der Auffay über den Wagenmangel und seien Ursachen, der in der Vereinszeitung des deutshen Eisenbahnvereins gestanden hat, weder vom Ministerium, noch von irgend einer Eisenbahn- behörde beeinflußt worden ift, sondern das Spezialprodukt eines Beamten ist, der offenbar mit diesen Verbhältnifsen nicht vertraut ift. Das ift dem Betreffenden au zu erkennen gegeben. e
Endlich hat Herr-Sraf vori Fraäukeñbérä erwähnt, baß niht nur die Kohlenindustrie durh den Wagenmangel in Mitleidenshaft ge- zogen werde, fondern daß sich auch nicht selten der Nebel- ftand ergäbe, daß ein Tage lang vorher beftellter Langholz- wagen uniht zur rehten Zeit an der betreffenden Station bereit gestellt würde. Meine Herren, das kann vorkommen. Es ift sehr bedauerlich, aber es ift erklärlih durh mancherlei Zu-
fälligkeiten im Betriebe. Die Langholzwagen sind naturgemäß nicht in so großer Anzahl vorhanden und können niht auf den kleinen Stationen, wo- die Verladung der Langhölzer, der Stämme vor \ih geht, «amer vorräthig gehalten werden, sondern müssen in der Regel aus weiter Ferne herangeführt werden. Da kann es wohl vorèommfn, daß aus irgend welchen Gründen, weil der betreffende Zug keine Wagen hat können mitnehmen, oder weil der Wagen sih heiß gelaufen hat, oder aus anderen Gründen kein Wagen mehr hat berangeschafft werden Eönnen. Es ift infolge dessen angeordnet worden, einmal daß in solchen Fällen das Holz unentgeltlih auf den Stationen gelagert werden kann, und zweitens, daß von dem Nichteintreffen des Wagens dem betreffenden Besteller thunlichst rechtzeitig Mittheilung gemacht werde.
Endlich kann ih mich nur einverstanden erklären mit den Be- \trebungen, die Herr Graf von Frankenberg in dankenswerther Weise seit Jahren verfolgt, um dem Fischtranéport bessere Bedingungen zu verschaffen und die Fische als Volksnahrungsmittel in dem Lande immer weiter zu verbreiten.
Meine Herren! Wenn ih glaube, diejenigen Punkte hier erörtert zu haben, nah der Anregung des Herrn Grafen Frankenberg, die einer speziellen Erörterung noh bedurften, so möchte ich \{ließlich noch hervorheben, daß für die Staatseisenbahnverwaltung, und ih glaube auh für das Land, doch aus den Erfahrungen, die wir in diesem Jahre wiederum in Bezug auf dên Wagenmangel gemacht haben, ein Trost hervorgeht. Nirgendwo hat uns der eigentlihe Eisenbahnbetrieb im Stiche gelassen. Die Leistungen des Betriebes im Zugverkehr, im Stationsdienft find im Großen und Ganzen untadelhaft gewesen und das berechtigt zu der Hoffnung, daß der Wagenmangel, wenn er auch nicht gänzlih ausbleibt, doch bei dem sehr ftark \sich vermehrenden Park an Wagen wie an Maschinen in den zukünftigen Jahren nicht mehr die Bedeutung haben wird, wie das in den leßten Jahren [leider noch der Fall gewesen ift. (Bravo!)
Prinz zu Carolath: Die Vermehrung der Betriebsmittel, die der Minifter angekündigt bat, ift {on ein Erfolg des Antrages. Wir wünschen aber mehr, als die Kommission wünscht. Kenntniß genommen hat ja die Regierung längst. Wir wünschen Berücksichtigung. Der Antrag is ja auh niht von beute, fondern stammt s{chon aus dem November v. J. Nicht bloß die Kohlenindustrie, sondern auch die Textilpläße der Niederlausig haben berechtigte Klagen über Wagen- mangel zu erheben, infofern, als sie durch denselben im Bezuge des Brenn- materials ganz erheblich behindert wurden. Die Lieferung der Lausiter Steinkohle ist für diesen Bezirk durhaus nothwendig, da die ober- \hlesishe viel theurer ist. Der Fabrikantenverein zu Kottbus hat ch an die betreffende Eisenbahnverkehrs - Jnspektion im Oktober
ewendet und den Bescheid erhalten, daß sein Antrag der Eisenbahn-
irektion in Halle vorgelegt sei; von dort aber kam bis nah 15 Mo- naten keine Äntwort, und in dieser Zeit machte sich ein täglicher Wagenmangel geltend. Der Fabrikantenverein wandte sih dann an den Minister, und ih bin überzeugt, daß der Minifter thun wird, was er kann, um die Direktion anzuweisen, thatkrätig und bald- thunlift einzugreifen. Als Vorsitzender des Deutschen Fischereivereins
\chliefe id mich den Wünschen des Grafen Frankenberg an, danke-
aber gleichzeitig dem Minister für die Umsiht und Sorgfalt, mit welcher schon jeut die Fishtransporte expediert werden.
Minister derx öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Das Lausißer Koblenrevier hat an dem Wagen- mangel theilgenommen, wie alle anderen Produktionsstätten, und zwar um der Gerechtigkeit willen. Ob aber in dieser Beziehung das Nieder- laufißer Kohlenrevier nicht vielleiht etwas zu sharf anzefaßt worden ist, und ob nicht die Eigenthümlichkeiten der dort produzierten Kohlen, wie fie der Prinz Carolath ebenfalls hervorgehoben hat, niht eine ausnahmsweise Berücksichtigung nothwendig machen, das soll demnächst — und dazu sind die Anregungen {hon gegeben — von der Direktion Halle und dem dortigen Ober-Bergamt erörtert werden. Der Hauptübelstand in der Kottbus-Forster Jndustrie liegt darin, daß sie bisher nit gewohnt war, und vielleiht auch mit Nück- ht auf die Beschaffenheit der Kohle niht im ftande gewesen ist, sich Vorräthe zu halten. Die höchsten Vorräthe beziffern sih auf 3 Tage, und das ist für den Herbst und Winter zu wenig; denn felbst vom MWagenmangel abgesehen, können elementare Hindernisse, z. B. ein großer Schneefall, es zu stande bringen, daß drei Tage lang keine Kohle nah Kottbus oder Forst hinkommt, dann ift die Industrie sofort in großer Ver- legenheit. Meines Erachtens müßte die Industrie doch in der Be- ziehung auch ihrerseits etwas mehr thun und größere Lager sich halten, und zwar um fo mehr, da es sich doch im Großen und Ganzen nicht um sehr erheblihe Mengen handelt ; es handelt sich ja nur um die erforderlihen Maschinenkohlen.
Was nun speziell die Vorwürfe betrifft, die das Forster Tage- blatt der Staatseisenbahn gemacht hat, und die Schlußfolgerung, die das Forfler Tageblatt aus den zu wenig gestellten Wagen für Kohlen- transporte nah Forst u. |. w. gezogen hat, so möchte ich mir gestatten, doch aus den Berichten, die mir aus diesem Anlaß zugegangen find, dem hohen Hause einige Mittheilungen zu machen.
Die Fabriken in Forst beziehen ihre Kohle zum weitaus größten Theil von den Stationen Teupliß, Kölzig und Döben, und zwar nit direkt von den Gruben, sondern durch Vermittelung von Agenten, zum geringen Theil von dem Niederlausißger Revier und Vetschau. Die Agenten haben nun in diesem Jahre, wie gemeldet wird, größere Abshhllifse gemacht, als die Kohlenwerke produzieren konnten. Nun spricht, wie angenommen wird, eine größere Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Mangel an Lieferungen auöschlteßlih auf den bestehen- den Wagenmangel geschoben wird. Außerdem is eine der Gruben infolge eines Wolkenbruhs Tage lang im Betrieb gestört worden ; auch das hat die Eisenbahnverwaltung tihrerseits austragen müssen. Dann konnten die betreffenden Gruben, namentli in Teupliy, zu der Zeit, wo es sich darum handelte, eine ftarke Förderung eintreten zu lassen, diese nicht bewirken, weil fie feine Arbeiter haben konnten ; sie konnten keine Nachtshichten einführen; infolge dessen blieben die Lieferungen weit hinter dem ge- forderten Maß zurück. Es find infolge dessen in der Zeit vom
1. September bis 30. November im Ganzen 1392 Wagen Koblen in Teupliy weniger als im Vorjahr zur Verladung gekommen, weil weniger gefördert worden ift. Diese 1392 Wagen sämmtlih oder auh nur zum größten Theile dem Wagenmangel der Eisenbahn auf das Konto zu seßen, wäre meines Erachtens nicht gerechtfertigt. Die Grube Phönix in Kölgen hat infolge einer Betriebsstörung seit 12; November überhaupt keine Koblen. mshr nah Forst-brtngen können. Die täglichen Lieferungen an Kohle hatten bis zu dem genannten Tage täglih nah Forft 6 Wagen betragen ; die sind ausgefallen, sodaß unter dem dem Wagenmangel zugeschriebenen Auéfall doch mindestens von dieser einen Grube in der betreffenden Periode 90 Wagen in Betracht
kommen.
Am Schlusse meiner Ausführungen kann ih indessen nur die Ve: sicherung geben, daß die betreffende Frage auf das genaueste unter- suht werden soll, namentlich nach der Richtung, ob nicht in Zukunft das Niederlausizer Revier auf Grund seiner eigenthümlihen Ver- hâltnifse besser bedacht werden kann, als es bis jeßt der Fall ge- wesen ist.
Graf von Rothkirh-T rach spriht dem Minister gleichfalls seinen Dank für die billige Frahtberechnung der Fischtranéporte, kann aber nicht zugeben, daß der Verkehr auf der Staatsbahn völlig tadellos sei, und führt ein Beispiel des Gegentheils aus seiner eigenen Praxis an.
Damit schließt die Diskussion. Der Antrag I des Grafen von Frankenberg wird der Regierung zur Berückfichtigung überwiesen. j
Hierauf wird über die Anträge 11 und Il und den Kommissionsantrag die Diskussion eröffnet.? PIILEZES
Graf von Frankenberg: Der Aufshwung der Industrie ift unleugbar; im Gegensaß dazu befindet sih die Landwirthschaft in Ito leztatvee Lage. Vie Industrie i durch ihre ausgezeichnete Vertretung viel weiter in der Erfüllung ihrer Wünsche bei der Eisenbahnverwaltung binsihtlih der Tariffrage als die Landwirth- schaft, die jeßt erft in den Landwirtbschastskammern eine Ver- tretung gefunden hat, welche ihre bezüglihen Wünsche zur Geltung bringen kann. Die oftelbisGen Provinzen müssen durch ein Staffel- tarif\ystem berücksichtigt werden, welches so fonftruiert werden muß, daß es auch dem Westen entgegenfommt. Die geographische Lage dieser Enten verlangt dies. Von einem ungünftigen Einwirken dieser Staffeltarife auf die Preise kann nict die Rede sein. Jch empfehle Ihnen den Antrag der Kommission.
Freiherr von Landsberg kann diesen Ausführungen nicht bei- treten. Westfalen würde von den Staffeltarifen unbedingt Nachtheil baben; das gelte großentheils von dem ganzen Westen und Süden Deutschlands. Während des Bestehens der Staffeltarife habe sich das Preisverhältniß des Mens zwischen dem Often und Westen ganz bedeutend versWoben. Redner sucht das an einer Reihe von mit Zahlen belegten Beispielen im Einzelnen nachzuweisen. Die Land- wirthschaft nicht nur, fondern auch Handel und Gewerbe hätten im Westen von den Staffeltarifen nur Nachtheile zu besorgen. Es habe sich ja auch seiner Zeit eine Reibe von Bezirks-Eisenbahn-Räthen von Hannover, Köln u. |. w. gegen die Staffeltarife ausgesprochen. Nedner bittet deshalb, den Antrag des Grafen Frankenberg abzulehnen. Nach- dem die Handelêverträge zu tande geklommen seien unter der Voraus- seßung, daß der Identitätèznahweis und die Staffeltarife aufgehoben werden, müsse man auh daran festhalten. Die Einführung der Staffeltarife würde eine ganz gewaltige Erbitterung im Westen hervorrufen. Je ernster die Lage sei, desto einiger müßten die Land- wirthe zusammenstehen und niht fünstlich in ihren eigenen Reihen Schwierigkeiten erzeugen. Das Ziel des Grundbesißes sei die Erhöhung des Getreidepreises. Dieses Ziel sei allen Landwirthen ge- meinsam, ebenso wie das Streben nah Entlastung des Grundbesitzes und nah Besserung der Arbeiterverbältnisse. Diese drei großen Ziele müßten die Landwirthschaft zusammenhalten, und namentlich die Rücksicht auf den zukünftigen Reichstag follte davor bewahren, im ernsten Moment die Landwirthschaft zu spalten. Der Konkurrenz der Wasserstraßen werde man mit dem Staffeltarif doch nie gleihkommen.
Graf von Kleist-Schmenzin beantragt, die weitere Verhand- lung dieses Gegenstandes beute abzuscien, da noch eine große Zahl von Rednern gemeldet, die Zeit aber {on vorgerückt sei.
Herr von Bemberg-Flamershe im spricht gegen, Graf Udo zu Stolberg für diefen Antrag, da die Sache nicht dringlich, aber der Gegenftand selbst zu wichtig sei, um den gemeldeten acht Rednern das Wort abzuschneiden.
Dem Antrage des Grafen von Kleist gemäß wird der Gegenstand von der Tagesordnung abgeseßt.
Das Haus erledigt hierauf noch eine Reihe von Petitionen.
Ueber die Petition des Gerichtsschreibergehilfen Schulz in Elbing um Anstellung als Gerichtëschreiber wird zur Tagesordnung über- gegangen, ebenso über die Petition der Gerichts\chreibergebilfen Domnick und Genossen in Berlin um Vereinigung dcr Stellen der Gerichts-Assiftenten, soweit leßtere die Qualifikation als Sekretäre besitzen, mit den Stellen der Sekretäre zu einer Besoldungsklafse, unter Anrehnung von sechs Jahren der Assiftentendienstzeik.
Zur Berücksichtigung überwiesen werden die Petitionen des Hof- besißzers Martensen in Heisch und des Hofbesizers Witthobn in Neuenwish, Kreis Süderdithmarschen, um Rüdckerstattung eines Grund- fteuerentschädigungsbetrages. Ueber eine Petition gleider Tendenz des Hofbesigers Ansbahs zu Sommerländer NRiep, Kreis Steinburg, wird zur Tagesordnung übergegangen, da sich Peternt binsihtlih seiner An- sprüche im Irrthum befinde. Auch die Petition des Schneidermeisters Knoop in Frankfurt a. M. um Aufhebung des § 13 des Gemeinde- verfassungsgesetzes für Frankfurt vom 25. März 1867 wird durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt. :
Schluß 5 Uhr. Nächste Sitzung unbestimmt, etwa am 16. Februar. Ein Antrag des Grafen von Frankenberg, am Montag seine Anträge weiter zu berathen, wird unter all-
gemeiner Heiterkeit abgelehnt.
Haus der Abgeordneten.
25. Sißung vom 23. Januar 1897.
E den ersten Theil der Sißung is} vorgestern berichtet worden.
Bei der Berathung des Gesezentwurfs, betreffend die L D eaen der Gemeinden und öffentlichen I[nstalten im Regierungsbezirk Wiesbaden, mit Aus- \hluß des vormals Landaräflich hessen-homburgishen Gebietes und des Stadtkreises Frankfurt a. M., bemerkt der j Minister für Landwirthschaft 2c. Frciherr von Hammer- tein:
Meine Herren! Jch habe nicht die Absicht, auf Spezialbeftim- mungen des Gesetzentwurfs einzugehen, da ih annehme, daß nach den bisher gefallenen Aeußerungen der Gesetzentwurf zur Vorprüfung an eine Kommission, wie ih annebme, an die Kommission verwiesen werden wird, ,welhe die Gemeindeordnung von Hessen-Nafsau berathen soll. Als selbstverständlih habe ih es angesehen, daß der Herr Re- gierungs-Präsident für Wiesbaden zunächst das Wort ergriffen hat, da fast autschließlich für feinen Verwaltungsbezirk das Geseg zur Anwendung gelangen soll. Mit seiner Begründung für den Geseßzentwurf kann ih mich im wesentlihen einverstanden er- klären. Jh würde überhaupt das Wort zu ergreifen nicht
für nöthig gehalten haben, wenn niht ein formaler Gesichtspunkt hier erörtert werden müßte. Eigentlih sollen Geseye für beftimmte Landestheile durch den Kommunal- oder Provinzial-Landtag dieseg Bezirks vorgeprüft werden. Die Herren wollen aus der Begründung die Darlegung der Gründe, aus dènen eine Verweisung dieser Vor- lage an den xommunal- Landtag für Wiesbaden niht für nothwendig erachtet ift, entnehmen. Zunäbst.bat-diese Vorlags der Prüfung der Kommission für die Landgemeindeordnung uxterlegen, und diese hat sih im wesentlihen mit dem Inhalte einverstanden erklärt. Dann hat die Staatsregierung nochmals Vertreter der betheiligten Landes. theile gehört und die vorgebrachten Wünsche berücksihtigt. Unter diesen Umftänden glaube ich, daß materiell völlig der Be- stimmung Genüge geleistet it, daß bei Spezialgesegen für bestimmte Landestheile zunähst den Betheiligten Gelegenheit gegeben werden soll, Stellung zu der Vorlage zu nehmen. Die Frage, ob die Angelegenheit sofort im Plenum zu erledigen oder zweckmäßiger an die Kommission zu verweisen ift, möchte ih dahin entscheiden, daß ih gläube, es ift richtig, da shon eine Reihe von Bedenken laut ge- worden sind, die Vorlage durch eine Kommisfionsberathung vorprüfen zu laffen.
Nach Ueberweisung der Vorlage an die Kommission für die hessishe Landgemeindeordnung folgt die erste Berathung des Antrags der Abgg. Dr. Langerhans und Genossen auf Annahme eines Wesehentdurfs, betreffend die Ver- pflichtungen der bürgerlihen Gemeinden bezüglich der Bauten und Reparaturen von Kirchen-, Ma ert und Küstergebäuden. Danach sollen diese besonders auf der Visitations- und Konsistorialordnung des Kurfürsten Johann Georg von 1573 und der Flecken-, Dorf: und Ackerordnung ets 16. Dezember 1702 beruhenden Verpflihtungen aufgehoben werden.
Nachdem Abg. Dr. Langerhans seinen Antrag ein- gehend begründet hat, nimmt das Wort der
Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten D. Dr. Bosse:
Meine Herren! ‘Als ich Ihre heutige Tagesordnung gelesen habe, habe ih die Empfindung gehabt, man würde es im Lande nicht verstehen, wenn ih mi um diese Frage garniht kümmere. Man dürfte wohl die Erwartung hegen, daß die Kultus- verwaltung, sowobl wegen der Interessen der evangelischen, wie der fkatholishen Kirhe — denn beide find bei diesem Antrage in gewisser Weise, wie ich Jhnen nachher darthun werde, engagiert — doch einigermaßen Stellung dazu nehmen müsse, und das will ih denn auch thun.
Meine Herren, mit einem großen Tbeil der Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Langerhans kann ih mich einverstanden erklären. Ih muß namentli ihm darin zustimmen, daß, als das Reichsgerichtëerkenntniß bom Jahre 1892 bekannt wurde, man unwillfkürlih den Eindruck batte, diese grofen Bauverpflihtungen, die durch die Visitationsordnung den Städten, den politishen Gemeinden in der Maik auferlegt sind, berubten doch auf völlig anderen thatsäclihen Verhältnissen als diejenigen es find, die wir heute haben, und deéthalb wtrd wobl jedermann den Eindruck haben, daß die heutigen thatsächlichen Kirchengemeindeverhältnisse mit diesen Verpflihtungen in diesem Umfange nicht mehr vollständig im Einklang stehen. Darin stimme ich also dem Herrn Abg. Dr. Langerhans bei. Weniger glüdcklich scheirt mir der Versuch zu sein, die materielle Begründung des Meichsgerichtëerkenntnifses anzugreifen. Das Reich8gericht hat si die Sache sehr genau überlegt, und wir haben folhe Rehisverhält- nifffse, die aus alter Zeit berstammen und bei denen die Vorausfttzungen, unter denen sie begrüzdet sind, nicht mehr ganz genau zutreffen, au solche, wo das Recht mit der modernen Anschauung auseinander- geht, und der Richter ift sehr häufig nihtsdestoweniger genöthigt, auf Grund der pcsitiven Nehtsgrundlage Ansprüche dieser Art anzuerkennen. So bat es meines Erachtens auch bier gelegen, und nah dieser Ri&- tung bin haben wir immer daran festgehalten, daß wir vor unseren höchsten Gerihten den größten Respekt haben. Diesen Respekt wird auch der Herr Abg. Dr. Langerbans baben. Das hindert aber nicht, daß man allerdings daran denken kann, Verbältnifse, die au juriftisch als zu Recht bestehend anerkannt
werden, entweder durch eine Verständigung der Betheiligten, oder,
wenn es sein muß, auch durch die Gesetzgebung zu ändern. Meine Herren, daß die Verbältnifse damals ganz anders lagen als beute, gebt {on daraus hervor: damals batten wir, namentlih hier in der Mark. das autschlieflihe Territorialprinzip, die politischen Gemeinden und die Konfessionsgemeinden deckten sih vollkommen; das ift längft vorbe. Damals hatten wir noch den Begriff des Eintretens der Obrigkeit für die Unterthanen auch in firhliher Beziehung, für ihre firhli6a Bedürfnisse. Dieser Begriff wurde auch auf die Magistrate der Städte den Bürgern der Städte gegenüber übertragen ; das alles hat sich heute vol- fommen geäntezt. Das Territorialprinzip ift überall durchbrocher, ja, man kann geradezu sagen, die Vermisung der Konfessionen tin unserez politischen Gemeinden ift beutzutage tie Regel. Nun, meine Herren. beute gilt allgemein und als Negel in der That für die kirchliden Lasten der Grundsatz: die Befriedigung der kirhlihen Bedürfniffz f zu bewirken dur die fkirchlihen Interessenten. Aber, meine Herrer auch dieser Grundsay bildet zwar die Regel, if aber vizl- fach durhlöchert und turchbrohen durch das bestehende Ret, au durch die moderne Geseßgebung. Darin kann S tem Herrn Abg. Dr. Langerhans garniht beiftimmen, daß ti: evangelishe Kirhengemeinde- und Synodalordnung für die #22" gelishe Lardesfkirhe der alten Provinzen diesen Grundsay als auf ließli binfteüe. Im Gegentheil, ich will nur darauf aufmerksa= machen, meine Herren, der § 31 der Synotalordnung sagt dies ax drücklich:
Bei der Beschaffung ter zu den kirhlichen Bedürfnifez erforderlihen Geltmittel und Leistungen, soweit solche niS: nah beftebendem Recht aus dem Kirchenvermögez oder von Patronen oder von fonst speziell Verpfli#- teten ju gewähren sind, inébesonbere auh bei Festsezung d auf die Gemeinde zu repartierenden Umlagen u. st. w. bedarf è= Gemeinde-Kirhenrath der Mitwirkung der Gemeindevertretung-
Kurz, meine Herren, das Interessen‘enprinzip ift die Regel At diese Ausnahmen von speziellen rechtlichen Verpflichtungen find auf erücklich aufrechterhalten, und ebenso ift es geshehen in den Gt über die Verwaltung des Vermögens ber katholishen Kirhengemznt. und das ift au) meines Grachiens ganz nothwendig, benn purs 2a heben wird man berartige Veipflichtungen nit können, urd d au mein Bedenken, bas Beveuklen, bas ich gegen ben Vorsdzlas S
Herrn Abg. Dr. Langerbans habe, einfa durch einen Paragraphen der Gesetzgebung diese Dinge aus der Welt zu shaffen.
Wenn Sie diese Verpflihtungen, die ja für Berlin sehr läftig find, die ih gern auf verständige Weise beseitigt sehen möchte, mit einem Schlage ftreihen, so s{chenken Sie damit der Stadt Berlin den Werth der Leistungen, um die es sh hier handelt, und die auf einem speziellen Rechtstitel“ beruhen *— ich will ganz dahingestellt sein laffen, ob die 20 Millionen, die die Kirchengemeinde gefordert hatte, richtig berehnei waren; sie waren vielleicht etwas hoh; aber se waren doch \chon bei den Verhandlungen zwischen den Gemeinden bis auf 5 Millionen ermäßigt; also, die kirhlihen Organe haben ih doch auch große Zurückhaltung auferlegt —, kurz, auf den Werth will ih garniht eingehen, ih weiß das nicht, wie viel die Sahe werth ift; aber ih will darauf aufmerksam machen: es ift ein Geschenk, das man zunächst Berlin macht im Betrage des Kapitalwerths der Leistungen, die bier durch das Reichsgerichtserkenntniß als rechtlih begründet an- erkannt worden find. Bei Berlin kann man das noth allenfalls be- rechnen; das haben wir bei den Verhandlungen gesehen, daß man zu gewiffen Werthen und Forderungen auf beiden Seiten kommen kann. Von den anderen Städten der Mark wissen wir das niht. Dazu kommt, daß diese Gesetzgebung ohne weiteres die anderen Städte der Mark mit umfaßt. Für die anderen Städte der Mark ift die Sache nie ftreitig gewesen; da ift ftets anerkannt, daß die politishe Gemeinde für firhlihe Baulasten einzutreten habe, und höchstens sind im Einzelfalle Sireitigkeiten gewesen, die natürlich auf dem Wege des Prozefses, des Rechts, entschieden werden mußten. Die finanzielle Tragweite aber, meine Herren, die die Sahe hat für die anderen Städte der Mark, ist garnicht zu übersehen. Für Berlin könnte man fie allenfalls zur Zeit noh übersehen; aber die anderen Städte der Mark in Bausch und Bogen hier hineinzubringen, — das is unmög- lich, weil unberehenbar.
Nun mae ih weiter darauf aufmerksam: wir haben eine ganze Reihe Fälle, wo die kirhlihe Last, namentlih auch die kirh- lie Baulaft, dinglich ift. Namentlich haben wir sehr {chwere Fälle diefer Art, mit denen wir uns auch son befaßt haben, mit der Tendenz, ob wir ihnen niht durch eine entsprehende Geseßgebung bei- kommen fönnen. Wir haben einen ganzen Landstrih im Regierungs- bezirk Danzig, wo die katholishen Höfe die evangelishe Kirchenbaulast tragen müfsen, wo das außerordentlich {wer empfunden wird, und jeder, der die Verhältnisse dort kennt, muß sagen, auch das sind Ver- hältnifse, die in die heutige Zeit niht mehr recht hineinpassen. Die Sache is aber dinglih, sie steht im Grundbu. Und nun denken Sie fih einmal: Wenn alle Leute, die dadur betroffen sind, — wir haben au den Fall gerade umgekehrt; ich komme darauf noch zurück — jeßt kommen wollten und sagen: ihr müßt uns von unseren Ver- pflichtungen, von unseren kirhlihen Leistungen und namentli von unserer kirchlihen Baulaft befreien durch einen Akt der Gesetzgebung ; denn was der Stadt Berlin und den mäikishen Städten ret ift, ist doch uns selbstverständlich billig, — damit würden Sie in eine große Verlegenheit kommen. Nah meiner Meinung is es ganz unmöglich, diesen Weg ohne weiteres zu gehen, und so einfach, wie Herr Abg. Dr. Langerhans sih die Satte vorstellt, daß man hier so kurzer Hand die Sache abmachen könnte, ohne daran zu denken, welche ungeheuren weittragenden Folgen — ih will das garniht ausführen; die Konsequenzen ergeben sih ganz von felbst — damit verbanden sein würden für beide Kirhen wiederum und für viele politishe Ge- meinden, — so einfa ist die Sache nit. Sie so leiter und kurzer Hand hier abzumachen, dazu ift, meine ih, diese Frage durchaus nicht angethan.
Nun mache ih ferner darauf aufmerksam: im ganzen Kurfürsten- thum Hefsen gilt dasselbe Necht auf Grund einer unbestrittenen Observanz. Das ganze Kurfürstenthum Hessen würde sofort kommen und ähnliche Ansprüche erh:ben an die politishen Gemeinden. Das alles kann man doch niht kurzer Hand entsheiden, ohne die Ver- hältnifse gründlihst geprüft zu haben, ohne von der Tragweite der Beschlüsse, die beim Zustandekommen eines solhen Geseßentwurfs gefaßt werden follten, ein flares Bild zu haben. Meine Herren, ih glaube, daß das niht angängig ift.
Ganz anters lag seiner Zeit die Sache bei dem Zustandekommen des Geseßes über die Bestreitung der Koften für die kirhlihen Be- dürfnisse der Kirchengemeinden des linken Rheinufers vom 14. März 1880. Danach, sagte man — und das führte ja auß Herr Dr. Langerhans aus —-, ist die Verpflihtung der bürgerlichen Gemeinden zur Beschaffung und Unterhaltung der Pfarrhäuser ohne weiteres auf die Kirhengemeinden übergegangen. Das ist auch richtig, meine Herren, aber der Fall liegt absolut nicht analog dem- jenizen, den ih hier behandele; ih werde das nahweisen. Die Bau- laft ging infolge jenes Geseßes zwar auf die Kirchengemeinden über, aber den Kirhengemeindes wurde dafür eine erheblihe Gegen- [eiftung gewähit, vnd diese Gegenleistung bestand in dem Eigen- thum der Gebäude und der dazu gehörigen Grundstücke, die bis dahin im Eigenihum der politishen Gemeinden gestanden hatten. Diese Grundstlücke wurden den Kirhengemeinden ausdrücklich übereignet. Das ift in den Motiven des Gefeßes als der Grund, der gewisser- maßen das Fundament der Gerechtigkeit für diese geseßgebertshe Maß- regel bildet, ausdrücklich und weitläufig ausgeführt.
Meine Herren, an einem solchen Korrelat fehlt es hier in der Mark Brandenburg vollständig; denn die Kirchengemeinden in der Mark Brandenburg find entweder selbständige Stiftungen — oder die kir{- lichen Gebäude ftehen im Eigenthum der Gemeinden. Nun, meine Herren, wo es bei den anderen, den bürgerlichen Gemeinden des linken Rheinufers an obliegenden Leistungen, an einem folchen Korrelat fehlt, da hat man auch die fkirhlihen Lasten nicht ohne weiteres den Kirchhengemeinten auferlegt, sondern man hat cine Ablösung ermögliht und hat dafür in den 88 7 ffffg. des Geseyes ein ausdrüdklihes, besonderes Verfahren vorgeschlagen. Ich will dabei noch darauf aufmerksam machen, daß das Geseß von 1880 weniger zu Gunsten der evangelischen, als vielmehr zu Gunsten der katholishen Bewohner des linken Rhetinufers erlassen worden ist. So hatte z. B. eine katholishe Dorfgemeinde zur Reparatur eines evangelishen Pfarrhauses 208 Thaler beitragen müssen, obwohl in diesem Dorf nur zwei Evangelische waren. Das waren natürlich Zustände, die sehr shwer empfunden wurden, auch auf evangelischer Seite, weil die anderösgläuhlge Mehrhelt der betresfenden politischen Gemeinde nicht gerade sehr bereit wax, den Wünschen der Minderheit entgegenzukommen. Um diese unerquickli®den Vorbältnisse aus der Welt zu schaffen, wählte man blese Ausgleidung und erreichte, daß
alle Betheiligten ohne Ausnahme in dem Streben, diesen obfoleten Rechtszustand zu beseitigen, einig waren.
Nun, meine Herren, nihts wünschte ih mehr, als daß in dem Falle, der uns beschäftigt, dieselbe Einigkeit herbeigeführt werden könnte. Jch glaube, daß wir nahe daran waren ; wenn dieser Antrag bier niht geftellt worden wäre, der ledigli aus der Stadtverordneten-
- Versammlung der Stadt “Berlin hervorgegangen ifi, so wäre
in den Vergleihsverhandlungen ein Abschluß nahe gewesen; denn auf beiden Seiten bestand. der dringende Wunsch, dem jeßigen Zuftand durch ein verständiges Entgegenkommen im Ver- gleihswege ein Eade zu machen. Das würde, glaube ih, auch für die Stadt Berlin der geeignetste Weg sein, auf dem man, ohne irgendwie anderen Rechtsverhältnissen zu präjudizieren, zu einem ge- deihlichen und friedlihen Resultat kommen könnte. Wenn Sie das niht wollen, wenn Sie die Sahe im Wege der Gesey- gebung regeln wollen — was ich für sehr s{chwierig halte —, dann bleibt nihts übrig, als \sich zu übeclegen, wie man zu einem Ablösungsgeseze kommen, und welche Aequivalente man dann geseßlich festlegen muß oder welche fee Normen zu geben sind, wo- nah dies in billiger, verständiger und gerechter Weise berehnet werden kann. Wie Sie die Sache hier geschäftlih behandeln wollen, muß und will ich ja dabingeftellt sein lassen; davon bin ih aber überzeugt, daß, wenn Sie den Antrag so annehmen, wie er hier gestellt ist, Sie damit Konsequenzen übernehmen, deren Tragweite auch Sie garnicht zu übersehen vermögen. Deshalb trage ih Bedenken, Ihnen die einfahe Annahme dieses Antrages zu empfehlen. Ih wünsche dringend, daß der jeßige Zustand beseitigt wird durch eine für beide Theile billige Vereinigung, und ih empfehle Ihnen die Behandlung dieses Antrages nah der Richtung hin, daß durch die Vorgänge hier im Hause und Ihre Beschlüsse einem Verglei nit präjudiziert wird.
Ich will auch nit verhehlen, daß ih, wie die Dinge liegen — ih hoffe, mih ganz objektiv ausgedrückt zu haben —, große Zweifel hege, ob die beiden anderen Faktoren der Geseßgebung geneigt sein werden, einer solhen Anregung, wie sie in dem Antrage des Herrn Abg. Dr. Langerhans enthalten is, unbedingt Folge zu geben. Ich für meinen Theil bezweifle es sehr, und deshalb rathe ih, niht ohne weiteres kurzer Hand den Gesehentwurf anzunehmen, sondern zunächst die Sache so zu erledigen, daß die Vergleihsverhandlungen wieder
aufgenommen werden können. Das ist der Weg, auf dem man für
beide Theile zu einem guten Ziele kommen kann.
Abg. Haake (fr. kons.): Wir stehen gerade auf dem entgegen- geseßten Standpunkt wie der Antragsteller. Es handelt sich nur um die Stadt Berlin, kein Abgeordneter aus der Provinz Brandenburg hat den Antrag mitunterschrieben. Außerhalb Berlins wird die Ver- pflihtung nicht fo schwer empfunden. Auch in Berlin handelt es sich jährli rur um etwa 150000 A4 Der Grund, daß auch Angehörige anderer Konfessiznen für die evangelische Kirche mit beitragen müssen, ist niht durhs\{lagend ; denn für die auf Grund des fiskalischen Patronatsrechts geleisteten Verpflichtungen tragen auch alle Steuer- zabler bei. Einseitig ohne Aktfindung darf eine Aufhebung eines be- stehenden Rechts nicht ftattfinden. Lehnen Sie daher den Antrag ab !
Abg. Dr. Pors ch (Zentr.) stimmt dem Antragsteller darin zu, daß der jeßige Zustand unhaltbar sei. Es handle sh au für Berlin keineswegs um eine Bagatelle ; denn ohne geseßliche Aenderung würden ih die Verpflichtungen e bedeutend steigern. Aber mit der Aenderung eines bestehenden RNehts müsse man sehr vorsichtig ver- fahren. Das Material müsse deshalb in einer Kommission von 14 Mitgliedern genau geprüft werden, und er beantrage die Ueber- weisung an eine solche.
Abg. Bröse (konf.): Es handelt h hier gewissermaßen um geheiligte Rechte, und wir müssen deshalb mit Vornehmheit und ohne Sctärse in der Diskussion an die Sache berantreten. Wir stimmen dem Abg. Haake bei. Nach den bestehenden Geseßen hat der Patron die Materialien für den Kirchenbau zu liefern, und die politishe Ge- meinde hat im übrigen den Bau zu leisten, wenn kein Kirhenvermögen vorhanden ist. Die höchsten Gerichtéhöfe, Kammergericht und Neichsgeriht, haben fiets die Bestimmungen der Visitationsordnung von 1573 als zu Recht bestehend anerkannt. Durch die Kirchen- gemeinde- und Synodalordnung sind die Rechte und Pflichten Dritter nicht berührt worden. Aeltere Gesetze sind dur die neuen Kirchen- geseß2 nicht ftillschweigend aufgehoben worden; dazu hätte es einer ausdrücklihen Gesetzeëbestimmung bedurft. Daß Andersgläubige für die evangelische Kirche beitragen müssen, ist kein entsheidender Grund; denn es kommt auch der umgekehrte Fall vor, daß Evangelische [E die katholishe Kirhe mitleisten müssen. Meine Freunde find daher gegen den Antrag. Der Antrag will ohne weiteres die Ver- pflihtungen der politischen Gemeinden den Kirhengemeinden über- tragen. Das is im Hinblick auf die bestehenden Gesetze nicht folge- richtig, es kommen auc noch die Bestimmungen über die Pflichten der Patrone 2c. mit in Betracht. Wir beantragen ohne weiteres die Ablehnung des Antrages, widerseßen uns aber der gewünschten Kommissionsberathung nicht, wenn wir uns auch nihts davon ver- sprechen.
Abg. Schmidt - Warburg (Zentr.) steht zwar nicht als Berliner, aber als Schöneberger dem Antrage sympathisch gegenüber, ohne im Namen seiner Partet zu sprechen, die über die Sache noch keinen Be- ras gefaßt habe. Es fomme hauptsächlich darauf an, ob eine Ent- châädigung gegeben werden solle oder nit. Wohblerworbene Privat-
rechte dürfe man ohne G IGigung nicht avfbeben, die Visitations-
ordnung von 1573 sei aber eine goneralis lex, die dur eine andere generalis lex einfach aufgehoben werden fönne. Ein Privi- legium jei dadurch den Kirchengemeinden niht gegeben, es brauche also auch nit dur eine Abfindung abgelöst zu werden. Alle diese Fragen würden sh in der Kommission erledigen lassen. Die Säkularisatton der kfatholishen Kirhe sei cine Verlezung der Geseßze gewesen, cine folhe dürfe niht noch einmal Vor enommen werden.
Abg. Dr. Irmer (kons.) will als Betheiligter und als Mitglied der Synode nicht shweigen. Die Gründe des Abg. Langerhans bâtten ihn nicht überzeugt, und erx stimme dem Abg. Haake bei, daß der Antrag niht purs anzunehmen sei. Aus dem Wortlaut des Antrages
che hervor, daß auch der Abg. Langerhans zugebe, daß die Bizitationsordnung von 1573 noch zu Recht bestehe, denn sonst würde er die Aufhebung nicht beantragen. Die Sache sei jedenfalls sehr shwierig; er (Redner) eikenne an, daß die Konsistorialordnung von 1573 unseren heutigen Verhältnissen niht mebr entsprehe, aber es handle sich darum, ob sie mit oder ohne Entschädigung auf- ehoben werden solle. Die Aufhebung obne Entschädigung fei ein Eingriff in die Nechte der evangelischen Kirchengemeciuden, der der Billigkeit nicht entspreche. Berlin habe in den leßten Jahbrzebnten seine Verpflichtungen in Bezug auf Kirchenbauten uur sebr mangelhaft erfüllt, die Entschädigung solle dafür gegeben werden, niht für die Zukunft. Sache Berlins sei es, VergleichWorschläge zu machen. Der Antrag habe die Vergleichsverbandlungon gestört und sei daher niht am Playe gewesen. Seine Partei würde am liedîten über den Antrag zur Tagesordnung übergeben, sei aber mit der Kommissionsberathung einverstanden. E
Abg. Vr. Krause at) Aus dem Antrag läßt fich logisd nicdt folgern, daß der Antragsteller das Fortbestehen der Visitationdordkung anerkenne. Das Reichögeriht bat nicht ausgesprochen, daß die Vis tatlons8ordnung noch besteht — diese Frage batte es gar at ju prüfen —, sondern aus anderen juristischen Gründen das ür Berlin ungünstige Urtheil gefällt. Bis in die seckziger Jahre it garnictdt auf die Visitationsordnung von 15673 zurückgegriffen worden. Wenn
sie noch zu Recht bestebt, so ift es nur billig, fie aufzubeben, da den heutigen Verhältnifsen gar niht mehr entspriht. Die politis Gemeinde hat ja au nicht mehr den geringsten Einfluß auf die Kirche, wie es in früheren Zeiten der Fall war. Der Kultus- Minister \{eint anzuerkennen, daß es \ich nicht um ein Privileg bandelt, sondern um ein allgemeines Geseß, und deshalb if die Aufhebung obne Entschädigung möglich, ; : … - Ahg. _.Stôcke.r: Ohne-- die —Hezanzichung - ttr-Siadigemeinde-- Berlin war die Kirchennoth in Berlin nicht zu beseitigen. Die liberale Majorität der Vereinigten Synoden hat \sich {on anfangs der ahtziger Jahre der Nothwendigkeit neuer Kirhenbauten nicht entziehen können und genehmigte damals drei neue Kirhenbaupläne. Aber erst als die Positiven die Mehrheit erhielten, wurde die Sache energischer betrieben, dank der Fürsorge Seiner Majestät des Königs und des Kirchenbauvereins. Der Antrag Langerhans erkennt an, daß die Verpflichtung Berlins noch besteht. Es is undenkbar, daß das errenhaus und die Regierung ein solhes Gesez annehmen ; obne ntshädigung läßt sh die Sache auf keinen Fall regeln. __ Abg. Dr. Bachem (Zentr.) hält den Antrag Langerhans nicht für überflüssig; man könne sih doch objektiv über die Regelung der [hwebenden Streitfrage unterhalten. Vielleiht komme aus der Kom- missionsberathung auch nichts Brauchbares heraus, dann bitte er aber die Regierung, einen gangbaren Weg vorzuschlagen, um aus diesen Schwierigkeiten herauszukommen. Es liege im Interesse der Kirche selbft, die Beziehungen zu den politishen Gemeinden ganz zu lösen Fäl E n u d pet he Beziehungen seien in vielen auen unter den beutigen Verhältnissen unnatürlih und nur n aus der historischen Entwickelung zu erklären. y A Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosje: Meine Herren! Jch habe gar keinen Anlaß, mi über die Frage, ob ih mi in Bezug auf die Anführungen, die ih gemacht habe über das am linken Rheinufer geltende Geseß vom 14. März 1880, geirrt habe oder nit, besonders zu ereifern. Das Gesetz is von Herrn Dr. Langerhans nur zu Gunsten seiner Position aushilfsweise herange- zogen worden, und selbs wenn ih mih geirrt hätte, so wäre das kein großes Unglü. Ich habe mich aber nicht geirrt. Jh habe nicht bloß auf die kirhlihen Gebäude, sondern auch auf die Grundstüde verwiefen, die ganz gewiß einigen Werth haben, und außerdem habe ih mir den Gedanken, daß sie ein Aequivalent sein sollten für die Uebernahme der Kirchenlasten ja nicht aus den Fingern gesogen : das \teht vielmehr in den Motiven zu § 2 des Geseßes ausdrücklih angegeben, und da wird Herr Dr. Bahem auch finden, daß man für die laufenden Abgaben und zwar ausdrückli%, weil man da kein Korrelat zu haben glaubte, ein besonderes Ablösungsverfahren eingeführt hat. Es kommt darauf für den gegenwärtigen Fall nit viel an, aber das kaun man daraus schließen, daß das Gesey so ohne weiteres zur Untecstüßuag des Antrages Langerhans nit angezogen werden kann; denn die Sache lag damals etwas anders.
Nun will ich nur noh auf eine einzige Frage zurückommen, auf die nämli, ob die Verpflichtungen, die dur die Visitationsordnung begründet worden sind, öfentlih-rechtliher oder privatrehtlicher Natur sind. Jch nehme gar keinen Anstand, mit dem Herrn Dr. Kranse an- zuerkennen, daß die Visitationsordnung und ihre Bestimmungen zur Zeit, als sie gegeben waren, ein Theil des öffentlichen Rechts waren. Ich sehe den Ursprung dieser Verpflichtung nicht als eine privatrehtliche an. Aber, meine Herren, es giebt bei uns eine ganze Menge Verpflich- tungen und Rechte, die aus öffentlih-rechtlihen Verhältnissen hervor- gegangen find, die aber im Laufe der Zeit mehr und mehr einen privatrehtlihen Charakter angenommen haben und die wenigftens wie eine privatrechtlihe Belastung wirken. Und das, glaube ih, is hier der Fall, daß hier die Frage, ob die Stadt Berlin verpflichtet is, so oder so viel zu zahlen, für Ke wirkt wie eine privatrehtlihe Belastung, und umgekehrt für die be- treffende Kirche, um die es sih handelt, ebenfalls wie eine privatrecht- lihe Berechtigung. Das habe ih fagen wollen, weiter nichts. Im übrigen steht es mir garnicht zu, mi einzumischen in die Frage, wie Sie den Antrag geshäftlih behandeln wollen; d2s versteht sh ganz voa selbst. Jch bin der Meinung, die Sache wäre aus der Luft zu bringen; wenn der Antrag nit existierte, so würde hier für Berlin die ganze Frage im Vergleihéwege verhältniß- mäßig sehr leiht zu lösen sein, und um so leiter, wenn es richtig ist, wie ih annehme, daß es nicht ohne weiteres feststeht, ob für alle hier in Betracht kommenden Fälle genau dieselben Entscheidungen des Neich8gerihts und des Kammergzrihts getroffen werden möhten. wie sie {on getroffen sind in diesem einen Fall. Wenn das der Fall ift, so ift das ret eigentlich ein Odjekt, welches sih auf dieser Seite zu einer vergleihsweisen Kompensation eignet, und ih bleibe dabei steben, daß ih diesen Weg für den rihtigîten halte.
Im übrigen kann ih dem boden Hause nur anheimgeben, jegt den Antrag abzulehnen.
Abg: von Eynern (nl.) spricht si für den Antrag Langerbans aus. Was würden die Konservativen dazu sagen, wenn fie Î Bau ciner Synagoge Geld bergeben sollten? Es fei erfreuliche Zustände, daß die Evangelischen in Kirchensteuern auskommen sollen. În anderen Gezm weit böbere Kirchenfteuern erboben. Diese Zuftände müf werden, und deshalb sei der Antrag Langerhans ihrn sehr w um alte vermoderte Bestimmungen aus früberen 3 beseitigen.
Nach einigen weiteren Bemerkungen der Abag. Bröje und Dr. Bachem nimmt wiederum das Wort der
Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:
Meine Herren! Auf die Frage der konfessionellen KirDddte kaun ih bier beute niht näher eingehen, weil Fe nèSt don mièr allein refsorticrt ; übrigens ift ja deim Herrn Minister des Inarern, wie der Herr Abg. Dr. Badem son gesagt dat, die Sade in vollem Gange.
Was dann die thatätSliden Fragen, die Grundlagen für den Erlaß des Gesetzes voa 1880, angedt, so bade ih ja alle die Thai- sahen, die der Herr Abg. Dr. Baden angeführt hat, garni®dt de- ftrittea; Wh bestreite garni&t, daf die Grundstücke zur franzöfhen Zeit konfizziert ccwcfen find. ISd bestreite überhaupt garnicht dic Berettigung ded Gesetes von 1880; im Gegentheil, id gehe darin so weit, dak h Ibnen zagobe, das Geseg bätte längst erlaFen werden müssen, und wenn S früher {Gon Kultus. Minifter geoesen wäre dann würden Se & an früber bekommen baben. (Deiterdeit.)
Hierauf wird die Diskussion geschlossen.
Abg. Hx. Vir ow (fr. Volkép.) führt im S&lutwort aus. des Æ id wum n rein formelles Recht bandle, das lange Zrît mit zud geidt und er neuerdings von reakiionärer Soite wéeder ord und ardaearadon wotden Fi. Berlin fei dard die Satte direkt badet os fol: int Millionen für die Aufdebang eins Nett zablien Dak ute Aude adti voorden ) Kräder bade man Andorägläubige vorielit die Moaariden bêtton ader lbt cdanut, daf Teheran GWosior iei. Nor die Kre ade ded Herrn StdFer Knden nd Uf Lonorn: And dard Sudan. Wein Verltn S auf VordandJungor Ubt
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