1897 / 46 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 23 Feb 1897 18:00:01 GMT) scan diff

(Fortsezung aus der Ersten Beilage.)

Darauf wird das Gehalt des Staatssekretärs genehmigt, ebenso ohne Debatte die weiteren Ausgaben für das Aus- wärtige Amt, für die Gesandtschaften und für die AOUUNE

ÚÜnter den allgemeinen Fonds findet sih eine Autgabe von 500000 M zu geheimen Zwecken. : l

Abg. Stebtiag en (Soz.) erklärt sh gegen die Bewilligung dieser Summe. E

Die- Ausgaben werden genehmigt. i /

Es folgen die Etats für die Schußgebiete. Bei dem Etat des Ostafrikanishen Schußgebiets hat die Kom- mission folgende Streihung vorgenommen: 25000 Æ für den ständigen Vertreter des Gouverneurs; 4500 # für je einen Bureaugehilfen in der allgemeinen Verwaltung und in der

inanzverwaltung. Bei den persönlichen Ausgaben für Weiße nd 5000 M zugeseßt, bei der Militärverwaltung dagegen 1680 M gestrichen.

Abg. Graf von Arnim (Rp.): Ich halte es für zweckmäßig, daß die prinzipielle Frage gelöst wird, ob das Land Eigenthum der Regierung und - nur -eine Verpachtung auf 99 Jahre möglich ift. Dieses Verfahren, das in England üblich ist, hat für die Kolonien doch Bedenken. Denn man kann niemand zumuthen, nach 99 Jahren seine sämmtlichen Arbeiten und Gebäude zu hinterlassen. Man sollte möglichst geringe Schwierigkeiten machen für die Ansiedler und möglichst billige Bedingungen stellen. i . :

Direktor der Kolonialabtheilung Freiherr von Richthofen führt aus, daß die Ausgaben für die Landeêsvermessung zur Förderung - der Ansiedelungen dienen follen. Ï j

- Die Anträge der Budgetkommission werden genehmigt.

Bei den „sächlihen und vermishten Ausgaben“ (853 400 M) fommt

Abg. von Vollmar (Soz.) auf die von ihm früher {hon vor- gebrachte Anklage zurück, daß die deutshe Kolonialverwaltung ih an der Alimentierung des Sklavenhandels und an dem Handel mit Waffen und Pulver nah Zentral-Afrika betheiligt habe. ie amtlihe Denk- \chrift gebe zu, daß von der Küste nah Sansibar etwas Sklavenhandel getrieben werde. In der ristlihen Welt werde aber ebenso wie von der britishen Antisklavereigesellshaft behauptet, daß der Sklavenhandel einen ziemlichen Umfang habe. Redner fragt, ob an der deutshen Küste alles geshehe, was nothwendig sei, um den Sklavenhandel zu verhindern. /

Direktor der Kolonial-Abtheilung Freiherr von Richthofen: Ich habe, als die Artikel erschienen, mich nach dem Sachverhalt er- kundigt und erfahren, daß die Klagen {on 1893 laut geworden find und ihre Widerlegung in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ ge- funden haben. Einer offiziellen Widerlegung sind die Behauptungen nicht werth gewesen. Daß der Sklavenhandel mit Erfolg verhindert wird, geht daraus hervor, daß die Nachfrage in Sansibar sehr groß ist und nicht befriedigt werden kann. Es findet eher ein Nückfluthen der Sklaven nah dem Festlande statt als umgekehrt. So lange die Sklaverei that- sählich noch besteht, kann man \sich nur darauf beschränken, den Sklavenhandel möglich\# einzuengen. Die Engländer haben selbst anerkannt, daß die deutshe Verwaltung s\egensreih gewirkt hat, daß die Leute frei umhergehen können, ohne fürhten zu müssen, in Skla- verei zu gerathen. E . :

Die Ausgaben und die Einnahmen für Ost-Afrika werden bewilligt. :

Bei den Ausgaben für Kamerun kommt der

Abg. Beckh (fr. Volksp.) auf die Beschwerde zurück, wonach der Gouverneur von Puttkamer in der Abwesenheit des Herrn von Stetten in dessen Zimmer eingedrungen sei und Alles durchstöbert, auch einen Kompaß fich angeeignet habe. Herr von Stetten sei niht zum Stellvertreter des Gouverneurs ernannt worden. Der Gou-

verneur von Puttkamer solle sich nach gewissen O in

einem Abhängigkeitsverhältniß zu den in Kamerun vertretenen Firmen befinden. Die Zeitungen berichteten auch über die Antecedentien des Herrn von Puttkamer. Man gehe aber nicht gegen ihn, fondern egen die betreffenden Zeitungen vor. Im Interesse des Ansehens des Deutschen Reichs sollte man die Sache gründlicher untersuchen.

Direktor der Kolonial-Abtheilung Freiherr von Richthofen: Tro aller Werthshäßung, die der Vorredner dem Herrn von Stetten hat zu theil werden lassen, muß ih doch meine persönliche Meinung dahin aussprechen, daß mein Amtsvorgänger in der Wahl von Stetten’'s nicht besonders glüdcklih gewesen ist. Das ist nicht der Weg, den der Béeamte einzuschlagen hat, daß er fi direkt oder indirekt an die Presse wendet, um Klagen über seine vorgeseßten Be- hörden zur öffentlihen Kenntniß zu bringen; der Beamte hat sich an seine vorgesezte Behörde zu wenden, Der betreffende Artikel ift g von Puttkamer zur Aeußerung übergeben worden; er hat er-

ärt, daß er von Anfang bis zu Ende erlogen sei, und sofort Strafantrag gegen das „Berliner Tageblatt“ gestellt. Diesem Straf- antrage is weitere Folge gegeben worden, die Sache ist nicht versumpft; Zeugenausfagen find zunächst in Berlin und dann in Kamerun erfolgt. In die Kompetenz des Gerichts will ih nicht eingreifen. Der Fall mit dem Kompaß erinnert, ofen gestanden, an die silbernen Löffel, von denen hier im Reichstage die Rede gewesen ist. Die Herren haben zusammen vier Zimmer gehabt, und wenn der eine weggegangen ift, ist ausgeräumt worden. Herr von Puttkamer hat geglaubt, daß der Kompaß amtlihes Eigenthum war. Er hat mit den 12 Jahren feines dortigen Aufenthalts den größten Record er- reiht, der überhaupt möglich ist. Die Beschwerden über seine Krankheit und Behinderungen treffen nicht zu.

Abg. Beckh: Herr von Stetten hat sih mehrfah an Herrn Direktor Kayser gewendet, und als nichts geschah, habe ich im vorigen Jahre die Sache vorgebracht; dann erst fam sie in die Presse; und jeßt erst sind die Akten nah Kamerun gegangen.

Direktor der Kolonial-Abtheilung Freiherr von Nichthofen: Mir gegenüber hat Herr von Stetten anerkannt, daß der Weg der Beschwerde der rihtigere gewesen wäre.

Ahg. Schall (d. kons.): Die Gesellschaft zur Bekämpfung des überseeishen Branntweinhandels hat eine Petition um Erhöhung des Zolles für Branntwein bei der Einfuhr in Kamerun an den Reichs- kanzler gerihtet. Die \teigende Branntweineinfuhr vecmindert die Arbeitslust und Arbeitskraft der Eingeborenen.

Abg. Graf zu Limburg - Stirum (d. kons.): Herr Beh hat sich beshwert gefühlt, daß auf Grund seiner Mittheilungen nicht

leih \charf vorgegangen worden sei. Ich muß sagen, nach seinem F itigen Vortrage habe ih den Eindruck, daß die Kolonialverwaltung keinen Anlaß hat, einzuschreiten. Herr von Stetten mag ein sehr tüchtiger Mann fein; aber der Umstand fordert doch zur Vorsicht auf, daß er längere Zeit in den Kolonien gewesen ist. Ein folcher Aufenthalt pflegt einen etwas aufregenden Einfluß auszuüben. Die Mittheilungen folche-r Herren muß man mit großer Vorsicht be- handeln. Ein Mann in der Stellung eines Gouverneurs soll einen Kompaß und ein Buch stehlen! Daß Herr von Puttkamer immer krank gewesen ift, giebt die Kolonialverwal!tung nicht zu. Jch bedaure, daß durch folhe Mittheilungen das Ansehen der Dinge, die fonst im Reichstage vorgebracht werden, vermindert wird.

Direktor der Kolonial-Abtheilung Freiherr von Richthofen: In der von Herrn Schall angeführten Petition wird anerkannt, daß für Oft-Afrika bereits Maßregeln ergriffen sind. In Kamerun erheben

ih vagegen große Schwierigkeiten; die Einfuhr von Branntwein und ulver i\t mit höherem Zoll belegt worden. Wir können aber nur and in Hand mit den Nachbarn vorgehen, damit unsere Handels- interessen niht geschädigt werden.

Abg. Beckh: Graf Limburg nimmt an, daß ih mene Jn- formationen lediglich von Herrn von Stetten habe ; ih habe sie Wer von mehreren fompetenten Herren. Nicht die Wegnahme des Kompasses ift bedenklih, sondern die Weigerung der Herausgabe.

Abg. Graf zu Limburg-Stirum: Der Vorredner basiert sein Urtheil auf die Mittheilungen von Leuten aus den Kolonien, und

wir olen damit zufrieden sein. Wir baben nig den Eindruck, daß er in Bezug auf die Auswahl seiner Quellen vorsichtig ift. ;

Die Vusgaben für Kamcrun und Togo werden bewilligt.

Beim Etat für Südwest- Afrika, und zwar bei den einmaligen Ausgaben für Wege- und Wasseranlagen, spricht

Abg. Graf von Arnim (Np.) die Hoffnung aus, daß der nächste Etat die Ausgaben für eine Gisenbahn bringen werde. Eine solche, führt der Redner aus, ist für Südwest-Afrika dringender nothwendig, als für jede andere Kolonie, da es \{chwierig iît, den Dünéngürtel zu überwinden, um zur inneren Kolonie zu gelangen. Wenn wir niht Herr im eigenen Lande bleiben wollen, so werden es in Süd- west-Afrika die englishen Gesellshaften werden. Jh will mih nicht gegen die Betheiligung englisher Gesellschaften aussprechen; aber wenn man ihnen Konzessionen gewährt, so muß etwas größere Vorsicht angewendet werden. Die Anlage von Häfen und Eisenbahnen kann man den fremden Gesellshaften niht überlassen. Das ift in der Ge- chihte sämmtlicher Kolonien noch nicht dagewesen. Wir haben den englishen Gesellshaften das Privilegium zum Bau von Eisenbahnen auf Jahre hinaus ertheilt und find nicht in der Lage, den Bau von Eisenbahnen zu erzwingen. Bis zum 14. November 1896 follte die Gesellschaft sih erklären, ob sie die Eiseabahn ganz oder theil- weise ausführen wolle. Es ift in der Denkschrift eine Lücke, ob die Gesellschaft eine Bahn bauen will oder nicht. Wenn sie darüber niht in Zweifel gelassen würde, daß der Reichstag keine Zinsgarantie übernimmt, dann wird sie doch vielleiht auf ihre Recbte verzichten. Die Frachtkosten, welche erfpart werden, werden reihlich die Zinsen decken. Wenn die englishe Gesellshaft bei Swakopmund einen Hafen anlegt, dann werden alle Häfen uns aus der Hand genommen werden. Alle die Konzessionen sind für 2000 4 jährlih der englishen Gesellshaft übertragen. Jh kann niht an- erkennen, daß die Denkschrift geeignet ist, den bisherigen Kolo- nial-Direktor zu entlasten dafür, daß dem Kharaskhoma-Syndikat ein so großes Gebiet überlassen wurde. Es wird zu untersuchen fein, ob es wahr ist, daß diese Gesellshaft Pfandbriefe auf die Ländereien ausgegeben hat, die sie noch garniht besißt. Ich hoffe, daß die Ge- sellschaften dermaßen unter die Kontrole unserer Verwaltung gestellt werden , daß sie niht gegen unsere Interessen sich wenden können. Veber die Zolltarife sind sehr erheblihe Beshwerden geführt. Auf Lebensmittel und auf Dynamit sind zu hohe Zölle gelegt worden. Ich hoffe aus dem Schweigen der Herrenävon der Linken {ließen zu können, daß sie mit meinen Wünschen einverstanden find.

Direktor der Kolonial-Abtheilung Freiherr von Richthofen: Ich habe bis jegt niht gemerkt, daß die Handhabung der Rechte der Gesellschaften sih gegen unsere Interessen rihtete. Die Uebertragung von Rechten auf die Territorien der Kharaskhoma - Gesellshaft wird niht verhindert werden können. Der Zolltarif ist vorläufig provifo- rish in Kraft geseßt und wird auf Grund der Erfahrungen demnächst nach Berathung durch den Kolonialrath geändert werden. :

Abg. Richter (fr. Volksp.): Jch freue mih, daß Graf Arnim Gegner der Zölle auf Lebensmittel ist, und bedauere nur, daß er si dabei auf Südwest-Afrika beschränkt. Wir haben ges{hwiegen, weil unser Standpunkt bekannt ist und neue Punkte niht angeregt sind. Graf Arnim irrte, wenn er meinte, daß das Reich für Bahnbauten Geld hergeben würde. Er hat gemeint, daß dieselben möglihst ohne Beihilfe hergestellt werden sollten. Für die Kosten afrikanisher Bahn- bauten fehlt es an jedem Anhalt; das zeigt die Usambara-Bahn, auf der man allwöchentlih am Sonnabend einen Jagdzug fahren läßt. Der ganze Verkehr der Bahn wird dazu dienen, der Schußtruppe Lebenémittel zuzuführen. Deshalb brauht man nit einige Millionen aufzuwenden. Alle Berichte haben gezeigt, daß Entwicklungsfähigkeit im Lande garnicht vorhanden ist. Wenn mehr Handel ist, so liegt das an dem größeren Zuschusse des Reichs wegen Vergrößerung der Schutztruppe. Bei Verminderung derselben wird der Handelsverkehr vermindert werden. Wenn Graf Arnim meinte, daß den Engländern keine Zinsgarantie gegeben werden solle, fo kann ih mich anschließen ; wir wollen überhaupt keine Garantie geben. Die deutschen Gesell- schaften haben kein Geld übrig, um auch nur eine Eselbahn einzurichten.

Direktor der Kolonial-Abtheilung Freiherr von Richthofen bemerkt, daß die Dampfbahn 6 bis 7 Millionen kosten würde.

Abg. Dr. Hasse (nk.): Die Eisenbahn muß gebaut werden, weil sie eine Verminderung der Schußtruppe möglih machen wird. Man bâtte von vornherein mehr Ausgaben für Kultur- und WVerkehrszwecke machen follen, als für Verwaltung und Militär. Die Erbauung der Bahn ist ers{chwert kurch die Abmachungen der früheren Kolonial- verwaltung. Es is ein Verdienst, daß die Verhältnisse in einer Denkschrift dargelegt sind; aber diese Denkschrift macht den Eindruck eines Chaos, und ih bedauere den gegenwärtigen Kolonial-Direktor, daß er alles Geschaffene langsam wieder beseitigen muß. Denn diese Verträge {lagen das Land in härtere Fesseln, als es die natürlichen Verhältnisse thun. i:

Abg. Graf von Arnim: Ich halte dafür, daß die Bahngesell- haften billiger bauen als der Staat; deshalb habe ich eine Staatsgarantie verlangt. Mit Ausnahme des Dünengürtels ist das Land durhaus flach und die Babn dahin if billig zu bauen; ob man Pferde oder Esel oder Ochsen vorspannt, ist eine Sache späteker Erwägung. Wenn Herr Richter von dem Jagdzug in Ost- Afrika sprach, so bemerke ih ihm, daß in Ost-Afrika sih ein „Verein gegen Küstenklatsh" gebildet hat, der vielleiht von großem Einfluß auf die Reden der Herren von der Linken sein wird.

Abg. Richter: Auf Küstenklatsch \tüge ih meine Behaup- tungen nit, sondern auf den Geschäftsbericht der Usambara-Bahn vom 14. Oktober 1896. Merkwürdig ift, daß in diesem Bericht sich keine Ziffer findet. Bei 350 km Bahnlänge in Südwest-Afrika muß doh die Bahnlinie au mit Sicherheitspersonal versehen werden. Auf jedes Kilometer ein Mann würde große Kosten verursachen.

Abg. Dr. Hasse: Für jedes Kilometer ist niht ein Mann noth- wendig; es braucht doch kein Mann der Schußtruppe zu sein, son- dern es kann ein Eingeborener sein.

Abg. Richter: Ob Privatgesellsckaften billiger bauen als der Staat, ift eine bestrittene Frage. In Südwest. Afrifa aber, wo jeder Privatbetrieb nur vom Reich abhängt, kann eine Zins8garantie über- haupt gar keine andere Bedeutung haben, als daß das Reich selbst baut.

Jm übrigen werden die Ausgaben für Südwest-Afrika ohne weitere Debatte genehmigt.

Schluß 51/4 Uhr. Nächste Sißung Dienstag 1 Uhr. (Geseß, betreffend die Verwendung überschüssiger Reichs- einnahmen; Beschlagnahme des Dienstlohnes; Etat des Reichs: Invalidenfonds.)

Prenßischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 36. Sißzung vom 22. Februar 1897.

Ueber den Beginn der Sigzung ist gestern berichtet worden.

Das Haus geht zur Berathung des aus dem Herrenhause in abgeänderter Fassung zurückgekommenen Entwurfs eines LehrévVefotdun adgesetes über.

Jn der Generaldisku}sion bemerkt nah den bereits mit- getheilten Ausführungen der Abgg. eyffardt (nl.), Dr. Porsch (Zentr.) und R iert (fr. Vgg.) der

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten D. Dr. Bosse:

Meine Herren! Ich werde mich nah Lage der Sache auf ein paar ganz kurze Bemerkungen beschränken. Richtig ist, daß das Gesetz ein Kompromißgeseßz ist, und daß deshalb. für jeden Theil dies und jenes Wünschenswerthe nicht vollkommen erreiht ist. Nicht richtig ist- daß das Geseß gegen frühere preußishe Entwürfe zurückbliebe; im Gegentheil, es geht erheblich weiter sowohl in der Kürze der Zeit als der Höhe der Alterszulage, und was der Herr Abg. Ridckert ganz übersehen hat, die Ausführung des Geseßes richtet sh nah den

örtlihen Verbältnifsen und der Amtsftellung. Es wird allerdings Sache der Ausführung fein, dahin zu wirken, daß das Geseh den be, re{tioten Wünschen der Lehrer thunlihst entpriht. Ich hoffe, daß die Lehrer \sih durch das, was ihnen bisher noch an der Ex. reihung ihrer Wünsche gefehlt hat, nicht werden in weitere Unzufriedenheit gegen dieses Gefeß hineinhegen lassen, fondern ih hoffe, daß die Lehrer einschen werden, daß alle Par- teien unter Bringung von Opfern ihnen diesen erheblichen Fortschritt gewährt haben. Daß es ein Fortschritt ift, liegt {on darin, daß endlich das Lehrer-Besoldungswesen auf eine geseßliche Basis gestellt ist. Ih habe sehr genau die Zeitungen in den letzten Wochen und Monaten verfolgt, und ih muß sagen: ih habe allen Respekt vor der Nube, Befonnenheit und maßvollen Art, wie sich die Lehrer dem Geseß gegenüber gestellt haben. Es thut mir wohl und ist mir ein Bedürfniß, dies ausdrücklih vor dem Lande anzuerkennen.

Meine Herren, ih habe in der Kommission des Herrenhauses aufs dringendste abgerathen, die Worte: „auch in den besonders billigen Orten“ zu streiGen. Man hat mir darauf erwidert, sie feien re- daktionell niht s{chöôn, und man wolle ja an.dem Sinne des Gesetzes, an der Ausnahmestellung der Minimalbesoldungen absolut nichts ändern. Das habe ich {ließlich wohl oder übel acceptieren müssen. Ich erkläre ausdrücklich, daß die Regierung lediglich die Sache fo versteht, als wenn die Worte ftehengeblieben wären. Das habe ih auch im Herrenhause erklärt, und dabei werden wir uns beruhigen.

Was den § 7 anlangt, fo darf ih wiederholen, daß es der Re- gierung ganz fernliegt, den §7 auszunugen, um die Lehrer zu belästigen und zu kujonieren ; sondern der § 7 if wesentlichÞ nöthig anderen Beamtenkategorien gegenüber, um die Lehrer niht anders zu stellen, wie diese stehen. Jn der ganzen Zeit, wo wir Alterszulagen hatten mit derselben Bestimmung, sind nur zwei oder drei Fälle vorgekommen, wo überhaupt eine derartige Versagung statt- gefunden hat. Ih werde darauf halten, daß auch in den Regierungen nach keiner Seite hin ein Mißbrauh mit diesen Bestimmungen ge- trieben wird; ih glaube daber, den Herrn Abg. Rikert beruhigen zu können. Die Mittheilung von Gründen hätte die Sache auh niht verbessert, sie hätte gar eine Garantie geboten, ganz ab- gesehen davon, daß Gründe s\o billig wie Brombeeren sind, um mit Shakespeare zu reden. Nein, meine Herren wir werden dafür forgen, daß die Lehrer gerecht und verständig behandelt werden; und die Be- stimmung wird hauptsächlih den Erfolg haben, daß man den Lehrern, wenn durch ihr dienstlihes Verhalten etwa Anlaß zu Bedenken ge- geben wird, im voraus sagt: nehmt Euch in Acht, es kommt demnächst die Erhöhung Eurer Dienstzulage. Das hat bis jetzt in fehr vielen Fällen geholfen und ift sehr viel besser, als wenn das mit schriftlihen Gründer an die große Glocke {chlägt, statt es ganz im stillen abzumachen. Die Gründe einer Versagung kennen die Lehrer selbst ganz genau, manchmal noh besser, als die Königlichen Regierungen sie kennen.

Also ih habe s{&ließlih die Hoffnung, daß, wenn das Gesetz in der Form, wie es vom Herrenhause herübergekommen ift und ih fann dem hohen Hause niht dankbar genug sein, daß es soviel Ent- gegenkommen beweist und nicht den Geseßentwurf den Chancen der nowmaligen Berathung im Herrenhause ausseßen will ih habe die Hoffnung, daß, wenn es in dieser Form zu stande kommt, es dann für die Schule, die Lehrer und für das Land ein nüßlihes Gesetz sein wird und ein wesentliher Fortschritt; und ih sehe es als Chrenpflicht der Regierung an, bei der Ausführung des Gesetzes alles zu thun, um die Ziele, die wir dabei von vornherein im Auge gehabt haben, auch wirklich zu erreihen. (Bravo!)

Jn der Spezialdiskussion bemerkt zu § 2 (das Grund- gehalt darf für Lehrerstellen nicht weniger als 900 A betragen; das Herrenhaus hat die Worte: „auh in besonders billigen Orten“ gestrichen)

Abg. Dr. Por, daß nach der Erklärung des Kultus-Ministers im Herrenhause kein Anlaß mehr vorliege, die Fassung - des Abgeord- netenhauses wieder herzustellen.

Der § 2 wird angenommen, ebenso der § 3. ;

Nach § 4 der Beschlüsse des Abgeordnetenhauses soll bei dauernder Verbindung eines Schul- und Kirchenamts das Grundgehalt der Stelle ein entsprehend höheres sein, als es in den 88 1 und 2 bestimmt ist. Das Herrenhaus hat diese Gehaltserhöhung von der mit dem kirhlihen Amt verbundenen Mühewaltung abhängig gemacht.

Dagegen wendet \sich Abg. Dr. Dittrich (Zentr.).

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten D. Dr. Bosse:

Meine Herren! Ich hätte auch gewünsht und habe..das au im Herrenhause ausgesprochen, daß man den Zusay lieber nicht ge- macht hätte. Die Interpretation wäre freier gewesen. Jch glaube aber auch, daß der Zusay an si nit hindert, die andern Gefsichts- punkte, die der Herr Abg. Dr. Dittrih soeben hervorgehoben hat, uad die au hier in der Kommission zur Sprache gekommen - sind, bei der Bemessung dieser Erhöhung mit zu berücksihtigen. Jch kann daher die Interpretation, die der Herr Abg. Dr. Dittrih dem Para- graphen soeben gegeben hat, nur bestätigen.

8 4 wird angenommen, ebenso die 88 5 bis 18 ohne Debatte.

In §8 19, der von den Naturalleistungen handelt, hat das “E die Bestimmung des Abgeord elen Lausen, daß bei

rrihtung neuer Schulstellen das Grundgehalt weder ganz noch zum theil in Naturalleistungen festgeseßt werden darf, ge- strihen. § 19 wird in der Fassung des Herrenhauses an- genommen.

Jn die Uebergangs- und Schlußbestimmungen hat das Herrenhaus die Bestimmung aufgenommen, daß eine Ver- \hlehterung des nah den bisherigen Ordnungen festgestellten durch\chnittlihen Diensteinkommens in der Regel nicht statt- uben darf. Jn dem Zusaß des Wortes „durchsnittlich" erbli

Abg. Dr. Frmer (kons.) eine Vershle{terung gegen den jeßigen Zustand, er sieht aber davon ab, einen Antrag zu stellen.

Der Rest des Gesecßes wird angenommen. Bei der Schlußabstimmung verkündet der Präsident, daß das Geseh im Ganzen definitiv mit großer Mehrheit angenommen sei. (Zu rufe: Einstimmig!) Dagegen stimmt Abg. Kröcher (ren s

Die Abgg. Seydel- Hirschberg (nl.) und Genossen dean tragen sodann folgende Resolution:

„die Regierung aufzufordern, mit Rücksicht auf die nah deu! derzeitigen Rechtszustande in der Provinz Schlesien bestehende ungerehte, namentlih die mittleren und kleineren Grundbefißer überlastende Vertheilung der Schullasten ohne Verzug, thunlichst

noch in der laufenden Landtagsse\sion, einen Gesetzenttourf Ei zulegen, durch welchen die Schulbeitrags- und Unter altungspflid

d sämmtli öffentlichen Volkéschulen der Provi l 1) rt. 25 Abs 1 der Verfassung geregelt 7 Provinz Stlefien

Der Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (kons.) beantragt dazu folgende Abänderungen :

„a. die Worte „in der Provinz Schlesien" zu streichen ; þ. -statt der Worte „thunlichst noch in der laufenden Landtagsse|sion“ zu sagen: „baldihunlist“; c. vor dem Worte „geregelt“ einzufügen: „im Rahmen des dur übereinstimmenden Beschluß beider Häuser des e i bereits wiederholt geforderten allgemeinen Volks\{ul- geseyes“.

Abg. Seydel - Hirschberg (nl.) verweist zur Begründung der von ihm vorgeschlagenen Resolution auf die Verhandlungen im Herrenhause. Die Swulbeitragspfliht is, führt er aus, für die Katholiken und Ebvangelishen in St{lefien verschieden geregelt. Durch die Zunahme der Bevölkerung in manhen Bezirken, namentlich durch Anlage von Fabriken, haben si, so führt Redner aus, son die Lasten bedeutend erhöht. Für die Evangelischen sind noch die Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts in Kraft, welches 1794 in Kraft trat und für die heutigen Verhältnisse niht mehr paßt. Die Gemeinden werden dadurch überlastet, während die Dominialbesiger eine Beitragspfliht niht haben. Durh die Errichtung neuer industrieller Etablissements strömt eine große Arbeiterbevölkerung in die Gemeinden, neue Schulstellen müssen gegründet werden, und die Sqculsozietäten haben diese Lasten zu tragen, ohne daß die Do- minialbesißer, zu deren Gunsten die Bevölkerung si in dieser Weise vermehrt, dazu Aber Ein Geistlicher meines Wahlkreises schreibt mir, daß dieser Not stand dringend der Beseitigung bedürfe, um der Gefahr der Unzufriedenheit und der Sozialdemokratie vorzubeugen. Bei dem Le R O ist der Zeitpunkt gegeben, die Aufmerksam- keit der Regierung auf diesen Punkt zu lenken. Diese Mißstände sind gerade in Schlesien ärger als anderwärts. Der Antrag Heydebrand will die Abhilfe in Verbindung mit einem allgemeinen Schulgeseß bringen. Sie kennen die Schwierigkeiten, welhe einem solchen Geseß entgegenftehen, der Antrag Heydebrand bedeutet daher eine Vereitelung meiner Wünsche. Mein Antrag will den kleinen Bauern- stand stärken und s{hüßen, und wenn Sie mit diesem Ziele ein- verstanden find, so müssen Sie meinen Antrag annehmen.

_ Abg. Dr. von Heydebrand und derLafa (kon\.): Mein Antrag will diefe Angelegenheit auf eine breitere Basis stellen. Es if ein Be- dürfniß, auf diefem Gebiete Abhilfe zu hafen. Wenn wir die Be- stimmungen des Allgemeinen Landrechts ändern, so müssen diese Aenderungen auch für alle Provinzen gelten, nicht nur für die Provinz Schlesien. Die Beschränkung auf Schlesien kann also nicht aufrecht erhalten werden. Ein unmöglihes Verlangen ift, daß die E noch in dieser Session die Sache in die Form eines Geseges bringt, denn es bedarf eingehender Aenderungen. Auch das fatholische Sculreglement hat Bestimmungen, die dabei ebenfalls e werden müssen. Wir wollen die Sache in Verbindung ringen mit dem Volksschulgeseß; denn es ist bedenklih, wieder einen einzelnen Punkt berauszugreiten und besonders zu regeln. Sie über- säßen do die Schwierigkeit eines allgemeinen Volks\{ulgeseßes. Vir haben auch bei dem eben verabschiedeten Geseß von allen Seiten Entgegenkommen gefunden, und wir hoffen, daß es bald au mögli sein werde, über ein Volkssculgeseß eine Verständigung zu erzielen.

Abg. Baensh-Schmidtlein (fr. konf.) unterstüßt den An- trag Seydel, der nothwendig sei, besonders mit Nüksicht auf die Nothlage der Landwirthschast, und bemerkt dann Folgendes: Die Mißstände in Schlesien sind so groß, daß endlih Remedur geschaffen werden muß. Bei der Begründung des katholischen Schulreglements entstanden große Schwierigkeiten in den Orten mit gemischter Kon- fession, und die Majorität mußte s{ließlich die Kosten für die Schulen der Minorität mittragen. Die Bestrebungen der Evangelischen gingen nun dahin, auch entsprehende Bestimmungen für sih zu bekommen, und mach diefer Richtung wurde au eine Kabinetsverordnung erlassen. Vir haben nun in Schlesien ein solches Konglomerat von Bestimmungen, daß endlich einmal eine Neuregelung nothwendig ist; wir haben in Schlesien sech8 bis sieben verschiedene Arten von Schulunterhaltungen. Das Einverständniß zwischen dem Gutsbesißer und der Gemeinde leidet unter diesen Ver- hältnissen. Die großen Aktiengesellshaften, welche durch ihre Etablissements die Bevölkerung vermehrt haben, die Forensen und die juristischen Personen find von jeder Beitragspflicht befreit, weil fie nicht zu den Schulvätern gehören. Eine Gemeinde hat einen zweiten, dann einen dritten Lehrer anstellen müssen infolge neuer Fabrikanlagen, und jeßt muß sie niht nur einen vierten Lehrer anstellen, sondern au ein neues Schulgebäude errihten. Der Gemeinde blieb nihts Anderes übrig, als sich an die Regierung um Unterstüzung zu wenden, welche dankenswerther Weise die Mittel u dem Schulgebäude hergab. Dem Eingreifen des Staats, das immerhin ein Gnadenakt ist, wäre eine Aenderung der geseßlichen Vestimmungen vorzuziehen. Im Herrenhaufe hat der Ober-Präsident der Provinz Schlesien die Verhältnisse als ungerecht und un- geheuerlich anerkannt. Dem Antrag Heydebrand a und b können wir zustimmen. Mit dem Antrag c würden wir den nothleidenden Gemeinden keinen Gefallen thun, weil damit die Regelung auf unabsehbare Zeit vershoben würde. Wenn Sie ein warmes Herz für den Bauernstand haben, so nehmen Sie den Antrag Seydel an!

__ Abg. Dr.Porsf ch (Zentr.): Ih stimme dem Antrag Seydel zu, er- innere aber daran, daß es sich nicht nur um die kleinen Bauern handelt, sondern daß auch an manchen Stellen eine Prägravation des Gutsbesitzers vorliegt. Auf einem Rittergut des fürst- bischöflichen Domkapitels von Breslau müssen die Lehrerstellen alljähr- ih um zwei vermehrt werden, sodaß man nur wegen der steigenden Shullasten den Verkauf des Gutes ins Auge gefaßt hat. Erfreulich sel, daß der Antrag Heydebrand die Refolution auf die ganze onarchie erstrecken wolle. Auch mit dem Antrag c des Herrn von Veydebrand find wir einverstanden. Damit soll keineswegs die Kefolution Seydel vereitelt werden, aber auf keinem Gebiete ist die ölickshusterei so wenig angebraht, wie auf dem Schulgebiete. Die gesammte Schulunterhaltungspfliht muß im Rahmen eines allgemeinen olfsshulgesezes geregelt werden. Wird der Antrag Heydebrand ab- lehnt, so müssen wir zu unserem Bedauern auch die Resolution 2ydel ablehnen. Der frühere Kultus-Minister von Goßler hat selbst einmal anerkannt, daß die Schuldotation nit allein, ohne ein Volks- hulgesey zu regeln ift. A ba. Freiherr von Zedliß und Neukirch (fr. kons.) : Der Saa Heydebrand beseitigt den Zweck des Antrags Seydel. Jn edle len ist die Abhilfe der erwähnten Zustände ganz besonders unt G: Die Vertheilung der Schulbaulasten zwishen Gemeinde L Gut ift ledigli in das Ermessen der Regierung gelegt; gewiß mie nhaltbarer Zustand, der sch immer mehr verschlimmert hat ih , der Zunahme der industriellen Etablissements. Dur die Bes- Arentung der Resolution auf die Provinz Schlesien glaubten wir Ge den prinzipiellen Bedenken der Konservativen und des Zen- O Rechnung tragen zu können. Aber wir haben gegen die Aus- aven „auf die ganze Monarchie nihts einzuwenden. Dagegen u nen wir die Anträge þ und c entschieden ab. Herr von Heyde- Us untershäßt die tehnishen Schwierigkeiten eines Volksschul- ey, Gerade im Zujammenhange mit dem Lehrerbesoldungégeseß do actu wollen wir für die Provinz Schlesien die Abhilfe bringen. h von Heydebrand sieht die Lage viel zu rosig an, der Moment e Volksfhulgeses is noch nit gekommen; eine Verständigun der A ift zur Zeit vollkommen ausgeschlossen. Ich gebe zu, das Kk Ta Heydebrand nicht die Abhilfe dringender Uebelstände ad e F qs Graecas hinausschieben will, aber thatsählich ist es doch guten M Auf die Technik kommt es nicht an, sondern auf den Sie illen, und die Erfahrung hat uns noch nicht gezeigt, dai dotatiz ta den Konservativen) den guten Willen haben. Ein Schul- laffen n8geseß wird sich ohne Swierigkeiten für sih allein machen

Abg. Dr. Sattler (nl): Ih kann im wesentlichen auh nur das de E n, was der Vorredner ausgeführt hat. Meine Freunde stehen besoldu as Heydebrand ebenso gegenüber. Bei dem Lehrer-

ng8geseß herrshte allerdings nur ein kurzer Waffenstillstand ;

kaum ift der leßte Paragraph einmüthig angenommen, fo gräbt Herr von Heydebrand die Streitaxt {hon wieder aus. Er sollte do be- denken: ne bis in idem. Das Abgeordnetenhaus hat bereits eine Ne- solution zu Gunsten des Volkss{hulgesezes angenommen. Soll der- selbe Beschluß nun noch einmal gefaßt werden? Schon aus ästhetischen Gründen sollte Herr von Heydebrand das nicht wollen, denn das würde doch gerade nach Flickschusterei ausfehen. Der Antrag Heyde- brand übt Kritik an den Beschlüssen des Herrenhauses in derselben Sache. Dort hat Herr von Gerlah nicht daran gedacht, hinzu- zufügen: „im Rahmen eines allgemeinen Volks\hulgejeßes“, fondern er ift einfa auf die Beseitigung der Mißstände in Schlesien bedacht gewesen. Herr von Heydebrand follte also von seinem Antrag Abstand nehmen. Er wird nit verkennen, daß die Schwierigkeiten für das Volksschulaesey fehr viel größer sind als für die Beseitigung eines einzelnen Mißstandes. Wenn es möglih war, fast ein einstimmiges Votum des Hauses über das Lehrerbesoldungsgeseß herbeizuführen, so follten Sie nicht zweifeln, daß auch über einzelne andere Punkte ohne ein allgemeines Shulgeseg eine Verständigung möglich sein wird. __ Abg. von Puttkamer - Ohlau (kons.): Nicht für alle Gebiete in Schlesien ist das Landreht maßgebend, sondern für manche gilt das Schulreglement von 1801. Die Gründe, welche der Antrag Seydel aus dem Landrecht entnimmt, treffen für die ganze Monarchie zu. Wenn man an eine Reform herangeht, muß man ebenso die Gebiete in Swlefien in Betracht ziehen, wo das Schulreglement gilt. Es ist also das Beste, die Resolution auf die ganze Monarchie auszudehnen. Herr von Heydebrand hat nicht iuerit die Streitaxt ausgegraben, sondern¡Herr Rickert, der uns sofort eine weitere Agitation angekündigt hat. Herr von Heydebrand hat überhaupt die Streitaxt niht ausgegraben, sondern nur fagen wollen, ein Schuldotationêgefetz ließe sih tehnisch nicht machen, ohne daß das ganze große Gebiet des Schulgeseßes in Angriff genommen würde. Wir brauchen die Streitaxt nicht erft auszugraben, sondern sie ist immer da, fo lange wir niht das allgemeine Volkss{hulgesep haben. Jn derselben Zeit, in welcher man ein Dotationsgesez machen könnte, kann man auch ein Volks\hulgeseß machen. Wir verkennen nicht, daß die Schwierigkeiten für Schlesien zu heben dringend geboten is, Sie können aber niht verlangen, daß wir einen Weg gehen, auf dem das, was wir allein für rihtig halten, auf lange Zeit hinaus ver- zôgert wird. Wenn der Antrag Heydebrand abgelehnt wird, können wir für die Nesolution- Seydel nit stimmen.

Abg. Gothein (fr. Vgg.): Dem ersten Punkt des Antrages Heydebrand stimmen wir zu, um die gewünshte Regelung auf die gesammte Monarchie zu erstrecken. Dagegen stimmen wir nit für den Antrag c. Ein Schullastengeset läßt sih sehr wohl ohne das Volks\culgeseß mahen. Das erstere müssen wir endli verlangen. Wenn ein Schulgeseß gemacht wird im Sinne der Konservativen und des Zentrums, wird die Streitaxt nit vergraben, sondern dann wird erst recht die Unzufriedenheit in die Bepölkerung hineingetragen.

__ Abg. Freiherr von Zedliß und Neukirch widerspricht einigen Ausführungen des Abg. von Puttkamer und stellt fest, daß jedenfalls das kommunale Prinzip der Schule von keiner Seite angetastet wird. L P schließt die Diskussion. Jn seinem Schlußwort

eion

Abg. Seydel -Hirshberg nochmals die Nothwendigkeit einer Regelung für Schlefien und spricht die Ueberzeugung aus, daß diese Materie auch ohne Volks\schulgeseß erledigt werden könne.

Die Anträge von Heydebrand a und- b werden mit großer Mehrheit angenommen; der Antrag c wird gegen die Stimmen der Freikonservativen, der Nationalliberalen und der Freisinnigen angenommen. Die Resolution Seydel wird in der hiernah veränderten Fassung dur die aus den Konserva- tiven und dem Zentrum bestehende Mehrheit angenommen, während die ursprünglichen Antragsteller, die Freikonservativen und Nationalliberalen, selbst sowie auch die Freisinnigen da- gegen stimmen.

In erster und zweiter Berathung wird hierauf der Geseß- entwurf, betreffend die Rechtsverhältnisse der Auktionatoren im Geltungsbereiche der Versteigerungsordnung für Ostfriesland und Harlingerland vom 16. Dezember 1834, angenommen. Hn der ersten Berathung des Geseßentwurfs, betreffend die Vereinigung der Stadtgemeinde Burtscheid mit der Stadt- gemeinde Aachen, beklagt

„Abg. Dauzenberg (Zentr.) das Anwachsen der großen Städte, erklärt sich als geborener Burtscheider gegen die Vorlage und be- antragt deren Ueberweisung an die Gemeindekommission.

Abg. von Puttkamer - Ohlau (kons.) ist prinzipiell ein Gegner aller solcher Einverleibungen, weil dabei in der Regel der eine Theil der Verlierende, der andere allein der Gewinnende sei. Die Vor- lage müsse eingehend in der Kommission geprüft werden.

__ Wirklicher Geheimer Ober-Regierungs-Rath Noell legt dar, daß die Einverleibung wegen der bestehenden Mißhelligkeiten zwischen den beiden Nachbarstädten nothwendig und von beiden Stadtverwaltungen gebilligt fei.

Die Vorlage geht an die Gemeindekommission.

Schluß gegen 2% Uhr. Nächste Sißung: Dienstag 11 Uhr (Kleinere Vorlagen. Etat der Bauverwaltung.)

Statistik und Volkswirthschaft.

Hochseefisherei und Fishhandel.

__ Die Hochseefischerei in der Nordsee hat im vergangenen Jahre be- friedigende Ergebnisse erzielt. Jn diesem Zeitraum haben im Ganzen 1720 Fischdampfer thre Fänge an den Geestemünder Markt' gebracht. Gegen das Vorjahr ergiebt si ein Zuwachs von 196 Damyferfahrten. Außerdem liefen 380 Segelfahrzeuge ein; hier ist gegen das Vorjahr ein Nückgang zu verzeihnen, was darauf zurückzuführen ist, daß die Raumbverhältnisse in der Geeste zu beschränkt waren und infolge dessen der Verkehr der Segelfahrzeuge daselbst sich ungemein s{chwierig und unbequem gestaltete. Diese zogen es daher vielfa vor, andere Häfen aufzusuchen. Die eingelaufenen Fishdampfer und Segelfahrzeuge reprä- sentieren eine Gesammttonnenzahl von 92 118 bezw. 10 074 mit 17 519 bezw. 1029 Mann Besaßung. 1560 Dampferladungen wurden in Auktion verkauft. Die Den Dampfer seßten ihre Fänge im Wege des freihändigen Verkaufs ab. 88 Dampfer brachten ihre Fänge nah ausländishen Häfen. Dies geschieht hier und da im Sommer, wenn der Absah in Geestemünde unter großer Hige zu leiden hat und die Marktlage sih ungünstig gestaltet.

Der Umsaß an Fischen im Jahre 1896 belief sich in den Auktionshallen auf 26 380 968 Pfd. Fische mit 2749 344 4 Erlss, beim freihändigen Verkauf auf 2 874 430 D Fische mit 267 818 M Erlôs, zusammen auf 29 255 398 Pfd. Fische mit 3 007 162 ( Erlös, während im Jahre 1895 28 217 697 Pfd. Fishe mit 2766 495 M Erl®ss erzielt: wurden.

In der Nordsee haben fich die Fangergebnisse im abgelaufenen Jahre im Großen und Ganzen in denselben Grenzen gehalten wie im Vorjahre. Großer Schellfisch wurde nur in geringen Mengen ange- troffen. Der Fang an Edelfishen war ergiebiger als früher, was man auf die Ingebrauhnahme des Scheerbrettneßes zurückführt, das ne Ber A efishung des Meeresgrundes als das Baumneh er- möglihen soll.

Die Segelfischerei hat in der Hauptfangperiode (Juni und Juli) sehr unter Windstillen zu leiden gehabt und wird daher kein besonders günstiges Ergebniß erzielt haben. Das Gleiche ist bei den Weserfischern der Fall; da die Hauptfischarten (Stint und Maifisch) nur verhältniß- m, geringe Fänge ergeben haben. Eine recht erfreulihe GEntwickelung hat die Herstellung von Seefisch-Marinaden genommen, welcher § etriebszweig mehr und mehr in Aufnahme kommt und im Vorjahre recht ansehnliche Erfolge erzielt hat. Eine Geestemlinder Firma hat etwa 25 000 Büchsen, zwéi

andere Firmen je 20000 und ‘ein drittes Geschäft 18 000 Büchsen in Marinaden abgeseßt, Meist kommt Hering zur Verarbeitung, Vier

zum größten Theil aus tem Auslande bezogen wird, weil die de Hekingsfisherei bei weitem niht den Bedarf zu decken vermag. ‘Abe auch andere Fischarten, wie Schellfishe, Knurrhähne x. werden mit Erfolg zu Marinierzwecken verwendet. Elb-Sprotten werden zu sogenannten „Kronsardinen“ verarbeitet und haben in dieser Zubereitung einen recht guten Absaÿ gefunden.

Ueber die Aussichten der Fabrikation voa Medizinal: Leberthran aus den frischen Lebern der auf See gefangenen Fische is hervor- zuheben, daß jeßt bereits 12 Fishdamvfer mit den inrihtungen zur Gewinnung des Thranes versehen sind. Das Verfahren zur Raffinie- rung des Nohprodukts ift derart vervollkommnet, daß der fabrizierte Thran dem norwegischen in keiner Weise nacsteht.

, Die Fishdampfer hatten im Vorjahre nur verhältnißmäßig geringe Havarien aufzuweisen. Ein Dampfer wurde dur eine Sturz- see schwer beshädigt, zwei andere Dampfer geriethen auf Strand, wucten T eiaees E L Sa ge noch eine Kollision zwi|chen zwei Fishdampfern vor. Im Betriebe der Fi i zwei SO Ee das E i GRBE MAGAE

urch die am 1. November v. J. erfolgte Jnbetriebnahme des Geestemünder Fischereihafens hat der Fishhandel eine erhebliche Er- weiterung erfahren, indem sich 12 neue Fishaeshäfte an dem neuen Hafen niederließen. In 6 Fällen handelt es sih um Ncugründungen, 6 Geschäfte siedelten von Bremerhaven nah Geestemünde über.

Am Schlufse des Jahres 1896 bestand die Fischdampferflotte der Weser aus 78 Fahrzeugen. Der Zugang im Laufe des Jahres betrug 11 Dampfer; die Bauluft war geringer wie in den Vorjahren.

Literatur.

Wilhelm der Große. Bilder aus dem Leben des Helden i Liedern und Versen. Von Fr. Ohnesorge. Verlag aaa Otto Salle, Berlin W., Maaßenftraße 19. . 1M Diese für die Feier des 22. März 1897 bestimmte rift behandelt în 28 etn- zelnen Gedichten den ganzen Lebensgang Kaiser Wilhelms I. Für die bevorstehenden Festlichkeiten verdient diese eigenartige dichterische

abe, die au in gefälliger Ausstattung erscheint, eine gute Aufnahme.

Die hiesige „Literatur-Arhiv-Gesellschaft“, welche es fih zur Ae gemaht hat, Nachlässe von Gelehrten und Dichtern zu erwerben und zu ordnen, hielt am 14. Februar ihre dies- jährige Generalversammlung ab. Dem von dem Schriftführer er- statteten Bericht zufolge besißt das Literatur-Archiv bereits über 11 000 Briefe und etwa 500 größere Manuscripte. Im Jahre 1896 wurde unter Anderem der Nachlaß Hermine von Chezy?s erworben ; derselbe enthält den ausgedehnten Briefwechsel dieser Dichterin und somit interessante Beiträge für die romantische Periode unserer Literatur. Den Vorstand der Gesellschaft bilden die Herren Geheimer Regierungs- Nath, ee Dr. Weinhold und Professor Dr. Mommsen als Vorfißende, Ober - Bibliothekar Dr. Meisner als Schriftführer, Banquier Alex. Meyer-Cohn als Schazmeister und Geheimer Negte- rungs-Rath, Professor Dr. Dilthey, Schulinspektor Dr. Jonas, Professor Dr. Eri Schmidt, Geheimer Regierungs-Rath, Professor Dr. Watten- bah und Legations-Rath Dr. von Wildenbruch als Beisitzer. Die „Mittheilungen“, welche die Gesellshaft für ihre Mitglieder heraus- giebt, enthalten u. a. Briefe, Gedichte und Erinnerungen von Arndt Böôckh, Boie, Henriette Herz, Humboldt, Schleiermacher und Voß.

Im Verlage von Mar Babenzien in Rathenow erschien : „Dié türkische Armee und Marine in ihrer gegenwärtigen Uniformierung, nebst ausführliden Erläuterungen und Mittheilungen über Organisation, Stärke und Eintheilung der türkishen Armee und Marine“. In dieser Schrift werden in ca. 70 Einzeldarstellungen auf 12 Tafeln alle Zweige der bewaffneten Macht des türkischen Reichs, naturgetreu in Handkolorit autgeführt, dargestellt. Die Bilder sind von der Hand des Malers Richard Knötel ausgeführt, während die Erläuterungen, die sich über die gesammten türkischen Heeresein- richtungen verbreiten, der Feder eines Kenners der orientalishen Ver- hältnisse, des Majors Toegel, entstammen. Das Werk, das gerade augenblicklich von besonderem Interesse ist, kann zum Preise von 4 M dur lede Ten bn i pen werden.

Fn einem im Februarheft von „Nord und Süd“ (Breslau, Schlesishe Buchdruckerei, Kunst- und Verlags-Anstalt von É Schott- laender) veröffentlichten U betitelt „Die unbekannte Natur- wissenshaft“, sucht Karl du Prel nachzuweisen, daß in der Magie doch vielleiht ein kleiner Wahrheitskern \tede, und sle als eine lait nothwendige Folgerung aus dem derzeitigen Standpunkt der Wissen- {aft darzustellen. Auch derjenige, welcher sih von den Ausführungen des Verfassers nicht überzeugen lassen will, wird sie mit Interesse lesen und zum Nachdenken über diese Frage an- geregt werden. Ferner enthält das Hest folgende Beiträge : „Madeshda Nifkolaewna*, von Wsewolod Garshin (aus dem es überseßt von Natalie von Bessel); „Wie dihterische Schilderungen zu analysieren sind“, erläutert an Gedichten von Detlev von Liliencron, von Max Wallerstein; „Die Königin“, von Detley von Liliencron; „Die Kunst im Hause“, von J. Meier-Graefe; „Ber- trand du Guesclin“, von E. Maschke (Schluß); „Christian Dona- litius und a Zeit“, von F. Tetner; „Liebig's Fritz“, eine Skizze aus den s{lesishen Bergen, von Marga von Rent; „Melitta“, eine Skizze von Bernstein-Saversky; Jllustrierte Bibliographie. Das Le ist mit dem Porträt Detlev von Liliencron’s, Radierung von

ohann a gens Hef

Das unläng ienene t 15 des laufenden Jahrgangs der illustrierten Familienzeitshrift „Für Alle Welt" Taurgangs Verlagshaus Bong u. Co., Berlin W.; Preis des Vierzehntagsheftes 40 S) bringt einen interessanten Aufsaß von Gerhard Stein, wel die im Hanshalt, in Techuik und Gewerbe für Beleuhtungs- und andere Zwette eingeführten Explosivstoffe einer eingehenden Besprehun unterzieht. Ueberbaupt läßt es sich die Redaktion dieser Zeitschri angelegen sein, die in das praktische Leben eingreifenden Wissenschaften zu popularisieren. So findet man in dem Bel ferner neben den beiden fesselnden Romanen „Unter fremder Schuld* von Ludwig Habicht und „Schurf und Muthung®* von A. Oskar Klaufßmann fowie einer tiefangelegten und spannenden Novelle „Das zweite Gesicht" von A. M. Witte einen lehrreihen medizinischen Artikel: „Die Nafe, ihr Beruf und ihre Leiden* von Dr. M. ODyren- furth, eine mit dem Porträt geschmüdckte biographishe Skizze des jüngst verstorbenen Erfinders des Dynamits Alfred Nobel, eine illustrierte naturwissenshaftlihe Abhandlung über den Olm, einen ebenfalls illustrierten Artikel über einen ganz neuen Schiffstypus sowie verschiedene andere tehnishe Mittheilungen von Interesse. Eine Reihe anderer Artikel dient mehr der Unterhaltung und Grheite- rung. Die vorzüglichen R nGule des illustrativen Theils nah Genregemälden von K. Makowski, E. Rau, I. Koppay, Emanuel Spiter 2c. neben der großen Anzahl von Shwarz- und Buntdrucken im machen das an mannigfaltigem Son so reie Heft auch äußerlih zu einer Zierde des Familien-Lesetisches.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln. Türkei. Zufolge Beschlusses des internationalen Gesundheitsraths in Konstantinopel vom 13. d. M. is die für Herkünfte von Bombay und Kurrachee angeordnete 10 Laige Quarantäne auf 15 Tage erhöht und auf Herkünfte von ganz Hindostan ausgedehnt worden. Werden Pestfälle oder pestverdächtige Erscheinungen während der Ueberfahrt oder bei der Ankunft im Lazareth beobachtet, so unterliegen Schiff und Passagiere einer 20 tägigen Quarantäne, vom leßten Todes- fal an gerehnet. Die getragenen Kleidungsstülke, Effekten und das Gepäck der Passagiere und der Besaßung werden des8infiziert und die Effekten der Verstorbenen ver- brannt. Das if wird einer Pretgen Desinfektion unterworfen, und das Trinkwasser erneuert. Das Kielwasser wird geleert, nahdem es vorher desinfiztert worden is. Dieselben Maßnahmen gelten für Schiffe, welche aus den Häfen zwischen der Küste von Belutchistan und

r

15 O En Grenze kommen. (Vgl. „R.-Anz.* Nr. 42 vom