1919 / 53 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 04 Mar 1919 18:00:01 GMT) scan diff

Zeitalter „Preußen über dem Reih“. Dieses Bismarckscbe Zeitalter wußte die deutshe Verfassung so zu gestalten, daß die Präsidialmacht Preußens mit etner solchen E von Befugnissen ausgestattet wurde, daß troß der Aufrechterhaltung des Grundsaßes der Souve- ränität das Neih in Wirklichkeit das verlängerte Preußen war. Gewiß hat es dieser Führung einen glänzenden Aufitieg ver- dankt, aber isi is cia eben)o jäâher Abstieg gefolgt. Weiter führte der Reder aus: Ucber den Obrigkeitéstaat bînwcg find wit: zur D tie gekommen. die

Selbstverständlich hat “auch die Dembokrätie, wie jede Verfossungsform, ibre

ichlechten Seiten. Karl Sthurz hat einmal das Wort geprägt. der Unterschied zwischen Demokratie und Monarcbis-\cheine ihm darin zu bestehen, daß in der Demokratie die kleinen Angelegenheiten \{lecht und die großen gut verwaltet werden, in der Monarchie dagegen die kleinen gut und die aroßen schlecht. Jch glaube, die Geschichte Preußens beweist das. n der auswärtigen Politik, bei der es si um das Wohl von 70 Millionen Measchen gehandelt hat, sind Werte, die durch den Fleiß von Generationen angesammelt worden waren, in 20 Jahren verpfus{t worden. (Sebr richtig! links.) Deshalb brauchen wir eine cndere Gesinnung, die Gesinnung zum Net. Es Hat ih gezeigt, daß es Völker gab, die noch mebr Blut aufwenden und noch mehr Eisen Vvtoduzieren konnten als wir, und da kovnte für uns von eineni Stege nit die Rede sein, Das deutsGe Volk, das so viel atidere Majestäten durch die Entwicklung der lekzten Zeit verloren hat, tvird die Majestät des Nets auf feinen Thron zurückführen. Défür ist mir die neue Verfassung ein Beweis, denn in ihr ist dec Metht8gedanke in aanz anderer Wèise durchgeführt als in der Bi8- märckchen. Zunächst bekowmen wir einen Staatsgerichkéhof, vot dem der Ne chspräfident, der Meichskanzler und die Neichäminister zur Veräntwortung gezogen werden können, wenn sie das Recht verleßt habén. Zum zweiten bekommen wir die Einrichtung von Ver- wältungsgérihten durch tas Neth. Auch das ift ein gewaltiger Fort- \chritt, deni wir wissen, das Neich {uf zwar allgemeine Normen für das Vertêins- und Versamutlungsrecht, aber dieses Net wurde durch préußische& Landräte manchmal în seltsamer Weise gebaudbabt. (Sehr riWtig! links.) Zum dritten bekommen wir einen Nehtssc{ußz für die nationalen Minderbeiten. Zum vkerten beaegnen wir der Idee des Rechts dort, wo die Nede ift vom Völkerrecht und vom Völkerbund. Wir Pazifisten haben es tausendmal gefagt, daß der Weltkrieg ver miedèn werden müsse, wil binter thm das Gesyenst der sozialen Añárchie stände. Man hat uns verlacht und verhöhnt. Wir streben nch Gemeinschaft innerhalb der Völke1familie, nicht nach Herr- s{höft über andere, aber wir verlangen. daß wir aufgenommen wêtden in die Eemeinschaft der Völker mit gleichen Necht. (Lebh. Zustimmung) Für die künftigen Neichstagëwahlen könnte man ein besseres Verhältniswahlverfahren etnführen. (Sehr gut! b. d. Dem.) Die dretiährige Legislatu: periode möchten wir auf 5 Jahre verlängert wissen. (Hört, hört! b. d. Soz.) Mit der Ju- stitutïon des Neilh#rats baben wir uns abgefunden, ein beruféstän- disches Wahlrecht für eîn Staätenhaus lehnen wir ab. Für Ver- fässungsänderungen sind ers{werte Normen notwendig, aber nicht, wênn die geseßgeberisthen Zuständigkeiten des Netchs auf einem ein- zelnen Gebiete der Gescßgebung erweitert werden sollen. Unklar sind uns die Bestimmungen über das Ministerkollegium und den Minister- vräsidenten. Das Kapitel des Grundrehts hat uus außerordentlich eititgusht. Wir finden hier nur die ältesten Ladenhüter aus dem Jahre 1848. Völlig unbefriedigend ist, was Über das Schulwesen ge- sägt 1 Das gesamte Unterrichts- und Etrziehungswesen muß eiu- beitlid aufgebaut werden, dazu ist notwendig eine Neichs\chulbehörde zu gegenseitiger Bêrständigung. (Sehr ritig! b. d. Demokraten.)

Abg. Colshorn (Welfe): Das Deutsche Reich wird nicht dadur ges{wäck@t, wenn Preußen wieder. gut macht, was es moralis{ an Hannover verbrochen hat.

Preuktis{Ger Justizminister Heine: Von tem Verlangen einer unges{wädhten HDegemonle Preußens ift bei meinen Kollegen in dêr preußischWen Regierung gar keine VNede, im Gegenteik, wir wöllen der Neichsidee uid der größeren “Macht des Neichs dienen. Dem Wunsche eines Teils der bannovers{en Bevölkerung nach einem selbständigen Staate stehen die viel größeren Massen der sozialdemo- trätishen Arbeiter dtescs Gebiets als Gegner gegenüber. (Wider- spruch b. d. Welfèn, Zustimmung b. d. Soz.) Wir tvollen ein großes eittheitlihes Deutschland, wir befämpten die Zerstücklung Preußens, aber Preußen will \sich mit all seinen Kräften in den Dienst des Mets stellen. Wenn jetzt noch der alte Groll über das vor 50 Jahren gel{Wehene Unrecht zum Ausdruck kommt, fo wirkt das einigerinaßen prähistorisch. Wik baben jeßt andere Dinge zu hassen und uns als Déüt\che vor cillem zu lieben, die wir von feindliden Mächten um- geben find. Jeßt müssen wix für die Zukunft arbeiten.

Abg. Dr. Cohn (U. Soz.) erkiärt in einer persönlickÆen Be- merkung, er sri siets für die Neichseinhcit eingetreten. sein Beifall habe nur dem Saß gegolten, daß Macht nicht vor Necht gehen dürfe.

Hierauf wird die Weiterbera\ung auf Dienstagnachmittag 3 Uhr vertagt. (Außerdem kleine Anfragen.)

Schluß 73/, Uhr.

Preusiem Berlin, 4. März 1919.

Die Reichsreaierung hat laut Meldung des „Wolffschen Telegraphenbhüros“ beschlossen, dem Staatenaus schuß sofort ile&Entwürfe zu einem Sozialisierungsgeseß und zu einem Geseß üher die Kohlenwirtks{haft zur Einbcingung att die Nationalversammlung vorzulégen. Zugleich hat die Reichsregierung beschlossen, ungesäumt den Entwmf eines Ge- seßes über die Kohlenwirt\haft auszuarbeiten, die dieses Gesetz auf gemeinwi: tschaf!liher Grundlage regeln soll. Da die er- forderlihe Umarbeitung des geltenden Kaligeseßes ein- aehendere geseßtechnisch?2 Vorbereitungen erfordert, lonnte dieser Geseßentwurf noch niht rechtzeitig mit dem Sözialisieruna8- gésez und dem Gescty über die Kohlenwirtschaft vorgeleat werden. Doch sollen die Arbeiten so {nell wie irgend möglich durchgeführt werden.

Der Entwurf eines Sozialisierungsgeseßzes lautet:

§ 1. Jeder Deutsche hat seine geistigen und köiperlichen Kräfte so: zu betätigen, wie es das Wohl der Gesamtheit von ibm erfordert. Die Arbeitskraft als höchstes Wirtschaftsgut der Nation {steht unter dem Schuße des Reichs. Das Neich gewährleistet jedem Deutschen die Möglichkeit, durh eine setnen Fähigkeitea entsprechende Arbeit sein Leben zu unterhalten; soweit er Arbeitsgelegenheit nicht zu finden vermag, wird ihm nach Maßgabe ein:s& betonderen Reichs- geseß:8 der notwendige Unterhalt aus öffentlihen Mitteln gewährt.

“§2. Wirtschaftliche Unternehmungen und Werie, insbetondere Bodenschäge und Naturkiäfte in die deutshe Gemeinwirtschaft zu überführen, sowie die Herstellung und, Verteilung der wirtschaftlichen Güter für die deutsde Gemeinwirts{aft zugunsten des Neiches, der bed Mete Gemeinden oder Gemeindeverbände zu regeln, ist Sache

etes.

§3. Die deutsche Gemeinwirtshaft wird von wirtschaftlichen Sel tverwaltungskörpern geleitet. Die Selbsiverwal1ungskörper werden vom Reiche beaufsihtizt. Das Neich-kann sich bei der Durch- führung der Aufsicht dèr Behörden der Gkiedftaaten bedienen.

A In Ausführung ber in §2 vorgesehenen Befugnis wird ungesäumt durch béfonderes Reicsgeseß die Ausnußung in Brenn- stoffen, Wasserkräften und fonstigen natürlichen Gnergiequellen und von der aus inen stainmenden Energie (Energiewittschaft) nah gemeinwirt\{chäftlihen Gesichtépunkten geregelt. Zunächst tritt für das Tetlgebiet der Koblènwirtschart ein Geseß über die Regelung der K'ohlenwirtschaft gleichieitig mit diefem Gesetz in Kiaft. Das der Naltkonalversammiung zugetende Geseg wird morgen ver: öffentlicht.

Dem Sißhungsberiht der Waffenstillstands- fommission in- Spaa vom 2. März entnimmt „Wolffs Telegraphenbüro“ folgende Mitteilungen:

Auf die frühere deutsche Anfrage, ob ‘die * Nachriht, daß General Liman von Sanders in Konftartinopel vor ein Krieggetidt geftellt wordea sein soll, den Tatsacen cntspreche, teilte der General Nudant mit, er habe eine Bestätigung bisher nicht erhalten. Es fei ihm in dieser Angelegenheit nur bekannt, daß Liman vou Sanders sb zurzeit in Malta befindet. Sobald als mögli, werde er näherè Auskunft: erteilen. h

Dann überreichte Nudant di e bereits veröffentlichte Note, in der über die mangelhafte Ablieferung der landwirt- schaftlichen Maschinen u de. Einstellung der Kohlentrans8porte aus dem rechtsrheinischen nach dem liuksrheinishen Gebiet Kiage geführt und alles Weitere in bezug auf die Strafe, die der deutschen Regierung dieser- halb auferlegt werden fönne, vorbehalten wird. Nach den Erwiderungen des deutichen Borsißenden und des Vertreters der deutschen Negierung, in denen sie die Verzögerung in der Abgabe landwirtschaftlicher Maschinen auf die revolutionären Bewegungen und Dauerstreiks in Deutschland zurücfführten, übergab die deutshe Kommiffion den Alliierten ein Gesuch des Zentralvercins für deutsche Lederindustrie, in dem dieser biltet, daß tertiges Leder aus dem beseßten Gebiet în das un- beseßte. zurüdgebraht werden darf, wenn die Nohware aus dem un- befeßtèn Gebiet stammt.

Aus dem weiteren Verlauf der Sipung: ist noch ein Einfpruch des Verireters der deutschen Iegierung erwähnenswert gegen die von dem franzöfischen Militärbetebhlshaber im Kreise Saarlouis im Widerspruch zum Waffenstilifkand8vertrag angeordnete Kontrolle des Zahlungsverkehrs der Banken und ähnlicher Institute.

Ueber die Rückwirkung des Bolschewismus auf die Ausführuna des Waffenstillstandsvertrags teilt die Deutsche Wasffeystillstandskömmission dem. „Wolffschen Tele- graphenbüro“ zufolge nachstehendes mit:

Infolge der dauernden Streits und der inneren Unruhen in Deutschland ist troß allex gegenteiligen Bemühungen eine erhebliche Berzögerung in der Abgabe ter lantwirtschaftlichen Maschinen an die Alliierten cingetreten Ein großer Teil des Materials, dessen Herstellung deutihe Firmen übernommen haben, kann von diesen nicht zur rechten Zeit und in dem versproWenen Um- fange geliefert werden. Vurh die Streiks sind die Fabriken der betreffenden Betriebe tage-, ja wochenlang fstillgelegt worden. Dazu kommt die Transporlnot, entstanden durch die Ab- lieferung des ungeheuren Eisenbahnmaterials an die (Entente und vergrößert dur das Verhalten bolschewislisher Unrubestifter. Es braucht nur auf die Zerstörung des Eisenbabnnetzes in den Bezirken Erfurt und Halle hiugewiesen zu werden. Von der Tragweite dieser wahnsinnigen Tat kann man fich ungefähr ein Bild machen, wenn man höôrt, daß sih bierdurch die Züge mit den aus Schlesien kommenden ländwirtschaftlihen Maschinen bereits von Erfurt bis Breslau angestaut haben, die auf der Fahrt nach der Ueber- gabestelle in Mainz begrisfen waren. Aber nicht nur die Liefe- rungen aus ganz Schlesien, sondern selbst die aus Mecklen- burg, West- und Ostpreußen kommenden sind dadurch ins Stocken geraten, da auch fie den Weg nah Mainz über Erfurt nebmen müssen. (Fin ungeheures Durcheinander auf den ganzen Strecken, das dre gut durhdachte Organisation zur Ablieferung der landwirt- \haftliden Maschinen zw zerstören droht, ist die Folge. Du: \olche und ahmiche Zwischenfälle kommen die Züge an den Üebergabestellen teils mit großer Versbätung an, tetls gelangen sie überhaupt nicht an ihren Bestimmungsork.

Augefichts dieser Tatsaclen und des Umstandes, daß die Alliterten:Uebergabekommissionen bei ver Abnahme der land- wirtschaftlihen Maschinen ähuliße Schwierigkeiten wie bei der Ablieferung des Eisenbahnmaterials bereiten, ist es nicht über- raschend, daß, wie der General Nudant am 2. Vèärz der deutschen Kommission in Spaa in einer Note mitteilte, statt der bis zum l. März im Prinziy abzuliefernden 31 204 Maschinen nur 577 land- wirtfcaftliche MVa)chinen den Alliierten übergeben jein sollen.‘ Nudaut will sich infolgedessen, wie er in der Note erklärt, bereits jeßt alles vorbehalten, was als Strate für die verzögerte Abgabe des landwirtschaftlichen Materials der teutschen Negierung auferlegt werden könne. Demgegenüber wies der Vorsißende der deutschen Kommission darauf hin, daß die deu!she Regieruag alles tut, um die Lieferungen durdzutühren. Er seßte Nudant die cingangs ausgeführten Umstände auseinander, dur die die Ablieferung der Maschinen ver- zögert worden ift, und betonte, daß hier „höbere Géwait“ vorliegt, gegen“ welche die deutswen Behörden im Augenblick machtlos seien. Lroß dieser deutshen Erklärung bielt der General Nudant den Tert seiner Note aufrecht und stellte in einer weiteren Note fest, daß feit mehreren Tagen feine Kohlen aus dem unbeseßten Deutsch- land im betegten Gebiet eintreffen, und ersuchte, die deut|che Ve- gierung zur Abstellung dieses Uebelsiänds zu veranlassen. Der Ver- treter der deutschen MNegierung erwiderte, wie Nudant wohl bekannt sei, hätten in den letzten Wochen im r1beinisch-westfälishen Kohlen- bezir? {were Unruhen geher1\ch{cht, die dazu führten, daß bolshe- wistische Elemente die Lerrschaft vollständig an si rissen. Die Arbeits- willigen seien gezwungen worden, die Arbeit einzustellen. Die Folge sei wesen, daß auf allen Kohlenzehen mit wenigen Ausnahmen die Förderung und der Kohlenversand sowohl nach dem beseßten Gebiet als auch nah den anderèn Teilen Deutschlands eingestellt worden ei. Erst in den leßten Tagen sei es der deutschen Regierung ge- Inngen, mit Waffengewalt einigermaßen Ordnung zu schaffen, so daß man hoffen könne, die Kohlenzufuhr wieder in Fluß zu bringen.

Auf vielfache Anfragen, insbesondere auch von Arbeiter- und Soldatenrätey, ob in dex neutralen Zone Soldaten-, Arbeiter- oder Volksräte gestattet feien, hat die deutsche Wasfenstillstandskommission die Alliierten um Auskuünft ersucht. Der General Nudant hat, wie „Wolffs Teleagrapherbüro“ mitteilt, nunmehr darauf ertlärt, daß feinerlei Soldatenr äte, Atbeiterräte oder Volksräte, auch wenn die Aogehöigen keite Militäipersonen sind, in der neutralen Zone geduidet würden.

Der deutsch-österreichische Staatssekretär Dr. Bauer ist in Begleitung des Unterstaatsfselretärs Riedel und des Sekretärs Kautsky geftern vormittag. von hier mittels Flugzeuges nach Wien zurückgereist. Zur Verabschiedurg hatten fih auf dem Flugfeldé Fohannisthäl der Neichsminis{ck des Auswärtigen Graf Brockdorff-Nanßzau, der deutsh-österreichishe Gesandte Professor Hartmann und andere Persönlichkeiten eingefunden.

An Stelle des ‘in den Ruhestand tretenden - Wirklichen Geheimen Rats Kobelt ist, wie „Wolffs Telearaphenbürs“ méldet, der Direkkor im Reichévostmiristerium Teucke zum Unterst@atsfe?-: im Relthepostriinisterium und für diesen ter Abteilunasdirigent Wi tlihe Geheime Obeipostrat Dr. König zum Direktor im Reicheposlministerium ernannt worden.

__Es ist dem Zentralrat bekannt geworden, daß seit einiger Zeit eine ganze Anzahl gefälshter Ausweise um- laufen, die die Usterschrist von Viey und J. V. Leinert tragen. Sie sind außerdem verschen mit einem Stempel: Sotdatenrat Groß Berlin sowie Zentralrat und tragen meist noch die Nummer F. A. 12. Wies „Wolffs Telegraphenbüro“ mitleilt, ist bei einiger Aufmerksamkeit die Fälschung klar er- sihilih. Troßdem haben sich Behörden sowohl wie P: ivatleute täuschen lassen, die mit diesen Fälschungen versehenen Rer sonen als Vertrauensleute des Zentralrats anerkannt und dadur große Schwindeleien ermöglicht. Der Zertralrat macht deshalb noch einmal ausdrücklich darauf aufmerksam, daß alle von ihm her- rührenden Ausweise auf Briefbogen ausgestellt sind, die am Kopf die Aufschrift: „Zentralrat der deutschen sozialistischen Nepublik“ tragen, mit dem Stempel des gleichen Textes versehen find und die persönliche Unter- schrift eines der beiden Vorsitzenden Leinert oder Max Cohen

aufweisen müssen.

Aus Oberschlesien licgen eine Reihe wéitcrer Prote s - fundgebungen von Gemeinden und Städten (Kreis Oppeln: Friedrichsthal, Tauenzinow, Schwarzwasser und Muüurow; Krets Kreuzburg: Rosen, Nasfadel und Gozlau) vor, in denen feier- lich Einsorvcch gesen die von nationalpolnischer Seite unter- nommenen Versuche, Oberschlesien oder Teile davon dem neu zu gründenden polnishen Neich einzuver- leiben, erheben und der Wunsch ausgespröchen wird, daß Oberscälesien in seiner Gesamtheit bei dem deutschen Vater- [ande verbleibt.

__ Der Pressebeirat der deulschen Gesandtschast in Libau teilt laut Meldung des „Wolffshen Telegraphenbüros“ über die Lage folgerdes mit:

In den leßten Tagen fanden an der Wir daufront mehrsah heftige örtlihe Kämpfe mit den Sowzjettruppen statt. Auf Goldingen untemahmen die Bolshewisten mit starken Kräften einen Vorstoß, der von den dort stehenden Väabänden der baltischen Landeswehr restlos abgeschlagen wurde. Neichs- deutsche Truppen nuabmen in einem Handstreich den Ort Murajew, der als Knotenpunkt der Eisenbal)nlinie nah Mitau und Schaulen große Bedeutung best. Im Zentrum der Kampflinie, das auf unserer Seite von den lettischen Ab- teilungen der Landeëwehr unter dem Obersten Folpack beseßt gebalten wird, herrscht Nuhe, do wird erwartet, daß der vou Trotfki be- foblene allgemeine Angriff der Sowjettruppen angesichts der milden Witlerung an dex ganzen Front nit lange auf sich warten lassen wird.

Ueber die Bildung örtliher Bekräte bei den arößeren Strafonstalten ist unterm 22. Februar d. J. eine allgemeine Verfügung des stellvertretenden Justizministers ergangen, die folgendes besagt:

Dem berechtigten Interesse der Bevölkerung am Strafvollzug entspricht es, thr auch auf diesem Gebiete der Strafrechtspflege Ge- legenheit zu mitwirkender Betätigung zu bieten. Ich bestimme des- halb, daß bei den größeren Strafanstalten örtliche Beiräte zu bilden find, die als ehrenamtliche, neben den staatlichen Verwaltungsorganen bestebende Ausschüsse an dcr Ueberwachung des Strafvollzugs beteiligt fein sollen. - Die Einrichtung kommt bauptsächlich für die selbständig vérwaltéten Zuchthäuser uid Gefängnisse, daneben aber au tür die größeren Gerichtägefängnisse in Beiracht, soweit sie niht überwiegend zur Aufnahme von Untersuchungs8gefangenen dienen. Die Beiräte sollen je nah der Größe und Bedeutung der Anstait aus 3 bis 5, ausnahmsweise auch aus mehr Mitgliedern bestehen, um deren Wahl die kommunalen Selbstverwältungskörper erfucht werden. És ist erwünscht, daß hierbei insbesordere auf die Heranziehung solcher Personen Betacht genommen wird, bei denen nah ihrer beruffihen, ehrenamtlihen oder sonstigen Tätigkeit, wie z. B. bei Aerzten, Geiftlichen, Lehrern, Armenpflegern, Mitgliedern von Wohlfahr!8- oder Fürsorgeeinrihtungen u. dgl., teil- nehmendes Verständnis für den Strafvollzug und die Gefangenen- fürsorge vorauëgeseßt werden kann. Für Anstalten mit ausf1ießlich weiblicher Belegung oder besonderen Abteilungen für weibliche Ge- Me Tómmen namentlich auch Frauen als Beiratsmitglieder in

rage. /

Die Beiräte, deren Mitglieder mittels Handshlags auf Ver- schwiegenheit über die ihnen aus ihrer Tätigkeit bekanntwerdenden Naïnen und Verhältnisse der einzelnen Gefangenen zu verpflichten find, sollen befugt sein, die Anstalt zu besichtigen, von allen Ein- richtungen der Atstalt Kenntnis zu nehmen und sh von der ange- messenen Unterbringung, Beschäftigung und Beköstigung sowie von der vorsthristsmäkigen Behandlung der Gefangenen überhaupt zu überzeugen. Sie dürfen zu diesem Zwecke die Strafgefangenen in den Hasträumen auffuchen, mit ihnen sprechen und Einsicht in ihre Akten nehmen ; au sind sie berechtigt, alles was ihre Aufmerk- famfkeit erregt, insbesondere die ihnen auffallenden Mängel, bei dem Sttrafanstaltsvorsteber oder bei den Autsichts- behörden zur Sprache zu bringen. Auf Verlangen ist ibnen über die Angelegenheiten der Verwaltung Auskunft zu geben. Auch sonst haben es fi die Strafanstaltsvorsteher angeleoen sein zu lassen, die Beiräte in jede Hinsicht zu unterstüßen. Bei beiderseitigem ver- ständnisvollen Zusammenwirken if von der Tätigkeit der Beiräte eine nit zu unterschäßende praftische Förderung der Straivollzugs- ziele zu erwarten. Die Einrichtung wird überdies zur Klärung und Beseitigung mancher unrichtigen Vorstellungen und Vorurteile in bezug auf die Handhabune des Strafvollzugs beitragen und das Bertrauen der Oeffentlichkeit zur Strafanstaltsverwaltung stärken.

Die Bildung der Beirâte soll unmittelbar nah der bevor- stehenden Umgestaltung der kommunalen. Selbstverwaltungskörper in Angriff genommen werden. In Stad1kreisen kommen für die Wahl der Mitglieder regelmäßig die örtlichen Gemeindevertretungen in Frage: für solde Anftalten, die in kleineren Städten oder in Landgemeinden gelegen find, empfiehlt es sich, den Kommunal- verband des Kreises um die Wahl zu ersuhen. Wo besondere örtlihe Verhältnisse oder die Art der Belegung dex Anstalt es zweckmäßig erscheinen lassen, kann auch in Frage kommen, wegen der Wahl des Beirats mit dem Kommunalverhand der Provinz ins Benehmen. zu treten. Seitens der Dberlandesgerichtspräjidenten und Oberstaatsanwälte ist bis zum 1. Mai d. F. zu berichten, bei welchen Strafanstalten Beiräte zu bilden, wieviel Mitglieder in die einzelnen Beiräte zu berufen und welche Körperschaften um die Wahl der Mitglieder zu ersuchen fein werden.

Vater.

Vorgesiern wurde über München ein Flugblatt ab- geworfen, dessen Juhalt laut Meldung des „Wolffschen Teles graphenbüro“ u. a. besagt:

Die in dcr Stadtkommandtantur ve1sammelten Mitgliede r sämtlicher Münchener Truppenteile erklären nach reif- lier Ausspracke über die Vorgänge der letzten Tage, daß sie ge- \{Glo}ssen hinter dem Stadtlomwmandanten Duerr stehen. Sie fordern, daß fofort ein rein sozialisti)ches Mtristerium die Tätigkeit aufnimmt uno lebnen. ed ab, mtt Spartaktisten Und Kommu - nistenzwarbetten. Ele werden na@drücklil) dei Terror der Straße enlgegentreten. '

T U T IMET T 107-2 CrIMENRET R200" ger E T Eg ir e ee 1p,

Weiter wird die Bewafsnung der Arbeiter gefordert und cttlärt, daß die Truppen, falls diese Forderungen nicht zux Durhführuan gelangen, in Verbindung mit den Soldaten: räten Les Landes für Errichtung eines Minisiexiums aus Unabßäagigen, Méehrheissozialisien und WBauernbündlern over ein reines Guuppenministerium eintreten werden: Sie verlangen endlih éine vernünftige Handhahurg der Prefse-

N

zensur, die jede Partei zu Woite kommen läßt, aber alle Heb-

Sachsën,

artifel verbietet.

Jn einex Sißuna des großen Leipziger A.- und S.: Rats wurde gestern- dem „Wolffschen Telegr aphénbüro“ zufolge be- \chlossen, daß die unabhängigen Abgeordneten der sächsischen

Kammer in Mittel- und Osflsachsen dafür zu wirken

«haben, daß auch doct in den Generalsireif eingetreten

wird und daß in Sachsen die Räterepublik ausgerufen wird. - Der Generalstrei? der Arbeiterschaft und der Bürger nimmt in Leipzig seinen Fortgang. j

Oldenburg,

Der durch die Nonemberereignifsse in Wilhelmshaven zum Präsidenten des Freistaats Oldenburg und Friesland ausge- rufene Obermatrose Kuhnt ist, wie „Wolffs Telegraphen- büro“ meldet, auf einen Verhaftungsbefeh{: oes Neich8wehr- ministers Noske gestern verhaftet und nah Berlin gebracht worden.

Frankrei{ch.

Nach einer Meldung der „Agence Havas“ hat die Kom- mission der Konferenz für die griehischen An- gelegenheiten eine grundsäßliche Entscheidung über Kiein- Asien getroffen. Sie beschloß, daß ein Küstenstteifeu zwischen Evoli und vem Golfe (der Name des Golfes ist nicht genannt) Griechenland zugeteilt werde, sei es als völliges Eigentum, sei es zur Ausübung eines internationalen ‘Mandats. Italien machte einige Vorbehalte, indem es auf die Verpflichtungen des Veriraaës voa St. Jean de Maurienne im Jahre 1917 gegenüber Jtalien hinwies. |

Die Kommission, die sich mit den dänischen For de- rungen beschäftigt, fiimmt einer Volksabstimmung en bloc für den vördlichen Teil fowie einer abschnittsweisen Volks- absiimmung für den zentralen Teil zu. Diese Volksabftimmung wicd rach Ablauf einer gewissen Frist, nachdem das Land dem Einflusse der deutschen Beamten entzogen wörden ist, stattfinden.

Die Frage der deutschen West- und Ostgrenze wird im Laufe der Woche behandelt werden. Auch die finanziellen Bestimmungen sind vorbereitet. Die französishe Régierung verlangt nicht die Zurückerftattuna d-r Kriegsausgaben, jedoch die volle Wiedergutmachnung, die Zahlung ihrer Pensionen und derjenigen Summe, die die Gewinneinbuße ihrer Jndustrie darstellt. Die Fassung des endgültigen Woffenstill- stands wird Deutschland vor dem 17. März zur Unterschrift

vorgelegt werden. Rußland.

ach einer Meldung der „Times“ aus Moskau teilte der Borsißende der Finanzkommission- Krestinskt mit, daß die Finanzpositik der Bolschew isten zur Katastrophe führen müßte. Die Besteuerung der besizenden Klassen, deren Ertrag auf 10 Milliarden Rubel geshößt worden sei, habe nur

| 450 Millionen Rubel êrgeben. Die besißendeèn Stände in den Städten seien erschöpft.

Die Bauern wollten nihts von einer Besteuerung wissen ‘und leisteten bewaffneten Wideistand. Zum Schluß forderte Krestinski die sachvecsländtigen Mitglieder der Bourgeoisie auf, ihren Haß zu vergessen und sich in den Dienst der Bolschewisten zu stellen. A

Die Sowjetregierung wird als Antwort auf den Vorschlag der Berner. Konferenz, daß eine soziolistishe Abordnung die Zufslände in Rußland untersuchen soll, an die Eatente das Ersuchen richten, aëch einer bolschewistishen Kommission zu gestalten, in den Ententeländern eine Untersuchung einzu- leiten. Ftalien.

Der Ministerpräsident Orlando hielt am Sonnabend in der Kammer eine Rede, in der er der „Agenzia Stefani“ zufolge u. a. sagte: i

Nach der Beendigung des Krieges bietet die innere Lage das meisle Interesse. Jtalien hat im Verhältnis zu feinen Mitteln in wirts{aftliher Hinsicht r1ehr verausgabt als jedes andere Land, aber auch seine Organisation schreitet rascher vorwärts als wo. anders. In Jlalien herrscht . mehr industrielle Tätigkeit, und es wird weniger 'gefeiert als in anderen Ländern. Ja ganz Guropa fühlt man die dauernde Gefahr, - die nicht einzelne Einrichtungen, sondern alle sozialen Kreise bedroht. Ihr gegenüber gist “nicht eine Politik des Zwanges angezeigt. Zu den Arbeiten der Friedens- konferenz übergehend, sagte Orlando: Ein neuer Geist leitet die Ver- handlungen, so daß man allgemein über die Gebietsveränderungen nur unter dem Gesichtêpunkt der politislen Opportunität verhandeln wird und über das Schicksal der Völker nicht mehr ohne oder gegen deren Willen bestimmen kann. Die neuen Staaten waren si über den Völkerbundsvertrag einig, der dadur einen vollkommen neuen Charakter erhält, daß der Grundsaß eines nicht obligatori!:hen Gerichts- bofes durch positive Altivität erseßt wird. Diese verpflichtet alle Völker, die internationalen Fragen der Kontrolle der öffentlichen Meinung zu unterbreiten. Jtalien ist glücklih, bei der Errichtung dieses neuen Gebäudes mitgearbeitet zu haben. Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus verlangt es, obwohl es am \{chwersten gelitten hat, nur einen zerechten Anteil an den Entschädigungen und der inter- nationalen Finanzregelung. Diese Forderungen. wurden in den Be- \chlüssen der einschlägigen Sonderkommi|sion bereits berücsichtigt. Wir haben den Giund)}aß angenommen daß bei Völkern, ‘die sh noch nit selbst regieren können, das Stew, der Unterwerfung und Knechtschaft duxch ein anderes erseßt wird, wonah die Fürsorge tür sie im Auftrage. des Völkterbundes zivilisierten Völkern über- wiesen wird. Jtalien würde das Necht zugestanden, da- bei mitzuwirfen. Italien glaubt ebenso wie früher an das Recht seiner Ansprüche, denn die folgende Forderung kann weder verkletnert, noch kann ihr etwas8 zugefügt werden. Die Vereinigung aller Völker der ruhmreichen italienishen Tradition mit Ftalien, der Zusammen- 1chluß innerhalb der Grenzen, welche die Natur selbst vorzeichnet, wvodurch Italien zu einem Lande, das am deutlichsten umrissen ift, das Volk aber zur ethnographis{ch einheitlihsten Nation Europas würde, dieser Zusammens{luß sichert die Unversehrtheit und die Verteidigung des Landes. Jtalien ist si{ch seiner Rechte bewußt, weiß aber auch, daß jeres Recht durch das der anderen begrenzt ist. Der Vertrag beim Eintritt in den Krieg, der einzig den Zweck batte, durh die Verbündeten feierlich ane: fennen zu lassen, welche Ausdehnung den italicenishen Rechien gegeben werden müsse, batte schon von Anfang an Kompromißcharakter, was durch die in diejem Vertrage entlaltenen Verzichte deutli tervorgehoben wird. Wir bliben dem Geist der Versöhnung treu, aber das bedeutet nicßt, daß Ztalien gegenüber dem Nuf einer durchaus italienischen Stadt

am Ouarnerogolf unempfindlich bleiben kann. Wir bestehen völlig auf der Anerkennung unfercs Nechtes mit fester Entschlossenheit, aber durchaus nicht starrsinnig.

Finnland,

Die Agrarpyartei hat im. Landtage den Antrag eins gebracht, den früheren Beschluß des Landtags über die Wahl des Königs aufzuheben. Nach der „Berlingske Tidende“ beshloß der Landtag mit 56 gegen 37 Stimmen, den Antrag der Agrarpartei abzulehnen.

Asien,

__ Neuter erfährt, daß der älteste Sohn des verstorbenen Emir voir Afghanistan, Jnayát Ullah Khan, sich 1nit der R b S seines Onfkels Natrullah einverstanden er- lärt hat. ¿

Statistik und Volkswirtschaft,

Zur Arbeiterbewegung.

In einer Vollsißung der Arbeiter«-undSoldatenräte Groß Berlins wurde gestern über einen von den unabhängigen Sozialdemokraten unterstützten Antrag der Kommunisten, den General- ausstand zu erfläreæ und diesen fofort beginnen zu lassen, bér- handelt. Zunächst übermittelten Abordnungen folgender industrieller Werke der Versammlung Streikbef{lüse mit Aufforderungen zum Eintritt in den Generalansstand: Sietnens - Shuekert Dynamowerk, Autonobil-Werk und Block-Halle, A. E.-G. Turbinen- Fabrik, Loeb Automobil-Werke, Stock und Co: A.-&., Marien- felde, Spandauer Staatsweckstätten, Lokomotivenfabrik Schwart- kopfff-Wildau, Knorr-Bremfe, Siemens-Schuckert Elino-Werk, die Berliner Former, Siemens und Halske Wärmewers, Siemens- Schuckert Kabelwerk, Schwarßtzköpff-Werke in Berlin sowie die Arbeiter der Eisenvahnwerkstätten in Berlin: Sämtliche Ab- ordnungen ertlärteæ übereinstimmend, daß die Arbeiterschaft threr Be- triebe mit übdergroßer Mehrheit den Beschluß gefaßt bäbé, in den Genérdalauéstand einzutreten. Nach längerér, sfürmiiher Aus- sprade wurde dann, wie der „Vorwärts“ berichtet, mit rund 400 Skimmen gegen etwa 120 dêr fozialdemo- fratifsWen WMehrheitspartei und der demokratif{en- Partei bei über 200 Siimmenthaltungen der Eintritt in den GBeneral- ausstand beschlossen. Folgende Betriebe und Gewerbe: sollen jedoch vom Streik unberührt bleiben: die ganze Lebensmittelbranche, die Feuerwehr, tas ganze Sanitäts. und Kranfkenhauswesen, die Gaswérke, Wasseriverke, Beerdigungsinstitute, Krankenkassen und Bes rufsorganisationen. Die Verkehrseinrichtungen sollen nur so weit bom Streik ausgeféblossen sein, als dies für dessen Durchführung erforderlich ist. Der Streikieitung soll es vorbehalten bleiben, im Falle zwingender Mängel einige Ausnabmèên zuzulassen. Erft hierauf, als man längst den Ausstand und seine Durchführung beschlossen hatte; fam man darauf, fesfzulégen, weshalb man streifen wolle „und wart män das Streikziel als erkei{t ansehen könne. Ohne Widerspruch einigte 11a fich auf die Dursetzung der allgemeinen MNichttinien für die rehtlihe Stellung und Tätigkeit der Arbeiterräte. Außerdem wurde eine Meibe politischer Forderungen aufgestellt, von deren Gr- füllung die Beendigung des Ausstandes gleichfalls abhängig sein soll. Sodann beschloß die Vérsammlung, dem Vollzugsrat die-Streif- leitung zu überiragen. Die Kommunisten teilten mit, daß sie fic an diejer Streikleitung nicht beteiligen; sie haben eine eigene Streif- leitung. Nach längerer Aussprache über die dadur geänderte Zu- sammenseßung der Sireikleitung traten auc. die beiden Demokraten aus dieser aus. Da der Vollzugsrat für die Leitang zu schwach an Zahl ist, wurde beschlossen, ibm je zehn Mitglieder der beiden sozial- demokratischen Frakitonen zur Unterstüßung beiiugeben.

Der infolge-des Generalstreikbeshlusses eingetretene-Au#8 stan d der Angéstellken dér Berliner Verkehrsöunter- nehmungen begann geftérn bei der Großen Berliner Straßen- bahn bereits am späten Nachmittag. Die Hoh- und Untergrund- bahn stellte Abends den Verkehr ein.

Auf Grund eines Beschlusses der Vorstände der im Deutschen Beamtenbunde zufammengeschlossenen Beamtenverbände (dar- untet die Verbände der Cisenbahn- und Postbeamten) lehnt, wie „W. T. B." mitteilt, der Deutsche Beamten - bund den Eintritt in einen allgemeinen Beamtenausstand als Gegenmaßnahme gegen den Generalausstand der Arbeiter ab. Auch tritt der Deutsche Beamtenbund nicht in einen Ausstand im Anschluß an einen etwaigen Bürgerausstand ein.

Ein besonderer Aus\huß des Deutschen Beamtenbundes ist ermächtigt,

etwaige weitere Maßnahmen zu treffen.

Gestern verhandelte, wie „W. T. B.“ berichtet, der Nei s- arbeitsminister Bauer mit den Vertretern der aus- ständigen Arbeiter und der Arbeitgeber aus dem Wittenberger Industriebezirk. Es wurde vollkommene Cinigung über die Einführung der Betriebsräte und deren Aufgabe erzielt. Bei diesen Verhandlungen stellte es fich heraus, daß die Hallesche Ausstandsleitung unter Führung ‘des - Üngb- hängigen Köhnen, die vor Ausbruch des Ausstands auf der gleichen Grundlage mit dem Arbeitsminister verhandelt hatte, die aus-

| ständigen Arbeiter vollkommen falsch unterrichtet und

ihnen die Zugeständnisse der Regierung gänzli lücenhaft übermittelt hatte. Die Vertreter aus deur Wittenberger Jndustriebezirk haben die Ausstandsleitung gebeten, die sofortige Wiederauf- nahme der Arbe if zu veranlassen. i

In den großen Kohlenrevieren Nheinland-Wesst- falens und Oberschlefîiens ist, wie der „Vorwärts meldet, alles ruhig. Aus Westfalen wird nur ein kleiner Ausftand der Zeche „König Ludwig“ in Neklinghausen von rein örtlicher Bedeu- tung gemeldet.

In Hannover ist die von Braunschweig aus betriebene

| Propaganda der Spartakisten, an der sih au der ehé-

malige Präsitent Vêéèrges beteiligte, bisher gescheitert. Es feiern dem „Vorwärts“ zufolge nur die Arbeite r Der Dan - novershenMaschinenbau-Aktiengesellschaft wegen Lohuforderungen. ;

Die Siadt Zei ß liegt, wie „W. T. B.“ mitteilt, infolge des allgemeinen Ausstands seit Dienstag voriger Woche völlig in Dunkelheit, da auch vas Gas- und Elektrizitätswert wegen Kohlenmaygels nicht in Betrieb ist. Die gesamte Bürger- schaft ist in den Gegenstreik eingetreten. Post- und Bahnverkehr ruhen völlig. Am Sonnabend kam es

‘zu érnsten Aus\ch{chreitungen, da man die Beamten des

Magistrats zwingen “wollte, die Lebensmittelversorgung der Städt wieder in die Hanv zu nehmen. Die Arbeiterschaft ist be- waffnet und durchzieht die Straßen mit Gewehren und Maschinen- gewehren. Ein Teil der Garnison: ist regierungstreu und beseßt einige wihtige Punkte. Gestern kam es zu Schießereien, cin Offizier vom Negiment 97 wurde er}cho}en, ebenso eîù Matrose.

Drei Unteroffiziere liegen {wer verwundet im Lazarett. Aus der

Menge wurden Drobhreden gegen die Regierung Ebert-Scheidemann gehalten. In den nächsten Tagen werden Megierungsttuppen erwarttt. von Winterfeldt und einige angesehene Bürger als Geiseln verhaftet.

In Chemniß haben, wie „W. T. B." meldet, die Straßen- bahnangestellten in einer in der Naht zum Montag abge-

Schüsse.

Die Spart1akisten haben den Hauptmann

: treten, weil ihre Forderungen nah Lohnerhöhung und anderer Dienft einteilung von der Direktion. nit erfüllt wurden. Der Straßenbahn- verkfebr rubt seit gestern früß.

Zu Nevschkau in Sachfén sind, wie „W. T. B." ersäht, die Lextilarbetiter wegen Lohnfordecungen in den Aus stand eingetreten.

Maünigfaltige®,

Der - Oberbefellshaber Reichswehrminister Noske erläßt folgende Warnung: :

Náchdem der Belagerungszustand über. Berlin verhängt it und außerordentliche Kriegsgerichke ein- aesezt sind, werden von. diesen Gerichten im beshleuniaten Verfahren abgeurteilt alle Swrafiaten des Hochverrats, Landes- vexrats, Mordes, Aufruhrs, der: tätlichen Widersezung, der ZFersiórumg von Eisenbaha un Telegräphen, der Béfreinng von (Gefangenen, der Mentetei, des Raubes, der Plünderitig, dec Erpressung, der Vérleitung von Soldaten zur Untreue, der vorsäglichen Brandstiftung, der vörfäßlichen Verursachung von Uebershwemmung und endlich alle Zuwiderhandlungen gegen A n mir im Jnteresse der öffentlichen Sicherheit erlassenen

ertote,

Nachdem der Antxag der Kommunisten auf. Erklärung des Generalausstands für Berlin angenonmmei worden war, háben fich, wie „W. T. B.“ berichtet, sofort an verschiedenen Stellen der Stadt spartakist:\che Unruhen gezeigt. So kam es zu Ansammlungen auf dem -Alexanderplags und. zu kleinen Schießereicen ; die leider au bereits einige Tote zum Ovfer ge- fordert haben. Auch in der Brunnenstraße, der Invaliden - straße, Anklamérstraße und Weinmetsterstra se haben \spartakistische Pu tf e eingesegt. Soldaten und Polizeibeamte wurden anaehalten und mißhandelt; Vier Polizeireviere in der Nähe der

. Invalidenstraße wurten geftürmt, die-Televhonleitungen durhfchnitt: n.

Ein Angriff auf den Nordbahnhof ist seitens der militärislen Besaßung abgeschlagen worden. Am Alezxander- plaß wird geplündert. Alles deutet darauf hin, daß die Svartakus- leute Berlin wie inr Januar terrorisieren wollen. Sie werden an dem festen Willen der Negierutg, die sofort: den Belagerunas- zustand verfügt hat uad Ruhe -uad Orènung unter allen Um- ständen aufrechterhalten wird, einen unüberwindlichen Wideistand finden. Gestern nahmittag gegen 24 Uhr wurde in der Neuen Schönhauserstraße vor der Pfandkammer, wo sih wie ge- wöhnlich eine großs Menschenmenge aufhielt; ein Mann von einem Wachtmeister festgenommen: Sofort: umringte ihn die Menge und vecfolgte ibn auf dem Wege zux Wache. Dabei \{lug man auf ihn ein; warf ihn zu - Boden und verleßzte ihn durch eincn Mesferftich. In der Notwehr feuerte ter Beamte einen Nevolvershuß ab: ob jemand verlegt worden ist, ist noch unbekannt. Vor der Wache des 15, Polizeiveviers, Alte Schönhauserstraße d, entwaffnete man den - Beamten und- entriß ihm den BVer- basteten. Als die Menge îa das Revier eindringen wollte, gelang es dem Neviervorsteber, den Rädelsführer, den 20 Jahre aiten Kutscher Paul Höftmann, festzunehmen. Nunmehr zog die Menge na dem Alexanderplaß, wo sie einen GefangenentranSport- wagen des Polizeipräsidiums anhielt und die Arrestanten befceite. Ebenso wurde hier ein Automobil mit viec Soldaten aufgebalten und entwaffnet. Als man kie Waffen auf dem Stetnvflafter zerfchlug, lôfte fich ein Schuß - und die Kugel drang einétt ter Aufrührer in den Untérlerb. Die johlendé Rotte seßte dann ihren Weg fort und drang in die Polizéeireviére 17 (Wörther Straße 1), 46 (Brunnenstraße 28), 8% (Pappelallee 85), §9 (Stralsunder Straße 63), 90 (Swinemiünder Str:ßês 35), 97 (Greifenhagener Straße 17) und 114 (Gaudysttaße §8) ein. Ueberall wurden die Polizeimannschasten entwaffnet und die Fern- \prehleitungen durchschGnitten.

Halle (Saale), 3. März. (W. T. B.) Am 1. März trafen gegen 11 Uhr Vormittags die erste Regierungstruppen in Ammendorf ein und rückten tofort nah Halle vor. Artillerie- kaserne, Hauptbahnhof und Charlottenfcule wurden ohne Schwierig- keit beseßt. Ueberall, wo die Truppen -ersc{ienen, wurden ste ven einer zahlreihen Menge beschimpft. Eine Patrouille von 1 Offizier und 20 Mann mit 1 Ma\chinengewehr, die gegen 2 Uhr auf den Markt rückte, wurde entwaffnet und mißhandelt. Nah Austagen Unparteiischer fand seitens der Patrouille feine Herausforderung ftait. Nachmittags kam es auch- vor der Charlottenschule zu einer Schießérei. Cine geplante Befprechung zwisdhen dem General Märker und den Zivilbehörden von Halle konnte wegen der drohenden Volksmenge, die Märker in das Postgebäude drängte, nit stattfinden. Erst durch Eingreifen der Truppen konnte ter Zugang zum Postgebäude wieder freigemacht we den. Es gab dabei auf beiden Seiten Tote und Verwundete. Inzwischen wurde im Postgebäude mit den Führern der Unabhängigen Köhnen und Kilian verhandelt. Beide versprachen, beruhigend auf diz Menge einzuwirken. Die Unruhe dauerte bis gegen 2 Uhr Nadts fort. und es tam in verschiedenen Straßen zu Plünderungen. Am 2. März begannen die Schießereien von neuern und dauerten faft den ganzen Tag an. In den Händen der Unabhängigen betandeza ih zahlreiche Waffenlager. Für der Abend angesagie Putsche kamen zwar nit zur Ausführung, do wurde wieder geplündert. Im Laufe der Nacht wurden etwa 100 Perionen wegen Plünderns verhaftet.

Das Gefängnis wurde von Ztvilisten gestürmt. Bei den

Kämpfen kam es zu manherlei Gewalttaten gegen Of pi ziere. Ein Offizier wurde în einer Arbeiterratssizuna im Rathausé mißhandelt, fo daß er {wer darniederliegt. Die Leiche

| eines. anderen Offiziers ist in der Saale aufgefischt worden. Gestern

früh erreihten die Kämpfe mit der Erstürmung des Theaters, das den Hauptsiz der KFommuntsten bildete, ihren Höhepunkt und ihr Ende. Auf die Er- stürmung erfolgte die Erklärung des Belagerungs- zustandes. Seitdem herrsht in Halle Ruhe, die gestern bis zum späten Abend nicht gestört wurde. Bei der

- Beseßung durch die. Negierungstruppen war es an verx-

schiedenen Sfellen, namentli an der Charlottenschule, der

_Hochburg der Müutrofen, zu Straßenaufständen gekommen.

Gine tausendköpfige Menge, die vom Balkon des Nathaufes aus von MRednern aufgeheßt wurde, halte sich auf êie vor dem Rathaus enten 10 Mann des Landjägerkorps gestürzt und ihnen die Waffen entrissen. Aus der Charlottenshule fielen die etften Die Truppen mußten zu ihrer etgenen Sichering ebenfalls von den Drehen Gebrauch machen. Am Sonntag plünderten die Unabhängigen eine Reihe von Läden und Geschäften am Markt, wo es ebenfalls zu Schiestereien fam. Die Zerstôörungen an den Gleisanlagen des Bahnhofs sind fo \hwer, daß für die Wiederherstellung der Bahnverbindung vorläufig keine Aus\icht besteht. Soweit sich die Verluste bisher übersehen lassen, hahen die Landes- jâger 1 Toten und 10 bis 12 Verwundete. Die Verluste der Unab- hängigen scheinen erheblih s{chwerer zu jein.

Königsberg, 3. März. (W. T. B.) Heute früh sind Regierungstruppen in die Stadt eingerückt. Die Armee- und Marinevolkswehr wurde entwaffnet. Ihr Hauptquartier, das Schloß, sowie ibre übrigen Untetrkünfte. sind von den Regierungstruppen beseßt worden. Ueber die Ercignifs& und deren Vorgeschichte erfckhten wir: Die Bêémühungen des Reichskom-

missars Winnig, mit n Vollzugsrat des ersten Armeetorps eine e

Vereinbarung über die Auflö)ung der U O Neubilduitg einer anderen zuverlässigen Wehr unter erzung zweifel» hafter Elemente zu treffen, führten zu keinem befriedigenden Ergebnis.

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