1897 / 9 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 12 Jan 1897 18:00:01 GMT) scan diff

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neben der Erhöhung der Alterszulagen die Vorlage unannehmbar malen gt Das Herrenhaus würde darauf e g Mere eingehen a us.

Abg. Böttinger (nl.): Wir dürfen uns niht damit begnügen, daß wir das „non possumus“ der Regierung hören und hinnehmen, wir müssen unsere Meinung deutlich zum Ausdruck bringen. Wir halten ein Grundgehalt von 900 A für zu niedrig. Auf das Herrenhaus braucht man jeßt noch feine Rücksicht zu nehmen. Wenn das Herrenhaus den Beschluß nit billigt, dann bleibt es uns immer nc@ überlassen, von unserem Beschlusse zurückzutreten. Redner rihtet an die Regierung die Anfrage, ob die Alterszulagen au den O zu gute kommen, welche ein höheres Gehalt als 1000 4A erhalten.

Abg. Dr. von Jazdzewsfki erklärt sih namens der Polen für den Antrag der Kommission. P B

Ministerial-Direktor Dr. Kügler: Die Frage des Herrn Böttinger kann ¿h Fes bejaben. i

Damit {ließt die Diskussion. Der Antrag Rickert wird gegen die Stimmen der Freisinnigen mit Ansnahme des Abg.

nörcke, der Antrag Seyffardt gegen die Stimmen der Mehr- heit der Nationalliberalen und der Freikonservativen abgelehnt und 8 2 nach den Anträgen der Kommission mit großer Mehr- heit gegen die Stimmen einiger Freisinnigen angenommen.

Nach §8 3 kann für einstweilig angestellte Lehrer das Grundgehalt um ein Fünftel herabgeseßt werden. Ein Antrag Rickert, daß in ‘keinem Fall unter 900 # herabgegangen werden foll, wird gegen die Stimmen der Freisinnigen und einiger Nationalliberalen abgelehnt. § 3 wird unverändert angenommen.

8 4 trifft Bestimmungen über die mit einem Kirhenamt verbundenen Lehrerstellen; das Grundgehalt dafür soll höher sein, als in den früheren Paragraphen bestimmt ift. Jm Übrigen scheidet der § 4 die Einkünfte aus dem Schul- und Kirchenamt.

bg. Dr. von Jazdzewski (Pole) will diefe Auseinander- setzung den Kreis- und Bezirksausschüssen überweisen.

Die Abgg. Dr. Dittrich (Zentr.) und von Eichel (konf.) sprechen sich für den Kommissionsantrag aus.

Abg. Bartels (kons.) führt aus, daß die Bestimmungen des § 4 an der rechtlichen Natur der Kompetenz der mit fkfirchlichen Aemtern verbundenen Lehrerstellen nihts ändern, und bittet die Regierung um Bestätigung dieser Anschauung. Er wendet sich gegen den Antrag des Abg. von Jazdzewski, da eine grundsätßlihe Regelung der ganzen Frage nur in einem umfassenden Schulgesete erfolgen könne.

Abg. Freiherr von Zedliy und Neukirch (fr. kons.) bedauert, daß eine gründlihe Auseinandersezung in dieser Angelegenheit jeßt nit erfolgen könne, und erflärt fich für § 4.

Abg. Dr. von Jazdzewski zieht seinen Antrag zurü.

Abg. Dr. Porsch (Zentr.) hält eine E Le Been für möglich, man müßte denn die Entscheidung im Prozeßwege Men und \chließlich das Schul- und Küsteramt ganz von einander rennen.

S 4 wird unverändert angenommen. :

Nach § 5 soll der Bezug der Alterszulagen nach sieben- jähriger Dienstzeit beginnen, und es sollen neun gleih hohe Zulagen in Zwischenräumen von je 3 Jahren gewährt werden.

S 6 bestimmt über die Höhe der Alterszulagen, daß die- selben in keinem Falle weniger als 100 M für Lehrer und

80 A6 für die Lehrerinnen betragen sollen. Jn der Vorlage ftand: 80 bezw. 60 M

Abg. Groth (nl.) will in der Ueberschrift statt „Höhe“ „Mindest- betrag“ sagen. /

Aba. Winkler (konf.) hält diesen Antrag für bedeutungélos.

S8 6 wird unter Ablehnung des Antrages Groth unver-

ändert angenommen. j

Nach § 7 steht den Lehrern ein rehtliher Anspruch e Neugewährung einer Alterszulage nicht zu; die Versagung dar aber nur bei unbefriedigender Dienstführung erfolgen.

Abg. Nickert beantragt, hinzuzufägen: Wird die Gewährung der Alterszulage versagt, so ist dem -Lehrer über die Gründe ein \hriftliGer Bescheid zu ertheilen. Redner weist darauf hin, daß der jeßigé Kultus-Minister und auch Herr von Stumm diesem Gedanken zugestimmt haben.

Ministerial-Direktor Dr. Kügler: § 7 enthält nur die Be- stimmungen, welche allen anderen Beamten gegenüber in Geltung sind; in diefen Bestimmungen is von einem schriftlichen Besceide keine Rede, deshalb follte der Antrag Nickert auch hier abgelehnt werden.

Abg. Winkler (fons.) spricht fich ebenfalls gegen den Antrag avs; es wird dem Lehrer wahrscheinli lieber fein, wenn die Gründe, die oft recht delikater Natur sein dürften, nicht \{riftlich niedergelegt werden.

Abg. Dr. von Jazdzewski erklärt ih namens der Polen gegen & 7; höchstens könne derselbe mit dem Antrage Rickert angenommen werden, weil sonst die Lehrer der Wilikür der Behörden übergeben würden.

Die Abgg. Kir\ch (Zentr.) und Dr. Sattler (nl.) erklären, daß die Gründe gegen den Antrag Rickert einem Theil ihrer Freunde nicht genügten, daß sie deshalb für den Antrag stimmen würden.

Der Antrag Rickert wird gegn die Stimmen der Konser- vativen und Freikorservativen mit einigen Ausnahmen ange- nommen und mit demselben § 7. :

8 8 enthält die Vorschriften über die Alterszulagekafsen. Nach der Vorlage sollten die selbständigen Stadtkreise denselben nicht angeschlossen werden, ebenso -die Stadt Berlin. Die Kommission hat nur Berlin ausgeschlossen.

Abg. Dr. Oswalt (nl.) beantragt, alle Gemeinden mit mehr als 2% Squlftellen von den Kassen auézushließen, wenn sie dies inner- halb dreier Monate nah dem Inkrafttreten des Gesetzes beantragen.

Abg. Dr. Hermes (fr. Volksp.): Die Städte müssen sih mit Recht gegen die Alterszulagekassen sträuben, deren Bestimmung ift, den Landgemeinden einen Schuß gegen die finanziellen Schwankungen zu gewähren. Durch die Kassen wird aber die persönlihe Beziehung der Gemeinde zu den Lehrern zerstört zum Schaden der Volksschule. Mir den Ruhegehaltskassen haben die Städte sehr \{lechte Er- fahrungen gemacht; sie haben mehr zu zahlen gehabt, als wenn die Pensionen der Lehrer ganz allein von ihnen selbst übernommen worden wären. Durch solhe Maßregeln wird die Freudigkeit der Gemeinden, an dem Volks\chulwesen mitzuarbeiten, wesentlich gehemmt und vermindert. Die Regierung selbst sfsollte ein Gericht darauf legen, den Gemeinden auf dem Gebiete des Schulwesens eine freiere Bewegung zu gönnen, weil die Volksshule eine Gemeindeanftalt ist und bleiben soll, während sie jeßt mehr und mehr zur Staatsschule herabgewürdigt wird. S | i

Ministerial-Direktor Dr. Kügler: Ich bitte Sie im Interesse des preußischen Lehrerstandes, an den Beschlüssen der Kommission fest- zuhalten. Daß das System der Alterszulagen die Freudigkeit der Selbstverwaltung in den großen Orten untergraben würde, wie der Abg. Hermes behauptet, halte ih für unbegründet. Die Alterszulagen beshränken nicht die Freiheit der einzeluen Gemeinden in der Be- messung der lter zutggen für ihre Lehrer; es wird sich sogar weit weniger als jeßt eine Einwirkung der Aufsihtsbehörden auf die Ge- ftaltung der Befoldungsordnung in den großen Städten geltend machen. Es soll nur der willkürlihen Behandlung der Besoldungs- verbältnisse vorgebeugt werden, indem einem Lebrer eine Zulage vor- enthalten und dem anderen gewährt wird. Dem Lehrer soll in den großen Städten eine unabhängige Position geshaffcn werden. Ebenso stt es unrichtig, daß die großen Stêdte durch diese Maßregel geschädigt werden. : Nach einer von uns gemachtên Aufstellung wird die Mehr- zahl der großen Städte gewinnen. Es handelt sh bei der Ge-

vorzubeugen, fon öglihkeit

e Pen ce Mh tee Ms en Stel cat R großen Städte mae auch den Lehrern auf fa platten Lande zu- gänglih werden. So dankenswerth auh der Lehrerstand die Besse- rung seiner finanziellen Situation begrüßen wird, der Schwerpunkt der ganzen Vorlage liegt doch für ihn darin, daß ihm dur die Annahme der Alterszulagen die Möglichkeit vershafft wird, aus ge- ringer besoldeten Stellen sih durh seine Tüchtigkeit in besser besoldete Stellen hineinzuarbeiten. Jch bitte Sie dringend, an diesem Punkte festzuhalten. :

Abg. Dr. Oswalt (nl.): JG bedauere, daß der Vertreter der Negierung behauptet hat, daß die Städte sih einen größeren Einfluß auf die Lehrer wahren wollen zu Ungunsten der Lehrer. Jn Frank- furt a. M. beginnen die Lehrer mit 1800 A Gehalt und rüdcken innerhalb 20 Jahren bis zu 3800 Æ auf. Die Nothwendigkeit einer Versicherung bezüglich der Alterszulagen besteht für die großen Städte niht, ebenso wenig wie sie für große Betriebe, z. B. für die großen Nhedereien, zweckmäßig ist; sie sind selbs Versicherer. Natür- lich würden nur die Städte von den Kassen ausgeschlossen bleiben, welche ihre Lehrerstellen selbs beseßen. Wenn die Städte ältere Lebrer nit anstellen, {o liegt das niht an finanziellen Bedenken, fondern daran, daß âltere Sehrer niht mehr die Elastizität besißen, fih in die städtishen Verhältnisse hineinzuleben. Daß durch die zwangsweise Zugehörigkeit zu den Kassen die großen Städte geschädigt werden, ist pfffenbar; denn man fagt ja ganz ofen: ohne die großen Städte sind die Kassen nicht leistungsfähig. Aber die finanzielle Seite der Frage ift weniger bedeutungsvoll als die Frage der Selbständigkeit und Selbstverwaltung. Daß-die Städte, -die der Kasse- ferngeblieben find, später eintreten, ist allerdings bedenklih. Unser Antrag ist des- halb gegenüber der Regierungsvorlage dabin geändert, daß die Städte, wenn fie eintreten wollen, sich jeßt sofort darüber erklären müssen, nicht erst später.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Ich möchte doch nicht, was vielleiht aus der Ausdrucksweise des Herrn Vertreters des Herrn Kultus - Ministers ges{chlossen werden könnte, die Meinung aufkommen lassen, als wenn die Staatsregierung an dem Entwurf, sowie er vorgelegt ist, in diesem Punkt kein Inter- esse mehr hätte. Den Antrag, den der Herr Ministerial - Direktor Kügier wirklich bekämpft hat, wie er gestellt ist von Herrn Dr. Oswalt, kann ih meinestheils auch nur ablehnen ; denn wenn alle die Städte, die 25 Stellen haben, berechtigt sein sollen, auszutreten, so giebt das in dem ganzen System der Alterszulagekassen einen so weitgehenden Riß, daß es {wer sein würde, die Alterszulage noch aufrecht zu erhalten, die Sie, auch Herr Abgeordneter Oswalt selbft, für eine wesentlihe, für die kleineren Gemeinden unentbehrlihe Ein- rihtung balten. Daraus folgt aber noch garnicht, daß die ursprüng- lie Regierungsvorlage niht auch gute Gründe für sih hat.

Der Herr Antragsteller Dr. Oswalt hat seine Ausführungen damit begonnen, daß er der Regierung anheim gab, zu erwägen, ob eine folhe Stellung, wie sie hier eingenommen sei, geeignet wäre, dem taktishen Gesichtspunkt in Bezug auf das Durchbringen der Vor- lage nüßlih zu sein. Ja, meine Herren, ih bin fes überzeugt, wenn der Antrag des Herrn Dr. Oswalt angenommen würde, so würde diefen taktishen Rücksichten im Herrenhause der größte Abbruch gesehen. Dagegen - bleiben wir allerdings dabei, daß die Regierung hier, indem sie einen Mittelweg gegenüber den divergierenden YAuf- fafsungen gewählt hat, rihtig handelte, um in diesem für die ganze Vorlage und deren Grundlagen nicht entscheidenden Punkte den Widerstand, der im Herrenhause sonst viellciht zu befürchten ift, zu vermindern.

Meine Herren, wir müssen uns objektiv in die ganze Situation hineindenken. Es ift zweifellos richtig, daß die großen Städte ihrer- seits die Alterszulagen niht brauchen; die Versicherung, die in der Zahl liegt, ist bei den großen Städten vorhanden, sie haben daher eine andere niht nöthig, sie haben das Alterszulagensystem meist durh- geführt bei fi, und es ift daraus keinerlei Na@theil entstanden. Es ist daher an und für #sich {on eine gewisse Zumuthung wenn ih den Ausdruck gebrauchen darf an die großen Städte, daß sie sih im Interesse der kleineren Gemeinden und der Freizügig- keit der Lehrer, obwohl sie selbs ein eigenes Bedürfniß nicht empfin- den, diesen Alterszulagekassen unter allen Umständen anschließen müssen, Man könnte darüber aber hinwegsehen und sagen: Das ift eine allgemeine staatliße Nothwendigkeit, die Alterszulagekassen sind unentbehrlih, fie find nicht bestandsfähig, ohne daß die großen Städte auch beitreten, und folglih müssen die großen Städte auch wider ihren Wunsch und Willen angehalten werden, sich diefer allgemeinen Staatsnothwendigkeit zu fügen. Wir haben aber doch geglaubt in der Staatsregierung, daß so die Frage niht sich ftellen würde. Der Zuschuß zu den Alterszulagen in den großen Städten würde nach der jeßt vorhandenen Lehrerzahl nur 259 A erfordern, während er im Durchschnitt des Staates, um die festzuseßzenden Alterszulagen zu geben, 263 Æ verlangt. Zur Zeit ehen also die großen Städte noch günstiger als der Durchschnitt auf dem Lande. Nun aber noch weiter, haben wir, um in allen Fällen ficherzustellen, daß wenigstens in einer übersehbaren Zeit eine Umlage zur Deckung der jeßt festgestellten Alterszulagen innerhalb der Alterszulagekassen nicht erforderlich werden wird, diesen Durch- schnitt von 263 A staatlichen Zuschusses nicht zu Grunde gelegt, sondern wir find gleich auf 270 Æ gegangen. Also eine wesentlihe Gefährdung der Erxistenzfähigkeit der Alter8zulagckassen, wenn diese hier in der Zahl beshränkten großen Städte austreten, ist wohl kaum irgendwie zu befürchten. Dadurch sind wir zu der Ansicht gekommen, es sei rathsam, hier den Städten einigermaßen entgegen- zukommen; ihr Wünsche, in dieser Beziehung in ihren bisherigen Ver- hältnissen ungestört zu bleiben, haben doch auch etwas für fich. Wer weiß, wie s{chwer es auch in den Städten ist, wos die Agitation der Lehrer namentlich eine sehr große Bedeutung hat, eine Sqculgehalts8ordnunz zu stande zu bringen und sie ab- zuändern, während hier doch Veränderungen nothwendig würden, wird geneigt sein, solhe neuen Kämpfe niht ohne dringende Nothwendigkeit in die Städte hineinzutragen, und ih kann mir daher und ich glaube, hier im hohen “Hause wird man daëselbe Gefühl haben sehr wohl denken, daß dadurch eine Verstimmung gegen das ganze Gesez in den Städten entstehen könnte. Ich bedauere aller- dings sehr, daß die Haltung der Vertreter der großen Städte im Herrenhause und außerhalb des Hauses niht geeignet gewesen ift, die Neigung, ihnen bis zu einer gewissen Grenze ent- gegenzukommen, zu verstärken. (Sehr richtig! rechts.) Das be- dauere ih sehr; aber ih möchte daraus doch nicht den Sthluß ziehen, daß wir gewissermaßen nun auch ab irato handeln sollten : im Gegentheil, wir können wohl hoffen, daß auf die Vertreter der großen Städte die Erfahrungen, die sie auf diesem Gebiet gemacht haben, wenn wir ihnen versöhnlich weiter gegenüberstehen, günstig

währung der- Alterszulagen nicht allein darum, den Schwankungen

wirken werden; ih kann mir wenigstens niht denken, daß die Ver-

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treter der großen Städte im

nothwendig und heilfam erahtetes Gesez nochmals abzulehnen. sih die Herren die Situation genau überlegen, so L&=nn ih mir nit denken, daß sie diese Verantwortlichkeit zum zweiten Mal zu tragen bereit wären. Aber ich kann nur fagen: ich möchte au denHerren nah diefer Richtung nicht mehr oder weniger einen Vorwand geben. Ich vertraue auf die Einsicht und die patriotishe Gesinnung der Vertreter der großen Städte, daß, wenn wir ihnen au auf diesem Gebiet so weit die Hand reichen, wie wir es in der Frage der Finanzen gethan haben, sie auh ihrerseits die verföhnlihe Hand im Herrenhause ergreifen werden. Meine Herren, ih habe es taktisch auch für richtig gehalten, diese Worte zu sagen. Ih hoffe, daß ein folhes Geseß, welches

überbaupt nur dur gegenseitige Nachgiebigkeit und Kompromisse

möglich ift, wenn es niht mit einem gewissen. Mißklang, mit einer durch das hohe Haus herbeigeführten im Sinne der großen Städte wenigstens Vershlechterung der Regierungsvorlage an das Herrenhaus kommt, eher Ausfiht auf Annahme hat, als wenn das Gegentheil der Fall wäre. Jch bedaure, meine Herren, daß ein Antrag, die Regierungévorlage wieder aufzunehmen, wenn au mit Streichung des leßten Satzes, den die Herren ja vielleiht mit Recht in manchen Beziehungen für anfechtbar halten, niht gestellt ift, und ih habe mi daher darauf beschränken müssen, diese wenigen Be, merkungen zu machen.

Abg. Freiherr von Zedliß und Neukirch (fr. konf.): J freue mi, daß der Finanz-Minister mih der Nothwendigkeit aben hoben hat, die Regierungsvorlage zu vertheidigen gegen die Kritik wele der Ministerial-Direktor Dr. Küg!er indirekt daran geübt bat. Die Bestätigung der Regierungsvorlage würde den Widerstand der großen Städte erhöhen. Die Vorlage kann also nur dann zur

nnabme gelangen, wenn die Konservativen dahin wirken auf ihre Gefinnungsgenofsen im Herrenhause, daß diefe den großen Städten keinen Succurs leisten bei dem Widerstande gegen die Vorlage. Die Freizügigkeit der Lebrer ist eine {chöne Theorie ; denn die Lehrer, welche längere Zeit auf dem Lande gelebt haben, werden niemals in das At größerer Städte aufgenommen. Nur der Uebergang der Lehrer kleinerer Städte in die großen Städte könnte etwas ers{chwert werden, wenn die großen Stadtkreise von den Kassen ausges{hlofen bleiben. Jch will die Wiederherstellung der Regierungsvorlage nit beantragen, weil i feine unpraftishen Anträge stellen möchte.

Abg. Dr. Sattler (nl.): Das Vorgehen der Bürgermeister der großen Städte war taktish allerdings niht richtig, mein Partei- genosse Struckmann hat sich_auch {hon im Herrenhause dagegen erklärt. Wenn der Antrag Oswalt abgelehnt wird, werden tir für die Regierungsvorlage stimmen. Die Regierungêvorlage fei bedenklid, weil daraus folgen könne, daß eine Stadt aus den Altert- zulagekafsen niht ausscheiden könne, weil noh eine einzelne Sozietäts: schule in derselben vorhanden ist. Wir wollen im Interesse der Selbstverwaltung die Städte aus den Kassen herauslassen; denn die Städte sind leistungsfähig, und nah den Erfahrungen bei den Ruhegchaltskaffen {euen fie als gebrannte Kinder das Feuer. Die Städte haben für die Volksshullehrer viel gethan, und nun sollen sie wieder neue Gehaltspläne aufstellen. Unser Antrag richtet ih lediglih gegen die Schablenisierung der Schule.

Abg. Graf zu Limburg-Stirum (konf.): Die Art des Vor gehens der großen“ Städte wird mih nicht bestimmen, ab irato gegen ihre Interessen zu entscheiden; die großen Städte haben viel ür die Schule geleistet. Aber ih kann do nicht zu dem Ergebniß kommen, daß die Forderungen der großen Städte berechtigt sind. Die Freude der Gemeinden an der Schule kann dadurch nicht beeinträchtigt werden, ob sie die Alterszulagen an die Lehrer felbst oder an eine Kasse zahlen. Wenn die Freizügigkeit hauptsählih den großen Städten zu gute kommt, dann ol die Freizügigkeit au für die Lehrer bestehen, und die Städte können nicht die Gemeinsam- keit mit dem Lande zurückweisen. Bleiben die Städte von den Kafsen ausgeschlossen, dann sind die Städte gezwungen , die alten Lebrer vom Lande zurückzuweisen, während sie dafür keinen Grund haben, wenn j zur Kasse gehören. - Das Hauptinteresse liegt aber bei den Lehrern; die Lehrer vom Lande wollen do, wenn ihre Kinder größer werden, in die Stadt kommen, wo sie ihre Kinder auf die hohe Schule s{icken können. Die Verstimmung der Städte wird fehr bald verrauhen. Lehnen Sie also den Antrag Oswvalt und die Megierungêvorlage ab und ershweren - Sie meinen politishen Freunden nit die Zustimmung zur Vorlage.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Jh habe doch den Eindruck, daß es den Rednern, die die Annahme der Regierungsvorlage für bedenklih halten, etwa! {wer wird, entscheidende Gründe dafür anzuführen. Man merkt den Rednern als alter practicus in parlamentariis gewifsfermaßen an, daß es nit fo leicht ift, sahlihe Gründe, die jedem gegenüber überzeugend wirken, bei dieser Gelegenheit vorzubringen.

Meine Herren, was die finanzielle Frage betrifft, ob die Städte ein besonderes finanzielles Interesse haben, aus den Alterszulagekafssen heraus8zukommen und ob auf der anderen Seite die - in den Alterszulagekassen bleibenden Gemeinden cin Interesse haben, die Städte in den Alterszulagekassen zu behalten, fo glaube i, ist doch nit genügend beahtet worden, was ich über die finanzielle Lage vorhin sagte. Der Durchschnitt des Zuschusses, welcher erforderlich ift, um die geseßlichen Alterszulagen zu geben für die ganze Monarchie, ift größer als der Durchschnitt, der erforderlich ift, um die Alterszulagen in den Städten zu gewähren. Das kann daher bei der Lage der Sache niht verwerthet werden, um den Städten ein besonderes finanzielles Interesse allein zu bringen. Denn wenn der Durchschnitt der Alterszulagenbedürfnifse 263 A aus der Staatskasse beträgt, und wenn wir aufgenommen haben in diese Vorlage 270 # Zuschuß, so wird eine Gefahr, daß die Landgemeinden durch den Austritt der Städte zu höhern Umlagen gezwungen würden, in keiner Weise anerkannt werden können. Also die Frage ist, glaube ih, falsch gestellt, wenn man sie finanziell ansieht; sie ist anderer Natur.

Ich bin allerdings der Meinung, daß die Bedeutung der Frage nach beiden Seiten hin übertrieben wird. Beispiels- weise is mir aus den Aeußerungen flädtisher Bürgermeifter entgegengetreten, daß das für sie eine ganz gefährliche Sache sei, sie zu zwingen, den Lehrern, die bei ihnen angestellt werden, das erreiŸte Dienftalter voll anzurechnen und sie nun in die Alterszulagekaffen mit aufzunehmen, weil und soweit diese Städte überhaupt garnicht bei der Anstellung mitwirken. Es wurde die Befürchtung geäußert, daß man staatlicherfeits ein Interesse haben könnte, ältere Lehrer vom Lande, um ihnen eine bessere Carrière für die Zukunft zu sihern, in die Städte zu \{hicken, und ‘daß dann aller- dings die Städte, die niht mitwirken bei der Anstellung der Lehrer, erhetlihe Nachtheile erlitten. Namentlih die rheinishen Städte haben fih mir gegenüber in dieser Richtung geäußert.

Diese Art von Bedenken kann ich nun in keiner Weise an

e, wenn namentlih in diesen Punkten ihren Wünschen entsprohen werden foll, die schwere Ver- antwortlihkeit auf sib zu nehmen geneigt wären, ein so wihtiges, von der Gesammtheit des Abgeordnetenhauses als der gewählten Ver- tretung des Volkes und von der ganzen öffentlihen Meinung a[a

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M. denn es mag ja ritig sein, daß die Lehrer, die auf dem ergraut find, sich oft \s{werer in städtishes Schul- und in fstädtishe Verbältnisse hineinfinden. Iffft ber richtig, so wird keine Schulverwaltung einen für ftädtische Rerbältnifse ungeeignet gewordenen Lehrer in die Städte seven, ledigli, um ibm ein höheres Gehalt zu verschaffen. Ih glaube, die Bedenken werden nah beiden Seiten übertrieben. Aber das bleibt doch bestehen, daß die Städte gezwungen fein werden, zu einem wesent- lichen Theile ihre bisherigen Besoldungsordnungen zu ändern, und daß das oft mit erheblichen Schwierigkeiten, in den großen Städten namentli, verbunden ist. Außerdem if ja natürli, daß die Städte sagen: wir haben was ja auch Graf Limburg-Stirum bereitwillig znerkennt für die Schulen große Opfer gebraht; unsere Ver- hältnisse sind - in der besten Ordnung, * sie find zur allgemeinen Zufriedenheit geregelt; ein ftaatlih als zwingend. zu er- fennendes Bedürfniß, daß wir mit den Alterszulagekafsen vereinigt werden, kann uns niht nachgéewiesen werden; da wollen wir lieber in unseren bisherigen Verhbältatfsen bleiben.

Darauf reduziert sich nah meiner Ansicht die Hauptfrage. Es kommt darauf an, ob das Abgeordnetenhaus an dieser, nah meiner Meinung in ihrer Bedeutung übershäßten Frage eine Schwierigkeit bereiten will für das Zuftandekommen des Gefeßes. Denn daß diese Bestimmung dieablehnende Haltung bedeutender Elemente im Herrenhause erheblih vershärfen wird, darüber kann, glaube ih, wohl kein Zweifel scin, und ih sage, das ift politisch nicht klug; die Herren haben den Städten zugestanden, daß sie an ihren bisherigen Bezügen nur soviel verlieren sollen, daß sie höchstens 2 9/ der Einkommensteuer brauchen, um das Manko zu decken. Ich bin überzeugt, der größte Theil dieses Hauses hat dieses Zugeständniß nicht für ein innerlich unbedingt noth- wendiges und berehtigtes gehalten, sondern in der UVeberzeugurg gehandelt, daß man ein solhes Geseß nur in der For:n gegen- seitigen Entgegenkommens dur{hbringen kann. Gerade fo liegt hier die Sache.

Deshalb hâtte ih gewünscht, die Kommission, und wünsche noch, das hobe Haus mölhte die Regierungsvorlage, wenn auch mit der Streichung des leßten Satzes, annehmen. Ich bin überzeugt, es wird das Zustandekommen des ganzen Geseßes dadurch wesentlich erleichtert, und das if für mich die Hauptsache, nicht die einzelne Spezialfrage, der ih, wie gesagt, eine maßgebende Bedeutung weder nah der einen noch nach der anderen Seite beilege. Ich möchte glauben: wenn in einzelnen Städten jeßt die kommunale Ver- waltung gar feinen Einfluß auf die Ernennung des Lehrers hat, fo wird das doch mal kommen; ih halte es für nüßlich, daß in diefer Bezichung die kommunale Vertretung eine Mitwirkung genießt. (Sehr richtig! rechts.) Das halte ih selbst für die Kultusverwaltung für nöthig und namentlich in dem. Sinne, in welchem ih mich {on früher ausgesprochen habe, daß ih fehr großen Werth für die Schule selbst darauf lege, daß die Nächstbetheiligten und die Hauptlast der Sgule Tragenden auch in der Selbstverwaltung mitwirken. (Bravo !)

Abg. Krawinkel (nl.): Ich wünschte, daß die Ausführungen des Finanz-Ministers allgemein zur Geltung kämen; im Interesse der Freizügigkeit der Lehrer bin ih aber für die Annahme der Kom-

issionsbes{lüfse. E Ui ch (Zentr.): Wir nehmen jeßt dieselbe Haltung

ein, wie fle die Regierung im vorigen Jahre felbst eingenommen hat bei beer vorigen Vorlage, wo sie im Interesse der Freizügig- Leit der Lehrer für die Einbeziehung aller Städte mit Ausnahme Berlins in die Alterszulagekassen war. Daß die Städte keine ge- nügende Finwirkung auf die Beseßung der Lehrerstellen haben, daß ibnen die Freiheit fehlt, daran sind wir nicht \{chuld, sondern die- jenigen, welhe gegen das Schulgesez Lärm gemacht haben.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Na den Ausführungen des Herrn Vorredners würde die Re- gierung auch nicht recht gethan haben, in Bezug auf die Frage der Gewährung der Zuschüsse für die Lehrerstellen in den Städten ihre Vorschläge gegen früher zu ändern. Kommt denn das nicht bei jeder parlamentarishen Verhandlung vor, namentlich wenn ein Gesep einmal gescheitert ist, wen man seitens der Regierung diejenigen Punkte kennen gelernt hat, welche hauptsählich das Gesey scheitern Tießen, daß man dann Mittelwege, Vergleiche anbietet? Und is das nit in der anderen Finanzfrage au gesehen? Und haben nicht die großen Parteien dieses Hauses auf dem anderen Gebiet dieselbe Politik eingeschlagen, die bier die Regierung eingeschlagen hat? Jch habe mich nur bemüht, zu zeigen, daß das Für und Wider hier in dieser Frage nach meiner Meinung erheblich überschäßt wird; ich gehe sogar. so weit, wie ich die Praxis der \tädtis@en Verwaltung kenne, daß die Bedeutung diesec Frage au für die Freizügigkeit der Lehrer übershägt wird, wenigstens in denjenigen Gebieten, wo die Gemeinden selbst in der Lage find, bei der Anstellung der Lehrer mitzuwirken. Geht man von diesem Standpunkte aus, daß die Frage diese Bedeutung niht hat, daß ein wesentlißer Nachtheil für diejenigen Gemeinden, die in Alterszulagekassen bleiben, durch den Austritt der großen Städte nicht erwächst, jedenfalls kein finanzieller Nachtbeil, fo ist man durch- aus berehtigt, und im Interesse der Sache, um das größere Ziel zu erreidjen, nah meiner Meinung au richtig, eine folhe Frage im Vergleihswege zu entscheiden. Das ist das einzige, was ich empfohlen habe. ?

Abg. Ehlers (fr. Vag.): Ih stimme für die Vorlage, obgleich es dem Kämmerer einer der großen Städte shwerer sein würde einzu- wirken, wenn dies dem Finanz-Minister selbst nicht gelingt. Es fommt nit bloß darauf an, daß das Geseß mit Hängen und Würgen zu stande gebraht wird, sondern daß es zu stande kommt,

ohne Verbitterung in weiten Kreisen des Landes zu erregen. Ebnen Sie der VötlatE den Weg durch die Wiederherstellung der Regierungs-

vorlage ! e E Abg. Bartels (kon\.): Ich erkläre mich für die Kommissions-

beshlüfse, welche dasselbe enthalten, was im vorigen Jahr der Finanz- Mitite als Me e unterschrieben hat. Die großen Si find mit t Meeren A non E A: eden, end die Lehrerschaft dadur ad ; du hrer werden dadur behindert, in die besser dotierten Stellen er Städte zu kommen. . i Der Antrag Oswalt wird gegen die Stimmen der Frei- sinnigen und einiger Nationalliberalen , i ' vorlage gegen die Stimmen der Freisinnigen, einiger National- liberalen und der Mehrheit der Freikonservativen abgelehnt und 28 nah den Kommissionsbeschlüssen angenommen. chluß 41/4 Uhr. Nächste Sißung: Vienslay 11 Uhr. (Forisezung - der zweiten Berathung des Lehrer esoldungs- (sebes ‘Und zweite Berathung des Gesehes, betreffend die huldentilgung.)

die Regierungs--

Statistik und Volkswirthschaft. Die fittlichen Zustände in der Koufektionsindustrie. __ Gegenüber den verschiedentlich aufgestellten Behauptungen von einer besonders großen Unsittlichkeit in den Kreisen der Konfektions- arbeiterinnen verdient der diese Frage behandelnde Abschnitt 10 der kürzlih an diefer Stelle (Nr. 6 u. 7 d. Bl.) besprowenen amtlichen Arbeit über die Verhältnisse in der Kleider- und Wäschekonfektion Det Der Abschnitt sei hier noch in seinem Wortlaut nach- getragen: : ; „Die Erwägung, daß die \{lechten Löhne und der vielfah un- regelmäßige Verdienst der Konfektionsarbeiterinnen leiht dazu nas geben fönnen, daß sie durch Verwerthung ihrer körperliten Reize \i Verdienst suhen, auch dabin gebende Aeußerungen in der Presse und insbesondere die auf Grund einzelner Fälle generalisierte Behauptung, daß die Mädchen vielfah von den Arbeitgebern zur Hingabe genöthigt wurden, legte es der Kommission nahe, auch über die sittlichen Zu- fände Nalhforschungen zu veranlassen. ; Zunächst könnte man versuchen, auf Grund statistischer An- gaben zu einem Urtbeil über die sittlihen Zustände zu kommen. Wenn sich ziffernmäßig erweisen ließe, in welhem Maße die Prostituierten fich aus den Konfektionéarbeiterinnen refrutieren, fo würde dies einen ungefähren Ankalt dazu bieten. Einige statistische Angaben find in dem vorliegenden Material enthalten. So wird aus Berlin mitgetheilt, daß \sich unter 1427 Prostituierten, welhe vam 1. April 1894 bis 1. April 1895 neu eingeschrieben wurden, 232 „Nähberinnen“ befanden. In dem Bericht für München werden unter den 133 weiblichen Personen, welche „gerihtlich abgewandelt“ rwourden, weil sie, ohne angemeldet zu sein, gewerb8mäßige Unzucht betrieben hatten, 15 „Näberinnen* gezählt. Außerdem ist zu erwähnen, daß in den 1887 vom Reichsamt des Innern angestellten Ermittelungen über die Lohnverbä!tnisse der Arbeiterinnen in der Wäschefabrikation und Konfektionsbranhe für Frankfurt a. M. berihtet wird, daß von den Ende März 1887 unter sittenpolizeiliher

Kontrole stehenden 226 Personen 98 „theils in Wäsche-, theils in

Konfektionsgeschäften thätig waren“.

Solche Angaben gestatten aber gar keine Shlüfse. Erstens sind die Berufsangaben an und für fih unsicher, zweitens if „Näherinnen“ niht mit Konfektionsarbeiterinnen identish, drittens kann man dana nit beurtheilen, ob ih die „Näberinnen“ in stärkerem Maße als aus anderen Berufskreisen der Preftitution zuwenden ; viertens beziehen sie fh nur auf die kontrolierte Prostitution, die bekanntlih nur einen Theil der wirklichen ausmat. |

Werthvoller als diese Angaben sind einige Aeußerungen der kompetenten Polizeibehörden über die sittlihen Zustände der Konfektionsarbeiterinnen nah ihren Beobachtungen. Es liegen solche vor über die Städte: Berlin, Breslau, Stettin, Erfurt, Köln, Her- fort, Bielefeld, Lübbecke, München, Nürnberg, Aschaffenburg, Aue i. S. und Stuttgart. Keine spricht sih dahin aus, daß unter den Kon- fektionsarbeiterinnen besonders ungünstige Zustände wahrzunehmen seien. Insbesondere wird bezügli der Arbeiterinnen, welche sich von vornherein gewerbsmäßig der Konfektion widmen und darin zu aus- reihender Leistungsfähigkeit kommen, ausgesprohen, daß von be- sonderer Unsitilihkeit bei ihnen nicht die Rede sei und fie si von gleihstebenden Genossinnen niht ungünstig hervorheben.

Nicht unerwähnt soll bleiber, daß bezüglich Erfurts von dem dortigen Gewerberath ein von der Aeußerung der Polizeibehörde ab- weichendes Urtheil gefällt wird. :

Nach Lage der Verhältnisse liegt kein Grund zu der Annahme vor, daß die Konfektionsarbeiterinnen fih durch besondere Unsittlich- keit auszeihnen. Ein großer Theil derselben arbeitet in kleinen Werk- stätten unter Aufsicht einer Meisterin, die regelmäßig auf Zucht und Ordnung hakten wird; ein anderer großer Theil besteht aus ver- heiratheten Heimarbeiterinnen; und für die übrigen widerspricht die Annahme, daß sie si einen Theil des Jahres in übermäßig langer Arbeitszeit abquälen, in der ruhigeren Zeit zu Prostituierten machen würden, der Natur der Dinge. ) e

Was dann die Behauptung betrifft, daß es in dieser Branche vorzugsweise vorkomme, daß die Arbeiterinnen der Nöthigung der Arbeitgeber zur geshlechtlichen Hingabe unterliegen, fo hat dafür die Untersuchung keinerlei Material ergeben. Die Wahrscheinlichkeit \spriht \chon nicht dafür, weil die Arbeiterinnen in der Konfektion viel weniger als andere Kategorien von Ar- beiterinnen 3. B. Ladenmädchen, Fabrikmädchen, Dienstmädhen Gelegenheit haben, mit dem Arbeitgeber und feinen direkten Angestellten in Berührung zu kommen, die Zwischenmeisterwerkstätten aber regelmäßig von verheiratheten Meistern oder deren Frauen ge- halten werden, und es wird gerade diefen kleineren Werkstätten, im Gegensaß zur Fabrif, nahgerühmt, daß in ihnen gute Ordnung und Zucht au in sittliher Beziehung bestehen. Daß einzelne Fälle von Mißbrauch der Arbeitgeberitellung vorkommen, is felbstver- ständlih der Gewerberath für Erfurt führt dergleichen an und in der Presse finden sch hier und da Berichte über folhe Vorkommnisse, deren Wahrheit aber dahingestellt bleiben muß —, für den objektiven Beurtheiler des zu Gebote stehenden Materials liegt aber auch in dieser Beziebung kein Grund vor, eine besondere Verbreitung dieses Uebelstandes in der Konfektion zu konstatieren. E | 5 i

Was \chließlich das Zusammenarkeiten von männlichen und weib- liven Arbeitern in demselben Raum und die etwa daraus si er- gebenden Gefahren für die Sittlichkeit anbetrifft, so kommt dasfelbe im Ganzen wenig vor; es is überhaupt niht üblih in Bielefeld, Köln, München und Nürnberg, fast gar nicht üblih in Herford; in Aue arbeitet nur die Meisterin mit männlichen Arbeitern zu})ammen. Auch in Berlin is es in der Wäscheindustrie fast nie, in der Kleider- konfektion selten zu finden. Dagegen soll es in Stettin allgemein üblih sein und in Breslau die Regel bilden. Zu Bedenken in sitt- liwer Beziehung bietet es jedoch nirgends Anlaß.“

Die Durchschnittspreise der wihtigsten Lebens- und Gem S x ions. 13

im Königrei reußen betrugen im ezember 189%: für 1000 kg E 11 (6 (im November 163 4), Roggen 124 (127), Gerste 133 (134), Hafer 130 (132), Kocherbsen 209 (208), Speisebobnen 272 (273), Linsen 388 (387), Eßkartoffeln 47,7 (47), Richtstrob 42,1 (41,2), Heu 55,9 (55), Rindfleisch im Großhandel 1053 (1052); für 1 kg Mindileifth im Kleinhandel von der Keule 134 K (134 4), vom Bau 113 (114), Schweinefleisch 124 (124), Kalbfleisch 126 (127), Hammelfleisch 121 (122), inländischer geräucherter Speck 146 147), Eßbutter 231 (231), inländisches Schweineschmalz 147 (146), eizenmebl 29 (29), Roggenmehl 24 (23); für 1 Scho Eier 446

(411).

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks s an der Ruhr und in Oberschlesien. : An der Ruhr sind am 11. d. M. gestellt 12558, niht rechtzeitig [lt keine Wagen. oen Oberschles ien sind am 11. d. M. gestellt 5604, nicht recht- zeitig gestellt keine Wagen.

Zwangs- Versteigerungen.

Beim Königlichen Amtsgeriht T1 Berlin ftanden am 11. Januar die nachbezeihneten Grundstücke zur Versteigerung : Shöningstraße 55, der Frau Emma Sar gehörig; Flächen- raum 4,9 a; ußzungswerth 5170 #; Meistbietende blieb die Pommersche Hypotheken-Aktien-Bank, Taubenstraße 24, mit dem Gebot von 151750 « Rostockerstraße 38, Ede Wittstockerstraße 22, dem Klempnermeister Carl Falkenberg ehôrig; Flächenraum 11,36 a; Nuzungswerth 16510 46; mit dem Gebot von 260 000 4 blieb die Baugesellschaft Moabit A.-G,, Rathenowerstraße 104, Meistbietende. Beusf selstraße 46, dem

Ernst Hellwig gehörig; Nußungswerth 8550 4; eet von 139 100 M blieb die Frau Aug. Hellwig,

*

geb, Matf fe, Beusselstraße 46, Meistbietende. Aufgebober

wurde das ahren der Zwangsverfteigerung, betreffend das Grund- ita dis Berg 9, Tem Kaufmann Adolf Kleimann gehörig.

Berlin, 11. Januar. Marktpreise nach Ermittelungen des Königlichen Polizei-Präsidiums. (Höchste und niedrigste Preise.) Per 100 kg für: Ri@tstrob Æ; &. Heu k; s. Erben, gelbe, zum Kochen 40,00 4; 20,00 . Speifebohnen, weiße 50,00 4; 25,00 4A. Linsen 60,00 4; 25,00 4. Kartoffeln 6,00 ; 4,00 4. Rindfleisch von der Keule 1 kg 1,60 4; 1,10 4. dito Bauc(hfleish 1 kg 1,20 4; 0,90 . Schweinefleisch 1 1,50 4; 1,00 4. Kalbfleish 1 kg 1,60 4; 1,00 4. Ha fleisch 1 kg 1,50 A; 0,90 A. Butter 1 kg 2,60 #4; 2,

Eier 60 Stöck 5,60 4; 2,60 Æ. Karpfen 1 kg 2, : Aale 1 kg 2,40 #4; 1,20 . Zander 1 kg Hechte 1 kg 1,80 A; 1,00 A. Barsche 1 kg Sgleie 1 kg 2,40 A; 1,20 4. Bleie 1 kg 1,40 4; Ae Krebse 60 Stück 12,00 H; 250 Á. E

Die Geschäftsräume des Königlichen Staats8kommissars bei der Berliner Börse, Ober-Verwaltungsgerihts-Raths a. Ds Hemptenmacher befinden fich Burgstraße 21 TIT. j

In der gestrigen Sißurg des Aeltesten-Kollegiums der Berliner Kaufmann|schaft wurden nach Mittheilungen hiesiger Blätter folgende Herren zu Mitgliedern der Zulassungsstelle für Wertbvapiere gewählt: Stadtrath Kaempf, Kommerzien-Rath Kopeßky, Kommerzien-Rath Landau, Julius Reichenheim, Carl Schwartz, Direktor Weill, sämmtlich Aelteste der Kaufmannschaft von Berlin, Kommerz- und Admiralitäts-Rath a. D. Dr. jur. Abegg, Julius Alexander, Hermann Bashwiß, Paul Böhme, Sigismund Born, Stadtrath Bail, Paul Herz, Alfred Benvenisti, Heinrich Maaß, Caëpar Levy, Alfred Löwenberg, Robert von Mendelssohn, Kommerzien-Rath Hugo Oppenheim, Emil Salomon, Dr. Schwabach und Dr. jur. P. Waller, Ober-Bergrath ; ferner zu stellvertretenden Mit- gliedern: Dr. Kasfel, Mar Victor Bürgers, Bernhard C. Croner, Handelsrihter, Georg Fromberg, Dr. jur. Edmund Lachmann, Direktor Leßbaft, Mar Richter (i. F. Emil Ebeling) und Oscar Rothschild.

Die Verhandlungen der Allgemeinen Elektrizitäts- Gesellshaft und der Aktiengelellshaft Ludwig Löwe u. Co. zur Herbeiführung einer Interessengemeinschaft sind gestern abgebrochen worden, nachdem es, wie die Blätter melden, infolge naträglih eingetretener Schwierigkeiten niht gelungen ist, neben der Verständigung über die tehnishe Vereinigung au eine folche bezüg- lich der Vereinigung der betheiligten Finanz-Konfortien herbeizu- führen, was eine Voraussetzung der ganzen Bestrebung gewesen ist. (Vgl. Nr. 293 d. Bl. von 1896.)

Der Verwaltungsrath der Bank des Berliner Kassen- vereins hat nah der Feststellung des Rehnungsabs{chlufses für das verflossene Jahr beschlossen, der auf den 24. Februar einzuberufenden Generalversammlung die Vertbeilung einer Dividende von 69/9 (gegen 54 9% im Vorjahre) vorzuschlagen.

Stettin, 11. Januar. (W. T. B.) Getreidemarkt geschäfts- los. Freier Verkehr: Rüböl Januar 55,00. Spiritus loko 36,50.

Breslau, 11. Januar. (W. T. B.) (Schluß-Kurse.) Schl. 34 9/0 L.-Pfdbr. Litt. A. 100,30, Breslauer Diskontobank 120,40, Bres- lauer Wechslerbank 104,50, Kreditaktien —,—, Shlef. Bankverein 128,90, Breël. Spritfbr. 134,00, Donnersmarck 157,50, Kattowißer 167,00, Oberschl. Eis. 93,00, Caro Hegenscheidt Aft. 134,40, Oberschl. P. 3. 134,80, Opp. Zement 151,50, Giesel Zem. 127,25, L. Ind. Kramiîta 144,50, Schles. Zement 193,50, Schl. Zinkh.-A. 208,50, Laurahütte 168,65, Bresl. Oelfbr. 107,25.

Getreide- und Produktenmarkt. Spiritus per 100 1 100 9/6 lie 50 M Verbrauchsabgaben pr. Januar 54,70 Br., do. do. 70 4 Verbrauch8abgaben pr. Januar 35,20 Gd. u. Br.

Magdeburg, 11. Januar. (W. T. B.) Zuckerbericht. Kornzucker exkl. von 92 9/9 —,—, Kornzucker exkl. 88 °/6 Rendement 9,85—10,00. Nachprodukte extl. 75% Rendement 7,29—7,95. Ruhig. Brotraffinade 1 23,50. Brotraffinade 11 23,259. Gem. Raffinade mit Faß 23,37}—24,00. Gem. Melis 1 mit Faß 22,50. Ruhig. Nobzucker 1. Produkt Transito fr. a. B. Hamburg pr. Januar 9,80 Gd., 9,35 Br., pr. Februar 9,35 Gd., 9,40 Br., pr. März 9,474 bez. und Br., pr. April 9,57§# Gd., 9,60 Br., pr. Juli 9,75 Gd., 9,80 Br. Ruhig.

Frankfurt a. M., 11. Januar. (W. T. B.) (Schluß-Kurse.) Lond. Wechs. 20,383, Pariser do. 80,80, Wiener do. 170,05, 3 9/9 Reich8-A. 98,80, Unif. Egypter 105,90, Italiener 92,00, 39/0 port. Anl. 25,70, 5 %% amort. Rum. 101,00, 49/9 russ. Konf. 103,10, 49/0 Ruff. 1894 66,60, 49/9 Spanier 62,20, Mainzer 119,40, Mittel- meerb. 95,70, Darmstädter 161,50, Diskonto-Komm. 211,90, Mitteld. Kredit 117,00, Oest. Kreditakt. 3184, Oest.-Ung. Bank 817,00, Reichs- bank 157,80, Laurabütte 167,50, Westeregeln 175,40, Höchster Faxb- werke 434,90, Privatdiskont 3. _ E

Effekten-Sozietät. (Shluß.) Oesterr. Kreditaktien 3188, Gotthardbahn 168,30, Diskonto-Komm. 211,80, Laurahütte 167,35, Ftalien. Mittelmeerb. 95,80, Schweizer Nordostbahn 135,20, Italien. Méridionaux —, Mexikaner 95,10, Italiener —. /

Frankfurt a. M., 11. Januar. (W. T. B.) Der hiesige italienische General-Konsul Otto von Neufville, Senior des Bankhauses D. und I. de Neufville, ist heute gestorben.

Köln, 11. Januar. (W. T. Li Getreidemarkt. In Weizen, Roggen, Hafer kein Handel. Rüböl loko 62,00, per Mai 58,70.

Leivzig, 11. Januar. (W. T. B.) (Schluß - Kurse.) 3 %/ Säcbsishe Rente 97 80, 3#§ 9% do. Anleihe 101,90, Zeißer Paraffin- und Solaröl - Fabrik 103,00, Mansfelder Kuxe 775,00, Leipziger Kreditanstalt-Aktien 212,50, Kredit- und Sparbank zu Leipzig 118,00, Leipziger Bankaktien 179,50, Leipziger Hypothekenbank 138,75, Sächsische Bankaktien 124,25, Sächsishe Boden-Kreditanstalt 118,50, Leipziger Baumwollspinnerei - Aktien 170,00, Leipziger Kammgarne spinnerei - Aktien —,—, Kammgarnspinnerei Stöhr u. Co. 197,00, Wernhausener Kammgarnspinnerei 92,00, Altenburger Aktien- brauerei 237,00, Zuderraffinerie Halle-Aktien 110,00, Große Leipziger Straßenbahn 199,99, Leipziger Elektrishe Straßenbahn 154,00, Thüringische Gaësgesellschafts- Aktien 201,00, Deutshe Spigenfabrik 224,00, Leipziger Elektrizitätswerke 136,50.

Kammzug-Terminhandel. La Plata. Grundmuster B. pr. Januar 3,024 #4, pr. Februar 3,05 #4, pr. März 3,05 pvr. April 3,05 46, pr. Mai 3,074 4, pr. Juni 3,075 #, pr. Juli 3,075 4, pr. August 3,10 4, pr. September 3,10 #4, pr. Oktober 3,127 , pr. November 3,124 #, pr. Dezember 3,125 A Umsay 15 000. Nuhig. : i

Bremen, 11. Januar. (W. T. B.) Börfen - Schlußbericht. Naffiniertes Petroleum. (Offizielle Notierung der Bremer Petroleum- Börse.) Still. Loko 5,70 Br. Russishes Petroleum. Loko —. Schmalz. Sehr fes. Wilcox 22 &, Armour shield 224 S, Cudahy 233 , Choice Grocery 233 4, White label 23 «§, Fair- banks —. Speck. Fest. Short clear middl. loco 224 S, Januar-Februar 224 A. Reis stetig. Kaffee fes. Baumwolle. Ruhig. Upland middl. loko 384 & F. Tabac. 180 Seronen Carmen.

Kurse des Effekten - Makler - Vereins. 5 °/ Nord-- deutshe Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei - Aktien 174 Br., 5 9% Norddeutsche Llovd - Aktien 1127 Gd., Bremer Wollkämmerei 300 Br.

amburg, 11. Januar. (W. T. B.) (SWhlußkurse.) Hamb. bat 131,35, Bras. Bk. f. D. 167,00, Lübeck-Büch. 149,75, A.-G. Güano W. 77,00, Privatdiskont 38, Hamb. Packetf. 133,00, Nordd. Aoyd 112,75, Trust Dynam. 191,80, 39/0 H. Staatsanl. 96,80, 340/60 do. Staatêr. 105,10, Vereinsbank 153,009, Hamburger Wechsler- bank 131,75. Gold in Barren pr Kilogr. 2788 Br., 2784 Gd. Silber in Barren pr. Kilogr. 88,00 Br., 87,50 Gd. Wechselnotierungen: London lang 3 Monat 20,23 Br., 20,19 Gd., 20,21è bez., London kurz 20,39 Br., 20,36 Gd., 20,38 bez.,, London Sicht 20,40 Br.,

20,37 Gd., 20,38 bez, Amflerdam 3 Monat 167,45 Br., 167,05 Gd., 167,35 Ra Wien Sicht 168,10 Br., 167,70 Gd.,