1897 / 10 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 13 Jan 1897 18:00:01 GMT) scan diff

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‘keine großen Neuigkeiten, aber sie bieten den Beweis dafür,

Beshränkte, die dur die Einzelberihte gegeben werden , vermag ih nit zu theilen. Ih glaube vielmehr, daß dieser Vorwurf, zumal in seiner Allgemeinheit, niht zutrifft, insbesondere nit bei dem Beispiel, das er dafür angezogen hat. Subjektive Urtheile find in der Zusammenstellung nur insoweit enthalten, als sie sih als eine Zufammenfafsung derjenigen Urtheile ergeben, die aus den Einzelberihten geschöpft worden find, und als sie nur da vor- kommen, wo sie sofort durch die Angabe der Thatsachen, auf denen fie beruhen, erschöpfend begründet sind, Der Herr Vorredner hat moniert, daß auf Seite 6 der Zusammenstellung gesagt sei: „Die Kefselrevisionsgeshäfte scheinen die Thätigkeit der Beamten im Interesse, des Arbeitershuges nit mehr allzusehr zu beeinträhtigen.“ Der Verfasser der Zusammenstellung hat aber dieses Urtheil Tediglih als Eingang für die Aufzählung der einzelnen Thatsachen benußt, aus denen sih dieses Urtheil zusammenfafsen läßt, und wenn der Herr Vorredner die Güte haben will, einen Blick auf Seite 6 der Berichte zu werfen , so wird er mir nicht Unrecht geben, wenn ih sage: es ist das nicht ein Urtheil des Verfassers, sondern es ist das Urtheil, das si ergiebt aus den Einzelberichten, die ihm v3rgelegen haben.

Nun, meine Herren, hat der Herr Vorredner insofern einen Mangel an der vorliegenden Zusammenstellung hervorgehoben, als er es beklagt hat, daß zwar die Zahl der von den Fabrikaufsihts- beamten vorgenommenen Revisionen angegeben sei, daß dagegen die Zabl der revisionspflichtigen Betriebe fehle, sodaß man also mit Sicherheit niht übersehen könne, ob in Bezug auf die Entwicklung der Thätigkeit der Fabrikaufsihtsbeamten eine Besserung gegen früber eingetreten sei. Meine Herren, es wäre ja zu machen, daß man das Verhältniß der revidierten Betriebe zu der Zahl der revisions- pflichtigen Betriebe feststellte; das würde aber nur zu machen sein entweder im Wege einer allgemeinen Zählung, oder etwa dadurch, daß man die Aufsichtsbehörden, in deren Bezirk sich revisionspflichtige Betriebe befinden, zu einer besonderen Aufnahme darüber veranlaßte. Meine Herren, was Sie in dieser Beziehung an Zahlen vorfinden, beruht wesentlich auf Schäßung, und absolut richtig sind die Zahlen niht und können es auh nicht sein, weil toto die in dem Bestande der revisionspflihtigen Betriebe Aenderungen vorkommen. Ich kann dem Herrn Vorredner aber, um ihm entgegen zu kommen, in Aussicht stellen, daß wir den Versuch machen wollen, in den künftigen Berichten in dieser Beziehung eine größere Klarheit zu hafen, als sie jetzt bestebt,

Im übrigen möchte ih ihn aber noch darauf aufmerksam machen, daß eine Befserung in Bezug auf die Thätigkeit der Nevisions- beamten sich s{chon aus den Zahlen ergiebt, die die vorliegende Zu- fammenftellung enthält. Wenn beispielsweise im Jahre 1894 78 097 Betriebe revidiert worden sind, und wenn die Zahl der revidierten Betriebe im Jahre 1895 auf 86514 gestiegen is, wird er mir zu- geben, daß sih shon aus dieser Steigerung ein günstiger Schluß auf die Vermehrung der Thätigkeit der Fabrikaufsihtsbeamten auch dann wird ziehen lassen, wenn man annimmt, daß sih in Etwas in- ¿wischen au die Zahl der Betriebe vermehrt Fat.

Nun hat der Herr Vorredner noch von dem Verhältniß der Fabrikinspektoren zu den Arbeitern gesprohen. Es ist ja gewiß ein sehr erstrebenswerthes Ziel, daß der Fabrikinspektor der Vertrauens- mann des Arbeiters wird, und daß der Arbeiter sich in denjenigen Angelegenheiten, die ihm zum Druck gereichen, an den Fabrikinspektor wende. Ich habe aus den Berichten nit entnommen, daß in Bezug auf das Verhältniß zwishen Arbeitern und Fabrikinspektoren eine Verschlehterung gegen früher eingetreten wäre. Im Gegentheil, nah der vorliegenden Zusammenstellung kann ih konstatieren, daß wenigstens aus 25 Bezirken berichtet wird, daß der Verkehr der Arbeiter mit den Auffichtsbeamten reger geworden ist, während aus keinem Be- zirk der Bericht dabin lautet, daß die Arbeiter gegenüber dem Fabrikaufsihtsbeamten zurückhaltender geworden seien. Meine Herren, es bilden diese Beziehungen zwishen Arbeitern und Fabrikaufsihts- beamten ein nicht ganz leihtes Kapitel, und es ist nit zu erwarten, auch bei dem grften Fleiß und Eifer, den die Fabrikaufsihts- beamten nah dieser Richtung hin entwickeln, daß das Verhältniß in kurzer Zeit zu einem idealen werde. Das läßt sih nat der Natur der Dinge nicht erwarten ; ih braue mi darüber niht weiter zu äußern. Wenn aber auf diesem Gebiet ein Fortschritt zu verzeichnen ist, so ift er cinmal mit Freuden zu begrüßen, und vor allen Dingen läßt si daran die Hoffnung knüpfen, daß auch in Zukunft ein weiterer Fortschritt sih ergeben wird.

Dann hat weiter der Herr Vorredner wieder den Wunfch zur Sprache gebracht, es möge eine weibliche Fabrikaufsicht eingerichtet werden. Die Reichsverwaltung kann nah Lage der Gesetzgebung dazu nichts thun. Ob weibliche Fabrikinspektoren zur Verwendung kommen follen oder nit, ift Landessache. Die Auffafsung der Königlich preußischen Regierung ift den Herren hier vorgetragen worden im vorigen Jahre; danach hat sih der damalige Herr Handels-Minister positiv gegen die Verwendung weiblicher Kräfte im Fabrikaufsichts- dienst ausgesprochen. Ich habe keinen Grund ¿u der Annahme, daß in dieser Beziehung in den Anschauungen der preußishen Regierung eine Aenderung eingetreten sei, und ih kann deshalb denjenigen Herren, die \sich dafür interessieren, nur anheimstellen, ihre Be- mühungen da einzuseßen, wo sie allein von Erfolg begleitet sein können, d. h. also bei der Königlich preußishen Regierung.

Abg. Fischer (Soz.): Die Fabrikinspektoren-Berichte bringen Arbeiterschupgesete nicht genügend durhgeführt sind. Es hle den Fabrikinspektoren an jeder Zentralstelle, dur welche ihre eell inna vermittelt werden fann. Die Sprechstunden der Fabrikaufsihtsbeamten sind von den Arbeitern vielfach benußt worden, namentlich wo die Arbeitervertretungen be- stehen; es find dabei Mißstände entdeckt worden, die man bei Revisionen niht hâtte entdecken können. In Preußen bestehen aber keine Beziehungen der Aufsichtsbeamten zu den Arbeitervertretungen. Jedenfalls haben die Arbeiterorganisationen dahin gewirkt, wie das Reichsamt des selbst feststellt, daß Kontraktbrüche fast garniht vorgekommen sind. Bezeichnend sind auch die Aeußerungen der Be- rihie über die Ausftandsbewegungen; sie beweisen, daß die Be- amten durchaus auf seiten der Ar eitgeber stehen; denn die Arbeiter werden darin als Unruhestifter und Aufrührer bezeihnet. Aber in dem Auszuge, den das Reichsamt des Innern veröffent- licht hat, find folhe Bemerkungen unterdrückt, wie sie sich namentli in den Berichten der sächsishen Beamten finden. Man müßte do endlich einmal die Fabrikinspektionen in die Hände des Reichs bringen. Wann wird die Reichsverwaltung dazu übergehen,

die Tarrilsaufsht auf die Hausindustrie auszudehnen, damit die estimmungen über den Schuß der jugendlihen Arbeiter

und der weiblihen Arbeiter wirksam werden, während sie jeßt

illuforisch bleiben, weil die jugendlihen und weiblichen Arbeiter aus der Fabrik in die Hausindustrie gedrängt werden ? Bei Ausdeh- nung der Aufsicht auf die Hausinduftrie wird allerdings die Zahl der

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“eine einseitig gefärbte.

Beamten erheblich vermehrt werden müfsen. Au wie viele revisions-

pflihtige Betriebe vorhanden sind, sollte do endli einmal eftellt werden; es würde sich dann zeigen, daß doi endlig die E Fa- briken mit zahlreihen Arbeitern revidiert werden; gerade die kleinen Betriebe aber sind diejenigen, in welchen die meisten Uebertretungen vorkommen, und diese werden selten oder garni§t revidiert. Bn Bayern hat man in Aussicht genommen, auch Arbeiter zur În- spektion heranzuzieben, und Hessen wird zuerst weiblihe Aufficht ein- führen. Für Preußen aber wird keine Aussiht nah dieser tung

bin eröffnet. Staatssekretär des Innern, Staats-Minister Dr. von

Boetticher:

Ob der Reichstag der Aufforderung des Herrn Verredners folgen und die Fabrikinspektion zur Reichsfahe machen wird, habe ih ab- auwarten und kann dem Herrn Vorredner nur anheimgeben, dahin gehende Anträge im Reichstage einzubringen. Sollte der Reichstag ihnen die Zustimmung ertheilen, so werden diese Anträge an den Bundesrath gehen und dort einer sorgfältigen Erwägung unterzogen werden. Ich glaube aber kaum, daß der Reichstag das Bedürfniß empfinden wird, die Gewerbeaufsiht zur Reichssahe zu machen. Mit einer sfolhen Maßregel würde nicht vorgegangen werden können ohne eine ganze Reihe von sonstigen Aenderungen in tem Verhältniß der Bundesstaaten zum Reich, und ih glaube faum, daß die Zeit dazu angethan ift, auf diesem Gebiet einen Versuch zu mahhen. Vor- läufig handelt es si darum, das gegenwärtig geltende Geseg zur Durchführung zu bringen. Das gegenwärtig geltende Gesey aber ordnet die Fabrikaufsiht nit als eine Reichssache, und ih bin des- halb wohlberetigt, diejenigen Beschwerden, welhe bezüglich der Handhabung der Fabrifaufsiht vorzubringen sind, zunähst an die Landesinstanzen zu verweisen. Damit nehme ih keinem der Herren Abgeordneten die Gelegenheit, hier im Reichstage seine Klagen vor- zubringen; nur soll er niht von der Reichsverwaltung verlangen, daß sie sofort auf diese Klagen hin in Thätigkeit tritt und den Landesregierungen Ersuchen zugehen läßt, die an der Hand der Thatsachen, die vorgekommen sind, vielleicht materiell gar feine Begründung haben.

Meine Herren, die Darstellung des Herrn Vorredners über den Zuftand der Fabrikaufsiht, wie er fih aus dem vorliegenden Bericht ergiebt, war ich fann ihm diesen Vorwurf nit ersparen Er hat mit vielem Bemühen alles das zue sammengetragen, was noch einen Schatten wirft auf das Verhältniß der Fabrikaufsihtsbeamten zu den Arbeitern, auf das Verhältniß der Fabrifkaufsihtsbeamten zu den Berufsgenofsenshaften und überhaupt auf die Thätigkeit dieser Beamten, und er hat fich sogar dazu herbeigelassen , Privatäußerungen eines Fabrikaufsichts- beamten, die bei Benutzung der Pferdebahn gefallen sind, aufzugreifen, um daraus zu deduzieren, daß diese Beamten eine ganz mangelhafte Institution seien. Nun, wenn man Privatäußerungen der Sozial- demokratie aufgreifen wollte, da würde eine s{chöne Blumenlese zu- sammenkommen, eine Blumenlese, die den Herren garniht angenehm sein würde. Mir ift neulih noh ein Brief eines ehemaligen Sozial- demokraten zugekommen i mache keinen Gebrauch davon —, darin ersheinen die Führer just in demselben Lichte, in welhem jener Fabrikaufsihtsbeamte diejenigen Agitatoren, die in Lübeck thätig ge- wesen sind, geschildert hat. Nun, meine Herren, ich sehe gar nit ein, weshalb Sie das auf sih beziehen, wenn ein Fabrikaufsihts- beamter in einem Pferdebahnwagen sich dahin äußert, der Lübecker Strike sei eine Frucht der Agitatoren, die in Lübeck ihr Wesen trieben. Keiner von Ihnen ist ja in Lübeck gewesen, also haben Sie ja gar- niht nôthig, bier zu konstatieren, daß dort sozialdemokratishe Agitatoren es gewesen find, die zu hüten Ihre Aufgabe wäre.

Nun, meine Herren, wie der Herr Vorredner die Inspektions- berichte, von denen er selber sagte, daß sie ein Gegenstand seines eifrigen Studiums gewesen wären, wie er sie gelesen und wie er sie ausgenugßt hat, davon nur einige kleine Beispiele. Jch hatte bei meiner früheren Ausführung gesagt, der Vorwurf des Abg. Schneider, daß in den Jn-

halten wären, der die Zusammenstellung diefer Berichte gemacht hat, und daß es den Vorzug verdiene, wenn der Verfasser dieses Berichts sich mehr auf die Feststellung von Thatsachen beschränkt bätte, ih hatte diesem Monitum gegenüber darauf verwiesen, daß die sub- jektiven Urtheile sch lediglih als die Einleitung, gewissermaßen als die Quintessenz dessen ergeben, was naher in thatsähliher Be- ziehung ausgeführt und aufgeführt sei.

Ich hatte dann hingewiesen auf die Seiten 6 und 7 der Zu- sammenstellung, wo das Uriheil: „Die Kesselrevisionsgeschäffe seinen die Thätigkeit der Beamten in Bezug auf den Arbeitershuß nit allzu sehr zu beeinträhtigen*, dur die thatsählihen Angaben begründet werde. Daraufhin sagt nun der Herr Vorredner : diese Vertheidigung sei eine ganz unberechtigte; der Vorwurf des Herrn Abg. Dr. Schneider sei durchaus begründet, und wie von seiten des Verfassers dieses Generalberihts au aus den Thatsachen, die den einzelnen Berichten entnommen find, ganz falsche Schlüfse gezogen worden seien, das ergebe sih aus Seite 9, bis zu welcher wohl meine Lektüre nicht gelangt sein dürfte. Hier sage der Generalberihhterstatter: „von seiten der Orts- polizeibehörden fanden die AufsiGtsbeamten fast durchweg Entgegen- kommen und Unterftüßung“, und nachher stehe dort zu lesen: „die Thâtigkeit der Ortspolizeibehörde sei im allgemeinen noch eine un- genügende.“ Daraus deduziert der Herr Vorredner: mit dem günstigen Urtheil, das der Verfasser des Generalberihts über die Polizeibehörde gefällt hat, muß es doch nicht viel auf si haben, denn aus dem folgenden Sag ergiebt sih ja gerade, daß über diese Polizeibehörden geklagt wird. Aber wenn der Herr Vorredner die Güte haben will, noh einmal die Seite 9 anzusehen, was findet er dann? Er findet dann, daß zuerst von dem Entgegenkommen der OrtsEpolizeibehörden gegenüber den Fabrikaufsihtsbeamten die Rede ift, und daß in dem zweiten Sah die Nede ift von der selbftändigen Auffichtsthätigkeit der Drtspolizeibehörden. Das sind zwei ganz verschiedene Dinge, und die Argumentation des Herrn Vorredners widerlegt mih daher in keiner Weise.

Um noq einen weiteren Beweis für das aufmerksame und frucht- bare Studium der Inspektorenberihte dur den Herrn Vorredner zu erbringen, will ich Folgendes erwähnen: Er hat gemeint, ein sehr wesentlicher Theil des Berichts des Fabrikaufsihtsbeamten aus Frank- furt a. O. sei niht in den Generalberiht übergegangen, nämli derjenige Theil, der sih auf die Revisionen von Ziegeleien bezieht. Wenn der Herr Vorredner aber die Güte haben will, seine Blicke auf Seite 249 zu wenden, so findet er hier gerade das, was er vermißt hat, und ausdrücklich unter Bezugnahme auf den Bericht

spektionéberihten zu viel subjektive Urtheile desjenigen Beamten nt. 4

Ich könnte diese. Blumenlese noch erweitern, will aber, um nit zu lang zu werden, nur noch auf einige ardere Bemerkungen des Herrn Vorredners übergehen. Der Herr Vorredner hat darüber ge- Fagt, daß feine Konferenzen der Fabrikaufsihtsbeamten ftattfinden. Das ift thatsächlih unrichtig. In Preußen sowohl wie in Bayern werden Konferenzen der Fabrikaufsihtsbeamten abgehalten; und im

Thätigkeit einheitlih geregelt werde , soweit sie als eine einheitliche na denselben Grundsäßen zu führende si darftellt. Daß natürlig, niht durhweg eine volle Uebereinstimmung in der Geschäftsführung der Fabrikaufsihtsbeamten herbeizuführen - ift, das liegt auf der Hand. Das Individuum wird immer seine Eigenthümlichkeiten aug in seine Geschäftsführung übertragen, und da die Individuen nit alle über einen Leisten geshlagen sind, so kann auth ihre Geschäfts- führung nit über einen Leisten geshlägen werden. - Der Herr Vorredner bat dann gegenüber den Fabrikanten den

genommen wären, daß sie namentli eingenommen wären gegen die Einrichtung der Arbeiterausschüsse. Auch dieser Vorwurf ist in der Allgemeinheit nit richtig. Arbeiteraus\{chüfse sind in sehr vielen Fabrikations |tKten exrichtet und erfreuen sich da au der vollen Anerkennung der Unternehmer.

Nun hat der Herr Vorredner von dem Koalitionsrecht der Ar- beiter gesprohen und hat gemeint, man fei sehr geneigt, es den Arbeitern zu verkümmern, während man die Bildung von Syndikaten, von Trusts, bei den Unternehmern für ganz natürlih Halte. Mir ist keine Regierungsmaßregel bekannt, aus der der Herr Vor- redner einen Vorwurf dahin ableiten könnte, daß den Arbeitern das Koalitionsrecht verkümmert würde. Insbesondere hat gerade der Verlauf des neuesten Hamburger Strikes den Beweis geliefert, daß von seiten der Behörden dem Zusammenwirken der Arbeiter auf dem Gebiete ihrer Interessen nah keiner Richtung ein Zwang auf- erlegt ift. (Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Das werden auch die Herren Sozialdemokraten nicht leugnen können. (Wiederholte Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Jch verstehe die Zwischenrufe nit, würde aber sehr gern darauf antworten, wenn sie mir in arti- kulierter Weise gemaht wären.

Nun kat der Herr Vorredner noch davon gesprochen, daß es nüßli sein werde, die Hausindustrie in die Gewerbeaufsiht hinein ¿u beziehen. Nun, in der Beziehung sind die Dinge bereits im Gange. Sie wissen, daß wir uns im vorigen Jahre über die Zustände in der Kon- fektionsindustrie unterhalten haben. Die Kommission für Arbeiter- statiftik ift mit dieser Materie befaßt. Sie hat inzwischen bereits ihre Verhandlungen abgeschlossen und wird jeßt in nächster Zeit den Bericht erstatten; und es wird dann Veranlaffung genommen werden, auf dem Gebiete der Hausindustrie diejenigen Mittel zu treffen, die sih im Interesse des Arbeitershutes als nothwendig berausftellen.

Wenn \ließlich der Herr Vorredner gemeint hat, daß jebt die Parole ausgegeben sei: „auf dem Gebiete des Arbeitershußes mit Volldampf zurück!“, fo ist er au hierfür den Beweis \chuldig ge- blieben. Im Gegentheil, ih nehme für die Regierungen in Anspru, daß sie in loyaler und einsihtiger Weise den Arbeitershuß, den das Geseß vorgesehen hat, auch zur Durchführung zu bringen bestrebt sind. (Bravo!)

Abg. Rösicke (b. k. F.): Die Kla Verkehr zwis{hen den Beauftragten der Beruf Aufsichtsbeamten sind gänzlich unbegründet, ger Verkehr zwischen elen NNrlouen garniht nothwendig ift. Eine emeinsame Revision der Betriebe würde die Thätigkeit beider Aufsichtsorgane hemmen. Gerade der „Vorwärts“ hat si gegen eine folhhe i same Revision ausgesprochen, weil die Beauftragten zu leiht die Mitglieder der Berufêgenossenschaften von den bevorstehenden RNe- visionen benachrihtigen könnten. Die ftaatlihe Beau ihtigung zum Zweck der Unfallverhütung ist nothwendig, weil die Arbeiter die Auf-

siht seitens der Berufsgenossenschaften als niht maßgebend aner- kennen werden. Die Anstellung von Beauftragten ist den Berufs- genofsenshaften niht zur Pflicht gemaht worden. Das Institut der Beauftragten ist ein junges, die Beamten müssen fich erst einarbeiten : aber man kann nit lagen, daß fie ihr Amt mit weniger Eifer wahr- nehmen als die staatlichen Aufsichtsbeamten.

Abg. W ur m (Soz.) wendet si gegen die Bundesêraths-Verord- nung bezüglich der Ziegeleien vom 1. Januar 1894 und behauptet, die Feldziegeleien würden überhaupt von den Beamten nur höchft felten fontroliert. Die Leute, welhe die Ortspolizei verwalten, seien nicht im stande, die Gesetze zu verstehen, zu dencn ja auch immer gleich wieder viele Ausnahmen gemacht würden. Der Bundesrath jollte diefe Verordnung wieder aufheben und die Ziegeleien den allgemeinen geseglihen Bestimmungen unterwerfen; denn er könne dic kleinen Ziegeleien dadur s niht {üen gegen die großen Ringe von Ziegeleien. Besonders edenktlih E aber die Beeinträchtigung der Sonntagsruhe in der Mübleninduftrie sowie bei den Saifon- betrieben der Nahrungsmittelindustrie ; dur die besonderen Bestim- mungen sei die Sonntagsruhe wegen der darin ¡zugelassenen Ausnahmen zum theil wieder abgeshafffft. Die Regierung sollte den Bitten der O a attes nachgeben und die Sonntagsruhe für sie endlih dur- ühren.

Staatssekretär des Boetticher:

Soweit der Herr Vorredner seine Beschwerden gegen das Reichsamt des Innern gerichtet hat, sind sie durchweg unberehtigt. Denn diefe Verordnungen rühren nit vom Reichsamt des Innern ber, und noch weniger hat das Reichsamt des Innern mit ihrer Handhabung etwas zu thun.

Königlich sächsisher Geheimer Regierungsrath Dr. F i\ her wendet sich gegen eine von dem Abg. Fischer im Laufe seiner Rede gemachte Bemerkung gegen den sächsischen Minister von Meßsh. Die kritisiert- Aeußerung, die der Minister im sächsishen Landtage gemawt habe, sei einseitig reproduziert worden. Der Minifter habe bei Ver- handlung einer Beschwerde über die Handbabun des f gesenrs auseinandergeseßt, daß hierbei Verhältnisse in rage kämen, welhe dur zwingende, streng geseßliche Vorschriften bestimmt würden, und außerdem folhe Verbältnisse, welche die Entf Loge der Behörden in ein gewisses diskretionäres Ermessen stellten. sei selbftver- ständlih, daß es bei Anwendung dieser Bestimmungen von Einfluß sein könne, welche Personen den Vereinen angehören, oder wie die Zusammenseßung des Vereins sei, der von den Gntschließungen ge- troffen werde. ; Abg. Möller - Waldenburg (Soz.) bespriht eingehend die Berichte der Aufsichtsbeamten über die Verbältnifse der Bergarbeiter und über die Ausführung des Unfall- und Invaliden - Versicherungs- geseches für dieselben. Redner mat im Verlaufe seiner Ausführungen der preußishen Bergverwaltung beleidigende Vorwürfe, die der Präsident Freiherr von Buol als folhe rügt und als des Reichstags unwürdig bezeichnet.

Darauf wird um 61/4 Uhr die weitere Berathung bis Mittwoch 1 Uhr vertagt.

Innern, Staats - Minister Dr. von

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aus Frankfurt a, O,

übrigen wird auch von Reichswegen darauf hingewirkt, daß ihr:

Vorwurf erhoben, daß sie gegen die Organisationen der Arbeiter ein-_

Preußischer Landtag.

Haus der Abgeordneten.

16. Sißzung vom 12. Januar 1897. Ueber den Beginn der Sigßung ift gestern berichtet

E zweite Berathung des Lehrerbesoldungsgeseßes

i rt t. wird for Bestimmungen über die Anrehnung der Dienst- zeit an Privatschulen, in denen nah dem Lehrplane einer offentlihen Volksschule unterrichtet wird.

Abg. Dr. O pfergelt (Zentr.) bemängelt die Bestimmung, daß die Lebrer, welhe erst nah dem Inkrafttreten dieses Gesetzes aus einer Privatschule in den öffentlichen Schuldienft übertreten, die Alters- zulagefafsen-Beiträge nahzahlen sollen, um eine Anrehnung ihrer Dienftzeit an der Privatschule zu erreihen. Diese Best mmung der Vorlage habe die Kommission damit zu rehtfertigen sich bemüht, daß dann die Privatshulen gute Lehrer behielten, was besonders für die

rivatschulen für ftonfessfionelle Minderheiten von Bedeutung sei. Die Kommission habe deshalb au die Bestimmungen des § 11 für die Gewährung des Nuhegehalts maßgebend sein lasten,

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten D. Dr. Bosse:

Meine Herren! Wir begegnen uns mit dem Herrn Abg. Dr. Opfergelt und auch mit den Mitgliedern der Kommission voll- ftändig in dem Wunsch, den Lehrern, die an Privatanftalten dem Staat helfen, die staatlichen Kulturaufgaben zu lösen, sowzit wie mögli entgegen zu kommen. Wir baben das größte Interesse daran, daß den Lehrern, die in s{werem Dienft an Anstalten, die auf der chriftlihen Liebesthätigkeit beruhen oder an Privatshulen für kon- fessionelle Minderheiten beshäftigt sind, soweit entgegengekommen werde,” als es nur immer mögli ift. Wir bedauern aber, daß wir uns nicht haben überzeugen können, daß der Antrag des Herrn Dr. Opfergelt, wie er jeßt in dem Kommissionsvorfhlag zu § 11 Ausdruck gefunden hat, wirklih zum Ziel führen würde; wir fürchten im Gegentheil, daß dadur die an Privatanstalten beshäftigten Lehrer sehr ges{hädigt werden, weil allmählih die Praxis von selber dahin führen wird, die Uebernahme folcher Lehrer in den öffentlihen Scul- dienft soviel als möglih auszuschließen um der Schwierigkeit willen, die diefer § 11 der Kommissionsbeshlüse mahen wird. Ich will nur auf das eine hinweisen, daß erstens Leistung und Gegenleistung hier in keinem rihtigen Verhältniß ftehen. Darüber könnte man dem wird au der Herr Abg. Opfergelt gern zustimmen allenfalls noch rechten, man könnte sehr gern den Privatlehrern einen kleinen Vortheil gönnen und Billigkeit statt der Gerechtigkeit. Damit sind wir vollkommen einverstanden und durch unseren Vorschlag, ibnen 7 Jahre anzurechnen, haben wir bewiesen, daß wir ihnen thunlihft entgegenkommen wollen, soweit sih das auf rechnungsmäßiger Grundlage machen läßt. Wir haben auch nichts dagegen, daß man diese 7 Jahre im Interefse der Billigkeit auf 10 Jahre erhöht. Da wird die Sache ganz glatt verlaufen; aber so, wie es hier die Kommission beshlossen hat, wird sie nit ¿latt verlaufen. Wir haben diese Gründe in der Kommission sehr ausführlih entwickelt : namentlih auf Seite 28 des Berichts hat der Herr Berichterstaiter in durhaus einleuhtender Weise die Deduktionen wiedergegeben, die wir in dieser Beziehung gemacht haken. Ich will nur noch eins hervorheben : Der Swhlußsay, den der Herr Abg. Dr. Opfergelt hinzugefügt hat, wonach die Berechnung der im Privatschuldienste zugebrahten Dienstzeit auch für den Anspruch auf Nuhegehalt, nämlich auf den Ruhegehalt für Alterszulagen und für die Berehnung eines entsprehenden Theils des Nubegehalts maßgebend ift oder sein soll, wird zu den allergrößten Sonderbarkeiten führen. Dadurch kann es vorkommen, daß ein Lehrer, der 30 Jahre an einer Privatshule thätig gewesen ift, überhaupt nah unserem Pensionsgesey keinen ftaatlihen Anspruh hat auf Pension von seinem Grundgehalt, wohl aber würde er von dem Moment der Uebernahme an Anspru auf Pension von seinen Alterszulagen haben. Zu welchen horriblen Resultaten wird es führen, wenn der Mann von dem Grundgehalte nicht pensioniert wird, und von den 900 4

Alterszulagen eine kleine Pension bekommt! Diese Zustände können unmögliG im Interesse der Privatlehrer liegen. Jch möchte Ihnen anheimgeben: ändern Sie die 7 Jahre der Regierungs- vorlage in 10 Jahre; damit werden die praktischen Fâlle, die vorkommen, alle gedeck werden. If Ihnen das zu wenig, dann bitte ich wenigstens bis zur dritten Lesung die Sache noch einmal in eingehende Erwägung zu nebmen. Wir sind bereit auszuhelfen ; wir haben ja genau denselben Wunsch, den der Herr Abg. Opfergelt hat, den Privatlehrern soweit als irgend möglich entgegenzukommen. Ich glaube aber doch meine Ueberzeugung dahin aussprehen zu müfsen, daß die Frage auf diese Weise nit gelöst werden kann. Das ift unmöglich! Sie werden sehen, daß es dabin fommt, daß die Privatlehrer darunter leiden, daß Schulverwaltung und Gemeinde sih dagegen wehren werden, Privatlehrer überhaupt ¿zu übernehmen. Ih rathe deshalb, daß man sich mit den Grund- säen, wie sie die Vorlage vorgeschlagen hat, unter Erhöhung meinet- wegen auf 10 Jahre begnügt. Damit wird man den Privatlehrern einen wirksamen, kräftigen und praktishen Vortheil geben. 11 wird in der Kommissionsfassung angenommen. L S 15 (Unterhaltung der Dienstwohnung) beantragt Abg. Kahlcke (nl.) folgenden Zusaß : Auf Antrag der Vertreter des Schulverbandes und der Lehrer oder eines derselben kann die Schulaufsihhtsbehörde kleinere, befonders zu bezeihnende Reparaturen m Lehrer gegen eine angemessene, den örtlihen Verhältnissen ent-

\ de Vergütung übertveisen. prefrude Winckler (konf.) ert den Vorschlag des Abg. Kablcke

niht für praktis. E G Unter Ablehnung des Antrages Kahlcke wird 8 15 unver- ändert angenommen. e /

S 20 regelt die Anrehnung anderweitiger Bezüge auf das Grundgehalt. Abg. von Tzshoppe (fr. kons.) beantragt, daß der Ertrag der Landnußung mit dem ein- bis dreifachen Grundfteuer-Reinertra anzurenen ist und Abweichungen nur aus besonderen Gründén zulässig sind. (Die Vorlage be- stimmt nur: „Der Ertrag der Landnugzung ist anzurehnen.“

gerney bestimmt die Vorlage, daß das Brennmaterial mit der Beschränkung angerehnet wird, daß das verbleibende Grundgehalt niht unter 840 Á, bei Lehrerinnen nicht unter 650 M jährlih beträgt. Abg. Riert beantragt, das Brenn- material nah seinem wirklihen Werth, jedoch höchstens mit einem Zwanzigstel des Grundgehalts oder der nah 8 3 ge- währten Besoldung anzurecnen. :

Abg. von Tzschoppe empfiehlt seinen Antrag. Es sei noth- wendig, bei der Anrehnung des Ertrages der Landnu ung einen ganz bestimmten Maßstab festzulegen. Wo der Grundsteuer-Reinertrag einen "Minen Maßftab nit gewähre, lafse sein Antrag ja Ausnahmen zu.

bg. Winkler Ss wendet fihch gegen diesen Antrag. Die Fafsung der Regierungsvorlage gewähre den Lehrern größere Vortheile.

- Dr. von Heydebrand und der Lasa (kons.): Der An- tr Mani hat für uns mandches Sympathishe, -- führt aber Âe Ida Konsequenzen zu qroßen Schwierigkeiten bei de Bemefsung der Grundgehälter. Es ift weit praktischer und nüßliher für die Veellelieute Gerne etch so anpereshnict wird, e ritte v e ndge in befon ifligen en ni.

840 ÆÁ für die Lebrer und niht unter 650 4 für die Lehrerinnen

betragen k ] i

Aba. Hausmann (nl.) kann niht anerkennen, daß der Antrag Tzschoppe die Frage in rihtiger Weise löft; die Kommission habe vergeblih nah einem befseren Wege gesuht, sci aber {ließli bei der Regierungsvorlage geblieben. er Antrag werde die Lehrer ädigen. ; :

Abg. von Tzschoppe bestreitet das leßtere und ift auch dur die Ausführungen der fonservativen Redner niht davon überzeugt worden, daß fein Antrag verfehlt sei.

Abg. Rickert spriht gegen den Antrag Tz\choppe und empfiehlt seinen Antrag, der mit dem Beschluß der Er E Kommission übereinstimme. Eine feste Grenze und nit die Entscheidung der Ver- waltungsbehörde sei für beide Theile das Beste.

Geheimer Ober-Finanz-Rath Dr. Germar führt aus, daß nach ge- nauer Berechnung der Antrag Rickert die Lehrer hädigen könne. :

Abg. Hansen (fr. kons.) mat darauf aufmerksam, daß in Schleêwig-Holstein der Wertb des Feuerungsmaterials ein sehr ver- schiedener sei; sonst völlig gleichgestellte Lehrer würden dadurch zu einem ganz verschiedenen Einkommen kommen. :

Geheimer der Aa Rats Dr. Germar empfiehlt gerade mit Rücksicht auf folche Verschiedenheiten die Re ierung8vorlage. :

Unter Ablehnung der Anträge Tzschoppe und Rickert wird

20 unverändert angenommen.

Bei 8 22 warnt :

Abg. Dr. von Jazdzewski (Pole) vor der Annahme der Kom- missionsfafsung, daß bei Versetzungen im Interesse des Dienstes aus der Staatskafse eine Vergütung für Umzugsfosten unter Wegfall der von den Schulunterhaltungépflihtigen zu entrihtenden Anzugs- oder Cebedolungslolien gezahlt werden solle. Dieselbe Beftimmung finde

in einem der Polengeseze. Die Regierung wolle jeßt alle Lehrer mit dieser Bestimmung beglücken. Die Polengeseßze müßten aber auf- gehoben werden. :

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten D. Dr. Bosse:

Meine Herren! Die Aufhebung des Gesetzes, von der der Herr Abg. Dr. von Jazdzewski gesprohen hat, für die Provinzen Posen und Westpreußen nehmen wir niht in Aussicht. Auf diese Forderung können wir nit eingehen, am allerwenigsten in der Provinz Posen. Wir sind dort in der Nothwendigkeit, unter Umftänden Lehrer ver- seßen zu müssen {hon um sprahlicher Verhältnisse willen. Ich will niht weiter auf die Sache eingehen und will namentlich eine Polen- debatte vermeiden. Im übrigen will ich nur bemerken, daß Herr Dr. von JaZdzewêki gegen Windmühlenflügel kämpft. Meine Herren, wir haben an Verseßungen aus politishen Gründen bei diesem Para- graphen überhaupt niht gedaht, und bei dem ersten Absay des Paragraphen haben wir lediglih im Auge gehabt eine Erweiterung der Befugnifse des Staats-Ministeriums, in Disziplinarsahen au auf eine mildere Strafe zu erkennen, als auf die sofortige Entlaffung aus dem Dienst. Nun, meine Herren, die Sache geht natürlih au so; wenn Sie keine Lust haben, diesen ersten Absatz anzunehmen, den wir lediglih im Interesse der Lehrer vorgeshlagen haben, wir werden keine Schwierigkeiten nah dieser Richtung daraus machen. Wir können ganz zufrieden sein, wenn das Gesey überhaupt unter Dach und Fah kommt mit oder ohne diese Bestimmung. Wir haben diese Bestimmung gemacht lediglich im Interesse einer milderen diszipli- narishen Behandlung der Lehrer, die zuweilen an einem Ort unmög- lich geworden sind, während sie an anderen Orten noch ganz gut ihres Dienstes walten können. Wir haben es oft \{chmerzlich vermißt, daß wir in solhen Fällen nit eine mildere Praris walten laffen konnten, Wenn aber das hobe Haus irgendwie Bedenken oder Miß- trauen hat, daß die Sache politisch gemißbrauht werden könnte, dann lassen Sie den erften Absatz in Gottes Namen weg —: wir werden au ohne ihn auskommen!

Abg. Böttinger (nl.) empfiehlt die Annahme des Kommissions- vorschlaçs, ebenso der Abg. Barteks (konf.), der die Ausführungen des Abg. von Jazdzewski an dieser Stelle für ganz unangebracht bält. i

Abg. Rickert: Wenn diese Bestimmung wegfällt, bleibt es bei dem bisherigen Geseß, wonach die Lehrer hon jeßt Umzugskosten be- fommen. Ift also diese Bestimmung nicht überflüssig ?

Ministerial-Direktor Dr. Kügler: Für größere Entfernungen hat jeßt der Lehrer einen Theil der Umzugskosten selbst zu tragen. Ohne diese Bestimmung würden also die Lehrer geschädigt. _

Abg. Dr. Porsch (Zentr.) erklärt sih für die Kommissions- fassung, die ja nit der Regierung ein neues Verseßungsreht in Bezug auf die Lehrer gebe, sondern nur die finanziellen Konseguenzen bei Verseßungen zweckentsprehend regele. Das Versezungsrecht der Re- gierung Betlebe ja leider, könne aber niht hier, fondern [nur in einem Volks\hulgesey beseitigt werden. Diese Debatte zeige aber wieder, wie mißlich es sei, einen Theil des Schulwesens partiell

egeln. i Si Bs Rickert seßt voraus, daß neues Recht dur diese Be- stimmung nicht geschaffen werde. E

8 22 wird unverändert gegen die Stimmen der Polen angenommen. : i R i

J 27 regelt die Leistungen des Staats und bestimmt unter anderem, daß denjenigen Gemeinden, denen durch dieses Gesetz geringere Degen aus der Staatskasse zu leisten sind, als ihnen nah den Geseßen von 1888 und 1889 gs würden, der Ausfall durch Gewährung eines dauernden Zu- uutes aus der Staatskasse insoweit erseßt wird, wie dieser

usfall den Betrag von 2 Proz. der Gemeindebesteuerung der Einkommen von mehr als 900 # übersteigt.

Die Abgg. Groth, Hausmann, Noelle (nl.) und Gen. beantragen, daß den Gemeinden der Ausfall ganz erseßt wird.

Abg. Noelle erkennt an, daß die jebige Vorlage den Gemeinden etwas mehr entgegenkomme als die vorjährige. Viele Gemeinden des Westens seien aler {hon so belastet, daß fie die 29/0 niht entbehren könnten. Die Vorlage sehe allerdings einen Dispositionsfonds vor, die Gemeinden verlangten aber nicht Gnade, sondern ihr Recht. Die Gemeinden hätten auf Grund der Gesegze von 1888 und 1889 große Aufwendungen für Schulen und Lehrer gemacht, jeßt solle nun die Gegenleistung des Staats zum theil in Ms kommen, die Städte sollten also gewissermaßen für ihre fkulturellen Leistungen bestraft werden. Das müffe sehr entmuthigend wirken. Auch sei es fals, einen Gegensatz zwischen „großen und kleinen Städten und dem platten Lande zu schaffen; es beständen {on Gegensäße genug. Durch die Annahme seines Antrags würde es den E mon im Herrenhause erleichtert, für das Geseh zu stimmen. Die Finanzlage des Staats zeige eine finanzielle Hohfluth, deshalb könne unser Antrag an-

en werden. T Dr. von Heydebrand und der Lasa (kons.): Der Antrag is nicht so gerecht, wie die Kommissionsvorlage. Ift nicht der Standpunkt der berechtigte, bed der e Guse mehr be- kommt, als der Reiche? Der einmal bestehende Gegensaß zwischen Stadt und Land wird bestehen bleiben, ob der Antrag angenommen wird oder niht. Uns ift es auch nicht leiht geworden, dem zuzu- stimmen, was die Regierung jeyt abweichend von der vorjährigen Vor-

lage zu Gunsten der Städte vorshlägt ; die Geseße von 1888 und 1889 p M dres keine Nüctsiht auf die Bedürftigk t der Gemeinden,

ondern wendeten allen Zushüfse zu, und das haben wir immer an E Gesezen auszuseßen gehabt. Eine koloffale Erschwerung für die Städte is der Kommisfionsvorslag nit. Die Landgemeinden müfsen bis zu 75 %% ihrer Steuerkraft für die Schulen aufwenden, ehe der Staat mit einem Zus{uß eintritt, bier follen die Städte nur bis zu 2 9% die Laften selbs tragen. Von einer unzulässigen Belastung if hier also niht die Rede. Ich denke größer von den Vertretern der Städte im enhause, als ns ih annehme, sie würden wieder das Gese ablehnen. Die Vorlage if doch kein Grund für die Städte, in ihrem Bestreben für das Schulwesen nach- zulaffen, denn was sie dafür thun, kommt doch ihren Kindern, ihnen selbft und ibren fulturellen Interessen zu gute. Die Sache ift bis zur Ermüdung erörtert, ih bitte Sie dringend, den Antrag abzulehnen. Abg. Seyffardt (nl.): Wir müssen uns ‘bis zum äußersten beftreben, diese Schädigung der Städte fernzuhalten; in allen Punkten sind wir den Ober-Bürgermeistern im E niht gefolgt, z. B. nicht in der Frage der Alterszulagekafsen. In dieser Frage der Staatszuschüfse bin ih aber derselben Ansicht, wie mein Freund Noelle. von Woyna habe auch in der ersten Lesung gesagt, daß es konservativer Gesinnung entsprehe, an wohlerworbenen Rechten niht zu rütteln. Die Majoritäten können #ch ändern, und dann könnten die Konsequenzen des jeßigen Verfahrens der Majorität hier Anderen sehr zige werden. In manchen Landgemeinden sind die Schulbedürfnifse durch die Staatszushüfse ganz gedeckt worden. Ih bitte Sie noh in leßter Stunde, unsern Antrag aus Geretig- keit und Billigkeit anzunehmen.

. Dr. s .): Der Antrag entspricht niht dur- aus er Gerechti t E A eian Ersa h für die Städte, welche jeßt benahtheiligt werden, nit für solhe, die noch in Zukunft benáchtheiligt würden. Die Zushüfse auf Grund der Geseße von 1888 und 1889 sind nie als ein noli me tangere, fondern nur als proviforisch betrahtet worden. Einen Rechtsanfpruch haben die Städte also nicht, der größte Theil meiner Freunde ftimmt für die Kommissionsfafsung.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Das hohe Haus hat bei der Berathung der erften Vorlage den Antrag Sattler abgelehnt. Die Staatsregierung ftand nun vor der Frage: ob sie bei der zweiten Vorlage diesen Antrag aufnehmen sollte, um die Wünsche der Städte zu befriedigen ? Hätte die Staatsregierung das gethan, so würde sie einen von der- selben Mehrheit dieses hohen Hauses abgelehnten Antrag in das Gesey aufgenommen haben; sie würde Gefahr gelaufen: sein, dadurch das Geseg zu gefährden, ohne doch die Vertreter - der großen Städte nah ihrer in der Zwischen- zeit eingenommenen Haltung nit befriedigen zu vermögen. Es hat fich gezeigt, daß die Vertreter der großen Städte ganz andere Ein- wendungen gegen dieses Gese machen, als die bier in Rede stehende finanzielle Frage, daß also keineswegs die Hoffnung vorhanden ift, daß sie für das Geseß si erklären würden, selbst wenn der Antrag Sattler so, wie er damals geftellt war, aufgenommen wäre. Da wäre es doch eine verkehrte Behandlung von Majoritätsbes{chlüfen gewesen, anders wie geschehen zu verfabren.

Meine Herren, die Staatsregierung hat bei Prüfung der Be- \{chlüsse des Hauses aus der vorigen Session gefunden, daß es sehr \{chwierig sein würde, den Fonds von 1 600 000 , den wir vertheilen follten unter die Städte, und zwar dauernd, in einer gerechten, den Ver- hältnissen vollkommen entsprehenden Weise zu vertbeilen. Es war doch auch die Vorschrift in dem Gesey für die Staatsregierung enthalten, diesen Fonds zur Entlastung der durch Schullasten überlafteten Gemeinden nah Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit zu vertheilen und nah Maß- gabe der Höhe ihres Bedürfnisses. Wir fanden das, wie gesagt, außer- ordentlich \{chrwierig, als wir uns näher mit der Art der Ausführung beshäftigten, und kamen in dem Wunsche, den Städten doch mit Nücksiht auf den bestehenden Zustand weiter entgegenzukommen, zu dem Vorschlag, welher Jbnen jeßt gemacht ist.

Meine Herren, es kann uicht behauptet werden, daß Städte von dieser Größe, von dieser Leistungsfähigkeit, um die es sh bier handelt, finanziell wesentlich bedrückt würden, wenn sie genöthigt werden dur eine geseßlihe Bestimmung, 209%/ mehr am Einkommen- steuerzushlage zu erheben unter Nihtberücksichtigung aller derjenigen Steuerpflichtigen, die unter 900 6 Einkommen haben. Jch acceptiere es gern, wenn der erste der Herren Redner, der dea hier vorliegenden Antrag begründete, ausdrücklih anerkannte, eine finanzielle Frage von großer Bedeutung sei es niht, um welche es sh hier handelt, sondern eine Frage der Gerechtigkeit.

Meine Herren, wenn Sie die Anlage 1 durhsehen, wo ja an- geführt ist, welhe Mehrbelastung die einzelnen Städte trifft, fo werden Sie vollends ih überzeugen, daß von einem übermäßigen Druck auf Seiten der Städte nicht gesprohen werden kann. Wesentlich in Be- traht fommt nur Berlin, und für Berlin sind die Beträze, um die es sih hier handelt, auch nicht von der Höhe, daß das irgendwie fühlbar wäre für die Bewohner der Stadt,

Eine finanzielle Frage also sagen die Herren selbst F— von Erheblihkeit ift es nit, aber es ift eine Frage der Gerechtigkeit. Ich glaube, die Herren von Heydebrand und Dr. Porsch haben darauf do s{chlagend erwidert. Die Vertheilung der staatlichen Zuwendungen für Erleichterung der Schullasten in den Gesezen von 1888 und 1889 war, wie ich früher ausführlih dargelegt habe, überhaupt gar feine nach Maßgabe der Verfassung eingeführte Erleichterung der Schul- lasten, sondern eine Erleichterung der Kommunen überhaupt in der Form der Zuwendungen nah rein mathematischen Grundsäßen nah der Zahl der Sculftellen; sons wären diese Geseßze mit der Verfassung auch kaum in Einklang zu bringen. Es ist in der Zwischenzeit nun eine andere und viel durchgreifendere und bedeutsamere Art der Erleichterung der Kom- munen, um die sogenannte Kommunalnoth zu beseitigen, durchgeführt worden, nämlich die Steuerreform, und es ist unwiderlegt geblieben, kann au garniht widerlegt werden, daß gerade die großen: Städte infolge dieser Steuerreform vorzugsweise, wenn ih den Durhschnitt nehme, erleihtert worden sind. (Sehr rihtig! rehts. Zurufe links.) Darüber ift nit der geringste Zweifel ; gegen flare Zablen kann man nicht ankämpfen.

Nun lag es do nahe, wenn wir es mit den Geseßen von 1888 und 1889 zu thun haben, welhe von vornherein die damalige Ver- theilung an die Gemeinden als eine provisorische bezeihnen und nicht als Definitivum carakterisieren, wie Herr Dr. Porsch ganz richtig aus- geführt hat, daß wir, nahdem wir so erbeblihe neue Staatsmittel, die sfihjeßt auf 10 Millionen stellen, verwendet für die Unterstüzung der Ge- meinden bei Tragung der Schullasten ; nachdem wir in der Zwischenzeit die Steuerreform durhgeführt haben, daß wir da in Erwägung zogen : ift es denn nun richtig, die unter ganz anderen Umftänden stattgehabte Vertheilung staatlicher Zuwendungen der Jahre 88 und 89 unver- ändert bestehen zu lassen ? Das lag doch fo auf der Hand, da kann

doch unmöglich von einer feindseligen Stellung der Staatsregierung