1897 / 20 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 23 Jan 1897 18:00:01 GMT) scan diff

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besitzer, die jeßt noh plöglich irgend einen wirklihen und einen ver- mögenêrehtlihen Nahtheil durch die Trennung ihres Jagdbezirks er- [Ieiden, nicht noch nahträglich einen Entshädigungsanspruch dafür erheben können. Das würde eine große Anzahl von Rehtéstreitig- keiten herbeiführen, welhe auf vergangene Dinge ih beziehen. Andererseits beflirhte ih, daß künftig in jedem Falle, wo dur eine Kleinbahn, eine Nebenbahn oder eine Staatsbahn eine Trennung von Jagdbezirken herbeigeführt wird, der Grundbefiger, der dadur die - vigeræAnsübung fette Sagbrechts verliert, oder es wenigsters“für geshmälert hält, Entshädigungsansprüche erheben wird. Endlich mache ih darauf aufmerksam, daß, während im wirthscaftliden Interesse sowohl die Staatsregierung wie alle Betheiligten felbst bemüht sind, die Verkehrêverhältnifse zu fördern, namentli durch den Bau von Klein- bahnen, größere Grundbesißer, die durch die Herstellung einer Klein- bahn in jagdliher Beziehung empfindliße Nachtheile erleiden, {ließ- li vielleicht noch die ärgsten Gegner einer Kleinbahn werden fönnten, und Dinge, die sie sonst gern im allgemeinen wirtbshaftlihen Inter- effse fördern würden, nun aus persönlihen Nöksichten zu hintertreiben ih bemühen werden. Wenn ih mich in meine eigensten persönlichen Verhältnisse hineinverseße, fo fann ih nit leugnen, daß ih es sehr unangenehm empfinden würde, falls plößlich mein Gut so zershnitten würde, daß mir mein Jagdrecht dadurch genommen oder eingeshränkt wird. Darin liegt eine Vermögensshädigung ; denn es unterliegt doch wohl keinem Zweifel, daß jemand, der ein größeres Gut kauft, dabei in Betracht zieht, ob er auch bei Ausübung seines Jagdrehts Herr auf seinem Grund und Boden bleibt. (Sehr richtig !)

Meine Herren, für die Beseitigung der in politisher und recht- licher Beziehung dur die Entscheidung des Ober-Verwaltungsgerichts hervorgerufenen {weren Bedenken kommen zwei Wege in Frage: Der eine ist der, den Ihre Kommission vorgeschlagen hat, nämlich der Staatsregierung zur Erwägung zu stellen, ob niht möglichst bald, womöglich noch in dieser Session, ein entsprcch-nder Geseßentrourf von ihr einzubringen sei. Jch könnte denken, daß dieser Weg nicht zum Ziel führen wird. Der andere und ih will ausdrücklih be- tonen, nah meiner Auffassung bessere und sicherer zum Ziele führende Weg (fehr gut!) ift der des Herrn Antragstellers. Der Herr Antrag- steller legt jeßt son einen fertigen Geseßentwurf vor. Jch habe natur- gemäß als Ressort-Minister eine Prüfung dieses Gesetzentwurfs ver- genommen und bin zu der Ansicht gelangt, daß er thatsählich die Nachtheile beseitigen würde, welhe in der vorliegenden Frage dur

die Entscheidung des Ober-Verwaltungsgerihts hervorgerufen sind. Die geseßlihen Bestimmungen der verschiedenen, in Preußen noch geltenden provinziellen Jagdordnungen sind vollzählig und zutreffend angezoger, und ich glaube, daß auch sonst die Fassung des Geset- entwurfs zu Bedenken keinen Anlaß giebt. Jch will jedoch darauf hinweisen, daß es mit Rücksicht auf den Thatbestand der Ent- scheidung des Ober - Verwaltungsgerihts nach der Fassung des Entwurfs zweifelhaft sein kann, ob auch Bahnhöfe keine Trennung von Jagdbezirken herbeiführen. Wenn aber das hohe Haus sich in dieser Beziehung mit der Staatsregierung dahin einverstanden erklärt, daß dies selbstverständlih nicht die Absicht des Gesetzes sein kann denn Bahnhöfe haben oft einen folhen Umfang, daß, wenn man auf ihnen überhaupt ein Jagdreckcht ausüben Fönnte, fie allein schon einen selbständigen Jagdbezirk bilden würden, wenn es dort etwas zu jagen gäbe (Heiterkeit), so dürfté der Zweifel dadur leiht erledigt sein, Laß ftillschweigend das hohe Haus meiner obigen Auffaffung beitritt.

Nun fragt es si, wie die Sache weiter zu behandeln sein wird. Eines möchte ich hervorheben: mit der Lösung dieser Frage dürfen, wenn in dieser Tagung noch etwas Pecsitives erreiht werden foll, andere jagdrechtlite Wünsche niht verquickt werden. (Sehr richtig !) Man muß ih vielmehr auf die eine Frage, deren Lösung brennend ist, besGränken. Anderenfalls möchte ih glauben, daß die Staats- regierung eine Regelung aller noch s{chwebenden jagdrehtlien Fragen gegenwärtig in die Hand zu nehmen kaum gewillt und in der Lage sein würde. Zweitens halte ih daher den Weg des Antrags des Herrn Grafen Knyphausen für den geeignetsten. Wenn Sie einen bereits fertigen Gesetzentwurf in das Abgeordnetenhaus gelangen lassen, wird auch das Abgeordnetenhaus, wie ich annehme, ih im wesentlihen nur mit diesem Gesetzentwurfe befafsen und befassen wollen, und damit wäre dann die Sache erledigt, während, wenn Sie die Staatsregierung jeßt nur auffordern, einen Geseßentwurf vorzu- legen, und dann erst in die Verhandlung über denselben eintreten, möglicherweise die Session darüber hingeht und nichts geschieht.

Namens der Staatsêregierung kann ih, wie gesagt, keine Erklärung abgeben, aber als Ressort-Minister, meine ih, daß der Gesetzentwurf zu Bedenken keinen Anlaß bieten wird. Ich babe Veranlassung ge- nommen, mit einem zweiten Ressort- Minister, dem Herrn Minister des Innern, Rücksprache zu nehmen, und dieser ist in Bezug auf den Inhalt des Gesezentwurfs derselben Meinung, wie ih. Deshalb hoffe ih, daß auch das Staats-Ministerium keine Bedenken gegen denselben geltend machen wird. Ich empfehle Ihnen hiernach die Annahme des Antrags des Herrn Grafen Knyphausen. (Bravo !)

6. Sizung vom 22. Januar 1897.

Das Haus tritt in die Generaldiskussion über den Geseߧ- entwurf, betreffend das Diensteinkommen der Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlihen Volksschulen.

Bürgermeister Delbrück-Danzig weift die gegen die großen Städte und deren Bürgermeister im anderen Hause erbobenen Vor- würfe, als ob fie es seien, die das Gesey zu Falle bringen wollen, zurück. Er sei nicht liberal, fônne aber diese Vorwürfe in keiner Weise gelten lassen. Die großen Städte wollten nur nicht gern ihre bisherige Selbstverwaltung auf diesem Gebiet und nicht gern die bisherigen fiéfalishen Zuschüsse und Beihilfen aufgeben. Im ersteren Punkt handle cs sich absolut nit um_politishe Gegenfäße. In finanzieller Beziehung seien die größeren Städte troß des Entgegen- kommens der Regierung in der neuen Vorlage immer ncch erheblich benahhtheiligt; so hate Danzig mit einer jährlichen Mehbra:sgabe von 45 000 .4 zu rechnen, welde sich auf 80000 Æ erböôhe, wenn man die Konsequenzen der Beamtengehaltésaufbesserung in Betracht zieht. Für die Grenze der 25. Schulstelle fehle es an jeder ratio, an es Prinzip; es sei denn, daß man die Behauptung für ogisch halte, daß jemand, der ein siebentes Kind bekomme, vermuthlich ein sehr reiher Mann fein müsse. Der kleine Mann der großen Stadt, der ohnebin das Zentrum der friedenstörenden und unruhigen Elemente bilde, dürfe nit auf diese Weise mit Aus- gaben für die Volksshule mehr belastet werden. Die Alters- zulagckassen seien den größeren Städten sehr unbequem; fönnten fie von ihnen loskommen, so würden fie au gern das VDpfer bringen, auf die Staatszuschüsse zu den Alterszulagen zu verzihten. Die

habe die Tendenz, Universallehrer zu erzieben und die sogenannte - zügigkeit der Lehrer berzustellen. Das platte Land habe gar ian Interesse daran, seine bewährten Lehrer an die Städte abzugeben. Die Wünsche der großen Städte seien sehr bescheiden. Die mebrfach geäußerte Meinung, das Her: enhaus dürfe nichts pa Bli was nit zuvor die Billigung des Abgeordnetenhauses gefunden habe, theile ec niht. Das leßtere werde sich büten, vor den nächsten Wahlen die Vorlage zu Fall zu bringen. Habe doch selbft die freisinnige Partei alle ibre Bedenken zurückgestellt und die Vorlage angenommen, weil sie wisse, was ein, politis gut. diézilinierter-Lehrerstand für die

Für die Kommissionéberathung werde er auch feinerseits stimmen. Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten D. Dr. Bosse: Meine Herren! Ih habe nicht die Absicht, hier Vorwürfe zu

erheben, weder gegen die Herren Ober-Bürgermeister, noch gegen die

großen Städte. Jch bin vollkommen überzeugt und {hon überzeugt gewesen, als die vorige Gesetvorlage hier im hohen Hause kurzer

Hand abgelehnt wurde, daß der Widerstand, den die Ober- Bürger-

meister der Vorlage geleistet haben, bei ihnen sih gründete auf die

Ueberzeugung, daß sie die Interessen ihrer Städte, die sie zu vertreten

haben, au hier vertreten müßten. Jch habe also darin durhaus bona

fides erblíckt, und die Herren werden mir das Zeugniß geben, daß ih bei jeder Gelegenheit, auc bei der späteren Besprehung des Vorgangs im Ab- geordnetenbause, jedes Wort vermieden habe, welhes auch nur den Schein hâtte erwedcken können, als wollte ih irgend Jemandem einen Vorwurf machen. Das würde auch hier im Herrenhause garni§t angemessen scin; denn wenn es irgendwo gilt, daß jedermann als Mann für \ih und für fein Gewissen einsteht, so gilt das vom Herrenhause.

(Bravo!)

Nun ift die Stellung, die mein verehrter Herr Vorredner eben dem Entwurf gegenüber eingenommen hat, garniht diejenige, von der ih wünshen möchte, daß sie hier die herrshende im hohen Hause würde; sie ist aber ganz erhebliß viel milder als die Opposition, die im vorigen Jahre seitens der Ver- treter der Städte gegen die vorjährige Vorlage gemaHt wurzen. Als die Vorlage hier den Mißerfolg gebabt batte, bin ich natürliß daraus made ih gar kein Hehl einigermaßen ershrecken gewesen. Ich bin mit ganz guter Hoffrung bLergekommen. (Heiterkeit.) Jch wußte von meinen Freunden bier im Hause, daß zwar nicht eine sehr günstige Stimmung für die Vorlage hberrshte, abzr ih war der Meinung, daß nach den Arbeiten im Abgeordnetenhause und in dessen Kommission und bei der sahlihen Ueberzeugung, mit der wir für die Vorlage eintreten zu müssen glaubten, wenn die Vorlage in die Kom- mission kommen würde, es uns wohl gelingen würde, doch etwas zu stande zu bringen, was marschieren und laufen könnte. Darin hatte i mi geirrt. Ich war in der That ganz betreten und mußte mir die Frage vorlegen: was nun? Da habe ih mir gesagt: auch im politischen Leben sind die Schwierigkeiten nicht dazu da, daß man sich ihnen ohne weiteres fügt, sondern dazu, daß, wer ein rechtschaffenes Ziel im Auge hat, den Schwierigkeiten entgegengeht und sie zu überwinden sucht, und mit dieser vielleicht eiwas optimistishen Auffassung bin ich an das Staats-Minifterium gegangen, habe da Zustimmung gefunden, und wir haben beschlossen, die Vorlage wieder einzubringen.

Nun mußten wir uns natürli fragen, auf weler Grundlage ? Man konnte fich auf eine viel breitere Grundlage stellen; das war nach vielen Richtungen hin außerordentlich erwünscht; wir würden da mancherlei Üebelstände beseitigen können, wenn wir die Dotation und die Organisation der Volks\chule in weit größerem Maße gleich mit in den Rahmen der Vorlage auf- genommen hätten. Aber das mußten wir uns unter allen Umständen sagen, meine Herren : dann mußten die Lehrer no® länger warten auf diese so dringend nothwendige Aenderung ihres Ein- fommens wenigstens in den Minimalbezügen. Schon dieser Grund mußte uns davon abhalten, ganz abgesehen von anderen sehr {wer wiegenden politisGen Gründen, auf die ih bier nit näher eingehen will. Wir haben uns nun gefragt: woran ist die Vorlage gescheitert? Da ergab ih von selbst die Antwort: in der Hauptsah?z an dem Widerstand der großen Städte. Wir baben uns also entshlofsen, den großen Städten und ihren Interessen, wie fie hier vertreten sind, thunlichst entgegenzukommen, und haben dies in zwei sehr ecrheblihen Punkten gethan. Einmal bei der finanziellen Frage. Da find wir so weit entgegengekommen, daß das Gesetz ledigli um der Konzession an die Städte willen um mehr als 2 Millionen theurer wird wie im vorigen Jahre, und im Abgeordnetenhause gab es Stimmen genug, denen es fehr {wer wurde, diese Konzession zu maßen. Ich will niht noch einmal auf den Grundgedanken, der uns zur Zeit der sehr beshränkten Finanzlage früher vorgeschwebt hat, hier eingehen, auf die Stellung der großen Städte zwishen den Schullast- erleihterungs-Geseßen und dem Erscheinen der Vorlage, und auf die Vorgänge, die dazwischen liegen, nämlich die Steuerreform und die eigenthümlie Wirkung gewisser Maßnahmen der Steuerreform, die verschieden wirken für die Städte und für das platte Land. Das war bei der früheren Finanzierung der Vorlage der Grundgedanke. Ih wil ibn aber. jeßt nicht aufnehmen, ih will diese Sachen überhaupt nicht breiter erörtern, da wir ja den Städten thunlihst entgegengekommen find und hecffen zu dürfen glaubten, daß eine Verständigung möglich sei. Weitergehen konnten wir nit, als bis zu dem Punkt, von dem wir hoffen durften, daß wir allenfalls die Majorität des Abgeordnetenhauses auch nah dieser Richtung hin auf unserer Seite hätten; denn daran war kein Zweifel, daß, wenn das Ganze, was zu Gunsten der Städte während. der Berathung des vorigen Geseßentrourfs gefordert wurde, jeßt in das Geseß von uns hineingeshrieben wurde, wir dann eine Majorität im Abgeordnetenhause niht gehabt bätten, das baben ja auch die Verhandlungen des Abgeordnetenhauses ergeben.

Nun haben wir uns zwar gesagt: keine von den Siädten, die hier in Betracht kommen, wird unter diesen 29/6 Mehrbelaftung irgend wie zu leiden haben, das ift so verschwindend im Verhältniß zu der gesammten Kommunalsteuerlast der Städte, daß daran s{chwerlich die Städte, wenn sie überhaupt mitgehen wollen, die Sache werden \chet- tern lassen. So sind wir auf die 2 Prozent gekommen. Dann haben wir noch einen großen Schritt weiter gethan. Meine Herren, es ist mir außerordentlih {wer geworden, den Städten das Reht in der Vorlage zu geben, aus den Alterszulagekassen bherauzzukommen. Es ist das ein Loch in das ganze Prinzip des Dienftalterszulagen-Systems, wie es in der Vorlage dur{chgeführt ist, und es ift das eine Hinderung für die Lebrer, in die großen Städte zu kommen, oder, wie die Lebrer es gern ausdrücken, es ist eine Beschränkung der dienstlihen Fret- zügigkeit der Lehrer. Nun steht es mit dieser Freizügigkeit

orlage !

freilih vollkommen anders, als der geehrte Herr Vorredner \ih die

Weh bedeute; dacelbe gelte mutatis mutandis für das Ztntium.

Sache gedaht hat. Meine Herren, in das Befezungsreht, in das Anstellungsrecht, soweit es den Städten oder Patronen oder Gemeinden zuftebt, greift der Entwurf überhaupt garniht ea. (Widerfpruh1) Das is nicht wahr.“ Wenn Sie es so auffafsen, haben Sie den Entwurf niht verstanden oder haben ihn mißgverstanden. (Rufe: Abwarten! Unruke.) Nein, meine Herren, i werde mir geftatten die Bedeutung dieser Freizügigkeit mit zwei Worten auseinander- zusegen. Was der Entwurf, wie j¡hn..das -Abgeordaectenhaus gestaltet

1 hat, will, vas die Einbeziehurg der Städte in die Alterszulageklassen

bedeutet, das beruht auf der Absiht, den Städten ihr jetziges Interesse daran zu nehmen, daß Fe ältere Lehrer von der Berufung in die Städte fernhalten. Dieses Interesse fällt fort wenn die Städte in die Alterszulagekafsen eintreten müssen. Denn dann ist es für sie ganz gleihgültig, ob die Lehrer alt oder jung sind fie bekommen aus der Alterszulagekasse ihre Besoldung, und die Stadt selbst hat ein eigentlihes finanzielles Interesse daran garnit. Nun ist das keineswegs so, wie der Herr Vorredner gemeint hat, daß es gleihgültig wäre, ob ein Lehrer, wenn er auf dem Lande ift und gern in die Stadt kommen will, \sich auch der Bedingung untzrwirft, mit einem geringeren Gehalt einzutreten. Prima facie sieht das ganz plausibel aus. Aber wie wollen Sie für die Lehrer eine vers nünftige, auf dem Diexstalterssvstem beruhende Besoldungsordnung machen, wenn der eine Lebrer, ter mit 22 Jahren angestellt ift, in aht oder zehn Dienftjahren 1800 4 hat, und nun kommt ein alter Lehrer, der einen Sohn hat, den er in der Stadt erzieben will, und ein dringendes Interesse hat, in die Stadt zu kommen, und diesem sagt die Stadt: nehmen wollen wir Dich, aber Du mußt mit 1200 4 anfangen? (Sehr rihtig !) Dann is die ganze Besoldungsordnung umgeworfen, dann ift es unmögli, eine Besoldungsordnung zu machen, die wirklich zu Gerechtigkeit führt, und die die Klagen, die wir fort- während hören, und die wir abstellen wollen, aus der Welt saft. Meine Herren, das Allernothwendigste, noch nothwendiger als die Erhöhung der Lebrergehälter, ift, daß endlih einmal ein vollfommenes Bewußtsein in die Lehrer hineinkomme, daß sie gerecht behandelt werden, Darauf kommt es in erster Linie uns an, so dringend noth- wendig es freilich auch ist, daß Lehrer, die mit 540 4 auskommen follen, künftig nit mehr existieren. Das geht einfah niht mehr, es gebt au den anderen. deutshen Staaten gegenüber niht mebr an; darüber wird ja auch unter uns nur eine Stimme sein.

Wir glaubten aber den Städten troßdem entgegenkommen zu müssen und fagten uns: es werden nicht alle Städte aus den Alters- zulagekassen aussckeiden; sie werden, wenn sie das System funktionieren sehen, ganz von selbst erkennen, daß es au für sie vortheilhaft if (Wider- pru), und daß wir damit in ihre Anstellungsbefugnisse überhaupt nicht eingreifen. Mit Rücksiht auf diefe und auf die praktishe Erwägung, den Städten den Weg zu ebnen, ihnen die Brücke zu bauen, auf der sie zur Annahme des Gesetzentwurfs kommen könnten, haben wir die Vorlage gemaht. Ja, meine Herren, die Antwort darauf wurde uns wenige Tage naher auf dem Städtetage gegeben, wo die ganze Vorlage einschließlich dieses Zugeständnisses als absolut unan- nehmbar bezeihnet wurde. Darauf führe ih es au zurück, daß man auch in der Kommission des Abgeordnetenhauses s{ließlih gesagt bat: ja, wenn die Städte keinen Werth darauf legen, wenn ihnen damit nit gedient ift, wenn ihnen dieses weitgehende Zugeständniß nicht genügt, wenn si? nicht auch helfen wollen, die Vorlage zu stande zu bringen, dann hat kein Mensch ein Interesse mehr, daß man dieses Loh in die Pauke mat, das wir im Interesse der großen Städte zugeftanden hatten, um nur das Zustandekommen des Gesetzes zu erleihtern. So sind die Verhandlungen gelaufen. nung auf eine Verftändigung niht auf. Ih möchte keine retrospek- tiven Betrachtungen machen, obwohl mir die bei der vorigen Vorlage gemachte Erfahrung recht {merzlich gewesen ist, ih habe jahre- lange Arbeit in einer Stunde hier zusammenbrechen sehen indessen dies kommt vor, und ich will mich darüber nit beklagen; ih habe mich daran gewg8hnt. Ich habe die Zuversicht, daß es diesmal nicht wieder ebenso gehen wird. Ich bin überzeugt, daß, wie Sie auch zu der Vorlage stehen mögen, doh der gute Wille vorhanden ist, wenn irgend möglich, diesmal etwas *zu stande zu bringen. Jh will mich auch nit über die Veränderungen des Gesetzes auslafsen, die das Abgeordnetenhaus vorgenommen hat; ih will mih beschränken, nur das zu sagen: natürlich ift es das Er- wünschteste, wenn die Vorlage fo, wie sie aus dem Abgeordnetenhause hierher gekommen ift, angenommen wird, denn damit wäre das Geseh fertig; wir fönnten sofort an die Vorarbeiten zur Einflihrung gehen. Das wäre der einfachste und geradeste Weg. Denn bei jeder Abweihurg von der hierher gelangten Vorlage wird im Abgeordnetenhause immer wieder die Chance geöffnet, daß das Gese fällt. Man kann das nie wissen, so lange man das Geseg niht unter Dach und Fah hat. Ich wenigftens würde nah meinen Erfahrungen im vergangenen Jahre ein Geseß nit als ficher ansehen (Heiterkeit), für das ih die Zustimmung beider Häuser des Landtages niht {warz auf weiß in der Tasche habe. Meine Herren, jedes Gese is ein Kompromiß, und wenn man ein Kompromiß \{chließt, dann gehört dazu, daß der eine wie der andere Theil in den- jenigen Dingen, wo er es mit seiner Ueberzeugung vereinbaren kann, dem anderen die Hand reiht und ihm entgegenkommt. Es ift ja mit dieser Kompromißqualität unserer Geseßgebung ein eigenes Ding; sie fann unbequem werden, weil sie nüßliwe und gute Dinge verzögern und überbaupt bemmen kann, aber sie hat auch ihre gute Seite. Denn wenn wir die Kompromißqualität nicht hätten und die dreifahe Schranke, die damit verbunden ist, niht hätten, so würden wir mit ciner noh größeren Geseßesprodufktion überschüttet werden, als wir obnehin {on haben. (Sehr rihtig!)) Also wir müssen uns an die Kompromißnatur der Gesetzgebung gewöhnen. Dazu gehört, daß man sich gegenseitig entgegenkommt. Wenn es uns in der Kommission gelingt, Ste zu überzeugen von der Wärme unserer Ueberzeugung, daß es sich hier um eine durchführbare, maßvoll gehaltene, gute und absolut nothwendige Sache handelt, deren Nichtzustandekommen ganz ungemein \chwere Folgen haben muß, für die eine große Verantwortung diejenigen zu übernehmen haben, die ohne die äußerste zwingendste Noth sie verzögern oder sie hindern, wenn uns das gelingt und ih habe die Hoffnung, daß uns das gelingen werde dann werden wir gewiß etwas zu stande bringen, womit wir bestehen können, etwas Gutes für unser Land, für unsere Schule und namentliÞh das ift doch bei der großen Menge unserer Lehrer die Hauptsa&e auh für die Lehrerschaft- Mich dabei zu unterstüßen, darum bitte ich Sie, meine Herren, und ¿war Sie alle auf allen Seiten dieses hohen Hausss. (Bravo!)

Meine Herren, ih gebe die Hoff-

Graf von KlinEowstroem giebt dem lebhzften Bedauern Auédruck, daß die Regierung lediglich die Wünsche der großen Städte, nicht aber diejenigen der Rehten beachtet habe, die fort und fort ein chriftliches, kfonfessionelles Volkéschulgeseß verlange. Allerdings sebe er

veranlaßt, diesen Standpunkt heute sehr zurücktreten zu laffen. A Lage habe fih €inigermaßen verändert, die Finanzlage sei günftiger geworden, das Beamtenbesoldungsgeseß sei vorgelegt. Unter diesen Umständen könne er es nit verantworten, bloß eines Prinzips halber die Regelung eines Theils des Glementarshulw-sens abzu- lehnen. Bedauertil fei mrc-di7 fiatke Belastung der obnebin son so armen öftlichen Landgemeinden, er werde allen Punkten der Vorlage entgegentreten, welhe diese Belastung noch erhöhen wollen. Den Beschluß des andern Hauses, dem Lehrer eventuell die Gründe für die Nichtgewährung der Alterszulagen \{riftlid mitzutbeilen, fônne er nicht billigen, da er jeder preußischen Tradition widerspree. Im Interesse der Hebung und besseren Versorgung des Wehrerstandes gebe er seinen prinzipiellen Widerspruch auf. Das in der Vorlage ‘festgeseßte Grundgehalt fei zu hoh, wenigstens füc die fleinen Städte und Landgemeinden des Ostens. Redner bot Remedur in diesen Beziebungen von der Kommissionsberathung.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse: Meine Herren! Fürchien Sie nicht, daß ich Sie lange aufhalten werte. Ih möchte mir den Nachweis, dea der Herr Graf von Klinckowstroem verlangt hat, vorbehalten für die weiteren Verhand- lungen. Ich glaube aber, daß wir den Nachweis liefern können, daß die Gemeinden durch dieses Geseh im wesentlichen niht neu belostet werden. Nur einen Irrthum möchte ih noch widerlegen, nämlich den, als wenn nah diesem Gesetz wirklich ohne Ausnahme alle Lehrer, auc die zweiten Lehrer ein Baargehalt von 900 4 kämen. Im § 3 heißt es ausdrüdlih: „Die Beseldung der einftweilig angestellten ‘Lehrer und Lehrerinnen, sowie derjenigen Lehrer, welhe noch nit vier Jahre im öffentlihen Schuldienste geftanden haben, beträgt ein Fünftel weniger als das Grundgehalt der betreffenden Schuk- stelle.“ ‘Es beträgt also nur 725 #; und das Gehalt der zweiten Lehrer, die immer junge Lebrer sind, kommt in der Regel fißherlih nit höher. Ich glaube nicht, daß es einen einzigen Fall giebt, wo ein zweiter Lehrer auf einer zweiten Schelftelle mit den Baarbezügen, wie fie Herr Graf von Klinckowstroem angegeben hot, und zu denen jeßt noch die freie Feuerung Hinzutritt, während fie nah viesem Geseß in das Gehalt eingerechnet werden soll, fo daß also der Unterschied nur noch ein ziemli gerirger sein wird, ch glaube nit, daß auf einer solhen zweiten Schulstelle irgendwo. ein Lehrer. sitzt, der ein Dienstalter hat, das ihn wefentlih über 900 Æ hinausbringt.

Graf von Mirbach {ließt sich den prinzipiellen Ausführungen des Grafen Klinckdowstroem an. Er habe ch bei feinen politischen

unden dasür verwandt, daß aus der Jaitiative des Hauses ein

olféshulgesez-Entwurf nah d-m Muster desjenigen des Grafen Zedlitz vorgeschlagen werde. Er habe damit leider feinen Erfolg gehabt, bleibe aber dabzi, daß den Wünschen des Landes nur ein folches Gesetz genüge. Vor tie Frage gestellt, ob das Vorgelegte anzunehmen oder abzulehnen sei, werde er wenigstens den ernstlichen Versuch machen, in einer Kommisfionsberathung etwas zu ftande zu bringen; denn er verkfenne nit, daß die Lebrer berechtigte A erhöôben. Ober-Bürgermeister Zelle - Berlin: an hat die großen Städte auf die Steuerreform von 1891 bis 1893 und besonders auf das Kommunalsteuergeseß verwiesen, um zu motivieren, daß diese auf das Plus an Ueberweisungen aus den Gesetzen von 1888 und 1889 binfort zu verzihten haben. Der Kaltus-Minister sprah von den Millionen, welhe zumal der Stadt Berlin in den Schoß gefallen seien, während die arme Dorfgemeinde von der Grund- und Gebäudesteuer :niht einen rothen Pfennig habe. Ich weiß ja, daß Berlin in unferm Vaterlande niht tîn großer Gunst steht; warum, ih .nicht. Die KRusführung des Kultus - Ministers beruht aber auf einem vollständigen, in der O-ffentlichkeit bereits flargestellten Irrthum. Berlin bezahlt nah der Steuerreform 1 Million Mark mehx an den Staat, und daß die Dorfgemeinden vor den Städten be- nachiheiligt werden, ist doch unter dem Finanz-Minifter Miguel undenktbar. Auch die 29%/o,welche jeßt gefordert wecden, werden nackch-den Gesezen von 1888 und 1889 zu unrecht gefordert. Wenn man -behauptet, der Städtetag oder die Ober-Bürgermeister hätten das: Geseg zu Fall gebracht, so legt man einer kleinen Minderheit im .Hause eine Bedeutung bei, die sie niemals gehabt hat. Wir sind au bereit, in der Kommission mitzuarbeiten, hoffen aber von der anderen Seite ebenfalls Entgegenkommen.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

‘Meine Herren! Ih gehöre nicht zu denjenigen Berlinern, b-i denen Berlin nicht beliebt wäre. Ich bin sehr gern in Berlin. Ih freue mi, daß ih unter dem Scepter des H:rrn Ober-Bürgermeisters Zelle ftehe und bin dankbar für die sehr gute Kommunalverwaltung, die wir hier in Berlin haben. J kann durchaus nicht sagea, daß id irgend wehe Voreingenommenheit gegen Berlin hätte, im Gegen- theil: ih empfinde vielmehr eine warme Dankbarkeit gegen die Kommune, deren Wohlthaten ih hier mit genieße. Das möhte ih berihtigea, also irgend eine Animosität gegen Berlin ift in meinen Bemerkungen gegen die großen Städte niht enthalten. Ih möchte bieran noch Folgendes anknüpfen. Ueberzeugt hat mi Herr Ober - Bürgermeister Zelle nit davon, daß meine Behauptung, die ih im vorigen Jahre vielleiht etwas pointiert aus- gesprochen habe das mag ja wohl nach dem Gang der Debatte möglich gewesen sein auf unrihtigen Vorausfeßzungen, auf einem Irrthum beruht. Fa, meine Herren, soweit mein gesunder Menschen- verstand reiht, ift das, was ih damals von der Wirkung der Ge- Eäudefteuer gesagt babe, ganz zutreffend. Diese Steuer if Berlin, den großen Städten, den Kommunen überwiesen worden zur eigenen Einziehung für ihre Rehnung. Ja Berlin, das sich alljährlich um zablreihe Wohngebäude vergrößert, bedeutet das ein alljährlihes Plus von Steuereinnahmen für die Kasse der Stadt Bcrlin. Auf dem kleinen Dorf in Ostpreußen, in Pommern oder Schlesien, wo über- haupt aiht gebaut wird, wo neue Wohngebäude nicht entstehen, be- deutet fie garnihts. Die arme Lantgemeinde hat davon garnichts. Die reihen großen Städte Haben aber davon eine Fülle von Mehr- einnahmen. (Widerspru. Sehr richtig!)

Î Das läßt sih nah meiner einfachen Logik garniht bestreiten. Richtig kann ja das sein, daß im Gefolge der Steuerreform die Ein- wohner der betreffenden Stadt zum theil mehr Steuern zahlen müfsea, sci es an den Staat, sei es an die Stadt. Das ist ganz etwas Anderes, alé wenn die Kasse der Stadt, die Fianzgebahrung der Stadt un- mittelbar Vortheile hat dadur, daß ihr die Realfteuern über oiesen sind und daß diese Vortheile weit größer sind in den Sädten wie auf dem Lande, das ist das, was ih damals zur Untecstüzung der Auf- faffung angeführt habe (sehr ritig!), daß es der Billigk-it entspräche, daß es nicht ein Raub sei, den wir bier gegen die Städte vorgeschlagen haben.

Ÿ leugne gar nicht, ih bin bei der erften Vorlage, wie ih das auch hier geogeiprochen habe, von der Meinung ausgegangen : die Städte würden as selbft einsehen, (Lachen) die Städte, die so viel für ihre Schulen getban haben, denen ih vollkommen zugebe, daß sie ein Herz für ihre

weiß |

{ rihtung der Alterszulagekassen

Sulen und für ihre Jugend haben und denen wir sehr viel zu danken haben auf diesem Gebiete, diese Städie würden in der That sagen: ja, das entspricht der Billigkeit; es liegen hierin neue Zuwendungen an uns, dafür können wir au etwas von den Shullaften übernetmen. Ich habe mi in dieser Annahme getäuscht, es ist ein optimistischer Irrthum gewesea. Jay verdenke daé den Städten auch gar nicht, daß sie sagen: wir wollen fefthalten an dem, was wir haben; i weiß, daß e#jztermann \chwerTvifd, etwas, was er fraft formellen Nechtstitels besitzt, dran zu geben. Es fragt sih nur, ob man mit Fug und Recht fagen kann, diese Heranziehung der Städte würde dem Recht und der Billigkeit entsprehen. Das ift meine persönliche Ueber- zeugung und in der bin ich auch nit irre geworden durch die Aus- führungen der Gegner. (Beifall.)

Kardinal, Fürftbischof Dr. Kopp: Ich erkenne in dem Lehrer- stand hohwihtige Mitarb?iter an der Volkserziehung, und ich erkläre mich auh an dieser Stelle mit der Mitarbeit ganz einverstanden. Das legt mir die Pflicht auf, die Intèressen des Lehrerftandeë wahr- zunehmen, wo si eine G-legenheit dazu bietet, und das ift gegen- wärtig der Fall. Das zweite Mal beschäftigt fich das hohe Haus mit dem Geseßentwurf, welcher die Regelung der Gebälter der Volksscul- lehrer und eine fleine Verbesserung derselben zum Ziele hat. Bei der vorjährigen Berathung ift das Geseg gescheitert. So sehr auh die Enttäushung auf die Gemüther der betreffenden Kreise gedrüdckt haben mag, die Anerkennung kann i ihnen do niht versagen, daß sie eine besonnene Haltung bewahrt haben, daß se sh auf dem legalen Wege gehalten haben. Eigentlih findet der Entwurf bei niemandem Befriedigung, weder bei den Lebrern, noch bei der Staats- regierung, noŸ au bei den verschi-denen Parteien der politishen Kör per- schaften. Am auffallendsten aber ist es für mich gewesen, daß gerade jene Kreise, welhen man faum ihre Sep Ls und Fürsorge für die Schule bestreiten kann, sih ablehnend verhalten haben. Jch bin der festen Ueberzeugung, es ift nicht Mangel an Wohlwollen, sondern es find pflihtgemäße Erwägungen gewesen, welhe die Vertreter der großen Städte zu ihrer Haltung veranlaßt haben. Allein es giebt noch Gesichtspunkte allgemeiner und höherer Art, und aus diesen muß man die endlihe Regelung diefer Frage wünschen. Die Schulverbände in Preußen leiden an Unsicherheit und Unklarheit. Auch beute ist hier der Wunsch au3gesproHen worden, es möhte die ganze Materie des Schulwesens einheitlich geordnt werden; andererseits hat man Ver- fassungsbedenfken gegen die Herausnabhme einer einzelnen Materie erhoben. Ih glaube nicht versihern zu müssen, daß ih ein Volfs- s{ulgeseß von ganzem Herzen begrüßen würde, befürhte jedo, daß die Sache doch nit so glatt gehen würde. Gewiß stehen die nicht materiellen Güter viel höher als die materiellen; aber wenn die mateciellen Interessen so dringend werden, wie in diesem Falle, kann man sie nicht zurüdckstellen, ohne au die nicht materiellen Interessen empfindlich zu schädigen. Wenn auch die Lehrer nit Beamte sind, bekleiden fie doch ein öffentilih:s Amt und haben ein Anrecht auf die öffentliche Fürforge. Wird ihnen diese versagt, dann wird unzweifelhaft Unzufriedenheit und Mutblosigkeit in diese Kreise hinein- getraaen. Jt es rathsam in dieser Zeit, die Zahl der Unzufriedenen um 80 000 zu vermehren, die in einflußreihen Stellungen tehen? Opfer müssen von allen Seiten gebraht werden, alle Parteien müssen Enthaltsamkeit üben. Auch diejenigen bringen Opfer, die jetzt von der prinzipiellen Behandlung des Shulwesens Abstand nehmen wollen, daher glaube i, daß auch die andere Seite zu Opfern geneigt sein muß. Ich weiß nicht, ob die Vertreter der Städte, nahdem thnen ein größerer Theil ihrer Wünsche erfüllt ist, durch \starres Fest- halten an ihrem Standpunkt die Vorlage scheitern lassen wollen, fie würden eine große Verantwortung übernehmen. Ich bin dafür, daß durh gegenfseitiges Entgegenkommen und Maßhalten ein die Lehrer befriedigendes Gesey zu stande kommt, damit auf diesen Grundlagen später zum Wokble der Lehrer weiter gebaut werden kann. Ih wünsche, daß der Finanz-Minister recht lange den Staats\äel in seinen festen Händen halten möge. Mögen alle Seiten bedenken, daß das Bessere stets der Feind des Guten ift.

Geheimer Ober-Finanz-Rath Dr. Germar führt aus, daß Berlin die ihm zugemuthete Mehrbelastung fehr wobl tragen könne.

Ober-Bürgermeister Schneider-Magdeburg: Die Verbesse- rungen an der Vorlage sind fehr gering. Die bureaukcatische Ein- ift beibehalten, obwohl finanziell sich auch nicht einmal für die kleinen Gemeinden die Nothwendigkeit nahweisen läßt. Das Recht auf Freizügigkeit, das man hier kon- struieit, giebt den Lehrern ein Privileg, das geradezu ungeheuerlich ersheint allen übrigen Beamtenklafsen gegenüber. Daß die großen Städte, wenn fie in die Alterszulagekafsen gezwungen sind, lediglich aus diesem Grunde auch ältere Lehrer anstellen werden, muß ih fehr bezweifeln, Sie würden sie und sih damit unglücklih machen. Das plaite Land bat do erst recht ein Interesse, sich seine eingearbeitete, mit seinen Verhältnissen vertraute Lehrershaft zu erhaltzn. Daß der Minister beabsichtigt, das Lehrerwahlreht der Städte auf diese Weise zu vernihten, kann ich do niht annehmen. An Stelle der Freiheit seßt die Vorlage mit dem Grundgehalt und den Zulagen eine Uniformität, die das Shalwesfen der großen Städte nothwendig schäzigen und s{ließlich zur Staatsshule und zum Er- nennungêrecht des Staates führt. Dann müßte aber doch der Staat auch für die Kosten auffommen. Hoffentlich wird die Kommission unseren Bedenken gerecht. Was die Steuerreform betrifft, so sind die Lasten der größeren Städte durch diesclbe böber geworden, und diese Steigerung wird niht von den reihen Leuten, sondern von der großen Masse der Armen getragen. Im Jahre 1889 überwies man den Städten die Zuschüfse, jeßt werden sie wieder genommen; was vor 7 Jahren weiß war, soll heute {warz sein. Vor dem andern Hau'e fürhte ich mih nicht; das Abgeordnetenhaus wird die Vorlage in der Faffung annehmen, die wir beschließen.

Geheimer Ober - Fiaanz - Rath Dr. Germar wendet sich gegen die leßten Ausführungen des Vorredners. Abgesehen von der Steigerung des Finanzbedarfs, sei in den großen Städten die Be- lastung mit Staats- und Kommunalsteuern nit gestiegen; er werde das in der Kommission näher nahw?isen.

Freiherr von Durant spriht die Hcffnung aus, daß die kon- servative Partei ein christlihes Volksshuigesep auf konfessioneller Grundlage verlange, und daß der Kultus-Minister die erste Gelegenheit benußen werde, ein solhes dem Landtage vorzulegen. Zu der Vorlage stelle er si in allen wesentlichen Punkten ebenso wie Graf Klinckowstroem. Die Gefahr der Versftaatlihung der Schul: erkenne er an und freue si, daß der Finanz-Minister sh fo energisch im anderen Hause dagegen geäuß-rt habe. Die konservative Fraktion werde einmüthig für Kommissionsberathung ftimmen.

Graf von der Schulenburg - Beectonuors spricht si trotz s{chwerer prinzipieller Bedenken für Kommisjionsberathung aus. Den dringenden Anforderungen der Lehrerschaft man sich nit ganz entziehen. /

Ober - Bürgermeister Becker-- Köln: Im Abgeordnetenhause bat man die großen Städte mit Republiken verglihen, deren ganze Machtifülle in den Händen der Ober-Bürgermeister liege. In Wahr- beit sind die großen Städte immer zahmer geworden, so daß alle Welt erstaunt ift, wenn fie einmal opponieren. Wir haben das vorige Gese abgelehnt, weil es zu bureaukratisch, weil es in feinen Grund- lagen verfehlt war. Die Lehrer wurden damit niht geschädigt. Ieyt hat man uns das Gesey wesentlich in unveränderter Forin vorgelegt; die Wünsche des Herrenhauses sind absolut niht berüd- sichtigt. Dennoch bin auch ich für Kommissionsberathung, um zu ver- suchen, ob etwas allgemein Zufriedenftellcndes geschaffen werden kann.

Minister der geiftlihen 2c. Anglegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Ich bedauere doch, daß der Herr Ober-Bürger- meister Becker gerade auf diesen Ton gelangt ift. Wenn ih mir seine Deduktionen ins Deutsche überseze, fo beißt es: die Königliche Staatsregierung bâtte einfah vor dem Städtetage, das heißt vor den

könne

Beschlüssen und Anschauungen der Herren Ober-Bürgermeifter einen

geborsamen Diener mahen und ein neues G2:seß machen müssen, einfah nach den Anschauungen der Herren Ober-Bürgermeifter Nun find wir aber durch diz Gründe, die Sie im vorigen Jahre vor- gebracht haben, nit überzeugt. Wir sind Ihnen aber gleihwohl in der neuen Vorlage sehr weit entgegengekommen. Wir haben geglaubt, gerade auf das Ausjcheiden der Alterszulage - Kafsen würden Sie den größten Werth legen, und deshalb haben wir fie herausgeschnitten. Wir sind « Ihnen....sowzeit-=entgegengÆoimrmen, Wis wir mit dem Abgeordnetenhau'e glauben fkonntea, die finanzielle Be- laftung auf ein Minimum reduziert zu haben, bei dem die großen Städte bestehen können. Ja, meine Herren, wenn wir diesen Rath- {lägen gefolgt wären, die der Herr Ober-Bürgermeifter Beer eben gegeben hat, so wäre das ein Schlag ‘ins Gesicht der Majoritätsparteien des anderen Hauses gewesen; mit ihnen haben wir das Geseß gemacht, und nur mit ihnen können wir es mahen. Also, meine Herren, das find Unmöglihkeiten, die Sie Lon uns verlangen. Wir können nur vorgehen auf dem realen Boden der Anschauungen, die in beiden Häusern des Landtags wer- treten sind, und wir können nur auf diesem Wege eine Ver- ständigung, eine Versöhnung, einen Kompromiß versuhen. Das ift unsere Auffaffung von Anfang an gewescu. Eigensinn haben wir Ihnen niht entgegensezen wollen. Wir haben Ihnen entgegenkommen wollen; aber wir find damit bei dem Städtetage niht auf Zustimmung, sondern auf Widerstand gestoßen. Das wollte ih nur feststellen.

Im übrigen möhhte ih hervorheben. daß ganz ohne jeden reellen Zweck die Betonung der Selbständigkeit in der Verwaltung der Städte bei der Befoldung der Lebrer doch vielleicht niht zu fein scheint. Es ift hier vorhin von einem der Herren da drüben darauf hingewiefen worden, daß die Parteien im andern Hause den Werth tines gut dotierten Lehrers bei den Wahlen wohl zu s{chäßen wüßten. Nun, meine Herren, die Herren Ober-Bürgermeist-r wissen diesen Werth auch zu \häâägen, und da liegt ein großes Stück Macht und Einfl1ß. (Widerspruch). Ob Sie glauben, daß dieses dadur ges{chädigt wird, weiß ich nicht (Unruhe); aber bei sehr vielen Leuten im Lande ift es die Meinung, daf hier ein wesentliher Grund für den Widerspruch liegt, auf den wir gestoßen find. Das habe ih zur Steuer der Währ- beit rihtig stellen wollen und will mich damit begnügen.

Ein Schlußantrag, der inz.vishen eingebraht ift, wird vom E von Zieten-Schwerin bekämpft und vom Hause ab- gelehnt.

Prof. Dr. Bey schla g- Halle plaidiert für die Annahme der Vor- lage und bittet auch die großen Städte, die {hon foviel für die Schule gethan hätten, in dieser Frage finanziell entgegenzukommen. Redner spricht sich gegen ein kTonfessionelles Volksfchulgesez aus, da der Staat si die oberste Entscheidung in Schulangelegenheiten nit aus den Händen winden lassen dürfe. Das Bedürfniß für die preußische Lehrershaft sei ein so dringendes, daß das Haus es nicht verantworten fönnte, das Scheitern der Voilage zum zweiten Mal herbeizuführen. j

Herr von Wedel-Piesdorf: Ih bedauere mit meinen Freun- den, daß niht mit diesem Gefeß ein allgemeines Schulgeseß und eine Sicherstellung der konfessionellen Schule verbunden ist, die ledigli von Minifterialreskripten abhängt und von ihnen hinweggeräumt werden kann. Wollte man aber die Lehrer auf ein allgemeines Schulgeseg vertrösten, so könnten diese lange warten. Ich bin überhaupt nicht für Geseße „großen Stils“. Sie räumen oft Gutes hinweg. Ein Geseß, das die fonfessionelle Schule sicherstelit, könnte der Minister selbstständig einbringen, und ich möchte ihn bitten, das bald zu thun, Ebenso nothwendig wäre ein Geseg über die Pflicht zur Unterhaltung der SBulgebäude, allenfalls au eine Reihe von Gefeyzen für die einzelnen Provinzen. Die Besorgniß, daß dieses Gefey die leistungëunfähigen Gemeinden mit neuen Lasten belegen könnte, theile ich nicht. Anders if es allerdings mit den großen Städten. Die proviforishen Erleibtecrungen von 1888/89 können doch aber niht bis zum Erlaß eines allgemeinen Schulgeseßzes aufrecht erhalten werden. Die 29/0 werden die Städte doch nicht drücken, und wenn dazu auh die s{lechter situierten Klassen bei- zutragen haben, fo ist dies auch keine Ungerechtigkeit. Sehen Sie doch dic Auêwanderung voin platten Lande in die großen Städte. In den großen Städten müssen au bohe Steuern sein. Die Ver- treter der aroßen Städte nchmen wohl auch die 29%/9 nicht allzu tragish. Sie haben ja gegen das Vorjahr ihre Situation ver- bessert, und ih hoffe, daß sie nun auch mit uns das Gese zu stande bringen werden. L :

Ober-Bürgermeister Zweigert-Essen tritt dem Vorwurf ent- gegen, daß die Haltung der großen Städte vorwiegend auf finan- zielle Beweggründe zurückzusühren sei. Der Kultus-Minister habe sogar das Bild gebrauht, der Kampf des älteren Lehrers mit der Kommune sei der Kampf des Schafes init dem Wolfe; ein solches Urtheil müsse die Stadtverwaltungen aufs tiefste kränken. Den Grund der völligen Abneigung gegen das Gesetz bilde das Alters zulagekafsen-System, dieses Nükgrat der Vorlage. Entgegen der Mahnung des Finanz-Ministers, die Interessen der größeren Städt zu sonen, fei es im Abgeordnetenhause gerade der Kommissar des Kultus-Ministers gewesen, der die betreffende Bestimmung aus der eigenen Vorlage dec Lerna zu streihen empfahl. Wo solle da das Vertrauen zur Regierung berkbommen? Für Kommissionsberathung werde auch er stimmen.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Jch will nit auf die Einzelheiten der Rede des Heren Ober-Bürgermeisters Zweigert antworten, ich will alles dahingestellt sein lassen im Interesse des Friedens, im Interesse der demnächstigen Zusammenarbeit in der Kommission. Ih will mi darauf beschränken, nur eins zu sagen: Nichts hat mir ferner gelegen, als die großen Städte und ihre Vertreter zu kränken. Meine Herren, ih glaube, daß meine ganze Haltung auch in der beutigen Debatte dafür den vollgültigen Beweis geliefert hat. (Zustimmung rets.) Nun will ih befonders aufklären den Vorfall, der aus der Kom- mission des anderen Hauses zu den Ohren des Herrn Ober- Bürgermeisters Zweigert gekommen is ih glaube, mein Kommissar hat davon etwas erwähnt im Plenum des Abgeordnetenhauses —, das von mir gebrauhte Bild vom Wolf und Schaf. Meine Herren, selbstverständlih if mir garnicht in den Sinn gekommen, das so zu deuten, daß die Schullehrer verspeist werden follten als Shafe von den Wölfen der großen Städte (Heiterkeit) oder gar von den Herren Ober-Bücrgermeistecn. (Große Heiterkeit )

Meine Herren, tas weise ih weit, weit von mir. folgendermaßen zugegangen. Ich hatte was ih auch heute gestreift habe berührt, daß in den großen Städten, oder ih will lieber sagen in einem Theil dec Verwaltung der großen Städte, der Wunsch bestebt, der au auf dem Städtetag zum Ausdruck gekommen ift, das Verhältniß der Lehrer, die von auswärts in den Städten angestellt sein wollen, ledigli auf einen freien Vertrag zu gründen, also den Lehrern die Befugniß zu geben, auf einen Theil ihres Dienftalters zu verzihten, und den Städten, mit den Lehrern

Die Sade ist

sich vertragsmäßig hierüber zu verständigen, und da habe