1897 / 38 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 13 Feb 1897 18:00:01 GMT) scan diff

MET I R E

E L E O E E Amer MERDÉENA B Me rama un A e t

N a P RL R, U E Ti San A Ade gf, S IRUCE TPRG p E E E R E

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+ ca Mater m: “p reh De D E Ern

beere weder geführt noch verpflegt werden können. Ich würde tas ohne weiteres zugeben, wenn man ein Volksheer bätte, das nicht ge- gliedert ift, das keine Organisation hat. Aus diesem Grunde aber gliedern wir die Heere, um der Schwierigkeiten, im Falle sie an uns herantreten, Herr zu werden. Unser ganzes Bestreben geht dahin, einen Krieg so vorzubereiten, daß wir ihn gerinnen. Wie die Sozialdemokratie ihr Heer gliedern und mobilisieren will, davon haben wir als Soldaten gar keine Vorstellung, und ih glaube, es ift ein reines Phantom, wie ja fast alle Bilder, die die Sozialdemokratie uns vorführt, Phantome sind.

Aus der Fülle der Einzelheiten, die der Herr Vorredner ange- führt hat, will ich Einiges berausgreifen. Er hat zunächst von der Verpflegung gesprochen und gewünscht, daß die Verpflegung ver- bessert würde. Er hat sih meines Erachtens in den Zahlen geirrt. Wir haben darin sehr eingehende Vorarbeiten gemacht: eine befsere Abendkost würde si auf 13 bis 14 Millionen belaufen, die Forde- rung, tie wir eventuell stellen müßten, beträgt 8 Millionen. Richtig ift, daß wir hoffen, ungefähr 4 Millionen durch eine bessere Ein- rihtung der Menage zu ersparen. Dieses baben wir bereits in die Wege geleitet, und in der Budgetkommission ift ausführlih darüber Ausëkunft gegeben worden, daß die Resultate günstig sind, daß der Weg, den wir beschritten haben, rihtig ift. Es ift die Forderung nur zurückgestellt worden wegen Mangels an Mitteln; wir werden aber die Sache im Auge behalten.

Er ift dann übergegangen von der Verpflegung zu den Soldaten- mißhandlungen immerbin ein sehr {rofer Uebergang. Einzelne Fälle hat er niht genannt, und ich glaube, daß die Vorsicht geboten war; denn wir habzn in einer Neihe von Fällen konstatiert, daß die Angaben, die gemacht sind, unwabr waren. Es ist eine Reibe von gerichtlichen Verurtbeilungen erfolgt, in denen diejenigen Leute, bie den betreffenden Abgeordneten das Material zugesteckt hattcn, vom Gerichte verurtheilt worden sind. Also ih begrüße diese Wand- Tung, daß bier nicht Namen vor die Oeffentlichkeit gezogen und Mershen gebrandmarkt werden, gegen die h nichts beweisen läßt, mit einer gewissen Befriedigung. Ich könnte Ihnen au Beispiele nennen, die für mich ganz interessant sind. Ih babe au einzelne Nuszüge gemacht und will die Namen ebenfalls nicht nennen.

Ein Unteroffizier, der bei der Artillerie gedient, bat seine Leute in der Weise mißhandelt, daß er sie im Shmugz nieder- knien Tieß, ibnen verbot, vor dem Dienst zu essen, und se zwang, troß des Widerspru(s der Leute, kaltes Essen u sich zu nehmen. Sqhließlih hat er sich eine Majestätsbeleidigung zu schulden kommen lafscr. Die Sache ift dann zur Sprahe gekommen, es hat sih berausgestellt, daß er ein überzeugter Soztaldemokrat war, der die Schriftca der Sozialdemokraten gehalten bat. Es er- giebt si bieraus, daß die Sozialdemokratie Tyrannen erzieht. (Heiter- Feit links.) EŒs ift dann ferner den Sozialdemokraten zum Lobe an- gerechnet worten, daß sie uns zwingen, durch die öffentlihen Beschul- digungen für Besserungen cinzutreten, und die Proviantbeamten in Straßburg find zum Beweise herangezogen worden, als ob wir dur die O-cffentlichkeit gezwungen seien, diese Untersuchung cinzuleiten. Das ift durhaus unrichtig. Die Militärverwaltung hat den Prozeß gégen die Proviantbeamten eingeleitet längst, ehe die Sache in die Oeffentlichkeit gekommen ift, und die Verhandlung muß etne öfent- liche sein, weil die Proviantbeamten öôffentlihe Beate sind.

In Betreff der Unteroffiziers(üler if auf einen Artikel bine gewiejen im „Militär-Wochenblatt“. Ich babe ihn au gelesen, aber ih habe mich niht erkfundigt, wer den Artikel geshrieben hat. Fch nehme an, es ift ein junger unerfabrener Offizier, denn die An- gaben, die er gemadwt hat, können von einem, der lange in der Praxis gestanden bat, durhaus niht herrühren. Die Führung und die Leistungen der Untercffiziers{üler werden sebr genau kontrotiert, und da stellt fich beraus, daß von den Unteroffizier- schülern durchsnittlih über 939% vollkommen befriedigen und daß ß in der Regel 35 9/9 in btevorzugten Stellungen befinden. Es ban- delt sih nur um einen ganz geringen Prozentsaß, der vor der Zeit ausscheidet, der den Anforderungen nit genügt. Damit ist wobl der Nugen der Unteroffiziershulen genügend erwiesen.

Der Beschwerdeweg ist ja von dem Herrn Vorredner zum tbeil anerkannt worden, nur die Offiziere haben gewissermaßen fein Mitleid erregt. Ich möchte darauf hinweisen, daß auch für die Offiziere der Beschwerdeweg vollkommen neu geregelt i und zu irgend welchen Auéstellungen keine Veranlassung gegeben kat. Diese Aenderung haben wir aus eigener Initiative in die Wege geleitet. Die Details, die er gegeben hat, sind mir nicht bekannt; ih bezweifle ihre Richtigkeit, denn den Gedanken, daß z. B. das Begnadigungsgesuch eines Äriegögeriazue nicht seinen bestimmungsmäßigen Weg ginge, halte ih für unmöglich.

In Betreff des Duells glaube ih, daß das Versprechen, welches der Herr Reichskanzler gegeben hat, dur die Allerhöchste Verordnung vom 1. Januar dieses Jahres eingelöst worden ift. Ih winde alfo empfeblen, dîe Handhabung dieser Verordnung abzuwarten. Ich glaube, fie wird so gehandhabt werden, daß dem Unwesen, soweit man davon sprechen kann, ein Ende gemaht wird.

Den Beschluß der Ausführungen des Herrn Vorredners bildete nun ein Appell an die Militärverwaltung, jede Ausnahmemaßregel gegen Sozialdemokraten im Heere fallen zu lassen, In dieser Hinsicht werden wir uns nie einigen, fondern ih bin feft überzeugt und für meine Person ganz durchdrungen davon, daß niemals die fozial- dermokratishen Anschauungen fich mit den militärischen vereinigen können. Sie wissen ja, daß Bestimmungen getroffen find, um jede sozial- demokratishe Kundgebung im Heere zu bestrafen und zu unterdrücken. Bei diesem Standpunkt werden wir \teken bleiten. Ih weiß nicht, beut zu Tage nimmt die Sozialdemokratie ein fo freundlihes Gesicht an. Wenn Sie aber vergleichen alles, was fie erklärt haben, wenn Sie zurückdenken an den Kongreß in London, und an das, was da alles beschlossen worden ist, so möchte ich doch glauben: wir haben Recht, uns vor diesen sozialdemokratishen Beftrebungen zu hüten. (Bravo! rets.)

Ih will nur cins kurz erwähnen, um das prägnant klar zu stellen. Die Devise ter Armee ist: Mit ESott, für König und Naterland! Der Waklspruh der Scezialdemokratie ist: Ohne Gott, gegen König und Vaterland! (Bravo! rechts.) Meine Herren, der Nachweis ist sehr leiht zu erbringen. Ih will garnicht darauf zurüdgreifen, wie sich hier im Reichstage Vertreter der Sozial- demokratie als Atbeisten bekannt und fich dessen gerühmt baben; ih möte an ihr eigenes Programm erinnern ; es steht darin, daß Reli- gion Privatsache i, während wir in der Armee auf religiöse Er-

e Ey daß die Gottesfurhi die Basis der Treue if. (Bravo!

Gegen den König! Da möthte ih erinnern an die Scenen, die hier im Reichstage stattgefunden haben, wo die Ebrfurcht gegen den König versagt wurde; besonders aber möchte ih Sie erinnern an die Beschlüsse, die Sie in London gefaßt haben. Sie wollen die politishe Macht erlangen; der Name Sozialdemokratie, Volkeberrshaft sagt ja genug in der Sache. Also ih glaube, daß auch in dieser Hinsi(t eine Vereinigung der Arsichten unmöglich ift.

Und gegen das Vaterland! Ja, da ift in London bes{lofsen worden, die Arbeiter von den Fesseln der Naticnalität frei zu maten. Es ift ferner ih brauche nur an Lille zu erinnern das Vater- land von den Delegirten dort in einer Weise verleugnet worden, daß von Vaterlandsliebe bei den Sozialdemokraten für mi keine Rede sein kann. Ih würde also an Ihrer Stelle darauf verzichten, ‘cine Vereinigung anserer Ansichten anzustreben. Jch bin überzeugt, daß die Zeit der Sozialdemokratie an si, si längst überlebt hat (Lahen links), daß die Zukunftêträume, die Sie haben, sich nie verwirklichen können; denn es sind Träume. Sie leugnen das Gewordene, und wer das Gewordene leugnet, wer neu anfangen will, etwas absolut Neues hafen will, irrt sih. (Lebhafter Beifall rechts.)

Abg. Bebel (Soj.): Die Entwickelung der Zeit wird zeigen welche Anschauungen den Sieg davontragen A Jeder Ei ja an feine Anschauungen, denn sonst ist er cia verlorener Mann. Vorläufig nehmen die sozialdemo?ratishen Anshauungen von Jahr zu Jahr zu. Warum denn der Eifer nah Bekämpfung der Sozial- demokratie durch Umsturzgeseze und Ausnabmemakfregeln, wenn sie sih überiebt hat! Die Sozialdemokratie umfaßt 4 aller Wahl- stimmen, also F aller Männer über 25 Iabre, und eine solche p kann man nit entbehren, wenn es beißt: Alle Mann auf

eck! In einem solchen Loe wird au die Sozialdemokratie ibre Schuldigkeit thun. Der Kriegs-Minister konnte nur den Fall eines angebli sozialdemsfkratishen Unteroffiziers anfübren, der seine Mannschaft mißhandelt hatte. Für diesen Mann verlangen wir eine ex:mplarische Sirafe. Aber dieser eine Fall beweist nichts gegen die Sozialdemokratie. Der Kriegs - Minister hat sozial- demokratishe Schriften in den Kasernen verboten ; er hôtte alle poli- tishen Parteischciften verbieten follen. Man sucht die Armee gegen die Sozialdemokratie zu verheßen; das ist begreiflih von dem Stand- punkte aus, daß es zu einem Siraßenkampf kommen werde. Es werden förmliche Kurse über die sozialdemokratishen Bestrebungen gehalten. Die Feldwebel haben do kein Material, um si darüber zu unter- richten. Die Sozialdemokraten werden darin in den abscheulihsten Farben geihildert ; fie sollen zu Vèord, Eidbruch u. \. w. auffordern, si unter der blutrothen Fahne zu frevelbaftem Treiben vereinigen. Und folhe Dinge werden unter der Mitwirkung der Vorgeseßten in der Armee vertrieben. Anfangs mögen ja einige betbörte junge Leute auf solen Unfinn bineinfallen, aber andererseits wird eine Neugierde erweckt bei den Leuten vom Lande, die naGher in den Städten vielleiht zurü@bleiben und bald merken, daß fie angeführt worden find. Die Leute vom Lante, tie in den Städten bleiben nah ibrer Militärzeit, sind, tas babe ih {on 1875 ausgeführt, die besten Rekruten für die Sozialdemokratie. Die sozialdemokratishen Soldaten sind mehrfach bestraft worden. Das Beweiêëmaterial des Falls Strom- beck ifi dem Kriegs-Minister zur Verfügung gestellt worden; es bestand aus Briefen eines Bruders des Mißhandelten, der ih selbst zum Zeugniß erboten hatte. Es ftellte fih die Unrichtigkeit der Behaup- tung vor Gericht heraus. Ich bedaure, daß ich hbintergangen bin. Aber wenn folie Mittbeilungen in diesec Form mir bides, so muß ih : darauf eingeben. Wer vor beendigter Militärdienstzeit Mit- handlungen anzeigt, bat einen schweren Stand seinen Vorgefetzten T) es wird ihm das Leben zur Hölle gema&t. Wegen Miß- andlung angeklagte Vorgeseßte wurden von den Militärgerichten frei- gesproÆen, weil die Zeugen nihts auszusagen \sih getrauten. Vor den bürgerlißen Gerichten erfolgte die Verurtheilung, weil die Zeugen mit der Wahrheit herauskamcn. Troß aller Mahnungen von oben ist es beim alten geblieben. Da muß man doch fragen , ob nicht andere Mittel zur Anwendung kommen müssen. Für eine Besserung haben die öfentlihen Gröiterungen im Parlament mehr beigetragen als ale Erl2F2 der Vorgesegten, Im Interesse der Menschlichkeit müssen alle Klagen vorgebraht werden. Daß ganze Truppentheile frei bleiben, beweist ter Umftand, daß, so lange Oberst Liebert, der jeßt nah Ost-Afrika gegangen ist, sein Regiment batte, kein einziger Fall von Mißbandlung oder Beschimpfung vorgekommen ist. Gegen die Unfälle infolge von Hißschlag bat man in der französishen Armee angeordnet, daß während der Tagesftunden anftrengende Uebungen ni ¿t stattfinden. Troß aller Auébildung für den Krieg braucht man den Soldaten niht übermäßige Zumuthungen im Frieden zu maten. Soldaten werden benußt, freien Arbeitern Konkurrenz zu maten beim Auéstand der freien Arbeiter. Es sind Büchsenmater in eirer Bielefelder Maschinenfabrik bes%äftigt worden, ferner Soldaten in ciner Zuckerfabrik in Oberschlesien und beim Rübenziehen in der Nähe von Bernburg, Weißenfel)er Husaren beim Dreschen auf einem sächsischen Rittergute. Der bayerishe Kriegs-Minister wollte die Abkommandierung von Soldaten zu Erntearbeiten nur gestatten, wenn sie ibren Angebörigcn belfen, niht wenn sie als Lobndrficker wirken. Der preußische Kriegs-Minister sollte eine ähnlihe Erklärung abgeben. Die Vffizierburschen werden zum Ersay für Dienstmädchen gebrau®t. Ich komme zur Duellfrage. Es sollte kein Duellant mebr begnadigt werden, troßdem gescieht es immer noch. Wir werden ieden Duell- jall zur Sprache bringen und wollen cinmal abwarten, ob der

offentlißhen Enirüstung gegenüber nit dcch endli Abhilfe ge-

schaffen wird. Die Angriffe des Kriegs-Ministers gegen die Sozial- demokratie beweisen seine Unerfahrenbeit in diefen Dingen. Mean kann das nit anders ve:langen. Aber wenn er solch2 Angriffe eltend mat, sollte er sich doch eiwas um unsere Beftrebungen ümmern. Den Glauben an Gott überlassen wir jz2dem Einzelnen. „Religion is Privatsache“ bedeutet nicht, daß jeder Sozialdemokrat den Glauben an Gott abs{wören müsse. Wenn Frankreih, Amerika und die Schweiz Republiken sind, so wird die republikanishe Ge- finnung auch in Deutschland nichts so Gefährliches sein; verboten ist sie jedenfalls nit. Wenn die Mehrheit des deutshen Volkes republikanisch und sozialiftis{ gesinnt fein wird, wird fie sh nit befinnen, die Republik einzuführen. Troß aller s{hweren Rüstungen steben wir in Guropa wie auf einem Pulverfaß infolge der orien- talishen Wirren. :

Kriegs-Minister General-Lieutenant von Goßler:

Ich möchte elauken, daf ih Recht gehabt babe, den Herrn Abg. Bebel zu den Grklärungen zu veranlassen, die er am S{luß seiner Rede bier gegeben hat. Er bat die Karten doch ziemlih aufgedeckt. Ich kann für meine Person nur sagen, die Partei, wie sie sich bier zeigt, ift eben eine international-revolutionäre Partei. Außerdem kann man ohne weiteres behaupten, daß fch der Abg. Bebel zu den- jenigen Beschlüssen bekannt hat, die in London gefaßt worden sind. Es sind dieselbzèn Worte, die auch bier vorkommen. Man bat si dort gefreut, daß die internaticnale Sozialdemokratie eine Stätte gefunden hat, und der Schluß mit einem Hoh auf die internationale Sozial- demokratie ift fo abgefaßt, daß ih, wenn der Herr Präsident gestattet, denselben vorlese. Es ift, wie în einer Oper. Es keißt da:

Mit begeistert aufgenommenem Hoch auf die internationale Sozialdemokratie {ließt der Vorsitzende den Kongreß. Die Orgel fällt mit mächtigen Accorden ein, die englischen Delegirten immen das Bundeslied an, formieren sihch im Halbkreis und reihen sich die

Hände, wäßrend die herrliche Melodie den wundervoll akuftis{en

ziehung des Soldaten besonderen Werth legen (Bravo! rechts), weil

die Marseillaise an, begleitet ven dem Orgelklang, und nah ibnen fingen die Franzosen die revolutionaire Carmagnole. Bray. sender Iubel durhrausht die Halle.

Auf Abends 6 Ubr if natüclih ein Fecstessen angesetzt.

Heiterkeit.) ets (Große

Meine Herren, ih glaube daraus ten S{luß ziehen ju daß sih unsere Anschauungen niemals werden vereinigen können, und die Hoffnung, die der Herr Abg. Bebel in Bezug auf die Nevgefstaltung Deutschlands ausgesprohen hat, wird \sih, glaube ih Iuverfichtli aub nit verwirklihen ; denn was wir dagegen thun können, das wirs gesheben. (Bravo! rechts.)

Dann bat der Herr Abg. Bebel mit schr starken Worten um H geworfen. Ich glaube nicht, daß sie geeignet find, die Wahrkbeit feiner Behauptungen zu beweisen. Wenn man eine Brosüre Blöd, finn nennt, ift ibre Richtigkeit dadurch nicht in Frage geftellt; und wenn man cin Strafgescbuh als mit dem Charakter der Barbarei behaftet bezeiGnet, fo wird das Strafgeseßbuh dadur nicht {lter

Dann ift bier ein Hauptmann mit Namen genannt und in Bezuz auf ibn geäußert worden, von dem würde man sagen: „weler Eje[!* Meine Herren, das ift eine Beleidigung in allershärffter Form. kann mich bier in parlaxentarishen Kreisen solcher Ausdrüde nit bedienen und will daber nur eine allgemeine Ausführung maten nämlich die, daß, wenn jemand in Ausübung seines Dienstes Be, leidigungen erfährt, gegen die er si nicht {ügen kann, ibm nur als Trost das Gefühl der Verachtung bleibi. (Bravo! rets.)

Der Herr Abg. Bebel hat dann, troßdem der Herr Vorredner seiner Partei si der Details entrathen hat, eine Reibe von Einzel. fällen angeführt, von tenen ih nur sagen kann, daß die größte Zak dieser Angaben falsch ift. Jh werde bei der vorgerückten Zeit nur auf Einzelnes näher eingehen. So ift von einem gewissen Mohrmanx behauptet worden, daß er wegen Meineids und falscher Anschuldigung verurtheilt worden sei. Die Sage liegt aber wesentlih anders; denn Mohrmann if wegen Verleitung zum Meineid verurtheilt worden, indem er zwei Leute, die gar nihts gesehen, dazu verleitet hatte, zu bezeugen, daß sie die vorgelommene Mißbandlung gesehen bätten. Die Strafe ist bart, weil einer der Zeugen ih aus Gewissensbissen erbänci hat, während der andere mit dem Geftändniß hervorgetreten ift, daß er cinen Meineid ges{chworen babe.

Der Selbftmörder in Etlingen ich will das hohe Hau! damit nicht bebellizen die Angaben sind einfach unrichtig. Sz könnte ih noŸÿ eine weitere Anzabl von den gemahten Angaben richtig ftellen, aber ih mö&te an das Wort erinnern, das der Herr Abg. Lezzmann bier einmal autsprad, daß es doch schr mißlih sei, geridtlihe Unterfubungen obne Aktenmaterial bier zu verbandeln. Wenn man helfen will, so muß man dieses sofort thun und sh reckt- eitig an die betreffenden Kommandodehörden wznden, diese werden dann {on Remedur s{affen bezw. fofort die Untersuhung einleiten ; denn es ist ganz ausgeschlofsen, daß derartige Anzeigen unterdrüdckt werden. Nachdem aber eine so lange Zeit verstrichen ist, derartige Sachen bier im NReichëtage zur Sprache zu bringen, bilft den Leuten garnidts.

Was nun die shaurige Schilderung der Selbstmorde, die Auf- führung der zahlreihen Hißfchläge und sonstigen Todeéfälle aulangct, fo ist das doch wunderbar. Wir veröffentlichen unsere ganze Statistik: nah derselben geben nicht nur die Todesfälle, sondern auch die Erkrankungen dauernd zurück, desgleihen die Mißhandlungen. Der Herr Abgeordnete muß doc sehr lcihtgläubig fein, daß er aile die Sachen, die in den Zeitungen fteben und ihm fonft zugetragen werden, ohne weiteres glaubt. Denn daß in Thorn z. B. an einem Tage sechs Todeéfälle an Hits(lag vorgekommen sein sollen, darüber müßte man do diesseits unterrihtet sein. Gs ift ganz auë- ges{chlofien, daß die Sache wahr sein kann.

Dann die Behauptung wegen der Anspannung im zweiten halben Jaßre des Dienftjahres, Auch diese Angaben können nicht richtig sein, denn es ift statistisch nahgewiesen, daß die Erkrankungen in dieser Periode dauernd und febr erheblich zurückgegangen find.

Auf die einzelnen Angaben, daß durch Militärarbeiter den Zivilarbeitern eine wesentlihe Konkurrenz gema@t fei, bin ih aufer stande einzugeben. Es sell sich um das Husaren-Regiment Nr. 12 und das Infanterie-Regiment Nr. 51 2c. bandeln. Ich bin, wie gesagt, außer stande, darüber Auskunft zu geben. Wir machen aber prinzipiell durch unfere Soldatzn Zivilarbeitern felbftverftändliÞh feine Kon- kurrenz, und wo dennoch angencmmen wird, da5 ein folcer Fall vorliegt, fo ist der Weg an das betreffende General-Kommando der richtige.

Die Anekdote aus Met, glaube i, ift bekannt. es, darauf einzugeben.

Dann if von den Duellen die Rede gewesen. Der Herr Abg. Bebel wundert sh, daf, wenn die Duelle verboten find, do noch Duelle vorkommen. Dann wäre da3 Strafgeseßbuch ja unnöthig. Aber wenn man z. B. Mißdbandlungen verbietet, so ift doch dieses noch nicht die Folge, daß nun überbaupt solhe nicht mebr vorkommen. Dazu baben wir ja eben das Strafgesch. Das Verbot des Allerhöhften Kriegsherrn, daß keine Duelle ftatifinden sollen, würde uns doch nicht davon entbinden, im gegebenen Fall einzu- schreiten. Es sind eben Alle Menschen, die die Geseze eventuell über- reiten.

Was nun die Allerköchste Verordnung vom 1. Januar anlangt, so meine ih, daß uniere Ebre in den Händen unseres Allerhöchften Kriegsherrn am besten gewabrt ift; er wird {on wiffsen, was er mit urs mat, und wir können diz Folgen rubig abwarten. (Lachen bei den Sozialdemokraten.)

Dann hat der Herr Abg. Bebel uns gewissermaßen ¡zum Vorwurf gemalt, daß wir den orientalishen Krieg nicht vorausgesehen hätten. Ich bin nitt im stande, darüber Auskunft zu geben; wenn aber zu gegeben wird, daß wir auf einem Pulverfaffe sißen, wie er annimmt, dann ist es besser, gerüstet, als nicht gerüftet zu sein.

Abg. Beckh (fr. Volkép.): Die Frage der Milltbr-Stzgsprozes- ordnung ift heute nur furz erörtert worden. Gerade jeßt, wo t noch im Stadium der Vorbereitung ift, müfsen wir Stellung #8 derselben nebmen. Es ist eigentlih eine Beleidigung für unsere bürgerlite Strafprozeßordnung, daß fie nicht als Muster genommen wird, daß man nicht die Oeffentlichkeit der bayerischen Militär- Strafprozeßordnung annimmt. Nach der „Frankfurter Zeitung“ soll ch ter neue Entœucf nur wenig von dem vor 2 Jahren aut gearbeiteten Entwurf unterscheiden. Dieser Entwurf ift gber vom

ganzen Volk als unannehmbar bezeihnet worten, denn darin ift von einer Militärjustiz eigentliÞ gar nihts mehr zu entdedcken.

Ih unterlafe

Das Gnadenrecht des Monarchen joll unangetaftet bleiben, aber

Saal dur{brauft. Darauf stimmen die deutschen Delegirten J

Bestäti t ist weiter nihts als Kabinetsjufstiz, Die Deitia S Baden Wir wissen heute noÿ nit, das Urtheil im Fall lautet. Das erste Urtheil soll auf- ein, weil es niht auf Entfernung aus dem Heere

Entrüstung im Volke sih aus Anlaß dieses Falles

gemacht hat, beweist der Gothazr Aufraf. Wenn die Zivilisten den Offizieren gegenüber unsicher fühlen, zu wel&em Zuïtand soll ? Das falsche Gbrgefühl hat feine beste Abfertigung ge-

fu üsseldorfer Affaire. Redner kommt auf die Frage des Gebrauds der ußwaffe us Arrestanten zu sprehen. s sei efährlih, einem zwanzigjährigen jungen Mann die Gewalt über ben und Tod eines Staatsbürgers in die Hand zu geben. Es sei der Fall vorgekommen, daß der Soldat nicht den Arrestanten getroffen habe, sondern einen anderen daberkommenden Menschen, der sein

eigener Bruder war.

gewesen fein. jeßigen weit- B E E welches dur die uern \chieße. Pian sollte endlich eine Aenderung der bevorstehenden Vorschriften herbeiführen.

Kriegs-Minister General-Lieutenant von Goßler:

Aus dem Vortrage des Herrn Vorredners habe ich zu meiner Freude entnommen, daß der Gntwurf einer Militär-Strafprozeßordnung vollständig unbekannt ift, denn die Anschauungen, die er darüber gegeben bat, sind unzutreffend. Der Entwurf ift ein anderer. Ich beschränke mih auf diese wenigen Worte bierzu. (Heiterkeit rechts.)

Dann bat er gemeint, daß der Fall von Brüsewit insofern. niht erledigt sei, als das Urtheil noch niht publiziert wäre. Jch habe es damals nit versprochen, das Urtheil hier zu veröffentlichen ; aber ih habe die Ermächtigung von Seiner Majestät erhalten, wenn die Rede darauf kommen sollte, den Inhalt des Uctheils zur Kenntniß zu geben; und es scheint mir allerdings unter diesen Verbältnissen ge- boten, einen Auézug daraus, soweit die Sathe das Haus interessieren fann, bier bekanni zu geben.

Es ist also der Lieutenant vcn Brüfewiz bestraft worden wegen Todtschlags und wegen rechtswidrigen Gebrauhhs der Diensts waffe mit Dienstentlassuag und 3 Jahren 20 Tagen Gefängniß. Der Zusaß von 20 Tagen Gefängniß ift hinzugekommen wegen eines militärishen Vergehens, welhes hier das hohe Haus nitt interesfieren wird. Die rechtlihen Gründe, welche diesem Urtheil zu Grunde liegen, find die folgenden :

Die That (Tödtung eines Menschen) ift vorsäßlih begangen, was dadur bewiesen ift, daß der Stih mit großer Gewalt auf die Mitte des Körpers geriGtet war. Der Thäter als Offizier fonnte darüber nicht im Zweifel sein, daß der Stich den Tod des Gestohenen berbeiführen Tonnte, daß er ihn sogar wahr- \heinlih herbeiführen mußte. Die unmittelbar nah der That an den Zeugen von Jung-Stilling gerihteten Worte, Siepmann sei zur Streckde gebraht, beweisen, daß der Thäter mit dem Erfolg einverftanden gewesen ist, daß dieser Erfolg dem Vorsag ent- fprah und sich mit ihm deckte. Dagegen hielt das Krieg8- gericht nit für erwiesen, daß die Tödtung mit Ueberlegung aus- geführt worden sei, und zwar aus folgenden Gründen: v. Brüsewitz war an jenem Abend zweifellos nicht nüchtern. (Hört! hört! rechts.) Wäre er nüchtern gewesen, so würde er rechtzeitig das Lokal verlassen haben, als er die gefährlihe Nachbarschaft bekam, er würde auch im Lokal nit in laute Klagen über seine verlorene Ehre ausgebrochen fein, plößlich und überrashend ansichtig wurde und ihn verfolgte, blieb wohl Zeit, einen Ents{hluß zu fassen und vorsäßlih zu handeln, aber nit zu reifliher Ueberlegung. Das Krieg8geriht hat mil- dernde Umstände angenommen (Hört! hört! links) und für that- fählih begründet .erahtet, weil das flegelhafte und beleidigende Verhalten des 2c. Siepmann an einém êffentlihen Octe vor vielen Zeugen, die Weigerung, um Entschuldigung zu bitten, und die Aeußerung „keine Antwort ist auch eine Antwort“, wohl geeignet waren, den Zorn des Angeschuldigten hervorzurufen , andererseits der Angeschuldigte, obwohl durh geistige Getränke erregt, dem Siepmaun keinerlei Anlaß zu dessen Provokation gegeben hat.

Au diese Verlesung möchte ih ncch eine Erklärung knüpfen, zu der ih mich veryflichtet fühle. Jch habe in der Sizung vom 17. No- vember bei der Besprehung der Interpellation wegen des Falles von Brüsewiy von einigen anderen Fällen gesprochen, in denen Offiziere

Bei den früheren Schußwaffen mechte die Gefabr Anders tiege es bei dem a

Renkontres mit Zivilpersonen gehabt haben, und deutete dabei auf .

einen Vorfall bin, der fi im Jahre 1895 in Karlsruhe zwischen Offizieren und Studenten zugetragen hat. Einer der an dieser Sache betheiligten damaligen Studenten, ein jeßiger Rechtépraktikant, hat mir daraufhin einen Brief geschrieben, aus welhem für mich zweifelsfrei hervorgeht, daß er ‘bei dem Nenkontre jedenfalls nicht aus Gehässigkfeit gegen dea Offiziersftand gehandelt hat. Da mir daran liegt, den Satverbalt objektiv völlig klar zu stellen, will ih nit unterlassen, dies hier ausdrüdlich zu erklären.

In Betreff der Frage des Herrn Vorredners, ob neue Be- stimmungen über den Gebrauch der Schußwaffe gegeben sind, so muß ih dies verneinen. Die Bestimmungen sind ja sämmtlich gemildert, wie die Herren {on wiffsen. Dieselben sind in der Weise aufrecht erhalten, wie sie zuleßt von meinem Herrn Amtsvorgänger in die Wege geleitet waren. Der erwähnte Vorfall soll sih wohl auf das Vorkommniß in Mannheim beziehen. Es is dort auf der Straße durch den begleitenden Soldaten auf einen flüchtigen Arrestanten geschossen worden. Dieser Fall bat Veranlassung gegeben, die Be- stimmung erneut ins Gedächtniß zurü&Fzurufen, daß derartige Trans- porte in belebten Straßen unzulässig sind und daß Arrestanten prin- zipiel im Wagen befördert werden solltea. (Bravo!)

Abg. von Kardorff (Np.): Die Angriffe des Herrn Bebel find uns bekannt. Er knüpft an bekannt werdende Fälle maßlose Vebertreibungen. Ec hat einen Punkt angeführt, der mi veranlaßt,

8 Wort zu ergreifen. Er behauptet, daß Soldaten auf das platte Land abgegeben werden, um den freien Arbeitern Konkurrenz zu machen. Wie steht das mit dem praktischen Leben in Widerspruch? Es kommt bei s{chlechtem Wetter vor, daß die Arbeit drängt. Die ländlichen Arbeiter haben den Wunsch, daß mögli viel Arbeiter berangezogen werden, um die Ernte zu retten, von der die ländlichen Arbeiter ihren Drescherlohn erhalten. Für die Soldaten ist das eine Erholung nah dem anftrengenden Dienst. Ich möchte nicht, daß darin cine Aenderung eintritt. Sh spreche nicht im eigenen Interesse ; aber das platte Land ist sehr dankbar für eine folhe Aushilfe,

_ Abg. Werner (Reformp.): Die Sozialdemokraten möchten gern in der Armee Ankänger ihrer Nichtuny gewinnen. Ich bitte den Minifter, mit dem Ankauf von landwirthschaftlichen Produkten direlt bei den Pro emen fortzufahren. Wenn der Kaiserliche Erlaß bezüg- lich der Duelle richtig verstanden wird, werden die Duelle eingeschränkt werden, Ueber die Pensionierungen haben wir in der Kommission bereits ausführlih gesprochen; eine kleine Einschränkung derselben bet en unteren Stellen is wohl möglih. Medner bittet den Kriegs-

inifter am Aufklärung über einen Fall von Sn eines ver- abschiedeten Offiziers, Für die Invaliden folle ja etwas ge[hehen nah

cinem An merfung, die Sojía das Heer eindringen würden.

Als er Siepmann’'s im Eingang zum Lokal |

, der dem Hause vorliege. Redner {ließt mit der Be-

okraten trei aller Bemühungen nicht in Damit wird die weitere Berathung um 5!/2 Uhr bis

Sonnabend 1 Uhr vertagt.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

31. Sigzung vom 12. Februar 1897.

Eingegangen ist eine Novelle pon Geseze, betreffend die ürsorge für die Wittwen und isen der unmittelbaren taatsbeamten. _ : - i h

Ueber den ersten Theil der Sißung ist gestern berichtet worden.

Es wird die e Berathung des Staatshaushalts- Etats für 1897/98 bei den Ausgaben für das Ministerium des Innern fortgeseßt. ; : :

Beim Gehalt für den Direktor des literarishen Bureaus beshwert fich : Abg. Dr. Arendt (frkons.) über die Angriffe der „Berliner Correspondenz® gegen seine Person, die angebli aus der Feder des R: ichsbank-Präsidenten Dr. Koch stammten. Solche persönlichen Ax- riffe gebörten niht in diese Correspondenz. Im Interesse des An- chens dieses Blattes solle der Minister dafür sorgen, daß künftig solhe Artikel darin nit mebr ershienen. Er werde aus tiefem Vor- gang seine Schlüsse ziehen und seiner Zeit einen Antrag auf Verstaat- lihung der Reichsbank stellen.

Minister des Jnnern Freiherr von der Recke:

Meine Herren! Ih kann dem Herrn Abg. Dr. Arendt nur dankbar sein für die freundlihe Beurtheilung der „Berliner Kor- respondenz*. Jch halte dieselbe für ein sebr nüglies Institut und werde mich bestreben, sie auf derselben Höhe zu erhalten und sie wo- möglich noch zu vervollkommnen. Es interessiert Sie vielleiht, wenn ih einige Daten über diese „Korrespondenz* gebe. Sie erscheint jeßt in über 1700 Exemplaren und wird an mebr als 1100 Zeitungen allec Richtungen abgegeben, während etwa 600 Exemplare Behörden

und Beamten zugehen.

Was die Tendenz dieser „Korrespondenz*, deren Absichten und Ziele betrifft, so stebe ih vollständig auf dem Standpunkt, den mein Herr Amtsvorgänger im vorigen Jahre bier ausführlich dargelegt hat. Zweck der „Korrespondenz ist unter anderem aub, eine Berichtigung und Klarstellung unzutxefender Preßnachrichten zu bringen, und ih glaube, daß man den vorhin von Herrn Dr. Arendt bemängelten Artikel wohl unter diese Rubrik bringen kann. Ih gebe aber zu, daß der Artikel in cinigen Ausdräcken über das Ziel hinausscießt, und nebme keinen Anftand, zu bedauern, daß einzelne Auëdrücke in dem- selben nit revidiert worden find. Jedenfalls hat es vollständig fern gelegen, mit diesen Ausdrüden irgendwie zu beleidigen. (Bravo! reis.)

Bei den Ausgaben für das Ober-Verwaltungs- gericht ma@t / j

Abg. von Eynern {nl.) darauf aufmerkam, daß das Neicbsgericht bezüglih der Besteuerung des Agios der AktiengeseUschaften bei Aus- gabe neuer Aktien dahin entschieden babe, daß dieser Agiogewinn fein Geschäftsgewinn sei. Das Obver-Verwaltungsgeriht habe aber die ganz entgegengesetzte Entscheidung getroffen, die eine große Er- \chwerniß für die Aktiengesellschaften bedeute. Es sei cin Fehler in der Organisation, daß die Angelegenheiten der Aktiengesellschaften nur der V., die der Gewerkshaften nur der V1. Kammer des Ober- Verwalktungs8gerichts unterständen. Dadurch bilde sich eine einseitige Rechtsprechung aus. Die verschiedenen Kammern sollten zu Be- rathungen zusammentreten. i y /

Wirklicher Geheimer Ober-Regierungs-Rath Noell fpriht sich entschieden gegen diesen Vorschlag aus. Der Agiogewinn sei ein gewerbliher Gewinn, Auch die Il. Kammer sei mit dieser An- gelegenbeit befaßt worden und habe ebenso entshieden. Ferner habe das banseatishe Ober-Verwaltungsgerit der Entscheidung unseres Ober-Verwaltungsgerichts zugestimmt. Mißlich sei_ja die Verschieden- heit der Urtheile des Reichsgerihts und des Ober-Verwaltungs- gerihts; das sei aber niht zu vermeiden. Auch in dem Fall Malig habe das Reichsgericht anders entschieden als das Ober-Verwaltungs- geriht. Mit der Frage des Agiogewinnes werde sich das Neichsgericht demnächst nohmals beschäftigen; es sei niht ausgeshlossen, daß es dann anders entscheide.

Abg. von Kardorff (fr. kens.) bedauert, daß das Ober-Ver- waltungsgeriht die höchste Instanz in Steuersachen sei, wodurch eine große Verlangsamung der Entscheidungen eingetceten sei. Es wäre doch besser gewesen, den voa der Regierung damals vorgeschlagenen besonderen Steuersenat im Finanz-Ministerium zu bilden. Das Vber- Verwaltungs8geriht sei durch die Steuersachen in eine schiefe Lage gekommen, und es bestehe jeßt im Publikum eine Animosität gegen dieses Geriht. Vielleicht lasse sich die Ocganisation doch noch gefetzlich anders regeln. L

Abg. von Eynern bält seinen Pee trotz der Ausführungen des MNegierungskommissars aufrecht. Der Vorwurf der Langsamkeit sei vollauf begründet. Der Finanz-Minister solle bei einer so wie so notbwendigen Revision der Steuergesezgebung auch die Vereinigung der Senate des Ober-Verwaltungsgerihts für zweifelhafte Sachen in Erwägung ziehen. Mit der Durchführung der Steuerreform sei man allgemein unzufrieden, namentlih in Bezug auf die Besteuerung der Aktiengesellschaften. :

Wirklicher Geheimer Ober-Regierungs-Rath Noell widerspricht der Behauptung des Vorredners, daß das Ober - Verwaltungsgericht die Sache der Besteúerung des Agiozewinnes nicht ershöpfend genug behandelt habe. Sonst werfe man dem Gericht immer eine zu er- \chöp*!ende Behandlung der Sachen vor. Die Verlangsamung bedauere das N E selbst am meisten; die Geschäfte ließen ih nur mit äußerster Anstrengung der Mitglieder bewältigen.

j Bei den Ausgaben für die landräthlihen Behörden ringt

Nbg. Langer (Zentr.) den iglolge der Freizügigkeit immer fühlbarer gewordenen Mangel an ländlihem Gesinde zur Sprache. Die Zustände seien in dieser Beziehung unerträglich geworden. Der Herr jei niht mehr der Herr seines Knechts, sondern der Diener seines Knehts. Ec bringe diese Klage im Namen seiner bäuerlichen Wähler vor. Mag die Nothlage der Landwirthschaft, fährt er fort, vielleicht nicht alle Landwirthe gleihmäßig treffen, unter diesem Nothstand leiden sie sicherlih alle. Die ländlichen Arbeiter ziehen sih immer mehr in die rouen Städte hinein, namentli infolge des Militärdienstes. Der bäuerlihe Besißer ist auf cinen bestimmten Umfang seines Betriebs angewtesen, um das Erforderliche heraus- zuwirthschaften, und bedarf dazu cines bestimmten Arbeiterpersonals. (Vize-Präsident Freiherr von Heereman macht den Redner darauf aufmerksam, daß er bei diesem Etat nicht die Spezialitäten der Land- wirthschaft besprehen könne.) Infolge des Mangels an ländlichen Arbeitskräften herrschen auch Verhältnisse, bei denen der Bauer sich die Nol)- heiten junger Burschen gefallea lassen muß, weil er keine anderen Arbeiter findet, und damit bin ih bei diejem Etatstitel, bei dem Amtsvorsteher, angelangt, denn die Befugnisse der Amtsvorsteher müssen erweitert wecden, um der Nohheit und auch der wachsenden Unsittlichkeit steuern zu können. Wenn man ganz junge Leute vor dem Heirathen warnt, antworten sie: Das Heirathen verstehen wir hon. Es thut mir leid, d1ß ih dur diese ernsthaften Dinge Ihre Heiterkeit errege. (Rufe rechtô: Fahren Sie nur fort!) Zu etner Verbesserung der Ver-

hältnisse müssen wir den Amtsyorstehern größere Befugnisse etnräumen.

zu und bestätigt, daß Meißftände zu klagen habe. einer fleinen Erxfkiave bei Eupen zur Sprache, die an San Marino oder Andorra erinnere und von allen Militär- und sonftigen Lasten befreit sei infolge ibrer bistorischen, öfterreihis{ - turgundishen und bolländis%en Entwicklung, und die sowohl der preußisben wie der belgishen Krone unterftehe. daselbft überaus traurige. ; Oase entlich v-rihwinde und der einen oder anderen Landeshohbeit definitiv unterftellt werde.

. Mooren (Zentr.) ftimmt den Klagen des Vorredners s man 1m Westen des Laudes über dieselben Redner brinat ferner die Verbältnisse

Die Justiz-, Schulverhältnifse 2c. seien Es sei wünshertwerth, daß diese kleine

Geheimer Ober-Regierurgs-Rath von Knebel-Döb erig: Es ift

{on ein Vertrag zur Theilung dieses Gebiets aufgestellt worden, dessen Gntwurf mehrmals bereits hin und ber gegangen ift. Die Ver- handlungen werden boffentlih in nicht zu ferner Zeit abgeshlofsen werden können.

Aba. Reimnitz (nl.) wünsht, daß die Tanzerlaubniß auf dem

Lande niht weiter behränkt werde als bisher.

Abg. Wolczyk (Zentr.) findet, daß den Leuten noch genug Gelegenheit zum Amüsement und Tanzvergnügen bleibe. Die Amts- vorfteber müßten Eirfluß auf die Sittlichkeit üben.

Bei den Ausgaben der Polizeiverwaltung in Berlin

bemängelt

Abg. von Strombeck (Zentr.) die Verbältnisse der Pferdebahn in Berlin. Die Gesellschaft sei doch nitt fonzesfioniert worden, um nur Dividenden zu erzielen; fie nehme aber ibre Pflichten gegen die Allgemeinkeit in kciner Weise wahr. Die Sißbänke sollen von 10 Personen besezt werden ; das sei nur möglid, wenn eine sehr \chmächtige Dame tarunter sei. Die Perrons bei den Decksizwagen scien so gestaltet, daß eine Person sebr leit berunterfallen könne. Wenn zwei Korpulente auf dem Perron bereits gegenüberstänten, fôönne ein Dritter nur unter beteutenden Reibungen einfteigen. Na der Polizeiverortnurg sollen die Wagen fo eingerihtet fein, daß das Einsteigen und Ausfteigen bequem und gefahrlos gesckehen könne; die Polizei babe au jeden Wagen vor dem Gebrau zu prüfen und solle darauf sehen, daß diese fürhterli®b# Enge aufhöre. Manche Linien seien überfüllt, und troßdem stelle die Gesellschaft ftatt der einspännigen kleinen Wagen fkeize zweispännigen ein. Bei den außerordentli boten Dividenden könne man erwarten, daß die Gesellshaft diesen dringenden Klagen abhelfe. Bei der Beratbung des Kleinbabnen-Gesetzes bätte man die allgemeinen Intereffen des Publikums bei der Personenbeförderung besser wahren sollen, und man solle das noch möglichft nachbolen,

Minister des Jnnern Freiherr von der Nee:

Meine Herren! Wir können gewiß dem Herrn Vorredner sebr dankbar dafür sein, daß er die Angelegenheit der Pferdeeisenbahnen bier zur Sprache gébraht bat. Er möge mir aber die Bemerkung niht verübeln, daß ih glaube, er kat seine Ausführungen an einer unrihtigen Stelle gemaht. Denn nicht mir steht dic Nufsicht über den Betrieb der Pferdeeisenbahnen zu, sondern dem Minifterium der öffentlihen Arbeiten.

Abg. Dr. Arendt (fr. kons.) bemerkt, daß in den Berliner Pferdebahnverhältnifsen Manches besser sei als in anderen Stadten, wenn er au nit verkenne, daß berechtigte Klagen beftänden. Redner bedauert, daß die Berliner Sayn an der Gehalts- aufbesserung in diesem Etat nicht theilnehmen solle. Wenn Elemente in die Schußzmannschaft hineingekommen seien, die besser daraus fort- geblieben wären, so liege das an der ungenügenden Besoldung. Man wolle jeßt wieder eine vorsihtigere Auswahl der Beamten treffen und nur jolcye anstellen, die neun Jabre beim Militär gedient haben ; dann müsse mán aber auch ein besseres Gehalt gewähren. Dassfelte

elte für die Waitmeister, die namentlich einen viel zu gernüen Wohnungs eldzushuß hätten. Die Aufbesserung liege au im nteresse: der Sicherheit der Stadt selbst; die Berliner Schutßmannschaft müsse ein Elitekorps darstellen. Der Dienst müfse erleihte1t werden durh Mehranlage von Telephonen und R des Schreibwerk2. Angesichts der innigen Verbindung Berlins mit seinen Vororten müsse ein volizeilihes Groß - Berlin geschaffen werden. Dadur würde viel Schreibwerk vermieden, namentlich bei Umzügen von einex Gemeinde in die andere. Die Schußleute dürsten materiell nit unter das Niveau des Proletariats herabgedrüdckt werden.

Geheimer Ober-Regierungs-Rath Dr. Lin dig: Ueber die Benußung des Telcphons in den Polizei-Bureaux haben UntersuGungen stattge- funden, die Frage ist verneint worden; denn es würde fic ein ganz unkontrolierbarer Verkehr des Publikums mit den Bureaux heraus- bilden. Die telegraphischen Einrichtungen genügen vollkommen denr Bedürfniß. Eine Aufbesserung der Gehälter habe bereits 1890/91 stattgefunden und könne jeßt niht schon wieder erfolgen. ie Thätigkeit der Kriminalpolizei sei bereits auf die Vororie aus- gedehnt, auch andere Zweige der Polizei könnten dahin ausgedehnt werden, wenn es nöthig sei. ;

Abg. Schulz (fr. Volksp.): Nicht die mangelnde Aufsicht des Ministers, fondern der Mangel an Konkurrenz hat Schuld an den leidigen Pferdebahnverhältnissen. Allerdings kann der Minister au auf diese Verhältnisse Einfluß üben; wir wünschten aber hauptsächlich ein Entgegenkommen der staatlichen Behörden dahin, daß nicht manche Straßen, wie Unter den Linden, vom Prferde- bahnverkehr ausgeschlossen bleiben. Alles Uebrige wollen wir der freien Konkurrenz überlassen, die ja in Zukunft eintreten wird. Die Verhältnisse der Schußmannschaft sind aller- dings niht genügend. Der Schußmann steht nicht sehr ho im Anseben des Publikums; wir müssen die Gehälter aufbessern und den Stand so heben, wie es seiner Würde entspriht, dann werden wir auh das geeignete Personal bekommen. Von unserer Orté- polizei wollen wir und die Bororte nicht lassen. Die jüngste Polizei- verordnung über die Heilighaltung der Sonntage und Feiertage muß aufgehoben werden; damit hat der Polizei-Präsident tiefer in das Leben der Bürger eingegriffen, als es jemals irgend ein Minister eines Staates thun kann. Von dem Anblick der heruntergelafsenen s{chmutzigen Ladenjalousien und der zerrissenen Vorhänge hängt doch die Heilighaltung niht ab; daß die ganze Verordnung nur nah dem Schema F gema@t ist, zeigt die Bestimmung, daß das Jagen in den Stunden des Hauptgottesdienstes in Berlin verboten sei. Welche Thierhen sollen denn da Sthonzeit haben? Die Ver- ordnuna, welhe auf den Einfluß der Synoden zurückzuführen ist, \tôrt sogar die Privatfestlichkeiten und verbindert das Singen von Liedern. Iawohl, es i eine Verurtheilung vor- gekommen wegen angeblihen Singens unheiliger Lieder. Von vorn dürfen die Schankitätten nit betreten werden, die Thüren follen geschlossen sein; aber von hinten kann man herein und sih hinter vershlossenen Thüren dem Schnapsteufel erzeben. Gerade wenn die Thüren weit offen stehen, wird der Völlerei am besten gesteuert ; die Arbeiter besuhen am Sonntag gerade bessere Lokale. Wo „vor- wiegend“ Branntwein ausge|chenkt wird, läßt sih niemals nachweisen, in allen Fällen hat Freisprehung erfolgen müssen. Das nüyt den Gesetzen und Verordnungen nihts. Ein übelwollender Shußzmann fann nah dieser Verordnung jede Privatfestlichkeit, jedes Kinderspiel verhindern. Dadurch nüßt man nicht der Religiosität, man entfremdet der Neligion das Volk. Aber vor dea fiskalishen Interessen der Eisenbahnen und der Post macht die Verordnung Halt. Man unter- scheidet zwischen den rothen und den gelben Postwagen. Auch die Interessen der Geistlichkeit selbst sind niht gewahrt; denn Leichen- begängnisse dürfen ebenfalls nicht stattfinden während des Hauptgottes- dienstes. Es scheint fast, als sei das geschehen, weil da die Geistlichen nicht Zeit haben. Wir bitten den Minister, diefe Verordnung dur ere zu ersetzen, welche den Interessen der Bürgerschaft ent- pri.

Geheimer Ober-Regierungs-Rath Dr. Kruse: Diese Polizei- verordnung ift niht als befondere Sag für Berlin erfunden worden, sondern überall in Preußen nach etnem gleihmäßigen Schema mit zugelassenen Aenderungen im Einzelnen eingeführt worden. Die

Veränderung der Gewerbeordnung machte neue Polizeivorschriften noth-