1897 / 42 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 18 Feb 1897 18:00:01 GMT) scan diff

aua E E E N E I

- Vorzüge dieser Garnison lediglich aus dem Grunde zu nehmen, um

in Aussicht genommen .. ¿rden müssen, Je würde Neustadt in erster

Linie dabei in Betracht gezogen werden können.

Der Titel wird bewilligt.

Ferner werden gestrichen : 250 000 #4 für eine Kavallerie-

Kaserne in Münster.

Die Streichung der für eine Artillerie-Kaserne in Darmstadt geforderten ersten Rate von 150 000 Æ( beantragt

Abg. Ulri (Soz.), weil er eine Verlegung der Garnison von Babenhausen nah Darmstadt für nicht zweckentsprehend und nur in

ebenfalls für die Streihung aus, wenn man nicht wenigftens die Trainkaserne nah

den Wünschen der Offiziere liegend halte. Abg. Gerstenberger (Zentr.) spriht sich

Babenhausen verlege. Abg. Hirschel (Reformp.) äußert sich in ähnlihem Sinne. Abg. Dr. Osann (nl.): Baben

Kriegs-Minifter General-Lieutenant von Goßler:

Ich -kann nur dringend befürworten, den Beschluß der Budget- kommission aufrecht zu erhalten. Mir sind die Verhältnisse, da ih bis zum vorigen Herbft in Darmstadt Divisions-Kommandeur ge- wesen bin, genau bekannt. Ih muß bekennen, daß ih kaum eine andere Garnison gefunden habe, die allen militärishen Anforde- rungen so genügt wie gerade Darmstadt. Wir haben in der Nähe den großen Uebungsplaß, und infolge dessen die befte Gelegenheit, die Truppen in vorzüglicher Weise auszubilden. Man würde es daher vom militärishen Standpunkt nicht begreifen, einem Truppentheil die

ihn nah Babenhausen zu verlegen. In Babenhausen, das, meines Wissens, 1892 geräumt worden ift, lag früher eine Schwadron Dragoner, deren Verlegung in erster Linie mit Rücksiht auf die an- geführten großen Vorzüge, welhe Darmstadt in militärisher Beziehung Babenhausen gegenüber bietet, erfolgte.

Die Absicht, jeßt Babenhausen wieder zur Garnison zu machen, ift, meines Erachtens, vollständig aussihtslos. Das Dislokationsrecht fteht Seiner Majestät dem Kaiser zu, und ih glaube nicht, daß sich Seine Majestät bewogen finden könnte, Babenhausen von neuem mit einer Garnison zu belegen. Schon für Bußbach ist lediglih, weil ch dort ein Schloß befindet, Garnison vorgesehen; soll nun ein fol{her Grund auch noch für Babenhausen auss{hlaggebend sein? Jch glaube, nach derartigen Gesichtspunkten kann und darf man nit dislozieren. Truppen da wegzunehmen, wo alle Verhältnisse für ihre Belassung sprechen, um sie nach einem Orte zu verlegen, für den nur ein dort befindlihes SWloß spricht, den Grund kann ich nit anerkennen.

Ich bitte dringend, es bei den Beschlüssen der Budgetkommission zu belassen. ;

Abg. Dr. Lieber (Zentr.) beantragt die Zurückftellung der Position und ibre nowmalige A ctn der San, ait

Kriegs-Minister General-Lieutenant von Goßler:

Meine Herren! Ich kann den Gründen, die der legte Herr Nedner soeben vorgetragen hat, nicht zustimmen. Die Budgetkommission hat das Prinzip, daß wir die großen Uebungspläßze möglichst ausnugzen müfsen, in rihtiger Erkenntniß der Sachlage durhaus anerkannt. Die Abtbeilung, um die es sh hier handelt, hat \. Z. in Darmstadt keinen Plaß mehr gefunden und ift aus diesem Grunde proviforish auf dem großen Uebungsylay bei Darmstadt untergebraht worden, dessen Benutzungsfähigkeit für andere Truppen natürli hierdurh ganz erheblich beschränkt und wodur auch die angeftrebte Entlastung des Landes, dem doch diese Einrichtungen auch zu gute kommen sollen, ni@t in dem gewünshten Maße erreiht wird. Also ih meine, die Budgetkommission war fih darüber {chlüssig, daß diese Position bewilligt werden sollte, und weil dieselbe der Budgetkommission so dringend erschien, ift von ihr die Trainkaserne für Darmftadt zu- nächfi zurückgestellt worden. Ih habe mih auch s{ließlich hiermit ein- verstanden erklärt, weil ih nah dez dargelegten Verhältnissen den Bau der Artilleriekaserne in Darmftadt dech für noch dringli{er halte, als den der Trainkaferne. Nun aber , nachdem diese Abmachung in der Budgetkon: mission getroffen worden ift, von derselben zurückzutreten und auch die Artilleriekaserne einfah zu streichen, das balte ih kaum für zuläsfig; denn wir können doch unmöglih durch eine derartige Zurückstellung dieses Baues, ganz abgesehen davon, daß das Dislofkations- recht Seiner Majestät, wie ich {hon erwähnte, hierbei in Frage fommt, veranlaßt werden sollen, die Abtheilung nah Babenhausen zu verlegen.

Ich habe im übrigen keine Veranlaffung, Babenhausen ungünstig zu beurtheilen , es ist eine ganz nette Landftadt und meines Wifsens auch wohlhabend. Aber ih glaube, daß die Spekulation mit dem An- kauf des Schlosses, das die Stadt meines Wifsens erft vor einiger Zeit gekauft hat, feine besonders glüdcklihe war. Ich kann nur versichern, daß, so lange ich Divisions-Kommandeur in Darmftadt gewesen bin, die Verlegung irgend eines CTruppentheils nach Baben- hausen niemals in Frage gekommen ist und auch nicht in Frage kommen konnte.

Abg. von Podbielski (d. kons.): Es handelt sich nicht um die Verlegung einer Garnison von Babenhausen nach Darmstadt, sondern um die bessere Unterbringung der auf dem Schi-ßplatz unter- gebrachten Artillerieabtheilung ; deshalb wurde die Trainkaserne zurück- geftellt, weil sie nicht dringend ift. Will man ändern, dann muß die Sache in die Budgetkommission zurückverwiesen werden.

Abg. Dr. Lieber: Diesem Antrage könnte ih zuftimmen, wenn der Kriegs - Minister niht erklärt hätte, daß von Babenhausen keine Rede sein könne.

Kriegs-Minister General-Lieutenant von Goßler: _ Jch kann nur noch einmal auf das bestimmtefte darauf hin- weisen, daß ih günstigere militärische Verhältniffe als in Darm- stadt fo leiht nicht finden laffen, und daß ih es somit nicht würde verantworten können, die Verlegung eines Artillerietruppentheils von dort zu befürworten. Für die Mobilmachung liegt Darm- stadt ausgezeichnet , es befindet sh daselbft ein großes Artilleriedepot, alle Einrichtungen sind für cia volles Artillerie - Regiment getroffen, und nur zwanzig Minuten entfernt liegt der große Ererzier- plaß, der gleichzeitig im Sommer als Schießplay dient. Es sind also alle Vorbedingungen gegeben, um für das mit vieler Mühe und Sorgfalt so glücklich dislozierte Artillerie - Regiment die denkbar günstigsten militärishen Verbältnifse zu \{chaffen und zu sihern. Gs if doh für mich, den Chef der Kriegs- verwaltung, ein unglaubliher Gedanke, den ich überhaupt gar niht würde vertreten können, diese günstigen Verhältniffe aufzugeben, die Abtheilung ohne ersihtlihen Grund von diesem Regiment ab- zulôösen und dieselbe nah Babenhausen, das einen ftarken Marsch von Darmstadt entfernt ift, zu verlegen ; die Abtheilung, die in Baben-

hausen will eine Garnison haben, das M begreiflid; aber sahlihe Gründe können nicht dafür angeführt werden. '

und müßte während der SgHießübungen und des Regiments-

worden ift, daß das Schloß in Babenhausen, welches übrigens \. Z. mehr geeignet war, zu diesem Zwecke wieder in Aussicht zu nehmen

ganz verständlich ift.

Jahr auf die Trainkaserne verzichtet, wenn ihm die Artillerie- Kaserne unmögli. - Í i

Die Zurückverweisung an die Kommission wird ab- gelehnt der Titel selbst wird mit 119 gegen 92 Stimmen gestrichen.

_Gestrichen werden ferner 400 000 F erfte Rate für eine Trainkaserne in Darmstadt.

Bei den Ausgaben für denNeubau einer katholischen Garnisonkirche in Straßburg i. E. bemängelt der

Abg. Dr. Schädler (Zentr.), daß in der Nähe der Kirche keine Wohnung für Pfarrer und Küster vorhanden sei; man müsse ein Wohnhaus schaffen und zuglei einen Saal für den Religionsunterricht der Kinder der Militärpersonen.

General-Major Freiherr von Gemmingen: Meine Herren! Die Militärverwaltung ift stets bestrebt gewesen, wenn sie zwei Kirchen gleichzeitig für die beiden Konfessionen baut, scweit es irgend möglih ift, das Licht nah beiden Seiten bin ganz gleichmäßig zu vertheilen. Ich kann versichern, daß z. B. hier in Berlin, wo jeßt zwei Garnifonkirhen gebaut werden, mit der allergrößten Sorgfalt darüber gewacht wird, daß die Baukoften sich in gleiher Höbe für die beiden Kirchen halten, damit niemand sagen kann, die eine Konfession sei bevorzugt oder benachtheiligt. Infolge defsen kann ih auch nit zugeben, daß in Straßburg eine Benachtheiligung in Bezug auf die Bereitstellung von Räumen für den Konfirmandenunterricht stattgefunden hat. Es ist in jeder der beiden Kirhen eine Safriftei vorhanden. Die Sakristei der katholishen Kirche ist größer als diejenige der evange- lischen und infolge defsen zur Erthcilung des Konfirmandenunter- rihts bestimmt, während in der evangelishen Kirhe die Taufkapelle bierzu in Auésicht genommen ift. Es waren die Pläne vor der Aus- führung den betreffenden Geiftlihen zur A So vor- gelegt worden. Wenn sich nun berausftellen follte, daß dieses Bedürfniß in der Sakristei niht befriedigt werden kann, weil entweder die Zahl der Mitglieder eine zu große ift, oder aber weil der Saal von den Herren Geistlichen, die dort amtieren, gebrauht wird, und thatfäch- lih in der Nähe der Kirhe Wohnungen noch niht vorhanden find, fo würde allerdings ein Mißftand vorliegen, für deffen Beseitigung Sorge getragen werden müßte. In Bezug auf die Frage der Unter- bringung des Geistli&en hat der Herr Abg. Dr. Scaedler mit Recht hervorgehoben, daß hier besonders schwierige Verbältnifse vor- liegen, weil die Kirche thatsäblih auf einem Gebiet liegt, auf welhem die Bebauung noch im Rückstande ift, und weil in der Zukunft erft, vielleiht veranlaßt durch den Kirchenbau, die Errichtung von Wohngebäuden weiteren Fortgang nehmen wird. Der Herr Abg. Dr. Schaedler hat aber auch gleihzeitig die Schwierigkeiten hervor- aden welhe mit der Erbauung von Dienfstwohnungen für die

irhendiener verbunden sind. Ausnahmefälle sind nur gar zu leiht zu konstruieren, und es könnte sehr wohl mögli sein, daf aus einer Bewilligung, welche hier an dieser Stelle vem hohen Haufe angetragen wird, in der Folge mehrfach Wünsche auf Herstellung von Dienft- wohnungen für Geistliche abgeleitet werden. möchte infolge dessen zunächst nihts weiter in Ausficht ftellen, als daß die Frage einer wohlroollenden Erwägung unterzogen werden soll.

Abg. Schall (d. kons.) bedauert, daß bezüglich der protestantischen Garnisonkinhen in Berlin niht mit derselbzn Opulenz verfahren werde, wie gegenüber den katholisen Garnifonkirchen.

Gestrichen werden ferner 450 000 Æ für eine Jnfanterie- kaserne in Zabern und 15 000 # Kosten des Entwurfs für einen Neubau eines dritten Garnisonlazareths in Meß. Außer- dem werden einige Titel, dem Antrage der Budgetkommission entsprechend, gdie .

Damit ist die zweite Berathung des Militär-Etats erledigt. _ Schluß 51/2 Uhr. Nächste Sigung Donnerstag 1 Uhr. Zweite Lesung des Konvertierungsgeseßes , Interpellation evezow wegen der Handwerkervorlage und Etat des Reichs- JInvaliden- und des allgemeinen Pensionsfonds.)

Preußischer Landtag. Herrenhaus.

10. Sißung vom 17. Februar 1897.

Ueber den Beginn der s ist gestern berichtet worden. Auf der Tagesordnung steht die zweite Berathung des Lehrerbesoldungsgeseßes. In der Generaidiskussion erklärt zunächst Ober - Bürgermeister Becker: Der Entwurf ift zu meinem Bedauern aus der Kommission wesentlich in der Fassung des anderen ra hervorgegangen. Insbesondere sind die Wünsche der städtischen itglieder diejes Hauses in der Kommission in keiner Weise berücksichtigt worden, obwohl die betreFenden Anträge zum theil im anderen Hause von der Regierung als zulässig erklärt worden find. Auch § 8, der die Alterszulagekafsen ohne Noth mit diesem Geseh verbindet, ift auf- rei erhalten worden. Darnach haben sich die Vertreter der großen Städte darauf beschränkt, die Wiederberstellung der Regierungëvorlage, welche das Ausscheiden der großen Städte aus diesen Kassen auf ihren Antrag gestattete, zu beantragen; aber au dafür ift keine Mehrheit zu er- langen gemesen. Auch der Antrag Sattler, den Städten ihre Bezüge nah dem Geseß von 1888 zu belassen, also den Abzug der 2%/o des Ginkommensteuersolls fallen zu laffen, fand vor der Kommifsionsmehr- heit keine Gnade. Unter diesen Umständen müssen die Vertreter der großen Städte nohmals eindringlih die Ungerechtigkeit kennzeihnen, die mit den Kommissionébeshlüfsen den großen Kommunen zugefügt wird. Auh diese wollen ten Lehrern belfen; aber warum muß es denn auf dem Wege der Vorlage geshehen? Wozu die Alterszulagekafsen, nach denen gar kein Bedürfaiß vorliegt, die den Ruhegehaltskafsen nachgebildet Fad, welche ih bereits als eine unvor- theilhafte Einrichtung herausgeftellt baben. Die Alterszulagekassen find nicht nöthig, und sie find {ädlich. Warum werden sie denn niht auh gleichzeitig für die höheren Lehrer eingeführt, die ihrer doch gerade so gut bedürfen müssen? Für die Mindestalterszulagen zahlt der Staat den Durchschnitt oder noch mehr; da können doeh die Schwankungen, vor denen gerade diese Kassen die kleinen Gemeinden angeblich bewahren jollen, nicht fo groß sein. Die Sache würde sehr viel besser funktionieren, wenn der Staat die wirklih erwachsenden Alterszulagen den Gemeinden zushiefit, wie es ein von mir eingebrahter Abänderungéantrag will ; dann ift jede Schwankung ausgeshlofsen. Mit dieser Aenderung würde der eine Grund für die vorgeschlagene Einrihtung der Alterszulage- kassen beseitigt. Der andere Grund ift, daß man den Lehrern die Frei- agte aué den fleineren in die größeren Gemeinden gewährleiften will. Aber dieser Zweck wird mit Hilfe solher Kassen nicht erreiht werden. Die Bedenken, die die größeren Gemeinden gegen die Aufnahme älterer Lebrer vom Lande haben, liegen garnicht

hausen auf {fich allein angew!esen sein würde, würde natürlih, mit

Rükficht auf den ziemli starken Marsch nah. Darmstadt, den UVebungsplayz in keiner Weise, wie dieses erforderlih, au8nußen können,

Exerzierens in oder bei Dacmftadt besonders untergebraht werden. Ih möchte also doch glauben, daß vom militärishen/ Standpunkte aus gar kein Grund vorliegt, um das Fortziehen dieser Abtheilung von Dacmsftadt irgendwie zu rechtfertigen, und daß, wenn angeführt geräumt worden ift, weil es zu einer militärishen Benußung nicht sei, um eine Artillerie-Abtheilung aufzunehmen, dieses für mich nicht

Abg. von Kardorff (NRp.): Der Nriegd-Meer bat für dieses bewilligt wird. Die Verlegung der Artillerie nach Babenhausen ist

Gebiet. Dem Lande kann, wenn auch die Städte die Lande nehmen, mit solher Aen Denn der Lehrer der ländlichen Gem er ift mit der Bevölkerung des Lan eber, er ift Gemeindeschreiber u. \. w. - sind überdies im Dur(hschnitt älter als auf Der

ganzen Einrichtung wird nur erreibt der wider den Willen der einde die Lehrer vom Lande in die Städte versezt, und das s{eint au die Absibt des Geseßes zu f wenigstens werden manhe Bestimmungen der Aarbage erst dur d Absicht verftändli, so die Vorschrift, daß die Umzugékoften Lehrers bei a Verseßungen vom Staat getragen werden. Des, gleihen die Bestimmung, daß die gesammte Dienstzeit an rechnet werden muß. Diese Beftimmung iff für die lichen Gemeinden von ganz besonderer Härte; denn fie niht das Vorschlagsrecht bei der Grnennung der Lehrer, welches in den öôftliGen Gemeinden besteht. Es besteht zwar in einigen Gemeinden die Fakultät, wenigftens einen bestimmten Lebrer vorzu- s{lagen, aber das ist nur eine Verwaltungsmaßnabme des Kultus, Ministers, die jeden Augenblick von ihm oder seinem Nachfolger wieder aufgehoben werden kann. Der Kultus-Minister will ¡war die jeßigen Gepflogenheiten bei der Anstellung auch weiter respektieren, b wir wissen niht, was seine Nachfolger tbun werden. Darnad bleiben von der neuen Einrichtung der Alterszulagekassen [ledig li nalhtheilige Folgen übrig, in erster Linie der bureau- kratishe loniômus, der über das ganze Land ver breitet wird, und Gleihmäßigkeit wird doch niht errei, weil Berlin allein wieder ausgenommen wird. Die Gleih- mäßigkeit der Fristen bei den pu agen paßt niht im geringsten für die sämmtlihen Lehrer, Lehrerinnen und Hauptlehrer. Ein weiterer Mißftand is der, daß bei Errichtung neuer Lehr- stellen die Gemeinde sofort nah dem Durchschnittsgehalt zur Alters, zulagefafse zu zahlen bat; das ift das größte Hinderniß für die Errichtung neuer Lehrerstellen in den Gemeinden felbst. Ein direktes Verhältniß der städtishen Verwaltung zu den Lezrern bleibt überhaupt niht mehr beftehen, wenn die Städte bloße Agenturen der Alters, zulagekafsen werden. Damit wird das leßte Band zwishen Gemeinden und Lehrern zerrissen, und die Staatsfhule ist fertig, ¿loß daß die Gemeinde nab wie vor bezahlen muß. Die Städte baben daher den dringenden Wuns, daß § 8, der die Alterszulagekafien statuiert, gestriGen wird. Ih beantrage dies wieder, und zwar mit dem Zusaße, daß der Staat den armen Gemeinden, um Schwankungen in den Etats derselben zu vermeiden, das Durd- \nittêgehalt direkt zahlt. Wollen Sie aber durchaus eine Selkft- verfiherung haben, fo lassen Sie doch wenigstens die größeren Gemeinden heraus; warum wollen Sie fie gegen ihren Willen da hineinzwingen? Wir haben uns mit allen Kräften bemüht, den Wünschen der andern Seite entgegenzukommen, wir haben alles ver- mieden, was den Gegensay zwishen Stadt und Land verfhärfen könnte; wir haben uns {ließli auf die ursprängliche Vorlage zurückgezogen: auch das if vergeblich gewesen. Nun, im vorigen Jahre waren wir Bundesgenofsen; sollen wir jeßt fißen gelassen werden? Daher die Bitterkeit, die wir empfinden und an der wir noch lange zehren werden und unsere Gemeindeeingesessenen erf recht, wenn unsere Vorstellungen nit berüdsihtigt werden. Angesißts der Erklärung sämmtlicher Parteien im Abgeordnetenhause is niht zu befürchten, daß dasselbe der Vorlage nicht zustimmen wird, wenn unsere Anträge darin Aufnahme finden; sonst bâtte ja jenes Haus das ganze- Odium der Ablehnung vor dem Lande zu tragen. Untershäßen Sie die Frage niht so sehr, ob Sie das Gesey mit uns oder ohne uns zu stande bringen. Wir sind für ein Linfengeriht zu haben ; verschließen Sie si unsern besheidenen Wünschen in leßter Stunde nicht!

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten D. Dr. Bosse:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat sich ausgelassen über die grundsäßlihen Bedenken, die nah feiner Aufiht und gewiß nad der Ansicht der größzren Zahl der Herren ftädtishen Vertreter in diesem hoben Haufe der Vorlage, so wie sie aus dem Schoße Jhrer Kommission hervorgegangen ift, entgegenzustehen scheinen. Er hat mit großer Beredsamkeit Sie zu bewegen versuht, dem Geset- entwurf in dieser Gestalt, wie ihn die Kommission vorgeschlagen hat, die Genehmigung nit ju . ertheilen. Meine Herren, ih hofe, Sie werden sich von diesen Ausführungen nicht umgarnen lassen (hört! hört!), wiewohl ich vollkommen anerkenne, daß die Vertreter der Städie durhaus pflihtmäßig handeln, wenn sie nah ibrer Ueberzeugung die Interessen der von ihnen vertretene Städte nah Kräften vertheidigen. Nichts liegt uns und speziell au mir ferner, als den Gegensaß zwishen den Städten auf der einen Seite und dem platten Lande auf der anderen Seite zu vershärfen. (Bewegung.) Ja, ih kann sagen, nihts ift mir weniger erfreulich an diesem Gesetzentwurf, als der Gegensaß, der sich in der Kommisfion und hier im Hbohen Hause zwishen den Vertretern der Städte und den anderen Mitgliedern des hohen Hauseë herausgestellt bat. Jh meinestheils kann versichern, daß id alles thun werde, um diesen Gegensaß niht etwa ¿u vershärfen, sondern auszugleihen und Entgegenkommen zu beweiser, und ih glaube, daß mir auch die Herren das Zeugniß nicht versagen werden, daß ih mich nach dieser Rihtung hin redlich bemüht kate, und das gilt au von der ganzen Königlihen Staatsregierung. Dennoch haben mich die Ausführungen des Herrn Ober-Bürgtr- meisters Becker niht überzeugt, und ich kann mit gutem Gewissen dem boben Hause empfehlen, dem Geseßentwurf in der Form zu stimmen, wie ihn die Kommission an Sie herangebracht hat. Meine Herren, um in diese Genera1diskussion denn Charakter einer solGen hat ja nun die Besprehung an genommen näber einzugehen, so hob dec Herr Ver redner zunähst hervor, es fämen ja die Alterézulag- faffen, gegen die sih sein Hauptwiderspruh richtet, bisher in feine Staat und noch für keine andere Beamtenkategorie vor. Das ik auch ganz rihtig. M-ine Herren, in kleinen Staaten, wo einheitliße und übersichtlihe Verhältnisse sind, braucht man keine Alterszulagt- kassen; da brauGt man sie hon um deswillen niht, weil dort der Staat die wesentlichen Leistungen für die Schule selb übernommt# hat. Das ift bei uns anders. Wir haben keine Staatss{chule, wt wollen auch feine Staatsshule haben, sondern wir wollea unsert verfassungsmäßige Gemeindeshule haben und wollen sie aufreht erhalter- Ich kann dies als den ernsten Willen der Königlichen Staatsregierung bitt nur wiederholt auf das bestimmtefte bezeugen. Und daß man bei

Qt U)

z

2E

F

den. andern Beamtenkategorien keine Alterszulagekafsen hat, ergiett

sich sehr leiht;.da if der Staat der einzige Verpflichtete ; hier aber bei der S@ule liegt ein gemishtes Syftem vor: der Staat und die Gemeinde fkonfurrieren, der Staat bilft mit seinen Mitteln den Gemeinden, die nicht im stande find, ner® Axforderungen zu übernehmen, und es ift das ein Grundgedanke dieset Gesetzes von vornherein gewesen, aus dem si allerdings naturgen

ein gewisser Gegensaß zwishen Stadt und Land ergeben hat. Den thatsählih liegen die Verhältnisse bei uns fo, daß die größte Le ftungsfähigkeit bei den Städten is, während wir dagegen auf den Lande mindestens an der Grenze unserer Leistungsfähigkeit ang kommen sind (sehr richtig), sodaß es feine Regierass

so sehr auf finanziellem als auf tehnischem und pádagogishem

würde verantworten können, unter den heutigen Verbältnife

Q ZZF

bei der gegenwärtigen Nothlage der Landwirthschaft, unsern ländlichen Gemeinden mit neuen Opfern zu kommen, die ihnen für die Schul- lasten zu bringen zugemuthet werden follen. Das geht nicht an, meine das ist der einzige Gegensaß zwischen Stadt und Land. Ih wünschte au; unser Land wäre so leiftungsfähig, wic die großen Städte. Ein anderer Gegensay liegt nit vor, und es liegt uns au ganz feru, einen Gegensaß zwischen Stadt und Land hervorzurufen und eine Bitterkeit zu pflegen, die nach der einen oder andern Seite entftehen könnte. Nein, meine Herren, dies Gefeß soll ein Gesey des Friedens sein. (Lachen.) Za, meine Herren, das Gesey war ein Gese des Friedens. Wir hätten lieber das Gesey mit Ihnen gemacht ; wir find Ihnen entgegen- gekommen bis an die Grenze des Möglichen, die vor uns lag. Nun, meine Herren, lassen Sie mich dies nur ausführen. Wenn man bei unseren Verfassungsbestimmungen ein Geseß dieser Art zu ftande bringen will, so ift es garniht anders zu machen, als daß beide Häuser des Landtags auf einander Rücksiht nehmen. Nun, meine Herren, hat die Majorität des Abgeordnetenhauses mit Zurückstellung sehr \{chwerwiegender Bedenken und mit großer Selbftverleugnung die Nothwendigkeit dieses Geseßes an- afannt, und das Abgeordnetenhaus hat, um endli einmal den Lehrern zu helfen, um endlich den Uebelständen, die fih aus der jeßigen Lage des Lehrerbesoldungswesens ergeben, Abhilfe zu schaffen, ih entschlofsen, die Sache so zu machen, wie sie an dieses Haus gelangt ift. Ja, meine Herren, glauben Sie denn, daß es den Mit- gliedern der Kommission, die nicht für die städtishen Wünsche ge- stimmt haben, leiht geworden is? Bei ihnen sind au shwere Gewissensbedenken zu überwinden gewesen, und es hat jedem ein Stück Selbstverlengnung gekostet, dem Geseß, so wie es if, zuzustimmen. Aber die Ueberzeugung, daß gegen die Notbwendigkeit des Geseßes sich niemand heute mehr verschließen kann, diese Ueberzeugung, daß die Sache unentbehrlich ift, hat \{ließ- li den Ausschlag gegeben und dahin geführt, das Gefeß in einer Form seitens Ihrer Kommission zu votieren, von der man annehmen kann, daß fie au die Zustimmung des anderen Hauses finden werde. Gewiß, meine Herren, sind das formale und vielleiht auch taktische Rüsichten, aber man kann im parlamentarischen Leben und im Staatéleben, wo es sich um das Zusammenwirken mehrerer Parteien Und dreier Faktoren beim Zustandekommen der Gesezge handelt, niht anders handeln; da muß man auf einen Kompromiß, auf eine gegenseitige Verständigung hbinarbeiten, und, metne Herren, Sie werden der Regierung das Zeugniß nicht ver- sagen, daß sie nah dieser Richtung hin mindestens einen ernsten Ver- such gemackt hat, den Städten bis an die Grenze der Möglichkeit entgegenzukommen. (Zuruf.)

Meine Herren, das ift in folgender Weise geshehen: Wir sind im vorigen Jahre hier nicht dur&gekommen und zwar wesentlih wegen des Widerspruchs der Städte. Wir haben uns von jeder Verbitterung nah dieser Seite hin ferngebalten und haben uns gefagt: die Städte haben ihre Interessen zu vertreten. Haben sie die Ueberzeugung, daß ibnen das nicht nüßlich ist, so müssen sie auch in der Lage sein, das geltend zu machen.

Nun haben wir uns gefragt: wie können wir den Widerspruch der Städte beseitigen, wie können wir ihnen entgegenkommen, wie weit können wir ibnen entgegenkommen, und zwar so, dàß wir auf die Annahme des Gesetzentwurfs im Abgeordnetenhause renen können? Da sind wir denn auf Grund sehr sorgfältig eingezogener Informationen zu zwei großen Konzessionen gelangt: einmal zu der Konzession, daß wir sagten, wir wollen die kreiéfreien Städte aus den Alterszulagekassen heraus- lassen. Nun, meine Herren, diese Konzession von unserer Seite ist uns außerordentli \hwer geworden; denn das sieht jeder, daß darin eine Konzession liegt, die das Prinzip, auf dem das ganze Geseß beruht, das Prinzip der Alterszulagen, das Dienstaltersprinzip und die Alterszulagekassen überhaupt , durchlöhhert. Ich komme darauf wohl noch zurück. Also das if uns sehr {wer geworden; aber wir haben geglaubt, dieses Opfer, dieses Loh in der Pauke, den sdtishen Vertretern, den Städten, konzedieren zu dürfen, lediglih im Interesse des Zustandekommens des Geseßes.

Der andere Punkt, der ja bier auch erwähnt worden ist, ift der, daß wir in Bezug auf die finanzielle Belastung der Städte so weit entgegengekommen sind, daß nur ein Minimum der zwei Prozent des Einkommepnsfteuersols noch als Maßstab bestehen geblieben ift, Wir hatten geglaubt, dabei auf die Zustimmung der Städte renen zu dürfen oder doch wenigstens auf ein so freundlihes Gnt- gegenkommen, daß damit das Gesey zustande zu bringen sein würde. Darin haben wir uns getäusht. Schon der Vorstand des Städte- tages, der bier in Berlin zusammentrat, verhielt fih wesentli ab- lebnend gegen diese beiden Konzessionen und erklärte sie für nit ausreihend. Nun kam die Sache in die Kommission des Abgeordnetenhauses. In der Kommission des Abgeordnetenhauses wurde von vornherein die Konzession, die kreis- freien Städte aus den Alterszulagekafsen herauszulassen, niht mit Sympathie begrüßt und selbs diejenigen Mitglieder der dortigen Kommission, die für die Interessen der Städte sonst lebhaft ein- getreten waren, konnten fh für diese Konzession nur mäßig er- wärmen. Es ift daber auh die Streichung des § 8 nahezu ein- stimmig in der Kommission und naher im Plenum des Abgeordneten- hauses angenommen worden.

Meine Herren, nun haben wir nichtsdestoweniger hier in der Kommisfion in der ersten Lesung erklärt ih selbst habe das erklärt —: wir haben in der Vorlage diese Konzession den Städten gemaht in der Absicht, friedssam mit den Städten zu verhandeln, ibnen eine Brücke zu bauen, auf der sie kommen und uns die Hand entgegenstrecken und erklären fonnten: gut, wenn das angenommen wird, dann werden wir das Gesey mitmachen. (Rufe links: Wollen wir au!) Diese Erklärung wurde erst abgegeben in allerleßter Stunde, in einer Stunde, wo nah meiner Ueberzeugung es, wie ih leider glauben muß, zu spät war. (Widerspruch links.) Denn diese Dinge siad niht geheim geblieben, sie sind in die Oeffentlichkeit binausgegangen, man weiß sie drüben im Abgeordneten- hause, und meine persönlihe Ueberzeugunz is es, daß im Abgeordnetenhause das Gesey gefährdet wird, wenn wir in dieser Be- ¡tehung Wesentliches ändern. (Widerspruch links.) Es ift meine Veberzeugung ; dafür kann ih nit; ih ftelle Ihnen anheim: wenn Sie anderer Ueberzeugung sind, mögen Sie dana handeln. Ich halte es für meine Pflicht, das hier offfen auszusprechen und dadurch zu motivieren, weshalb ich hier nit mit der- selben Lebhaftigkeit für die ursprüngliche Regierungsvorlage in diesem

Punkte eintreten kann, wie ih es im Abgeordnetenhause und auch bei der erften Lesung in der Kommission gethan habe.

Es bandelt ih um ein Kompromiß, es handelt sich- um eine gegenseitige Verftändigung mit dem anderen Hause, es handelt sich um Herstellung eines Geseyzes, das wir unter allen Umständen für noth- wendig erachten, für hôöhft nothwendig erahten, und da kann ih niht anders sagen, daß jeßt die taktishe Lage der Sache anders ift, als sie zu der Zeit gewesen ift, als das Geseg an das Herrenhaus kam, Nun sagt Herr Ober-Bürgermeister Becker: man braucht ja die Alterszulagekafsen überhauvt niht; bei den kleineren Gemeinden könnten eigentlih gar keine Schwankungen eintreten; er meinte, am allerbeften wäre es, wenn der Staat einfah die Minimalalterszulagen bezahlte. Meine Herren, das kann ein Kind einsehen, daß das ein direkter Schritt zur Staats\hule wäre, wie wir ihn bisher noch nit gehabt haben. (Sehr rihtig) Wenn Sie die Gemeinde- \hule haben wollen, dann machen Sie dieses JInftitut der Alterszulagekassen, zu denen die Gemeinden zusammengeschlofsen werden, um die s{wachen Schultern der Gemeinden und namentli der weniger leiftungsfähigen zu stärken. Dann leisten Sie der Ge- meindeshule im Sinne der Verfassung einen wirklihen Dienst, (Sehr richtig!) und niht damit, daß der Staat einfa hintritt und sagt: Ich bezahle Euch die Alterszulagen.

Nun meint Herr Becker, die Schwankungen bei den Alterszulage- kafsen könnten nicht so groß sein, wenn der Staat den Durchschnitt oder noch ein paar Mark darüber, wie vorgesehen bezahlt. Wer aber jemals mit einem Stellen-Etat zu thun gehabt hat, weiß ganz genau ih will mal sagen bei 10 oder 20 Stellen daß ein großer Unterschied ist, wie sh die Kosten der einzelnen Stellen infolge des verschiedenen Dienstalters der Stellen- inhaber berechnen gegenüber dem Durchschnitt. Sind viele ältere Beamte oder Lehrer in den älteren Dienstalteröstufen, so wird der Durchschnitt niht ausreichen; und find sehr viele in den unteren Stufen, so wird der Durchschnitt nicht bloß ausreihen, sondern niht einmal vollständig verbrauht werden. Und gerade für diesen Aus- gleich sind diese Alterszulagekassen das einzig praktishe Mittel; sie beruhen auf sorgsamer Ueberlegung, auf sorgfältiger Be- rechnung, und es haben alle die Herren, mit denen ih die Sache besprochen habe, mit Ausnahme der städtishen Vertreter, bei denen wohl noch andere Rücksichten vorwalten, die übrigens ja au Herr Beer nicht verschwiegen hat (Ruf: Welche denn !), sich über- zeugt, daß die Alterszulagekassen so entbehrlih, wie Herr Becker es hinftellt, nit sind.

Nun sagt Herr Vecker ferner, man hätte hier den Ausdruck „Freizügigkeit* erfunden. Richtig; und es is zuzugeben, daß dieser Ausdruck „Lehrerfreizügigkeit“ nicht gerade sehr korrekt ist und sich mit dem Begriff, den man sonst damit ver- bindet, niht absolut und logisch deckt. Das Ganze, was wir erreichen wollen, ift, daß das jeßige Interesse, das die Städte haben, nur ganz junge Lehrer anzustellen und \sih den Zuzug älterer Lehrer, die von außen kommen, fern zu halten, daß dies Interesse und zwar das finanzielle Interesse wegfällt. Wir denken gar niht daran, die Städte zu zwingen, ältere Lehrer anzustellen oder ihnen Lehrer vom Lande zu oktroyieren, die, weil sie hon längere Zeit auf dem Lande gewesen sind, niht mehr im stande sind, denjenigen An- forderungen gerecht zu werden, die die Städte mit Recht an ihre Lehrer stellen. Wir können nur dankbar dafür sein, daß die Städte auf die Qualifikation der Lehrer einen solhen Werth legen. Wir müßten blind sein, wenn wir uns gegen die Verdienste, die die Städte auf diesem Gebiete haben, verschließen wollten. Im Gegentheil, wir er- kennen an, daß die Städte das allergrößte Verdienst um unser Schul- wesen haben, auch Verdienste mit großen Opfern und Leistungen, vor denen man allen Respekt haben muß. Aber, meine Herren, das bleibt immer, daß, wenn die Städte nicht in die Dienstalterszulagekafsen eintreten, sie dann bestrebt sein werden, {hon aus Etats- und finanziellen Interessen, vorwiegend junge Lehrer anzustellen. Diese Erfahrung machen wir au durchweg nicht in allen Städten, aber die Ausnahmen sind nur vereinzelt. Wir haben Städte, die eine ganz bestimmte Norm angenommen haben, daß ein Lehrer nur zwei oder drei Jahre vom Seminar weg sein darf, daß er nicht älter als 26 Jahre sein darf. Dadurch sind die Lehrer, auch die tüchtigen Lehrer, die in späteren Jahren gern in eine Stadt kommen möchten, wenn ihre Kinder heranwachsen, deren Grziehung sch nur in der Stadt vollziehen läßt oder dort jedenfalls sehr erleihtert wird, dadurch sind diese Lehrer jeßt von den Städten ganz ausgeshlossen. Wir wollen die Städte nicht zwingen, diese Lehrer zu nehmen; das liegt uns fern; im Gegen- theil, ih gehe damit um, daß wir den Städten, wo dic Regierung jeßt ganz allein das Recht hat, die Stellen zu besezen, au schon im Verwaltungs8- wege, so lange wir ein allgemeines Schulgeseß noch nit haben, eine Mitwirkung bei der Anstellung einräumen. Es ift mein dringender Wuns, daß alle Nörgelei und alles bureaukratishe Wesen auf dem Squlgebiete eingeschränkt wird, und die Herren wissen sehr wohl, daß ih mich bemüht habe, solche Einschränkungen zu schaffen und daß mir das, wenn au nicht in sehr weitem Umfange, doh hier und da ge- lungen ist. Also daran denken wir nicht, sondern wir wolden nur freie Bahn maten für die Lehrer, und das liegt im JInter- esse des Lehrerstandes. Die Befriedigung des Lehrerstandes über dieses Gesey wird um so größer sein, je freier ihnen nach dieser Richtung die Bahn gemacht wird. Oktroyieren wollen wir den Städten die Lehrer niht; wir wollen, daß die Städte tüchtige Lehrer aus- wählen, niht nah finanziellen, sondern nach pädagogischen und per- sönlichen Rücksichten. Dagegen haben wir nicht das Geringste ein- zuwenden, und wo wir es niht müssen, werden wir ganz gewiß einer Präsentation einer Stadt, die uns einen Lehrer vorschlägt, die Genehmigung niht versagen. Wenn dies ohne Grund geschieht, geschieht es gegen meinen Willen, und wenn es fälschlich geschieht, mag man sih beschweren, dann wird in der Zentralinftanz Nemedur geschaffen werden.

Nun, meine Herren, ih habe {on bemerkt, daß die Städte nah meiner Ueberzeugung sich etwas zu spät auf die Vorlage der Regierung zurückgezogen haben. Hätten wir von Anfang an so gestanden, hätten die ftädtishen Herren Vetreter uns die Hand gereiht, so hätte sich über die Sache reden lassen. Jepyt die Sache noch zu machen, scheint mir sehr shwer und scheint mir das Gesetz der äußersten Gefahr im andern Hause entgegenzuführen. (Zustimmung und Widerspruch.)

Ih möchte mih deshalb in diesem Stadium der Berathung darauf beschränken, die dringende Bitte an Sie zu richten, im Inter-

effse unserer Schulen, im Interesse unserer Lehrer und auh im Inter-

effse dieses hohen Hauses nunmehr den Beschlüssen Ihrer Kommission zuzustimmen. (Bravo!)

Graf von Klinckowftroem: Nach den Ua des Kultus-Ministers in der Kommission ift thatsächlih_.eine Mehrbelaftung der ärmeren Gemeinden des Ostens durch dieses Gesey in der Haupt- ache auêgeschlossen. Dadurch verändert sih meine Stellung zu der orlage ganz wesentli®. Die Bundesgenofsenshaft des vorigen Jahres kann für die heutige Situation niht mehr geltend gemacht werden; wenn. in diesem Jahre den Wünschen der Städtevertreter irgendwie entsprohen würde, entsteht die Gefahr, daß das Gefeß im anderen Hause gegen meine politischen Freunde, die Konservativen, angenommen würde, und das können und dürfen wir nicht zulassen. Namens der konservativen Fraktion erkläre ih, daß wir den Koni- misfionsbes{lüfsen zustimmen und alle Amendements ablehnen werden, auch das von Herrn von Wedel eingebrachte, welhes die Verbindung des Lehreramts mit einem kirhlihen betrifft. Wir ftimmen für die Vorlage in der Hoffnung, daß das Abgeordnetenhaus es in diefer S, annimmt und daß das Schuldotationsgeseß und das allge- meine Volks\hulgeseß baldigst nahkommen werden.

Ober-Bürgermeister Westerburg- Cassel: Das Gesetz ist kein Gesey des Friedens, sondern es hat eine ftarke Erbitterung in der Bevölke- rung hervorgerufen. Der Kultus-Minister beruft sich auf seine per- sönliche Haltung; aber vergißt er denn, daß der Ministerial-Direftor Krüger die Vorlage direkt bekämpft hat? Steht denn Herr Krüger über dem Kultus-Minister? Die Städte werden ja unterliegen ; unsere Hoffnungen auf das Herrenhaus als Palladium gegen zufällige Majoritäten sind nicht in Erfüllung gegangen. Die Städte werden fh daran gewöhnen MEYen das nil admirari wird ja tägli aktueller. Aber wir haben Bundesgenofsen im Leide; nicht die Regierung, nit die Lehrer haben ungetrübte Freude an dem Geseß. Freude darüber wird lediglich Herr Krüger empfinden; denn der Finanz - Minister hat ausdrücklih anerkannt, daß große Mißstimmung entstehen muß, wenn die großen Städte in die wangëjade der Alterszulagekassen gezwängt werden. Diefe ‘assen sind wirklih ganz überflüssig, das hat der Finanz-Minister felbst ausgeführt, für die Städte, wie für die Lehrer, soweit die großen Städte in Betracht kommen. Der Beschluß des Abgeordnetenhauses läßt sich nur aus einer Verstimmung gegen die großen Städte erklären. Ja, ift do ausdrüdcklich erklärt worden, doß man den Städten ver- übelte, daß fle sih auf dem Städtetage wegen der finanziellen Shä- digung, die ihnen widerfahren solite, ihrer Haut zu wehren suchten. Der Kultus-Minister von Goßler stand da doch auf einem höheren Standpunkt; er erklärte, er nehme eine solhe Haltung den Städten nicht übel. Hier aber wird der Beschwerdeführer, weil er sich beshwert, noch mit einer Extrastrafe bedaht. Die Ansicht, daß das Gese ge- fährdet sei, wenn es in dieser Richtuzg geändert wird, if irrig. Das Abgeordnetenhaus nimmt das Geseß auf jeden Fall an, da die Wahlen vor der Thür stehen. Diese hema ift alîo un- berechtigt; berechtigt is sle allerdings bei der Resolution wegen des allgemeinen Volks\chulgeseßes, denn den Schlüfsel dazu haben Sie mit der heutigen Vorlage ins Wasser geworfen.

Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Der Vorredner giebt mir die erwünschte Gelegen- heit, auch einige Worte an meine früheren alten Kollegen von den Städten zu rihten. Meine Herren, ih kann mich allerdings in die Stimmungen der städtishen Vertreter hineindenken, obwohl, wie ih gleih ausführen werde, ih sie immer und noch heute für vollfommen übertrieben gehalten habe. Aber ih kann dae nicht begreifen, daß, wo es fich um ein großes, wichtiges Landesinteresse handelt, um eine neue Ordnung der Gehalte unserer Lehrer auf einer festen, geseßlichen Grundlage, wo allseitig auh von den Vertretern der Städte die große Wohlthat und Nothwendigkeit dieses Geseßes anerkannt wird, ftädtishe Vertreter, bloß weil fie auch in die Alterszulagekafizn ein- treten sollen, fich entschließen köanten, gegen das ganze Gesez ju stimmen. Das i} mir, aufrihtig gesagt, unverständlich. Ich brauhe nicht daran zu erinnern, daß überhaupt ein Gese von irgend einer großen Bedeutung, namentlich dieses Geseg, wo so viele ideale, religiöse und wirthschaftliche divergierende An- \hauungen und Interessen in Frage then, ohne Opfer, ohne gegen- seitige Zugeständnisse und Kompromifse unmöglich ift. Das war von vornherein klar, tas war auch für die Regierunz klar, und der Herr Kultus-Minister hat vollständig Recht, wenn er fagt : dieïzr Sefezg- entwurf, wie wir ihn ursprünglih vorgeleat haben, ift ein Frizden®- gese, wenigstens vom Standpunkt der Regierung aus. Dieser Ent- wurf hat die Gegensäge, die das Geseg zum erften Male scheitern ließen, auszugleichen gesuht, und wir haben dabei Opfer gebracht, eigentlieh gegen unsere eigene Ueberzeugung. Denn, meine Herren, wenn der Herr Vorredner das ift s Shlagwort, was \ih allmäblih eingebürgert hat j. L gleihe Behandlung der vershieden leiftungsfähigen Kommunez in Betreff der Staatszuschüfse für die Auferlegung einer Präzipualsiew für die Städte erklärt: ja, meine Herren, so ist das zwar e ‘Sas Slagwort, womit man in Volksversammlungen agitieren kann. 2d do nit etwas, was im Herrenhause fid Wirkung verspre (Sehr gut !)

Meine Herren, wie lag denn die Sache ? Ich din aud deute ne è Ueberzeugung, daß die Geseze von 1887/88 in Bezug auf diz ridtize Var« wenduxg von Staatsmitteln für S{ulzwecke verfehlt warez: id din der Meinung und weiß das aus den Akten, dak diefes Gers mad den Intentionen der Regierung garkein Geîseß zur Arleidtrrenz 27d Regelung grade der Sullasten sein sollte, sondern rin Sees zar Minderung der damaligen sogenannten kommunalen Notbiage sehe hier im Herrenhause ein Mitglied, welches mir J könnte aus seinen eigenen amtlichen Kenntaific«n. Da dat 28 natürli gleihmäßig vertbeilt und die jegt maßgedeaden Gefitb- punkte garniht hervortreten laffen; egt ader daden in der Zwischenzeit die kommunale Notdlage dur Cine tief cingreifende Steuerreform gebeilt, wir baden 18 Mile lionen Realsteuern an die Kommunen übderwicken, und ©@Œ kann niht dem geringsten Zweifel unterliegen, daß dadur verhältnißmäßig die Lage gerade der großen Städte am meisten Dor« bessert ist. (Sehr wahr!) Wenn der Herr Vorredner mi als Autorität anerkennt im Rechnen, fo bitte ih, mi in Beziebumg auf diesen Punkt nicht als Autorität anzuerkennen. (Heiterkeit.

Meine Herren, wenn wir nun ein neueë Gesey maten wo die Beiträge des Staats und sie betragen ja Fett nun fast 19 Millionen neu zu regeln sind, dak wär da diese veränderte Sa@lage in poarK und

7 94 Por bs E

Daten

Erwägung sagten: wir müssen uns, da es sich bier zweifellos um rîn wirth Schulgeseß handelt, an die verfassungsmäßige Lage, weile dier Leistungsfähigkeit und die Bedürftigkeit der Kommunen als die Grund lage für die Leistungen des Staats für die SHule bezoihnet, vingor- maßen wieder annähern ; daß wir diese bezei@hneten Thatsathon in Wee rücksichtigung ztehen mußten, wenn wir gero@ht fein wollten umd won wir, wie gesagt, einigermaßen die verfafsungömäßige Stellung zu Schule wiedergewinnen wollten, das kann do gar feinem Zwotfel

unterliegen. J bin au deute der Motnung und @ dabe do