1897 / 21 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 25 Jan 1897 18:00:01 GMT) scan diff

LE: F REE O Pr E M de nei E

Krankenkaffen die Ecleviqung, den Berufsgenofsenshaften die Kosten auferlegen. Wenn die Genossenschaften selbst das Heilverfahren über- nehmen, können sie es verbessern dura bessere ärztlihe Behandlung. Nah 13 Wochen war das Eingreifen der Berufsgenofsenschaften manchmal son zu spät. Was dabei geleistet werden kann, zeigen die Ergebnifse der Berliner berufsgenofsenswaftlihen Anstalten, denen allerdings die Sozialdemokraten ein großes Mißtrauen entgegenbringen. Man könnte, um das Mißtrauen zu beseitigen, die Arbeiter mit zur Kontrole

eranziehen, -denn_die Wiederherstellung der. vallzu- ErwerbsSbigteit ift-[-

besser als cine Rente. Die Aerzte sind allerdings gegen solche berufs- enossenshaftlichen Heilanstalten, weil sie materiell darunter leiden. urch den Fortfall des Returses wegen Höhe der Rente und des Lohnes würde die Hälfte aller Rekurse in Wegfall kommen. Ob- wohl nur 1300 Rekurse zu Gunsten der A1beiter entshieden find, sehen die lezteren doch in dem Wegfall eine Benachtheiligung; i sehe darin eine Herabminderung des Ansehens des Reichs Versicherungs- amts, dem man mehr Vertrauen entgegen bringt als den Schieds- gerihten. Deshalb sollte man diese Aenderung unterlassen. Von der Berufung machen die Vorarbeiter vielfah Gebrauch wegen der Unentgeltlichkeit; man will dieselbe einschränken dur theilweise Kostenpflichtigkeit des Verfahrens. Von fozial- demokratisher Seite will man nicht die geshmälerte Erwerbsfähig- keit, sondern die Erwerbsmöglihkeit in Betraht ziehen. Dabei müßte die Lage des Arbeitsmarktes und auch die Lage der örtlichen Verhältnisse in Betracht gezogen werden, auch der augenktlickliche Arbeitzlohn des Unfallverleßzten. Dann würde kein Arbeiter mehr in seiner Rente sicher sein. Mit den Aenderungen bezüglih der See- \chiffahrts-Berufsgenofsenschaft bin ih einverstanden. Die Versiche- rungtgeseze müssen eine Gewähr für die Rechte der Arbeiter bieten.

Abg. Engels (Rp.): Zur Zeit des Haftvflihtgeseßes hing das Scqhicksal des Vecleßten von der Geschiklichkeit des Anwalts ab, ob er ein Verschulden des Arbeitgebers nachweisen konnte, wovon jet keine Rede mehr ist; das jezige Verfahren if mit einem eigentlichen Prozesse nicht mehr zu vergleichen. Mit den meisten Neuerungen der Vorlage bin ih einverstanden, habe aber Bedenken gegen die Pafsantenversicherung und gegen die Uebertragung mancher Befugnisse des Reichs-Versicherungsamts auf die Landes- Zentralbehörden. Besonders bedenklich is die Kapitalabfindung für Heine Renten, da die Arbeiter auch dur kleine Verletzungen oft so in ihrer Grwerbsfähigkeit beeinträchtigt werden, daß ihnen eine dauernde Rente nüßlicher ist, als ein kleines Kapital. Die Entfernung des Reichs-Versicherungéamts aus vielen Funktionen wird von Arbeitgebern und Arbeitern s{hmerzlich empfunden. Redner empfiehlt die Ueber- weisung der Vorlage an eine Kommission von 21 Mitgliedern.

Abg. Dr. Freiherr von Langen Q konf.): Jch bedauere, daß die Unfallversicherung den Reichstag früher beschäftigt als die Inva- liderversiherung, die viel wichtiger is. Man könnte dann dem Gedanken einer einheitlihen Verwaltung näher treten. Die Be- seitigung der berufsgenossenshaftlihen Grundlage würde allerdings ein wihtiges Bedenken sein. Die Vorlage enthält fast in allen Punkten wesentlihe Verbesserungen, denen wir zustimmen. Wir werden für eine Kommission von 21 Mitgliedern stimmen. Die Auédehnung der Unfallversiherung auf die häuslihen Dienste ist mit Freuden zu begrüßen und namentlich gewisse Verein- fahungen, die den Gemeindevorstehern die Anwendung des Geseyes erleihtern. Besonders wichtig ist die Versicherung der selbständigen kleinen Fisher und Schiffer; ih bedaucre nur, daß sich dies nur auf die Seefisher bezieht, niht auf die Binnenfischer. Gbenso bedauern wir, daß die Ausdehnung der Versicherung auf das Handwerk unter Selbstversicherung der Meifter bisher niht mögli war; das wäre eine richtige, nicht bloß auf die Arbeiter beshränkte Fortführung der Sozialpolitik. Bezüglich der Nebenbetriebe der Landwirth!haft sollte man die Ent- scheidung nicht in das Statut legen, sondern auf Antrag der Be- theiligten erfolgen lassen. Bezüglich der Ascendenten- und Déscendenten- rente sollte man auch die Ge|hwister niht ganz ausschließen. Alle berechtigten Forderungen der Arbeiter werden wir berüdcksichtigen.

reilih giebt es unter den Arbeitern ebenso wie in jedem anderen ire, auch unter den Rechtéanwalten, Personen, die eigentli niht dahin gehören. Bezüglich der Hastung des Unternehmers bei fahrlässig herbeigeführten Unfällen muß eine Aenderung des Wort- lauics eintreten, damit niht Fälle vorkowmen können, wie der, daß ein Bauer verurtheilt wird, einem Vagabunden eine Rente zu zahlen, der vom Heuboden wegen mangelnder Schußvorrichtungen gefallen war und si das Bein gebrochen hatte.

Darauf wird ein Vertagungs8antrag angenommen.

Nach einigen persönlichen Bemerkungen der Abgg. Stadt- gogen (Soz.) und Dr. Freiherr von Langen wird die

erathung um 5 Uhr geschlossen.

Nächste Sizung: Montag 1 Uhr. (Fortseßung der ersten Berathung der Novelle zur Unfallver iherung und Wahlprüfungen.)

Preußischer Landtag. Herrenhaus. 7. Sißung vom 23. Januar 1897.

Zur Berathung gelangt folgende Interpellation des Grafen von Klinckowstroem:

1) Ift es richtig, daß seit ca. 2 Jahren die Königsberger Walzmühle Roggenmehl im Verhältniß von 875 : 100 (sogenanntes Neptunmehl) ausgeführt und dadurh den Staat um erhebliche Zollbeträge und die Landwirthschaft durch vermehrte zollfreie Gin-

fuhr geschädigt hat ? 9) Gventuell, welhe Schritte sind gethan, um den dadurch ent-

zogenen Zoll nahträglih einzuziehen ?

Nach der Begründung derselben seitens des Grafen von Klinckowstroem nimmt das Wort der

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Ich bin bereit, die Interpellation namens des Staats-Ministeriums zu beantworten.

Ich schicke voraus, daß die Frage der Feststellung des Ausbeute- verhältnifjes der Mühlen, um die Exportbonifikation zu erhalten, eine höchst schwierige ist und daß man in allen Ländern an dieser Frage laboriert. Früher waren die Verhältnisse in dieser Beziehung noch viel ungeregelter und unklarer, und es entstanden soviel Beschwerden, eigentlih von allen Seiten, von kleinen Mühlen, von großen Mühlen, von der Landwirthschaft, daß man schließlich, da dem Bundesrath dur das Tarifgesey die Feststellung des Rendements überlassen ist, versuchsweise dazu überging, das französishe Typenverfahren etin- zuführen. Danach sind für die verschiedenen Meblarten bestimmte Typen vorgeschrieben, wona die Exportbonifikationsfähigkeit bestimmt wird nach der Uebereinstimmung der Farbe des betreffenden Mehls mit diesen vershiedenen Typen. Nun haben wir ja die Bestimmung, daß ein regulativmäßiges Ausbeuteverhältniß zwischen Mehl und Ge- treide von 65 zu 100 erforderli is, um überhaupt die Exportboni- fikation bei der Ausführung von Mehl zu erreichen, und es ift durh- aus richtig, was der Herr Interpellant Graf Klinckowstroem angeführt hat, daß in dem vorliegenden Fall ein Ausbeuteverhältniß vor- handen war erbeblich über diesen Betrag hinüber, etwa 80 his 82 9/0. Nuv hat eine Mühle h Altona und die Königsberger Mühle aller- dings in der Zeit vom März 1895 bis zum Juni 1896 erhebliche Mengen aus Roggen hergestelltes sogen. Neptunmehl anégeführt, welches, wie ih son bemerkte, ein Auébeuteverhältniß von 80 bis 82

auf Hundert hatte. Dadurch i} allerdings diese Mühle in die Lage gekommen, erheblich größere Mengen Getreide zollfrei einführen zu Eönnen in Ersay für das ausgeführte Mehl, als sie gekonnt hätte nah dem Verhältniß von 65 zu 100. Wie hângt das zusammen? Das Regulativ hezw. die Anweisung zur zollamtlihen Prüfung von Mühlenfabrikaten vom 9. Juli 1894, welches der Bundesrath erlassen hat, binden beide die Zollverwaltung__ der Einzelstaaten; das Regulativ ift für uns Wöséÿ, wir müssen uns danah richten. In diesem Regulativ bezw. der Zollanweisung zur zollamtlihen Prüfung heißt es nun: i „Bei der zollamtlichen Abfertigung von Mehl, welches mit dem Anspru auf Zollnahlaß oder auf Ertheilung eines Einfuhr- \cheines zur Auéfuhr angemeldet wird, findet bis auf weiteres das Typenverfahren Anwendung. Zu diesem Zwecke wird den betheiligten Zollftellen eine ent- sprehende Anzahl von Mustertypen Naturtypen und Typen- bilder überwiesen.“

Wir hätten also um die Frage der Exportbonifikation zu beurtheilen lediglih die Frage zu entsheiden, is hier rihtig verfahren nach der Anweisung des Bundesraths. Und diese Frage mußten wir nach Vergleihung des ausgeführten Mehls mit den entsprehenden Typen nach Anhörung von Sachver- ftändigen bejahen. Nun stellten sih später bei näherer Prüfung der Sache doch so \chwere Bedenken infolge eines solhen Verfahrens beraus, daß wir den Sachverständigen Wittmack, der in dieser Be- ziehung Autorität für fast alle Regierungen ist, nohmals über die Sache hörten, und dieser erklärte nun : dies Mehl ift mir ein vollständiges Novum (Hört! hört!). Das ist mir noch niht vorgekommen. Aber ich glaube, man kann sagen, daß dies Mehl nicht unter die regulativmäßigen gebeutelten Mehle fällt. (Hört! hört!) Auf Grund dieses Gut- ahtens haben wir nun s\ofort den beiden Mühlen das Verfahren untersagt. Ih bemerke hier, daß die Rechtsfrage hierbei uns etwas zweifelhaft ersien, ob wir einer Mühle, welche in Beachtung der Borschriften des Bundesraths Mehl exportierte, dies überhaupt unter- fagen konnten. Wir haben uns aber s{ließlich dazu ents{lofsen mit Rüdcksicht auf die großen Uebelstände, die, wie hier Herr Graf von Klinckowstroem ganz richtig angeführt hat, aus dem Zustand er- wachsen und die ganz unberehtigten Vortheile, die den Exportmühlen bierdurch entftanden find, weil wir glaubten, die Bestimmungen des Bundesraths so interpretieren zu können, daß Mehl dieser Art vom Bundesrath überhaupt niht ins Auge gefaßt war. Infolge- defsen hat natürlih das Verfahren aufgehört. Ich habe dann sfofort, als die Sache ans Licht kam, an den Herrn Reichskanzler geschrieben, daß das Typenverfahren ih niht bewährt habe, und daß wir mit NRückfsiht auf die Beshwerden und Klagen, die daraus hervorgehen müßten, ein anderes Verfahren fuhen müßten, um die Erxport- bonifikationsfähigkeit des Mehls [festzustellen Die Kommiffion soll bestehen aus den verschiedenen Refsorts der preußishen und Reichêverwaltung, namentlih wird natürli der Herr Reichs-Schaßz- sekretär unter Hinzufügung von Mühleninterefsenten dabei mitwirken. Die Kommission wird sehr bald zusammentreten und wird aufs neue die schr schwere Frage in Erwägung nehmen, wie wir zu verfahren baben. Was da herauskommen wird, kann ih nicht fagen. Die Schwierigkeiten empfinden niht bloß wir, sondern alle Länder, und fie liegen, von allem anderen abgesehen, auch darin, daß die Rende- mentsverbältnisse in den verschiedenen Mehlen außerordentlich ver- schieden find. Wenn man das Rendement berunterseßt, so privilegiert man namentli die großen Mühlen; stellt man es zu hoh, fo kann man die kleinen Mühlen todt machen. Die Sache ift sehr s{wierig und ich boffe, daß nah den Erfahrungen sich \{ließlich ein besseres System herausstellt. Aber bestimmt kann ih darüber nihts fagen.

Daß die Herren von der Landwirthschaft diese Frage, wie alle die anderen Fragen, die bier in Betracht kommen, fahlich ins Auge faffen, weil die Interessen der Landwirthschaft hier in erheblihem Maße in Betracht kommen, das halte ih für berehtigt und durchaus erwünsht. Jch glaube, früher hat die Landwirthschaft diese Dinge wohl zu wenig beachtet, (sehr richtig!) und es ift sehr gut, wenn man sich da hineinarbeitet ; denn überall werden in dieser Beziehung sehr gewichtige Interessen berührt. Ich glaube, daß bier eine preußishe Zollverwaltung garniht anders verfahren konnte. Wir waren gebunden an die Beschlüsse des Bundesratbs, das Typen- verfahren ift von vornherein als Versuch angesehen. Hier in diefem Falle, wo das Mehl den Typen entsprehend exportiert wurdep konnten wir garnicht anders, als die Sache vorläufig zulafsen, bis wir aller- dings durch das Gutachten von Dr. Wittmack eine Handhabe bekamen, einzuschreiten. Da haben wir die Sache sofort siftiert und Veran- laffung genommen, über das ganze Typenverfahren noch einmal eine Pr üfung dur eine gemeinsame Kommission eintreten zu lassen.

Meine Herren, nun entstand weiter die Frage, die in Betracht

gezogen ift von dem Herrn Interpellanten: wie soll nun verfahren werden mit dem Getreide, welhes diese Mühlen in der Zeit vom März 189% bis Juli 1896 mehr vergütet erhalten hatten, als sie nah dem Verhältniß von 65 : 100 erhalten haben würden? Dabei war in Betracht zu ziehen, daß die Mühle in Königsberg au der Zollverwaltung gegenüber gar kein Hehl daraus. gemacht hat, daß ihr Ausbeuteverhältniß ein viel größeres sei und daß die Zollverwaltung mit Rücksicht auf diese Rechtslage, die ih eben bezeihnet habe, keine Konsequenzen gezogen hat und auch nit ziehen könnte; also unter den Augen und mit Wissen, im ganz offenen Verfahren wurde das Mehl exportiert und entsprechend den Vor- schriften des Bundesraths vergütet. Außerdem war das Mehl von geringerer Beschaffenheit, es war eben Neptunmehl (Heiterkeit) mit einer sehr bedeutenden Beimishung von Kleie. Es ift natürlich, daß dieses Mehl in den Ländern, nah denen hin es verkauft wurde, auch einen sehr geringeren Preis hatte, es if wesentli wohl nach Fin- land gegangen und ist da mit einem geringeren Preis bezahlt worden. Wenn wir die genossenen Vortheile den Mühlen wieder hätten ent- zichen wollen, dann waren sie außer stande, von ihren dortigen Gmpfängern und Käufern den Ersaß dieser verminderten Zoll- vergütung wieder einzuziehen, und es wäre die Mühle dadurch auf das Alleräußerste geshädigt worden. An und für sich wäre es au eine Unbilligkeit gewesen, in einem solhen Falle, wo mit Zustimmung der Zollyerwaltung ein solhes Verfahren ftattgefunden haite, die Mühle danah ihr Geschäft, ihren Verkauf einrihtet, ihre Preife feststellt, diesen fraglichen Betrag wieder einzuziehen ; aber auch die Rechtsfrage war eine zweifelhafte, und ich persönlich glaube kaum, daß wir juristisch berehtigt gewesen wären, ia dieser Beziehung eine Ginforderuug wieder eintreten zu lassen.

So find diese Mühlen in dem Genuß der Vortheile geblieben, die während der bezeichneten Zeit aus diesem Verfahren ihnen er- wachsen find.

Meine Herren, das ganze Vorkommniß zeigt überhaupt die Schwierigkeit, die in der Sache selbft liegt. Nachdem einmal die Reichs- geseßgebung ih entshlossen hatte, zur Aufreckterhaltung unseres Mehlexports und des Mühlenbetriebes diese Vergütung für aus-

| geführtes Mehl nach einem bestimmten Rendement im Verbältniß-

zum Getreide zuzulassen, waren die Schwierigkeiten, das Nichtige in dieser Beziehung zu treffen, ganz von selbst gegeben. Diese Schwierigkeiten find auch in anderen Ländern vor- handen ; die Franzosen experimentieren fortwährend, haben ein noch viel durhgebildeteres Typensysiem, viel mehr Sorten. Wie die dortige Zollverwaltung mit dieser noch viel größeren Spezialifierung durhkommt, das ift uns s{hleierhaft. Jch glaube wenigftens nicht, daß unsere Zollbeamten, obwohl ihre Intelligenz wohl der der franzöfi- schen gleihfteht, wohl damit fertig werden würden. Wenn man solche Typen sich ansieht, fo hängt es ja bloß von der größeren oder gerin- geren Fähigkeit ab, die verschiedenen Lichtshattierungen zu unterscheiden, ob man die Typen richtig anwendet oder niht; je mehr man spezia- lisiert in den Typen und Mehlsorten, um so shwieriger wird es und um so mehr sind Mißgriffe möglih. Wie gesagt, es wird eingehend geprüft werden, was man da noch machen kann, und bei der Gelegen- heit wird auch die Frage erwogen werden, ob man den Wünschen der inländishen Müller oder eines Theils derselben, das Verhältniß herabzuseßen von 65 : 100 etwa auf 63 : 100, nachgeben kann, um den Export zu erleichtern, oder nicht. Auch hier sind die Interessen der verschiedenen Mühlen ganz verschiedene, und die Interessen der Landwirthschaft kommen ebenso in Frage wie die Interessen der Zollverwaltung beziehungêweise der Zolleinnahmen.

Man wird sehen, was dort noch \{ließlich zum Vorschein kommt; nah manchen Beziehungen sind unsere Mühlen, und damit auh der Export von Mehl felbst, welhes zum theil aus inländishem Getreide kommt, in erheblihe Schwierigkeiten gerathen, denn die Franzojen find bei ihrem Experimentieren auf diesem Gebiet zur Zeit wohl un- zweifelhaft dahin gekommen, daß sie thatsählih erheblihe Export- prämien geben, und die Konkurrenz des französischen Mehbls hat {hon bewirkt, daß wir den Markt im Auslande für unfer Mebl mehr oder weniger verloren haben, namentlich in Skandinavien. Und es wird die Konkurrenz der deutschen Mühlen mit den französishen sogar im Inlande ershwert. Wir sind nicht in der Lage nah den bestehen- den Berträgen, ein solches Vorgehen eines anderen Staats, wie es an sich natürli wäre, dur einen Zollzuschlag auf das betreffende Mehl zu parieren. Das können wir nah den bestehenden Verträgen nicht, und darauf ist wesentlich der Wunsch der großen Mühlen be- gründet worden, da ihnen der Export in das Ausland dur diefes Vorgehen sehr erschwert wird, daß nun das Rendementsverhältniß zu ibren Gunsten geändert werde und ihnen dadurh die Möglih- feit der Konkurrenz im Auslande wieder gewährt werde; sie führen dabei an, daß das auch den Interessen der kleinen Mühlen und infolge dessen au der Landwirthschaft durhaus entspriht. Denn wenn sie nit ins Ausland mit dem Mehl kommen könnten, welches zum erheblihen Theil aus inländishem Getreide hergestellt ift, so müßten sie ihr Mehl ins Inland werfen und so die kleinen Mühlen gefährden. (Zuruf.) Ja, es ist doch nahgewiesen, daß die Königsberger Walzmühle einen erheblichen Betrag inländischen Getreides vermahlen hat. Das sind die Gründe, die die großen Mühlen anführen. Es zeigt sich wieder, wie kompliziert die ganze Frage ist, aber ih hoffe, daß ih demnächst in der Lage sein werde, dem hohen Hause eiu neues Verfahren, das aus den Kommissionsberathungen bervorgehen möhte, mitzutheilen, welches in diefer Beziehung mehr Sicherheit giebt als das bisherige. (Bravo!)

Auf Antrag des Herrn von Bodenhausen-Degener wird die Besprehung der Jnterpellation beschlossen.

Ober - Bürgermeister Hoffmann - Königsberg : Mich hat der Rüdzug, den der Interpellant angetreten hat, iht befriedigt. Was die beiden Walzmühlen gemacht haben, ift unter Billigung und Zustimmung der ZoUbebörde und des Finanz-Ministeriums geschehen. Es steht aber niht in der Interpellation, ob die Beamten und der Finanz-Minister die Schädigung der Zollintraden und der Landwirt b- schaft verantworten fönnen, sondern es wird die Schuld der Waljz- mühle Königsberg zugeshoben: Daß hier von einem unkorrekten Vor-

ehen der Walzmühle niht die Rede sein kann, hat der Finanz- inister selbst konstatiert; das noch besonders zu konstatieren, balte ih

für meine Pflicht.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Ich glaube, aus meiner bistorishen Darstellung werden Sie sih überzeugt haben, daß cs mir fern gelegen hat, der Mühle einen Vorwurf zu mahen. Die Mühle ift vollständig inner- halb der damaligen geseßlihen Bestimmungen geblieben. Das Uebel liegt an der Ungenügendheit und Lückenhaftigkeit der bestehenden Bestimmungen ; das ift der Grund, aus dem die ganze Sache entsprungen ist. Jch glaube, die Hauptsache wird die sein, bei der demnächstigen ander- weitigen Feststellung der Dinge auch den Grad der Beutelung in bestimmen. Das ift bisher niht geshehen; man hat si bloß an die Type gehalten, man hat zwar von gebeuteltem Mehl gesprochen, in der Anweisung au das nicht mal, da wird bloß vom Mebl gesprochen, da wird niht gesagt, daß das gebeuteltes Mehl fein muß —, also es wicd in Zukunft darauf ankommen, daß man den Grad des Beutelns des betreffenden Mehls als Kriterium bestimmt. Denn dies Mebl ift zwar, wie Herr Professor Wittmack auch gesagt hat, gebeutelt, aber so ungenügend, daß man es nicht, wenigstens nicht im Sinne des Bundesraths, unter das Regulativ bringen kann. Darin steckt die ganze Frage. Es war so viel Kleie in dem Mebl dur die mangelhafte Beutelung, daß man nicht sagen kann, sol Mehl war im Sinne des Bundesraths ervortbonififationsunfäbig, und darum habe ich mich für berehtigt gehalten, im Geist de Bundesraths bineinzuinterpretieren, diese Art von Mehl auszuschließen.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

zum Deutschen Reichs-A

E M -24- E

(Schluß aus der Grften Beilage.)

Herr von Graß-Klanin: Die Ausführungen des Herrn Hoff- mann baben mit der Angelegenheit felbst eigentlih niht das Geringste zu thun. Der Finanz-Minister hat uns fehr trübe Aussichten eröffnet; er hat in der Hâuptsahe nur von den entgegenstehenden Schwierigkeiten gesprohen. Dem Interpellanten find wir zu großem Danke verpflibtet, weil er die Aufmerksamk-it auf diesen Punkt gelenkt hat. Wenn eine Müble durch solhe Täuschungen oder viel- mehr durch unglückliHe Ausnußzung der Verhältnisse eine Menge ausländishen Getreides zollfrei einführt, so kann fie das Mehl billiger mahlen als die anderen Mühlen, wodurch die kleineren Mühlen in Nachtheil gerathen; in zweiter Linie aber wird die Landwirthschaft betroffen, weil die Mühle überall ihr Mebl zu billigeremm Preise anbieten kann und damit den Preis allgemein herabdrückt. Die Roggenpreise können dadurh niht um 2, 3, nein, um 10 M heruntergeben. In England besteben sehr rigorofe Vor- schriften über die Einfuhr gewisser ausländischer Produkte; was diesen Vorschriften nicht entspriht, wird verbrannt. Ich bin weit davon entfernt, gleich auch mit dem Ofen zu drohen; aber warum solite den Müllern niht gesagt werden, daß sie den Nachweis führen müßten, daß das Rendement das vorgeschriebene ist, und daß der Staat sich die zeitweilige Kontrole darüber vorbehalte? Auf diefe Weise würden wir weiter kommen.

r vou Helldorf-Bedra sieht den Bestand der kleinen Müllereien für erschüttert an durch die immer bedrohliher werdende Konkurrenz der großen Müllereien ; nehme diese Konkurrenz, wie es der Vorgang in Königsberg zeige, größere Dimensionen an, so sei der Ruin der kleinen Müllereien unauébleitlih. Die Land- wirthschaft aber habe ein großes Interesse am Fortbestande der Klein- müllerei und an der Gesunderhaltung des Getreideverkehrs und ein viel geringeres daran, die Großmülleret rentabel zu mahen. Danach müsse die Frage entschieden werden. Den Müllercien müsse das Interesse daran erhalten werden, das inländische Getreide, niht das ausländische zu vermahlen.

Graf von Mirbach: Die Schädigung der kleinen Mühlen durch die großen ift zwar eine Thatsache, aber sie entspringt doch lediglich der neuen Handelspolitik, welhe den großen Mühlen einen großen Vorsprung gegeben hat. Hätten meine politischen Freunde ebenso entschieden wie ih die Handelsvertragspolitik bekämpft, fo hätten wir viele dieser Mißstände nitt zu beklagen. Die Vorschläge des Herrn von Graß involvieren eine scharfe Kontrole. Wir haben schon bei der Brennerei so viel Kontrole, daß wir nit einmal mehr Herren unseres Grund und Bodens sind. Die Landwirthschaft ist ge- duldig, aber wie steht es mit anderen Kreifen , namentlich mit den von uns so hochgeshäßten Börsen? Es bat sich hier ein Ausfall von Steuern und, zollfreiec Import fremden Getreides vollzogen; das ist festgestellt. Dec Finanz-Minister hat der Mühle gegenüber großes Wohlwollen bewiesen; die Mühle hat ganz loyal gehandelt. Wenn im landwirthschaftliden Gewerbe sich ähnliche Dinge vollziehen, möchte ih dem Finanz-Minifter dasselbe Wohlwollen ans Herz legen. Bei der Handhabung der Maischbottichsteuer bietet sih ihm vortreffliche Gelegenheit dazu. Vor 7 Jahren ift {hon eine Revision der be- treffenden Bestimmungen versprochen, aber noch immer nicht he? macht worden. Es liegt hier wie bei den NRückversicherungsverträgen auf dem Gebiete der hohen Politik; sie zu machen, dazu gehört nur ein sehr befähigter Politiker.

Graf von Klinckowstroem entgegnet dem Ober-Bürgermeister Hoffmann, daß er die Sache niht persönli nehme; er begreife nicht, weshalb die Walzmühle sich so bedeutende Insertionskosten gemacht habe. Er habe auch nicht einen Rückzug angetreten; Herr Hoffmann habe wohl eine andere Rede erwartet. Der Finanz-Minister habe alles, was er Ae ausgeführt, als rihtig anerkannt. Der Vorschlag des Herrn von Graß sei sehr beahtung8werth. Hoffentlich komme endlih Licht in dieses Dunkel der Mühlenrendements.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Da Herr Graf Klinkowstroem sich dem An- heimgeben des Herrn von Graß angeschlofsen hat, so möchte ih doh bemerken, daß damit die Frage selbst keineswegs gelöst sein würde. Wenn man auch noch fo streng ist, erst kommt es doch darauf an, daß man entdeckt, daß ein Fehler vorhanden ist. Dann wird man ja den Fehler streng behandeln, aber erst muß man wissen, welcher Fehler vorhanden if. Ein Theil der Febler der bisherigen Einrichtungen besteht darin, daß wie man überhaupt ja dazu sehr geneigt ist der Bundesrath zu sehr generalisiert hat. Jh kann mir ganz gut denken: da die kleinen Mühlen bei dieser Frage fehr wenig in Betracht kommen , es sich vielmehr um cine Reibe von großen Exportmühlen handelt, daß man die leßteren bezüglich des Rendements, wie wir das auch auf anderen Zollgebieten haben, unter Spezial- kontrole stellt (sehr gut!) und das richtige, aus ihren Büchern ih ergebende Rendementsverhältniß zu Grunde legt bei der in Frage stehenden Zollvergütung. (Zustimmung.) Das sieht zwar in dem Geseg nicht \chön aus, es ist keine \chöône allgemeine Regel, aber ih glaube, man wird wenigstens bei der weiteren Besprewung der Sache ins Auge fassen müssen, ob wir dadur praktish nit zu dem beften Ziel kommen.

Graf Udo zu Stolberg regt an, mit dem MRendemcents- verhältniß etwas binter der wirflihen Ausbeute zurückzubleiben. Die Unterstellung der großen Mühlen unter Spezialkontrole könne doch wohl ohne Geseg nicht durchgeführt werden. Der Grund des Uebels liege in der Einrichtung der Zollkredite, welche aufgehoben werden müßten.

Ober-Bürgermeister G ies e- Altona: Die Diskussion {eint mir über ihren Rahmen eiwas hinauszugehen. Mit der Verschärfung der Kontrole könnten wir uns doh alle nur einverstanden erklären. Wenn darüber hinaus auf die Regierung dahin eingewirkt werden soll, das Rendementêverhältniß zu ändern, so muß auch die andere Seite der Sache betrachtet werden. Der Mühlenexport kann nah der Tendenz der Darlegung des Herrn von Helldorf einfa zu Grunde gehen. Dem muß entgegengetreten werden. Einmal haben die Abfälle der Produktion der großen Mühlen hohe Bedeutung für die Landwirth- haft, von einem Preisdruck aber kann man nit reden; es würde gerade eine Aenderung des Nendements hervorrufen. /

Herr von Helldorf: Ih habe niht der Vernichtung der Erbortmüllerei das Wort geredet, sondern nur einer unverhältniß- mäßigen Begünstigung derselben widersprochen.

Nachdem noch Herr von Graß bestritten, daß sein Vor- ü

schlag für die Müllerei eine vexatorishe Maßregel bedeute, wird der Gegenstand verlassen.

Die Nachrichten von der Verwaltung der preußischen Staatsbergwerke, Hütten und Salinen im Jahre 1895/96 werden dur Kenntnißnahme für erledigt erklärt.

Am 21. November 1896 hat Graf von Frankenberg den Antrag eingebracht, die Staatsregierung zu ersuchen :

I. dem wiederum an vielen Orten (Chldar gewordenen Wagen- mangel der Staatseisenbahn shleuntgst Abhilfe zu schaffen ;

Zweite Beilage

—--—-Berlin, Montag, den 25.- Januar -—--

IT. die geplante Ermäßigung der Tarife für vers{Giedene In- dustrieerzeugnifse (Koblen, Erze, Eisen) auch auf Produkte der Land- und Forstwirthschaft auszudehnen ;

III. angesihts der billigen Wasserfrahten, welhe die Er- öffnung des Ruhr - Elbe - Kanals für die weftlihen Provinzen bringen wird, die Einführung von Staffeltarifen auf den Skaats- eisenbahnen zu fördern.

Die Eisenbahnkommission beantragt, den ersten Theil des Antrages der Staatsregierung zur Kenntnißnahme zu über- weisen; die Kommission für Handels- und Gewerbeangelegenheiten beantragt zu IT und IIL die Regierung zu ersuchen, die Ein- ührung bezw. Wiedereinführung der Staffeltarife für alle assenartifel der Landwirthschaft und Jndustrie auf den preußishen Staatseisenbahnen zu fördern. Referent für beide Kommissionen ist Graf von Welcze k. Zunächst wird der erste Theil des Antrages berathen. Graf von Frankenberg spriht zunähst dem Eisenbahn- Minister seinen Dank dafür aus, daß er in der Kommission so bereit- l willig eine umfassende Vermehrung tes Magenyares zugesagt und eine Anzahl Millionen für diesen Zweck in Aussicht gestellt habe; der akute Wagenmangel, über den bisher in den Kohlenrevieren zu klagen gewesen sei, werde demnächst niht wieder eintreten. Im letzten Quartal 1896 sei die Kohlenindustrie durch den Wagenmangel direkt benaltheiltigt worden, da böhmische Braunkohlen und ausländische Steinkohlen in ftärkerem Maße in das preußishe Absatzgebiet eindrangen. Ebenso benachtheilige der Wagenmangel die üben bauenden Bezirke. Sonderbarer Weise behaupte - ein Artikel der Zeitung des Vereins deutscher Eifenbahnverwaltungen, die Behauptung des Wagenmangels sei Schwindel, ein folher fei gar niht vor- handen, es ständen bloß Börsen- und Spekulationsinteressen dahinter. Dieser Artikel sei aber von Anfang bis zum Ende auf unwahren Voraussetzungen aufgebaut; der Minister müsse es auch hier öffent- lih desavouieren. Auch die Forstbesiger hätten unter dem Wagen- mangel zu leiden gehabt, da die zu liefernden Holzquanten nicht reht- zeitig transportiert werden könnten. Ein ähnliches Bedürfniß have fich für den Transport lebender Fishe auf den Eisenbahnen heraus- gestellt. Der Vorschlag der Kommission gehe dem Antragsteller nicht ues genug; er ersuht das Haus, seinen Antrag unverändert anzu- nehmen.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Ich habe zunächst dem Herrn Referenten sowohl wie dem Herrn Grafen von Frankenberg meinen Dank für die wohlwollende Art und Weise auszusprechen, in der sie der Thätigkeit der Staatseisenbahn- verwaltung in Bezug auf die Wagengestellung im vergangenen Herbst gedacht haben.

Meine Herren, wenn Herr Graf Frankenberg den Wunsch ausgedrüdckt hat, das hohe Haus möge scinen Antrag, und nit den der Kommission zum Beschluß erheben, so möchte ih daran die Bemerkung knüpfen, daß vom Wagenmangel zur Zeit nicht mehr die Rede ift. Im ganzen Monat Dezember hat ein solcher kaum noch geherrsckcht. Es sind wohl an einzelnen Tagen die beftellten Wagen nicht regel- mäßig gestellt worden, aber ein eigentlißer Mangel war nicht vor- handen. Vom Januar ab sind auch die Einzelbestellungen, soviel mir bekannt, vollständig erledigt worden. Wenn das hohe Haus, dem Antrage der Kommission entsprehend, den Antrag des Herrin Grafen von Frankenberg der Staatsregierung zur Kennt- niß überweist, so wird die Staatsregierung diese Kenntniß dahin auffassen, daß sie bestrebt sein wird, alle die Mittel zu gebrauchen, die dahin führen, den Wagenmangel in Zukunft thunlihst zu beseitigen. Meine Herren, es wäre eine trügerische Hoffnung, wenn ih sagen wollte, es würde in Zukunft ein Wagen- mangel nicht mehr eintreten; es werden stets Kombinationen von Ereignissen stattfinden, die es unmözlich machen, an einzelnen Tagen die ge- wünschte Anzahl von Wagen zu stellen. Elementare Ereignisse, Konjunkturen in Betreff der Produktion uxzd Konsumtion von Maffen- artikeln werden es immer zu Wege bringen, daß, man mag die Z ihl d.r Wagen noch so sehr vermehren, doch hier und da ein Mangel eintritt. So ist es auch nur zu versteh:n, wenn am Schlusse der vorjährigen Denkschrift, die über den Umfang und die Ursachen des Wagenmangels handelt, die Hoffnung ausgesprochen ist, daß ein Wagenmangel in der akuten Weise wie im vorigen Jahre niht mehr eintreten wird. Diese Hoffnung ist allerdings in diesem Jahre nicht erfüllt. Es ift auch in diesem Jahre ein Wagenmangel eingetreten und zwar cin Wageamangel, der vorzugsweise fühlbar geworden if in den großen Produktionsrevieren der Kohle, während ein eigentliher Wagenmangel für Nüben- oder andere Güter nicht in dem. Maße fühlbar geworden ift, wie in früheren Jahren. Der Herr Referent sowohl wie Herr Graf Frankenberg haben hervorgehoben, daß meinerseits es ebenfalls aner- fannt worden ift, daß die oberschlesishe Kohleninduftrie, und ih kann bier noch hinzufügen, auch die Braunkoblenindustrie in gewissen Distrikten weniger günstig bei dem Wagenmangel abgeschnitten hat, als die Ruhrkoblenindustrie. Meine Herren, der Herr Neferent hat die bezüglichen Zahlen, wie au die Gründe dieser Erscheinung, Ihnen schon mitgetheilt; ih kann daher darauf verzichten, sie Ihnen zu wieder- holen. Der Herr Referent hat auch bereits mitgetheilt, welhe Beträge die Staatsregierung zur Vermehrung des Wagenparks der Staatsbahn- verwaltung in Ausficht genommen hat. Es sind das Summen von fo gewaltigem Umfange, wie fie früher niemals auf diefen Zweck verwendet worden sind. Diese Summen gewinnen noch eine besondere Bedeutung dadurch, daß sie im Großen und Ganzen aus dem Be- triebe ihre Deckung gefunden haben, entweder aus dem Ordinarium odcr aus dem Extraordinarium des Etats oder endli aus dem außeretatsmäßigen Dispositionsfonds von 20 Milionen, der im vorigen Jahre infolge der sehr günstigen finanziellen Verhältnisse zum erften Mal voll- gelaufen ist. Aus diesem Dispositionsfonds sind für 19 Millionen Betriebsmittel sofort in Bestellung gegeben worden, und zwar in der Hauptsate Lokomotiven und Personenwagen. Meine Herren, auch in dem augenblicklich in Berathung stehenden Etat von 1897/98 sind erheblihe Summen für Beschaffung von Betriebsmitteln vorgesehen: im Ordinarium 15 Millionen und im Extraordinarium 12 Millionen. Außerdem würde zur Beschaffung von Betriebsmitteln wieder der außeretatsmäßige Dispositionsfonds herangezogen werden können, da

vorauszusehen ist, daß der Fonds in diesem Jahr wieder seine Er-

nzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

4897.

gänzung findet. Mit den ertheilten Aufträgen ist die Leistungsfähig- keit der deutschen und preußishen Wagenfabriken fo ziemlih erschöpft ; fie werden damit bis in den Herbst hinein beschäftigt sein.

Ich möchte mih nun noch zu einigen Bemerkungen des Herrn Grafen von Frankenberg wenden, die ih glaube rihtig stellen zu fôönnen. Der Herr Graf von Frankenberg hat es beklagt, daß durch den Wagenmangel namentlih das obershlesishe Revier Kinbuße an seinem Absatzgebiete erlitten hat. Meine Herren, es ift wckl vor- auszufetzen, daß die obershlesische Kohlenindustrie, die im übrigen ganz genau weiß, was zu ihrem Besten dient und was sie iîn dieser Beziehung zu thun hat, nicht so unklug gewesen sein wird, die un- sicheren Abnehmer unter dem Wagenmangel leiden zu lassen. Ich verstehe darunter folhe, die in erster Linie dazu geneigt sein könuten, von der oberschlesishen Kohle zu Gunsten der englishen, böh- mischen oder einer fonstigen ausländishen Kohle abzuspringen. Die Zahlen beweisen aber au, daß das obershlesishe Revier in dieser Beziehung nur wenige Verlufte zu verzeihnen hat, Verluste, wie sie auch in dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge wobl vor- kommen fönnen. Wenn ih mir gestatte, einige Zahlen hier anzu- führen, fo bemerke ih, daß diese auf der Reichsftatistik beruhen. Der Import der englishen Steinkohle ist hauptsächlih ein Konkurrent der obershlesishen im Küstengebiete und zwar ift der Haupteinfußrhafen Stettin. Nach der Reichs\tatistik find an englishez Koblen im No- vember 1896 in den preußishen und pomm-:rshen Oftseehäfen 41 000 & weniger cingesührt als im Vorjahre. Es ist also wobl nicht anzunehmen, daß ODberschlefien durch Stettin eine erheblihe Ein- buße follte erlitten haben. Ebenso ftehen die Verhältnisse für den Versand nach den Küstendistrikten. Für Destecreih kommt noh ein anderes Moment in Betracht. Für den Versand der obershlesishen Kohle nah Oesterreih-Ungarn stellten zum großen Theil nach alter Uebereinkunft die betreffenden österreihisch - ungarischen Bahnverwaltungen die Kohlenwagen. Jin Oktober 1896 sind nah Oesterreih mehr verfrahtet worden gegen 1895 3544, im No- vember 471, im Dezember 6452 Wagen zu 19 t.

Ebenso hat auch der Verkehr in den Bezirken Bromberg, Danzig und Königsberg niht wesentlich abgenommen. Eine Abnahme zeigt allerdings der Verkehr nach Berlin. Er hat abgenommen 1896 gegen 95 im Oktober um 2600, im November 3040, im Dezember um 1900 Wagen. Aber, meine Herren, dem stehen cine ganz folofsale Vermehrung der Transporte auf dem Wasser gegenüber. Bekanntlich vollzieht sch der Wassertran8port in der Sorge, daß von Ende Oktober ab die Oder niht mehr passiertar ist, haupisächlih in den Monaten Juni bis Oktober. Innerhalb dieser Monate werden die Lager in Berlin gefüllt. Von da ab tritt alljährlih ein sehr erbeb- lihes Sinken der Zufuhr nach Lerlin in die Erscheinung, wie vorher schon der Referent Herr von Welczek bemerkt hat. Es wurden im Juni mehr befördert auf dem Wasserwege nach Berlin 20 000 t, im Juli 19000 t, im August 19 000 t, im September 59 000 &, im Oktober noch 27 000 t mehr. Auch hieraus dürfte zu folgern sein, daß das Absatzgebiet der oberschlesischen Kohle wesentlihen Verluft nicht erlitten hat.

Es geht das auch ferner aus den Zahlen hervor, die schon der Herr Referent mitgetheilt hat, wonach im Dezember reihlich nach- geholt ist, was im November durch den Wagenmangel zu wenig befördert worden ift.

Meine Herren, die Zuckerinduftrie behauptet in diesem Jahre, wie Herr Graf Frankenberg mittheilte, ebenfalls durch den Wagen- mangel ges{ädigt zu sein, und zwar dieses Jahr nicht dadurch, daß die Rüben ihr nicht rechtzeitig zugeführt seien wir haben für die Zuckerindustrie nah Kräften gesorgt fondern dadur, daß sie keine Kohlen bekommen habe. Ich habe mir in der Kommission die Bemerkung erlaubt: Wenn eine Zuderfabrik nicht so viel Fürforge trifft, daß sle hinlänglih Kohlen in den Monaten, wo erfahrungsmäßig es sehr knapp mit Wagen bestellt ift, aufgestapelt hat, um einige Tage Wagenmangel überdauern zu können, fo kann ein solhes Ver- fahren nit als umsihtig bezeihnet werden. Die Zuckerindustrie hat in Beziehung auf das Verhalten dem Wagenmangel gegenüber eine eigenthümlihe Auffassung. In einer Eingabe des Vereins für die Nübenzuckerindustrie des Deutshen Reichs heißt es in Bezug auf den Wagenmangel :

„Anerkannt muß werden, daß die Eisenbahnverwaltung unab- lässig bemüht ist, dem Wagenmangel abzuhelfen. Wir können dies- bezüglih erwähnen, daß man es mit der Verkürzung der Be- bezw. Gntlade-Fristen versuht hat. Jn einer solchen Maßregel liegt aber eine folhe Belästigung des Verkehrs, daß wir jedenfalls bitten müssen, davon Abstand zu nehmen.“

Das ift ret gut gesagt; indeß, wenn man von der Gifenbahn-

verwaltung verlangt, daß sie Tag nnd Nacht alle Kräfte, die ihr zu Gebote stehen, auch wirklich anwendet, um die Wagen zur reten Zeit zur rechten Stelle zu bringen, ist es nicht zu viel verlangt, daß die Zucker- industrie sih einigermaßen mit der Be- und Entladung der Rüben beeilt. Das wäre aber weiter niht bedenklich. Bedenklich ift aber folgender Satz (fehr richtig), der speztell fich auf die Auffassung des Vereins für Zuckerrübenindustrie bezieht ih nehme allerdings niht an, daß jedes Mitglied des Vereins dieselbe Auffafsung hat. Es heißt da:

„Ferner hat man aus der Nothwendigkeit eine Tugend gemacht und dekretiert, daß statt der vollen Zahl der geforderten Wagen nur zwei Drittel oder drei Viertel gestellt werden sollen, Solche Dekrete werden aber dadurch illusorisch, daß für die betreffenden Tage überhaupt mehr Wagen, entsprehend der Reduktion, an- gefordert werden, um den Normalbedarf zu befriedigen.“

Das ift also die Lôsung des Problems nah der Auffassung des Ver- eins für Zuerrübenindustrie; daß man alfo an folhen Tagen medr Wagen bestellt, als man im normalen Betriebe gebrauen könnte, und damit dann wieder auf seinen Bedarf kommt.

Ih nehme ferner keinen Anstand, der Anregung des Herrn

Grafen von Frankenberg entsprehend, hier u erklären. daß