1897 / 21 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 25 Jan 1897 18:00:01 GMT) scan diff

HYaltnisse ftets von neuem wieder, und so liegt es au auf veterinärem Gebiet. E

Meine Herren, auf einen anderen Umstand möchte ich dann noch hinweisen : darauf, daß auch von einer Seite behauptet wird, daß die Handhabung der Veterinärpolizei zu lax sei, und daß von der -anderen Seite geklagt wird, wie das heute der Herr Abg. Werner ausgeführt hat, daß die Veterinärpolizei zu \charf gehandhabt werde. _Meine Herren, daraus käñn man folgern, daß die Handhabung eine richtige ist. Diejenigen, welche von der Kalamität betroffen sind, welhe Un- bequemlickeiten und finanzielle Nachtheile dur die Handhabung einer ftrengen Veterinärpolizei erleiden, wollen von den Fesseln, die ihnen angelegt werden, befreit sein ; und die bis dahin noch von dieser Plage niht heimgesucht sind, rufen stets nah der Polizei und fordern mehr, als was die Polizei zu thun befugt ift, der, wie ih bereits hervorhob, die Gesetzgebung feste Schranken zieht.

Meine Herzen! Die Ausführungen des Herrn Grafen von Stol- berg, der sagte, daß eine sachgemäße, ftrenge Handhabung der Veterinärpolizei für die Landwirthschaft ein dringendes Bedürfniß sei, unterzeihae ich ¿¡vollftändig. Auf die Erkursion, die dabei auf die Getreidepreise gemacht ist, habe ih keine Veranlassung einzugehen.

Ich erkenne auch als rihtig an, daß wir vollständig in der Lage find, unseren inneren Fleishkonsum zu decken. (Zuruf rets.) Fch erinnere an die Behauptungen, die früher von der linken Seite des Hauses, stets wiederkehrend, aufgestellt wurden : daß, wenn wir besonders die Einfuhr von Schweinefleisch von auswärts beschränken oder beseitigen, dann die deutsche Landwirthschaft nit in der Lage sein werde, den Bedarf an Fleishnahrung zu decken. Ja, meine Herren, wir haben vielfah sogar Ueberproduktion gehabt (sehr rihtig! rechts), und diese Ueberproduktion hat vorübergehend zu einer bedenklihen Verminderung der Preise geführt, die dann dazu führte, daß die Produktion mehrfach wieder eingeshränkt wurde. (Sehr richtig! rechts.) :

Meine Herren, was speziell die Klauenseuche betrifft, Und das ift der Punkt, an den die ganze Verhandlung angeknüpft hat, fo gestatte ich mir, Jhnen folgendes mitzutheilen.

Wir sind darüber ganz zweifellos, daß ganz abgesehen davon, ob die Einschleppung der Klauenseuhe dem Auslande zur Last fällt, oder ob sie spontan bei uns auftritt allein mit polizeilichen Maß- regeln die Krankheit niht bekämpft und beseitigt werden kann. Die preußishe Veterinärverwaltung hat sich daher {hon seit längerer Zeit mit der Frage beschäftigt: welhes ist denn das Kontagium der Klauenseue? und weiter mit der Frage: kann man nicht Präventivmaßregeln ergreifen ? Meine Herren, nach längeren Ver- handlungen ist in Aussiht genommen, für Preußen ein Institut für die Seuchenerforschung und die Thierhygiene zu gründen, und zwar in Berlin in Verbindung mit der Thierärztlihen Hoch- \{hule. Diese Verbindung ist wünschenswerth : einerseits, um dem Institut die Mitarbeit der vorzüglichen wifsenshaftlihen Kräfte zu ermöglichen, und sodann, um das Institut auch für Unterrichtszwecke nußgbar zu machen. Der preußishe Herr Finanz-Minifter hat sich bereit erklärt, in den Etat des nächsten Jahres diejenigen nit ge- ringen Mittel einzustellen, welche erforderliß find, um baulih, in- \trumental und na allen sonstigen Richtungen hin das Institut so auszurüften, daß es allen Anforderungen genügt. Da aber bis zur Vollendung dieses Instituts noch einige Jahre vergehen werden, fo werden im nähsten Jahre in dem preußischen Institut für Infektions- krankheiten Untersuhungen über die Maul- und Klauenseuche in großem Maße angestellt werden, und sind die dazu erforderlichen Miticel auch in den preußishen Staatshaushalts-Etat eingestellt worden. Wir sind auf diesem Gebiet fortwährend mit Ermittelungen beschäftigt. Wenn der Bacillus der Maul- und Klauenseuße auch noch nicht entdeckt is obgleich auch neuerdings wieder die Be- * hauptung auftriti, daß er gefunden sei —, so muß man doch die Hoffnung hegen, daß doch’ wenigstens ein Mittel entdeckt werde, welches der Verbreitung der Krankheit vorbeugt. Jn wenigen Tagen oder Wochey werden die Versuche abgeschlossen sein, die mit den neu- entdeckten Mitteln nah allen Regeln der Wissenschaft und Kunst an- gestellt werden.

Meine Herren, das sind die allgemeinen Bemerkungen, die ih glaubte machen zu sollen. Jh will dann noch Folgendes hervorheben. Die Handhabung der Veterinä1 polizei ist eine der shwierigsten Auf- gaben der landwirthschaftlichen Verwaltung und des Reichsamts des Innern, weil von Tag zu Tag neue Erscheinungen auftreten, neue Wahrnehmungen gemacht werden, und weil infolge defsen von Tag zu Tag das Bild der Maßnahmen, die zur Abwehr nah innen und außen ergriffen werden müssen, sich verändert. Infolge dessen sind auch neuerdings wieder sehr wesentlihe Einfuhrbeschränkungen zur Ausführung gelangt.

Was den Schuß gegen die Tuberkulose betrifft, so hat, glaube ih, der Herr Staatssekretär des Innern gestern {on mitgetheilt- daß gegen die Tuberkuloseeinschleppung dur die Quarantänc- Anstalten, sowohl dur die Landquarantäne-Anstalt in Hvidding wie durch die Seequarantäne- Anstalten, die Anordnung getroffen ist, daß jedes Stück Vieh aus Dänemark, Skandinavien u. \. w. mit Tuberkulin geimpft werden muß, und daß datjenige Vieh, welches darauf reagiert, sofort an der Grenze abgeschlachtet werden soll. Es ift rihtig, daß, nahdem man in Dänemark, wo, glaube ih, die Tukteikulose noch stärker verbreitet is als in Deutshland (sehr richtig! rechts), durch die Tuberkulinimpfung den Umfang der Gefahr festgestellt hat und es is das naturgemäß, die Menschen sind in dieser Beziehung Egcisten, die Staaten auch —, daß man das Vieh, welches sich als verdächtig erwiesen hat, abzu- schieben sucht. Sowohl das tuberkelverdähtige Vieh is lebend zu uns herübergebracht, auch ift tuberkulöses Fleis anscheinend in erheb- lihem Umfang nah Deutschland gebraht. (Hört! hört! rets.) Geschähe das nun in öffentlihen Schlahthäusern, die unter polizei- liher Aufficht stehen, und in denen jedes Stück Fleisch auf Tuber- kulose. wie auf alle anderen bedenklihen Erscheinungen hon aus fanitätspolizeilihen Gründen untersuht wird, so wäre die Sache nit so bedeuklih. Aber es geht auch viel tuberkulöses Fleisch in den freien Verkehr, und der Uebergang in den freien Verkehr if aus fanitären und veterinärpolizeilihen Gründen in hohem Grade be- denklich.

Jeßt, meine Herren, wende ich mich zu den einzelnen Be- merkungen, die hier gefallen sind. Zunäwst hat Herr Graf Stolberg , auf die Schweineauéfuhr aus Nußland hingewiesen und hat durchaus zutreffend mitgetheilt, daß wir gegen Rußland sowohl gegen lebendes wie gegen todtes Vieh gesperrt sind, mit Ausnahme einer kontingentierten Zahl von Schweinen, die direkt in vier Schlahthäuser im ober-

\{hlefischen Jndustriegebiet zur sofortigen dortigen Abs{hlahtung ein- geführt werden dürfen. Meine Herren, während ih die Ehre batte, die landwirthschaftlihe Verwaltung in Preußen zu führen, ist bereits eine zweimalige Einschränkung dieses Kontingents eingetreten. Auf einmal die ganze Einfuhr von Schweinen aus Rußland in das Industriegebiet zu verbieten, wurde sowohl von allen dortigen

Staatsbehörden wie auch von den sonst Betheiligten als unausführbar

bezeichnet (fehr rihtig! aus der Mitte), weil das für die Industrie- bevölkerung bedenklihe Folgen zeitigen werde. Wir haben jeßt durch die zweimalige Einschränkung feststellen können, daß die Preise für Schweinefleish troß der Reduktion wieder auf den Standpunkt zurückgegangen sind, den sie einnahmen, als in viel größerem Unmnifang die Shweineeinfuhr aus Rußland in das \{lesishe Industriegebiet stattfand. (Hört! hört! rechts.) Das beweist, daß jeßt die Einfuhr von Schweinen aus Rußland ausreiht, um den Bedarf in dem Iydustriegebiet zu befriedigen.

Dann hat Herr Graf Stolberg shon darauf hingewiesen, daß wir Maßregeln getroffen haben, um die für später bereits in Aussicht genommene vollständige Beseitigung der Schweineeinfuhr aus Rußland eintreten zu lassen, dagegen die Zufuhr von Shweinen aus dem deutshen Gebiet nah dem Industriegebiet mögli zu erleichtern. Wir haben nun die merkwürdige Erfahrung gemacht, daß neben der Einfuhr aus Rußland und der eigenen Produktion im Industriegebiet dasjenige, was an lebenden und geshlahteten Schweinen dur den erleihterten Eisenbahnverkehr dorthin geführt werden sollte, minimal war. Woran das liegt, weiß ich niht. Aber, meine Herren, ih glaube hieraus die Folgerung zichen zu follen, daß, wenn wir jeßt die Schweineecinfuhr aus Rußland weiter beschränken, keine Gefahr für die Industrie vorhanden sein würde, und es ift dethalb in Erwägung genommen, in späterer Zeit die Einfuhr aus Rußland nah dem oberschlesishen Industriegebiet weiter zu beshränken und ganz zu beseitigen. (Lebhaftes Bravo rets.)

Interessant war auch, daß nah dem Verbot der Rindvieheinfuhr aus der Bukowina eine Steigerung der Preise für Schweinefleisch nicht eingetreten is. (Hört! hört !) Es beweist das doch, daß die früheren Behauptungen, die mit der volliten Entschiedenheit in dortigen Kreisen aufgestellt wurden, daß ohne Zufuhr aus dem Auslande die Industriegebiete niht leben könnten, nicht in vollem Umfange zutreffend sind. (Zurufrehts.) Mir wird eben zugerufen : „Händler!“ Da haben wir allerdings eine interessante Wahrnehmung gemaht. Als wir das Kontingent beschränkten, matten die Händler, die gewissermaßen die Einfuhr aus Rußland als Monopol in Händen hatten, großen Lärm. (Heiterkeit rechts.) Sie glaubten den Nachweis erbringen zu können, einmal, daß die Industriegebiete zu Grunde gingen, zweitens, daß sie auf das allerempfindlihste ges{hädigt wurden. Sie haben allerlei Machination gemaht, um nahträglih den natürlichen Lauf der Dinge zu stören; aber es ist mit Strenge vorgegangen, und der Erfolg, meine Herren, liegt jeßt vor. (Bravo! rets.)

Meine Herren, eine fernere Aeußerung des Herrn Grafen Stol- berg, daß eine nicht genügende Berücksichtigung der nationalen Inter- essen stattfinde, habe ih schon beleuchtet; es erübrigt nur, auf die Be- merkung desfelben Herrn über England einzugehen. Meine Herren, es ist eine bekannte Thatsahe: England is dem Auslande gegenüber das Land des Freihandels und behauptet, auf allen Gebieten den Grundsaß des Freihandels ftrikte durchzuführen. Wenn aber materielle Interessen England rathen, von diesen Prinzipien abzu- gehen, dann ist England der entschiedenste Shutzöllner (sehr wahr! rechts); dafür haben wir genügende Beweise in der rückwärts liegenden Geshihte. Jch erinnere nur an die Rigorosität, mit der England lediglich im Interesse des Schußes der englischen Produktion den ganzen Import von Schlachtvieh aus Schleswig-Holstein nach England unterbunden hat. Aber, meine Herren, was für ein Insel- reih wie England paßt, das vollständig unabhängig ift, weder durch die innere Gescßgebung noch dur Verträge nah außen gebunden ift, das können wir nit nahmahen. Unsere territoriale Lage ¡wingt uns schon in dieser Richtung, eine neuere Politik zu befolgen, als es England kann.

Eine Bemerkung des Herrn Abg. Werner, der ih darüber be- shwerte, daß im Innern des Reiches die Veterinärpolizei zu rigoros gehandhabt werde, habe ih bereits beleuhtet. Es is das ein Beleg dafür, wie verschiedenartig die Dinge beurtheilt werden.

Dann hat der Herr Abgeordnete Werner auf die Mängel bei der Desinfektion der Eisenbahnwagen bingewiesen. Meine Herren®ih be- zeuge ausdrücklih, daß seitens der Behörden die Desinfektion im In- lande mit der größten Strenge gehandhabt wird; ob ebenso im Aus- lande, entzieht sih meiner Beurtheilung. Aber Menschen sind Menschen. Daß in der Beziehung hin und wieder nicht alles so ausgeführt wird, wie es vorgeschrieben ift, kann vorkommen. Ih möthte indessen glauben, daß das vereinzelte Fälle sind, und daß darauf die starke Ver- breitung der Seuchen allein niht zurückgeführt werden kann.

Auf die Ausführungen, daß der Herd der Seucben an den Grenzen liege, und daß möglichste Absperrung nöthig sei, glaube ich nah meinen allgemeinen Darlegungen nicht nohmals eingehen zu sollen. Der Herr Abg. Geistenberger hat darauf hingewiesen, oder ih habe ihn so verstauden, daß er eine zehntägige Quarantäne auf- rihten will, sowohl im Inlande gegen verseuht: Gebiete des In- lands, als au an der Grenze. (Zuruf.) Nun, meine Herren, dann habe ich den Herrn Abgeordneten mißverstanden und werde auf diesen Punkt nur eingehen, weil er von anderer Seite, wenn ih recht unterrichtet bin, gestern angeregt ist. Eine inländishe Quaran- täne einzurichten, also, ich will beispielsweise sagen in Bayern gegen Württemberg, ift, abgesehen vcn dem Umstand, daß das außer- ordentlih s{chwer durchführbar ift, au mit der Reich8geseßgebung niht vereinbar. Wohl i} es zulässig und dieses Ret wird auch gehandhabt —, wo direkte Gefahr vorliegt, durch die Einführung von Ursprungsattesten und durch thierärztlihe Untersuhung jezedes aus einem verseuhten Gebiet in andere Gebiete übergehende Stück Vieh auf seinen Gesundheitszustand zu prüfen und es einer gewissen polizei- lihen Beobachtung, sei es in den Ställen des Empfängers, sei es in den Ställen der Händler, zu unterwerfen. Diese polizeilichen Mafß- regeln sind bereits längere Zeit in Anwendung, aber nur da zuläsfig, wo die Gefahr der Einschleppung von Seuthen von einem verseuhten nah einem nit verseuhten Gebiet \taitfiaden soll.

Meine Herren, die Frage, ob und wie weit wir uns darch Quarantäne {hüten können und wollen gegen den Import von Vieh aus dem Auslande, if Gegenstand der Erwägung. Sie ist außer- ordentlich {wer durchführbar, und diese Maßregeln haben auch ibre großen Bedenken. Jedenfalls sind die Erwägungen darüber, ob es

mögli, rathsam und zulässig is, fo vorzugehen, noch nicht zum Ab. {luß gekommen.

Dann hat der Herr Abg. Gerstenberger behouptet, der Herd der Maul- und Klauenseuche liege permanent in den Sthlawthäusern. Meine Herren, dem muß ih auf das entschiedenfte widersprechen. Sobald ein verseuhtes Thier in einen Schlacbthof hineinkommt, wird

_ sofort--vie -Xbschlachtung unter Kontrole der Veterinärpolizet-—aus-

geführt, und wenn es bedenkliche SeuHen sind, wird das Fleish ver. nihtet, wenn es unbedenklih is, wird das Fleis unter Kautelen in den Verkehr gegeben; kurzum, in dieser Beziehung findet die aller- shärfste und strengste Kontrole ftatt. Ueber zu rigoroses Vorgehen in dieser Richtung werden bäufig auch Klagen erhoben.

Meine Herren, dann hat der Herr Abg. Gerstenberger noch darauf hingewtesen, die Großhändler würden milder behandelt als der Bauer, gegen den Bauer würde viel zu \trenge vorgegangen. Dieser Be- hauptung muß ih entschieden widerspre(en. Soweit mir die Ver- hältnisse bekannt sind und in Preußen kann ih das mit Be- stimmtheit behaupten —, sind sämmtliche Staatsorgane gewillt und bemüht, ohne Rücksiht auf Großgrundbesiß, auf Kleinbesiz, auf Großhandel und Kleinhandel, die veterinärpolizeiliGßen Maßregeln auszuführen. Meine Herren, es ist eine undankbare Thätigkeit, welhe in dieser Beziehung sowobl in der oberen, wie ia der mittleren Instanz und in der unteren Instanz entwickelt wird. Man mag thun, was man will, man mag noch fo streng vorgeben und man mag mit dem besten Willen handeln es beweisen das die Verhandlungen, welche über diese Dinge im Reichstage oder im preußischen Landtage geführt werden —, Allen kann maus nicht recht machen. Die einzige Beruhigung für mich liegt darin, daß ih das Bewußtsein habe, eingeshränkt dur Verträge und Gesetze, meine Pflicht im Interesse der deutschen Landwirthschaft treu und gewifsen- haft gethan zu haben, und meine Pflicht werde ih fernerhin thun, ih mag gelobt oder angefohten werden. (Bravo !)

Nach dem Abg. Dr. Fen (b. k. F) nahm im weiteren Verlauf der Sigzung der Minister für Landwirthschaft 2. Fret- herr von Hammerstein das Wort zu nachstehender Rede:

Ich habe nicht die Absicht, auf die leßten Ausführungen des Herrn Vorredners einzugehen.

Mir giebt eine Aeußerung des Herrn von Ploet zu einer kurzen Erwiderung Anlaß.

Wenn Herr von Ploeß behauptet, meine Aeußerung, daß eine Divergenz zwischen dem Reichsamt des Innern und dem preußischen [andwirthshaftlihen Ministerium hinsihtlich der Verwaltung der Veterinärpolizei niht bestanden habe, stehe im Widerspru mit einer Aeußerung, die ih im vorigen Jahre gemacht habe, so if das ein Irrthum. Herr von Ploeß hat mir die Aeußerung nit näher bezeihnet; soweit ich mich erinnere, habe ich mich sehr bäufig darüber ausgelafsen, daß der Dualismus und di: Konkurrenz der Be- börden des Deutschen Reichs und der Einzelstaaten in der Hand- babung der Veterinärverwaltung eine gewisse Erschwerung für beide herbeiführe, niht aber habe ih ausgesprochen, daß eine Divergenz der Ansihten über die praktishe Handhabung der Geseze vorbanden sei. und daß darin die Schwierigkeit liege. JIch habe hon in der ersten Rede, die ich zur Entwickelung meines Programms im preußischen Landtage hielt, auf die Schwierigkeiten hingewiesen; sie sind aber in ganz anderer Richtung von mir gemeint gewesen, als sie Herr von Ploet angedeutet hat.

Meine Herren, ich habe im allgemeinen keine Veranlassung, auf die Aeußerungen des Herrn Abg. Dr. Hahn einzugehen ; aber soweit fie sfich auf das veterinärwifsenshaftlihe Gebiet verstiegen haben, ges statte ih mir folgende Darlegung. Ich glaube, daß die preußische Veéterinärwissenschaft und ihre gegenwärtigen Vertreter die größten Autoritäten in der Veterinärwissenschaft vielleicht in der ganzen Kultur- welt sind; denn wenn irgendwo wichtige Fragen auf diesem Gebiet in anderen Staaten auftauchen, werde ih faft regelmäßig ersucht, dieselben von der Deputation für das Veterinärwesen oder durch einzelne unsere Veterinäre prüfen und untersuhen zu laffen. Schon daraus folgere ih, daß ich mich mit Fug und Recht in allen Fragen veterinär- technisher Natur aus\chließlich auf unsere wissenschaftlichen Autoritäten süße. Ich bin selbstverständlih niht in der Lage, die wissenschafi- liche Darlegung, die Herr Dr. Hahn hier mit großem Eifer und Geschick vorgetragen hat, auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen. Auch bin ich niht in der Lage, eine Autorität wie den Hamburger Staats-Thierarzt Vollers, den Herr Dr. Hahn angeführt bat, hinsihtlih seiner Bedeutung zun beurtheilen, obgleih mir bekannt ift, daß er ein tüchtiger Herr ift. Der Reichstag is nach mcinem Dafürhalten ebensowenig in der Lage, auf Grund der veterinärwifsenschaftlichen Darlegungen des Herrn Dr. Hahn bveterinärtehnische Beschlüsse zu fassen, und ich werde Ver- anlafsung nehmen, die interessanten Sachen nach ihrer stenographischen Aufzeihnung der Deputation für das Veterinärwesen zugängalih ju machen. Ich glaube aber, daß die meisten der Darlegungen der von mir bezeihneten wissenshaftlißen Autoritäten längst bekannt find.

Einiges aus den Darlegungen des Herrn Dr. Hahn will id berausgreifen. Herr Dr. Hahn sagte, die Ansteckungsgefahr bei der Maul- und Klauenszuhe erstrecke sich über 10 Tage binaus. Die erakten Versuche, die gemaht sind, um festzustellen, wie lange die Inkubation dauert, haben erzeben, daß über 10 Tage hinaus der Seuhhenstoff in keinem Thiere verborgen blieb. Herr Dr. Hahn hat auch {hon angeführt, daß häufig nicht die unmittelbare Ansteckung von Thier zu Thier die Ursahe der Verbreitung der Maul- und Klauenseuche set, fondern daß der Ansteckungsstof\ der Maul- und Klauenseute oft in den Haaren, den Exkrementen u. \. w. ih finde. Es ift zweifellos, daß der Ansteckungsftoff, der auf diese Weise dem Thier anhaftet, weit über 10 Tage hinaus wirksam ist, wahrsh-zinlich weit über die Frist, die Herr Dr. Hahn anu- gegeben hat. Alfo diese Gefahr wird durch Verlängerung der Frift, auch über die 4 Woghen hinaus, garnicht zu verhindern sein. Es if cin Uebelftand bei Maul- und Klauenseuche, daß ihr Kontagium an- scheinend durch alle möglihen Gegenstände und Thiere äußerlih ver- \{chleppt werden fann. Ich habe {hon hervorgehoben, meine Herren, daß die Frage, welches der Ansteckungs\toff ist, Gegenstand der wihzx- shaftlihen Untersuchung sei. Ih führte vorhin in meiner Rede aus, die polizeilihen Maßregeln genügten niht, wir müßten der SaÏ- noch weiter auf den Grund fommen und sehen, wo der Anfteckungt- stoff läge, ob es ein Bacillus oder was sonst sei; und mit Lösung diefer Frage sind die Hzrren Beterinäre, Aerzte und sonstigen Forider seit langem beschäftigt,

Meiue Herren, dann darf ih noch eine kurze Bemerkung hinzu- fügen. Gs ift gesagt worden, ih glaube, von Herrn Dr. Hahn, jeden- falls von Herrn von Ploey und auch noch von anderen Rednern des Hauses: auf diesen und auf anderen Gebieten würden immer goldene Berge. versprochen, es werde aber wenig geleistet. Die kleinen Mittel, welhe in Ausficht gestellt seien, werden niht angewandt. Dagegen

muß ih entshieden Widerspruh erheben. Meine“ Herren, wnitér den

fleinen Mitteln der Ausdruck ist mir eigentlich niht gerade \ym- pathish (Heiterkeit) versteht man in der Regel alle diejenigen Maßregeln, welche ih in meiner ersten Programmrede im preußischen Landtage dargelegt habe. Wenn Sie die Güte haben wollen, die Denkschrift über die Maßnahmen auf landwirtb\chaftlihem Gebiet in den letzten Jahren zu lesen, welhe das Staats-Ministerium Seiner Matestät dem Kaiser und Könige überreicht hat, wel&ze nahher Seine Majestät weiter zu verbreiten befohlen hat, so werden Sie finden, daß in den leßten paar Jahren für die Landwirthschaft auf allen Gebieten, auf legislativem Gebiete, auf dem Gebiete der Verwaltung, dur direkte und indirekte Unterstüßung der Landwirthschaft viel mehr ge- s{hehen ift, als vielleiht in 25 Jahren vorher. Auf - diesem Wege wird man weiter vorwärts gehen und wird das, was von den da- maligen Zusagen noch unersüllt ift, ganz zweifellos einlösen und die Mitwirkung der Parlamente dabei in Anspruh nehmen, soweit es ih um Maßnahmen auf legislativem Gebiet kandelt.

Noch einen Punkt muß ich berühren. Neuerdings haben die Herren, die den Bund der Landwirthe vertreten, eine Eingabe an mi gerichtet, die sih auf das Veterinärgebiet bezog. Ehe ih die Eingabe zu Händen bekam, war sie bereits in der Presse verbreitet. Jch habe Veranlaffung genommen, thatsählihe Mittheilungen aus dieser Ein- gabe zu berihtigen; denn die geseßlihen Bestimmungen waren unvoll- ftändig wiedergegeben, au enthielt die Begründung verschiedene Un- richtigkeiten. Ich habe diese Berichtigung durch die Presse eintreten laffen und damit denselben Weg betreten, den die Herren ihrerseits betreten haben. Aber ich bedaure es, daß dieser Weg beschritten werden mußte. Es verbreitet sich häufig dur solche sofort der Oeffent- lichkeit übergebene Mittheilungen eine irrige Auffassung über das, was die Staatsregierung gethan hat bezw. zu thun gewillt ist. Wenn man abgewartet hâlte, bis ein Bescheid auf diese Eingabe erfolgt war, so hätte man eine Irreführung in obiger Richtung vermieden, es wären nur Ausführungen in die Oeffentlichkeit gekommen, welche unanfecht- bar waren. Ich richte die Bitte an die Herren, wenn sie mit solhen Eingaben hervortreten, zu versuten, eine objektive Beurtheilung auf diesem Gebiet auch in weiteren Kreisen herbeizuführen; denn wenn durch eine nihtobjektive Darstellung, vielleiht unbewußterweise, eine falsche Darlegung über die Thätigkeit der landwirthschaftlihen Ver- waltung in weitere Kreise getragen wird, so nüßt man damit nicht der Landwirthschaft, shadet ihr vielmehr und untecgräbt verkehrterweise das Vertrauen zur landwirthschaftlihen Verwaltung, dessen dieselbe nicht wohl entbehren kann, wenn sie helfen soll. (Sehr ritig !)

Nun, meine Herren, ih glaube, daß ih sine ira et studio diese Mittheilung gemacht habe; ih will keine weitere Kritik daran knüpfen, ih habe mich nur für verpflihtet gehalten, diese Dinge zur Sprache zu bringen, weil ich wünsche, daß in künftigen Fällen anders verfahren werde.

Zum Schluß, meine Herren, mahe ih noch auf eins aufmerksam. Wir haben beute etwa vier Stunden uns mit der Veterinärfrage be- schäftigt; im vorigen Jahre hat Gleiches hier und im preußischen Lndtage stattgefunden, Ob es immer zum Vortheil der Landwirthschaft gereiht, wenn diese Fragen so in die Oeffentlichkeit getragen werden, ersheint mir nach hinter mir liegenden Erfahrungen in hohem Grade zweifelhaft. Jch erkenne aber an, daß die Verhandlungen für heute durchaus objekiiv lediglih vom wveterinärpolizeilihen Standpunkte aus geführt sind. Wüären sie geführt in der Weise wie im vorigen Jahre im Abgeordnetenhause, so kann ih mir nicht ver- hehlen, daß unser Verhältniß zu den Nachbarstaaten nicht erleichtert, sondern ganz erheblich und, wie ih glaube, zum Nachtheil der Land- wirthschaft erschwert worden wäre. Jm übrigen bin ih dankbar, daß mir hier Gelegenheit zur Aussprache gegeben worden ist. Die Er- örterungen, die heute hier stattgefunden haben, werden {on in cinigen Tagen im preußischen Landtage von neuem stattfinden; leßtere sind durch die heutige Verhandlung, wie ih glaube, wesentlih erleichtert worden, Uebrigens werde ih auch ferner bemüht sein, eine möglichst objektive Stellung, wie bisher so auch in den noch bevorstehenden Ver- handlungen, einzunehmen. (Bravo! rechts und in der Mitte.)

160. Sißung vom 23. Januar 1897, 1 Uhr.

Tagesordnung: Fortseßung der zweiten Berathung des Reichshaushalts-Etats für 1897/98, und zwar beim Etat der Reihs\chulden.

Abg. Dr. Lieber (Zentr.): Ih beabsihtige nicht, die Erörte- rungen über die Reichs - Finanzpolitik von neulich beute fortzuseßen. agen glaube ih, daß es angebraht ist, bei dem Kapitel der Reichsshulden die Aufmerksamkeit des Reichstages und der verbündeten Regierungen darauf zu lenken, daß ein Grund der \chweren Verschuldung des Reichs der Umstand ist, daß wir offenbar zu früh mit der Begebung dreiprozentiger Anleihen vorgegangen find. In den Anlazen zum Konvertirungsgeseß sind Tabellen enthalten, aus denen dieser Beweis zu führen ist. Jh bedauere, daß nicht gleiche Tabellen dem preußischen Konvertierungsgeseß beigegeben sind. Statt des ausgegebenen Nominalbetrags von 885 255 100 A haben wir Netto nur 761 793 563 M erhalten, also rund 14% des Kapitals verloren, und der Rest wurde nit mit 3, sondern rund mit 34 9/9 ver- äünst, und wenn die Tilgung beginnen wird, werden wir 123 Mill. mehr zu tilgen haben, als wir A erhalten haben. Ja Preußen sind 635 Millionen 3 prozentiger Anleihen begeben zum Nettopreise von 937 Millionen, und der Zins stellte sich sogar über 34 0/9; bei der Tilgung sind 98 Millionen mehr erforderli, als Kapital gezahlt ist, Der Schaßsekretär bleibt dabei uner Verantwortlichkeit, während die 3prozentige Aera in Preußen mit dem Amtsantritt des preußischen Finanz-Ministers zusammenfällt. Man kann also für Preußen und ur das Reich ein Konto von weit über 200 Millionen Mark ins Debetkonto schreiben, die wir mehr schuloig geworden sind, als wir Kapital erbalten haben. Das ist um so bedenklicher, als die 34 pro- ientigen Papiere zum theil weit über pari begeben find. Wir haben dabei 8 Millionen mehr erhalten, und der Zinsfuß ]stelt sh daher festen als 3} 9%. Es genügt mir für heute, diese Thatsachen

ustellen.

Staatssekretär des Reichs - Schaßamts Pr. Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Thatsächlich gestatte il) mir zunächst zu bemerken, daß im Jahre 1890 dreiprozentige Papiere ausgegeben sind gleich- ¡eltio vom Reich und von Preußen in gegenseitiger Uebereinstlmmung, und ¡war wurden damals 170 Millionen dreiprozentlge MNelchs- Anleihe und 65 Millionen preußlsher Anleihe dur eine glel-

Graf von

¡eitige BekanntmaHung des Reichsbank-Direktoriums und der See- handlung vom 4. Oktober 1890 zur öffentlichen Zeihnung aufgelegt. Die Gründe, warum man damals von dem 3èprozentigen zu dem 3 prozentigen Typus überging, lagen zunächst darin, daß nah Auskunft der sahverständigen Kreise und auh nah den Erklärungen des

Banquierkonsortiums,, mit dem man wegen der Begebung in Ver- } bindung trat, der Markt mit 34 prözeñtigeï Reichs-Anleihe übersättigt

war, und man befürchtete, daß bei weiterer Begebung einer größere Menge 3¿prozentiger Anleihen voraussihtlih ter Kurs der 3tprozentigen wesentli gedrückt werden würde. Im allgemeinen is es erwünscht, Papiere auszugeben, deren Kurs sich niht über Pari tellt, weil eine Kündigung und Zurückzahlung von Papieren, die über Pari ftehen, die Finanzverwaltung in ihren Verfügungen zu genieren pflegt. Wir haben das ja aus zahlreihen Reden gehört, die hier in diesem Hause und im preußischen Abgeordnetenhause gehalten sind und die sich gegen eine Konvertierung aussprewen , weil eine Konvertierung von Werth- papieren, die über Pari ftehen, niht nur mit einem Zins-, sondern au mit einem Kapital - Verlust für die Gläubiger verbunden set. Es empfiehlt sih deshalb, den Zinstypus so festzuseßen, daß die Squldtitel möglichst in der Nähe des Parikurses sih bewegen. Für eine Begebung 3prozentiger Papiere ist aber ferner der Grund ins Gewicht fallend, daß es erwünscht ist, unsere Anleihen möglichst im Inlande unter- zubringen, und um das zu erreichen, empfiehlt es sich, ¡Papiere unter Pari auszugeben, weil dann dem Käufer immer noch die Aussicht auf einen kleinen Gewinn infolge der möglichen Kurssteigerung verbleibt. Die Ausführungen des Herrn Vorredners sind ja nach ihrer arithmetishen Seite ganz unzweifelhaft rihtig. Es ift richtig, daß nah dem neuesten Abschluß, den ich Ende Dezember habe auf- stellen lassen, wir gegenüber dem Nominalbetrage der 3 prozentigen Anleihe 123 562312 M an Valuta verloren haben, und daß die 3prozentige Anleihe noch mit 0,020%/9 höher zu verzinsen war, wie die 3Fprozentige. Ich glaube aber, die Schlüsse, die aus dieser arithmetishen Thatsache gezogen werden, wüiden nur dann zutreffend sein, wenn man annehmen könnte, daß bei weiterer fortgesezter Be- gebung 3Fprozentiger Papiere der Kurs immer, derselbe geblieben wäre, wie er dieser vergleidenden Statistik zu Grunde gelegt ist. Diese Annahme kann man aber als ohne weiteres zutreffend nicht binstellen. Eine ganz genaue Vergleihung, wie sich die shließlihe Bilanzierung im Interesse des Reichs und in Preußen gestellt hätte, wenn man fernerhin 34 % Schuldtitel ausgegeben hätte gegenüber dem neuen Typus von 3 %% ließe sih nur dann aufftellen, wenn man auhch gleichzeitig 34 9/6 und 39% Sculdtitel, und zwar in gleichen Summen realisiert hätte und dann berechnete, wie viel Valuta wir für jeden Typus bekommen haben und wie sih demgemäß die Ver- zinsung gestellt hat. Alle anderen Berechnungen vergleichender Natur werden aber nie vollkommen beweisfräftig sein, aus dem einfachen Grunde, weil ja nah den augenblicklichen Geld- und politishen Ver- hältnissen die Valuta der realisierten Anleihetitel sich verschieden stellt und nah dieser vershiedenen Valuta, die abhängig if von äußeren Konjunkturen, sich selbstverständlih auch der Prozentsay verschieden stellt, den wir für eine aufgelegte Anleihe thatsächlich zu entrihten haben. Da aber, wie Sie aus den Anlagen zum Konvertierungsgeseß ersehen, die Valuta der 3 prozentigen geshwankt hat von 83,8078 bis 99,3280, fo hat sich natürlich niht nur der Zinsfuß für jede einzelne Anleiheaufnahme verschieden gestaltet, sondern auch der Durhschnittszinsfuß, der aus der Begebung sämmtlicher 3 prozentiger Anleihen herausgerechnet is, hat sih aus diesen wehselnden Faktoren der einzelnen Anleihebegebungen gebildet. Wenn man also jeyt den Grundsaß aufstellt, wir wären mit der Begebung 3èprozentiger Titel voraussihtlich besser fortgekommen, weil sih thatsählich die Verzinsung der 3 prozentigen Anleihetitel etwas höher gestellt hat, so muß man dagegen sofort den Einwand erheben, diefer Verglei wäre nur berechtigt, wenn man 3F prozentige und 3s prozentige in gleihen Summen und gleichzeitig, d. h. unter gleihen Verhältnissen, ausgegeben hätte; denn sonst kann man niht wissen, welchen Erlös die 3F prozentigen zu der Zeit gebracht hâtten, wo die 3 prozentigen thatsählich ausgegeben sind.

Ich glaube deshalb, mit dieser Sicherheit kann man aus der Verschiedenheit der Grundlagen, welche bei der Vergleihung heran- gezogen sind, niht s{ließen, daß die Begebung der 3 prozentigen an sich eine finanziell unrihtige Maßregel war.

Abg. Dr Enneccerus (nl.): Die Rehnung des Herrn Lieber wäre rihtig gewesen, wenn cine baldige Einlösung und Konvertierung der 3 prozentigen Anleihe beabsichtigt wäre. Da aber die Gläubiger nicht kündigen können, so kommt es niht auf den Nominalbetrag, sondern nur auf den Zinsfuß an. Das beweist der Zinsfay in dem gleichen Jabre. 1895 verzinsten sich die 33 prozentigen mit 3,35 ©/0, die 3 prozentigen mit 3,02 9/0, also F 9/6 niedriger.

Abg. von Kardorff (Np.): Ich weiß, daß der Finanz-Minister Miquel sehr shwankte, ob man den 3- oder prozentigen Typus wählen sollte. Er hat sih wesentlich durch tas Votum der Finanz- autoritäten bestimmen lassen. Sie werden dafür gute sachliche, nicht egoistishe Gründe gehabt haben; auf das Votum der Finanzkräfte muß etwas gegeben werden. Jh bin der Ansicht gewesen, daß man bei dem prozentigen Typus bleiben solle.

Staatssekretär des Reichs:-:Schaßzamts Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Zur Klarstellung der damaligen Situation wird es vielleicht beitragen, wenn ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten einen Pafsus aus einem Bericht verlese, der damals erstattet wurde, als die Genehmigung Seiner Majestät des Kaisers für den 3 Proz.- Typus eingeholt wurde. Jn diesem Bericht vom 8. September 1890 findet sih folgende Ausführung:

„In Bankkreisen wird die Meinung vertreten, daß der in- ländishe Markt mit 38 prozentigen Papieren übersättigt sei, und daß ein 3 prozentiges Anleihepapier willigere Aufnahme finden werde, sih auch zu günstigeren Bedingungen werde begeben lassen. Für diese Auffassung s{heint der verhältnißmäßig hohe Kurs der sächsischen 3 prozentigen Rente zu sprechen, welcher am 4, September d. J. 9109/9 betrug, während sih bei Zugrundelegung des Kurses der 3} prozentigen Reihs-Anleihe vom gleichen Tage für cin 3 pro- zentiges Rentenpapier nur ein Kurs von 85,30 ergeben würde.“

Gs war also mit anderen Worten bei der \ächsishen Nente eine Differenz von 91: 85,80 zu Gunsten des 3 prozentigen Typus. Der 3prozentige Typus is gewählt in Uebereinstimmung des Herrn Reichskanzlers, des preußischen Herrn Finanz-Ministers und des Herrn Reichsbank:Präsidenten, und maßgebend dafür warez die Kurs- ersheinungen, die sich bei der 3 prozentigen sächsis{hen Rente gegen- liber den 3} prozentigen Neichs- und preußischen Anleihen gezeigt hatten. Ferner die Thatsache, daß der Markt mit 3} prozentigen

Papieren überfüllt war und daß endlih das Konsortium, mit welchem über die Begebung neuer Reichs- und neuer preußischer Anleihen ver- handelt wurde, niht geneigt war, fernerhin 3 prozentige Papiere ¡u übernehmen.

Abg. Friten (Zentr.) hält es do für rihtig, daß ein Verlust vermeiden können. Jedenfalls stände diefe KapßTttalverlust keine Verminderung des Zinssaßes gegenüber. Redner bezeichnet es als erfreulih, daß die Verzinsung der Reichsschuld nur unerbeblih zus omen Habe, aber bedenklich sei es, daß die Zinsen für die Mane sungen sih vermehrt hätten.

i bg. Dr. Enneccerus (nl.): Eine Verminderung des Zins- fußes bâtte erreiht werden können, wenn man die Kursfteigerung bâtte voraussehen können; dazu war aber auch Herr Friten nicht m e denn durch die Begebung der Anleihe ändert ih er Kurs.

Staalssekretär des Reichs - Shaßamts Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Ih möchte mir gegenüber den Ausführungen des Herrn Abg. Fritßen noch eine ganz kurze Bemerkung erlauben. Ich glaube, darin hat der Herr Abg. Enneccerus Recht: man kann nicht die eventuellen Chancen der 33 prozentigen oder 3 prozentigen Anleihen nah kleinen Summen bemessen, die aus solhen An- leihen, die hon verausgabt waren, nur in andere Hände übergegangen sind. (Sehr richtig!) Obgleich ih auch da im praktischen Leben die Erfahrung gemaht habe, daß man manhmal den Kurs von Staats- und Kommunalpapieren {hon wirft, wenn man auch nur 30 000 Æ an der Börse verkauft. Der Fall, der hier zu beachten, ift ein anderer. Im Jahre 1890 sollte ein Anleihetvpus, für den schon fo erhebliche Beträge am Markt waren, allein für das Reich 790 Millionen, verstärkt werden durch weitece Begebung von 3s prozentigen Anleihen în Höhe von 170 Millionen, und wenn man den Betrag dazu rechnet, der damals noch von Preußen verausgabt werden sollte, so wären sogar gleidzeitig 235 Millionen 3z prozentige am Markt erschienen. Diese Summe hätte natüclich ganz anders auf den Kurs der 3Zprozentigen Papiere gewirkt, wie der Uebergang eines Quantums bereits begebener 334 prozentiger Papiere in die Hand eines anderen Besißers. Wenn s{ließlich der Herr Abg. Frigen sagt, es wäre doh niht nöthig, daß zu dem Be- weise, den man führen will, eine gleihzeitige Ausgabe von 34, und 3 prozentigen Papieren, und zwar in gleich hohen Beträgen, die Vor- ausseßung bildete; man hâtte si ja ohnedies genau berehnen können: wie hoch stehen die 33 prozentigen Papiere, und wie hoh werden ih also vorauésihtlih die 3 prozentigen stellen, und dana hätte man sich auch die Konjunkturen für beide Typen anderweit berechaen können, so ist eben diese Berechnung damals angestellt für die Kursnotierung der 3# prozentigen Reichs-Anleihen und preußischen Staats-Anleihen gegenüber der 3 prozentigen sähsishen Rente, und auf Grund dieses Vergleichs ist man dazu geschritten, 3 prozentige Titres in Preußen und im Reiche abzugeben.

Abg. Dr. Lieber (Zentr.) bleibt dabei, daß man zu früh mit der Ausgabe 3 9/6 iger Anleihen angefangen habe.

Der Etat der Reichsshuld wird genchmigt, ebenso der des Rechnungshofes.

Es folgt die erste Berathung des Geseßzentwurfs, be - treffend die Abänderung der Unfallversicherungs- gesetze.

Abg. Rösicke (b. k. F.): Es läge wohl Ursache vor zur Er- örterung der Frage der Vereinfahung, wenn dieselbe niht vom Bundesrath bei der Novelle zur Invalidenversicherung erledigt worden wäre. Der Vorschlag, an die Stelle der Berufsgenossenschaften territoriale Verbände zu seßen, ist namentlich von den Sozialdemo- kraten gemacht worden. Von dem territorialen System is man aber abgekommen, weil man die Lasten richtig vertheilen wollte; das Gewerbe sollte die Lasten selbst nah der Unfalligefahr vertheilen und hat sih dabei auch mit den Lasten am besten abgefunden. Bei einem Durchschnitt von 9 # pro Kopf betragen die Kosten in den einzelnen Berufsgenossenschaften 3 bis 22 46; innerhalb der Genossen: schaften sind auch noch große Verschiedenheiten, so in der Brauerei von 11 bis 36 , in der chemischen Industrie von 3 bis 37 4 und in der Feinmechanik 2,50 bis 36 A Für einen Bezirk hätte man einen alle diese Verschiedenheiten berücksihtigenden Tarif nicht aufstellen können. Etwas JIdeales ist allerdings bezügli der Unfallverhütung noch nit errei%t worden, allein bei territorialen Verbänden bätte man in dieser Beziehung noh weniger erreihen können. Die Klagen über die Höhe der Verwaltungskosten sind ein Märchen aus alter Zeit, als die Zahl der entshädigten Unfälle noh eine geringe war. Jeyt sind die Kosten {on erbheblich zurückgegangen und im Be- harrungszustande werden fie 9—1090%/9 der Entschädigungen betragen. Zudem tragen die Arbeitgeber allein die Koften. Die Invalidenversicherung kostet, troydem es si nur um die Feststellung des Alters und der Invali- ditât handelt, 50 „F pro Kopf; die Berufsgenossenschaften haben viel mer zu leisten, namentiih die Unfallverhütung und die Beitragseinziebung zu beforgen. 64 Millionen werden jeßt, und zwar infolge der Selbst- verwaltung, ohne Opposition getragen. I& kann mein Bedauern nicht unterdrücken, daß das Reichs. Versiherunzzamt nicht dur seinen be- währten, in der Praxis bewanderten Präsidenten vertreten ist. (Zuruf des Staatésekretärs, Staats - Ministers Dr. von Boetticher: Das Amt ist vertreten!) Jch sehe allerdiags Herrn Geheimen Rath Zacher; aber das Fehlen des Präsidenten bestätigt die Behauptungen von der Uneinigkeit des Reihëamts des Innern und des Versicherungs- amts. Die Vorlage entbält Bestimmungen, die die Stellung des Versicherungsamts [erabdrüdcken, so bezüglih der Bildung der Sthieds- gerichte, bezügli der Beaufsichtigung der Vermögen®verwaltung, der Entscheidung der Beshwerden gegen Berufsgenossenschaften. in der Beseßung der entscheidenden Rekarsbebörde, der Vermebrung der Mit- glieder des Bundesraths, von denen zwei demselben nicht anzugehören brauchen. Die Mitglieder des Bundeêratbs sind keine unab- abhängigen Richter, sondern ihren Regierungen verantwort- lich. Sh sprehe mich persönli, nidt im Namen aller Berufsgenossenschaften, für die Ausdehnung der Unfallversicherung auf das Handwerk aus, da die Unfallgefahr desselben nit fo sehr gering ist. Die vorgeslagene dreifahe Ausdehnung bezüglib der Baubandwerker, der Fubrwerksbetriede und der bäuslichen Dienste füllt nothdürftig die bestedenden Lücken aus. Daß den Unternebmern mit weniger als 2000 „% Einkommen das Ret der Selbstversiherung ge: geben ift, ja daß sie versicberungèpßichtiz gemaht werden können, ferner die Versicherung der Pafsanten urd der Organe der Genossen» \chaften, ist durchaus zu billigen. Erfüllt ist die Forderung, das eine Rente vom Tage der beendeten Heilung ab, also sou dor Adlauf der 13. Woche gezadlt werden soll. Daß die Rente nur È des Lohnes beträgt, wird in fozialdemokratischen Blättern als ungerodt dezeichnet. Das Haftpflichtgesey versprad allerdings volle Entschädigung, ader uur dei Verschuldung des Ardeitgeders, die aber nur in einem Viertel aller Fälle nagewiescu werden kann. Iegt werden ader alle UnÆüe aud die dur Unvorst@Ftigkeit, Fabrläsigkeit des Ardeitors ents standenen, entsdädigt, end zwar odue den langwierigen Prozeß, N früber fast immer ndtdig war. Die Nentevempäuger Wunen mancdeè verdienen. Eine Ermittelunz dat erztden das

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