einige Zeit vergehen wird, ehe-ein Landtag, und namentlich einer der größeren, ver- sammelt werden fann. Es trat deshalb an den Bundesrath die Aufgabe heran, der Abhülfe diefer Bedürfnisse gewisser- maßen vorshußweise nahe zu treten und denjenigen Regierungen, welche Mittel dazu verivenden wollen, aber feine konstitutionelle Möglichkeit haben, sich die Mittel im Augenblick zu verschaffen, diese Mittel vorshußweise zu gewähren. Jn diesem Sinne - bitte ich unsere Vorlage aufzufassen, es ist niht damit gemeint, daß durch diese Reichsvewilligung das vortandene Vedürfniß überall voll- fiändig erschöpft und gedeckt wecden soll, sondern es i} darauf ge- rechnet , daß da , wo es mit besonderer Stärke auftritt , die einzelnen Regi rungen aus der Quote der französischen Kriegskontcibution, weich? voraussichtlich auf sie vertheilt werden wird, abhelfen werden. Daß die gane französische Kriegskontribution für Reich8zwoecke verwendet würde, wie neulich hier angedeutet wurde, halte ih nicht für wahrscheinli, jedenfalls halten die verbündeten Regierungen in der Mchrheit es nicht für nüßlich, son- dern glauben, daß dem allgemeinen Bedürfnisse besser gedient wird durch Vertheilung eines größern Theiles der Gelder, auf deren Ein- gehen wir mit Sicherheit renen, nach einem unter den einzelnen Regierungen zu vereinbarenden Maßstabe, indem es nach unserer Meinung Zwecke, welche auf Landecfosten ihre Befriedigung erwar- ten, giebt, die ebenso dringlih, wenn nicht dringlicher sein - wer- den, als manche derjenigen Zwecke, die wir auf Reichskosten non An fönnten, - nahdein wir die dringlichsten davon absol- vict haben.

Die verbündeten Regierungen legen ein Gewicht darauf, daß alle Klasseir des Reserve- und Landivehrstandes in dieser Bewilligung ihre Berücksichtigung finden und halten es nicht für motivirt, zroischen den ver- schiedenen Rangstufen des Heeres irgend welche Scheidungslinie zu ziehen. Alle Offiziere und Mannschaften haben die Gefahren und Kämpfe mit gleiher Hingebunz, mit gleichem gegenseitigen Vertrauen bestan- den, ohne daß sich im Felde irgend, welche Scheidelinie zwischen ihnen bemerkbar gemacht hätte. Wir lönnen mit Stolz sagen, daß unsere Armee sih vor Allem ousgezeihnet hat durch die gegenseitige Hin- gebung der Mannschaften für ihre Offiziere und der Offiziere für thre Mannstaften.

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Wir haben deshalb auch in diesem Antrage keine Grenze zwischen beiden ziehen wollen, und ich erlaube mir darauf aufmerksam zu machen, daß die Klasse der Reserve-Offiziere in ihren Gesellschafts- und Ecwerbsverhältnissen mitunter zwar sehr weit, mitunter aber auch durch feine soziale uud vermögensmäßige Scheidelinie von denen ihrer Untergebenen getrennt is. Sie werden häufig den Fall finden, daß der Reichere und Wohlsituir:e in Reihe und Glied steht, und daß der Reserve-Offizier sich i: minder günstigen bürgerlichen Ver- hältnissen befinde. Jch habe unter den Reserve-Offizieren eine große Anzahl, nanentlih solhe in auffälligen Verhältnissen kennen gelernt, die dem Baufach angéhörten, theils als Beamte, theils als Civilbauunternchmer. Uns Nen is bekannt, ein wie reiches und wie tapferes Kontingent zu Reseroe-Offizieren der Handelsstand un» die Judustrie gestellt haben, und das gewöhnlich nicht in den- jenigen Spißen des Geschäfts, die der Beihülfe entbehren können, son- dern sehr häufig in den Personen, die durch den Krieg geradezu brod- los, für den Augenblick gewerbslos geworden sind.

Wir bitten Sie daher, die Voriage in dieser Gestalt mit dem- selben Wohlwollen zu behandeln, welches Sie ihr in einer früheren Disfussion, wo sie in einer andern Gestalt vorgehracht war; gewidmet haben, und nicht anzunehmen, daß nach Meinung der Regierungen hiermit das Bedürfniß überall ers{chöpft sei. Aber das Vorhandensein des Bedürfni\ses wird von einzelnen Re- gierungen vollkommen geläugnet, und deshalb iff die Fassung eine fo locfere geblieben, daß die Regierungen selbst darüber zu befinden laben, inwieweit und welche Fälle sich zur Verwendung der dur das Geseß gewährten Mittel eignen, und daß wir uns \peziellerer KBorschriften enthalten zu sollen geglaubt haben, aber ih hebe wieder- holt hervor, daß. in einigen Ländern, namentlich im preußischen Lande, meiner Ueberzeugung nah das billiger Weise zu berücksichtigende Be- dürfniß du: ch diese vorshufweise Gewährung nicht ershöpft sein wird

Im Verlauf der Diskussion erklärte der Fürst Reichs- kanzler nah dem Abg. v. Bunsen:

Ich hatte nicht die Avsicht, in dec rein geschäftlichen Frage, ob Kommission, ob nicht Komnmiissicn, das Wort zu ergreifen, nur nöthigt mi dec Herr Vorredner dazu, indem er, meines Erachtens, ohne durch das Bedürfniß der geschäftlichen Seite der Frage dazu gedrängt zu sein, eine Erklärung gab, als hätten die Regierungen ihre An- sichten über den früher von ihm gestellten Antrag wesentlih geändert. Tch kann das Lob, was er unserer Fügsamkeit in dieser Beziehung ectheilt hat, nicht annehmea, Die Anjichten, die ich heute hier im Namen der Regierung vertrete, roaren längst Ansicht der Regierungen, ehe der Herr Vorredner seinen Antrag gestellt hat. Es war nur nicht leiht, innerhalb der Bundesregierungen eine V rständigung Über die Art, wie dem Zwecke näher zu treten sei wie ih dies hon im Anfange meiner Rede entwickelt habe herbeizuführen, weil dic Auffassung und die Interessen der einzelnen Regierungen wesentlich verschiedene waren. Der Wunsch, den Betheiligten auf dem einen oder anderen Wege zu belfen und ich bemerke in Parenthese, wie ih glaube, überwiegend durch Darlehne , indessen ohne Aus\@luß der Zahlung à fond perdu dieser Wunsch bestand bei sämmtlichen Re- gierungen von Anfang an, ja ich fann sagen, {hon in Bersailies, {on vor Berufung des Reichstages war davon die Rede, daß etwas der Art zu gesehen habe; aber die Art, ob und wie cs einheitlich in die Hand zu nehmen sei, war denn doch eine “Frage, die von 25 Regierungen nicht so leiht durch Erôrierung und Slbstimmung entschieden werden konnte. Daß etwas in der Sache acschehe, haben wir immer gewünscht, aber die Art, wie der Herr Vorredner in s-inem früheren Antrage es beabsichtigt katte, haben wir für nicht praftisch ausführbar gchalten, und noch jeßt glaube ich, daß die Fassung unseres Antrages in glück- licher Weise die Klippe umscbifst Labe, auf die der Herr Vorredner die Reichsrezierung seßen wollice, indem wir die Entscheidung dar- über, in welcher Weise die einzelnen Unterstüßungen zu erfolgen haben, 0b dur Darlet,ne oder durch Zahlungen à fond perdu, durch welche Organe sie zu erfolgen habe, sowie über die Nüglichkeit und Bedürf- tigfeit, ganz in das Ern:essen der einzelnen Regierungen gestellt zu sehen wünshen Allen diesen Regierungen für diese Bedürfnisse auf fonstitutionellem Wege Miitel zu verschaffen, ist in diesem Augenblick nit anders möglich als durch den Reichstag. Ohne diese Erwägungen der Regierung an die Sache heran zu treten, glaube ih, hieße in den- selben Fehler verfallen, an dem der von dem Herrn Vorredner gestellte Antrag laborirte, indem er der Reichêregierung Aufgaben zuwies, ohne sich der Mittei und Wege der Ausführung zu versichern, in- dem er verlangte, daß eine nüßliche Handlung geschehe, ohne sich den Kopf zerbrechen zu wollen, wie sie ausgeführt werden könne. Wir unsererseits haben uns den Kopf darüber zerbrochen und sind nah langen Erwägungen und gegenseitigen Konzessionen und Nachgiebigkeiten in die angenehme Lage gekommen, Jhnen dieses Gese vorlegen zu können, und wir hoffen auf Jhre Bewilligung Jch k nn dabei allerdings den Wunsch nit unterdrücken, daß der Weg gewählt werde, der am schleunigsten und mit dm geringsten Zei-verlust zum Ziele führt, da, wie ich schon angedeutet habe, wir, bevor wir \{lüssig werden konnten, einen er- ‘eblichen Zeitraum gebraucht haben und bis an das Ende der S ißung zit der Sache haben zögern müssen, weil früher eine Einigung über ckieselbe nicht zu erzielen war, Wée!cher Weg nun geschäftlich der ?ürzeste ist, darüber steht mir cin Urtheil nicht zu, das muß ih dem Hause überlassen. Qur Motivirung des Geseyzentwurfs, betreffend die Verleihung von Dotationen in Anerkennung hervorragender, im leßten Kriege erworbener Verdienste, nahm der Reichskanzler Fürst Bi8marck das Wort f

Jch kann allerdings nicht umhin, meine Herren, denjenigen Red- nern der vorigen Diskusfion beizustimmen, welche sagten, daß zwischen

der Tendenz der beiden Vorlagen eine wesentlihe Verschiedenheit, nicht eine äußerliche, aber eine innere Verschiedenheit stattfinde: das cine iff ein Aft der Unterstüßung, das. andere ist ein Aft Königlicher Freigebigfeit - zu dem Se. Majestät der Kaiser Sie bittet , ihm die Mittel zu gewähren. Es i ein ungewöhnlicher und seltener Fall, ia welchem ich Jhre Nachsiht dafür in Anspruch nehme, daß ich mich von der fonstitutionellen Tradition, die Personen der Souveraine nicht zu erwähnen, in etwas entferne; ich will nicht von dem Sou- verain im eigentliven Sinne des Wortes sprechen, ich will mehr von dem Kaiserlichen Feldherrn reden, und auch von ihm nicht direkt, denn es würde mir nit ziemen, ich würde das in meiner Stellung niht wagen. Jh will Sie nur indiveft bitten; sich die Frage zu stellen, wie etwoa diese ganzen Verhältnisse hätten verlaufen können, wenn auf dem Throne Preußens sich ein anderer Monarch, als Se. jept regierende Majestät befunden hätte, War es nit möglich{, daß dieser große Krieg, der größte unseres Zeitalters, der cin Menschenalter, ein halbes Jahrhundert hindurch wie eine drohende Wolke am Ho1izonte Deutschlands {webte, bei dem Monarchen, der auf dem mächtigsten deutschen Throne saß, nicht die gleiche Entschlossen- heit, den gleichen Muth, diesen hohen Muth, der Krone, Reich und Leben einseßt, vereinigt fand? War es nicht mögli, daß in Folge dessen dieser Krieg im Augenblick vermieden wurde, unter Umständén, die das deutsche Nationalgefühl {wer geshädigt und gekränkt hätten ? War es nicht möglich, daß er aufg-\{hodrn worden wäre, bis der Feind Bundesgenossen gegen uns gefunden hätte? Alles nichi aus dem Ge- sihtspunfte einec Aengstlichteit, die ich bei keinem deutschen Fürsten vorausseß, aber aus dem Gesichtspunkte wohlwollender, väterlicher eFriedliebe, die niht zu rechter Zeit das Shwert zu wählen weiß! War es nicht möglich, daß dieser Krieg mit weniger Geschick, mit weniger Entschlossenheit, vor allen Dingen mit woeniger sorgfältig vor- bereiteten Mitteln geführt wucde? Wem, meine Herren, verdanken wir es, daß diese Mitiel sorgfältig vorbereitet waren? daß der Krieg mit Geschick geführt wurde? daß mit unzögernder Entschlossen- heit der richtige Moment ergciffen wurde, um vorwärts zu gehen und der: Feind niederzuwerfen? daß nicht durch ZJögerungen die Zeit ver- loren ging, in der es nüßlich war, zu handeln? Wir verdanken es unserm Kaiserlichen Feldberrn; wir verdanken es in erster Linie dem Könige von Preußen, in zweiter Linie der echt deutschen eatshlossenen Hingebung seiner erhabenen Bundesgenossen für die nationale Sache. Der zweite Entschluß ohne den ersten war nicht möglih! Wenn ein Monar, an Jahren und an Ehren reich, mit dieser Entschlossenheit seine nach icdishem Maßstcbe bemessene glückliche, befriedigte, ruhm- volle Existenz einseßt für sein Volk, wenn er in seinem hohen Alter einen Kampf durchkämpft, der ga'z anders verlaufen konnte, wenn er dann zurükehrt und si fragt: wem verdanke ih, daß ih siegreich zurückehre, daß unser Volk ges{hüßt worden if vor den Leiden und Orangsalen des Krieges im Lande, vor dem Druck des Er- oberer; ja daß darüber hinaus Gott seinen Segen gegeben hat, das deutsche Volk in diesem Kriege, wo man es hbôse mit uns vorhatte, ‘und es gut wurde durch Gottes Hülfe, zu einigen und ihm Kaiser und Reich wicder zu geben? Jh sage: wenn dieser erste Deutsche Kaiser zurüclkehrz nah cincm langen Interregnum im Besiß der größten Vollgewalt ; der größten Macht, die augenblicklich in der Welt dasteht und sich fragt: wie, durch welche Lerkzeuge hat Gott dies Alles verwirklicht? wie habe ih dies gewon- nen? wem bin ih Dank schuldig? so trifft sein Dank natürlich zuerst sein Heer, die Tapferkeit d«r Tru) pen, die Intelligenz der Führer, und. es muß ihm ein Herzensbedürfniß sein, hier zu lohnen, hier zu dan- ken. Tapferkeit, meine Herren, läßt sich im Einzelnen nicht belohnen ; sie ist Gott sei Dank ein Gemeingut der deutschen Soldaten, daß man fie alle und jeden Einzelnen dafür zu belohnen hätte, wenn man fie belohnen wollte, aber die Tapferkeit , meine Herren , allein reiht nit hin zu diesem Erfolge: Muth haben auvch die Franzosen berwvite- sen, tapfer haben auch die französischen Soldaten sich geschlagen; was ihnen fehlte, war die Führung, war die Pflichttreue der Führer, war die Einsicht der Führer , war die entschlossene Leitung eines Kaiser- lichen , eines monarchischen Feldherrn , der in voller Verantwortung und sich bewußt, daß er um Krone und Reich \{lug, an ihrer Spiße stand. Jene Führer zu belohnen, muß ein Herzensbedürfniß des Kaisers sein.

Tch will die Nüßlicheit8momente ¡ die darin liegen können, daß man in das farge Leben des Soldaten die-Hoffnung auf ein ungewöhnlich aroßes Loos, die Hoffnung , die Napoleon den Marschallsstab im Tornister nannte, nicht abschneiden durh cine rechnende Kargheit in dem Augenblicke, wo wunde, blutend und fsiegreih das Heer nach Hause kommt, sondern daß man in solchem Moment reiche Belohnun- aen giebt für Dienste, die zu leisten Jeder in die Lage kommen kann. Dec gemeine Grenadier fann es bei uns zum General bringen ; ich habe Generäle bei meinen Lebszeiten gekannt, die keinen andern Ursprung haben, von denen der Eine eine hohe Stellung an der Spigze des Generalstabes einnahm , cin Anderer au der Spiße des Remonte- wesens stand, ein Andexer von einem gemeinen Kürassier bis zu einem der angeschensten Minister hinaufstieg, und dergleichen is| in unseren Verhältnissen bei unserer Gleichheit vor dem Geseß überall, wo Aus- zeihnung da ist, möglich. Und wenn so mancher müde Soldat {ließlich frühzeitig sich zurückzieht und fagt: Jch habe es nicht erreicht, \so bleibt ihm die Hoffnung, sein Sohn könne etwas Außerordent- liches, fönne Belohnungen im Dienste des Staates ertverben, wie sie hier verleihen zu können d.r Kaiser von Jhnen ‘die Mittel erbittet.

In diesem Sinne möchte ih bitten; meine Herren, stellen Sie sich auf die Höhe der Situation, vergessen Sie auf einen Augenblick die Stellung des bewilligenden, des geldbewilligenden Abgeordneten, denken Sie daran, dieses Herzensbedürfniß Sr. Majestät des Kaisers zu befriedi« gen, geben Sie JThm die Zufriedenheit, die Er durch Seîne Hingabe, durch Seinen Muth um Deutschland wohl verdient hat, |