1897 / 19 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 22 Jan 1897 18:00:01 GMT) scan diff

zusprechen, als wenn das Vertrauen zu dem Richterftande oder die Bedeutung des Richterstandes in der letzten Zeit abgenommen bätte. ‘Jh theile nicht diese Ansicht. Wenn aber die Bedeutung des Richter- standes abgenommen hätte, und wenn man mit Recht behaupten förnte, daß unsere Richter dem öffentlichen Leben, dem Leben über- baupt, zu fern stehen, dann würde das do nur Folge lediglih unserer * eigenen Gesetzgebung sein. Das konnten wir alle, die wir art der Einführung der Verwaltungéjuftiz theilgenommen haben, voraussehen, - daß die Abshneidung jever-richterlieni Thätigkeit auf dem öffentlih- rechtlichen Gebiet die Bedeutung des Richterstandes unmöglich heben fonnte. Die Frage is auh damals oft genug zur Sprache gekommen; das i die Schuld der Richter, daß Richter, die aus\{ließlich auf das Privatrecht, abgesehen von dem Kriminalrecht, verwiesen werden, niht die Bedeutung haben können wie ein euúglisher Richter, der zugleih über das gesammte öffentliche Recht seines, Landes entscheidet. Das ift eine Entwickelung, die man vorherseben konnte; da trifft niemanden tie Schuld, und ih gebe vollftändig zu, daß, wenn dadurch die Bedeutung der Thätigkeit des Richters etwas abgemindert ift, die Staatsregierung © besonders und vorzugsweise daraus die Verpflichtung herleiten muß, was an ibr ift, die Stellung und die Würde des Richterftandes zu beben, ftatt dieselbe herabzudrüden.

Meine Herren, einige von den Rednern haben gewisse Bestim- mungen in der Vorlage, namentlih der leßte Herr Redner, Herr Kirsh, in Beziehung auf die Stuldirektoren Raritäten genannt. Ia, meine Herren, diese NRaritäten Haben wir selbff aber vor wenigen Jahren hier beschloffen: sie beruben einfach auf dem Normal-Etat, an defsfen Verabshiedung die Herren ja alle betbeiligt find. Wenn wir uns nun s\cheuten, eine Ordnung des Gehalttwesens, welch2 auf übereirstimmenden An- schauungen der Staatsregierung und des Landtages beruht und noch vor kurzem in einem förmlichen Gesetze fixiert ift, bei dieser Ge- legenheit zu beseitigen, fo kann man doch unmögli das eine Rari- rätenkrämerei nennen. Materiell bin ich auch niht der Ansicht ih glaube, Herr Abg. Gamp bat fie ausgesprochen —, daß die Direktoren an kleinen Schulen in kleinen Städten eigentlih ein viel höheres Gehalt verdienten als Direktoren bier in Berlin, einer theuren Stadt, mit einzr Shülerzabl von bis zu 1200 an einem Gymnafium. Man hat da dec auh eine viel größere Verantwort- lichkeit, viel größere Kraftanftrengung und in manchen Beziehungen das wage ih zu fagen au größere Direktionébefähigung notb- wendig.

Meine Herren, wenn man nit so lange parlamentarishe Er- fahrungen bätte, fo könnte man na dem Verlauf der Debatte glauben, daß das Zustandekommen der ganzen Gehaltsvorlage in Frage gestellt wäre, ob da ein Mesultat aus den Be- rathungen herauskommen wird, wels der Regierung an- nehmbar if. Die Staatêregierung kann ja natürli nit in allen Einzelbeitez auf ihrem Schein befieben. Aber allerdings ift ibr das Werk felbst so \{chwierig geworden und fie hat sch fo febr überzeugt, wie gefährli es ist, zuviel an Bestimmungen zu rütteln, die große Konsequenzen auf das Ganze baben, daß es eine Reibe von Punkten giebt, wic die Herren fi selbft in der Berathung überzzugen werden, bei welchen die Regierung nit nachgeben kann. Wir würden es {merzlich bedauern, wenn diese Vorlage niht zur Verabschiedung gelangte; es würde eine ofene Wunde bleiben, niht bloß eine ofene Frage, und wir würden immer auf die Frage zurückfommen müssen, ohne die Garantie zu haben, daß wir bei einer Berathurg in einem ber nähften Jahre etwas Befseres zu stande brähten. Die Frage muß doch nach der gesammten Lage, wie die Sache si einmal ent- wickelt bat, einmal gelöst werden, und ich boffe daber immer not, daß Sie an die Vorlage herangeben werden mit den nöthigen Rück- sihten auf den bestehenden Zustand, auf die Auffassung der Staats- regierung und daß Sie handeln werden nah dem Saße, daß man das Befsere nicht den Feind des Guten sein lassen soll.

Abg. Gothein (fr. Vgg.): Dem Handels-Minister war aller- dings mit der Ausführung des Börsengesezes eine schr s{wierige Aufgabe geftellt; entweder mußte er den Kaufmannsstand oder die Agrarier verlegen. Er hat den erfien Weg gewählt. Die Schuld trifft allein jenes unselige S Dieses hat die Erbitterung der Kaufleute hervorgerufen. Der Deutshe Handelstag hat einstimmig dieses Geseß als eine Ehbrenkränfung des deutshen Kaufmannéftandes erklärt. Man bat immer von falschen Notierungen gesprochen. Mußte das niht die ebrenwert’en Aufsihtsräthe kränken? Der Getreideproduzent hat ein Interesse daran, daß die Getreidepreise höher notiert werden, als sie in Wirklichkeit sind, und in Berlin bat man in einem Falle wirtlich eine böbere Notierung des Weizens angestrebt. (Rufe rechts: Namen nennen!) Der Ton in den Versammlungen und hier im Hause über die Börse unterscheidet sh nit weilen: derselbe Faden, nur eine_ andere Nummer. Die Reden der Abgg. von Puttkamer und Stôcker können niht dazu dienen, die Einigkeit wieder herbeizuführen. Stödcker is allerdings nit Landwirth, aber jeder Börsenvorstand würde ihn als Kollegen ablehnen. (Zuruf rehts.) Das is keine Unverschämthbeit. (Vize - Präsident Dr. Krause: Ich habe einen solchen Zuruf nicht gehört, sonft würde ih ihn gerügt haben.) Wollen Sie die Börse mit Shußmännern umgeben? Man kann doch nitt jede Vereinigung, die „zur Erleichterung des Verkehrs“ zusammentritt, als Börse bezeichnen; das wâre ebenso widersinnig, als wenn man die Definition : das Schaf ist ein Thier, das mit Wolle bekleidet ist, so umfkehren wollte: jedes Thier, das Wolle trägt, ist ein Schaf. Geschädigt werden durch den jeßigen Zustand nicht die Getreide- bändler, sondern_die Landwirthe. Herr Gamp hat den zitierten Artikel der „Freisinnigen Zeitung“ nicht verfianden. Der Sinn dieses Artikels war, daß der Fortfall des Terminhandels eine momentane Ueberfüllung des Berliner Geshäfts zur Folge batte und dadurch den Berliner Marktpreis gedrückt hat. Hätten wir den Terminhandel gehabt, so hâtten wir dies vorübergehende Fallen des Preises niht gehabt. Jeßt weiß man*den wirklichen Preis nit mehr, und der Getreidebändler in der Provinz hat den Vortheil. Das Termin- geschäft wird jeßt nicht wehr in Berlin, sondern in Amsterdam gemacht, und dem Reih entgehen die Stempel für die Schhlußscheine. Die Kaufleute werden nur einen ehrenvollen Frieden \chließen; sie werden fich nicht Aufsichtsorgane von fremden Körperschaften aufdränaen laffen; freiwillig sie an- zunehmen, ift eine ganz andere Sache. Wollte man die Landwirth- haft um 600 Millionen kauffräftiger machen, so müßte man den Zoll unverbältnißmäßig erböben. Auch der Handel und die Industrie arbeiten heute mit geringerem Nutzen als früher. Wir nähern uns immer mehr dem Industrieftaat, wie die neueste Volkszählung zeigt; die Landwirthschaft mat nicht viel mehr als ein Drittel der Bevölkerung aus. Zur Einkommensteuer trägt die städtishe Bevöl- kerung drei Viertel, die ländliche nur ein Viertel bei. Und Sie ver- langen, daß diese Minderheit regiert? 40 9/9 Landwirtbe fißen Ser im Hause, 40% Beamte, und die Vertreter des Handels und der Jn- dustrie sind nur minimal vertreten. Das liegt an unserer unerhörten Wakblkreiseintheiluna. Berlin müßte eigentlih 25 Abgeordnete haben, Breslau 5 ftatt 3, Ostpreußen 6 weniger. Hoffentlich gelingt es noch

in diesem Jabrtausend, hier Wandel zu \{hafffen. Der Etat ift viel zu vorsichtig aufgestellt, die Einnabhmepoften müssen erböht werden. In der Besoldungsfrage vermissen auch wir eine Ginheit- liéfeit. entlich gelingt es der Budgetkommission, eine gesunde und gerechte Grböhung der Gebälter zu sQaffen. ,

Minisier für Handel und Gewerbe Brefeld:

Meine Herren! Zu meinem Bedauern muß ih noch einmal für kurze Zeit das Wort ergreifen, um einige aufklärende Bemerkungen zu machen zu den Aeußerungen, welche --seitens - verschiedener Herren Vorredner in der Diskussion gefallen find.

Zunächst ift von Herrn Dr. Friedterg die Behauptung aus®- gesprehen worden, es sei eine große Rücksichtslosigkeit seitens des Handels- Ministers gegenüber der hiesigen Kaufmannschaft, daß die Börsen- ordnung für die biesige Börse erst Ende Dezember genehmigt worden ift. Ich glaube, diefen Vorwurf ablehnen zu müssen, und auch der Herr Abgeordnete würde ihn wobl nicht gegen mih erhoben haben, wenn ihm die Thatsa§hen genauer bekannt gewesen wärea. Ih habe bereits im Iuli vorigen Jahres eine eingehende Verfügung an sämmt- liche Handelskammern, welhe sh an dem Siß der verschiedenen Börsen befinden, gerihtet und sie aufgefordert, die Börsenordnungen entsprehend den Bestimmungen des Börsengesezes umzugeftalten und die umgestalteten Entwürfe zur Genebmigung wvor- zulegen. Die Berichte waren bis spätestens zum 1. Oktober erfordert; fie gingen au ein, theils vor, theils naÿ diesem Termin. Um diese Zeit waren aber seitens des Neich8ants des Innern Ver- handlungen eingeleitet, um eine übereinftimmende Ausführung des Börsengeseßzes seitens der vershiedenen Landesregierungen in mehreren Punkten sicher ju ftellen. Diese Verhandlungen mußten meinerseits abgewartet werden, ehe ih die Börsenordnungen genehmigen kfonnte.® Gs war außerdem der provisorishe Börsenauss{uß konftituiert und einberufen worden und mit der Berathung einer Reihe von Fragen befaßt worden, die gerade die s{chwierigsten und proble- matishsten Beftimmungen der Börsenordnung betrafen. Auch diese Verbandlungen babe ih meinerseits abwarten müssen, che ih dazu übergeben fonnte, die Börsenordnungen feftzustellen beziebungêweise zu genehmigen. So kam es denn, daß der Erlaß, in welhem bezügli der Börsenordnung für Berlin die Bestimmungen gztroffen sind, unter welchen meinerseits die Genehmigung erfolgen konnte, erft unter dem 4. Dezember an die biesige Kaufmannschaft gerichtet wurde. Die hiesige Kaufmannschaft hat nun aber mit den von mir getroffenen Aenderungen sich nit obne weiteres einverstanden erklärt, sondern dagegen remonftriert, und dieser Beriht ging ein am 17. Dezember. Da die Remonfiration gerade solche Punkte betraf, die ebenso zur Ausführung des Geseßes über die Landwirtbschafiskammern wie zur Ausführung des Börsengesetzes gehören, so mußte mih darüber mit dem Herru Landwirtbsafts-Minister Lenebmen, und so erklärt es sich, daß die end- gültige Feftsezung der Börsenordnung sich verzögerte bis zum 23. Dezember. Aber Thatsache ist, daß der betreffende Erlaß {hon am erften Weib- nahtêtage in die Hände der Kaufmannschaft gelangt ift, also nit Ende Dezember. Die VeröffentliGung im „Reichs - Anzeiger“ hat allerdinas erst Ende Dezember ftattgefunden und das erklärt sich so: es hat cine Veröffentlihung der übrigen Börsenordnungen im „Reihs- Anzeiger“ nicht stattgefunden und es war auch nicht die Absicht, für Berlin die Börsenordnung durch den „Reichs-Anzeiger“ zu ver- öffentlichen. Weil aber in den öffentlicen Blättern der dringende Wuns ausgesprohen wurde, daß diese Veröfent- libung stattfiade, so erfolgte sie nahträglih und infolge dessen erst Ende Dezember.

Sie sehen also, daß die Zeitfriften, in denen si{ die Aus- führungen des Börsengeseßes in diesem Punkte bewegten, dur die Umstände bedingt waren, und daß in der gegen meinen Wunsch ver- ¿ôgertcn Festseßung der Börsenordnung eine Rüksihtsklosigkcit gegen die biefige Kaufmannschaft niht liegt; ih kann versihern, daß mir eine fole überbaupt fern gelegen bat.

Nun babe ih mich roch zu äußern über eine Frage, die von mebreren der Herren Vorredner angeregt ist, nämlich darüber, wie denn die Stellung der Regierung ¿u den freien Ver- einigungen ift, die sich {on an mebreren Orten an Stelle der Pro- duftenbörcsen gebildet baben. Ih babe natürli Veranlassung ge- nommen, über die rechtlihe und wirths{aftlize Grundlage und Be- deutung dieser freien Vereinigungen einen Beriht von den Staats- fommifsarien der betreffenden Börsen zu erfordern. Ih hake in diefem Erlaß speziell Auskunst darüber gefordert, ob es ih bier um geshlofjene Gesellshaften handelt oder um solche Gesellshaften, wo jeder gegen Zahlung seines Beitrages Zutritt bat; ferner über den Vorstand dieser Vereinigungen und ihre Statuten, über die Artikel, die dort gehandelt werden, über die Art der Geschäfte, die dort geschlossen werden, ob insbesondere Lieferungsgeshäfte auf Zeit, ob nah bestimmten Usancen diese Geschäfte ges{chlofsen werden, nah bestimmten Schluß- scheinen, über den Umfang der einzelnen Geschäfte, über den Zusammens- bang der Geschäfte, über die Einrihtungen für die Preisermittelungen über die Bekanntgebung der Preise, die gehandelt werden, in

dem Versammlungskokal selb; endlich über die Einwtrkung welche die Preisfeftstellung auf die Preisbildung für die betreffenden Produkte ausgeübt hat.

Sie erseßen {on aus diefer Beziehung der einzelnen Punkte, worüber der Bericht erfordert ift, von welcher Auffassung die König- lihe Staatsregierung ausgegangen ift. Sie geht davon aus, daß es ihre Aufgabe ist, zu prüfen, ob diese freien Vereinigungen Privatbörsen find; denn wenn fie Privatbörsen sind, daan würde die Regierung allerdings das Recht in Anspru nehmen müfen, daß ibre Genebmigung beim Handels-Minister nahgesuht und eine Bóörsen- ordnung zur Genehmigung vorgelegt wird. (Bravo! rets.) Man hat über die Frage, wie der § 1 des Börsengesetzes auszulegen sei, in ¿ffent- lichen Blättern versGiedene Auffafsungen ausgesprochen und vertreten. Fine derselben is auch von dem Herrn Abg. Richter vertreten worden: es könnten nur solche Einrichtungen als Börsen angesehen werden, die von der Regierung genehmigt sind. Und wenn eine Privateinrihtung dieser Art getroffen fei, die niht den Arspru erhebe, eine Börse zu sein, die privilegierte Stellung der Börse ein- zunehmen, so falle sie niht unter das Börsengesetz. Diese Auffafsung theilt die Königlihe Staatéregierung nicht, sie ift vielmehr der An- fihht, daß es im Sinne und Geiste des Börsengeseßzes liege, es sollen keine Privatbörsen zugelaffen werden obne die Genehmigung der Re- gierung. (Sehr gut! cechts.)

Meine Herren, wenn Sie in Betracht ziehen, daß es gerade der Zweck des Börsengesetzes ist, nunmebr die Geschäfte, die an der

Börse geshlofsen werden, unter die Aufsicht des Staats zu stellen, bei

dem Verfahren, wie dort die Preise ermittelt werden, au die Beruiz.

stände heranzuziehen, die an einer rihtigen Preisfeftstellung das größte

Interefse haben, dann werden Sie doch zugeben, daß es

angänglih ift, Privateinrihtungen zuzulassen, die sich der Stagta, auffi@t einfach dadurch entziehen, daß sie sagen: wir wollen keine Börsen sein, wir wollen zwar das nämliche thun, wie die Börjen, aber wir wollen die Staatsaufsiht niht. Das ift mit dem Sinne und Geifle des Gesetzes niht vereinbar. Aber es if ebenso wenig vereinbar mit dec wdörtlihen-Fafuig tés” Bötsengescßes, e5 beißt in § 1 des Börsengeseßzes : {die Ercichtung einer Börse bedarf der Genehmigung der Landesregierung. Wenn der Sinn der wäre, den der Herr Abg. Richter und die Börfenzeitungen der Bestimmung unterlegen, so würde man si so haben ausdrüden müssen: als Börsen im Sinne dieses Geseßes sind nur solche Ginrihtuxgen aufzufassen, welhe von der Landesregierung als Börsen zugelafsen sind. Statt deffen steht aber hier ausdrüdÆlich, es solle die Errihtung einer Börse nicht ftattfikden ohne die Genebmigung der Regierung. Jh glauke, hiernach fann ein Zweifel darübcr, wie § 1 auszulegen ift, thatsähli@ niht aufgeworfen werden.

Dazu kommen aber noch die Ausführungen in der Begzröndurs des Börsengefeßes. Ih möchte mir erlauben, hier nur wentges zo verlesen. Zunächst heißt es zu § 1:

Von einer Definition des Begriffes „Bärse* hat der Entwurf abgesehen, weil eine sclche kaum ershöpfend zu geben if, nad weil die thatsäblihe Geftaltung der vorhandenen und als folde im technishen Sinne unbestritten anerkannten Börsen genügenden An- halt bietet, um zu entscheiden, ob eine kaufmännishe Versammlung als Börse im Sinne des Gesetzes anzusehen ist oder nit.

Meine Herren, die Frage, ob eine vorhandene Einrichtung als Böri-c anzufehen ift oder niht, würde nah der Auffaffung und Auskzgung, die der Herr Abg. Nichter vertritt, garniht hier aufgeworfen wexten Tônnen ; denn da liegt das Kriterium einfah in der Genebmigung der Landesregierung: die genehmigten Börsen sind dann allein Börsen —, andere giebt es niht. Es würde alío die Frage, die hier aufgeworfen ift, garni®t mögli sein.

Es beißt dann im näbstfolczenden Passus der Begründung :

Zusammenkünfte der Börsenbesuher in den Börsearäunen außerhalb der gewöhnliwen Börsenzeit, welhe den Charakter bôrsenmäßiger Versammlungen tragen (Frühbörsen, Nachbörse, Abendbörsen und dergl.) unterliegen den für die Börsen gzaebenen geseßlihen und administrativen Beftimmungen in gleihter Weti wie die Versammlungen während der Hauptbörsenzeit.

Hierdurch ift do sehr deutlih zu erkennen gegeben, daß Privat- einrihtungen für den Börsenhandel ebenso wie Frühbörse, Nachbörie, Abendbörse u. f. w. behandelt werden müssen, daß sie ebenso wiz dieie der Genehmigung bedürfen.

Dann muß ih Ihnen noche cine andere Stelle verlesen. Es beiët auf Seite 17 der amilien Begründung :

Die Aufstellung beftimmter Normen is {hon in formeller Hinsicht leiter in Betreff derjenigen Börse, welhe bereits eine fefie äußere Organisation befigen, als in Betreff der Börse, die fi ibrer GntwiFelung nah als freie Vereinigungen von Kaufleuten und anderen Geshäftstreibenden zu geshäftlihen Verabredungen ieter Art betraten und daber jedem Eingreifen der Staatsgewalt mit befonderer Lebhaftigkeit widerftreben.

Weiter beißt es dann:

Beschräukt sich die Geseßgebung auf diejenigen Maßregeln, welhe ¡um SöSuy der allgemeinen wirthscchaftlihen Interessen alt nothwendig erkaunt werden, so muß sie au auf alle inléndiscken Börsen obne Unterschied sich erstrecken

also sowobl auf die organisierten Börsen, als auf die freie: Ver» einigungen.

Ich glaube, es kann unter folhen Umftänden wobl nit zrozifels baft sein, wie § 1 des Gesezes auszulegen ift. j

Zum Ueberfluß aber sind die sämmtlichen Herren Kommifare, Lie s. Z. mitgewirkt baben bei der Aufftellung deë Entwurfs, voUlßäntiz tarüber eius, daß garnihts Anderes bezwcckt ift bei 8 1, als daÿ Privatbörsen nit zugelassen werden follen, obne die Genebmigung der Regierung. (Bravo! rechts3.)

Nun bin ih bei der Bedeutung der Frage vorsihtig gerug gewesen, mich in diesem Punkt niht auf meine eigene fubiekltire Anficht allein zu verlafsen; ih babe mich der Zuftimmung des König- lihen Staats-Minifteriums versichert, und was ih erkläre, iît nit bloß meine perfönlihe Ansiht, sondern ift die Auffaffung des Köniz- lichen Staats-Ministeriums. (Bravo! rechts.) Eine andere Frage ift nun aber die, ob die Regierung, wenn sie den S 1 des Gefezes so auslegt, etwa in der Felge gegen die freien Vereini- gungen mit Zwangsmaßregeln vorgehen foll. Selbftverftändlih reird die Frage für mich erst dann prafktisch werden, wenn die Ermittelazgen zum Abschluß gekommen sind, die von mir eingeleitet sind. J bate die Staatékommissarien der verschiedenen Börsen zunächst zum Berit aufgefordert ; ih nehme au an, daß, wenn ter Bericht vorliegt, ih nicht umhin können werde, noch eine Aeußerung der betreffenden HVandelsorgane zu erfordern : also der kaufmännishen Korporationen und der Handelékammer. Erft wenn diese Berichte vorliegex, dann bin 1ch also in der Lage, von den freien Vereinigungen ver- langen zu können, daß siz2 nunmehr die Genehmigung nahsuchea und eine Börsenordnung zur Genebmigung vorlegen, sofern sie na dem Ergebniß der Ermittelungen als Börsen anzusehen sind. Darin würde aber au, glaube ih, durchaus feine Prägravation der Kaufmannschaft liegen. Wenn nämli die Herren mit diefer Auffaffung nit eia- verstanden sind und wenn sie glauben, daß ein thatsähliher Zwang zu ihrer Durchführung mit Fug abzulehnen ift, so sind fie ja in der Lage, den Weg verwaltungegerichtliher Klage betreten zu können.

(Schluß in der Dritten Beilage.)

Dritte Beilage

zum Deulschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M 19.

0

(Schluß aus der Zweiten Beilage.)

Es würde dann die Entscheidung der obersten verwaltungsgerihtlihen Instanz über diese Frage ergehen und dadur eine Grundlaze für die weitere Behandlung der Sache geshaffen werden. Ih glaube also, Befürchtungen nach diefer Richtung bin in Bezug auf Un- zufömmlihkeiten, wie sie in der Auflösung solher Versammlungen beftehen würden, brauht man nit zu haven. Meine Herren, ih bin kein Freund polizeilihen Zwangs, und wenn man ihn vermeiden kann, ist es am besten. JIch glaube aber, nach den Aeußerungen, wie sie beute von beiden Seiten des hohen Hauses gehört worden sind, ift gegründete Ausficht vorhanden, "daß eine Verständigung zwischen den Parteien in niht zu ferner Zeit erfolgen könne. Sie haben gehört, daß man feitens der Landwirtbschaft bereit ist, auf die beiden Hauptforderungen der Kaufmannschaft einzugehen. Man ift bereit seitens der Landwirthschaft, fih der Beitragsleisiung für die Börse und der Aufnahme als Mitglieder der Korporationen zu { unterwerfen, ebenso damit einverstanden, daß die ehrenamtlihe Funktion der landwirthfchaftlihen Mitglieder des Vorstandes der Produkten- böôrsen vorgeschrieben wird nur mit der Maßgabe der Erstattung der erwahsenden Auêgaben. Diese Modifikation wird auch von dieser Seite (links) als berechtigte anerkannt; es bestebt also im wesent- lihen eine übereinftimmende Auffassung, die, wie ih glaube, für eine Verständigung ausreichen würde. Deéhalb mödte ih bitten : scheiden wir nach Möglichkeit die düftere Perspektive des polizeilihen Zwang3 aus unseren Erö:terungen aus; ich glaube, wir brauchen uns durch cinen folhen Trübsinn den Genuß der Berathung des Etats nicht verkämmern zu laffen. (Große Heiterkeit.)

Abg. von Czarlinski (Pole): Ib muß die Angriffe des Kultus-Ministers gegen die Polen zurückweisen. Will der Mirister wiederum wie im vorigen Jahre seine Stellung durch folhe un- erhörten Angriffe befestigen? Ich fordere ibn auf, diefe Angriffe zu beweisen. Gelingt ihm das nit, so muß ih seine Angriffe für eine verleumderishe Beleidigung erklären. (Vize-Präsident Dr. Krause: Dieser Vorwurf entbält eine fo {were Beleidigung niht nur des Herrn Ministers, sondern au des ganzen Hauses, daß ih sie aufs ftrengste rügen muß; ih rufe den Abgeordneten zur Ordnung!) Alle diese Beschuldigungen sind wahrscheinlich der „Poft“ entnommen, die schon wiederkolt falsche Berichte gegen die Polen gebraht hat. Redner fucht dies an mehreren Beispieken nachzuweisen.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! - Die von dem Herrn Vorredner behandelte Frage geht mich als Refsort- Minister nihts an; wohl aber möchte ih doch direkt auf die Angriffe gegen meinen Kollegen, den Herrn Kultus- Minister, meinen eigenen Eindruck über nit bloß die Reden bier, sondern namentlich über die polnishe Presse wiedergeben. Ich habe mir ftets vorgenommen, gerade die polnishe Frage möglichst objektiv zu behandeln und die verschiedenen Richtungen, die in der Sz&e liegen, augeinander zu balten. Jch habe als Staats-Minister seit längeë als 6 Jahren die uns, den Staats-Miniftern, zugehenden Uebersezungen der polnishen Blätter gelesen, und ih kann nitt anders sagen, als daß bei der größten objektiven Beurtheilung ih die Empfindung gehabt habe, daß in watsender Weise die Schärfe, die Heftigkeit und Bitterkeit ih möhte faft sagen: ?die Bosheit.— dieser Presse wächst. (Hört! höri !)

Meine Herren, man bekommt den indruck, daß mehr und mebr diese Presse wenigstens ih ce hier noch nit von der polnischen Bevölkerung den preu“chen Staat nicht bloß als einen fremden Staat, sondern alé einen feindlihen Staat behandelt {höit! hört !), gar keine Retgung zeigt, im Frieden mit ihm, mit der deutschen Be- oôlkeruig zu feben, sondern immer effenbar mit Hintergedanken auf ganz andèce Ziele die Scheidung der Nätionen zu verschärfen sucht, ibrer®eits da nicht in der Vertheidigung bleibt, sondern die Offensive ergreift. (Sehr rihtis!) j

Meine Herren, wenn es fo weit gekommen ift, daß bier ein Redner der preußishen Regierung, dem Deutschtbum und seinen Be- ftrebungen ins Gesicht zu sagen wagt: Quousque tandem, Catilina, abutere patientia nostra, so bat der Herr Kultus-Minister roll- kommen Recht, wenn er darauf antwortet: Quis tulerit Gracchos de seditione querentes! (Sehr ridtig!)) Querentes, meine Herren, allerdings nur, denn kommen werden die Polen dazu nicht. (Bravo!) ;

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten D. Dr. Bosfje:

Meine Herren! Ich hoffe, es wird mir gelingen, nit in dem erregten Tone zu erwidern, den wir eben von dem Herrn Abg. von Czarlinsfi gehört haben. Aber, meine Herren, ein paar Worte darauf muß ih doch sagen, nachdem wegen des persönli gegen mi ge- rihteten Angriffs durch den Eingriff des Herrn Präsidenten mir bereits Genugthuung geworden is. Der Herr Abg. von Cizarlinsfi klagt über einen unmotivierten Angriff, den ich geftern gegen die rationalpolnishe Bewegung, namentli gegen die nationalpolnische Agitation gerichtet hätte. Meine Herren, wie motiviert der Angriff war, hat eben mein verehrter Herr Kollege, der Finanz-Minister, {on damit dargethan, daß er auf die Frage hingewiesen hat, die gistern an mich ge- rihtet wurde: quousque tandem, Catilina? Ja, meine Herren, wer von ‘uns in diesem hohen Hause hat wohl die Geduld gemiß- braucht? Auédrücklich hat der Herr Abg. Motty gesagt, an die Regierung richtet er diese Anfrage. Nun frage ich Sie, wer es bier im Hause gewesen, der oft genug die Geduld gemißbrauht hat? Ich wifl dabei von den fatilinarishen Existenzen ganz abseben. :

Nun, meine Herren, hat der Herr Abgeordnete gemeint, im vorigen Jahre hätte ih einer erregten Polendebatte bedurft, weil meine Stellung erschüttert gewesen wäre. Ich höre jeßt zum ersten Mal, daß meine Stellung ershüttert war; ih habe nit die leiseste Ahnung gehabt, von mir if dieses Gerücht jedenfalls nicht auë- gegangen, und meine Stellung ift auch nicht erschüttert gewesen.

Nun sagt der Herr Abgeordnete, ih soll doch die Anschuldigungen beweisen. Gut! Worin hat bie Anschuldigung bestanden, die er als unmotiviert auffaßt? Sie is ja niht hier gegen die polnischen

Berlin, Freitag, den 22. Januar

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geflern behauptet babe, und die ih jest noch behaupte, die in den lezten Jahren, seit dem Jahre 1893, namentlich aber im leßten | Jahre ganz unzweifelhaft hervorgetreten it. Da fann

ih dem Herrn Abgeordneten nur sagen, wenn er fragt,

aus welhen Quellen ih \chöpfe, daß id erstens schöpfe

aus den Berichten der Beamten, zweitess aus den Artikeln der

polnischen Presse. Ih will Jbnen bier bloß mit Erlaubniß des

Herrn Präsidenten eine Probe rxorlesen aùs einem Artikel des „Kuyer

Poznaúsfi* vom 12. Januar 1897 mit der Ueberschrift: „Diez Würfel

sind gefallen“. Da lautet es folgendermaßen :

Von der Ministertribüne herab ertönte wieder das unkheil- verkündende „vae victis!“, und es sekundierten die fröhlichen Zurufe der nationalliberalen und freifonservativen Prätorianer.

(Allgemeine Heiterkeit.)

«Ihr seid die Schwachen, mithin habt ihr keine Rechte. Wir sind eure Herren, mithin dürfen wir von euch nicht allein Gut und Blut, sondern auch die Seelen und Gewissen und jegliche Niedertraht fordern.

(Hört! hört!)

Ihr seid Parias, mitbin erkennen wir in euch keine Menschen- würde, kein Nationalbewußtsein an, und jedermann darf euch die Zunge auéreißen,

(Heiterkeit. Hört! hört !)

eure nationale Würde mit Füßen stoßen, und wir werden ihn zafür segnen,“ so predigten die Recke, Hcydebrand, Krause und Zedliß.

Ich gehöre natürlih als Fünfter unbedingt au in diese Reihe.

Es ist ein merkwürdiges Zusammentreffen von Umständen, daß in dem Augenblick, wo man jenseits der Grenze anfängt, den Buch- staben des Gesetzes ftreng zu beachten, und wo man die Absicht begt, willfürlide, veraltete Ufase aufzuheben, man gerade zu derselben Zeit in dem aufgeklärten und zivilifierten Preußen der bureaukratishen Willfür die Pforten angelweit öffnet, einen Strich durh die Verfassung macht und durch besondere Ver- fügungen zu ungewöhnlihen Experimenten am g:iftigen Leben einer friedlichen Volksgemeinschaft anregt. Es unterliegt keinem Zweifel, daß der Germanifierungêeifer sih bereits so weit verstiegen hat, daß wir außerhalb der allgemeinen bürgerliden Gesetze geftellt werden und troßdem alle Pflichten erfüllen follen. In dem Jahr- bundert, das nah der Theilung verflossen ist, ift das allerdings nichts Neues.

Nun, meine Herren, das ift eine Probe. Aber auh sonst bat diese polnishe Presse, die wir natürlih sorgfältig beahten, wiederholt und fast têgli} auëdrüdlich Artikel gebraht, in denen niht bloß durchblickt, sondern -auch ausgesprochen ift, daß es darauf ankomme, die polnishe Nationalität zu stärken, zu sammeln und für den Fall vorzubereiten, daß fie noch einmal zu einer größeren Aktion berufen werde. (Hört! hört!) Das if nicht bloß bei uns gesehen. Ueber eine im Auslande gehaltene Ver- fammlung heißt es in einem Bericht des „Dziennik Polski* :

„Gegenüber der Rednertribüne bing an der Wand ein großes

Bild dex allerheiligsten Mutter Gottes von Czenstohau, Königin

déx Polnischen Krone.“ Ein Geifstliher fagte bort: „In Euren

Händen, ihr Polinnen, liegt die Zukunft des Volkes. Denn wenn unsere

Familie die Stürme des Sozialiëmus, die fie erwartet, glückli

ausgehalten haben wird, dann wird die jeßt zerrifsene große Familie,

welche polnische Nationalität beißt, wenn Gott will, fich wieder vereinigen. (Donnerndes Bravo.)* Ein anderer Herr aus Posen spra gegen das Duell und warnte vor falsben Vorurtheilen, volnifches

Blut zu vergießen, von dem schon fo viel auf verschiedenen

S{lachtfeldern umfonst vergossen sei und welches Gott vielleicht

noch in wirkli beiliger Sache forder-.

Fa, meine Herren, das sind ich will mich auf diese wenigen Specimina beschiänken deutlihe Zeichen, wie man in gewissen polniscken Kreisen und namentlich in einem gewissen Theil der polnischen Presse denkt und welche Vorstellungen uan si von der Zugebörigkeit der Provinz Posen und anderer Landestheile, in denen polnisch geredet wird, zu Preußen und zum Deutschen Reiche mat. Meine Herren, daß das zur äußersten Vorficht auffordert, daß es unsere Pflicht und Suldigkeit if, derartigen Be- strebungen, die ja in unsere Bevölkerung hineingetragen werden mittels der Presse, entgegenzutreten mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln, das kann nicht im mindesten zweifelhaft fein für jeden, der irgend ein Gefühl dafür bat, was ein - preußischer Minister, eine preußische Negierung und jeder rehtschafene preußische Beamte für eine Gesinnung haben muß in Bezug auf sein Vaterland und auf den Schutz, ih wicderhole es, der beiligsten Güter, die wir haben. (Bravo!)

Meine Herren, ih habe gestern nicht bloß, fondern immer hervor- gehoben, daß es unser ernftestes Bestreben ift, Gerechtigkeit zu üben. (Lachen bei den Polen.) Wir behandeln die Polen nicht als Preußen zweiter Klasse, sondern wir gewähren ibnen alles, was sie auf Grund des Gesetzes verlangen können. Aber ungefeßli.ken Bestrebungen, ungeseßzlihen Agitationen treten wir entgegen, wo wir nur können.

Ich verkenne garniht, daß eines der wirksamften, der national- volaischen Agitation unbequemsten Mittel unsere Sprachenpolitik in der Schule ist. Nun hat sih aber diese Sprachenpolitik vollkommen bewährt, wie sehr auch die Polen dagegen perorieren mit Redent- arten, daß dort eine Drefsur gefördert werde, die nicht dazu diene, den Polen das Deutsche beizubringen, sondern die gegen ihre Muttersprache gerihtet sei und die überhaupt das geistige Leben der polnischen Jugend ertödte. ; Gegenüber diesen Redensarten, meine Herren, berufe ih mich auf die Berichte aller unserer Schulbehörden, darunter au polnischer Lehrer, darüber, daß das System, welhes wir befolgen, vollkommen seinen Zweck erreicht, und daß wir die Kinder dahin bringen, mit Verständniß dem deutshen Unterricht und auch dem Religions-

1897.

nein, wir haben Berichte über von einem geiftlihen Oberen in Dberschlesien angestellte Visitationen, die einstimmig dabin lauten, daf der deutsche Religionsunterriht das erreicht habe, daß die Kinder mit offenem, klarem Verständniß die Lehren ihrer Religion in si auf- genommen baben, und daß dieser Religionsunterriht die kirchlichen Instanzen, die geistliben Oberen vollkommen befriedige.

Nun, meine Herren, das sind doch Grundlagen, von denen man nicht sagen kann, daß sie aus der Luft gegriffen sind. Dem gegen- über wird man mir niht den Vorwurf machen können, daß ich leicht- fertig bier an einem System festbalte, das si bei uns bewährt hat Und dazu kommt, meine Herren, noch Folgendes: Jeder Versuch, der jemals gemacht ift, den Polen turch weitergehende Konzessionen ent- gegenzukommen (Lachen bei den Polen), if niemals bei den Polen selbst auf das rihtize Verständniß gestoßen. (Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen.) Meine Herren, ich will garniht davon reden, daß er ftets mit Undank gelohnt worden ift; man sagt ja: in der Politik giebt es feine Darkbarkeit, und cum grano salis verstanden, mag das Wort aurch feine Berechtigung baben alfo von Dark will ich nicht reden. Wir thun unfere Pfliht und Schuldigkeit, niht nur um des Lohnes und Dankes willen, sondern weil wir dies thun müfsen. Aber, meine Herren, darauf will ih aufmerksam machen: in all den großen Wirren, die in der polnischen Frage stattgefunden haben in den Jahren 1861, 1831 und zu Ende der vierziger Jahre da war es jedesmal vorher eine Abweihung der Regierung nah der Seite hin gewesen, daß fie den polnishen Wünschen mehr, als nöthig war, na(- gegeben hat, und die Antwort darauf ift jedesmal die Revolution ge- wesen. (Sebr richtig! rechts und kei den Nationalliberalen.)

Meine Herren, das sind doch Thatsachen, die Ge}cichte ist doch niht bloß dazu da, daß man nichts daraus lernen soll. (Heiterkeit) Ich wenigstens fasse fie nit so auf, und das is der Grund, auf den ih meine Behauptungen und meine Beftrebungen ftüße, Bestrebungen, die, wie ih gestern auëgeführt babe, tabin geben, den Polen in allen ihren ftaatsbürgerlihen Rechten Gerechtigkeit widerfahren zu lafsen, fie zu figen, wo wir müfsen und wo wir können. Ja, meine Herren, ich fan fagen, daß das mit besonderer Pein- lihkeit, mit besonderem Ernst geschieht; aber ebenso un- nacchsichtlich müfsen wir einen unbeugiamen Widerstand der national- polnischen Agitation entgegenseßen, wo wir darin eine Gefahr für den Bestand unseres Vaterlandes und für die Ruhe der unserem Vater- lande angeböôrigen polnisch redenden Bevölkerung erblicken müssen. Auf diefer Linie werde i, so lange ih die Ehre habe, bier vor Ihnen auf diesem Platze zu stehen, beharren. (Lebhafter Beifall rehts und bei den Nationalliberalen.)

Die Diskussion wird geschlossen. Persönlich bemerkt

Abg. Prätorius (kons.), daß er während der Nede des Abg- Gotbein allerdings den Zwischenruf „unvershämt“ gemacht habe, daß dieser Zuruf sich aber nur auf Börfen bezogen habe, die ihnen unliebsame Delegirte zurückgewiesen hätten.

Abg. Gamp weist den Vorwurf, daß er falsh zitiert habe, auf Grund des Artikels der „Freisinnigen Zeitung“ zurück. |

Abg. Richter (fr. Volksp.): Herr Gamp hat Preisbildung und Preiéfestsezung verwehselt. In der „Freisinnigen Zeitung“ war niht die Rede von Preisen, die in Berlin zu zablen waren, sondern von folchen, die kâtten gezahlt werden können. Den E mit Ahlwardt fann i solange nicht zurücknebmen, solange die Akten der Herren nit beffer find als die Ablwardt's, der übrigens mit fkon- fervativer Hilfe in den Reichstag gekommen ift. Herr von Puttkamer- Plauth will mir den Mund schließen. Damit giebt er zu, daß er fich in freier Diskussion mir nicht ebenbürtig fühlt.

Nachdem sich noch die Abgg. Motty und von Czar- linsfi gegen einige Aeußerungen der Minister verwahrt haben, wird die Denkschrift über die Erhöhung der Beamten- gehälter der um sieben Mitglieder verstärkten Budgetkom- mission, der Etat selbst der Budgetkommission überwiesen.

Schluß 48/, Uhr. Nächste Sizung Freitag, 11 Uhr. (Erste Berathung der Richterbesoldungsvorlage, dritte Be- rathung der Schuldentilgungsvorlage, kleinere Vorlagen.)

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrung8s Maßregeln.

Italten C8

Durch sanitätspolizeilihe Vercrdnung vom 14. d. M. ift das durch Verordnung vom 29. Dezember v. I. für die von jenseits der Straße von Bab - el - Mandeb kommenden Schiffe erlafsene Verbot, in italienishen Häfen robe, frishe oder ge- trocknete Häute, Wolle, Haare, Thiere oder Theile von Thieren irgend welher Art und Lumpen auszuschiffen, auf 4 É qa Swiffe beshränkt worden, welhe aus hindoftanishen Häfen kommen oder dort angelegt haben, auëgenommen den Fall, wo die er« wähnten, in hindostanishen Häfen eingenommenen Waaren in besonderen Räumen untergebraht find und von den in früberen Hâfen verladenen Waaren abgesondert gebalten werden. (Vergl. ,N.-Anz.

Nr. 10 vom 13. d. M.) E

Bremerbaven, 21. Januar. (W. T. B.) Infolge der Aus- breitung der Pest an der Westküfte Vorder-Indiens hat das hiesige Quarantäneamt die gesundheitspolizeilihe Kontrole aller von dort und von den versfishen Häfen kommenden Seeschiffe angeordnet. : i zs Fe 91. Januar. (W. T. B) Ueber die Pest in Bombay siad an die Regierung in London Depeschen nebst dem Bericht des Gesundheitékommissars gesandt worden, in welchem die Lage als sehr ernst angesehen wird.

Handel und Gewerbe.

Tägli Wagengestellung für Koblen und Kots s dg den Mule und in Oberschlesien. An der ave sind am 21. d. M. gestellt 13 901, nit rechtzeitig [lt keine en. E Ober f lesien find am 21. d. M. geftellt 4694, nit recht- zeitig gestellt keine Wagen.

Zwangs- Versteiger ungen. Beim Königlichen Amtsgericht 1 Berlin standen am 21. Januar die nachbezeihneten Grundstücke zur Versteigerung :

unterriht folgen zu können. Jch habe aber nicht bloß Berichte von

Herren im Landtage gerichtet gewesen, sondern sie ift gerichtet gewesen gegen eine Vershärfung der nationalpolnishen Agitation, die id

Staatébeamten da könnte man ja sagen, die wären voreingenommen

Buttmannstraße 7, dem Kaufmann Paul Lindenau gehörig;

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