1897 / 33 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 08 Feb 1897 18:00:01 GMT) scan diff

muß. Das erscheint uns nit als Nothwendigkeit. Wenn die Herren Sozialdemokraten ans Ruder kämen, würde eine andere politische Polizei geshafen werden. Herr Singer sagte neulih: „Der Brief ift nit aur ganz legale Weise in unsere Hände gekommen.“ Das heißt mit anderen Worten: er“ ist gestohlen. Zu welchen Mitteln würden E erst Sen, ey E B pade aas Den Antrag der Frei- umntgen Tonnen wir niht annehmen, weil er nit

Reichstages gehört. E E

__ Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Freiherr Marschall von Bieberstein:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat die Behauptung auf- geftelit, dur diesen Prozeß sei nur den Sozialdemokraten eine große Freude bereitet worden. Ih bia gerade der umgekehrten Ansi§t, daß durh die Beseitigung der Mißstände den Sozialdemokraten eine Freude verdorben ift. (Sehr richtig ! )

Der Grund, warum ich das Wort erbeten habe, ist, dem Herrn Vorredner einiges zu erwidern bezügli der Vorwürfe, die er gegen die Preßtbätigkeit des Auswärtigen Amts gemacht hat. Er hat als Bei- spiel angeführt, es köane ja vorkommen, daß in der „Kölnischen Zeitung“ eine Informaticn des Auswärtigen Amts \sih unmittelbar vor einein Artikel befinde, der einen deutshen Staatssekretär oder einen preußischen Minister angreife, und dann sei es {wer zu unter- scheiden, was offiziós sei und was nit offiziós sei. Der Fall kann allerdings vorkommen. Jh kann aber nur versihern, daß im Aus, wärtigen Amt auss{chließlich Information über auswärtige Politik gegeben wird. Wenn ich eine Information nur an solche Blätter geben könnte, die in allen anderen Dingen ftets der Ansicht der Regierung sind, ja, dann müßte ih überhaupt die Preßthätigkeit des Auswärtigen Amts vollkommen einstellen. (Sehr rihtig!)) Ich fönnte niht einmal mi derjenigen Blätter bedienen, die dem Hercn Vorredner nahestehen, am allerwenigsten aber derjenigen, die bei‘piels- weife dem Herrn Abg. Grafen Limburg-Stirum oder dem Herrn von Ploecy nahestehen. (Sehr richtig! in der Mitte und links.)

Ich kann nur, um alle Irrthümer zu vermeiden, wiederholen, daß die Preßthätigkeit des Auswärtigen Amts zum allergeringsten Theile besteht in der Inspirierung von Artikeln. Es gehen Wochen, Monate hin, ohne daß überhaupt vom Auëwärtigen Amt ein Artikel inspiriert wird. Wenn dies geschieht, ift es in der Regel die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“, welhe benutzt wird. Die Preßthätigkeit des Auswärtigen Amts besteht im wesentlichen darin, daß den einzelnen Blättern Informationen thatsählicher Natur gegeben werden. Es giebt eine ganze Reihe von Blättern, die nad ihrem Leserkreise, nah ihrer Bedeutung, der auswärtigen Politik ein besonderes Augenmerk zuwenden wollen und die bei aller Selbständigkeit in inneren Fragen den Wunsch haben, in der auswärtigen Politik Hand in Hand mit der Regierung zu geven und keine Nachrichten zu bringen, die der Regierung unangenehm find. Das ift an sih eine ganz anerkennenswerthe Gesinnung. Wenn nun diese Blätter ihre Vertreter auf das Auswärtige Amt schicken und um Information über brennende Fragen bitten, wenn sie Jn- formationen, die fie aus tem Auslande bekommen haben, dem Aus- - wärtigen Amt vorlegen mit der Frage, ob dieselben zutreffen und sie anstandélos veröffentliht werden können, so ist es doch für das Aus- wärtige Amt vollkommen unmögli, diese Leute zurückzuweisen aus dem Grunde, weil vielleiht cin Attikel über innere Politik in dem Blatt gestanden hat oder in den nächsten Tagen stehen könnte, der für die Regierung niht angenehm ist.

Was würde die Folge sein, wenn ich in solhen Fällen der- artigen Blättera den Zutritt zum Auswärtigen Amt verwehren wollte ? Die Blätter würden niht etwa Neue und Buße thun; sie würden nach wie vor über auswärtige Politik s{chreiben, und es würde ihnen auch nah wie vor ein reihes Material zur Berfügung stehen; denn die guten Freunde, die wir auswärts haben, würden si das größte Vergnügen machen, diesen Blättern Informationen zugehen zu lassen, ganz interessante Informationen, Denn wer jemals etwas mit der Preffe zu thun gehabi hat, weiß, daß die falschen Nachrichten im allgemeinen interessanter finv, ls die wahren Nachrichten. (Heiterkeit.) Meine Herren, damit wäre ganz sier dem öffentlichen Interesse niht gedient. Das Uebel liegt auf ciner ganz anderen Seite ; es liegt in der, verzeihen Sie mir einen etwas gewöhnlichen Ausdruck, in der Schnüffelei nah Offiziösem, die leider eine Eigenthüm- lihfeit Deuts(lands geworden is und leider keine bere{chtigte. Im Auslaùite, vielleiht mit Ausnahme von England, benußen die Re- gierungen die Presse in viel ausgedehnterem Umfange, als das bei uns der Fall ist, und niemals werden Sie in der ausländischen Presse einen dermaßen erbitterten Streit über da3 Offiziösenthvum finden als bei uns. Die Dinge sind so weit bei uns gekommen, daß manchen Leuten volllommen die Fähigkeit abgeht, einen Artikel sachlich zu prüfen und sachlich zu beurtheilen. Die Frage, die alles vrädominiert, "ist : welher ministerielie Hintermann könnte hinter diesem Artikel ftehen? Das ist das System von Taush, es hat Shule gemaht, und ih meine, mit diesem Systeme sollten wir fobald wie möglich gründlih aufräumen. Die Sache hat gar keine Grenze mehr, seitdem das Schlagwort eingeführt ist von der „Osfiziósen Demokratie“. Wir können es eines Tages erleben, daß sogar der Herr Abg. Richter noch als Offiziosus bezeichnet wird. J lege Hier den Finger auf eine Wunde; denn dieses Treiben, wie es gegenwärtig bei uns im Gange ift, enthält die Gefahr, daß unsere Presse diskrediticrt wird. Schon j-t kann ih beftätigen, daß viel- fah im Ausland die Ansicht herrscht, daß die deutshe Presse nicht selbst nadenkt, nicht selbst urtheilt, sondern daß fie nur das schreibt, was der Regierung genehm ist. Mit dieser Auffassung habe ih in meinem Amt vielfah zu kämpfen. Jh meine, es ist in der Presse selbst in dicser Wezichung Abhilfe zu hafen. (Beifall)

Abg. Dr. Lieber (Zentr.): Wenn dem Zentrum au der Vor- wurf von der Verbindung mit Polen, Franzosen und anderen deuti- feindlien Elementen wieder gemacht werden follte, so können wir die Beschwercken der Polen doch nicht als unberehtigt zurückweisen. Da, wir in deuts{er, vaterländischer Gesinnung binter niemandem zucückftehen, dafür haben wir Proben abgelegt. Aber die polnische Bevölkerung befindet sfich in einer s{wierigen, bemitleidenöswerthen Lage, besonders seit der leßten Wendung der preußischen Politik. Es ist Brauch, einer Nation, welche an Sitten und Gewohnheiten fest- hâlt, nachdem sie ihre nationale Selbständigkeit hat zu Grabe tragen müssen, Mitleid zu zollen. Wir werden es niemals daran fehlen lassen, folher Nation Gerechtigkeit zu theil werden zu lassen. Wir wollen nit, daß unter dem Vorwande des Kampfes gegen den Polonismus der Kulturkampf in ten Ostmarken neue Orgien feierli. Die Auflösung von Verfammlungen wegen des Gcbrau&s der polnishen Spracbe zeugt nicht von der A&Gtung der Rechtsgleich-

heit ter peclnishen Mitbürger. In dieser Beziehung möchten wir an die Worte des Reichskanzlers leise Zweifel knüpfen. Bei dieser traurigen

Staats-Minister

reißen zu lassen; ih hofe, daß diese Phase der shärferen Beband- Tung der- poluischen- räge iieder- gehen wird, Damit würde den Interessen jens und des am besten gedient. Jm alien meiner Ee Se n E C, daß zee An- ag der freifinnigen partei - dem anzler Zumuthungen ftellt, die fi Befugnisse überschreiten, daß wix daher E diesen An- trag nit men können. Durch den Prozeß ist die Sache für uns erschöôpft. Wir freuen uns, daß der Reichskanzler in Aussicht genen hat, daß die Wiederkehr folher Vorkommnisse, die wir ebenfo arf wie jeder Andere verurtheilen, verhindert werden solle. Wir halten die erhandlung dieser Dinge im vollsten Licht der Ocffentlich- keit für O: wir freuen uns, daß es sich niht um die Person tes Staats efretärs allein, sondern um eine Maßnahme des ges{chlossenen Staats-Ministeriums hantelt, dessen Ansehen taturch in den Augen des Volks mit Ausnahme vielleiht der Kreise des Grafen Mirbach böber gestiegen if , als es gestiegen wäre dur alle Nath- {läge der Konfervativen. Wir haken tie Tkätigkeit ter politischen olizei auch am eigenen Leibe erfahren während des Kulturkampfs. Wir freuen uns, daß es damit endgültig ein Ende haben fol. Es liegt mir fern, mit diesem Prozeß e ETL-CELOR Taufch den ersten Kanzler des Deutschen Reichs in irgend welhe Beziehungen zu seten. Aber wenn man von anderer Seite jagt, unter dem ersten Kanzler des Deutschen Reichs würden folhe Dirge nicht vorgekommen sein, dann sündigt man auf die Kürze des Gedächtnisses und die Gutmütbigkeit der Gegner. Wenn der Reichskanzler Fürst Biëmarck die geslbigèa Verhandlungen lefen wird, so wird er nur unterschreiben können, was die Vertreter der heutigen Regierung gesagt baben.

Abg. Freiherr vou Hodenberg (b. k. F.): Ih habe einen Hau deutshen Geistes in dem Verfahren gelpürt, .welhes Graf Limburg als po rats der preußisden Traditionen bezeihnet kat. Gegen- über manchen altpreußishen Traditionen können wir uns freuen, einen echt deutschen Beamten vor uns zu haben. Die Sozialdemokraten scheinen an Hintermänner zu glauben. Einem Herrn von Tausch gegenüber bedarf es feiner Hintermänrer; es würde auch fein ver- nünftiger Mann so thöôeiht gewesen fein, sih einem folhen Individuum in die Hände zu geben. Herr von Tausch ist ein Produkt der ersten 20 Jahre des Deutschen Reichs, der Wirksamkeit des Welfenfonds. Fürst Bismarck hat es niemals geleugnet, daß er das Recht nit für sih in Anspruch nehme, um Preußen an die Spitze des Reichs zu bringen. Die Konservativen haben aber immer versut, ihre alten monarchishen legitimen Prinzipien in Einklang zu bringen mit dem System des Fürsten BVismarck. Deshalb sind die Konservativen allein mit dem Verhalten der Regierung nicht einverstanden. Die jezige MNegierung hat bewiesen, daß sie bestrebt ist, dem Recht zu seiner Ge tung zu verbelfen. Das hat \ich gezeigt in ihrem Verhalten gegenüber den Enthüllungen der „Hamburger Nachrichten“ und au in diefem Prozesse. Die Regierung möge fortfahren, das Net als einzige Richtschnur zu behalten nit blcß in der auswärtigen, sondern au in der inneren Politik.

Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Herr Bebel \Heint keine Rede halten zu können, ohne meinen Namen zu nennen. Jh würde darauf niht eingehen, wenn niht mein Name in den Prozeß Leckert- E durch Herrn Stöcker hineingezogen wäre, der behauptet bat, daß ich Leckert oder sonft wen beauftragt habe, Material geaen Stöcker zu sammeln. Ih erkläre das für eine absolute Lüge. Jh habe weder mit Herrn Tausch, noch mit Herrn Leckert, noch mit Herrn von Zen in irgend welhen Beziehungen gestanden. Das KörnGen Wahrheit ift Folgendes: Jh habe am 12. April v. I. eine Rede gehalten, in der ih Vorwürfe gegen Herrn Stöer richtete. Auf Grund dieser Vorwürfe hat mih Herr Stöcker wegen wiffsentliher Verleumdung verklagt. Bevor ich Berlin verlicß, habe ih einen Mitarbeiter eines befceundeten Blattes beauftragt, einige Nummern dieser Zeitung, in denen diese Dinge behandelt sind, und einige Nummern des „Volk“ nah Haufe zu {hicken. Das ist alles. Was darüber binausgeht, ist die reine und pure Erfindung. Ich kann nur mein Bedauern darüber ausdrücken, daß gewiffe Dinge in die Oeffentlichkeit gezogen worden sind. Aber der Prozeß war unvermeidlih und nothwendig. Auch Fürst Bismarck hätte wohl ohne Beweis einen Tauf nit beseitigen können; es find doch unter dem Fürsten Bismark auch Prozesse vorgekommen. Das gerihtlihe Verfahren war das cinzige Mittel, den gemeinaefährlichen Mann unschädlich zu e Damit ift den vreußishen Traditionen fein Abbruch geschehen. err Bebel hat die politishe Polizei dabin verdähtigt, als wenn dort überbaupt keine anständigen Leute vor- handen wären. Dem muß mit der allergrößten Entciedenheit widersprohen werden. In diesem Zweige der Polizei finden die Beamten einen ebenso ehrenvollen Beruf wie ander- wärts. Daß die Agenten niht immer gerade Wege geben, ift selbst- verftändlih. Im Kriege geht es niht immer auf geradem Wege. Die e ist auch in der Wahl der Mittel in keiner Weise gêéwissenhaft.

Abg. Bebel: Geheime Aktenstücke nehmen wir ebenfo hin, wie

Herr voa Stumm und seine Freunde Geheimnisse von uns gern benußen würden, wenn fie sie erhalten könnten. Wenn die politische Polizei durch Lampe uns Fallen stellen läßt, dann ist es begreiflich, daß wir binter folde S(liche zu fommen suden. Für den gestellten Antrag, obglei wir ihn als vollständig verfassungsmäßig betrachten, können wir nit stimmen, weil er nit weit genug geht. Wir find Gegner der politischen Polizei, und der Reichstag muß für ihre Be- seitigung sorgen, damit barmlose Bürger niht mehr von ihr belästigt werden. Unter dem frischWen E ndruck des Prozesses bat au die „Poft“ die Gefährlichkeit der politis@en Polizei anerkannt. In der ganzen Geschichte der politishen Polizei ift kein einziger eFr- licher Mann zu finden; es bandelie \sich immer um erbärm- lihe Subjekte, welche ihre politishen Gegner vernichteten, welche mit dem Gelde herumwarfen, weil sie keine Rechenschaft abzu- legen batten. Herr von Tauf hat dur den Grafen Eulenburg eine Ausföhnung mit dem Auswärtigen Amt angestrebt! Entspricht denn das den altpreußis{hen Traditionen? Das System Tausch ist das System Bismarck, der der politischen Polizei ihre Mat gegeben hat. (Zurufe: Stieber.) Was Stieber geleistet hatte, wußte Fúürst Bismarck, und doch hat er ibn 1866 wieder in Dienst. genommen, und seitdem wühlte die politische Polizei im Gelde des Welfenfonds. Haß gegen den Fürsten Bismark empfiaden wir gerade nit; eber empfindet ihn der Fürst Biêmarck gegen uns, denn er haßte alle srine Gegner und hat una damit immer inponiert. Wer ruft nach Aus- nahmegefegen? Wem ift das allgemeîne Stimmrecht unanaenehm ? Den Nationalliberalen. Diese Witersprüche gegen uns beweisen uns, daß wir reiten, und wir werden Sie überreiten. Abg. Dr. Friedberg: Wenn Herr Bebel dabei geblieben ist, daß die politise Polizei dem Fürsten Bismarck zuzuschreiben ist, so widerspricht er sich selbst, denn er bat von der fünfziajähriaen Ge- schichte der Polizei gesprochen. Den Welfenfonds billigen meine Freunde nicht: sie sind stets für die geseßlihe Regelung desselben eingetreten. _Ich erinnere an die gefälshten Quittungen des „Vor- wärts“, worin ehrliche Männer durch den Leichtsinn einer Redaktion \hwer gekränkt sind. Wenn Herr Bebel gesagt bat, wir s{wärmten für Ausnahmegesete, so hat er bis zu einem gewissen Grade recht. Ich halte es nicht für rihtig, cine Partei, welche die gegenwärtige Gefellschaftsordnung zertrümmern will, für gleihberechtigt zu halten. Wer nicht auf dem Boden der Verfassung steht, der hat auch auf deren Schug keinen Anspru. Diesen Gedanken hat Fürst Bismarck oft vertreten. Wenn Herr Bebel meint, die Sozialdemokratie würde uns überreiten, fo denke ih: jede Partei hofft auf ihre eigene Zukunft. Ich dezweifle, daß Sie eine Zukunft haben, weil Sie einen gefähr- lihen Feind haben, die _Langeweile. Wenn das Volk Jhre Brand- reden satt hat, tann wird es mit der Sozialdemokratie vorbei sein. Bei den Gebildeten macht sich dieser Feind {hon jeßt in hohem Maße fühlbar.

Damit schließt die Debatte über den Antrag der Frei- finnigen. : Abg. Richter zieht darauf den Antrag, nachdem er seinen

zurück und verlangt für die Polen die Anerkennung der s [NEGMSNER Gleichberehti ung, von der der Reichskanzler E prochen babe. Die Versprehungen, mit denen die Einverleibung der polnischen Landestheile erfolgt fei, habe man nit gehalten sondern von Schritt zu Schritt beschränkt, und das System der preußischen Regierung sei immer deutli dahin dargestellt worden, daß eine volle ssimilation der Polen an das um erstrebt werde. Dadurch müsse zwishen den Beamten und der deutschen Bevölkerung einerseits und den Polen eine große Kluft eutsteben dadur müßten die Agitationen der Polen von neuem entfacht werden; denn sie müßten ih1e Nationalität vertheidigen, von welcher selbst Stabl gesagt babe, daß sie von Gott gemalt sci

Abg. Dr. Hasse (nl.): Obgleich das Haus für tie Polenpolitif der preußischen Regierung nit zuständig ist, so s{hulden wir doch dem Reichskanzler Dank für feine gestrigen Auéführungen. Wir freuen uns, daß die preußishe Regierung zu der Flottwell’schen Politik zurückgekehrt ift, und wüpschen, daß auch die mittleren und unteren Verwaltungébebörden dem Rechnung tragen. Nicht die Polcn find die Angeariffenen, fondern die Deutshcn. Die Polen übersecaa bereits Mittel. und Westdeutshland und stellen da sonderbare An- forderungen nationaler Art an Regierung, Venwaltuna, Kirche und Schule. In Presse und Vereinen sind die Polen feit JIahrbunderten toâtig, und sie können si nicht wundern, wenn die Deutschen dagegen endlih Front machen. Das Deutsche Reih darf nicht in einer Weise auétarten wie das polyglotte Oesterrei. Wir wollen ein deutschnationaler Staat sein. Wenn Herr Lieber seinen politishen Freunden das Zeugniß ausgestellt pat daß ibre. nationale Gesinnung über jeden Zweifel erha sei, fo habe ih kein Recht, taran zu zweifeln; ich möchte ibn aber bitten, da, wo Deutsche und Polen sid gegenüberstehen, nit die Partei der Polen zu ergreifen, und dafür zu sorgen, daß die Ver- weselung von Polnisch und Katholisch endli aufhört. Jegt spielen die fatholishen Polen die erfte, die deutshen Polen die zweite, die Gvangelischen die dritte und die Deutschen die vierte Rolle. Wenn Herr Lieber meint, mit einer polenfreundlihen Politik fei den nationalen Interessen Deutschlands und Preußens am meisten gedient, fo sind wir entgegengeseßzter Anshauung. Eine Jahrtausend Iange Erfahrung lehrt, daß, wenn man die Polen nit #2» zartfüßlig be- bandelt, man die verftändizste und erfolgreihste Politik treibt.

Um 5 Uhr wird die weitere Berathung bis Montag 1 Uhr vertagt. (Außerdem erste Lesung kleinerer Vorlagen und des Handelsgeseßbuches.)

Preußischer Laudtag. Haus der Abgeordneten.

28. Sigzung vom 6. Februar 1897.

Auf der Tagesordnung steht die Fortsezung der Be- rathung des Antrages der Abgg. Ring (kons.) u. Gen., betreffend die Bekämpfung der Viehseuchen, und der hierzu gestellten weiteren Anträge des Abg. Letocha (Zentr.) auf Zulassung der Einfuhr russisher Schweine für das oberschlesishe Jadustriegebiet, der Abgg. Dr. Hahn und Ring auf unverzügliche Bildung ciner Spezialkommission von Landwirthen, Veterinärärzten und Bakteriologen zur wissenschaftlichen Feststellung der Jnkubations- dauer der Maul- und Klauenseuhe und des Abg. Grafen von und zu Hoensbroech (Zentr.) auf Untersagung der Eir- fuhr von frischem Fleish aus den Niederlanden.

Ueber den Beginn der Debatte ist vorgestern berichtet worden. fei Minisier für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer -

ein:

Meine Herren! Ich habe zunächst um Entschuldigung zu bitten, wenn ih an der heutigen Verhandlung niht bis zum Schluß theil- zunchmen in der Lage bin. Jh bin von 3 Uhr. an verhindert, den Verhandlungen noch ferner beizuwohnen. Jch bemerke das, weil ich hier aus der Rednerlistz sehe, daß noch 24 Redner gemeldet sind (Heiterkeit). Die Verhandlungen werden daher wahrscheinlih heute ncch nit beendigt werden, sodaß ih möglicherweise noch in der Lage bin, mi an einem anderen Tage zur Sache zu äußern, foweit Anlaß dazu vorliegt.

Meine Herren, ih kabe niht die Absicht, auf alle einzelnen Ausführungen des Herrn Abg. Gamp einzugehen. Ich greife nur die- jenigen heraus, die mich zu einer Erwiderung nöthigen.

Der Abg. Gamp hat zunächst gesagt: meine Stellung zu der hier verhandelten Frage sei im NReichêtage eine andere gewesen wie bier. Meine Herren, das muß ih auf das allerentshiedenste be- streiten. Im Reichstage wurden die Verhandlungen im Nahmea einer allgemeinen Verhandlung, ohne daß befiimmte Anträze geftellt waren, an- knüpfend an eine Etatëposition, geführt. Jch baite also keine Veranlassung, zu bestimmten Anträgen, wie sie hier durch die Anträge Ring und Ge- nossen gestellt sind, Stellung zu nebmen. Damit erübrigen ich alle Bemerkungen, die unter Nichtberücksihtigung ti:\es Umstandes an meine Ausführungen bier beziehungêweise im Neichstage geknüpft sind. Ich bin erft hier in die Lage gekommen, zu den einzelnen P-siticnen des Antrages Ning Stellung zu nehmen, war aber in der Lage, das im Reichstage zu thun.

Dann hat der Herr Abg. Gamp darauf hingewiesen, daß ih im Reichétage angedeutet habe, oder habe durchblicken lassen, daß zwar die Auffassungen des Reichsamis des Innern und der landwirthschaft- lien Verwaltung über die Handhabung der Veterinärpolizei im wefentlihen die gleichen gewesen, daß aber eine divergente Auffassung zwishen dem Reichsamt des Innern und dec landwirthichaftlidhen Verwaltung einerseits und dem Auswärtigen Minifterium andererseits vorgelegen habe. (Unruhe rechts.) Ja, meine Herren, weshalb soll ih ein Hehl daraus machen, daß das wiederholt ter Fall gewesen ist und daß das au ferner vorkommen kann und wird? (Hört! hört! rets.) Im übrigen Kelle ih fest, daß sowohl die landwirthschaft- liche Verwaltung wie das Reichsamt des Innern und ebenso das Auswärtige Amt dizese Fragen steis ledigllch von dem Stand- puafkt aus beurtheilten, daß es geboten ersheine, voll und ganz die Interessen des gesammten deuischen Vaterlandes zu wahren. (Hört! hört! rets.) Und, meine Herren, ich würde glauben, daß eine Staatsregierung nit ihre volle Pflicht ihäte, wenn sie bei so wihtigen- Maßnahmen wie der in Frage stehenden aiht au das Ver- hältniß zum Auétlande in Betracht zöôge. (Aha! rechts. Sehr richtig! links.) Das ist unter Umständen sogar Pflicht der Staatsregierung, und das wird sie, wie sie es bisber gcthan hat, auch fernerbin thun. Uebrigens betone i, daß solche Verhältnisse selten vorgekommen sind. Dann hat der Herr Abg. Gamp ausgesprochen, ih sei verpflichtet, Einfuhrverbote zu erlassen, wenn die geseßlißen Vorausfetzungen vorliegen. Meine Herren, das habe ich nie bestritten; im Gegentheil, ih habe bei allen Verhandlungen ausdrücklih aus- gesprochen, daß ich mir innerhalb ter geseglihen Schranken

Zweck erfüllt habe, zurü.

Lage kann ih meine polnishen Freunde nur bitten, sich niht hin-

Abg. Dr. von Jazdzewski (Pole) kommt auf die Polenfrage

der Verpflichtung, die Gesundung unseres vaterländischen Viehbestandes zu erhalten, vell bewußt sei. Aber, meine Herren, wie die geseßlichen

Bestimmungen, wie die Vertragsbestimmungen auszulegen sind, dafür muß die Staatsregierung die volle Verantwortung tragen; alfo ist sie aud beretigt, die Verträge und geseßlihen Bestimmungen fo au?- zulegen, wie fie glaubt, es verantworten zu können: sie fann fih nit abhängig machen von den vershiedenartigen Auslegungen, wie fie hier im Hause bervorgetreten sind. Sie muß sih auf ihre eigene Aus- legung verlassen und wird das auch fernerhin thun.

Dann hat der Herr Abg. Gamp gefragt oder angedeutet, wes- halb man nit Landguarantänen eingerihtet und \sih auf See- guarantänen beshränkt habe. Bekanntli*ß haben wir z. Zk. eine Landquarantäne, die von Hoidding. Der Abg. Gamp hat vielfa auf meine Erklärungen im Reich:tage Bezug genommen. Menn er sie vollständig gelesen bätte, würde er die Mittheilung gelesen haben, daß es allerdings wobl in Frage kommen könne, gegen vie außerdeutshen Staaten Lantquarantänen zu errichten, daß das aber auf außerordentlihe Schwierigkeiten in der Ausführung ftoße. Ic habe dann hinzugefügt, daß wir im Wege polizeilicher An- ordnmingen rückfihtlich des von auswärts angehenden Viehs Kontrolen bei den Empfängern dieses Viebs oder in den Stallungen der Händler eintreten lassen und durch die sorgfältigste polizeilihe Ueberwachung im wesentlihen das Ziel jeßt s{on zu erreichen bestrebt seien, was man durch Qurantänear stalten erreihen will.

Dann hat der Herr Abg. Gawp darauf hingewiesen, daß wir bereditigt seien, die Gänseeinfuhr vollständig zu sperren, weil zweifellos durch die Einfuhr bedenklihe Krankheiten in das Inland importiert wárea. Das habe ih nicht bestritten; ih habe neulich shen gesagt, daß zweifellos die thatsählichen Vorausseßungen für ein abfolutes (infubrverbot vorliegen. Ich habe aber auch die Gründe dargelegt, aus denen die Staatéregierung glaubt, einsiweilen von ciner foldien absoluten Sperre absehen zu sollen. Jch habe sogar damals die Bemerkung binzugesügt, daß das vielleiht unter den allgemeinen Be- griff falle, das Kind mit dem Bade autschütten; man müsse erst mal versuchen, ob man nicht die Gefahren unter Berücksichtigung der in Frage stehenden wirthschaftlihen Interessen auf anderem Wege beseitigen könne; ih legte dabei dar, daß in dieser Beziehung die nötkigen Vorkehrungen getroffen werden follen. Jh wies shon in der vorigen Verhandlung auf eine Eingabe von Landwirthen aus dem Oder- bruch bin. Meine Herren, beute Morgen ift mir, weil inder leßten Sizung des Abgeordnetenhauses gesagt wurde, die Landwirthe feien bei diefem Wunicþe nicht betheiligt, ein Konvolut von Hunderten von Unterschriften von Landwirthen aus dem Oderbruh zugegangen, die dringend bitten, mit dem Verbot der Gänseeinfuhr niht vorzugehen. Solche Wünsche sind mir auch aus anderen Kreisen, namentlich aus den östlichen Theilen der Monarchie, zur Kenntniß gebraht. Es if dann von Herrn Gamp die fernere Bemerkung gemacht, es wäre niht ver- stäntlid, daß, nachdem Landwirtk, schaftskammern eingerihtet seten, dann, wenn sich dieselben im wesentlichen übereinstimmend zu dieser Frage dahin geäußert hätten, daß ihres Erachtens das Ginfubrverbot gegen“ Gänse erlaffen werden müsse, daß die Regierung troy einer solhen im wesentlihen überein-

itimmenden Meinung ter Landwirthshaftékammern Anstand râhme, diesen Beschlüssen stattzugeben. Meine Herren, ih weise im allgemcinen darauf bin, daß die Landwirthschafiskammern Interefsen- vertretungen find. Sie werden niht von der Staatsregierung fordern fénnen, daß Wünschen, die vielleiht die Interessen der Landwirth- schaft rihtig beurtheilen, mit anderen Interessen aber niht vereinbar find, folhe Fälle können häusiger vorkommen daß solchen Wünschen von der Staatsregierung, weil die Landwirthschaftskammern solche Beschlüffe gefaßt haben, unbedingt Folge zu leisten ist. Ich bin zweifellos darüber, daß noch häufig Fälle vorkommen werden, wo die Landwirthscaftékammern im Interesse der Landwirthschaft Forde- rungen ftellen, denen im Interesse der Gesammtheit der Monarchie nit ftattzugeben sein wird. Das findet au bei anderen Interessen- vertretungen statt. Die Staatsregierung wird aber immer nur das Gesammtinteresse bei der Erwägung solcher Anträge und Forderungen entsGeidend fein lassen dürfen.

Ferner hat Herr Gamp darauf hingewiesen, daß durch das Land- wirth\caftskammergeseß den Landwirthschzstschaftskammern eine Mit- wirfurg bei dem Marktwesen u. \. w. eingeräumt sei, und hat feiner Verwunderung darüber auszesprohen, daß in dieser Beziehung noh nihte gefehen fei. J erwidere, daß die Maßnahmen, die erforderlich sind, um diese Mitwirkung der Landwirthschaftekammern zur Durch- führung zu bringen, seit längerer Zeit im Gange find. Es sind über diese Frage auch Verhandlungen mit Landwirthschafts- fammern cingeleitet, die aber noch nit zum Abschluß gelangt find. Wenn man folche Einrichtungen treffen will, muß man sie forgfältig erwägen und vorbereiten und so treffen, daß sie au wirfsam und unanfechtbar sind.

Zum Schluß hat Herr Gamp noch bemerkt, ich hätte die uarihtige Behauptung aufgestellt, daß der landwirth- shaftliie Nothstand im wesentlichen ein allgemein verbreiteter sei. Meine Herren, diese Behauptung halte ih unbedingt gegenwärtig noch aufrecht. Wenn Sie prüfen, wie in allen Kulturländern die Anbauflächen in Getreide zurückgegangen, wie die Verktältnifse in Argentinien, in Ame:ika, in Rußland u. f. w. liegen, in welch s{chwie- riger Lage dort \ich die Landwirthschaft befindet, wenn Sie die bei der landwirthschaftlißen Verwaltung zusammenlaufenden Berichte der Sachverständigen über die Lagz der Landwirthschaft aus fast allen Kulturländern lesen, so müssen Sie mir Recht geben, daß ih durhaus das Rihhtige gefagt habe. Die Ursache der Krisis liegt und das stimmt mit den Anshauungen des Herrn Abg. Gamp überein in dem Sinken der Getreidepreise im wesentlihen au anderer land- wirth\caftliher Erzeugnisse und dies Sinken der Preise ist doch zweifellos ein allgemeines in allen Ländern. |

Da ih wahbrsheinlih feine Gelegenheit mehr habe, bis zum S@luß der heutigen Verhandlungen hier anwesend zu fein, darf ih wohl schon jeyt die Stellung der Staatsregierung zu dem Antrage, der die Namen Dr. Habn und Rinz trägt, hier präzisieren. Er lautet:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen :

die Königlie Staatsregierung zu ersuchen, unverzüglih eine

Spezialkommission von Landwirthen, Veterinärärzten und Bakterio-

Togen zur wissenschaftlichen Feststellung der Inkubationsdauer der

Maul- und Klauenseuche zu berufen. -

Bei dem Reichsamt des Innern sind bereits umfassende Maßnahmen angeordnet; es sind Fragebogen versandt an viele Laien, Behörden, Veterinäre u. \. w., um über den Verlauf, die Ursache, die Verbreitung u. . w. der Maul- und Klauenseuche näher unterrichtet zu werden. Daneben sind wissenshaftliche Untersuhungen in vollem

Gange. Ih darf dann daran erinnern, baß wir ‘in Preußen tie

tehnishe Deputation für das Veterinärwesen haben, die sowohl aus den bedeutendflen wissenschaftlichen Autoritäten wie aus einer großen Zahl von Landwirthen \fich zufammenseßt, die berufen if, alle diese Fragea eingehend auf Grund des Ergebnisses der wissenshaftlihen Forschungen und unter Berücksichtigung der Interefsen der Landwirthschaft zu prüfen. Die Fragen der Maul- und Klauenseuche, der Ursache, der Verbreitung u. \. w. der Maßnahme zu ihrer Verhütung und Bekämpfung find zur Zeit das habe ih bereits wiederholt ausgeführt Gegenftand der sforgsamften wissenshaftlihen Untersuchung und werden, sokald wir die wissenschaftlihe Unterlage haben, an die Deputation für das Veterinärwesen verwiesen werden; dort werden dann unter Mitwirkung von landwirth- schaftlichen, im praktishen Leben stehenden Autoritäten die nothwen- tigen Maßnahmen geprüft werden. Ih nehm? au keinen Anstand, hier die Erklärung abzugeben, daß ich fein Bedenken tragen würde, sobald erst die nothwendige Unterlagen für eine folhe Prüfung vorliegen, die Deputation außerordertliherweise zu berufen und fie für diesen Zweck zu verstärken. Meine Herren, wie es aber bei dieser Lage der Dinge zweck- mäßig oder nothwendig erscheinen fann, nun noch eine besondere Kom- misfion zu berufen, das verstehe ih niht. Soll ih dieselben Männer der Wissenschaft und ih wüßte keine anderen in diese Kommission

berufen, welche jeßt ter Deputation für das Veterinärwesen {on an-

gehören, so liegt kein Grund vor, diese zu ciner besonderen Kom- mission zu vereinigen. Soll ih andere Herren berufen, meine Herren, so möchten doch erheblihe Bedenken dagegen geltend zu machen sein. Ich habe shon wiederholt darauf hingewiesen, daß sich unsere der höchsten Inftauz zur Verfügung stehenden Veterinäre und sonstigen Forscher eines so unanfehtbaren Rufes erfreuen, daß wirklih kein Grund vor- liegt, diese bei der Untersuhung auszuschließen und andere damit zu betrauen. Also ih möchte glauben, daß ein sachlicher Grund für die Annahme dieses Antrags nicht vorliegt, taß dagegen schr wohl Be- denken gegen ihn geltend gemaht werden können.

Endlich, meine Herren, erfülle ih gern cinen Wunfh des Herrn Abg. Ring, der durch den Herrn Regierungs-Kommissar zu meiner Kenntniß gebracht ist, und der fi auf eine Aeußerung bezieht, die ih bei der vorigen Verhandlung über diefen Gegenftand gemaht habe. Sie lautet folgendermaßen :

Sonst liegt die Gefahr vor, daß Uebertreibungen, wie sie hier beute vorgebracht, die sh auf, ih möchte wirklih glauben, nicht ganz lautere Quellen stüßen, zum Anlaß für Darstellungen genommen

werden u. f. w. Nun hat si Herr Ring durch diese Worte „nit ganz lautere Quellen“ gekränkt gefühlt. Jch glaube nicht, daß Herr Ring etnen Anlaß dazu hat, wenn er richtig prüft, wie die Aeußerung gemeint ist. Jch habe objektiv gesagt, daß die Quelle, insofern sie sich auf den Vichhändler in Schlesien bezöge, keine lautere Quelle sei, und habe das näher dargelegt, habe aber nicht behauptet, daß wissentliGh und darin würde allerdings eine Kränkung für Herrn Ring liegen daß Herr Abg. Ring doloser Weise oder wissentlih diese unlautere Quelle ge- brau(t hat. Objektiv muß ih meire Bemerkung aufreht erhalten. Jn \nbjektiver Beziehung, insofern als darin eine Kränkung des HerrnNing er- blickt werden kÉêônnte, habe ih die Aeußerung nicht verstanden wissen wollen, bestreite au, daß bei rihtiger Auslegung meiner Worte eine kfränfende Aeußerung gegen Herra Abg. Ning darin zu finden ift. Jch habe gern diefen Wunsch des Herrn Ning erfüllt, weil mir bei diesen Verhandlungen es überall fern gelegen hat, eine aggressive Stellung zu irgend Jemand einzunehmen. Jch habe nur die Sache vor Augen gehabt und habe meine Ansichten durhaus objektiv zu begründen den guten Willen gchabt. Eine aggressive Stellungnahme liegt mir überall fern. Ich glaube, daß mit dieser Erklärung der Herr Abg. Ring si) wobl wird befriedigt erklären können. (Bravo! rechts.)

Abg, Jürgensen (nl.) hält den Antrag Ning für zu weit gehend: die Verhältnisse in Schleswig feien nit so {limm. Der Antrag Hahn sei nah der Erklärung des Ministers überflüssig. Abg. Dr. Marten s (nl.) meint, daß bei ciner Abstimmung der größere Theil der s{hleswig-holfteiniscen ländlihen Bevölkerung si für die Verlängerung der Quarantäne auf vier Wochen erklären würde. Es sei nachgewiesen, daß wir aus Dänemark die Seuche bekommen. Die Jnkubationsdauer fei länger, als man bisher angenommen habe, deshalb genüge eine Quarantäne von zehn Tagen nit. Jedenfalls inüsse man, so lange man über die Länge der Inkubationsdauer in Zweifel sei, bis zur äußersten Vorsicht gehen. Nach der Erklärung des Ministers sei der Antrag Hahn allerdings überflüssig; aber er wünsche do die sorgfältigste wissenschaftliche Untersuhung. Durch die Seuche seien unserer Landwirthschaft enorme Werthe verloren gegangen; er ftimme für den Antrag Ring. :

Abg. Groth (nl.) erkennt an, daß es eine nationale Forderung sci, der Landwirthschaft Schuß angegahen zu lassen, der Antrag Ring verlange aber zu viel. ie der Staaisfekretär von Boetticher mitgetheilt habe, habe die dänishe MNegierung sofort beim ersten Seuchenfall die entsprehenden Vorsihtsmaßnahmen ge- troffen. Sclcswig-Holftein könne das dänische Magervieh niht ent- behren ; die schleswig-holsteinishe Landwirthschaftskammer habe die Freiheit der dänischen Einfuhr gefordert. Die Tendenz des Antrags Ring laufe auf cine Preisfteigerung hinaus, die Grenzsperre würde eine für die industrielle Bevölkerung unerträgliche Steigerung der Preise herbeiführen. Wenn wir die dänische Vieheinfuhr In würde Dänemark Retorsionsmaßregeln auf induftrielem Gebiete ergreifen. Er ftimme deshalb gegen den Antrag Ning. Wir hätten kcine Veranlassung, die Position unserer Regierung dem Auslande gegenüber zu erschweren. Redner sucht s{ließlich nahzuweisen, daß der Gesundheitszustand des Viehes in Dänemark fih niht nur nicht verschlechtert, sondern verbessert habe. 4 e

Abg. von Ploet (konf.): Die Erklärungen des Ministers find für unsere Wünsche nicht schr entgegenkommend; er hat höchstens die Sperrung der Grenze gegen die rufsishen Schweine für mögli gehalten. Die Erklärungen des Ministers hier haben wir nur als eine Abshwähung seiner Erklärungen im Reichêtage auffafsen können. Wir werden immer und immer wieder auf die fleinen Mittel verwiesen. Die Ziffern des Abg. Ring und der Ein-

abe des Bundes der Landwirthe über die Tuberkulose in Dänemark Pillen fals gewesen sein, sie find aber aus den amtlichen Berichten Eine

Preissteigerung is mit diesem Antrag absolut nit beabsichtigt; steigen aber cinmal die Preise, fo fann man das

entnommen.

den Bauern wohl gönnen. Nach den Erklärungen der Regierung beim Antrag Kaniß hätte man weitere Vorlagen zum Schuß der Landwirthschaft erwartet, die gerne. versagt aber und geht viel zu langsam vor. Nachdem die Rentabilität des Getreidebaues in Deutschland überall vernichtet is , müssen wir die Viehzucht um fo mehr s{ügen. Von einer Intensität des Landwirthschaftsbetriebes ist bei uns niht mehr die Rede, im Gegentheil, die Landwirthe müssen Vieh verkaufen, um baares Geld zu erhalten. Die Intensität unserer Landwirthschaft geht also zurück. Ein Domänenpächter hat in zwölf Sabhren in cinem fleinen, sparsamen Betriebe 11000 4 zugeseßt.

Wie groß sind da erft die Verluste in größeren Betrieben ? ollen wir E N und immer wieder frankes Fleisch. essen? Der

Minister hat Unbeguemlichkeiten gebabt, weil fch das Ausland über unseren Antrag beschwert hat. Aber das Hemd fizt uns doch näher als der Rock; wir müssen doch erst für unfere heimishe Land- wirthschaft sorgen, ebe wir auf das Ausland Rückfiht nehmen. Es bandelt sich hier nidt nur um die oftelbishe Landwirthschaft, fondern um die gesammte in Deutshland. Dänemark hat ch gegen uns 1878 hermetisch abgeshlcssen, also wozu auf änemark Recksiht nehmen. Wenn die Rinder \chon ein- mal mit Tuberkulin geimpft sind, reagieren fie auf eine zweite Tuberkulinprobe nit mehr; die Händler brauchen also das Vieh nur vor der Einfuhr {hon einmal zu imvfen. Gegen Amerika hat man die Quarantäne für Pferde von 6 Wochen auf 8 Tage kerabgefeßt, weil Hamburg es so wollte; denn dies hat überbaupt keine Quarantäne für Pferde, und der ganze amerikanishe Pferdeexport ging deshalb nach Hamburg. Auch Rufkland hat man in Bezug auf Pferde neuerdings Konzessionen gemaht. Unsere Landwirtbe wollen gern noch shärfere Veterinärmaßregeln über fich ergehen lassen, aber sie müssen auch die Sicherheit haben, daß sie gegen die Seucheneinshleppung vom Ausland geschüßt sind. Der Minister Freiherr von Hammerstein und der Schaßzsekretär Graf Posadowsky haben sich erfreuliher Weise gegen die Handelsverträge ausgesprohen; boffentlich geht die Ein- heitlihkeit der Regierung nah dieser Richtung noh weiter. Fürst Bismarck hat einmal gesagt: es fehle uns an nationalem Egoismus ; ih glaube au, wir könnten etwas mehr davon gebrauchen.

__ Abg. Gothein (fr. Vgg.): Der Minister Freibecr von Hammer- stein hat nur gesagt, daß er früher gegen die Handeléverträge gewefen sei. Auch Graf Posadowéky hat sich nicht als prinzipieller Gegner der Handelsverträge gezeigt. Herrn Sieg muß ih fagen, daß ih nit allein die Landwirthe als fahverständig hingestellt habe, welhe mir Material mitgetheilt haben. Herr Sieg hat uns ferner vorgeworfen, es käme uns niht auf das Wohlergehen des Landes, sondern auf Wahlstimmen und Mandate an. Das heißt also, rir seien niht ehrlihe Leute. Das ift ein Angriff auf unsere Ehre, daß mir der parlamentaris{e Ausdruck fehlt, der diese Unterstellung würdigt. (Rufe rets: Agrarische Begehrlichkeit !) Aber aus dem Munde des Berin Sieg und der Herren rets, welche diesen Angriff durch ihren Zwischenruf zu dem ihrigen machen, berührt uns das niht. Wie verträgt ih die Aeußerung des Abg. Gamp über die Preise der Gänse mit der Behauptung, daß der Antrag niht die Tendenz einer Preiésteigerung habe ? Wenn das Vieh auf eine zweite Tuberkulinprobe niht mehr rea- giert, dann ist das der beste Beweis gegen den Antrag, dann ift dieser überflüssig. Wir können hier die tehnischen Maßregeln doch nicht prüfen. Der Prozentsaß der zu Schaden gekommenen Gänse is bei preußischen Tranéporten nah einer mir von einem großen Mäfter aus dem Oderbruch gewordenen ‘Mittheilung noch höher als bei russischen Transporten. Die Verkürzung der Quarantäne gegen die ameri- kanischen Pferde liege gerade im Interesse der Lantwirthschaft, welche die Pferde gebrauhe. Redner bittet um eine Auskunft darüber, wie die Untersuchung der Schweine in Schlesien und Posen Us werde, worüber fürzlih ein minifterieller Erlaß ergangen set.

__ NegierungsRath Küste r erwidert, daß der Crlaß nur eine Ver- einfahung der Untersuchung herbeigeführt habe; es sei die besondere zweite Untersuhung an der Negierungsbezirksgrenze aufgehoben, sodaß die Untersuchung an der Landesgrenze für die ganze Provinz gelte.

Abg. Engelbrecht (fr. kons.) spricht si für den Antrag Rin aus- und schildert die Verhältnisse in Schleswig-Holstein. Van müsse zwischen dem Vieh aus dem seuchenfreien Jütland und dem von den dänischen Inseln unterscheiden. Noch garnicht hingewiesen sei äuf die Einfuhr frishen Fleishes aus Dänemark, zu deren Erleichterun die dänische Regierung jüngst ein neues Gese erlassen habe. Diese Einfuhr, welche eine große Gefahr für uns fei, müsse sorgfältig über- wacht werden. i: i

Abg. Dr. Vir ow (fr. Vp.): Bei allen ansteckenden Krankheiten an einen Bacillus zu denken, entspricht niht der wissenschaftlichen Er- kenntniß, Es giebt eine große Menge ansteckendec Krankheiten, die keinen Bacillus haben. Der Bacillus der Maul- und Klauenseuche ist ebensowenig shon gefunden, wie der Bacillus der Rinderpest, den Herr Koch jeßt in Kimberley suht, aber noch nicht gefunden hat. Wie lange hat man nicht nach dem Bacillus der Tollrouth gesucht ? Er is immer noch nit gefunden. Wenn nicht eine ganz neue Kategorie von Wesen aufgefunden wird, die diese Infektionskrank- heiten umfaßt, fo müssen wir auf dem empirishen Wege bleiben. Die Antragsteller arbeiten mit Hypothesen, die fie für Wissenschaft halten, die aber nur Empirie sind. Auf irgend einen unbekannten Bazillus hin kann man kein Gefeß machen. Sie kommen mit Jnkubations- dauer und dergleichen, Das sollten Sie doch den wissenschaftlichen Leuten überlassen und niht Kommissionen von nihtsachverständigen Leuten einsezen. (Rufe rets: Veterinärärzte, Bakteriologen!) Sie fangen do in dem Antrage mit den Landwirthen an; die stellen Sie wohl in den Vordergrund, weil sie nihts davon verstehen. Auf den Karten im Reichs-Gesundheitsamt können Sie sehen, wie die Maul- und Klauenseuche allmählich durh- Deutschland vorgerückt ift. (Ruf rechts: aus Dänemark!) Nein, aus den östlihen Grenzen; aus Dänemark, das ist Phantasie. (Akg. Ring: Empirisch festgestellt !) Sie berufen sich auf die Presse, wir haben eine sonderbare Presse, und daran muß irgend ein besonderer Haken sein, der Sie Alle infiziert. Von Osten ist die Maul- und Klauenseuche gekommen und jeßt bis an die westilihe Grenze. Einen bestimmten Weg lassen sih die Krank- heiten nit vorschreiben, es ist höchst zweifelhaft, ob man dur Quaran- tänen etwas erreiht. Sie kommen immer mit dem Vorwand der Sanität. Ja, ja, Sie haben ja den besten Willen, aber es ift doch ein Vor- wand. Gegen die Lungenseuche ift Holland mit großer Energie" vor- gegangen und hat Massen von Thieren geschlachtet, und schließlich entdeckten wir unsern cigenen Seuchenheerd in der Provinz Sachsen. Damals erfuhr ih zum ersten Mal, wie zwecklos der Fanatismus ift, der Sperren verlangt. Die Krankheit wird niht immer durch den Transport und den Bazillus verbreitet. Es müßte erst festgestellt werden, wie lange die Anfteckungsfähigkeit bei Maul- und Klauenseuche, nicht an Menschen und Thieren, fondern an dem Boden und Gegenftänden haftet, und ih befürchte, daß wir da sehr lange dauernde Verhältnisse antrefen. Also nicht die Jnkubationsdauer, fondern die Dauer der Lebensfähigkeit der Keime, Sporen oder was da ist, ist festzustellen. Während meines Lebens ift die Maul- und Klauenseuche wiederholt durch Deutschland gezogen, ohne daß man Quarantänen ein- rihtete. Solhe Seuchen kommen, breiten fich langsam aus und vershwinden wieder; damit will ih die Regierung nicht etwa abmahnen, si) damit zu beshäftigen, aber aus den furzen Erfahrungen der legten Zeit darf man feine weitgehenden Konsequenzen ziehen. Die Tuberkulose in Dänemark is ja eine bôse Sache, uad die Regierung hätte ihre Maßregel {hon früher ergreifen sollen, aber man fonnte darauf nicht vorbereitet sein. Jndeß wenn auch cin Thier au L gs einer Stelle seines Körpers Tuberkeln besitzt, so ist das Fleish doch no zum Essen zu gebrauchen. Die Hühnercholera if heute weiter verbreitet, als man geglaubt hat, und es ist neuerlich auch die Frage aufgetaucht, ob wir nicht die Diphtheritis dem Geflügel verdanken. Ob in Nußland mehr Geflügelcholera herrs{t als bei uns, is nicht festgestellt. (Ruf rets: Eingeschleppt!) Ja, das ist das Cinschleppen, das immer jo rund heruw geht, einmal \{chleppen wir ein, das andere Mal aus. Wir müssen da ja der Landwirthschaft entgegenkommen, aber Sie müssen niht immer von Prämissen ausgehen, die unbegründet sind, fondern sih an die Empirie halten. i i

Abg. Dr. Hahn: Wir wollen uns gerade an die Empirie halîcn, aber die Sachverständigen glauben übereinstimmend einen bestimmten Krankheitserreger füc Maul- und Klauenseuche finden zu können. Die Maul- und Klauenseuche ist bei uns nicht endemisch, sie ist vielmehr endemish in weiter südöstlih gelegenen Gegenden, wenn sie auch dort milder auftritt. Zu uns ift sie eingeshleppt worden. Die Anschauung, daß die Inkubationsdauer nicht länger als zehn Tage ist, ift veraltet; gerade nah der Empirie, Herr Abg. Virchow, hat sich eine längere Jnkubationsdauer herausgestellt. Gesetzgeberish ift für uns nit die Lebenéfähigkeit der Keime im Boden, sondern gerade die Inkubationsdauer in Betracht zu ziehen. Den Bafkteriologen will

ih gern die erste Stelle in meinem Antrage elnräumen, aber die Bin: zuziehung praktisher Landwirthe i durhaus nöthig. Die wi}sen-