E E E
T iu A C E S SEE T N Ma M +
* appellieren alîo immer n
es im gegenwärtigen Moment befser is, wenn wir das, was wir ¡um Hamburger Strike zu sagen haben, noch hinausfieben, damit wir die Friedenspräliminarien, die ja im Anzuge zu fein scheinen, nit stören. (Hört, hört! links.)
Ich würde von diesem Gesichtspunkte aus gar nit Veranlaffung gehabt haben, das Wort zu erbitten, wenn cs mir nicht darauf ankäme, ein Urtheil des Hrn. Abg. Molkenbuhr zu berichtigen, das er, wenn ih ibm die Daten gebe, wohl {werlich wird aufrecht erhalten können. Er ‘hat sich dahin ausgesprochen, daß die Rheder . durh eine Herabseßung der Heuern einen unberehtigten Vortheil erzielt hätten. Mir liegen nun hier die Zahlen über die Erträge der Hamburger Rhederei aus den leßten 10 Jahren, vom Jahre 1886 bis zum Jahr 1895 vor, und wenn ich Ihnen diese Zahlen mittheile, so werden Sie erkennen, daß für die Rheder aller- dings eine Veranlassung vorlag, die Ausgaben des Betriebes herab- zuseßen, und daß sie in dieser Beziehung nit zu weit gegangen sind. (Zuruf von den Sozialdemokraten.) — Ja, das ist mögli, daß man bet der. Nordenhamer Rhederei oder anderweitig bessere Geschäfte gematht hat; ih kann mich nur an die Hamburger Zahlen halten. Aus den mir vorliegenden Nachweisen ergiebt sich, daß die Gefammt-
dividende, welhe die Hamburger Rhederei in diesen 10 Jahren erzielt
hat, 23 024 300 A beträgt, daß aber in den einzelnen Jahren ein
‘sehr erbebliher Unterschied in Bezug auf den Ertrag der Rhederei sich
berausftellt. Insbesondere is hervorzuheben, daß, während in den
. Jahren 1889 und 90 die Rhederei einen recht guten Ertrag gegeben * hat — die Dividende ist für das Jahr 1889 auf 4 700000 4 und ‘für das Jahr 1890 auf 4075000 M beziffert —, vom Jahre 1891 ab “ eine sehr erheblihe Abwärtsbewegung in den Erträgen der Rhederei “zu verzeichnen gewesen ist.
no 2 665 000 „6 betragen, im Jahre 1892 ist fie sogar auf 615 C000 4. “ zurückgegangen und hat im Jahre 1893 823 000 und im Jahre
Die Dividende im Jahre 1891 hat nur
1894 885 000 A betragen. Erst im Jahre 1895 hat sih ein Auf- \chwung gezeigt.
Wenn Sie, meine Herren, diesem Ertrage, der sich auf eine zehn- jährige Betriebsperiode und auf die Gefammtrhederei Hamburgs er-
itreckt, die Kapitals- und Betriebsverluste gegenüberstellen, dann
- bleiben von den 23 024 300 6, welche die Gesammtdividende beträgt,
nur 14250407 ÆA übrig, und wenn Sie dies als den Ertraz des
- investierten Aktienkapitals ansehen, welhes 561 760 000 46 beträgt,
dann kommen Sie auf einen Ertrag von nur 2,53 9/0. Sie werden
‘ also zugekten, einmal daß der Ertrag der Rhederei in den leßten - 10 Jahren ein außerordentlich niedriger gewesen ist, und weiter, daß - die Herabseßung der Heuern dur den Niedergang der Rhederei seit
dem Jahre 1891 bedingt war.
Die Herren Sozialdemokraten, denen ih ja das Streben durchaus niht verdenken kann, die Arbeitsverhältnisse des Arbeiters besser zu gestalten — ih theile dieses Streben, und ih freue mi, wenn ih dazu beitragen kann, die Lebenshaltung des Arbeiters zu heben —, die Herren Sozialdemokcaten . vergessen immer eins, das im Ver- hältniß zwischen Arbeiter und Arbeitgeber von besonderer Bedeutung ist. Der Arbeitgeber kann niht mehr geben, als er hat, sondern er muß es bewessen nah dem Ertrage seines Betriebs. Wollte man ihm ansinnen, mehr zu geben, als er hat, und über den Ertrag seines Betriebes bei der Zahlung der Löhne hinau8zugehen, dann würde der Betrieb sehr bald aufhören, und dann würde der Ar- beiter erst recht in eine Lebenslage kommen, die für ihn durchaus un- erwünscht ist. (Sehr rihtig! rechts und in der Mitte.) Ich bitte, ih das doch gegenwärtig zu halten und es den Hamburger Rhedern nicht zu verdenken, werin sie in den Jahren, in denen sie \chlechtere Betriebsresutäte erzielt haben, auh Bedacht darauf ge- nommen hahen, bie Arbeitslöhne einzushränken. Mit befseren Zeiten
_wersèn die Arbeitslöhne auch wieder steigen, und ih hoffe, daß,
wenn jet, wozu ih na beiden Seiten den ernstlichen Rath ertheile, eine Verständigung zwischen Arbeitern und Arbeitgebern auf dem Boden der Hamburger Betriebe herbeigeführt sein wird, auch eine Periode der Blüthe für die Hamburger Nhederei eintreten wird, die es ihr ermöglicht, höhere Heuer zu bezahlen.
Schließlich, meine Herren, habe ih noch daran zu erinnern, daß die Sache bei den Seeleuten um deswillen niht so bedenklih sein kann, weil gerade die Seeleute diejenigen gewesen find, die sich zuerst von ihren Strikegenossen getrennt haben. (Zurufe bei den Sozial- demokraten.) — Ich \prehe bloß von der Thatsache; wie Sie sie erklären, ist eine andere Sache. Aber die Anmusterung der Seeleute hat zuerst begonnen, und die Seeleute sind die ersten gewesen, die ih von ibren Strikegenossen losgesagt haben. Es find nach den mir vorliegenden Nachweisen allein am 12. Januar 154 Seeleute neu an- gemustert worden , und ih hoffe, daß die übrigen Strikenden threm Beispiel folgen werden.
Abg. Hüpeden (b. k. F.): Herr von Stumm hat meine gestrigen Ausführungen als unverständlih bezeichnet. Das mag wohl daran liegen, daß ih gestern genöthiat war, mi einer gewissen Kürze zu ‘befleißigen, weil mih der Präsident wiederholt ermahnt hatte, zur Sache zu kommen. Andererseits hatte vor vier Jahren Herr von Boetticher erklärt, bei seinem Gehaltsposten im Etat dürfe man über alles reden. (Vize-Präsident Schmidt bemerkt dem Redner, daß es sih heute niht um das handle, was vor vier Jahren gesagt fei, und bittet, dem Präsidium keinen BWorwourf zu machen.) Das hat mir vollständig ferngelegen. Wenn Herr von Stumm mich nicht verstanden hat, so lag das auch wohl an seiner großen Erregung. bleibe dabei, daß ich ein duraus freisinniger Mann bin, natürli niht in dem einseitigen Sinne einer politishen Parteibezeihnung. Wenn ich sagte: „wir wollen alle Christen sein", so ist das cum grano salis zu verstehen. Ih meine es in dem Sinne, wie unser grcß-r Kanzler gesagt hat: Wir Deutsche fürhten Gott! Herr Lütgenau hat uns gestern gesagt, daß die Sozialdemokraten nicht das Christenthum und die Religion be- kämpfen. Ih erinnere ihn dagegen an das, was hier mehrfah der Abg. Liebknecht autgeführt hat. (Vize-Präsident Schmidt bittet, niht weiter abzushweifen.) Die Sozialdemokratie hat sih den Weg zum Verständniß der Religion verbaut durch ihre materialistishen Theorien. Ihre Praxis steht allerdings dazu in starkem Gegenfay. Von keiner Partei wird das Gßbristenthum so bei jeder Gelegenheit in die Debatte gezogen, wie von den Sozialdemokraten. Sie 4 och in ihren Innern an die christlichen Grundsäße und fühlen sich an diejelben ebunden. Ich habe mir ferner keineëwegs die Rolle eines großen olfsführers oder Volks8- erziehers anmaßen wollen; jede Bevormundung der Arbeit:r liegt mir vollständig fern. Aber ih gebe Herrn von Stumm zu be- denken, daß d.r Gedanke der Voikserziehung doch werth ist, im Miitelpunlt unserer Geseßgebung zu stehen; alle öôffentlihen Ein- richtungen und Organisationen müssen auf dieses Ziel hin angesehen werden. Das allgemeine Wahlrecht if doch niht bloß ein Recht, fondern legt auch Pflichten auf, zu deren Wahrnehmung das Bolk exzogen werden muß. Von der Bedeutung von Korporationen und Genossen!‘Yaften fär die Erziehung des Einzelnen sind wir, denke
ih, doch voll durhdrungen. Herr von Stumm erblickt in den evangelishen Arbeitervereinen etwas, was gar niht darin fteckt. Es. entspriht der Gerechtigkeit, daß man auseinander bält die unpolitishen evangelishen Arbeitervereine, die patriotis und staatserbaltend sind, und die christlih-sozialen und die national- sozialen Parteien. Ich gehöre keiner der beiden Parteien gegenwärtig an, ich wahre mir meine Freiheit. Aber ih trete für fie ein, wenn man sich in einer superlativishen Kritik gegen sie ergeht. Bezügli der Arbeiterorganisation liegen die Dinge ziemlich einfah. Die Arbeiter und die Arbeitgeber haben gewisse gemeinsame Interessen, aber die Arbeiter haben auch Interessen, welche denen der Arbeitgeber widersprehen, und da muß man sie unter sih lassen. Das aber will Herr von Stumm nicht, er verwünfht sie zur Hölle, er will von ihnen nihts wissen. Wenn ein Kampf vorhanden ift und solhe Organisationen nothwendig sind, dann kann man sie nicht ohne weiteres zurückweisen. Jh meine,
es nimmt kein Mens mehr ernst, daß Professoren und Paftoren
einfah zu den Sozialdemokraten geworfen werden. Wer mit folhen Beschuldigangen zu freigebig ist, der entwerthet sie. Der Staatssekretär von Boetticher hat meine Anfrage wegen der Kaiserlihen Erlasse von 1890 nicht beantwortet. Aber das war auch eine genügende Antwort. Von dem Zentrumsredner if darauf hin- gewiesen worden, daß die Rückehr der Jesuiten und die Gewährun; von D âten verlangt werde. Dem zweiten Verlangen kann ih mi
unter aas auf die schwache Besetzung des Hauses nur anschließen.
Abg. Freiherr von Stumm (Np.) verwahrt sih dagegen, daß er etwas, was er niht wünsche, sogleih verwünsche. Ueber die Arbeiter- organisation habe er häufig genug seinen Standpunkt vertreten; die Abschaffurg der ‘Koalitionsfreiheit, das Verbot der Arbeiterorganisa- tion habe er gar nit verlangt.
Abg. Brühne (Soz.). fragt an, ob in Elsaß-Lothringen das Unterstüßzungswobnsizgeseß bald eingeführt werde, und bringt einen Be dec Ausweisung aus Elsaß-Lothringen zur Sprache. Au in
ayern wäre die reih8geseßliche Einführung des Unterstüßungswohn- sitgeseßes zweckmäßig.
“Staatssekretär des Fnnern, “ Staats-Minister Dr. von Boetticher:
Die Verhandlungen, die mit der elsaß-lothringis&en Regierung ingeleitet sind über die Frage, ob das deutsche Unterftützung8- wohnsit-Geseß in das Gebiet der Reichslande einzuführen fein möchte, kaben ein abshließendes Ergebniß bisher nit gezeitigt. Die elsaß-lothringishe Regierung hat Bedenken, die aus gewissen organisatorishen Schwierigkeiten abgeleitet sind, auch einige andere Bedenken, die sie bisher abgehalten baben, \sich zur Einführung des Unterstüßungswohnsitß-Geseßes bereit zu erklären. Inzwischen ift sie bemüht; die zweifellosen Mißstände, die aus dem bisherigen Rechhtszustande erwachsen, abzustellen. Sie hat zu diesem Zweke zunäcbst mit der Regierung des Großherzog- thums Baden einen Vertrag abgeschlossen , welcher sh auf die Verpflihtung zur Uebernahme unterstüßungs- bedürftiger Personen bezieht, und sie kat die Absicht, au mit anderen deutshen Staaten gleihe Verträge abzushließen. Der Wortlaut des badischen Vertrages ist mir niht bekannt, ih kann mich darüber also niht äußern.
Außerdem ersche ih aus dem elsässishen Etat für das Jahr 1897/93, daß auch dort eine Summe eingestellt ist, die sih bisker nit darin befand, und deren Titel lautet: „Zur Gewährung von Unterstüßungen auf Grund der Vereinbarungen mit anderen Staaten“,
Wie gesagt, die Verhandlungen über die Einführung des Unter- stütung3wohnsitz-Gesetes sind zur Zeit zu einem abschlteßenden Ergebniß niht gediehen. Ich kann niht fagen, wann der Reichstag . mit dieser Frage beschästigt werden wird. :
Königlich bayerischer Ministerial-Direktor vonHerr mann: Obne Zustimmung Bayerns, dur einen bloßen Aft der Reichsgeseßgebung, fann das Unterstützungwohnsitgeseß in Bayern nit ange werden. Bei der Aenderung des Heimathgesezes, welche kürzlich er- folgt is, wurde die Einführung des Unterstüßungswohnsißgesctes in Bayern als unthunlich bezeichnet. L
Abg. Dr. Hö ffel (Rp.): In Elsaß-Lotbringen bält man all- gemein die Einführung der staatlihen Armenpflege für unzweckmäßig und nicht gut für die Armen felbst Wenn der Kampf zwischen Heimath und Unterstüßungswohnsiß in Deutschland selbst erft aus- gefohten sein wird, dann wird auch Elsaß-Lothringen an die Rege- lung diefer Frage gehen. : :
Abg. Bek h (fr. Volkëp.) tritt für die Aufrechterhaltung des bayerishen Heimathsrehts ein.
Abg. Grillenberger (Soz.): So lange das Reih nicht ein besseres Unterftüßungêwobnsißgeseß bat, wollen wir uns in Bayern das Heimathgeseß niht nehmen laffen. In Bayern haben sich nur die Anhänger des Bundes der Landwirthe für das Unterstüßungs8wohnsiß-
gesetz interefsiert. : Abg. von Kardorff (Rp.): Die Konservativer, die Reichs-
partei und der Bund der Landwirthe haben durchaus kein Interesse an dem Unterstüßungswohnsißgesez. Im Gegentbeil, ih habe mit dem verstorbenen Srei errn von Varnbüler früher oft darüber verhandelt, wie wir unser Unterstüßungswohnsißggeseßp nah dem Muster des bayerishen Heimathrehis umgestalten könnten.
sek Ae schließt die Debatte über das Gehalt des Staats- efretärs.
Bei der Ausgabe zur Unterstüßung des Deutschen Fischereivereins (50 000 4) kommt
Aba. Freiherr Heyl zu Herrnsheim (nl.) auf seine vor- jährige Anregung wegen Aenderung des Vertrages mit Holland über die Lachsfischerei zurück. Eine Kommission des Fischereivereins unter dem Vorsiß des Prinzen Carolath habe seine im vorigen Jahre an- ebrahten Beschwerden vollauf anerkannt und bestätigt, daß in Holland der Lachsfang ein Raubfang sei. Redner richtet an das Kaiserlie Gesundheitsamt die Frage, ob es im Interesse der Gl zuht gestattet werden fönne, daß die großen Städte Mann eim, Mainz, Wiesbaden 2c. ihre Fäkalien in den Rhein abführen.
Staatssekretär des YJnnern, Staats - Minister Dr. von Boetticher:
Was die sogenannten Wiesbadener Vorschläge anlangt, also die Vorschläge, welche bezüglih der Hebung des Salmfanges im Nhein in ciner Konferenz zu Wiesbaden beschlossen sind, so wird darüber augenblicklich noch verhandelt ; wir sind zunächst mit der preußischen Regierung in Benehmen getreten, und wir werden vorauésichtlich binnen kurzem zu einem Entshluß darüber gelangen, ob der Vertrag mit Holland in seiner gegenwärtigen Gestalt aufrecht erhalten werden kann, und eventuell welche Aenderungsvorshläge wir Holland zu maden baben werden. Wie gesagt, die Sache ist in der Bewegung und noch nicht zum Abschluß gekommen.
Was die zweite Angelegenkeit anlangt, die der Herr Vorredner zur Sprache gebracht bat, nämli die Verunreinigung des Rheins, so is ja schon jeßt keine Regierung gehindert, ein Gut- achten des Gesundheittamis in Antrag zu bringen; wir ertheilen namentlich in so bedeutsamen Fragen, wie es die Schädigung der Gesundheit dur@ die Verunreinigung eines großen Flusses ist, sehr gern die Erlaubniß, daß das Gesund- heitsamt ein Gutachten abgiebt. Jm übrigen ift aber hier die íFnitiatire der einzelnen Landeëregierungen abzuwarten. In dieser Instanz müssen au die Maßregeln bes{lossen werden, die zur Hebung
der bestehenden Uebelstände gereihen könncn. Insoweit daza diz Unterstüßung der Reichsbehörden nothwendig fein sollte, bin ih sehr gern bereit, für mein Reffort diefe Unterstügung zu leisten. Der Titel wird bewilligt. : F
fr a den Ausgaben für die Jnvaliditätsversicherung a
Va. von Staudy (d. kons.), ob urd wann der Reichstag die Vorlage wegen Veränderung der Invaliditätêversicherung erhalten werde.
Staatssekretär des Innern, Staats - Minifter Dex. von Boetticher:
Auf die Anfrage tes Herrn Vorredners kann ih Folgendes er- widern: Die Ausschüsse des Bundesraths sind mit der Durcharbeitung des Entwurfs fertig. Dabei sind Aenderungen beschlossen, welche eine Umarbeitung der Begründung in einzelnen Theilen erforderlih maten. Mit dieser Umarbeitung is man jeßt beschäftigt. Jch hoffe, daß in etwa 14 Tagen bis 3 Wochen die Plenarberatihung wird anberaumt werden können, und nah Beendigung der Berathung wird der Ent. wurf unverzüglih dem Reichstage zugeben und ter Herr Abgeordnete wird Gelegenkbeit baben, dann eine eingehende, hoffentlich wohlwollende und förderlihe Kritik an dem Entwurf zu üben.
Bei den Ausgoben für die Untersuchun
l von See- unfällen erklärt auf eine Anregung des Abg. Meßtzger (Soz.) der ;
Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. von Boetticher:
Wünsche auf gesetzgeberishe Vorlagen sind bäufig leichter aut gesprochen als erfüllt. Wern man dahin strebt, nur Vorlagea ju bringen, die gründlich durhgearbeitet und nah allen Seiten hin er- wogen sind und die Revision der betbeiligten Instanzen passiert baben, so geht die Entwickelung niht immer so s{chnell, wie man wünfcht. So liegt die Sache auÿ mit der Seemannsordnung. Die Seemanns- ordnung ist jeßt von der technischen Deputation für die Seeschiffahrt fertig gestellt. Sie befindet sih auf dem Wege an die Regierungen der Bundeéseestaaten, und wenn fie dort Revue passiert hat und wir sie mit den Bemerkungen, die die Regierungen dazu zu maten haken, zurückbekommen, dann wird fie an den Bundesrath gehen, und es wird der Bundesrath die Vorlage für die Berathung des Reichstages feststellen. Wann der Zeitpunkt eintreten wird, an welchem der Reichstag die Vorlage erbält, kann ih selbstverftändlih niht mit Sicherheit angeben. Aber den Wünschen des Herrn Bor- redners wird dahin entsprochen werden, daß soviel Dampf aufgemat werden wird, wie irgend mözlich.
__ Abg. Jebsen (nl.) wünsht eine Aenderung der geseßlichen Be- stimmungen dahin, daß die Entziehung des Patents der offiziere, die in Deutschland nur unbedingt erfolge, wie in England, bei leichteren Versehen für eine kürzere oder A Zeit erfolgen könne.
; Bei den Ausgaben für das Statistishe Bureau be: mange
ba. Lenzmann (fr. Volksp.), daß man den Sekretariats-Afsi- stenten die diätarishe Dienstzeit nicht angerechnet babe, wie es in der Denkschrift in Aussicht gestellt sei. Man rene nur die Dienstzeit aa von dem Zeitpunkt der Vereidigung oder von dem Tage an, wo das Gehalt fixiert, d. h. von der täglihen Zahlung der Diäten abge-
g werte. Redner empfiehlt ein shnelleres Aufrücken zum böhften ehalt.
Staatssekretär des Reichs - Schaßamts Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:
Meine Herren! Der Herr Staatssekretär des Reichsamts des Innern kann natürlih diese Frage nur behandeln nah den Grund- säßen, die für die gesammté Reichsverwaltung maßgebend sind. Es ist aber Grundsay der Reichéverwaltung, daß folche Hilfskräfte, die nur gegen täglihe Diäten angenommen werden, niht beanspruht1: könren, daß ihnen diese Zeit, die nur den Charakter der Probezeit trägt, auf ihr Dienstalter angerechnet werde. Der Herr Vorredner hat selbs den § 43 des Reichsbeamtengeseßes zitiert, welcher besagt, daß das Reichsbeamtenverhältniß erft beginnt mit der etatsmäßigen Anstellung oder mit der kundgegebenen Absicht, den Beamten definitiv im Dienst zu behalten. Erst wenn die Tagesdiäten verwandelt werden in fixierte Diäten, giebt aber der Refsortchef zu erkennen, daß die betreffende Hilfskraft geeignet ist, vorausfichtlih dauernd im Reiht- dienst behalten zu werden. Dann tritt erft der Zeitpunkt ein, wo nach den Grundsäßen innerhalb des Reichs die Anrechnung der in diesem Diätariat verbrahten Zeit erfolgen kann, insoweit sie 5 Jahre übersteigt.
Der Herr Vorredner hat zweitens noch angeregt, für diese Hilfs- arbeiter im Statistishen Amt die Aufrü@ungszeit von 18 auf 12 Jahre herabzuseßen, weil ein Theil der Beamten, die dort beschäftigt sind, erft in einem späteren Lebensalter in jene Beschäftigung eingetreten wären. Ich glaube nicht, daß es angängig sein wird, aus dem Um- stande, daß diese Personen erft in einem späteren Lebensalter eingetreten sind in die Beschäftigung des Neichs, cine shnellere Aufrü@ckungtzeit für sie herbeizuführen. Es würde das von anderen Beamtenkategorien als eine Differenzierung empfunden werden und unzweifelhaft gleid- artige Ansprüche an anderer Stelle hervorrufen. Das System der Dienstalters\tufen ist ein sehr kompliziertes. Wir haben uns in der Kommission und hier vielfa darüber unterhalten, und es ift dringend wünschenswerth, daß nunmehr endlich über diese Frage der Zustand der Beruhigung eintritt. Jede Aenderung auf diesem Gebiete zieht zahllose Ansprüche nah \sih und es wird gerade dann dasjenige nit erreiht, was mit dem Dienstaltekssystem erreiht werden follte, daß jede Beamtenkategorie bestimmt weiß, in welcher Zeit fie ein be- stimmtes Gehalt erreicht.
Ih möchte schließlich vielleiht empfehlen, diese Frage, wenn sie weiter behandelt werden soll, weiter zu verticfen bei Gelegenheit der Vorlage des Beamtenbesoldungs-Gesetes; wir können dann eingebendere Auskunft in der Kommission ertheilen, und dann vielleiht sahgemäßer im Verglei mit anderen Anträgen diese Frage im Plenum des Hauses weiter erörtern, wozu ich natürli gern bereit bin. (Bravo !)
Abg.. Wer ner (NReform-P.) tritt ebenfalls für die Sekretariaté- Assistenten ein, die ja auh von dem Staatssekretär von Boetticher die Zusicherung erhalten hätten, daß er izre Wünsche berüdfichtigenr werde.
Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. von Boetticher:
Fa, es ift au rihtig, daß die Herren bei mir gewesen find, und daß ich „liebenswürdig*, nennen sie es, „pflihtgemäß* nenn ih es, ihre Klagen angehört tabe. Die Frage, wie die Herre! bezüglih ihces Gehalts behandelt werden sollen, hängt aber nit allein von meiner Entschließung ab, sondern ift eine Fragf- bei der wesentlich das Finanzressort betheiligt ist. „Das weiß ja aud der Herr Abgeordnete ganz gut, und ih habe mihch nur zun Work gemeldet, um etne Aeußerung, die er berichtet hat, “als eine solde, dic
/ L f
von seiten der Beamten gefallen wäre, rihtig zu stellen. Es foll nämlih die Meinung verbreitet fein, daß das Woblwollen, was man diesen- Beamten vershiedentlich in Aussicht gestellt und zugesagt habe, doch sehr zu wünschen übrig lasse. Demgegenüber möchte ich doch darauf aufmerkfam mahen, daß es kaum eine Beamtenkategorie giebt, die in den leßten Jahren so gefördert worden ift rücksichtlich ihrer Stellung, als wie die Hilfsarbeiter des Statistischen Amts. Es liegt mir hier eine Nahweisung vor, wonach im Jahre 1839/90 beim Statistishen Amt vorhanden waren zehn Assistenten, gegenliber einer Anzahl -von 157 nicht ftändigen Hilfsarbeitern, welche damnals dotiert waren mit einem Diensteinkommen von 1700 bis 1900 Æ Durch den Etat vom Jahre 1890/91 wurde tieses Dierst- einkommen auch noch für nur zehn Assistenten aufgebessert auf 1800 bis 9200 A und außerdem wurde ihnen der Wohnungtgeldzufchuß bewilligt, und es standen diesen 10 Assistenten gegenüber 182 Hilfsarbeiter. Im Fahre 1891/92 hat si die Zabl der Assiftenten von 10 auf 58 ver- mehrt, im Jahre 1893 is sie auf 73 gestiegen, im Jahre 1894 auf 93, im Jahre 1895 auf 113, im Jahre 1896 auf 114, im Jahre
1897 auf 115, und zwar find für das Jahr 1896 die Gehaltsfäße auf
cinen Bezug von 1800 bis 2700 6 aufgebessert. Meine Herren, darnach würde ein Vorwurf dahin, daß diese Assistenten von Wokhl- wollen nihts gespürt haben, ein durchaus unberetigter sein, und ih bin mir bewußt, daß die Verwaltung diesen Vorwurf nicht verdient. Fch göune jedem Beamten eine bessere Stellung und Aufbesserung seiner Verhältnisse; aber ih kann nicht anerkennen, daß er berechtigt ist, über mangelndes . Wohlwollen zu klagen, wenn eine verhältniß- mäßig. fo gute Aufbesserung stattgefunden hat, wie es bier bei der Klasse der Assistenten der Fall gewesen ift.
Abg. Lenzmann: Daß die Zahl der etatsmäßigen Stellen so vermehrt worden ist, dafür shuldet man keinen besonderen Dank: denn das ist nur die Folge der Erkenntniß, daß man die Statistik nit mit diätarish besoldeten Personen machen kann, sondern feft- angestellte Beamte dazu braucht.
AÏ E er bedauert, daß die Zeit des Aufrückens verlängert worden sei.
Staatssekretär des Reihs-Schaßamts Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:
Ih kann dem Herrn Abg. Lenzmann nur antworten, daß es Grundsatz in der ganzen Reichsverwaltung ist, ebenso wie in Preußen, daß dem Diätar nur cine fünfjährige Diätarienzeit angerechnet wird. Voraussetzung hierbei ift allerdings, daß jemand sich in einer etats- mäßigen Stelle als Diätar befindet. Ift eine folche etatsmäßige Stelle für ihn niht vorhanden, so kann ihm felbstverständlih auch ein Diätariat für eine solhe Stelle nit angereGnet werden.
Wenn der Herr Abg. Lenzmann gesagt hat, der Reichs - Schaß- sckcetär schiene im Reiche allein zu regieren, so nehme ih an, daf das nur ein Scherz sein sollte; aber dafür, meine Herren, hat allerdings der Reichs - Schahsekretär zu forgen, daß alle die Hand- lungen der einzelnen Refsorts, die mit finanziellen Wirkungen verbunden sind, auf etatsmäßigen Grundlagen vorgenommen werden und daß nah gleichmäßigen finanziellen Grundsäßen hierbei verfahren wird.
Wenn der Herr Abg. Werner gesagt hat, jeßt hätten die Assi- stenten am Kaiserlichen Statistishen Amt nur eine Aufrückungszeit von 18 Jahren, während sie früher cine sol%e von 9 Jabren gehabt haben, so verstehe ih das niht ganz; denn früher waren diese Hilfs- arbeiter überbaupt niht etatsmäßig, und der Herr Staats- sekcetär von Boetticher hat Ihnen vorgetragen, daß diefe Beamten in neuerer Zeit erst etatsmäßig geworden find. Daraus aber einen Grund herzuleiten, die Beamten schneller auf ihr Maximalgehalt aufs rüden zu lassen als andere Kategorien, weil sie in späteren Lebensjahren eingetreten sind, das ist nicht möglich. Es fann doh für die Aufrückungszeit nur die Natur des Dienstes an &, die Art der Vorbildung, die Anzahl der Examina maßgebend fein: aber das Lebensalter, in welchem jemand in einen Beruf eingetreten, ist ein ganz individuelles Moment; das kann für die Bestimmung der Dienstaltersftufen in keinem Falle einen maßgebenden Faktor bilden.
Die Ausgaben für das Statistishe-Amt werden bewilligt, ebenso diejenigen für die Normal-Aichungskommission.
Um 51/5 Uhr wird die weitere Berathung bis Freitag 1 Uhx vertagt.
m —————
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 18. Sigung vom 14. Januar 1897.
Ueber den Beginn der Sizung -ist gestern berichtet worden.
Die zweite Berathung des Gesezentwurfs, betreffend Tilgung von Staats\shulden und Bildung eines Ausgleihsfonds, wird fortgeseßt. |
Finanz-Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Ich habe gestern die Rede des Herrn Abg. Broemel niht ganz hören können; ih möchte daher, da ih jeyt erfahren habe, welhe Vorwürfe er erhoben hat, die von ihm aufgestellten Behaup- tangen berihtigen. Der Herr Abg. Broemel hat angegeben, gerade während meiner Amtsdauer hätten sih die Verwendungen aus den Uebershüfsen der Eisenbahnen für allgemeine Staatszwede sehr bedeutend erhöht, und er hat hierfür eine Steigerung genannt : von 75 Millionen auf 172 Millionen. Der Herr Abg. Broemel kat dabei aber nicht berüdsichtigt, daß in dieser von ihm angegebenen Aufstellung das ganze Extraordinarium der Eisenbahnen nicht enthalten ist, ferner niht der der Eisenbahn zur Last fallende Theil der gesammten Pensionen mit 14 Millionen, endlich, daß in dieser Aufstellung die Zinsen der von der allgemeinen Eisenbahnverwaltung an die allgemeine Staatsverwaltung abgeführten Beträge \tecken, welhe aber noch weiter zu zahlen sind, weil eine wirklihe Tilgung ja natürlich in der buhmäßigen Ab- schreibung nicht liegt. Stellt sich die Sahe so, so ändern sich die Zahlen von 64 Millionen auf 131 Millionen. Es ergiebt sfi hieraus also, daß die ganze Rechnung, die der Herr Abg. Broemel aufgestellt hat, unvollständig und infolge dessen irrig ist. Aber es ift auch das erste Mal, daß mir vorgeworfen wird, während meiner Amtsdauer seien die allgemeinen Staatsausgaben zu stark gestiegen; bis jeßt habe ih immer nur den entgegengeseßten Vorwurf gehört, daß ih zu fisfalisch gewesen sci und die Steigerung der Ausgaben wesentlich hintan gehalten hätte. Aber wenn das Reich in dieser Periode dur die Herabsetzung der Zölle auf Getreide seine Einnahmen bedeutend verminderte, seine Ausgaben aber fteigerte durch die Militärorganifation und aus anderen Grünten um mehr als 60 Millionen; wenn dagegen vom Reich nur bewilligt wurde die Börsensteuer, die nur cinen
geringen Theil dieser Verluste deckte, in Preußen aber die Steuer- reform keinerlei Mehrkelastungen des Volkes herkeifübrte, die direkten Steuern in Preußen auch foast niht erhöht sind; die Ausgaben in Preußen naturgemäß aber steigen müssen, zum theil sogar aus rechtliher Verpflichtung: \o konnte hier bei der größten Sparsamkeit gar nicht verhindert werden, daß die Mehr- überschüsse der Eisenbahnen zu diesen gestiegenen Staat8au8gaben ver- wendet wurden, und ich möchte wissen, wie Herr Abg. Broemel das Rätbsel lösen wollte, aus andercn Quellen diejenigen Mittel zu be- kommen, welche nothwendig waren, um die gestiegenen Staatsau8gaben zu decken. Diese ganze Einwendung ift also nicht zutreffend, sie ist nur insoweit beweiskräftig, als sh Hier zeigt, daß allerdings dur die Weigerung des Reichstages, die eigenen Einnahmen des Reichs angemessen den gestiegenen Ausgaben des Reichs zu erhöhen, wir ge- nöthigt worden sind, die Eisenbahnübershüfse in viel ftärkerem Maße, als das sonst der Fall gewesen sein ‘würde, zu preußischen speziellen Zwoecken zu verwenden und niht wieder der Eisenbahn felbst zu gute kommen zu laffen.
Meine Herren, dann habe ich noch eine Bemerkung des Herrn Abg. Schmieding zu berihtigen. Er sagt, es wäre ja ganz s{ön, daß der Betriebékoeffizient der Eisenbahnen von 63 auf 53 herunter- gegangen fei, das sei aber dadurh erkauft worden, daß man nit rechtzeitig die Eisenbahnhöfe umgebaut, für größere Bahnhöfe geforgt, die Rangierbabnhöfe erweitert bäite u. | w. Er vergißt aber dabei, daß alle diese Ausgaben, welhe er unter dem nun \chon fklassisch gewordenen Ausdrack „verstecktes Defizit® oder „latentes Defizit®* zusammengefaßt hat, hier garniht in Betracht kommen. Dieser Koeffizient, das Verhältniß von Einnahme und Ausgabe, bezieht sh nur auf das Ordinarium, und alle diese besonderen Verwendungen, die der Herr Abg. Schmieding in Aussicht hat, stehen eben im Extraordinarium, also kommt diese Frage hier garnicht in Betraht. Meine Herren, was das Extraordinarium betrifft, so wird mir der Herr Abg. Schmieding doch aber zugeben, daß es in den legten Jahren fo gestiegen ist, daß, wenn wir noch einige Jahre \o fortfahren, wir auch ohne Anleihen dieses sogenannte „latente Defizit* werden beseitigen köanen, und ih hoffe, daß die Finanzlage es gestatten wird# das Extraordinariu:a mindestens in der Höhe zu halten, in der es sih gegenwärtig befindet.
« Abg. Broemel (fr. Vag.) bält feine Behauptungen aufrecht ; felbst bei einer anderen Berechnung komme man zu einer Steigerung der Verwendung der Eisenbahnübershüsse für allgemeine Staats- zwecke von 64 auf 132 Miklionen Mark. Der Eisenbahn-Etat giebt ein falsches Bild, bei einer rihtigen Aufstellung der Bilanz der Eisen- babnverwaltung sind die Ucbershüfse niht so ho.
Finanz-Minister Dr. Miquel: -
Meiñte Herren! Was die legten Auéführungen des Herrn Abg. Broemel betrifft, so kann man das allerdings in Erwägung nehmen, Fh bedaure aud, daß — übrigens nach Maßgabe des Gesetzes von 1882, weldhes die betreffenden Bestimmungen enthält — diese Be- rechnungen, wie sie dem Hause jedes Jahr vorgelegt werden, und auch die Verrechnung der Uebershüsse der Eisenbahnen zu den allgemeinen Staatsausgaben Lücken haben, und ih habe eben deswegen die Lüdke, die der Herr Abg. Broemel in seiner Rede gelassen hatte, ausgefüllt, indem ih auf die Nothwendigkeit hingewiesen habe, von den dort bezeihneten Beträgen das gesammte Extraordinarium, die Ausgaben für Wittwen- und Waisenpensionen und die Zinsen der nicht in Wahr- heit getilgten, sondern nur abgeshriebenen Beträge abzuziehen.
Meine Herren, wenn der Herr Abg. Broemel bei meinen Aeuße- rungen hier gewesen wäre, so würde er vielleicht Gelegenheit genommen haben, auf meine an ihn gerichtete Frage ¡u antworten. Ich habe die Frage geftellt: wenn in der Zeit, um die es sih hier handelt, das Reich die Getreidezölle herabseßt, wenn das Reich seinen Ausgabe-Etat sehr bedeutend steigert, wenn infolge dessen das Ver- hältniß der Ueberweisungen zu den Matrikularumlagen ungünstiger wurde, wenn es auch zum theil in günstiger Weise aufrechterhalten worden .ist durch die später gestiegenen erheblichen Zolleinnahmen, wenn daneben in Preußen die Steuerreform keinerlei Mehreinnahmen gebracht hat, die direkten Steuern nicht erhöbt sind, aber naturgemäß ein Staat wie Preußen seinen Ausgabe-Etat, ob er will oder nit, jedes Jahr steigern muß — wo denn sonst ein Finanz- Minister die Mittel hernehmen konnte, als aus den Erträg- niffsen der Betriebs8verwaltung! Ich bitte Herrn Abg. Broemel, der bier sih so tadelnd äußerte, in dieser Beziehung den gegenwärtigen Finanz-Minister zu belebren. Jedenfalls haben bei sämmtlichen Etats- berathungen, die hier stattgefunden haben, solhe Räthsellösungen nicht stattgefunden. Irgendwelche andere Maßregel, wie man dazu kommen sollte, die Eisenbahnübershüfse nit in diesem Betrage zu verwenden, ift niemals in Vorschlag gebraht worden. Das einzige Mittel, das man hâtte vorshlagen können, wäre gewesen eine Steigerung der direkten Steuern. Es hat sich aber gezeigt, daß es sehr klug gewesen ift, daß wir dazu nicht übergingen bei dem späteren. starken An- wachsen der Eisenbahnübershüsse. In derselben Zeit und daneben aber fizl eine höchst ungünstige Situation der Eisenbahnverwalt ung selbst. Deun gerade in diesen ersten Jahren des Jahrzehats stieg das Verhältniß der Betriebsausgaben zu den Betriebseinnahmen auf 63 9/o. Die Einnahmen gingen herunter und die Ausgaben stiegen; ih habe nie recht klar sehen können, aus welhea Gründen.
Meine Herren, ih glaube, in dieser Periode ift cin Fehler do mehr vermieden worden, als früher, nämli, daß man nicht ohne Noth auf vorhandene Einnahmen verzihtete, zweitens, daß man nickt obne Noth ohne die Grundlage dauernder Einnahmen den Ausgabe - Etat so gewaltig steigerte, wie das im Jahrzehnt vorher stattgefunden hat. Wenn troydem aber wir gezwungen gewesen sind, in starker Weise auf die Uebershüsse der Betriebsver- waltung zu greifen, so liegt das eben an dem Grunde, den ih vorher \chon bezeihnet habe, weil das Neich nicht dafür sorgte, daß seine eigenen gestiegenen Ausgaben durh eigene Einnahmen gedeckt wurden. Wäre das gesehen, so hätten wir nicht in dem Maße auf die Ueber- schüsse der Eisenbabnen greifen müssen. Man kann sagen in diesem Sinne, daß die schwierige Situation, die dur diese Entwickelung in die preußischen Finanzverbältnisse gekommen ift, allein dur die Eisen- bahnverwaltung hat überwunden werden fönnen.
Aber noch mehr. Jch bestreite mit der größten Entschiedenheit, daß dabei die Einrichtungen und die Verhältnisse unserer Eisenbahnen wesentlichen Schaden gelitten haben. (Na! na! links.) Unsere Eisen- bahn-Verwaltung kann fih vergleichen in vollem Maße mit den Gisenbahn-Verwaltungen und den Einrichtungen der Eisenbahnen in der ganzen Welt (Sehr rihtig! rechts; Widerspruch links) — in der ganzen Welt. (Zuruf links: Nicht die Tarife!) Ich glaube nit,
daß die Tarife unserer Eisenbahn - Verwaltung diesen Vergleich zu scheuen brauhen. Was die Tarife betrifft, so habe ih nit einmal, sondern zehnmal hervorgehoben: die Tarif- reformen, die vorgeshlagen und , nicht durchgeführt find, sind im wesentlichen gescheitert an wirthschaftlihen Gegen» säßen und niht an der Finanzlage. In dem Augenblick, wo die Finanzen sih einigermaßen gebessert haben, haben wir uns nicht ge- scheut, die Kohlen- Tarife herabzusezen um den rechnungêmäßigen Be- trag von 17 Millionen. So wird es auch in Zukunft sein. Jch ver- sichere Sie, selbft wenn wir in den reihlichften Finanzverbältnifsen leben, wenn wir bedeutende Tarifreformen durhführen könnten vom finanziellen Standpunkt aus, so werden die wirthschaftlichen Verbält- nisse auch in Zukunft den von der einen oder anderen Seite ge- wünschten Reformen große Hindernisse bereiten. Das liegt in der Natur der Sache. L
Ich glaube, unsere Erfahrung hat in dieser Beziehung. schon ge- zeigt, daß man doch au mit solchen sogenannten Tarifreformen auf vielen Gebieten sehr vorsichtig sein muß. Wir bringen sons Um- wälzungen in unsere ganzen industriellen und gewerblichen Verbältniffe, die ihrerseits große Gefahren in sich bergen. Wir begünstigen oft dann den einen und s{ädigen den andern. Es giebt ja gewisse Tarif- änderungen für bestimmte Gegenstände, die man ohne solhe Bedenken durchführen kann und die außerdem auf die Dauer keine Einnahme- verluste bringen, sondern sie wieder erseßen. Da wird man in der Zukunft vielleicht auch bereit fein, sich leiter zu entschließen, je weniger man durch eine gedrückte finanzielle Lage in dieser Beziehung gehindert ift.
Meine Herren, das Steckenpferd der Tarifcesormen des Herrn Abg. Broemel sind ja die Personaltarife und die Herabseßung der- selben. Ih habe schon darauf hingewiesen, daß es mir sehr zweifek- haft ist, ob selbft in diesem Hause für cinen Antraz auf eine wesent- lihe Herabseßung der Personaltarife nur eine Mehrheit sih finden wird, und die Staatsregierung wird daher durhaus in der Lage fein, solange mit einer solchen Maßregel zu warten, folange sie nicht einmal weiß, ob sie in dieser Beziehung die Landesvertretung auf ihrer Seite hat. i
Abg. Dr. Hammacher (nl.): Nah ten Motiven der Verstaat- lichung der Eisenbabnen dachte damals der Staat nicht daran, mit den Cisenbahnen Uebershüsse für die Staatskafse zu erzielen, aber die Nothwendigkeit zwang den Staat, mehr und mehr auf Ueberschüse binzuarbeiten. Daß die Eisenbahnen darunter nicht gelitten haben, fann ih dem Minister niht zugeben ; die Eisenbahnreformen sind durch diese Verquickung des Eisenbahn-Etats mit dec allgemeinen Finanzlage zurückgedrängt worden. Die Anregung des Abg. Broemel war also nicht deplaciert. Das Eisenbahngarantiegesez ift verfehlt, in- sofern es materiell niht nur seinen Zweck nicht erreiht, zur Tilgung der Eisenbahnkapitalshuld zu dienen, sondern auh ein fal}ches Bild der Bilanz: der Eisenbahnverwaltung giebt. Herr von Strom- beck will, um eine weitere Anshwellung unserer Schuld zu verhindern, den weiteren Bau von Eisenbahnen Privatgesellshaften unter der Zinsgarantie des Staats überlassen. Dieser Vorschlag widerspricht der thatsächlihen Entwicklung unseres Eisenbahnwesens und is unan- nebhmbar. Nicht nur die Bahnhofsverbältnisse müssen_ verbessert werden, sondern aud andere Eisenbahnanlagen. Aus Sparsamkeit hat man früher, anstatt Ueberbrückungen herzustellen, sh mit Niveau- übergängen begnügt; diese Sparsamkeit rächt sich jeßt, die Niveau- übergänge müssen beseitigt werden. Bei eirem unglücklichen Kriege würden wir uns allerdings in einer \{chwierigen Lage befinden, wenn der Feind unsere Eisenbahnen occupiert und wir eine Kriegs- entshädigung zahlen müssen. Unsere jeßige Schuldentilgung genügt nit; wir haben in zehn Jahren für 120 Millionen Domänen und ferner Eisenbahngrundstücke verkauft, ohne den Erlös zur Squldentilgung zu verwenden. Das ist eine Verminderung des Staatsvermögens, die ein Privathaushalter sih niht gesiatten würde. Wir müssen deéhalb die Schuldentilgung obligatorisch machen.
Darauf wird die Debatte geschlossen und § 1 in der Kommissionsfafsung angeaommen. :
8 2 bestimmt, daß die erforderlichen Beträge durch den Etat bereit zu stellen sind unter Einrehnung der für eine planmäßige oder dur bestehende Gesege anderweit vor- geschriebene Schuldentilgung bestimmten Summen. ; Abg. Kir \ch (Zentr.) bemängelt, daß hier ein Unterschied zwischen einer planmäßigen und einer anderweitigen gesetzlihen Tilgung ge- macht werde.
Finanz-Minister Dr. Miquel:
Fch bedaure, daß ich infolge der herrschenden Unruhe im Hause nit im stande war, den Herca Vorredner und seine Zweifel voll- ständig zu verstehen. Wenn ih recht verstanden haben sollte, so findet der Herr Vorredner den Auêtdruck „planmäßig“ unklar. Wäre das richtig, so glaube ih, eine Unklarheit kann darin nicht liegen; es ist auch der gewöhnlihe Ausdruck, der hier stets gebrauht wird. Plan- mäßige Tilgung ist diejenige, wenn man es ins Praktische überscizen will, welche stattfinden muß nach Maßgabe der Anleihen-Bedingungen, und das sind bei uns jeyt zur Zeit etwa noch 8 Millionen jährlich, welche si aber infolge der {hon stattgehabten Tilgung dieser Art von Schulden und der bevorstehenden vollen Tilgung der Staats8- \chuldscheine im Jahre 1900 auf einen sehr kleinen Betrag reduzieren würden. Gerade hierin liegt auch ein weiteres Moment, eine geseßz- lihe Schuldentilgung mit # 9/0 als Ersay in Vorschlag zu bringen.
S 2 wird angenommen. : j
S 3 lautete in der Regierungsvorlage: Ergiebt sih na der Zahresrechnung ein Uebershuß des Staatshaushalts so ist derselbe zunächst zur Bildung und Erhaltung eines Áus- gleihsfonds in Höhe von 80 Millionen Mark zu verwenden. Der darüber hinausgehende Betrag des Ueberschusses wird zu ciner weiteren Tilgung von Staatsschulden bezw. Verrechnung auf bewilligte Anleihen verwendet.
Die Kommission hat dafür folgende Bestimmung geseßt: Ergiebt sich nach der Jahresrechnung ein Uebershuß des Staatshaushalts, so ist dersclbe im vollen Betrage zur wel- teren Tilgung von Staatsschulden bezw. Verrehnung auf be-
willigte Anleihen zu verwenden.
Abg. Freiherr von Zedliy und Neukirch (fr. kons.) beantragt, in lchterer Fassung hinter „derjelbe“ einzuschalten : „soweit darüber viht durch den Staatshaushalts-Etat zur Bildung oder Ergänzung eines Dispositionsfonds für unvorhergefehene Ausgaben der Eisen- bahnverwaltung bis zur Höhe von 20 Millionen Mark verfügt ift.
Finanz-Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Ih möchte doch bitten, den Antrag nicht an- zunehmen, wenn nit vielleicht der Herr von Zedliß geneigt fein follte, nach den Erklärungen, die ih gegeben habe, den Antrag zurück- zuziehen. Jch halte den Antrag nit gerade für nachtheilig, wenigftens als er nit nöthig ift, und infolgedessen vielleicht ers ret Unklarheit \haffen wird, denn h bin nie als Jurist der Meinung gewesen, daß der Saß „suportlua non nocent“ rihtig wäre. Meine Herren, dieser Fonds von 20 Millionen is ein etatsmäßiger, er wird nur nicht ausgefüllt, wenn die Mittel niht da sind. Sind die Mittel