1897 / 17 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 20 Jan 1897 18:00:01 GMT) scan diff

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niffses, so würde in der That ‘die Entscheidung des Bundesraths aus- geshaltet sein ; denn sehr bäufig liegt im einzelnen Falle gar keine Veranlaffung dazu vor, das amtliche Waarenverzeichniß abzuändern, sonder” liegt einfah nur eine ‘gegenüber dem amilien Waaren- verzeihniß unrihtige Tarifierung vor, weil der betreffende Gerichtshof oder die entscheidende Landesbehörde von einer irrigen Anschauung bei der Tarifierung ausgegangen ift. Jch kann mir aber in der That

M nit denken, daß der Herr Abg. Dr. Hammather beabfichtigt. daß durch. T r==-- PênBeñbébrath"etniz Tim gertchtlihen Verfahren ergangene Entscheidung

in concreto für die Zukunft aufgehoben werden soll ; denn damit, meine ih, würde der Zweck, den er dur die Einschaltung einer

gerichtlichen- Behörde in-die Organisation-der Landeszollverwältüng

beabsichtigt, eigentlih wesentlih hinfällig gemacht.

__ Abg. Fischbeck (fr. Volksp.) hält die Auskunftsftelle für die Hauvisase, und deshalb schließe er si dem Antrage Hammager an. Redner weist darauf hin, daß importierte Waaren, die zur Veredelung ins Ausland geschickt würden, nohmals bei der Wiedereinfuhr verzollt werden müßten.

Staatssekretär des Reichs-Schaßamts Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Gegenüber der “Anfrage des Herrn Vorredners gestatte ich mir zu bemerken, daß zunächst die Bestimmungen über den Veredelungs- verkehr Sache der einzelftaatlihen Zollverwaltung sind. Indeß steht der Grundsaß doch allgemein fest, daß eine gegen Zoll in das Inland eingeführte auéländishe Waare in Bezug auf den Veredelungs- verkehr ebenso behandelt wird wie ein nationales Erzeugniß. Ob aber der Veredelungsverkehr im einzelnen Falle zuzulaffen ist, hängt Tediglich von der Entscheidung der einzelnen Landesbehörde ab, weil der Veredelungsverkehr nur zugelassen werden kann, wenn er keine Konkurrenz für unsere einheimishe Produktion darftellt, sondern im Gegentheil zu ihrer Förderung dient. Jh kann mir also den Fall denken, daß, wenn ein Exporthaus eine ausländishe Waare nah Deutschland einführt und verzollt und dann zum Verede- lungsverkehr ins Ausland s{ickt, ohne si versichert zu baben, daß für diese Waare auch der Veredelungsverkehr zugelassen ift, diese Waare, wenn fie vom Auslande im veredelten Zuftande zurückommt, einer nochmaligen Verzollung unterworfen wird. Der Fall kann aber meines Erachtens nur eintreten, wenn das entsprehende Exrporthaus ohne die nöthige Rückversiherung einer Entscheidung der Landes- behörde eine Waare ins Ausland geshickt hat. Hat es si indeß vorher vergewissert, ob diese Waare zum Veredelungsverkehr zugelaffen ist, so wird das Exporthaus auch keinen Schaden haben ; denn selbst- verständlih wird es eine Waare niht ins Ausland \{icken, die zum V'eredelungsverkehr niht zugelassen ift und die debhalb nochmals einem Zoll unterworfen sein würde. Wird die Zulafsung des Ver- edelungêverkehrs von der Landesbehörde abgelehnt, so ift es ganz Felbstverständlih, daß die Waare, die im veränderten Zustande aus dem Auélande nochmals in tas Jrland eingebt, wie eine fremde noch einmal zu verzollende Waare behandelt wird.

Abg. Freiherr von Stumm erklärt si nochmals gegen die Nr. 2 des Antrages Hammacher. :

Abg. Lenzmann bestreitet, daß der Staatssekretär den An- trag Hammaer als unannehmbar bezeichnet bätte; er habe eine ein- beitliche reih8geseglihe Regelung als das Befsere bezeichnet.

Staatssekretär des Reichs - Schaßamts Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Gegenüber dem Antrage Hammather, um keine Unklarbeiten zuzulaffen , erkläre ih ausdrüdlich, daß id gegen Absay 2 desfelben mich unbedingt auëgesprohen. (Sehr richtig!) Ic habe aber erklärt, daß der Absag 1 einen Gedanken enthielte, der si vielleicht mit Zustimmung der verbündeten Regierungen ver- wirklichen ließe und manchen Bedenken, die gegen die jetzigen Zu- ftände geäußert find, abbelfen würde. Nun möchie ih auf die zweite Anfrage, betreffend den Veredelungêverkebr, etwas ergänzend bemerken. Es scheint, daß der Herr Vorredner niht von dem Veredelungs- verkehr, den der § 115 des Zollg-esezes behandelt, gesproten hat, fondern von dem Verkehr der Retourwaaren, der unter § 113 fällt. Da gilt allerdings der Grundsaß, daß als Retourwaaren ebenso inländische wie verzollte ausländische Erzeugnisse zugelaffen werden; denn nach den Grundsäßen der Zollverwaltung wird jedes auéländishe verzollte Erzeugniß nationalisizrt. Aber auch die Zulassung des Verkehrs mit Retourwaaren bängt von der Entschei- dung der obersten Landesfinanzbebörde ab, und es liegen die Fälle in dieser Beziehung ebenso wie bei dem Veredelungsverkehr. Führt jemand eine verzollte ausländische Waare wieder aus als Retour- waare, und hat fich vorber niht die Zustimmung der Landesfinanz- behörde gesichert, daß diese Waare als Retourwaare behandelt werden wird, fo kann allerdings der Fall eintreten, daß eine sol%e Retour- waare noch einmal verzollt werden muß, da au die Zul2Fung von Retourwaaren abhängig ist von den Interessen, die für die Ent- wickelung der heimischen Industrie maßgebend sind.

Abg. von Staudy (d. konf.) fpriht sib für den ersten Theil des Antrages Hammacher aus, auf den man sich beschränken solle, so sympathisch au der zweite Theil erscheine.

Abg. Dr. Lieber (Zentr.) erklärt sich für den Antrag Hammather, der keine Verfassungsänderung verlange wie der Antrag Lenzmann, sondern dem Bundesrath anheimstelle, freiwillig auf fcin Recht zu Gunsten eines Verwaltungsgerichtes zu verzihten. Redner geht dann auf die Verhandlungen des Abgeordnetenhauses cin, wo man ihn auf- gefordert habe, von der Reichsfinanzpolitif zu \prehen. Er erkenne die Befugniß der Einzel-Landtage zur Kritik der Haltung ihrer Regie- rungen im Bundesrath an, aber fie dürften niht zu Gericht sigen über das Reich, welches nicht vor den einzelstaatliden Vertretungen Recht zu nehmen habe. Die Abgg. Sattler und Graf Limburg-Stirum, fährt er dann fort, haben fich im Abgeordnetenhause mit den Reichs- finanzen befaßt; dieselben Herren waren sofort auf dem Plan, als wir im vorigen Jahre unseren Schuldeatilgungsbeshluß faßten. Es wurde .von einer Wandlung der Finanzpolitik des Zentrums gesproen und gesagt, ih würde mich bekehren. Der Finanz- Minister meinte, daß er sich nur dagegen gewehrt habe, daß der Reichstag die Ueberschüffe vergangener Jahre zur Schuldentilgung ver- wenden follte, während er im Herrenhause im vorigen Jahre si gegen jede Verwendung der Ueberweisungëübershüsse zur Schulden- tilgung verwahrte. Dasë bezeugt ein kurzes Gedächtniß. Bei der großen Schuldenlaft von 2290 Millionen Mark muß eine Entlastung der Zinfenausgabe verfudt werden: ob durch Uebertragung vom außer- ordentliden auf den ordertlihezn Etat unter Inanspruhnahme der Matrifularbeiträze oder der Uebershüfe, müfsen wir uns vorbehalten; auf riese Schuldentilgungépolitik das mögen si die Herren aus dem Abgeordnetenhause merken wird das Zentrum unter feinen Umständen verzichten; ebensowenig wird das Zentrum neue indirekte Steuern bewilligen. Die Schulden des Reichs be- rüben. hauptsähliÞ4 auf nihtwerbenden Ausgaben, sie müfsen alio nach Möglichkeit von ver gegenwärtigen Generalion ge- tragen und niht auf die Zukunft abgewälzt werten. Deshalb müfsen reuungsmäßige Uebershüfse mehr, alé im vorigen Jahre geschehen

Gielten.

ist, zur Schuldentilgung verwendet werden. Die Frandenftein '

Klausel wird dabei vollständig bewahrt, denn ste: follte nur-zu Lte Matrikularbeiträge verhindern, aber niht übermäßige Ueberweisungen den Einzelstaaten Flex, während die Reihsshulden seit dem Be- {luß über die Frandckenstein'’she Klausel von -140 -auf -2290-Millionen Pi eyen find. Wenn Herr von Franckenftein das vorausgesehen bätte, ätte er seine Klausel niht für alle Zukunft festgelegt. Von den Reichsshulden sind 1349 Millionen für unproduktive Zwecke auf- genommen, während die Bündesftaaten 500 Millionen überwiesen er-

wird, werden wir im Reiche ablehnen. n die verbündeten Regierungen niht wieder ein Schuldentilgungsgeseg vorlegen, so werden wir das thun, wenn nicht die Frage im Etat geregelt wird, Der Staats- Jekretär hat uns“in der Budgetkommifsion Mi qi f emacht wegen. Natrags-Etats, wegen der Servistarife, wegen der Gehalteverbefserun und wegen ähnlicher Forderun en des Auswärtigen Amts. Jch wi niht drängen, daß der Schleier über die Nahtragsforderungen des Auswärtigen Amts, die auf 3 750 000 4 bemessen sind, gelüftet wird. Aber wir müssèn doch zum Abschluß des Etats alle Forderungen der Regierungen kennen. Die Mehrforderungen würden den Matrikular- umlagen oder der Anleibe zur Laft fallen. Keines von beiden kann uns erwünsht sein. Wir wollen wegen der Nahtragsforderung die Spannung zwishen Matrikularumlagen und Ueberweisungen nicht vergrößern ; wir werden also an den vorhandenen Etatsforderungen entsprechende Kürzungen vornehmen.

Staatssekretär -des Reichs - Schaßamts Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Der Abg. Lieber hat in seinen finanziellen Aus- führungen Bezug genommen auf eine Rede, die der preußische Herr Finanz - Minifter im preußishen Abgeordnetenhause gehalten hat, und er hat aus dieser Rede geglaubt hberaushören zu müssen, daß der preußische Herr Finanz - Minister dem Zentrum daraus eine Vorwurf gemacht habe, daß es bereits im vorigen Fahre die clausula Frandckenstein entsvrech:nd den veränderten Finanzverhältnissen des Reichs fortgetildet habe, und daß es geneigt sei, mit dieser Maßregel eventuell in der jeßigen. Tagung fortzufabren.

I glaube, versichern zu können, daß in dieser Beziehung der Herr Abg. Dr. Lieber die Ausführungen des preußischen Herrn Finanz- Ministers mißverstanden bat; denn es is unmögli, daß der preußische Herr Finanz-Minister daraus dem Zentrum einen Vorwurf gemacht baben könnte, daß es die clausula Frandenftein finanziell umgebildet babe entsprechend den gestiegenen Anforderungen des Reihs. Der preußische Herr Finanz - Minister kann nicht beabsihtigt haben, einen der- artigen Vorwurf gegen eine Partei des boben Hauses zu richten, weil der preußishe Herr Finanz-Minifter in dem zweiten Finanzreform- geseßze, welhes von dem Grundsage der Balance ausging zwischen Ueberweisungen und Matrikularbeiträgen, thatsählich auf die Ueber- weisungspolitik bereits selbst verzihtet Hatte. Darin liegt aber s{on, wenn jener Geseßentwurf Geseßesfraft erhalten hätte, eine wesentliche finanzielle Fortbildung der clausula Franckenstein, und ih glaube, ih fann positiv versihern, daß der preußishe Herr Finanz-Minifter auch jeßt noch auf dem Standpunkte ftebt, daß man bei ‘den fteigenden und zum theil unabweisbaren Forderungen des Reichs die Ansprüche an die Ueberweisungen wesentli modifizieren muß, daß man au im Reiche in Zukunft nur von dem Grundsatz ausgeben kann, daß fich Ueberweisungen und Matrikular- beiträge decken, und daß man ferner die Schuldentilgungspolitik, die im vorigen Jahre auf Antrag des Zentrums eingeleitet worden ift, unter allen Umftänden fortsezen muß.

Aber allerdings stebt der preußiscke Herr Finanz-Minister und, ih glaube, mit ibm die Gesammtheit der verbündeten Regierungen au andererseits auf dem Standpunkte, daß, wenn die verbündeten Regierungen aus den rechnungs8mäßigen Mehrüberweisungen that- sählihe Mebrzahlungen nicht mebr zu erwarten haben, sie andererseits auch dagegen ges{üßgt werden müffen, daß sie etwa in Zukunft Matrikularbeiträge über denjenigen Betrag zu zahlen haben würden, der ihnen aus den Ueberweisungen zufließt. (Seht ridtig! rechts.)

Meine Herren, ih kann vorläufig versibern, daß dem Bundesrath ein Gefe vorliegt, welhes ungefähr von diesem Gesihtzpunkte aus- gebt. Ich boffe, daß si der Bundesrath in seinen noch bevorstebenden Verhandlungen über diesen Gesetzentwurf einigt, und daß die Vorlage dem boben Haufe in nä&ster Zeit zugehen wird. Jch glaube, der Herr Abg. Dr. Lieber wird dann finden, daß den Gedanken, die er beute ausgesprochen bat, dieser Gesetzentwurf im allgemeinen ent- sprechen dürfte.

Abg. Dr. von Bennigsen (nl.): Die übrigen Parteien wird es wenig interessieren, welde Angriffe auf das Zentrum gemacht sind; ob die Angriffe begründet find oder niht, muß dahingestellt bleiben. Uns interessiert im wesentlihen lediglih die Finanzpolitik, die von dem Führer des Zentrums befolgt wird. Es interefssiert weniger, ob diese Politik in voller Uektereinstimmung ift mit der früheren Politik des Zentrums. Ich würde dem Zentrum richt den geringsten Vorwurf daraus machen, wenn es angesichts anderer Verhältnisse und bei außerordentli anaewasenen Schulden feine Politik ändern würde. Es find seit den 20 Jahren die größten Veränderungen in den wirth- schaftlihen und in den Schuldenverbältnifsen des Reichs vor- gekommen. Damals beftand keine Verpflichtung, auf die Schulden- tilgung binzudrängen ; jeßt bandelt es fich dabei um die wichtigste Verpflichtung des Reichstages. Es wird niht möglih sein, alle angeregten Fragen zum Abschluß zu bringen. Die Ordnung der Finanzverbältnisse bängt von den Nachtrags - Etats und von dem in Autfiht geftellten Gefeßentwurfe ab. Es wird sehr wobl möglich sein, sich mit Herrn Lieber über die Behandlung der Fragen {hon bei diesem Etat zu - verständigen. Dabei lege ih keinen Werth darauf, ob man früher ein Gegner der Frandckenftein’schen Klausel gewesen ift, oder ob die Erhaltung der Klausel eine Ebren- sache ist. Die Verbältnifse waren damals anders, sodaß die Klausel eine gute Wirkung batte. Inzwischen ist aber die große Anhäufung der Schulden vorgekommen, rielleiht nicht ohne Mitwirkung der Frandenftein’ hen Klausel. Ein Petrefakt kann dem gegenüber die Franckenstein’sche Klausel nit sein ; das Zentrum bat daran geändert und scheint bereit zu sein, sie noch weiter zu entwickeln oder einzu- scränken._ Auf diejem Boden können wir uns vollkommen verständigen. Wir müssen die vorhandenen Schulden tilgen, neue Schulden ver- meiden dadurch, taß wir mehr als bisher auf das Ordinarium über- nebmen, daß wir von ten Einnabmen des Reiches mehr auf die Aus- gaben desselben verwenden als bisher. Es _wird feine große Schwierigkeit baben, wenn in der Budgetkommission die Frage ver- handelt wird, daß eine allseitige Verständigung erfolgt.

__ Abg. Graf zu Limburg-Stirum (d. kons.): Ich hoffe au, daß mit der Zeit \sich eine Verständigung zwischen Einzelftaaten und Reich. ergeben wird. Ich babe son Anzeichen dafür gefunden, daß das Zentrum nah und na auf den Standpunkt kommt, eine feste Norm für die Auseinandersezung zwishen Reich und Einzelstaaten berzuftellen. Entsprehend den veränderten Verhältnissen und Zahlen muß die Frandenftein’sche Klausel geändert werden. Der Grund- gedanke der Klaufel verdient aber auch beute noH Anerkennung: daß man nit die Einzelstaaten durch die Forderungen des Reiches überbürdet. Dem Reiche sind die reiheren Steuerquellen überwiesen, es solite nah der Reihé-Finanzreform ein Plus den Einzelstaaten als Ueberweisung verbleiben. Das ift abgelehnt. Aber an diesem Punfte müfsen wir \chließlih zusammenkommen bei der Regelung des

Verlältnifses zwishen dem Reih und den Einzelstaaten.

preußischen Finanzen - können -sich Rod geen überraschende An vate wehren, aber die anderen ‘Ginzelftaaten können fih ait fo helfen ; fie befinden si in einer Kalamität gegenüber erhöbten Matrikularumlazer des Mes, Herr Lieber“ will eine gewisse Staffel nicht ‘überschreiten und ftellt daher in Auésiht, des, die Nachttagsforderungen ein. ebracht werden müssen durch Streihung an dem vorliegenden Etat. Ich wünschte, daß Sie sid dahin bescheiden, daß die Parlamente nit im stande sind, Sparsamkeit zu üben, Deshalb muß ine féêfte gefeg,

ae DmangGalSchulventilgurg; wie Ke-in-Preußen herbeigeiührt.-. liche -Forur-feitgestettt “toërderi “im Interesse der Sparsämkeit 1m5"55; 4

traditionellen Politik. Abg. Dr. Enneccerus (nl.): Das Anwathsen der S{ulden

, des Reichs ift zum großen Theil eine Folge der Franckenftein! Klausel, weil _ wir die-UebersGüfse damals nit C etl M

die Schuldentilgung und für die Uebernahme von außerordentlichen Aus. gaben auf das Ordinarium.

Abg. Dr. Pichler (Zentr.) erklärt, daß man in Bayern immer nog das Geld zu den nöthigen Kulturaufgaben gehabt gabe, was in einem anderen Einzelftaate niht der Fall gewesen fein solle. Bayern habe immer noÞ Uebershüsse gehabt.

__ Abg. Dr. Lieber (Zentr.)7erklärt ih dankbar für die Zustimmung, die seine Anregung gefunden habe; aber die staatsrechtliche Bedeu der Franckenfstein'shen Klausel dürfe durchaus nit angetastet werden. Eine Veränderung würde durch eine automatishe Regelung erfolgen, aber nicht durch eine alljährlich stattfindende Auseinanderseßung.

Darauf wird ein Vertagungsantrag angenommen.

__ Präsident Freiherr von Buol macht Mittheilung von dem Eingang einer Jnterpellation des Abg. Dr. Hahn (b.k.F.) betreffend das Wegerecht auf See.

chluß 51/, Uhr. Nächste Sigung Mittwoh 1 Uhr.

(Interpellation Hahn; Fortseßung der Etatsberathung.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

21. Sigung vom 19. Januar 1897.

__ Die erste Berathung des Staatshaushalts-Etats wird fortgesezt.

__ Ueber den ersten Theil der Debatte ist bereits gestern be- rihtet worden.

Abg. Richter (fr. Volksp.): Der Finanz-Minister hat früber durblicken laffen, daß eine Erböhung der Beamtengehälter nicht mögli sei, weil der Reichstag neue Steuern niht bewilligen wolle. Die jetzige Finanzlage hat seine Meinung widerlegt. Wenn dringende Bedürfnisse Jahre lang unbefriedigt bleiben, so is das ein s{chwerer N1chtheil. Sechzig Miklionen neuer Steuern wäre ein großes Aergerniß angesihts der jetzigen Uebershüsse in Preußen. Gewiß kann man ih in Shägzungen irren, aber es ift wunderbar, daß der Finanz-Minister sh in vier Jahren um 268 Millionen zu feinen Gunften geirrt hat. Nur im Cholerajahr bat er ih zu seinen Ungunsten geirrt, 1892/93. Damals saß er noch nit feft genug 1m Sattel, um sich zu seinen Gunften zu irren. Ich soll 1890 den Erlaß der Gewerbesteuer vorgeschlagen habèn. Damals bei der Einkommensteuer handelte es sih um die Stellung zur gesammten Steuerreform und ich verlangte, daß auch die Gewerbesteuer den Gemeinden überwiesen werde. Es handelte id damals um die gesammte Steuerreform, und wenn der Staat den Gemeinden 18 Millionen mehr überwiesen hätte, so würde der erste Uebershuß niht 60, fondern 42 Millionen betragen haben. I maße mir aber keine Hellseberei in der Abshäßung des Etats an, do will ih niht mebr Steuern auferlegen, als bezahlt werden können, und dana den Etat einrichten, während der Finanz-Minifter Steuern in höherem Umfange nit vershmäht, um sie zu thesaurieren für ungünstigere Jahre. Ih habe noch vor einem Jahre einen größeren Uebers{uß vorausgesagt. Wir haben kein Einnabmeberwilli- gungsrecht und kein Ret, Ausgaben, die dur Anleihen gedeckt werden, auf den laufenden Etat zu übernehmen, und darum bleibt es bei einer tbeoretishen Auësprahe. Der Finanz-Minister wälzt dem Refsort-Minister die Verantwortlichkeit zu für die Mehrausgaben, er will nur der geduldige Recbenknecht gewesen sein, der si fügen müsse. Er ift do selbst Ressort-Minister mit 600 Millionen Ein- nabmen. Allerdings hat der Eisenbahn-Minifter 1100 Millionen binter sich. Gâäbe diefer den Ausschlag, fo wäre er der eigentliche Finanz-Minister. Ist dies aber der Fall ? Redet der Finanz-Minifter etwa nicht in die Ausgaben des Eisenbahn-Etats hinein? Das Jahr 1895/96 bat nicht mit mäßigen Uebershüfsen abgeshlofsen, wie der Finanz - Minister vorausfagte, sondern mit übermäßigen, nämli 60 Millionen. Der neue Etat ist in den Einnahmen durchaus nit zu bo veranschlagt, es find im Grunde nur 39% Steigerung der Einnabmen angenommen und eigentli müßte der Eisenbahn-Etat um 60 Millionen höher veranschlagt werden. Auch ih halte es nit für unmögli, daß der neue Etat mit einem Üeberschuß von 30 Million?n abschließt. Der Finanz-Minifter hat Gewissent\krupel, ob er niht doch zuviel bewilligt habe und ob man ibm nit den- selben Vorwurf machen werde, wie den anderen Finanz-Minifter. Wir haben ‘jegt 16 Millionen dauernde Ersparniß aus der Konversion im nächsten Jahre zur Verfügung! JIch soll positive Vorschläge machen. Als ob ih das nicht bei der Handels- politik gethan bhâtie in der Unterstüßung der Regierung, und als ob ih nicht vor der Aera BismarÈk mit Hercn Dr. Miquel zusammengearbeitet bätte. Der Steuerzabler hält die Thätig- keit des Finanz-Ministers für eine sehr negative. Er gilt als der Bater akler Hindernisse bei allen Kulturaufgaben. Man lege nur die Medizinalreform vor, dann will ich mit ihm vositiv arbeiten, oder liegt es bier am Gelde? Auch in der Erleichterung des Verkehrs, Aufhebung des hohen Gepättarifs bei den Eisen- bahnen würde Herr Miquel uns zur Seite haben. Bei der Ein- fommensteuer müßten die mittleren Klassen erleihtert werden auth im Interesse der Gemeinden. Gewisse Klassen der Unterbeamten müßten höher bedaht werden. Warum matt man nicht bier ganze Arbeit? Daß sie 1890 etwas bekommen baben, damit fann man sie nicht abfinden. Die Oberförster haben #. Z. au {on etwas erhalten, und doch bat man sie in die Aufbefserungstabelle auf- genommen. Billig wäre es, wenn nit nur die evangelischen Kon- iistorien, sondern auch die entsprehenden fatholishen Geistlichen etwas mebr erhielten. Aber einer allgemeinen Verbesserung der Gehälter der Geistlihen muß ich auf das bestimmteste widersprechen. Sie sind nicht Staatsbeamte, sondern Gemeindebeamte, und die Gemeinden haben ja auch das Besteuerungéreht. Die Lehrer kann man nicht zum Vergleich heranziehen, sie sind Beamte politischer Körperschaften. Und dann würden ja zu diesen Aufbesserungen au Andersgläubige herangezogen! Und welhe Streitigkeiten würden zwischen beiden Konfessionen über das Maß der Aufbesserung ent- brennen! Verbefserung der Kommunalgehälter, Regelung der Reise- festen und Diäten für die Beamten und das Gratifikationswesen müssen zusammen behandelt werden. Gratififationen werden au aus Besoldungzersparnifssen gewährt. Das ift ein alter Fehler, der betreffende Fonds entzieht fd vollständig unferer Kontrole, Vakanzen werden möglihst lange offen gehalten, um Prämien zahlen zu können und das Geld in den Fonds zurückzuhalten. Auch hier möchte ih mit dem Finanz-Minister zusammenarbeiten. In den 70er Jahrea war er im Reichstage auch für die Abschaffung dieses Gratifikationsunwesens. Ein Komptabilitätsgeses zu schaffen, wäre jezt die rihtige Gelegenheit. Das Kommunalsteuerprivileg der. Staatébeamten müßte abgeschafft werden. Einen Unterschied zwischen Berheiratheten und Unverbeiratheten zu machen, heißt nicht Leiftuns und Gegenleistung gegenüberstellen, sondern das individuelle Be- dürfniß zum Maßstab nehmen. Ein großer Mann hat gesask, die Unverheiratheten wären die besten Beamten; murren Si? doch nicht, Sie erbeben do sonst gegen diesen Mann keinen Wider- spruch, es ift der Fürst Bismarck; oder wollen Sie eine Kinderprämi-

:fübren? Man hat bei der Aufbesserung der Gehälter die “mg Beamten zu wenig berücksichtigt. Die Bureaubeamten D beser weg, als die Beamten des äußeren Dienftes, während diese doch für Kleidung u. #\. w. größere Aufwendungen zu machen haben. Die Ydheren und höôchften Bramtenklafsen follte man wenigstens in diesem Jahre noch aus der Vorlage herans- sassen. Was die Frage der Ecneuerung der Handelsverträge betrifft, so hat Graf Limburg die Wahlparole ausgegeben: daf niemand ewählt werden solle, der für „die. Bindung - des-—Getreidezolltarifs | S“ Nan “Va? aber Hon von einer Spaltung der Partei infoler dieser Parole gesprochen. Diese Forderung entbält den Verzicht auf einen fvertrag mit Aerbauftaaten überbaupt, z. B. mit Oesfter- reich und Rußland. Graf Limburg hat bezügli der Berliner Börse

gefagt-es-Ffei-niht rihtig, den Börsenkommifsar fo hoch zu stellen und

eine Funfktionszulage zu gewähren. Ganz meine Ansicht. Er L nit Fuer erbalten als ein Ober-Staatsanwalt. Die Staats- fommifsare werden si die Erfahrungen des früheren Handels-Minifters vorhalten müffen: Allzu sharf mat schartig. Die Bestimmung, daß Vertreter der Landwirth¿haft und Müllerei zu den Vorständen der Produktenbörse gehören follen, ift an fh schon eine Anomalie. Darum hat die Landesregierung nur die Vollmacht zu dieser Berufung. Der Handels-Minister hat nun von dieser Be- fugniß den ausgiebigften Gebrauch gemacht. Mebr bätte er e nit berufen können. Einzelne Korporationen wollten dem Mini ter sehr weit entgegenkommen in den Börsenordnungen. Die Börse sollte sich ja verkrahte Landwirthe sichern. Es kommt den Undwirthen nur darauf an, an der Börse die Preise in die Höhe zu bringen, sie leben in dem Wahn, daß es der Börse nur daran liege, die Preise niedrig zu halten durch Mai- nationen bei der Preisnotierung. Daraus erklären fich die Anariffe der Grafen Arnim, Klinkowström u. \. w. gegen die Börse. Den Bes weis für ihre Behauptungen sind aber die Herren der Börse s{uldig geblieben. Der Minister hat diese Herren beschwichtigt mit Aussichten auf die Zukunft. Die Börsenordnung wurde sehr spät dg tio und als sie erfchienen, wurden neue Dekrete in Aussicht gestellt in Bezug auf die Preisnotierung. Das mußte eine große Unsicherheit und weitere beweislose Angriffe gegen den Handelsstand zur Folge haben. Die Aeltesten der Berliner Kaufmannschaft haben ganz rect, wenn Le diesen Herren jedes Urtheil in diesen Fragen absprechen. Diese Angriffe gegen den Handelsftand (Rufe rechts: Börse !) haben nur ein Analogon in dem Vorgeben des Abg. Ahlwardt mit feinen berühmten „Akten“. In der Breslauer Versammlung sagte !ogar Herr von Loë: Wir wollen den Herren von der Börse die Hosen gebórig abziehen! In Handelskreisen hat man {on alles Mögliche ertragen, aber folche Kränkungen und Verdächtigungen übersteigen doh alles Maß, und man hat fih gefagt: es widerstreitet der Be- rufsehre, mit folhen Leuten in einem Kollegium zu arbeiten. So ift es denn gekommen, wie es gekommen ift. Die Produftenbörse ift in Berlin verödet und in anderen Orten auch. (s geht auch mit freien Vereinigungen, und die Börse verzihtet auf ihre privilegia favora- bilia und odiosa sehr gern. Ein Deklarationszwang der Geshäfte wäre ganz; undurhführbar, denn man fann doch niht an jedes Telephon einen Lauscher stellen. Den Schaden hat nicht die Börse, fondern die AUgemeinheit, Produzenten und Konsumenten. Diese Erkenntniß dämmert auch {hon in Ihren (rechts) Kreisen. Der Handelsstand hat den Eindruck, daß das Handels-Ministerium nicht ein Ministerium für, sondern gegen den Handel ift. Die politishe Polizei ist reformbedürftig: das wird allerseits anerkannt. Graf Limburg kehrte fich aber in seinen Aus- führungen wohl weniger gegen das, was aus dem Prozeß Leckert- Lüßow berausgekommen ift, als gegen den Freiberrn von Marschall, der allerdings die Handelsverträge gemaht bat. Die Behandlung der offiziósen Presse im Auswärtigen Amt gefällt mir auch gerade niht. Wenn hbochpolitishe Artikel in der „Kölnischen Zeitung gegen die Regierung erscheinen, so muß der Schein erweckt werden, daß sie auh aus Regierungskreisen stammen. Unter Bis- marck war die Sache aber noh viel s{chlimmer. Die ganze offiziôse Prefse ift vom Uebel. Die Regierung sollte auch diese Maske und Tarnkappe wegwerfen. Diese Frage wäre aber besser in Gegenwart des Herrn von Marschall zu verhandeln. Es blieb ihm jedenfalls kein anderes Mittel übrig, als die Fluht in die Oeffent- lichkeit. Ihm s{chwebte wohl vor der Kanzlerwehsel infolge eines offiziósen Artikels. Bedauerlich ist die Sache insoweit, als fie zeigt, daß die Herren keine reht feste Stellung haben. Den Vorwurf des Mangels an Einheitlihkeit hat der Minister-Präsident zurückgewiesen, man hâtte erft den Lauf des Prozesses abwarten müfsen. Herr von Marschall hat aber davon gesprochen, daß die Intriguen der Polizei gegen ihn schon drei Jahre zurückliegen. Wären die Ministerien einig gewesen, dann hätten sie. gemeinsam diesem Uebelstande entgegentreten müssen. Es fehlt uns ein einheitliches politisches Minifterium, wir haben nur ein Aggregat von Ministern, die keinem politishen Kollegium gleichen, sondern einem Offizierkorp8, zusammen- gewürfelt aus vershiedenen Regimentern. Welche Lehre ziebt man aber aus diesem Prozeß? Die politishe Polizei stammt ja au aus der Aera Bismark. Was beute Tausch heißt, hieß früher Krüger. Biêmarck verstand dieses Instrument zu spielen. Jet spielt das Inftrument gewissermaßen automatish weiter. Das beweist das Verfahren in Sachen des preußischen Kriegs - Ministeriums L s. Ww. Herr von Yauish hat auf Lager gearbeitet in der Spionage, und von da bis zur eigenhändigen Ein- mishung in die Politik war nur ein . Schritt. Viel- leiht hat er spekuliert auf den kommcnden Mann, oder aus Dank- barkeit gegen einen früheren Mann, oder mit einem Hintermann, das ist nicht festgestellt. Kein nihtsnußiges Mittel wurde verschmäht. Der Prozeß hat unsere Angriffe gegen den geheimen Polizeifonds glänzend gerechtfertigt. Wo sind die Belege für die ausgegebenen Gelder? Wenn nur Quittungen vorhanden sind: auf die Unterschrift kommt es nicht an. Was foll nun geschehen? Der Minister-Präsident hat sich darüber nit ge- äußert, au der Minister des Innern niht. Will er diese In- stitution mit ihrer Spionage aufrechterhalten? Um diese Art von Beamten „beneidet* uns niemand, Herr Minister des Innern, Die Regierung will keins ihrer Machtmittel aus der Hand geben. Sie hat aber mit dem Sozialistengeseß die s&limmsten Erfahrungen ge- tnacht, und der leßte große Sozialistenprozeß über die Verbindung der Vereine war ein Fiasko für sie. Jch bedaure, daß der Minister- Präsident nicht mehr hier is. Ich hätte gern erfahren, wie er sih jegt zu dem gegebenen Wort im Reichetage über die Aufhebung des Verbots verhält. Auch an einem Kanzlerwort soll man nicht rütteln. Fast {eint es, daß ein Widerspru zwischen dem Minister-Präsidenten und dem Minister des Innern in dieser Frage besteht, sonst hâtte man niht so lange mit der Sache ge ¿ogert. Die Regierung sollte sh büten, ihre Aukorität noch mehr zu ershüttern, als es hon der Fall war.

Finanz-Minister Dr. Miquel: j

Meine Herren! Herr Abg. Richter bat der Reibe nah die sämmtlichen Minister und ihre Handlungen fkritisiert. Sie werden es verstehen, daß ih es niht als meine Aufgabe betrahte, meinen Herren Kollegen vorgreifend, auf diese Angriffe zu antworten. Die Herren Minister werden das soweit thun, als sie es für nothwendig und an- gemessen halten, Ih wende mih daher wieder zu der uns hier be- shäftigenden Hauptfrage des Etats und den verschiedenen Fragen, die sih an den Etat anknüpfen.

Zuvörderft möchte ih aber mehr eine persönlihe Angelegenheit mit dem Herrn Abg. Richter erledigen, indem er mir nochmals vorwirft: ich habe die Einnahmen der Betriebéverwaltung so ün- rihtig etatifiert in dem vorigen Jahre, daß das garnicht zu ver- antworten fei.

Meine Herren, der Herr Abg. Richter ignoriert gern und läßt in dem Hintergrund die Einwendungen, die über eine gleiche Frage ihm bei früherer Gelegenheit bereits gemacht sind. Ih Habe früher aus-

geführt, daß die Differenz zwishen den Anschlägen der Einnahmen der Betriebsverwaltungen und der wirklihen Ergebnisse vor meinem Amte genau in derselben und noch viel stärkeren Weise fogar vor- gekommen sind, wie während meiner Amtsdauer. Ich habe. beispiels- weise hingewiesen, daß in den Jahren vor meinem Gintritt, im Jahre 1887/88 ein Defizit von 40 Millionen veranshlagt wurd und ein Uebershuß fich ergab von 79 Millionen (hört! hört! rets); ich

während sh thatsählih ein UebersGuß ergab von 72 Millionef ; ih habe darauf hingewiesen, daß im Jahre 1889/90, wo

aud noch___ mein Vorgänger _ den __Etat_ aufstellte, ein |

Defizit veranschlagt“ war von etwa { Million, \sich aber in Wahrheit ein Uebershuß von 102 Millionen ergab. Dann muß das doch wobl nit an der besonderen Art der Einschäßung diefer Ein- nahmen liegen, welche ih eingeführt hätte in die preußishe Finanz- verwaltung. Jh könnte noch weiter rückwärts gehen: da würden Sie mit der wachsenden Bedeutung der Eisenbahneinnahmen in un- serem preußishen Etat überall dasselbe Ergebniß sehen. Ich habe aber fogar mein Amt damit begonnen, daß ih umgekehrt die Ein- nahmen übershäßte und das Ergebniß weit ungünftiger war, als ge- {äßt wurde. Daraus geht wiederum bervor, daß von irgend einer Tendenz garnicht die Rede sein kann.

Meine Herren, der Herr Abg. Richte: hat sch darüber gewundert, daß ih gesagt habe: ein Finanz-Minister muß die Shägung von unfiheren Einnahmen aus der Betriebsverwaltung im wesentlichen aus\ließlich dem betreffenden Refsort-Minifter überlassen. Ih habe wenigstens stets so verfahren, und ih wüßte auch garniht, wie ein Finanz-Minifter anders verfahren sollte. Wenn der Finanz-Minifter die Einnahmen böber {chäßt, als die gewissenhafte Prüfung der Refsort- Minister es ermögliht, dann seßt er sih der Gefahr aus, daß feine Absicht sei, einen tendenziösen Etat zu bestimmten Zwecken aufzustellen ; dann trägt er allein die Verantwortlichkeit für das Ergebniß, welches er garniht fontrolieren fann, das allein der Einwirkung und der Kontrole seiner Kollegen unterlieat. Ih hoffe nit, daß jemals in Preußen anders verfabren wird; das würde zu einem politishen Etat, aber nicht zu einem wahrhaften finanziellen Etat führen. (Sehr ribtig! rechts.) Ich werde wenigftens, so lange ih an dieser Stelle stehe, nit anders verfahren. Ih würde nicht dreist genug sein, bei- spielsweise von den vermutblihen Uebershüfsen der Eisenbabnverwal- tung mehr zu wissen, wie mein verebrter Herr Kollege Thielen.

Wenn nun der Abg. Richter sagt : wenn der Finanz-Minister bei der Schäßung der Einnahmen so bescheiden ift, warum ift er es niht bei der Schäßung der Au8gaben fo wird ja selbs der mir zu- lächelnde Abg. Richter nit erwarten, daß ih auf diefe Vergleichung antworte.

Meine Herren, der Abg. Richter hat dann meine Bemerkung, daß felbffft so gelehrte und erfahrene Männer wie er selb fh ge- waltig irren konnten über die allgemeine finanzielle Lage, damit ab- zuweisen versucht, daß er geglaubt bat, ich bätte damals von seiner Idee gesprohen die er übrigens direkt ausgesprohen hat wir seien so rei, wir könnten die ganze Gewerbefteuer aufgeben. Nein, hier batte ih etwas Anderes im Auge. Ih habe gesagt: der Abg. Richter hat im Jahre 1890/91 bei der Berathung des Erbschafts- steuergeseßes gesagt, unsere Finanzlage in Preußen und im Reih ift fo glänzend, daß es Zeit ift, mit Steuererlafsen sowohl im Reich als in Preußen zu beginnen, und ih habe dieser seiner all- gemeinen Finanzauffafung die einfahe Thatsache entgegengeß|ellt, daß wir im nächsten Jabre in Preußen 42 Millionen Mark Defizit, nicht im Etat, sondern in der Rechnung hätten. Hieraus kann man wirklih wohl annehmen, daß auch der gelehrteste Finanzmann \ich gewaltig irren kann fogar über die Finanzlage; denn über die allgemeine Lage der Finanzen sollte fih ein Mann, der, wie der Abg. Richter gewissermaßen darin lebt und webt, sich doch viel shwerer irren können als über die vermuthlihen Einnahmen einer Eisenbahnverwaltung, die aus\chließlich von Kon- junkturen abhängen, die man absolut niht vorhersehen kann; von einem Mann, der so autoritativ auftritt, wie der Abg. Nichter, kann man erwarten, daß solhe Irrthümer ihm nicht passieren. (Heiterkeit rechts.) Der Herr Abg. Richter sagt: meine finanzielle Auf- faffung is eben eine ganz andere, wie die finanzielle Auffassung des Finanz - Ministers; der will immer nur Einnahmen, und mehr Einnahmen und immer mehr Einnahmen haben, um zu tbefaurieren; ih hingegen, ich {äße die Einnahmen der Wirklichkeit nah und würde dann die Gelegenheit haben, zu Steuererlafsen zu kommen, die Lasten des Volkes zu erleihtern. Nun, meine Herren, wie ift es in Preußen seit meinem Amtsantritt gewesen? Wir haben jezt das erste Jahr, wo wir einen Ueberschuß haben, seit vier Jahren fiecken wir im Defizit: es hätte eine eigenthümlihe ODreistigkeit und ein koloffaler Leictsinn eines Finanz-Minifters dazu gehört, während wir unsere Rechnung mit Mankos abscchlossen, eine Steuererleichterung dem Hause vorzuschlagen. Jch glaube, ih wäre geradezu ausgelaht worden hier im Hause, wenn ih damit gekommen wäre. Jeßt baben wir das erfte Jahr mit Uebershüfsen abgeschlossen, das zweite, laufende erwarten wir. Ich habe {on in meiner früheren allgemeinen Rede zum Etat ausgeführt, daß, wenn beide Jahre so abschließen, wie wir erwarten, daß wir dann erft wieder zur Balance kommen und erst von da an mit neuen Uebershüssen arbeiten werden. Ich babe ofen ausgesprochen und wiederhole hier, daß ih es für richtig halte, bei der Gesammtsituation in Preußen, namentlih im Verhältniß zum Reich, die Einnahmen vorsichtig zu shäßen, das thut überhaupt ein guter Haushalter. Ein erhebliher Theil dieses hohen Hauses ift darin erheblich weiter gegangen. wie ih; fie wollen sämmtlihe Uebershüfse, die die Eisenbahn liefert über eine bestimmte Grenze, obligatorish zur Schuldentilgung ver- wenden. Sie verlangen, daß die Uebershüsse der Eisenbahnepv, darüber hinaus, nit den allgemeinen Staatsfinanzen zu gute kommen, sondern reserviert werden, namentlich für Verminderung der Schulden. Diese Frage fteht vorläufig niht auf der Tagesordnung; ich habe mich darüber {hon ausgesprochen ; ih erkenne t as?Ziel, das die Herren verfolgen, durhaus an, und wir werden suhen, uns darüber zu ver- ständigen, wie weit die Durhführung und die Erreichung dieses Ziels möglih if. Grundsäßlih ftehe ih diesen Auffassungen wenigstens weit näher, als den Auffassungen des Herrn Abg. Richter.

Meine Herren, im Reih besteht. dieselbe Frage. Wenn man nach Durchschnitten etatisiert, was eigentlih doch den einzigen festen Halt giebt, nennt das der Herr Abg. Richter Automatenthum. Ich möchte sehen, welhe überzeugenden Gründe der Herr Abg. Richter

sowohl im Reich bezüglih der Zölle, als hier bezüglih der Betriebs-

_ böberen Beamten. -bezieHt.

überschüfse ausführen könnte, welWe das Haus bewegeu sollten, von einem sfolhen angeblihen Automatenthum abzugehen. Auf das bloße Gefühl des Herrn Aba. Richter, wie viel Uebershüfse in den nächsten Jahren die Betriebsverwaltungen mög- licherweise bringen können, wird fich dieses hohe Haus, glaube i, niemals verlaffen. (Sehr richtig! rechts.) So viel hierüber !

Ueber den Etat ift im Ganzen ja sonst roenig gesprochen worden

abe daranf Hingerwtese; baß bus "Fabr 1858789 in» Gtat balarciecie7 f (Heiterteit);“ abgesében von Sèn bolitishtmFragen; bat uran-f i wesunts :

lih beschränkt auf die allerdings fehr wihtige Frage, welche sich auf die Verbefserung der Lage unserer mittleren und eines Theils der

Meine Herren, der Herr Abg. Dr. Bachem hat gewissermaßen einen dilatorishen Einwand gemacht. Er sagt: Wie könnt ihr Preußen euch erlauben, eure Beamtenverbältnifse ordnen zu wollen, ehe das Reich euch die Wege nicht gewiesen hat! Das war doch der Sinn seiner Bemerkungen. Nun, méine« Herren, ich gehöre gewiß nicht zu den Männern meine ganze Vergangenheit beweist das —, welhe einen preußischen Partikularismus gegen das Reich, gegen den Ausbau und die Entwickelung des Reichs vertreten wollten. Aber wir haben doch bier zuvörderst in Preußen eine sehr große An- zahl der allerwihtigsten Beamtenkategorien, die das Reich überhauvt nicht besizt. Was würde es uns geholfen haben, wenn wir das Reih allein hätten vorgehen lassen und uns einfah nah den Be- \{lüfsen des Reichstages gerichtet hätten, für diejenigen Klassen, die im Reich überhaupt gar niht vorkommen? und das sind die allermeiften.

Sodann das Hinübergehen, das Hin- und Hergehen der Beamten von Preußen zum Reih und vom Reih zu Preußen if ja seit der Gründung des Deutschen Reis eine konftante Sache und eine be- kannte Thatsahe. Daraus ergiebt fich von selbs, daß es voll- kommen finnlos gewesen wäre, wenn wir, der Herr Schatsekretär und ih, beziehungsweise das preußishe Staats-Ministerium und die Reichsregierung, sih nit über die Grundsätze, über die Ausdehnung, über die Höbe der Verbesserungen der Reihs- und preußischen Be- amten gleihmäßigverständigt hätten. Diese Verftändigung hat während der ganzen Vorberathung ftattgefunden, und ih kann zu meiner Freude sagen, daß ih mit dem Herrn Schaßsekretär Grafen Posadowsky stets und in allen Phasen der Verbandlungen vollkommen auf derselben Linie geblieben bin. Sie brauen auch nur die Vorlage, die dem Reichätage gemacht ift, ansehen, so werden Sie von vorn- herein finden, daß genau nah demselben Grundsaß verfahren ift.

Wohin würde es au führen, wenn die Reichsbeamten nah ganz anderen Grundsäßen behandelt würden in Bezug auf ihre Bezüge, als die preußishen Beamten? Jh brauche das gar nicht aus- zuführen: der Gedanke ift zu verkehrt, als daß man ibn überbaupt noch widerlegen wollte.

Meine Herren, man hat nun gesagt, es sei in der Vorlage keine Einheitlichkeit. Nun sind ja einige Gedanken laut geworden, auch bon Herrn Dr. Sattler, die der Herr Abg. Nichhter acceptiert hat, nah denen eine größere Einheitlihkeit in diese Vorlage gebracht werden sollte. Jh bin mit derselben Jllusion an diese Arbeit gegangen, ih hatte mir auch eine Menge Grundsäte konstruiert, nah denen diese Veränderungen der Beamtenbesoldung ftattfinden sollten. Ich habe aber gesehen, daß das Shwergewicht der Thatsachen und der Praris und der allgemeinen Auffaffung und. der herrshenden Anschauungen fo ftark ift, daß ih fehr bald meine Fühlbörner einziehen mußte und niht im stande war, radikale Prinzipien in das ganze Syftem hineinzubringen. Ich bin überzeugt, in der Budgetkommission werden Sie denselben Denkprozeß durchmahen und diefelben Erfahrungen. Sie werden sehen, daß hier mit einfachen , klaren, festen Grundsäßen nicht bei allen ganz verschiedenartigen Verhältniffen, wie sie sich bistorish entwidckelt baben und heute noch geftalten, durchkommen werden. Ich werde zur Zeit darauf nicht eingehen, und mi darauf beschränken, zu sagen, daß ih einige von diesen aufgestellten ,Grund- säßen“, au materiell für durchaus unriS§tig halte, daß ih sie nicht acceptieren könnte, selbft wenn fie gegenüber dem beftehenden Zustand durchführbar wären.

Nun haben einige von den Herren si ‘darüber beklagt, daß die Unterbeamten nicht fofort hier wieder mit herangezogen sind. Jch fann nur das darauf erwidern, was von anderer Seite, aus dem Hause heraus, fchon darauf erwidert worden ift: ich bin überzeugt, meine Herren, daß, wenn wir uns die s{wierige Aufgabe stellten, nun gleichzeitig die Frage der Aufbesserung der verschiedenen Kategorien von Unterbeamten hier mitzulöfen, dies Geseß niht zu ftande käme und die Unterbeamten auch nihts bekämen. Wir würden in solche Schwierigkeiten gerathen, daß wir damit nicht zu Ende kämen. I PVedaueré mil det Heut, daß unsere ganze finanzielle Lage damals es nicht gestattete, in einen Zug hintereinander die Aufbesserung der Veamtengehalte durchzuführen. Das würde uns die Sache außerordentli erleichtert haben. Jch er- kenne an, daß es in vielen Beziehungen sehr mißlih ist, daß nun alle Unterbeamten vorläufig zurückstehen müssen, nachdem die Auf- befserungen, die fie erhalten haben, im Jahre 1890 ftattgefunden, und zum theil wie das in der mens{hlihen Natur liegt, das Gute schneller ¿zu vergessen als das Ueble bereits wieder ver- gessen sind. Jch erkenne an, daß, wenn die finanziellen Zustände es in Zukunft erlauben, einzelne Kategorien der Unter- beamten allerdings noch werden berücksihtigt werden müssen. Jch spreche das ganz offen aus. Aber, meine Herren, ih warne davor, den Versuch zu machen, hier, wie Sie sagen, einzelne Kategorien heraus- zugreifen. Sowie ein Abgeordneter damit anfängt, eine Kategorie zu bezeihnen, so wird der zweite eine zweite, der dritte eine dritte, der vierte eine vierte Kategorie bringen, und wir werden plöglih mitten in der allergrößten Verwirrung sein.

Nun hat man aber gewisse Vorbedingungen zwar nicht gestellt aber doch angedeutet. Man hat gesagt: es ift doch absolut noth- wendig, daß die jeßt verkehrte Ordnung des Neisekoften- und Diäten- wesens gleichzeitig mit der Veränderung in den Gehalts\äßen geregelt wird. Ich theile diese Ansiht, und ich hoffe, daß wir bald in der Lage sein werden, in dieser Beziehung dem hohen Hause Vorshläge zu maten, die fich wesentlich nah der Richtung bewegen, die von vershiedenen Rednern hier bezeihnet t. Jch halte persönlich wenigstens die Sache ist im Staats - Minifterium noch nit zur Entscheidung gekommen dafür, daß die Reform in der Nichtung der Herabminderung der Ver- gütung für Reisekosten in gewisser Beziehung und einer mäßigen Er- böhung der Tagegelder sh bewegen muß. Wir werden uns hierüber

wohl verständigen ; die Sache ist ja.so s{wierig nicht,