1897 / 17 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 20 Jan 1897 18:00:01 GMT) scan diff

E E m

Dann hat man gesagt: die Frage der Privilegien der Beamten bezügli der Kommunalsteuern müsse bei dieser Gelegenheit auch behandelt werden. Herc Abg. Dr. Bachem, der fie zuerst angeregt hat, hat aber selbst zugegeben, daß diese Frage nicht einfah zu lösen ift mit einem Strich durh die Bestimmungen, welche gewisse Privi- legien in dieser Beziehung den Beamten, Lehrern und Geistlichen ein- räumen. Jch glaube, er hat sehr recht daran gethan, diese Abmilde- Fung. seiner Wünshe_ „nariufübra.— Venn--—wier-- Sag übers ceber, diese Frage zu behandeln, würde es einmal schon sehr \{chwer fein, darüber hinwegzukommen, daß die ge-

sammte Unterbeamtenshaft diesmal keine Verbefserung erfährt, 1

“vielmehr dur die Beseitigung der Privilegien eine bedeutende Ver-

\Hlehterung ihrer Lage erfahren würde.

Dann, meine Herren, wollen Sie auch erwägen: diefes ganze System der Beamtenaufbefserung beruht auf der Steigerung der Marximalgehalts\äße, daß es also selb innerhalb der aufgebefserten Kreise eine große Zahl von Beamten geben wird, die that- fählich vorläufig wenigstens feinerlei Aufbesserung erfährte Sie wollen erwägen, daß die Regelung einer \olhen Frage in ofenbarem Zusammenhange fteht mit dec Erwägung der anderweiten Regelung der Wohnungsgeldzuschüfse. Denn die Schwierigkeit liegt gerade darin, daß der Beamte keinen freien Wohn- fit wählen darf, sondern dorthin gehen muß, wohin fein Dienst ihn ruft und seine Vorgeseßten thn {chicken. Wenn Sie uns also selbft auseinandersezen, daß die Frage einer anderweiten Ordnung des Wohnungsgeldzushußwesens dringend erforderlih fei, fo fagen Sie damit selbst, daß Sie heute organish diese Frage der Kommunal- befteuerung garnicht lôsen können. Es ifft ja richtig, daß der Grund, den man früher angeführt hat, daß die Beamten thatsächlich höhere Steuern im Verhältniß zu ihren wirklihen Einkommen zu zahlen hätten, als die übrigen Menschen, weil ihr Einkommen klar zu Tage liegt, nidt mehr in dem Maße von Bedeutung ift heute nah der Einführung der Dekla- ration. Dennoch bin ih überzeugt, daß, wenn ih eine Versammlung von Veranlagungs-Kommissären und Präsidenten der Berufungs- Kommissionen hätte und abftimmen ließe, ob nun heute hon dieses Ideal, daß eine wirklihe, überall ganz gleihmäßige Veranlagung der Einkommensteuer bei den gewerblihen und anderen Kreisen im Ver- hältniß zu den Beamten erreiht sei —, ich bin überzeugt, es würde diese Frage einfach verneint werden. -

Nun muß ich doch auch sagen: So sehr dringlih is diese Sache doch nit: mir ist in der Praxis ncch nie vorgekommen, daß eine Kommune nicht sehr bemüht war, eine Behörde zu bekommen, und daß sie sih hâtte abschrecken lassen, diese Behörde zu wünschen, bloß weil die betreffenden Beamten nicht vollkommen fteuerpflihtig wären. Meine Herren, es if doch klar, was auch Herr Dr. Bachem auêgesprcchen hat, daß die Ausgaben, welde die Beamten den Kom-

munen wverursahen, wenig ins Gewicht fallen gegen die Vortheile, die die Beamten solhen Kommunen zuführen, und ih farn daher nicht anerkennen, daß diese Frage eine fo dringliche sei, um fie ifoliert, auch obne dieselbe Frage bei den Seisfilihen und Lehrern, bei den Beamten in Angriff zu nehmen.

Ich möchte daber glauben, daß die Herren selbft bei näherer Er“ wägung aller diefer Verhältnisse das Zuftandekommen dieser fo heil- samen Vorlage nicht von einer so zweifelhaften Sache abbängig machen wollen.

Die Frage, welche hier von verschiedenen Seiten nur geftreift worden ift, die Behandlung der Gehbaltsverhältnifse der Richter und Verwaltungsbeamten, will ich im allgemeinen nicht behandeln : nux haliec ich es für rathsam, zwei Worte über die Geschichte dieser Frage zu sagen; es wird das dech für Viele, die sich defsen nicht genau erinnern, aufklärend sein, um darnach itre Gntischeidung zu treffen.

Meine Herren, Sie werden sich erinnern, daß im Jahre 1879, bei Dur(hführung der neuen Juslizreform gegen den Willen der Staatsregierung durch den Beschluß dieses boben Hauses die Richter allein eine sehr bedeutende Gehal1s8aufbefserung er- hielten. Die Staatsregierung konnte sfich damals dem nihti mit Erfolg widerseßen, weil die Sache zusammenhing mit der Durchführung der neuen Justizreform; aber die Staatsregierung beshloß damals \chon: wenn wir jeßt die Richter aufbessern und die ganze übrige Beamtenschaft zurückstellen, so find wir doppelt ver- pflichtet, sobald die Verhälinisse es irgend gestatten, nun auch die übrigen Beamten in entsprehender Vveise aufzubessern. Man war damals sih darüber vollkommen einig im Staats-Ministerium, daß die Regierungs-Näthe in dieser Beziehung den Ober-Landesgerichts- Räthen gleidgestellt werden sollten. Der Vertreter der Staats- regierung, der spätere Minifter Dr. von Scholz, hat auch diese Er- tflärung bier ausdrülih abgegeben, ohne irgend einen Widerspruch in diesem Hause zu finden.

Nun, meine Herren, baben seit der Zeit die Landräthe hinter den Amts- und Landrichtern im Maximalgehalt zurückgestanden, und ih habe nit gefunden, daß die Bedeutung der Stellung, die Würde der Landräthe darunter irgendwie gelitten hätte ein fester Beweis, daß diese Frage von ganz anderen Dingen abhängt, als von kleinen Gehaltsdifferenzen.

Jeßt kann man doch auh nicht sagen, daß die Staatsregierung die Richter vernacblässigt bätte; troßdem sie im Jahre 1879 einen Vorsprung genommen haben, ist doch die Aufbesserung der Land- und Amtsrichter sogar üter den Durchschnitt der gesammten Aufbesserung Ihnen hier vorgeschlagen; fie beträgt 10,79. Sie sind faft die einzigen Beamten mit wenigen Autnahmen —, deren Minimum aufgebefsert wird, während bei den übrigen die Aufbesserung nur im Maximum erfolgt.

Ich wollte diesc thatsählihen Verhältnisse, ohne auf die Sache selbft weiter einzugehen, weil ih überhaupt niht für richtig halte, jeßt hon Einzelheiten in dieser Beziehung zu erörtern, doch hier erwähnen, weil ih sehe, daß man diese Dinge, nah der Art und Weise, wie sie in der Presse behandelt werden, {on längst wieder vergeffen hat.

Meine Herren, es is von verschiedenen Seiten gesagt : angenehmer wäre es eigentlih gewesen, wenn man niht bloß die Marximalsäge der Beamten überbaupt aufgebefsert bätte, sondern auch die Minimal- säße. Gewiß, wäre das viel angenehmer gewesen! Dann würden wir aber nicht bei 20 Millionen ftehen geblieben fein, sondern bei 40 Millionen ; denn die wahsenden Ausgaben liegen gerade, wenn man den Gesammtgehalt auf das ganze Dienstalter des Beamten in Betracht zieht, in der gesammten Dienftzeit. Das war eben nitt

ziellen Mitteln unten aufzubessern oder oben, den jungen Beamten viel zu geben oder den älteren, dann bin ich feinen Augenblick zweifelhaft, daß man das leßtere wählen wird. Gerade in den leßten Aufrückungsperioden kommen für den Beamten die Hauptausgaben. Diese liegen nicht in der Zeit, wo die Kinder klein und im Hause find, sondern für die Beamten, die ihren Kindern eine gute Erziehung geben wollen,

halten und ausgebildet werden müssen, und das ift gerade in späteren Jahren der Fall.

Der Herr Abg. Dr. Sattler hat nun _noch darauf Hingewiesen, daß der Etat noch viele Wünsche unbefrietigt gelassen habe in Bezug auf seine äußere Einrichtung: er hat namenilih darauf hingewtesen, daß die Budgetkommisfion im vorigen Jahre gewünscht hat, daß die Fonds des Kultus-Minifteriums etatifiert werden möchten. Ich kann das bestätigen, daß nicht bloß im vorigen Jahre, sondern auch in früheren Jahren hier vielfah ein dahin gehender Wunsh zum Ausdruck gekommen ift. Meine Herren, die Frage hängt zufammen, hat wenigstens bisher zusammengehangen mit der Frage der Vorlage eines Komptabilitätsgesezes. Ih habe au aber jeßt mit dem Herrn Kultus-Minister, obne freilich hon das Staats-Ministerium befragt zu haben, mich dahin verständigt, daf: die Frage nicht unbedingt abhängig gemaht werden foll vom Komptabi- litätsgeseß, daß sie sebr wohl au in befriedigender Weise ohne das- selbe gelöst werden kann, indem man vielleiht diejenigen Fonds, die zweifellos keine korporativen Rechte baben, keine juristischen Perfönlich- keiten darstellen, direkt in den Etat einstellt, und ich boffe, daß das Staats - Ministerium wenigstens im nächften Jahre tazu Stellung nimmt. Damit werden die Herren sh wohl berriedigen.

Dann hat der Herr Abg. Dr. Sattler nah dem Komptabilitäts- geseß cefragt. Ih babe meine persönlihe Meinung, daß das Gesetz sowohl für Staatsregierung als für Landtag wünschenswerth ist, nie verheimlicht. Das Staats-Ministerium steht im Prinzip wobl auf demselben Boden. Das geht {hon daraus bervor, daß vor einigen Jahren ein folches Gesetz in der Thronrede in Aussicht gestellt wurde. Wenn es noch nit gelungen ift, einen folhen Entwurf an den Landtag zu bringen, so können Sie glauben, daß das nicht wesentlich in der Abneigung der Réfsort-Minister liegt, sondern in der großen Schwierigkeit der Sache selbst. Es tauhen in den Verhandlungen immer neue Fragen auf, die müfsen dann wieder ad separatum ver- wiesen werden. Ein Entwurf liegt seit zwei Jahren im Staats- Ministerium, und ih verzweifle durhaus noch nit, daß wir s{chließ- lih zu einem gedeihlihen Ende kommen. Es wäre ja sehr erwünscht gewesen, wenn schon beim Zusammentritt des Landtages ein solhes Gesetz hätte vorgelegt werden können; es gelingt vielleiht noch in dieser Session, aber ih kann das mit Sicherheit auch niht in Ausficht stellen, weil die Erfahrungen, die ich bei Berathung gerade diefes Geseßzes gemaht babe, mir widerrather, bestimmte Zeiten in dieser Richtung in Ausficht zu nehmen.

Ich komme noch einmal mit einem Wort auf die Beamtenfrage zurück. Der Herr Abg. Dr. Sattler hat mit großer Offenheit und vielem Recht gesagt: diese Vorlage if im Volke garniht populär, aber, fügte er binzu, wir müssen sie doch machen. Das if genau mein Standpunkt! Daß diejenigen Menschen, wele im Schweiße ihres Angesichts einem unsiheren Erwerb nachgehen, welcher beute vielleidt großen, morgen gar feinen Gewinn, über- morgen Verluste bringt, etwas bedenkliß werden, bei den gewaltig steigenden Ausgaben für unsere Beamtenschaft, die ja fortwährend troy aller Bemühungen der Vereinfahung der Ver- waltung wächst, und deren Bezüge nun au bedeutend watsen sollen, das ift ganz verftändlih. Aber, meine Herren, auch das ist rihtig, daß der Einsichtige, der unbefangen und objektiv Urtbeilende den zweiten Saß des Abg. Dr. Sattler untershreibt: wir müfsen es doch mahen. Man muß anerkennen, daß seit der langen Zeit, wo nichts Grundlegendes in dieser Beziehung geschehen ift, nur Flickwerk gemacht is an einzelnen Stellen, wo das Bedürfniß gar zu s{hreiend war, die Lebensverbältnifse in Deutschland fih außerordentlich geändert haben in allen Klassen, und daß der Beamte diesen Entwickelungêprozez mitmahen muß, wenz er die Stellung in der Welt behalten soll, welche ibm auch im Staats- interefse unbedingt gebührt. Das bezieht ih auf die mittleren Klassen ebenso gut und niht mehr als auf einen Theil der böberen Klaffen. Es ift nicht rihtig, daß die böberen Beamtenklafsen in allen Fällen gesiherter und besser daftänden, als Klassen mit weniger Gehalt; an die leßteren werden auch nicht so hohe Ansprüche geftellt. Es ist nicht möglich das weiß jeder aus eigener Er- fahrung —, den standard of life, der in der Berufsftellung einmal üblich ift, willkürlih zu vermindern; es giebt eine Menge \elbft von Luxusausgaben, die nicht vermieden werden können. Wir sind aber doch das möchte ich Herrn Dr. Bachem sagen durchaus mit der größten Borsiht verfahren. Daz können Sie \{on daran seben, daß wir grundsäßlih, von einzelnen, durch besondere Verbäitnifse be- dingten Ausnahmen abgesehen, die ganze Beamtenverbesserung bei einem Gehalt von 12000 4 abschließen.

Meine Herren, ih möchte hier gelegentlih einshalten: wenn der Herr Abg. Dr. Sattler feinen Grundsatz, alle ftudierten Beamten in maximo glei zu behandeln, durchführen will über die Grenze von 20000 Æ hinüber, dann müßten die Minister {ließlich auch nicht mehr erhalten als ein Oberlehrer oder ein Forstbeamter.

Meine Herren, ich fann nur wiederholen : deln Sie dies Kind nicht als einen robusten Jungen, wie einer der Redner sagte, der garniht fterben könne, au bei s{chlechter Behandlung! Seien Sie etwas vorsihtig mit ihm, fowehl was die Grenzen der finanziellen Aufwendung betrifft, als was die Aenderungen im einzelnen betrifft! Wollen Sie solche Grundsäße rüdksihtsles durhführen, so sage ih Ihnen voraus: wir werden mit der Sache nicht fertig werden. Meine Herren, unsere ganze Beaumtenschaft es handelt sich bier um 73 000 würde Ihnen sehr wenig dankbar sein, wenn Sie diese Vorlage ge- fährden wollten wegen einzelner Differenzen, wo naturgemäß, da es sich um ein Mehr oder Weniger handelt, leiht Lerschieden- heiten der Meinungen eintreten können und berechtigt sind.

Die Hauptsache is aber in der ganzen Diskussion vergessen : daß man auch mal seine Genugthuung darüber ausfprit, scine Be- friedigung, seine Freude, daß wir jeßt im stande sind, 20 Millionen in die Hand zu nehmen und sie unsern Beamten zu geben. (Sehr rihtig! rechts.) Man foll doch über dem Einzelnen das Ganze nicht

beban-

durchführbar. Wenn man aber die Wabl hat, mit denselben finan-

vergessen wie der, der über den vielen Bäumen den Wald nicht mehr sieht.

-Tiegen fie in. ber Zeit. mn-Die-Finder--außerhalb des Hauses üntec-..

Solche Vorlagen kann man nit mit der Leichtigkeit, wie anscheinend der Herr Abg. Richter das anfieht, beliebig vershieben. Die Ent. widckelung unseres Finanzwesens hängt von so unsiheren Faktoren ab, die wir garniht übersehen können i will von gewaltsamen politischen Verwickelungen ganz absehen —, daß die Verschiebung der DurWhführung solher Maßnahmen sehr leiht eine dauernde Ge- fährdung werden kann. Jch empfehle Ihnen, meine Herren, zu ver-

geordnetenhause fagen könne: In seinen Armen das Kind war todt. (Große Heiterkeit.) Ih hofe, es wird lebendig aus der Budget. kommiffion hervor geben, und Sie werden Ihre--Freude--häben,“ wenn Sie wieder in Jhre Heimath zurückebren und für unsere Beamten- haft 20 Millionen mitbringen. (Sehr gut!)

Minister des Jnnern Freiherr von der Recke:

Meine Herren! Die Herren Redner, welhe zu dem Etat ihre Ausführungen gemacht baben, haben eine Reibe von Punkten berührt, die mein Refsort speziell angehen, und von denen ih anerkennen muß, daß sie das öffentlihe Interesse in hohem Maße in Anspruch nebmen. Es ift mir deshalb Bedürfniß, auf einige derselben wenigstens, soweit wie es in dem Rahmen der Generaldebatte möglih und mir rathsam ersheint, hier kurz zu antworten. Es sind dies drei Punkte: die Wahlrehtsreform, die Vereinsgeseßzreform und die Polizei.

Vorweg möchte ih aber noch ganz kurz eine Sache streifen, die des Herrn Kultus-Ministers und mein Resort gemeinsam angeht. Sie ift geftern von dem Herrn Abg. Bachem berührt worden. Das ist die Frage nah dem Schicksal des sogenannten Kirchhofsgesezes. Meine Herren, vor ungefähr zwei Jahren hat der Herr Kultus-Minister hier die Grfklärung abgegeben, es werde der Versuch gemacht werden, einen Gesetzentwurf auszuarbeiten und Ihnen vorzulegen, der die Anlegung konfessoneller Kirhböfe auh in dem Gebiete des Oker-Landesgerihts Köln er- möglicht. Dieser Zusage entsprechend, sind wir sofort an die Aus- arbeitung eines “Geseygentwurfs gegangen, welcher den Provinzial, behörden vorgelegt worden is. Derselbe ist auf noch mancherlei An- fehtungen gestoßen, und wir baben uns genöthigt gesehen, ihn einer Umarbeitung zu unterziehen. Er liegt jeßt wiederum den Pro- vinzialbehörden zur Begutachtung vor. Der Herr Abg. Bachem braucht also, glaube i, keine besondere Sorge zu habenx, daß diesem Geseßentwurf von mir, wie mir zu suppeditieren sien, große Schwierigkeiten gemacht worden wären. Die Schwierigkeiten liegen in der Sahe. Wenn der Gefeßentwurf in der Form, wie der Herr Abg. Bachem ihn damals vorschlug, Gese geworden wäre, so wären wir voraussihtlich auf zahllose Schwierigkeiten in der Ausführung gestoßen.

Wenn ih nun, meine Herren, auf mein speztelles Refsort komme, fo ift es die Frage der Wablreform, die ih zunä mit einigen Worten beleuchten möchte. Ih kann mich hier beziehen auf die ausführlihe Erklärung, die id im vorigen Jahre an dieser Stelle abgegeben habe. Meine Herren, ih habe damals ausgeführt, daß die Königliche Staatsregierung in Erwägungen darüber eingetreten sei, ob ein Bedürfniß bestehe, an der Hand der Erfahrungen den fogenannten plutokratishen Aus- wüchsen des Wahlrehts eine Besserung angedeihen zu lassen, be- ziehungëweise, wenn diese Frage zu bejahen wäre, auf welhem Wege. Es ift damals ausdrücklich bervorgehoben worden, und zwar im Anschluß an eine Erklärung, die der Minister Graf Eulenburg im Jahre 1894 ab- gegeben hatte, daß diese Fragekeine8wegs leichten Herzens zu entsheiden sei, sondern daß man si bei einer so wihtigen und einsGneidenden Frage nur stügen könne auf vollwidhtiges, siheres Material. Es ist dem boben Hause {hon im Jahre 1895 ein Heft statistishen Materials vorgelegt worden. Jh habe mir im vorigen Jahre auszuführen er- laubt, daß wir diese ftatistishen Erhebungen fortseßen müßten, und daß wir mit denselben {werlich vor Ende vorigen Jahres zu Ende fommen werten. Dieser Geshäfteplan ift annähernd inne gehalten worden, ih werde aller Wahrscheinlichkeit nah in der Lage sein, nah Bearbeitung des Materials durch das Statiftishe Bureau, etwa im März dieses Jahres, dem hohen Hause das Ergebniß der Er- bebungen vorzulegen; wir werden dann zu prüfen baben, was weiter zu geschehen hat.

Meine Herren, ih glaube also niht, daß es berechtigt war, der Königlichen Staatsregierung den Vorwurf einer Versäumniß oder Verschleppung zu machen. Dieselbe hat niht die Absicht, die Sache weiter berauëzushieben, als nötbig ist. Zu welhem Resultate die Prüfung fükren wird, meine Herren, das muß ih natürli dahin- gestellt sein laffen.

Die zweite Frage ist die der Reform des Vereinsgesezes. Herr Dr. Bachem und auch einige andere Herren, welche diese Angelegen- heit behandelt haben, {einen zum Ausdruck bringen zu wollen, daß der Königlichen Staatsregierung hier eine mora zur Last falle, und um den, i will einmal sagen, unabsicztlihen Geschicbtsentstelungen do vorzubeugen, möchte ih mir erlauben, kurz noch einmal auf die Ent- ftebungsgeshihte der Sache einzugehen. Meine Herren, als im Reichstage ein Antrag kam, welher darauf hinauslief, in das Bürgerliche Geseßbuch eine Bestimmung aufzunehmen, welche die Aufsbebung des Koalitionsverbcts herbeiführen follte, wurde seitens des Herrn Reiskanz;lers davor gewarnt. Gs wurde autêge- fübrt : es empfeble si eine derartige Aufnahme in das Bürgerliche Geseßbuch sckon um deswillen niht, weil es ih bei dieser Bestim- mung um öffentlihes Recht handele, während das Bürgerliche Geseß- bu dazu bestimmt sei, das Privatrecht zu regeln. Ferner aber ifi darauf hingewiesen worden, daß man voraussichtlich auf dem von dem Herrn Reithékanzler empfohlenen Wege früher zum Ziel gelangen würde, als durch eine Aufnahme in das Bürgerliche Geseßbuch. Meine Herren, die Zusage, die von dem Herrn Reichskanzler damals abgegeben worden ift, wird selbstverftändlich erfüllt werden, und cs liegt meines Erachtens auch durchaus kein Grund vor, daran irgendwie zu zweifeln. Man macht bei dieser Gelegenheit der Königlichen Staatsregierung nun zwei Vorwürfe, die beide durhaus unbegründet sind. Man sagt erstens, diese Vorlage hätte is{chon längft vorgelegt sein können und müßen.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

M 17.

hôâten. dafuanan -na&-Durhteratumn “biefe Gorlage nicht vom Ab.“

daß die politishe Polizei mit ganz besonderen Schwierigkeiten zu

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

t L] —_——.

(S@hluß aus der Ersten Beilage.)

Dazu möchte_ ih mir denn _doÞ_erlauben,--darauf- hinzuweisen, daß der Herr Reichskanzler in der Sißung vom 27. Juni 1896 ge- fagt bat, nahdem er die vorhin {on vorgebrahten Einwendungen erwähnt hatte:

Geschiekt dies aber, nêômlih die Vorlegung

und ich zweifl2 nicht daran, daß es geschehen wird, so wird es in Zukunft auch in den gegenwärtig noch unter dem Verbot stehenden Staaten zuläsfig sein, daß die politishen Vereine mit einander in Verbindung treten, und zwar wird dieser Erfolg ‘unter allen Umftänden früber eintreten, als dies durch cine Aufnaßme des An- trags Auer in das Bürgerlihe Geseßbuh der Fall sein würde, j; weil das Tebtere erst mit dem Beginn des nächsten Jahrhunderts in Geltung gefeßt werden foll.

Meine Herren, wir würden also hiernach formell im Recht ge- wesen sein, wenn wir Jhnen eine derartige Vorlage erft kurz vor dem 1. Januar 1900 gemacht hätten. (Widerspruch.) Sie sehen aber daraus, meine Herren, daß Ihnen die Vorlage {on jest in der Thronrede angekündigt ist; daß die Absicht einer derartigen dilatori- hen Behandlung der Sache nicht besteht.

Wern uns dann ferner der Vorwurf gemacht werden foll, daß wir mit einer derartigen Vorlage erscheinend auch die Revision anderer Beftimmungen des Vereinsgeseßzes verbinden wollten, fo kann ih in vollständiger Uebereinstimmung mit den Herren Abgg. Grafen zu Limburg-Stirum und Freiherrn von Zedliß nur sagen, meine Herren, ih verstehe niht, inwiefern die Herren, welhe die entgegengesetzte Meinung vertreten, aus den von der Regierung abgegebenen Eifklä- rungen derfelben das Ret bestreiten wollen, das Koalitionsverbot des S 8 des Vereinsgeseßes zur Aufhebung zu bringen in dericnigen Form, die ihr die richtige sheint. Sie können der Staatéregierung doch unmögli die Form ihrer Vorlagen vorschreiben wollen.

Meine Herren, es ist dann der Prozeß Lcckert:Lüzow und der Proze von Tausch hicr berührt worden. Ich habe meiner- seità feine Veranlaffung, auf den Prozeß Lecert - Lüßow bier näher cinzugehen, nahdem der Herr Minister - Präsident die erfordeclihen Erklärungen bereits vorber gegeben hat. Ebenfo- wenig halte ih es für richtig, hier auf den Prozeß Tausch einzugeben. Ih kanu aber niht umbin, bier meinem Bedauern Austruck zu geben über einige Auêédrücke, die in der gestrigen Verhandlung bei dieser Gelegenheit gefallen find. Meine Herren, man kann ja sehr wobl die Empfindung haben und der größte Theil derjenigen, die diesen Prozeß mit Aufmerksamkeit verfolgt haben, wird, glaube ih, die Empfindung haben —, daß hier seitens eines Beamten sehr {were Feblgriffe gemacht worden sind. Jch halte es aber doch für viel zu weitgehend, wenn hier immer {on von dem verbrecherischen Be- amten gesprochen wird. Meine Herren, der Prozeß befindet sich be- fannilih noch in der Shwebe, und auch der erste Prozeß hat noch nicht binfihtlih aller Angeklagten die Rechtskraft erlangt. Ich meine also, es wäre vorsichtiger gewesen, wenn man si nicht in dieser Weise ber den betreffenden Beamten ausgesprochen hätte.

Meine Herren, es ist dann die gewiß berehtigte Frage auf- geworfen worden, ob sich bei dieser Gelegenheit nit hinsichtlich der Organisation der politishen Polizei schwere Schäden ergeben hätten und wie fih die Königlihe Staatsregierung dazu zu stellen gedenke. Meiae Herren, ih glaube, es giebt keinen, der \{merzliher etwaige Mißgriffe der Polizei empfindet, als ich. Meine Herren, es giebt aber auc keinen, der eifriger bestrebt sein wird, etwaige Schäden, die sih bet dieser Institution herausstellen, zu verbessern, als ih. Ich habe, rote Sie bereits aus der Prefse entnommen haben werden, eine Prüfung der Frage angeorditet, inwiefern etwa die Organisation der Kunminalpolizei zu verbessern ist. Die zusammenberufene Kommission hat fon eine Sißung abgehalten. Auch binsfihtlih der politischen Polizei werden diejenigen Schritte gethan werden, die sh mir als nothwendig aufdrängen. Aber, meine Herren, ich muß doch dringend auf diesem Gebiet vor Uebertreibungen warnen. Es begegnet mir hier wieder genau dieselbe Erscheinung, die ih neulih s{chon zu bemängeln G:legenheit gehabt habe, daß nämli aus einzelnen Mißerfolgen und aus einzelnen Feblgriffen von Beamten nun sogleich der Schluß gezogen wird, als wenn die ganze Organisation versage und als wenn die ganze Behörde an den gröbsten Fehlern litte. (Sebr richtig! rechts.) Namentlich, meine Herren, auf dem Gebiete der politishen Polizei, glaube ih, muß man hr voifihtig und zurückhaltend in seinem Urtheil sein.

Ich bin nicht ganz sicher darüber, ob der Abg. Richter die Absicht gehabt bat, wie das ja manche der ihm nahefstehenden Blätter thun, die Nothwendigkeit der politischen Polizci überhaupt zu leugnen. Sollte dies der Fall sein, so wird, wie ih hoffe, die Mehrzahl des hohen Hauses ihm darin nit zustimmen. Jch will nicht und kaan aus mebrfahen Gründen bier nicht auseinanderseßzen, weshalb wir cine derartige politishe Polizci brauen. Sic ift unbedingt noth- wendig, und wir müssen unser Bemühen darauf richten, die politishe Polizei auf eine besondere Höhe zu bringen, was ihre Voll- lommenheit betrifft. Bedauerlich ist es, wenn sie bei jeder Gelegen- heit, namentli in der Presse, angefeindet und heruntergeseßt wird. (Heiterkeit links.) Meine Herren, ih habe eben hon davon gesprochen,

limpfen hat. Sie muß fich an Kräfte wenden, die uns nicht lympathisch sind. Aber, meine Herren, da meines Erachtens die politishe Polizei entweder unterrichtet oder garnicht sein foll, so bleibt eben nichts Anderes übrig, als \sich mit diesen Kräften, so gut eben möglich ist, abzufinden. Ich gebe aber voll- ständig zu, daß es das Bemühen der Staatsregierung sein muß, hier tine thunlithst forgfältige Auswahl zu treffen.

Meine Herren, die Eigenart der politischen Polizei bringt es uh mit fih, daß man den Beamten eine große Selbständigkeit lassen muß, und hieraus sind unter Umständen auch manche der

i dem Etat des Handels-Minifteriums gemacht worden sind.

Nißgrife und Mißstände zu erklären, die bisweilen zu

Berlin, Mittwoch, den 20. Januar

P s S O: Gr E: Se 2e

Tage treten. Sollte in dem Maße die Selbständigkeit zu weit gegriffen werden, sollte sih bei den stattfindenden Ver- handlungen herausstellen-baß- max die Zügel s{ärtfer anziehen muß, fo wird es an entsprehenden Aenderungen nit fehlen. Sie können, meine Herren, zu der Königlichen Staatsregierung das Vertrauen haben, daß sie anläßlih dieses Falles streng prüfen wird, was etwa in der Organisation gebessert werden kann. Ich richte aber au an Sie, meine Herren, die Bitte, uns darin beizustehen, daß diejenigen Ueber- treibungen, die {ih auf diesem Gebiete, namentlih in der Prefse, finden, auf das riŸhtige Maß zurückgeführt werden. Jch glaube, meine Herren, Sie werden dadur in besonderem Maße dem öffentlichen Interesse dienen.

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:

Meine Herren! Ich darf mir wohl gestatten, im Anschluß an die Aeußerungen meiner Herren Kollegen die Aufmerksamkeit des hohen Hauses noch für eine kurze Zeit in Anspru zu nehmen nicht etwa mit NRücksiht auf die mehrfachen Bemerkungen, die zu Ich be- halte mir vor, darauf näher einzugeben in der Budgetkommission und bei der zweiten Lefung des Etats. Jch will deshalb au vermeiden, speziel über die Besoldung des Börsenkommissars für Berlin, die hier ja eine abfällige Beurtheilnng von mehreren Seiten des Hauses gefunden hat, mi hier zu äußern. Dagegen halte id es für nothwendig, kurz einzugehen aufdie Ausführungen, die der Abg. Richter mit Bezug auf die Maß- regeln, die feitens des Handel8-Ministeriums zur Ausführung des Börsengesetzes getroffen sind, gemat hat.

Ich darf hier vorweg bemerken, meine Herren, daß die Aus- führung des Börsengeseßes zweifellos eine {hwierige und undankbare Aufgabe ift ; sie ist cine {wierige Aufgabe, weil wir hier zum ersten Mal ein organishes Geseß über die Börse haben. Bisher batten wir nur vereinzelte Bestimmungen über die Börse, die si zerstreut fanden im Handel8sgescßbuh und in dem Einfübrungsgeset zu dem- selben. Jett baben wir zum ersten Mal ein organishes Gefes, dessen Gegenstand unzweifelhaft eine überaus \&wierige und proble- matische Materie für die Gesctzgebung bildet.

Es kommt aber noch binzu, daß gerade dieses Gesez sich ja die staatlichen Kontrole zu unterziehen. Das ift selbstverständlih den dadur Betroffenen nicht angenehm, und die Ausführungsbestimmungen, die auf Grund eines solchen Geseges ergehen, begegnen daber natur- gemäß in diesen Kreisen sehr leit starkem Widerspruch.

Es kommt endlih in Betracht, daß bei dem' hohwichtigen Theile der Geschäfte, die an der Produktenbörse abgeschlossen werd: n, die Interessen zweier Berufsftände sh scharf gegenüberstchen: die Interessen des Produktenhandels auf der einen Seite und die der Landwirthschaft auf der anderen Seite. Bei den Ausführungsbeftimmungen, die ih auf Grund des Börsengesetzes zu erlassen habe, habe ih forgfältige Rüäsiht zu nehmen sowohl auf die Interessen der einen, wie der andern Seite. (Sehr richtig! rets.) Ich glaube, das au meinerseits gethan zu baben und habe mir die Aufgabe gestellt, gerade bei den Autführungen ver Bestim- mungen des Gefeges genau nah dem Sinne der Bestimmungen und dem Geiste des Gefeßes zu handeln und demgemäß die erforderlichen Bestimmungen in den Börfenordnungen zu treffen. (Bravo! rechts.) Ich glaube deshalb au, die Verantwortung für diejenigen Schritte, zu denen si die Produktenbörsen an einigen Orten haben hinreißen lassen, meinerseits ablehnen zu müssen. (Bravo! rechts.)

Was nun die Vorwürfe anbetrifft, die von Herrn Abg. Richter speziell gegen die cinzelnen Ausführungsvorschriften gerihtet sind, fo muß ih darauf näher eingehen. Es handelt sih zunähst um die Be- rufung von Vertretern der Landwirthschaft in bie Vorstände der Pro- duktenbörse. In dieser Beziehung bestimmt der § 4 des Börsengesetzes:

Die Landetregierung kann die Aufnahme bestimmter Vor- {riften in die Börsenordnung anordnen, insbesondere der Vorschrift, daß in den Vorständen der Produktenbörsen die Landwirthschaft, die landtwirthsckchaftlihen Nebengewerbe und die Müllerei eine ent- sprehende Vertretung finden.

Es ist vollkommen richtig, daß hiernach nur der Landesregierung die Befugniß ertheilt ist, für eine entsprehende Vertretung der Land- wirthschaft in den Produktenbörsen durh die Börsenordnung Vorsorge zu treffen. Aber, meine Herren, es kommt zu dieser Bestimmung hinzu die Vorschrift in dein Gese über die Landwirthschaftskammern. Dort ift vorgeschrieben ;

Den Landwinthschaftskammern wind nach Maßgabe der für die Börse zu erlassenden Bestimmungen eine Miwirkung bei der Berwaltung und der Preisnotierung der Produktenbörse übertragen.

Wenn ich diese Bestimmung zusammenhalte mit der des Börsen- gesetzes, so gehe ih von der Ansicht aus, daß ih meinen Verpflichtungen nicht gerecht würde, wenn ich von meiner Befugniß, landwirthschaft- liche Vertreter in die Produktenbörsen-Vorstände zu berufen, keinen Ge- brauch machte. (Sehr richtig! rechts.) Das Geseg gebt von der Voraussetzung aus, daß es nicht mehr angänglih ist, die Preisregelung, die durch) Festseßung der Börsenpreise erfolgt, aus[chließlih den Händ- lern zu überlassen; e8 geht von der Ansicht aus, daß dabei diejenigen Stände auch zugezogen werden sollen, deren Interessen auf das Aller- wesenilihste und Einschneidendste dadurch berührt werden. (Sehr richtig! rechts.) Dieser Auffassung des Gesetzes muß ih Rech- nung tragen, indem ih der geseyliden Bestimmung entsprehend von meiner Befugniß, landwirthschaftlißhe Vertreter zu berufen, Gebrauch mache. (Bravo! rechts.) Ich habe es aber gethan in den- jenigen Grenzen, die mir genau der Bestimmung des Gesehes zu ent- sprechen s{hienen. Es heißt dort: Es soll für cine „entsprechende“ Vertretung gesorgt werden. Nun haben wir Börsen von der ver- \chiedensten Größe und Bedeutung im preußishen Staat, von der großen Berliner Börse bis zur kleinsten Börse in der Provinz. Jch habe hiernach genau die Zahl der Vertreter, die ih in die Vorstände der Produktenbörse berufen habe, abgestuft von 1 bis 5. Wenn ih für die kleinste Börse in der Provinz einen Vertreter berufe,

so fann es doch nicht auffällig ersheinen, wenn ih für Das scheint mir-in der That-doch nicht n weit zu gehen.

Nun meint der Herr Abg. Richter, ih bätte nah meinen Aus- führungen im Herrenhause in Autsicht gestellt, diese Zahl noch zu ver- größern. Meine Herren, ich bin im Herrenhause dazu gedrängt worden, weiter zu gehen und eine größere Zahl zu berufen; ich babe mit Nücksiczt darauf erklärt, daß eine Aenderung der Börfenorduung in jedem Augenblick durh die Regierung erfolgen könne, und babe ausdrüdcklich hinzugefügt, daß sie sowohl die Zahl beraufsezen wie herabsezen fönne. Eine ausdrücklihe Aussicht auf Erhöhung der Zahl habe ih nicht gegeben, im Gegentheil gesagt, es wäre meine Aufgabe, nun zunähst von den Organen Gebrauch zu mahhen, welche mir durch das Börsengesez zuge- wiesen sind, das sind der Börserkommissar und die Vor- stände der Produktenbörse, reorganisert dur den Eintritt der Vertreter der Landwirthschaft. Von diesen beiden Organen, die nun der Regierung zur Seite stehen sollen, um si zu informieren übec die Verhältnisse und den Zuftand der Produktenbörse, babe ih zunähst Gebrauch zu machen, um mir die volle Information zu verschaffen, und dann werde ich die endgültige Feftseßung treffen ; ob diese na unten oder nach oben ftatt- findet, das behalte ich mir no vor.

Nun hat der Herr Abg. Richter gesagt: es sei mir besonders leit gemacht seitens der Produktenbörse, indem sie nihts weiter ge- wünscht hatte, als die ausdrücklibe Aufnahme einer Vorschrift in die Börsenordnung, daß die zu berufenden landwirthschaftlichen Vertreter ihr Amt als Ehrenamt verwalten. Ih muß zunächst bemerken, daß niht von allen Börsen, sondern nur von einzelnen es sind vier dieser Wunsh ausgesprochen ist. Speziell hat die hiesige Berliner Börse nicht diesen Wunsch ausgesprochen, sie hat sih einfa gegen die Aufnahme einer Bestimmung erklärt, welche die Berufung von landwirth\chaftlißen Vertretern in den Vorstand der Produktenbörse bezweckt. Sie bat also das abgelehnt, was nah meiner Ansicht nah der Vorschrist des Gesetzes nothwendig erfolgen muß. (Seht richtig! rechts.) Die Auflösung der Berliner Produktenbörse ist deshalb nah meiner Ansitht nit gerechtfertigt.

Was die übrigen Börsen anbetrifft, so hab: ih über alle Vor- s{riften, die fowohl Ausführungen des Geseßes über die Handels- kammern als Ausführungen des Börfengesetzes sind, mich mit dem Herrn Landwirthshafts-Minister benommen, und es hat sich hierbei heraus- gestellt, daß es do bedenklich fei, eine Vorschrift in dem Sinne in die Börsenordnung aufzunehmen, wie sie von verschiedenen Börsen gewünscht wurde. Man fagte sih: für die Kaufleute ist es selbst- verständlich, daß sie ihr Amt als Vorstand der Produktenbörse als Ehrenamt verrichten, sie gehen auf die Börse, weil sie dort ihre beruf8mäßige Beschäftigung haben, das ist ihr Beruf; dagegen der Beruf des Landwirths, der Platz seiner Thätigkeit ist niht auf der Börfe, der ist draußen in seiner Wirthschaft, und wenn er auf die Börfe geht, fo hat er Versäumnisse, er hat Unkosten. Weshalb foll man nun die Landwirthe hindern, ihnen diese Unkosten zu erseßen ? Das scheint mir eine Auffassung zu sein, die ih nicht für unberechtigt halte. Es handelt sib niht um die Erstattung der Unkosten seitens der Vertreter der Börse, sondern um die Gewährung einer Entschä- digung seitens der Landwirthschaft selbs. Soll man denn die Herren hindern, wenn sie sonst keine geeigneten Vertreter finden können, eine entsprechende Entschädigung für die Vertretung aus ihren Mitteln zu zahlen? Der Zweck, welchen man zunächst seitens der Produktenbörse bei einer solhe Forderung hâtte, ist, das muß ih anerkennen, nit ganz unberehtigt. Sie wünschen, daß die landwirthschaftlichen Vertreter selbständige und fachverständige Personen sind, sie wünschen des- halb, daß sie ihren Beruf als Landwirthe ausüben und zugleih nicht in einer abhängigen Stellung sind. Diesen Wunsch halte ih an und für sich berechtigt, ebenfo der Herr Land- wirthschafts-Minister, und in der Anweisung, die der Herr Land- wirthschafts-Minister den Landwirthschaftskammern hat zugehen lassen, ist ausdrücklih darauf hingewiesen, daß es nothwendig sei, dieser Vorausseßung Rechnung zu tragen. Ich habe deshalb die bereits er- wähnten vier Börsen beziehungsweise die Handelsorgane an deu be- treffenden Börsenplägen dahin beschieden, daß ih zwar davon Abstand nehme, eine bezüglihe Vorschrift in die Börsenordnung aufzunehmen dagegen dahin wirken würde, daß thatsählich die von ibnen ge- wünschten Bedingungen erfüllt würden. Wenn das nit ge- sehen sollte, und soweit das niht gesehen sollte, behalte i mir vor, die erforderlihen Bestimmungen künftig in die Börsen- ordnung aufzunehmen. Das ist den Herren eröffnet und mitgetheilt worden. Jch glaube, sie können sih darüber nicht beklagen.

Nun komme ih zu dem zweiten Punkt; das ist die Feststellung der Preise an der Produktenbörse. Jn dieser Beziehung hatte man seitens der Landwirthschaft den Wunsch, den ih an und für si als vollberechtigt anerkennen muß, daß nämli die Preise nicht ganz allgemein lediglih für Weizen, Roggen u. \. w. notiert würden, sondern daß man, soweit angängig, eine Unterscheidung mache nach Sorten und Qualitäten; denn man sagte sch: was nußt es uns, wenn wir in dem Kursverzeihniß lesen : Weizen von 140—160? (Sehr richtig! rechts.) Wir wollen wissen, was für Weizen, welhe Mengen sind gehandelt, verschwindende oder große Quantitäten? Wir wollen wissen, was für den besten, mittleren, geringwerthigen Weizen gezahlt wird. Nun haben sie den dringenden Wunfch, daß man den Versuh maden möchte, bei künftigen Preis- notierungen folhe Unterscheidungen cinzuführen.

Ich habe meinerscits hierüber mih benommen mit den Ver- tretern der angesehensten Börsen im Lande. Man hat mir gesagt, daß die Ausführung folcher Bestimmungen außerordentli s{wierig sei und namentlih deshalb fo s{hwierig sein würde, weil ja die Preis- notierungen in einer schr kurzen Zeit si vollziehen. Die Mehrzahl derselben bezeichnete es geradezu als unmögli, in so weitgehendem Maße eine Differenzierung bei den Preisnotierungen ein- treten zu lassen, wie es von seiten der Vertreter der Landwirthschaft

gefordert wurde.

die große Produktenbörse in Berlin fünf berufe. (Sehr rihtig! rechts.)