1897 / 44 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 20 Feb 1897 18:00:01 GMT) scan diff

genannte Phenolphtaläin bestand. Dieses Phenolphtalöin hat sih aber bei den weiteren UntersuWungen nit als geeignet erwiesen. Im Laufe des vergangenen Sommers war das Gesundhbeitsanit zu der Meinung gekommen, daß es sih empfeble, als ein solches Mittel die Stärke vorzuschreiben. Das war mir außerordentli \ympathish, denn die Stärke ift auch ein Nahrungsmittel und gegen den Zusaß von Stärke zur Margarine kann {ließli niemand, selbst der \skrupulésefte Kritiker nicht, eine Einwendung erbeben. Aber auch die Stärke hat in ihrer Anwendung gewisse Nachtheile und vor allen Dingen den Fehler, daß sie sih aus der Butter außerordentlich leiht entfernen läßt. Also auch dieses Mittel war nicht empfeblenswertk, namenilich erschien es niht angängia, den Stärke;usaß im Gesetze selbft zur Vorschrift zu machen. Nun ift neuerdings ein drittes Mittel erfunden worden, welhes einen Namen führt, der nicht leicht ¡u behalten ist; es heißt: Dimethylamidoazobenzol. (Große Heiterkeit.) Aber wenn es Ihnen rielleiht etwas Mühe machen sollte, diesen Namen zu behalten, so kann ih Sie damit tröften, daß es au der Name Buttergelb thut. Damit Eezeihnet man nämlich dasselbe. Dieses Mittel wird bereits jegt in vershiedenen Gegenden des deut- schen Vaterlandes zur Färbung der Butter verwendet. Ob es sich dazu eignet, ein sicheres für alle Zeiten brauhbares Erkennungsmittel dar- zustellen, das wage ih in diesem Augenblick noch nit zu entscheiden. Ih für meine Person und ih darf das auch im Namen der preußischen Regierung sagen würde bereit sein, in eine Novelle zum Margarine- geses eine Vorschrift aufzunehmen, wodur dem Bundesrath Ver- anlafsung gegeben wird, seinerseits das geeignetste Erkennungsmittel auszuwählen und nähere Vorschriften darüber zu erlassen, in welher Menge dasfelbe der Margarine zuzuseßen ift.

Der zweite Punkt, der im vorigen Jahr den Gegenstand des Anstoßes bei unserer Berathung der Margarinevorlage bildete, war da3 Gebot getrennter Verkaufslokale. Die Majorität des Reichstages verlangte, daß denjenigen Personen, die mit Margarine handeln, die Verpflichtung auferlegt werden sollte, sofern fie auch mit dem Verkauf von Butter sich befassen, den Handel mit diesen Artikeln in verschiedenen Lokalen zu treiben. Im Laufe der Zeit sind uns doch ret erhebliche Bedenken über die Zweckmäßigkeit einer solhen Vorschrift aufgetaußt und namentli erschien es zweifelhaft, ob eine derartige Bestimmung im Interesse der Butter- predufktion selbst gelegen sei, ob ihre vollftändige Durchführung wirkli der Landwirthshaft Nußen bringen würde. Wie ih vernommen habe, ist man inzwishen au in land- wirthshaftlihen Kreisen sehr zweifelhaft geworden, ob ein solches Gebot inébesondere für das platte Land und die leinen Ortschaften sich empfehlen würde. Die Bedenken stüßen sich wesentli darauf, daß sehr leiht, wenn man getrennte Verkaufslokale für Butter und Margarine vorschreibt, der Fall eintreten kann, daß der vor diese Wabl gestellte Händler zu der Ueberzeugung kommt: ih fahce befier, wenn ih auf den Handel mit Butter verzihie und mih aus\chließliG mit dem Vertrieb von Margarine befafse. Meine Herren, die Vorschrift der getrennten Verkaufsräume wird ein Punkt sein, über den man si unterhalten kann, und über den man i halte das nit für allzushwierig vielleiht zu einer Verftändigung fommt. Nur würde ih bitten, den Gedanken fallen zu lasen, daß man das Gebot ganz allgemein ohne Unterscheidung ¡wischen dem platten Lande und den Städten in Wirksamkeit treten lafen folle.

Ein dritter Punkt, der ja au in den vorliegenden Anträgen aus dem hohen Hause zum Autdruck gekommen ist, betrifft die Kenn- zeichnung der Fäffer, in denen die Margarine zum Verkauf gebraht wird. Schon das bestehende Margarinegesez enthält nach dieser Richtung hin sehr wirksame Vorschriften, die, wenn sie zur beobactet werden, ausreichende Gewähr dafür geben, daß man mit der Margarine nit getäusht werden kann. Wenn aber der Reichstag der Meinung ist, daß diese Vorschriften niht genügen, und wenn es sich insbesondere um weiter nihts als um die An- bringung eines rothen Streifens um die Fässer handelt, so glaube ich, werden die verbüntetcn Regierungen keinen Anlaß nehmen, die Ge- seuesvorlage hierwegen abzulehnen.

Und fo möchte ih Ihnen, meine Herren, indem ih mi auf diese kurzen Bemerkungen beschränke, empfeblen, die vorliegenden An- träge an cine Kommission zu verweisen, alfo dem Vorschlag zuzu“ stimmen, den der Herr Vorredner gemackt hat. Gelingt es uns, in dieser Kommission zu einer Verständigung zu fommen, die in Ueber- einstimmung mit dem bereits im vorigen Jahre von mir ausgeführten Grundsag dazu führt, daß auf der einen Seite eine unlautere Kon- kurrenz der Margarine ausges{lofsen, auf der anderen Seite aber au das Interesse der Margarinekonsumenten nicht geshädigt wird, dann wird sich niemand mebr freuen wie ich und die verbündeten Regierungen.

Abg. Dr. Bachem (Zentr.) bofft, daß endlih etwas zu stande kommen werde, was die Konsumenten vor dem Betrug schüße. Gegen- über der entgegenkommenden Erklärung des Staatssekretärs bittet Redner, die Gesegentwürfe an eine Kommission von 21 Mitgliedern zu überweisen. : / j E

Abg. Dr. Kruse (nl.): Au wir wollen der Landwirtbschaft belfend zur Seite stehen, aber wir sind nit der Meinung, daß dur das Färbeverbot und getrennte Verkaufsräume der Konsum der Butter gehoben wird.

Abg. von Ploe t (d. kons.): Die Ablehnung des im vorigen Fahre angenommenen Gesezentwourfs hat in allen landwirtb- \chaftlihen Kreisen \{merzlihe Enttäushung hervorgerufen. Die großen Mittel hat die Regierung abgelehnt; da müßte sie uns dcch wenigstens die kleinen Mittel gewähren; fie hat aber nur einigen Betriebszweigen der Zudckerfabrikation geholfen. Wenn die ge- trennten Verbrauchsräume zur Verdrängung der Butter führten, dann fönnten ja die Herren von der Linken, die so margarine- freundlich sind, für die Vorlage ftimmen. Wir haben in diesem Punkte nachgegeben, weil wir nur wünschen, daß die Konsumenten nicht betrogen werden. Die Konsumenten werden doch mehr geschädigt als die Butterproduzenten; denn der Gewinn an der Margarine war ein ganz unverschämter und betrug bis zu 2009/9. Wenn eine latente Färbung hergestellt wird, fo werden wir auf das Färbeverbot verzichten. Aber wir sollten dabei nicht dem Bundesrath eine weitgehende Vollmacht geben, sondern strifie Grenzen ziehea; denn sonst giebt es Differenzen, wie wir bei der Bätckereiverordnung gesehen haben. Warum ift niht {on früber

eine strengere Anwendung des beftehenden Margarinegefeßes verfügt ? (Zuruf des Staatssekcetärs des Innern, Staats-Ministers Dr. von Boetticher: Ist geschehen!) Dann ift es jedenfalls niht nach- drücklih genug gesehen, denn die Molkerei-Genossens@aften haben si verschiedentlih über die laxe Handhabung des Geseßes beklagt. Dag die Fäffer außer mit der Bezeichnung „Margarine“ auch noch mit einem rothen Streifen gekennzeihnet werden follen, wird. keine Schwierigkeit bereiten ; der rothe Streifen fällt aber mehr in die Nugen als die Schrift.

i:dos fein fo großer e. wie won. ein ey dera ann die Zabl der Verfälshungen nicht bedeutend gewesen sein. Mit

D ärbemittel könnte man si allenfalls abfinden, aber nicht

mit rennung der Verkaufträume. Jedenfalls kann man diese Sache nicht allein den verbündeten R gen überlassen. Die Schlächter baben hon vielfah den Verkauf der Margarine übernommen, und bei Trennung der Verkaufêräume wird auf diese der Verkauf anl übergehen. Gegen die Ueberweisung der Vorlage an eine Kommission baben wir nihts einzuwenden; die Kommi onsberatbungen follten nur so lange ausgedehnt werden, bis der Bundesrath mit seiner

latenten Färbung fertig ift. - i

Abg. Wurm (Soz.): Kein Gesey kann verbindern, daß Margarine als Butter verkauft wird, so lange niht der Chemiker den Zusaß von Margarine zur Butter entdecken kann. Margarine gebt aufs Land und wandert nachher als Tafelbutter wieder in die Städte. In der Rede des Staatésekretärs vermifse ih den Hauptpunkt: _Was machen wir mit der vom Auélande kommenden Butter, die Margarine ift und den Zusay für die latente Färbung nit hat ? Soll eine langwierige Kontrole an der Grenze stattfinden ? Die ganze Vorlage ist nur ein Agitationëmittel, um den Bauern einzureden, sie würden

eschútt, während es thatsächlih niht der Fall ift. a Benoit (fr. Vag.) wendet e gegen die Trennung der Verkaufsräume, die garniht durführbar sei, namentlich nit auf dem Markte. Uebrigens werde die Marpgarine niht nur von Arbeitern gekauft, fondern das Waarenhaus für Beamte führe ebenfalls diesen

Artikel. Nah einem Schlußwort des Abg. vert (Zentr.) werden die beiden Anträge einer Kommission von 21 Mit-

gliedern überwiesen. . : Schluß 51/4 Uhr. Nächste Sißung Sonnabend 1 Uhr. (Etat Allgemeinen Penfionsfonds und des Reichs-

Jnvalidenfonds.)

Preußischer Landtag. Herrenhaus.

12. Sißung vom 19. Februar 1897.

ur Verhandlung fteht zunächst der Antrag des Grafen an Sant nberg: „die Regierung zu ersuchen, dem von mehreren Pdrieien im Reichstage eingebrahten Geseßentwurf, betreffend den Verkehr mit Butter, Käse, Schmalz und deren Ersaßmitteln, im Bundesrath ihre Zustimmung zu ertheilen.“ Ueber den Beginn der Debatte ist gestern berihtet worden. Minifter für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- stein: Meine Herren! Ih bin genöthigt, längere Ausführungen zu geben, aber die einleitenden Bemerkungen des Herrn Referenten ver- anlassen mich zu einer kurzen Darlegung.“ Darüber hat zwischen den verbündeten Regierungen und dem Reich8tage in keinem Stadium der Verhandlungen ein Zweifel beftanden, daß es erwünscht und noth- wendig sei, im Wege der Geseygebung gegen den unlauteren Wettbewerb der Margarine gegenüber der Butter einzuschreiten, und zwar einerseits durch den Erlaß eines neuen Maragarine- gesetzes, andererseits dur die ftrengere Handhabung dieses Geseges, und zwar leßteres in größerem Umfange, als das bisher geschehen ift. Aber au darüber, daß der Zweck des Geseyes einmal nur der fein dürfe und könne, den unlauteren Wettbewerb der Margarine gegen- über der Butter 1u beseitigen, andererseits dafür Sorge zu tragen, daß das in die Volksernährung allgemein eingeführte Nahrungsmittel, die Margarine, mögli gesund hergestellt werde, ist von vornherein bei sämmitlihen Verhandlungen im Reichstage kein Zweifel gewesen, weder bei den verbündeten Regierungen, ncch bei den verschiedenen Parteien des Reichstages. Nun wurden aber vom NReihstage zu dem Gesey zwei fehr wesentlihz Verschärfungen beantragt. Die eine be- zweckte die Beschränkung des Verkaufs in getrennten Lokalen. Die Frage ist dur den gegenwärtig dem Reichstage vorliegenden Antrag erledigt, und zwar dahin, daß die Einschränkung nur bei Städten über 5009 Einwohner stattfinden sol. Ich bezweifle niht, daß die preußische Staatsregierung im Bundesrath diefer Aenderung zustimmen wird. Fch habe dies au durch meinen Kommissar bereits in Ihrer kcm- missarishen Berathung ertlären laffen.

Der zweite Differenzpunkt, der zwishen den verbündeten Re- gierungen und dem Reichstage bestand und noh bestebt, bezieht fih auf das Färbeverbot. Die Frage ist bei den verbündeten Regierungen Gegenstand sehr reifliher und eingehender Erwägungen gzwesen. Einerseits waren die verbündeten Regierungen der Meiung, daß diefe Bestimmung über den Rahmen des Gesezes, den ih vorhin angab, binauêgebe; andererseits war man auch z¡weifellos darüber, daß die Einführung eines solhen Färbeverbots den Interefsen der Landwirth- haft nicht entsprede. Denn es if ermittelt, daß durch die Verwendung erotisher Oele, die einen sehr reichen Färbe- stoff + haben, durch Zusay dieser Dele zur Margarine bei ihrer Herstellung eine Färbung erreiht werden kann, die vollftändig der Butterfarbe äbnli ist. Es würde, wenn man dahin gedrängt bätte, dieje exotishen Oele bei der Margarine-Färbung zu verwenden, dahin geführt haben, daß an Stelle der jeßt von der deutschen Land- wirtbschaft erzeugten Fette diese exotishen Dele zur Verwendung gelangten, und damit wahbrscheinlih eine Schädigung der Landwirth- schaft eingetreten fein würde.

Nun, meine Herren, aus der Aeußerung Ihres Herrn Referenten, welczer sagte, von der von meinem Kommiffar in ter Kommission abgegebeneu Erflärung, die fich namentlich auf das Färbeverbot beziehe, habe die Kommission mit Befriedigung Kenntniß genommen, muß ich schließen, daß der von Ihnen gestellte Antrag: die preußishe Regierung zu ersuchen, daß sie für den in dem Reichétag jeßt vorliegenden Gesetzentwurf stimmen folle, nicht bezweckt, daß das Färbeverbot aufrecht erbalten werden soll, sondern daß Sie vielmehr auch befriedigt sein würden, wenn an Stelle des Färbeverbots die latente Färbung eingefüh1t wird. In dieser Beziehung, meine Herren, haben die Verhandlungen und Unter- suchungen des Reichs-Gesundheitsamts ein anscheinend geeignetes Mittel für eine solche latente Fäcbung festgestellt. Wir sind damit einen wesentlihen Schritt weiter gekommen, als zur Zeit der leßtmaligen Verhandlungen im Reichstage. Das Reichs-Gesundbeitsamt hat dur eingehende Untersuhurgen anscheinend feftgestellt, ob dieses ¡jebnsilbige Präparat vollständig geeignet ift, festzustellen, ob eine Ver- fälshung der Butter mit Margarine stattgefunden habe, und zwar ohne daß dadurch die Margarine als Nahrungêmittel ge- schädigt wird, was beim Phenolphthaleïn der Fall war, und ohne daß die Margarine einem rascheren Verderben ausgeseßt wird. Nach meiner Kenntniß der Verhältnisse heute steht ja die Behandlung

obern.

schloffen werden, die ganze Vorlage abermals an eine Kommi verweisea. In der Kommiffion wird vorausfihtlich von der Mehr, tabl der Parteien der Antrag fo gestellt werben, wie dies mein Kom. missar bereits Ihrer Kommission mitgetbeilt hat. Wird eine latent- Färbung beschlossen, so bin ih zu der Annahme berechtigt, daß dann die preußishe Regierung ihre-Stimme im Bundeêrath für den Geieg- entwurf abgeben wird. Ich glaube, daß, wenn nicht das Mal, als die Frage im Reichstage behandelt wurde, die Verbandlung unmittelbar am Shlusse des Reichstages ftattgefunden bätte, schcn damals eine Einigung über die beiden in Frage stehenden Diferen;, punkte erzielt worden wäre. Das if leider niht geschehen. Inzwischen ift die Stellungnahme namentli der preußischen Regierung zum Gegenstand vieler Angriffe gemaht worden nah meiner Meinung mit Unrecht ; denn die preußishe Regierung, wie die verbündeten Rz, gierungen haben an sih ftets anerkannt, daß es dringend nothwendig sei, dem unlauteren Wettbewerb der Margarine durch ein weit \härferes Geseg und deffen firenge Handbabung energish entgegen zw treten, auch in sanitärer Beziehung die Margarinebereitung strenger als bisher zu überwachen.

Bezüglich des Färbegebots weise ich noch darauf bin, das fzin Zweifel darüber besteht, daß, wenn man für die Margarine das Färbeverbot einführen wolle, man es nicht ablehnen könne, auß das Färbeverboct für die Butter einzuführen. Gin folder Antrag lag dem Reichstage bereits vor. Nun if es ja eine bekannte Thatsache, daß iwar in Berlin gefärbte Butter am Mark wenig verlangt wird; Thatsache ist aber wieder, daß alle Export. Butter und au die Butter, die im Westen konsumiert wird, unbe-, dingt gefärbt werden muß. (Sekr richtig!) Bei den heutigen Ver- bandlungen ift {hon darauf hingewiesen, daß der deutshe,Butter- erxport nah England wesentlich abgenommen hat. Nah meiner Auffassung liegt der Grund dafür darin, daß die Butter- produktion inkDeutschland zeitweise nicht mehr fo reell war wie früber; andererseits lag es daran, daß: eine fiaatlihe Kontrole, wie fie in Dänemark seit Jahr und Tag besteht, nah dem Gesetze bei uns wok! gehandhabt werden konnte, thatsählih aber nicht gehandhabt wurde. Dadurch hat Dänemark den englishen Markt erobert, und wollen wir ibn wiedererobern, so muß die Butterbereitung in der Hand der Landwirthe eine reelle werden, und geschieht das nit, dann muß die Kontrole wieder \chärfer gebandhabt werder: vielleicht gelingt es dann, das verlorene Feld wieder zu er: Der englische Markt verlangt aber gefärbte Butter, Danach wäre es ein bedenklihes Vorgeben gewesen, das Färbevertot für die Margarine einzuführen, dann konnte man tas Färbeverbct für Butter niht wohl ablehnen.

Wenn alfo der Antrag von Ihnen fo aufgefaßt wird, wie der Herr Referent ihn gerechtfertigt hat, so kann ih nur bitten, den Antrag anzunehmen. (Bravo!)

Ich stelle aber ausdrücklich feft, daß Ihr Anirag die Annabme des Färbeverbots nit unbedingt fordert. Wäte dies dennc der Fall, so müßte ih erflären, daß die Staatéregierung, wenn eia folder Beschluß im Reickstage gefaßt werden sollte, auch an ibrem früheren Standpunkte festhalten wird, und daß sie dann das Gese abermals ablehnen muß. Ih bitte, also dem Antrage in dem Sinne zuzu- stimmen, wie er begründet ist. (Bravo!)

Ober - Bürgermei!ter Bender -Breêlau: Wir stimmen doch nit über Motive ab. Die Begründuno, welche der Antrag durch die biéberigen Reden erbalten hat, ift sehr milde und zurückhaltend; in dem Antrage wird aber die Zuftimmung des Hauses zu einem ganz te- stimmten Gesetzentwurf verlangt, der in einem anderen Parlament ein- gebracht ift, und den ih noch garniht gelesen habe. Sollen die bier vorgebrahten Motive einschneidend sein, so kann ih das Haus den Antrag ftellen lafsen, denn die Regierung braucht diese Anregung nah ibrer eigenen Erklärung nicht. Das Verlangen der getrennten Verkaufsräume ist ein Anariff auf die Ebrlichkeit der Geschäfts[eute, und die Bekämpfung der Margarine läuft lediglich auf Vertheuzrung der Volksernährung binaus. E

Graf von Frankenberg: Der Vorredner kennt das G-ies niht, aber er mißbiliat es. Hätte ih die Erklärung, welche die Re- gierung in der Kommission abgegeben hat, vorber gekannt, so hâtte auch ih meinen Antrag vielleiht etwas anders gefaßt. Wir ver- bandeln au nit über Motive, sondern baben die bestimmte, lar Erklärung des Ministers vor uns. Niemand denkt an Vertheueruns eines gesunden Volfsnabrungsmittels. L

Gebeimer Kommerzien-Rath Frenyel: Neben der Rüdfih! auf die Gesundheit der Konsumenten geht do, das wird nit leugnet werden fönnen, au die Rücksicht auf die Produzenten des Konkurrenz-Nahrungsmittels Butter einher Die Butterproduzenten machen ih nun die Sache sebr leiht. Sie stellen die Bebauptung von der Schädlichkeit dec Margarine, von der Prosperität der Mar- garinefabrifation auf, bleiben aber den Beweis schuldig. Das reicht nicht aus, um das Unbere(tigte der Margarineprodufttion darzuthun. Wenn die Margarinefabrikation wesentlich eingeschränkt wird, wird der Talgverbrauh auch eingeshränkt, die Preise dafür werden herunter: geseßt und damit auch der Preis des Fettbviebes. Damit wird der Laud- wirtbschaft doc nicht genüut, fondern geshadet. Keineëwegs betrzièt die Mehrzahl der Margcrinefabriken ein Gewerbe, das sih seben lassen oter nicht ebenso wie jedes andere Gewerbe staatlihen Shuß beanspruchen könnte. ; s

Graf von Pfeil-Hausdorf: Der von Herrn Bender for- struierte Gegensaß zwischen Produzenten und Konsumenten bested! niht; beide verlangen, daß das, was als Butter verkauft wird, auch Butter ist. Herr Bender übersiebt den betrügerishen Zwis&en- handel. Der ehrlihe Margarineproduzent macht garnicht den Ane spruch, daß seine ‘Margarine Butter beißen soll. i

Herr von Bemberg: Ich kann den landwirthschaftlichen Auê- fübrungen des Herrn Frenyel nicht folgen, sie au niht als ma- gebend anerkennen. Wir wollen Neellität nach jeder Rihtung- Die von Herrn Bender defürhteten Chikanen für den reellen Händler werden nit eintreten, di-se reellen Händler werden dur das Geseß eben in ihren Interessen ges{hüßt werden. :

Ober - Bürgermeister Bender: Gerade der reelle Kaufmann fommt in die Gefabr, nah dem vorgeshlagenen Geseze wegen Vé- trugs angeklagt ¡u werden. Ich lehne den Antrag ab, weil ih nickt begreife, wie wir uns auf cin Gesetz verpflichten follen, das si un!erer Einwirkung vollständig entzieht. : i 2

Freiherr von Landsberg tritt gleihfalls den Ausführungfn des Geheimen Kommerzien-Raths Frenyel entgegen und beftreite! besonders, daß die Landwirtbschaft dur die eventuelle Einschränkuns des Talgverbrauchs zur Margarinefabrikation geschädigt werden würde.

Gedbeimer Kommerzien-Rath Frentel bleibt datei, daß di Hauptmasse des in der Fettviehzuhhr erzeugten Talgs der Margarine" fabrikation anbeimfällt. : | i

Der Antrag des Grafen von Frankenberg wird mit groptt Mehrheit angenommen. j 5

Hierauf werden zwei Petitionen cines Hufners und eines Hau nes in Bentfeld, Kreis Oldenburg, um Befreiung po! der Rüerstaitungeines Grundsteuer-Entshädigungsbetrags dur) motivierte Tagesordnung erledigt, da der Instanzenzug n innegehalten worden ift.

Abg. Dr. Schne ider (fr. Volksp.): Der Betrug der Konsumenten

der Frage im Reichstage auf der Tagesordnung wird dort be-

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

X 44.

(S&luß aus der Erften Beilage.)

Sodann folgt die Berathung über den Geseßentwurf, d die Tilgung von Staatsschulden und Bildung eines Ausgleihsfonds. Die IX. Kommission beantragt unveränderte Annahme der Beschlüsse des Abgeordnetenhauses. Die Ablehnung des Ausgleichsfonds durch das Abgeordneten- haus hat die Kommisfion lebhaft bedauert, aber sih damit ge- tróstet, daß die Eisenbahn-Verwaltung sich einen gewissen Aus- gleihefonds durch die Hinübernahme der bewilligten Kredite in das nächste Jahr schon gesichert hat, und hat daher von entsprechenden Amendements Abstand genommen. FinanzMirister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Ich bin erfceut, mih den Beshlüfsen und An- trägen Ihrer Kommission ganz ans@ließen zu können; namenilih habe ih au meinerseits darauf verzichtet, den einen Theil der ur- sprünglichen Vorlage, betreffend Bildung eines AusgleiWsfonds, hier im Herrenhause, entgegen den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses, aufre@t zu erhalten. Meine Herren, i glaube allerdings, daß der Herr Berichterstatter durhaus Recht hat, daß diese Vorlage, na- mentlich diz Wiedereinführung einer geseßlihen Tilgung der Staatsschulden, für die Zukunft unserer Finanzen und damit des Landes von viel größerer Bedeutung ift, als die ein- fahen Beftimmungen dieses Gesetzentwurfs vielleiht bei oberflählicher BetraGtung es erscheinen lassen. Um das vollständig zu verstehen, meine Herren, wollen Sie mir gestatten, Ibnen ganz kurz einen Ueberblick über die bistorishe Eatwickelung unserer Schuldverbältnifse und die Tilgung der Staatsschulden zu geben.

Nachdem durch die großen preußishen Finanzmänner Mog, Maaßen und namenilih Rother nach dem Jahre 1820 mit einer wirklich bewunderungswürdigen Energie, Verftändniß und Kraft das folofsal s{chwierige Werk der Unifikation der prerßishen Staatsschulden, welche befanntlih vorher garniht existierte, durchgeführt war, und alle die gewaltigen rechilihen und thatsählichzn Wirranisse, die nach den Freiheitékriegen in unserem damals eigentli noch garniht als Ein- heitsftaat in Beziehung auf das Schhuldenwesen erskeinenden Preußen fich zeigten, glüÆlich beseitigt waren, trat nun eine außerordentliche Periode fparsamer Finanzverwaltung ein, der die gegenwärtige Generation nicht Dank genug fagen Tann. Diese Sparsamkeit knüpft ih an die Nichterxistenz von Reichsftänden. Eine erhebliche Anleibe wurde wegen dieses Mangels der Reichéftände auf Grund des bekannten Edikts von 1815 verhindert. Die preußische Verwaltung war infolge defsen gezwungen, das heilsame Prinzip -aufzuftellen, die Staatsbedürfnisse zu befriedigen, ohne auf wesentlihe Anleibemittel zu greifen. Das brate den Geift der Sparsamkeit, das Prinzip, das Preußen groß gemaht auch {hon unter den großen Königen im vorigen Jahrhundert, mit wenigen Mitteln viel ¡zu erreichen, zur Geltung. Dies hat ja unfern Ruf als allju karger Männer in der Verwaltung in den reihlider fituierten andern deutshen Staaten mannig- fah begründet, aber dies bildet doch den eigentlißen Kern, den eigentlichen Boden, auf dem wir beute stehen. Wir wollen über- haupt nicht vergefscn, in keiner Saße, aber namentlih niht in Sachen der Finanzen, was unsere Vorfahren, was die vergangenen Generationen vor uns gethan baben (sehr rihtig!), damit wir uns darüber flar werden, daß wir auch gegen unsere Nahkommen Verpflichtungen haben (hört! hört!) und für die dauernde Konsolidation des Staats sorgen müssen und in finanziellen Dingen nicht von der Hand in den Mund leben dürfen, um mögli@st viel Genüfse ‘der gegen- wärtigen Generation zu befriedigen, im übrigen aber von dem Grundsay ausgehen: après nous le déluoge! (BZBuftimmung.) Meine Herren, nun berubten diese konsolidierten S{ulden wesentlih auf Anleibebedingungen, welche eine Amortisation niht bloß, sondern eine fteigente Amortisation bezwecken und diese Wirkung haben. Ih will hier niht ¡u sehr auf das Detail eingehen. Die Geschichte unseres Schuldenwesens ist leider noch nit geschrieben, sie müßte zum großen Denkmal der Männer, die diefe Sache geführt baben, eigent- lih einmal von einem sahkundizen Schriftsteller, der mehr Zeit hat wie ih, behandelt werden. Diese Amortisation war im Jahre 1868/69 gestiegen bis auf 2 %/0 unserer gesammten Schulden; wie gesagt, beruht se nur zum fleinen Theil auf geseßliher Bestimmung, im wesentlichwen auf Anleibebedingungen. Da gerieth nun der Staat nah dem Kriege von 1886 ins Defizit, und es frug fh, wie das Defizit gedeckt werden sollte. Der Minister von der Heydt wollte es decken durch Zuschlag zu den direkten Steuern. Das fand im Staats-Minifterium keine Zustimmung, und der Minister ging darüber ab. Der Finanz - Minifter Camphausen, sein Na@folger, war der Meinung, man könne das Defizit einfach dadurch decken, daß man diese hohe Schuldentilgung beseitige und theilweise sie ganz fallen ließe. Dies geschah mit der sogenannten Konsolidation. Er war zu dieser Ansicht um so mehr gelangt, als wir ja die Schulden tilgen mußten zu pari unter Rückzablung des Nominalbetrages, damals, als unsere vierprozentigen und viereinhalbprozentigen Oblis gationen 92—94 fianden, folglih bei der Schuldentilgung zu Dari auf Grund der Anleibebedingungen ein erbebliher Schaden für den Staat entstand. Infolgedessen legte er das Konsfolidationsgeseß vor. Aber der Minifter Camphausen hat nie die Absicht gehabt, die gesammte damalige Staatsshuld von rund 1200 Millienen ih will Zier nur runde Zahlen nennen dieser Konfsolidation zu unterwerfen und die Zwangtamortisation, sei es auf Grund von An- leibebedingungen, fei es auf Grund von Gesegen, ganz aufzuheben. Gr hat dies au damals ausdrüdlich bei den Verhandlungen erklärt. Damals wurden von einer Gesammtschuld des Staats von 1 273 000 000 doch nur der Konsolidation unterworfen 670 Millionen, sodaß der Tilgungépflit noch unterworfen blieben 47% der damaligen Schulden Um nun diesen Gedanken durchzuführen, die Schuldentilgung wenigftens fark zu vermin- der Amortisation allmählich

obligatorische dern und bei dem Fortgang ganz aufzußeben und an der Grenze ftehen wir jeßt —, wurde die

Berlin, Sonnabend, den 20. Februar

Theorie erfunden, daß Schulden zu tilgen berechtigt fei nur aus Uebershüfsen; habe man feine Uzbershüfse, so sei es ein ganz ver- kehrtes Unternehmen, Schuïden zu tilgen. Anleihen zu maWen und Swhulden zu tilgen, wenn man im Defizit sei, sei sinnlos. Das leuchtet ja jedem Menschen ungeheuer ein. Meine Herren, das if ja ganz einfa, warum foll man eine obligatoris§e Schuldentilgung baben, die man erfüllen muß, selbft in Zeiten, wo man dafür Anleihen kon- trahieren muß ? Diese Theorie ift nun lange Zeit in Preußen eine Wifsen- haft gewesen. Ich bin genau dem Entstehen dieser Theorie nahgefolgt. Das rourde ein S({lagwort fogar von Parteien, die sagten, das ift ja flar für jeden vernünftigen Menschen: man soll nur Schulden tilgen, wenn man die Mittel dazu hat. Andererseits frug man fich nit, warum denn in allen anderen Kulturländern, die doch dazu in der Lage find, nach ibren Finanzen die Schulden zu tilgen, nit blcß aus den Uebershüfsen, sondern auf Grund von Anleibebedirgurgen oder auf Grund von Geseßen getilgi wird, die nicht nur die Regierung, sondern au die Volksvertretung geben. Man bätte sich doch, wenn man die Dinge gekannt bätte, sagen müfsen, daß England, einmal auf die abshüffige Bahn gerathen, auÿ nur aus Ueberschüfsen zu tilgen, bald wieder in andere Wege eingelenkt hat. Die englischen Finanzmänner, selb der in der Meinung unserer Fortschritts- und Volkswirthschaftsmänner sehr bochstehende Minifter Gladstone, führten wieder Maßnahmen durch, die gerade auf dem Prinzip der Zwangs- tilgung beruhten, weil man die Erfahrung gemacht hatte, daß diese bloße freie Tilgung, die nur von der Stimmung und dem momentanen Bedürfniß abhängt, {ließli zu Nichttilgung führt. Genau wie bei uns.

Man hat fich auch auf Frankreich berufen, und ih habe den größten Respekt niht vor der politishen Haltung der Franzosen, wohl aber vor ihrer finanziellen und wirthschaftlihen; da föônnen wir von ihnen noch sebr viel lernen, da find die Franzosen das allerkonservativfte Volk der Welt. Man hat gesagt : ja, die Franzosen vermindern ihre Sthuldentilgung auch; aber noch beute tilgen die Franzosen jährli mindeftens 63 Millionen direkt und eine weit größere Summe indirekt. Das gehört gerade bierber, weil fie die Garantiezahlungen an die Eifenbabnen leiften, die als Vorschüsse zu betcachten find auf den Ankauf der Eisenbahnen, der im Jahre 1950 beendet sein wird, womit dem Staate 15 bis 16 Milliarden unentgelilich zufallen. Das follte für uns eine ftarke Aufforderung sein, zu erwägen, was unsere Lage sein würde, wenn wir die schwere Schuldenlast, die sh doch fortwährend vermehrt durch zablreihe Eisenbahnbauten, ungetilgt zu tragen bätten, während unser großer Konkurrent unmittelbar neben uns in Beziehung auf die Herabfezung der Tarife diesen kolofsalen Vorsprung haben würde. Meine Herren, Holland, Belgien, Schweden und Norwegen, alle diese Under sind der s{önen Theorie, man foll nur tilgen, wenn man Ueberschüfse hat, nit gefolgt. Wie hat fi nun bei uns die Sache entwidelt ? Die Tilgung der im Jahre 1869 bestehenden Schulden ift anleihebedingungsmäßig weitergeaangen, foweit niht dur die Konsolidation ein Theil dieser Schulden in Konsols verwandelt ift, und jeßt baben wir, während im Jahre 1859 noch 47 % der anleibebedingung8mäßigen Tilgung unterworfen waren, nur noch etwas mehr als 49/0, die einer obligatorishen Tilgung unterliegen. Selbft Minifter Camphausen, wenn er heute bi:r unter uns wäre, bin ih überzeugt, würde dieser Vorlage niht nur zustimmen fönnen, fondern auch zuftimmeu müfsen, nach seinen eigenen Er- klärungen, die er damals abgegeben hat.

Meine Herren, unsere beutige Schuldentilgung besteht nun in einer sogenannten ordinären und einer erxtraordinären Schuldentilgung. Die eine beruht auf den Anleibebedingungen, namentli der Prioritäts- Obligationen, die auf urs gekommen find bei Verstaatlihung der Eisenbahren. Diese Tilgung wird aber jedes Iahr geringer, weil fortwährend Anleihen getilgt werden. Wir haben nun vor j¡wei Jahren beispielsweise die gesammte preußische Lotterie-Anleibe und ebenso die hbessishe getilgt, und es fielen auf einmal aus den Tilgungébeträgen, aus dem Etat, 5 Millionen aus. Im Jahre 1900 werden die preußishen Stazatée- \huldsheine gänzlih getilgt sein, es werden 6 Millionen wegfallen. So geht die Tilgung auf die Anleibebedingungen, die fogenannte vertragêmäßige Tilgung, allmählih ¡u Ende. Schon das müßte uns auf den Gedanken bringen, wenn wir vorfichtig sein wollen: müssen wir nit etwas an die Stelle segen? Wir vershlehtern doch unsere Lage, wenn wir in Zukunft weniger Shulden tilgen, als wir bisher getilgt haben. Die sogenannte ertraordinäre Schuldentilgung ift bloß cine etatsmäßige. Sie ift glücklicherweise in unseren Etat bineir gekommen dur einen Antrag des Abgeordnetenhauses es wäre beser gew-:fen, durh die Regierung —, indem man sagte: wenn wir aus den ver- ftaatlihten Eisenbahnen die Prioritäten übernehmen, so übernehmen wir Schulden, welhe die Privateisenbahnen obligatorish tilgen müßten nah den Konzessionsbedingungen, die der Staat ihnen geftellt hat. Wenn wir nun die Prioritäts-Obligationen einziehen, gegen Ausgabe von Konsols einziehen, dann hört die Tilgung auf, weil die Konsols keiner regelmäßigen Tilgung unterliegen, und da wollen wir doch wenigstens so viel thun, daß wir dic Ersparnifse, die wir dadur machen, daß wir diese Prioritäten niht weiter tilgen, in den Etat bineinftellen als Tilgungsfonds. Da nun naturgemäß diese Tilgung mit dem Anwachsen der Zinsen wähst, auch fortwährend neue Prioritäts-Obligationen hinzugekommen sind, so ift allmäblich diese etatsmäßige Tilgung bis jeßt auf den Jabresbetrag von etwa 25 Millionen gestiegen und wird in Zukunft auch noch weiter steigen. Aber, meine Herren, jeder Minister, der augenblicklih Geld bedarf, sih in Noth befindet, in die Zukunft nik siebt, der kann einfach diese Position ganz aus dem Etat herauslafsen, und jedes Abgeordneten- baus, das gern viel Ausgaben maSen oder ein veranshlagtes Defizit be- seitizen will, kann einfach durch einen Strich diese sogenannte etats- mäßige Schuldentilgung beseitigen, und das hohe Herrenhaus würde das Nachsehen haben, da es bei der Feststellung des Etats im einzelnen niht mitwirkt. Deshalb if die Frage, ob man in Zukunft eine

1897.

daß gerade gebrauhen darf

des Herrenhauses, dieses Haus

und ih bin der Meinung, wenn ich den Anusdruck die Garantie der Dauer der Zufiände und der Nicht- einwirkfung der Stimmen der Gegenwart zu vertreten hat, und bei der Frage, ob der Staat dauernd und regelmäßig Schulden tilgt, sehr fiark sein Gewicht in die Wagschale werfen muß. (Sehr richtig!) Deébalb liefert mir die etattmäßige Tilgung gar keine Garantien. Wir haben doch schon ganze Parteien, die das Prinzip der regelmäßigen Schuldentilgung überhaupt niht wollen. Würden folie Parteien die Mehrheit bekommen, dann würden wir riêfieren, daß diese ganze, augenbliFlid mehr als 25 Millionen betragende Schuldentilgung eines \chönen Tages unter unseren Fingern vershwindet, und ich bin überzeugt, man würde zu diesem Aft sofort eine schône wifsenschaftlihe Theorie erfinden. Das if einfa und leiht. Der Gesetzentwurf will zurückehren möchte ih sagen ju den alten preußishen Finanztraditionen. Wir freuen uns darüber, daß unsere ländlihen Shulden, die auf dem Grundbesig haften, mehr und mehr amortisabel werden, daß der Schuldner sh verpflichtet, allmäblih seine Schulden zu tilgen, weil wir es nit bloß mit dem persönlichen Interesse des jeweiligen Schuldners zu tbun baben, sondern mit dem wichtigen Staatsinterefse der Grhaltung der Landwirths{haft. Wir zwingen die Kommunen, wenn sie Anleihen machen wollen, obligatorisch zu tilgen; wir fragen niht, ob dem Bürgermeister die obligatorishe Schuldentilgung nach Mafß- gabe der Wünsche auf neue Ausgaben augenblicklich gefällt; er muß, um die dauernde Blütbe der Finanzen der Kommune zu garantieren, die Schuldentilgung regelmäßig in den Etat einftellen. Wie kommen wir nun dazu, uns für solhe Götter zu halten, daß solhe festen Regeln, die man nicht ad libitum außer Kraft seßen kann, für uns nicht nöthig wären? Wenn wir {hon das Beispiel der Konsolidation gehabt haben, wo es si um geseßliche Bestim- mungen handelte, welhe Garantien sollen uns dann noch bleiben bei bloßen etatsmäßigen Einftellungen, die wir nah Belieben bineinftellen und wieder berausftellen können, und wo sogar ein Faktor, entweder die Regierung oder das Abgeordnetenhaus, allein entscheiden würde ?

Nun, meine Herren, aber wie? Wir haben eine wachsende SGuld; damals betrug fie nur 1200 Millionen, jegt beträgt sie nahezu 7 Milliarden. Man kann sh nicht damit tröôften, daß diese Milliarden einen industriellen Gegenwerth in den Eisenbahnen haben, der ihnen mindestens gleih ift. Was würde das für ein Industrieller sein, der ein großes industrielles Unternehmen hat, ein fkoloffales Kapital in demselben, und der nit regelmäßig abschreibt! Diese Schuldentilgung ift eigentli nur eine Abschreibung, wenn man einen industriellen Ausdruck gebrauchen will. Aber, meine Herren, der einzelne solide Industrielle und Landwirth, was er nun sein mag, kann fich ja vielleiht hon mit Recht zutrauen : ih werde in guten Jahren, wo ih viel verdiene, niht üppig werden, ih werde mein Geld für s{lechte Jahre zurücklegen und abschreiben ; das traue ich mir zu. Ganz anders aber steht es, meine Herren, mit einem Staat, und mit einem Staat, in dem Krone und Volksvertre- tung zufammenwirken, und diese Frage wird immer bedeutsamer.

Sie werden si alle noch erinnern, die älteren Herren, daß es früber ein feststehendes Prinzip der Landtage war, die Regierung nicht zu Ausgaben zu drängen, geshweige denn gegen den Willen der Regierung in die Etats Ausgaben bineinzuftellen. (Sehr richtig !) Das bielt man in meiner Jugend geradezu für verfassungëwidrig und für eine Verwishung der Gewalten, für eine Mitregierung, möchte ih sagen, der Parlamente, die ganz unzulässig ershien. Meine Herren, die Neigung im Volk, aus dem großen Staats\äckel sich Vor- tbeile zu vershaffen, ohne Rückficht auf die dauernde Woblfahrt des Staates und sein zukünftiges Ergehen, ift während meiner Lebens« periode koloffal viel stärker geworden (sehr wahr !), und die Ge- fahr, wenn fie früher {hon vorhanden war, daß man sich einmal von der Schuldentilgung befreit, um Wünsche für die Gegenwart zu befriedigen, ist beute viel stärker, wie sie früher gewesen ift. (Sehr wahr!) Das brauche ich niht weiter auszuführen, das fieht jeder vor sich. Man kann auch feine Klafse davon freisprehen, es find auch so viele politishe Rücksichten, Wablen u. s. w., die dahin drängen, daß man als Finanz-Minister {ließli das Gefühl hat, man wäre eigentlih nur noch die einzige Stelle, wo die dauernde Sefuration der Finanzen ihre gehörige Würdigung findet; um so mehr muß der Finanz-Minister wünschen, einen geseßlichen Boden unter sh zu baben. Ebe ih andere Ausgaben mathe, die ih lassen fann, soll im Etat eine Position ftehen für die Schuldentilgung. Ih hate im Abgeordnetenhause gesagt : ein Etat, der bei einer Schulden- last von 7 Milliarden überhaupt keine Position für die Schulden- tilgung bat, kann zwar formell balancieren, in Wahrheit endet er aber mit einem Defizit ; denn er läßt eine Pofition aus, die nothwendig im Interesse der Erhaltung der Staatsfinanzen in dem Etat stehen muß. Deêswegen, meine Herren, ist es auch durchaus berechtigt, auch in Zeiten des Defizits eine folhe Position zu haben; und ich bin dem Landtag der Monarchie im höchsten Grade dankbar, daß in den leßten vier Defizitjahren keine Partei nur versucht hat, diese ja durch den Landtag, wenn er wollte, einfa zu besfeitigende etatsmäßige Schulden- tilgung aus dem Etat hberauszustreihen. Wir hatten eine Reibe von Defizitjahren, und doch haben wir die Schuldentilgung stehen laffen, ein Beweis, daß der Landtag vollständig innerlich von der Nothwendigkeit einer regelmäßigen Schuldentilgung durhdrungen war. Meine Herren, wenn wir das nicht gethan hätten, so würden unsere Defizits ja viel geringer erschienen sein; denn wir hätten die Positionen für Schuldentilgung niht in Ausgabe zu ftellen brauhen. Was wäre die Folge gewesen? Die sparsame Wirthschaft, die jedermann, da er das Defizit vor Augen hatte, als berehtigt bielt während dieser Jahre, wenn daneben auch das permanente Schelten auf den fiskalischen Finanzs Minifter feine Wege ging (Heiterkeit. Zuruf : Muß auch geschehen !) wäre nicht eingetreten. Ja, meine Herren, wenn wir ein Defizit von 36 Millionen haben und 40 Millionen tilgen, dann haben wir kein Defizit. Wir hätten dann in diefen ungünstigen Jahren mit der

geseßliche Tilgung einführen will, zugleich eine Frage der Mitwirkung

Steigerung der Ausgaben fortgefahren. (Sehr richtig!) Diese Sache