1897 / 50 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 27 Feb 1897 18:00:01 GMT) scan diff

E E A es A E E TS a M: S hig - S0 S, M S E S S ee E S E

wodur die Wartezeit, namentlih auch der Militäranwärter, erheblih

efürzt worden ift. s Damit schließt die Debatte.

Die Ausgabe für die Zentralverwaltung wird genehmigt.

Bei den Ausgaben für die Betriebsverwaltung be- mängelt

Abg. Bueb die Zahlen des Etats bezüglich der Maschinen- Ingenieure.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Nachdem der Herr Abg. Bueb erklärt hat, die ziffernmäßigen Angaben der Staatsregierungen seien nur Redengarten, kann ih mich niht veranlaßt finden, auf seine allgemeinen Aus- führungen zu antworten. (Sehr richtig! rechts.)

Bezüglich der speziellen Anfrage möchte ich nur bemerken : eine Prüfungsvorschrift hat nicht beftanden bis zu der Mitte der ahtziger Jahre und ist dann, dem preußishen Muster folgend, von verschiedenen deutshen Bundesftaaten eingeführt worden.

Abg. Dr. Hammacher (nl.) spriht seine Freude darüber aus, daß die Verwaltung die Beshwerden der von der früheren Ver- waltung übernommènen Beamten zum großen Theil abgestellt habe, daß se zum theil nah nahträglich abgelegter Prüfung în die etats- mäßigen Stellen der Sekretäre eingereiht seien. Bezüglich des Gxramens solle aber die Verwaltung nahsihtig sein. Es komme do shließlih bei den Beamten mehr darauf an, welhe Meinung ihre Vorgeseßten von ihnen und ihren Qualifikationen hätten, nament- lih bei älteren Beamten, die es als Familienväter ablehnten, fich einem \solhen Examen in ihrem Alter noch zu unterwerfen. Man solle den zwischen den Eisenbahn-Sekretären und den Betriebs-Sekre- tären gemalten Unterschied niht mehr aufrecht erhalten.

Geheimer Ober-Regierungs-Rath Wackerzapp: Von 111 Sekre- tären haben 13 sih nit gemeldet; 91 haben die Prüfung bestanden, 6 haben fie niht beftanden, 1 hat seine Meldung zurückgezogen. Einige Beamte haben die Prüfung zweimal nit bestanden; wenn diese nohmals zur Prüfung zugelassen werden follten, so würden alle Bestimmungeu über den Haufen geworfen werden. Diejenigen, welde go gar nit zur Prüfung gemeldet haben, können natürlich auch nit

fördert werden. Daß es sih weniger um das Bestehen einer Prüfung als um das Urtheil der Vorgeseßten handelt, hört ih fehr {ön an; aber es ist bei einer Verwaltung mit tausend Beamten kaum

durzuführen; es würde zur Willkür führen.

Auf eine Anregung des Abg. Dr. Hammacher erklärt

Geheimer Ober-Regierungs-Rath Wackerzapp, daß die Ver- waltung in Aussicht genommen habe, wie in Preußen, in Zukunft nur zwei Klassen von Bureaubeamten beftehen zu lassen: die Assistenten und die Sekretäre.

Die Ausgaben für die höheren Beamten der Betriebs-

verwaltung werden genehmigt. Bei den Ausgaben für das Bureaupersonal bedauert

Abg. Dr. Förster - Neustettin, daß die Petitionen seitens der Budgetkommission noch nicht geprüft, sondern bis zur Berathung der Gehaltsaufbefserungen zurüdckgestellt seien; man wisse niht, ob man überhaupt zur Berathung dieser Aufbesserungen komme. Redner em- pfiehlt daher die Berücksichtigung der Wünsche dieser Beamten.

Geheimer Ober - Regierungs-Rath Wackerzapp weist darauf bir daß die Bureaubeamten erst 1892 in ihrem Gehalt aufgebessert eten.

Bei den Ausgaben für das Stations-, Strecken- und Telegra phenpersonal bemängelt

Abg. Bueb die lange Dienstzeit dieser Beamten, die bei zwölfstündiger Dienstzeit täglih niht einmal zu ihrem Mittag- essen kêmen die ferner eine unzureihende Sonnta deube hätten. Es handle si namentlich um das Rangierpersonal und die Telegraphisten. Redner gebt auf die vorjährige Rede des Ministers ein und versuht den Nachweis, daß die von demselben damals gegebenen Zahlen nit zutreffend seien. Die Telegraphisten würden zu Stationsdiensten herangezogen, ohne entfprechendes Gehalt zu erhalten. Aber man scheine die Leute grundsäßlih nicht zum Examen zuzulassen.

Abg. Dr. Förster - Neustettin verzichtet auf die Besprechung dieser Dinge, die Gegenstand einer besonderen Petition seien.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Auf die einzelnen Fragen wegen Nichtbeförderung von Telegravhisten kann ih mi heute nicht einlafsen, weil sie mir unbekannt find. Ih werde aber aus dem Stenogramm Veranlassung nehmen, ihnen näher zu treten.

Was die Sache selbst anbelangt, so bin ih der Meizung, daß die- selbe demnächst bei der speziellen Behandlung der Petitionen erörtert werden muß. Ih möchte aber heute einzelne Angaben des Herrn Abg. Bueb nit unwidersprochen lafsen. Meine Herren, die Telegraphifsten zerfallen in zwei Klassen: in folche, die die Telegraphisten- stellen nur als Durchgang bekleiden, und in folche, die dauernd Telegraphisten bleiben. Die leßteren sind die weniger qualifizierten, während die erfteren später in die Stellen der Stationsafsistenten aufrücken können, wenn sie ihre Qualifikation durch ein Examen dargethan haben; ein solhes Examen ist bei der großen Verant- wortung, welhe mit dem Amt eines Stationsassistenten verknüpft ift, unumgänglih nothwendig.

Meine Herren, die Eisenbahntelegraphisten sind im Jahre 1888/89 aufgebefsert worden in den Höchstbezügen um 130 pensionsfähiges Gehalt und durh Gewährung êines niht pensionsfähigen Zuschusses von 200 4; sle find dann im Jahre 1891/92 nohmals aufgebessert und ¿war im Höchstbetrage um 240 4; sie stehen damit durhaus rihtig in der Eisenbahn-Beamtenhierarchie. Vielleicht aber wird es dem Hause nit uninteressant sein, wenn ih hier einmal die Ziffern mittheile, wie in den Privat - Eisenbahnverwaltungen diefe Stellen besoldet sind. Die preußishe Staatseisenbahn-Verwaltung hat Veranlassung genommen, dieser Frage näher zu treten in diesem and im vorigen Jahre aus Anlaß der Verstaatlihung von vier Privat- bahnen. Da hat si ergeben, daß die Telegraphisten in der preußischen Verwaltung und die Säße sind ja genau dieselben in der Reichs-Eisenbahnverwaltung im Durchschnitt 1612 erhalten, bei der Weimar-Geraer Bahn 1258 #, bei der Werrabahn 1383 #ÆM bei der Saalbahn 1364; bei der Hessishen Ludwigsbahn, also einer Nachbarbahn von Elsaß- Lothringen, bestehen zwei Kategorien, von denen die eine 1184, die böbere 1225 M bezieht gegen 1612 bei den preußischen Bahnen. Norbin ift auc von den Kanzlisten die Rede gewesen, und ih möchte au in dieser Beziehung die betreffenden Zahlen mittheilen. Die Kanzlisten (aus\chlie#lich der Kanzliften ?. Klasse) bekommen im Durchschnitt im preußischen Dienst 2147 A, bei der Werrabahn 1600, bei der Saalbahn 1075 und bei der Hessishen Ludwigsbahn 1525 ; also auc hier find die Besoldungssäße der Staatsbahn und demgemäß au der Reichsbahn entschieden sehr viel höher als bei den Privatbahnen.

. Der Herr Abg. Bueb hat nun vorhin Zablen angeführt bezüglih des Privatdepeshenverkehrs in Straßburg und hat gesagt, wenn ih ibn richtig verstanden habe, in Straßburg wären im Jahre 1894/95 na den Angaben. die ihm gemacht worden find, 14800 Privat-

depeschen abgegeben worden. Das matt auf jeden der dort vor- handenen Telegraphiften täglich drei. Eine weitere Erörterung dar- über ist wohl überflüssig.

Abg. Dr. Hammacher behält sich vor, auf - die Petitionen zurückzukommen.

Bei den Ausgaben für das Expeditions- und Fahr- personai tritt

Abg. Werner (Reformp.) für die Lokomotivführer ein, die in ibrem Gehalt sich benachtheiligt fühlten gegenüber anderen Beamten- kreisen, und bemängelt die niedrigen Säße der Kilometergelder. Das liege alles nur an der Personalunion mit der preußischen Verwaltung.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Ih muß denn doch entschieden widersprechen, daß durch die Personalunion zwischen der preußischen Staatsbahn- verwaltung und der elsaß-lothringishen Reihs-Eisenbahnverwaltung irgend ein Nachtheil für die elsaß-lothringishen Bahnen oder für die Reichslande erwachsen sei; im Gegentheil ift der Beweis sehr [leicht zu führen, daß gerade die Vereinigung mit der preußishen Ver- waltung, insbesondere für die Beamten der Reihs-Eisenbahnverwaltung, nur vortheilhaft ift.

Meine Herren, die ganze Entwickelung der Reichseisenbahnen hat sich nah der Occupation des Landes, und nahdem man die französi- \hen Verwaltungseinrihtungen aufgegeben hatte, sehr zu ihrem Vor- theil auf der Grundlage der preußishen altbewährten Ein- rihtungen, nach preußishen altbewährten Grundsäßen voll- zogen. Daß diese festgehalten sind, das muß das Reichs- land der preußisGen Verwaltung und der Reichsregierung danken, und die Einsichtigen des Landes thun das auch. Die Reichs- Eisenbahnverwaltung in Elsaß-Lothriugen ih kann mich da wirkli auf das Land berufen ist eine der beftkreditierten Verwaltungen der Reichslande. (Sehr richtig! links.) Aus den Reichslanden selbst, aus solchen Kreisen des Reichslandes, welhe Empfindung dafür haben, welche Vortheile ihnen durch die Reichs- Eisenbahnverwaltung zugetragen worden sind, aus allen wirth- shaftlihen Keeisen wird das im vollsten Maße bestätigt. Es wird in vollstem Maße bestätigt durch den Eisenbahnaus\{chuß der Reichslande. Meine Herren, wenn wir die Personalunion auflöfen, so wird die Folge die sein, daß die Reichseisenbahnen in eine weit größere Abhängigkeit gerathen von den fkonkurrierenden süddeutschen Bahnen. Wenn das schon früher der Fall gewesen ift, so würde das jeßt noch in viel höherem Maße der Fall werden, nachdem die preußishe Staatsbahnverwaltung ihr Ney bis Mannheim erstreckt hat. Nur durhch die Personalunion wird es mögli, diese Konkurrenz auf ein nah allen Seiten bin billiges Maß zu beshränken. Lösen Sie dies Verhältniß auf, fo werden sehr rasch Zustände eintreten, die auch für das Reih und namentlich für Elsaß-Lothringen niht erwünscht fein werden.

Was nun speziell die Beamtenklafse anbetrifft, für die der Herr Vorredner eingetreten ift, die Lokomotivführer, so möchte ih doch be- merken, daß das ein Irrthum ist, daß der Lokomotivführer weniger gut gestellt wäre als der Zugführer; im Gegentheil, sein Gehalt ift einmal an ih {on höher, und zweitens hat der Lokomotivführer in den Kilometergeldern eine größere Nebeneinnahme. Diese Neben- einnahme übersteigt zu einem nicht geringen Theil die Baarauslagen, welche den Beamten aus der Nothwendigkeit des Aufenthalts und der Uebernahtungen außerhalb der Stationsorte entstehen. Die ihnen hierdurch zukommende Ersparniß kann zum mindesten auf durhschnitt- li 350 4 angenommen werden. Zu diesem Betrage sind sie auch durch den Etat für pensionsfähig erklärt worden.

Meine Herren, die Lokomotivführer bilden unter den Beamten der Eisenbahnen jedenfalls einen Stand, der alle Hochachtung im vollsten Maße verdient (sehr richtig! links), eine Hochachtung, die ihm au meiner- seits stets im vollsten Maße zu erkennen gegeben worden ist. Es ift mir immer eine besondere Freude gewesen, jede Gelegenheit benußen zu können, mit dem Lokomotivführer auf der Maschine zu fahren und mir von ibm au hier und da einen guten Rath geben zu laffen. Aber, meine Herren, jet die Lokomotivführer besonders hervorzuheben aus der allgemeinen Besoldungsregelung, dazu liegt meines Erachtens keine Veranlafsung vor.

Abg. Bueb: Es wäre ganz gut, wenn etwas mehr süddeutshe Einflüsse sh geltend machen würden. Der Minister wird nicht im stande sein, irgend einen Fortschritt der Reichs-Eisenbahnen aufzu- weisen, der niht unter dem Drucke des süddeutshen Beispiels gemacht wäre. Die Beshwerden der Beamten sind alle berechtigt; das ift ein \hlechtes Zeugniß für die Verwaltung. S

Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Ich bestreite, daß der nord- deutshe Einfluß irgend welhe nachtheiligen Wirkungen ausgeübt hat. Die südlichen Theile der Rheinprovinz sind doch nicht anders als Elsaß-Lothringen? Kein Mensch will das süddeutsche Regime in den Reichslanden. Es giebt keine ernsthafte Stimme, die nicht Gott dankt dafür, daß an die Stelle der Privatbahnen die Staats- bahnen getreten sind. Diejenigen, die da unzufrieden sind, find die- jenigen , die überall unzufrieden sind, nämli die Sozialdemokraten. Ueber die Reichs-Eisenbahnen raisonnieren die Elfaß-Lothringer am allerwenigsten. Daß es niht im Interefse der Reichs-Eisenbahnen liegen foll, daß die Zentralverwaltung in Berlin ift, ist unrichtig. Kleine Eisenbahnneße mit selbständiger Verwaltung können geoennzer den großen Neuen garnicht konkurrieren. Die ständigen Versuche, die Ansprüche der Beamten zu unterstüßen, sind sehr bedenklich. Die Beamten wären ganz zufrieden, wenn nicht ein Faktor sich fände, der ihre Beschwerden immer wieder unterstüßte. Der Reichstag ist do ganz außer stande, die Verhältnisse richtig zu beurtheilen.

Vize-Präsident Shmidt: Ich habe die Redner troß mancher Abschweifungen niht unterbrochen, weil der Minister von der preußischen Eisenbahnverwaltung und der hessishen Ludwigsbahn ge- \prochen hatte; ih bitte aber, nunmehr bei der Sache zu bleiben.

Abg. Werner meint, daß der füddeutsche Einfluß auf die Reichs- Eisenbahnen doch wünschenswerth gewesen wäre.

Abg. Freiherr Heyl zu Herrnsheim (nl.): Der Ver- staatlihung der hessishen Ludwigsbahn haben wir zugeftimmt, weil wir hofften , daß die Eisenbahnbeamten ebenso hohe Gehälter erhalten wie die preußishen. Denn die niedrigen Gehälter der Privatbahnen baben wesentlih dazu beigetragen, der Sozialdemokratie bei den Eisen- bahnbeamten den Boden zu bereiten.

Abo. Graf von Oriola (u. : Der Vertrag mit reiben war nothwendig, weil sonst in Oberhessen eine Entwicklung des Eisenbahn- wesens ausgeshlofsen wäre. Wir vertrauen darauf, .daß die preußische Verwaltung unseren Bedürfnissen gerecht werden wird. Wir fürchten uns nicht E ari gg pr denn eine 25 jährige Erfahrung beweist, daß Preußen das Recht seiner Bundesgenossen achtet. j

Abg. von Vollmar (Sos): ie Nationalliberalen repräsen- tieren niht einmal die öôffentlihe Meinung Hessens, geshweige denn ganz Süddeutshlands. Furt vor Preußen haben wir auch nit; aber was wir thun können, uns vor dem preußishen Beamten- R n dem, was damit zusammenhängt, zu behüten, das werden wir toun.

Die laufenden Ausgaben werden darauf bewilligt.

Von den einmaligen Ausgaben beaniragt die Kom- mission die Summe von 1 000 é zum Bau einer zwei- gleisigen, DONIPAEN Hauptbahn von Busendorf nah

illingen zu streichen. i

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Auch die Budgetkommission ift darüber nickt zweifelhaft gewesen, daß die Herstellung dieser Verbindung für die

wirthschaftlihen Interessen sowohl der Reichslande als auch der be-

treffenden Theile der preußischen Monarchie von hohem Nugen fein würde. Es kann au darüber kein Zweifel bestehen, daß diese Verbindung für

{en Standpunkt aus ihre hohe Be- deutung hat. Inzwischen is durch Verhandlungen mit der Dillinger Hütte festgestellt worden, daß dieselbe bereit ift, ihren Zushuß von 40000 A auf 100000 Æ zu erhöhen. Meine Herren, die ver- bündeten Regierungen legen einen sehr hohen Werth auf das Zustande- kommen dieser Verbindung und haben den dringenden Wunsch, daß das hohe Haus den Vertretern der Regierungen durch Zurückweisung dieses Titels an die Kommission die Gelegenheit geben möge, die Gründe in der Kommission noch einmal eingehend darzulegen, welche dafür sprechen, mit dem Bau dieser Bahn sobald als möglich zu be- ginnen.

Abg. Dr. Lieber (Zentr.) hält es für niht angebracht, diesen Wünschen der Regierung zu widersprechen.

Abg. Dr. Hammacher (nl.) befürwortet die Ueberweisung an die Kommission.

Das Haus beschließt demgemäß.

Danit ist der Etat der Eisenbahnen erledigt.

Es folgt das an die Budgetkommission zurückverwiesene Kapitel: Reichs-Versicherungsamt, aus dem Etat des Reichsamts des Jnnern.

Der Berichterstatter Abg. Dr. Lieber (Zentr.) weist darauf bin, daß das Reihs-Versicherungsamt von ge Bedeutung fei, welches für 18 Millionen Deutscher als oberster Gerichtshof für die sozial- politishe Versicherung fungiere, und berichtet ausführlich über die Verhandlungen der Kommission über die Frage, ob eine besondere Abtheilung geshaffen oder die Stellung des Amts zum Reichsamt des Innern geändert werden müsse, und empfiehlt s{ließlich die folgende von der Kommission beantragte Resolution:

„den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, in dem näwstjährigen Etat beim Reichs-Versicherungsamt einen Theil der remunerierten, E Beamten durh etatsmäßig angeftellte Richter zu er- eten.“

Abg. B rühne (Soz.): Die Unternehmer führen Beshwerde über die Lasten der sozialpolitishen Versicherung. Die kleineren Unter- nebmer haben vielleiht ein Reht dazu, aber im allgemeinen find die Lasten nicht erheblih. Es haben sich aber bezüglich der Arbeiter ge- wisse Verschiedenheiten herausgestellt, die es bedauern lassen, daß man nit in der Versicherungépfliht möglichst weit gegangen sei. Die Hausweber sind als versicherungépflichtig erklärt worden, aber nit als Arbeiter, sondern als Unternehmer. (Präsident Freiherr von Buol meint, daß die Invalidenversicherung nicht bei diejer Frage er- örtert werden könne.) Redner bittet, in den Rechnungsergebnissen der Invalider-Versicherungêanstalten davon Mittheilung zu machen, in wie vielen Fällen die Renten an die Gemeinden gezahlt seien, und bedauert, daß man eine Vertretung des Arbeiters vor dem Sghiedêgeriht niht zugelassen habe. Für die Rückzahlung der Bei- träge an sich verheirathende weibliche Versicherte sollte man die An- meldung der Forderung bei den Gemeindebehörden zulassen.

Abg. Graf von Kaniß (d. kons.): Bei der ersten Berathung der Unfallversiherungs-Novelle bat ih, daß möglihst bald die Novelle zur Invalidenversiherung vorgelegt werden möge, weil diefe viel dringender sei. (Präsident Freiherr von Buol unterbriht den Nedner mit der Mittheilung, daß die Borlage im Laufe der Sitzung eingegangen sei.) Der Präsident Bödiker hat auf dem Ver- bandstage der Industriellen dasfelbe behauptet, was ih vorgetragen habe, daß ein Nothstand besteht bezüglih der JInvalidenversicherung, der sih immer mehr vershärfen werde. Ich werde das, was ich parans zu sagen babe, bei der Berathung des eingegangenen Entwurfs vortragen.

Abg. Röside (b. k. F.): Ih will es unterlaffen, aus den Verhandlungen der Kommission Schlüsse zu ziehen, die fich in ent- gegengeleßter Richtung bewegen wie die der Vertreter der verbündeten

egierungen; es fann dies bei der zweiten Lesung der Novelle zur Unfallversicherung geshehen. Von persönlichen Differenzen zwischen dem Reichsamt des Innern und dem Reichë-Versicherungsamt habe ih niemals gesprochen, sondern nur von sahlihen Differenzen. Das Reichs-Versicherungsamt ist nicht allein ein oberster Gerichtshof, fondern auch eine zum theil wenigstens selbständige, endgültig entscheidende Verwaltungsbehörde. Die Berufsgenossenshaften haben auch für die Unfallverhüturg zu sorgen. Bedauerlih ist, daß troydem die Zahl der Unfälle ih vermehrt hat. Es muß aber noch mehr geschehen, und zur Förderung der Unfallverhütung sollte man ein Museum für Unfallverhütung einrihten und öffentlih zugänglich machen. Aber für die Unterhaltung wollte die Finanzverwaltung keine Gelder bewilligen. Durch diese Weigerung sollte sih aber der Staatssekretär des Innern nicht abhalten lassen, die Sache weiter zu verfolgen.

Staatssekretär des Junnern, Staats - Minister Dr. von Boetticher:

Meine Herren! Mit Rücksicht auf die übermäßig vorgeschrittene Zeit (Bravo!), und da ih auf allen Seiten des Hauses das Bestreben sehe, den Etat des Reichs-Versicherungsamts heute noch fertig ¿i machen, werde ih mi sehr kurz fassen. l

Was das Museum für Unfallverhütung anlangt, so hat der Verr

Vorredner ganz Recht, daß ih mih von vornherein für das Zustandc- kommen eines solhen Museums interessiert habe. Ich habe mit dem Herrn Staatssekretär des Reichs-Schaßamts, meinem sehr verehrten Herrn Kollegen, darüber korrespondiert; derselbe hat, worüber der Herr Vorredner sih auch bereits ganz zutreffend ausgelassen hat, Be- denken getragen, die von mir hierzu für erforderli gehaltene Summe zu bewilligen, und zwar aus einem Grunde, den id allerdings für recht beahtenswerth halte. Das ist nämlih der, daf ein solhes Museum, wenn es auf der Höhe der Zeit bleiben, und wenn es namentlich der Industrie und den Arbeitern den Nugten, den man si davon verspriht, wirklich hafen foll, fortgeseßt ergänit werden muß. (Sehr richtig! rechts.) Es muß immer die neuesien Einrichtungen auf dem Gebiet der Unfallversicherung aufweisen, und es muß infolge dessen fortgeseßt die alten, außer Gebrau getretenen oder durch weitere Erfindungen verbesserten Maschinen und Unfall- verhütungs-Vorrichtungen abstoßen. Der Herr Staatssekretär fürchtet infolge dessen, daß die Belastung, die das Reich sih mit der Ein- rihtung eines solhen Museums auferlegt, dohch eine etwas große and zur Zeit niht zu verantwortende werden könnte. (Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Ich gebe für meine Person die Weiterverfolgung d? Idee noh nicht auf, und ih werde mi freuen, wenn sich eine praktifche, dem Bedürfniß entsprehende und der Industrie und den Arbeitern zu gute kommende Einrichtung wird herstellen laffen.

Nun möthte ih aber noch eine Bemerkung machen zu den sonstige Ausführungen des Herrn Vorredners. Der Herr Vorredner hat den Gedanken einer Kollision zwishen dem Reichsamt des Innern und

dem Reichs-Versicherungsamt noch nit wulieben können, obwobl

er ist ja freilih nicht zugegen gewesen ich mich über diesen Punkt

in der Budgeikommission sehr deutlich und weitläufig ausgesprochen und den Eindruck gewonnen habe, daß meine Ausführungen au auf den Kreis der Zuhörer einen Eindruck gemaht haben. Meine Herren, von Kollisionen kann wirklich niht gesprohen werden. Einmal weise h e& weit zurück, daß zwishen dem Herrn Präsidenten des Reichs-Versiherungëamts und mir oder meinem Amt irgend welche persönlichen unfreundlihen Beziehungen bestehen könnten. Und was den Dienst anlangt, so kann man da überhaupt niht von Kollisionen sprechen. Da kann es wohl Meinungsverschiedenheiten geben; da können von der einen Seite Anträge an die vorgescßte Instanz gerihtet werden, deren Gewährung die legtere niht verant- worten zu können glaubt, aber von „Kollifionen“ ift im Dienste zwischen vorgeseßten und nahgeordneten Behörden überhaupt keine Rede. Nun läßt sich zwar sehr wohl die Meinung aufstellen, das Reichs-Versiherungsamt solle nah der Bedeutung seiner recht- \sprehenden und verwaltenden Thätigkeit auf einen höheren Etat gebracht, ein selbständiges oberstes Reichsamt werden. Aber, meine Herren, wenn man an die Ausgestaltung dieser Idee geht und die Herren, die. sich bisher darüber aus- gesprochen haben, seinen fie bei sich noh niht sehr vertieft zu haben wird man auf ganz kolossale Shwierigkeiten stoßen. Ich erwähne bier als Beispiel nur die eine S{hwierigkeit, die für mich ganz un- fiberwindlich ift, nämlih folgende. Wird das Reichs - Versicherungs- amt ein oberstes Reichsamt, wird der Präsident des RNeichs-Versicherungs- amts Staatssekretär, so muß er ad nutum amovibel sein; sobald ein neuer Reichskanzler kommt, muß er au in der Lage sein, si einen anderen Staatssekretär aussuhen zu können. Das geht aber wieder bei dem Präsidenten des Reichs - Versicherungsamts, als dem Präsi- denten eines obersten Gerihtshofes, nicht, weil dann das Vertrauen zu der Rehhtsprehung verloren ginge. Also, meine Herren, das find Dinge, die einmal nicht zu ändern sind.

Ich glaube sodann den Beweis geliefert zu haben, daß ih, was die äußere Stellung des Reichs - Versicherungsamts und seiner Mitglieder anlangt, keinen Versuch gescheut hake, um in dieser Beziehung den von mir für be- rechtigt gehaltenen Wünschen auch Rechnung zu tragen. Jch fann aber als Chef einer großen Verwaltung niht zu Gunsten eines einzelnen dieser Verwaltung unterstellten Ressorts vorgehen, sondern muß, wenn ih anders gerecht und billig verfahren will, immer die Parallele ziehen mit den anderen Aemtern, die meiner Fürsorge auch anvertraut sind. Wenn alfo in dieser Beziehung die Wünsche, die im Kreise der Freunde des Reichs-Versicherungsamts und zu diesen Freunden rechne ih mich auch gehegt werden, noch niht in vollem Maße in Erfüllung gegangen sind, dann wollen die Herren es ge- fälligst auf das Konto dieser Betrachtung schieben.

Ich habe und da möge mir der Herr Neferent gestatten, eine seiner Ausführungen zu berihtigen in der Kommission niht davon ‘gesprochen, daß die rehtsprehende Thätigkeit des Reihs-Versicherungët- amts in der Hauptsache erledigt sei, und daß auch seine Verwaltungs- thätigkeit erledigt sei, sondern ih habe in dieser Beziehung Folgendes ausgeführt. Ih Habe gesagt: auf dem Gebiet der Verwaltung?- thâtigkeit ist das Reichs-Versiherungsamt zur Zeit neuer organi- fatorisher Schöpfungen überhoben; die Berufsgenofsenschaften sind organisiert, die Versicherungsanftalten sind organisiert. Es bedarf also einer organisatorishen Thätigkeit zur Zeit, und solange nicht weitere Aufgaben an das Reichs - Versiherungsamt herantreten, nit. Was die rechbtsprehende Thätigkeit anlangt, fo liegt die Sale so, daß über die rehtlichen Zweifel, zu denen unsere Versicherungs-Gesetgebung Avlaß gegeben hat, seither eine Reihe von Entscheidungen des Reichs-Versicherungsamtes getroffen sind, und daß jeßt, wie man mir sagt, verhältnißmäßig nur selten noch der Fall vorkommt, der naturgemäß in den ersten Jahren seiner Thätigkeit außerordentlich häufig war, daß nämlih noh ein Zweifel von größerer Bedeutung in Bezug auf die Auslegung der Gesetze zu erledigen ift. Es kommt also jeßt bei der Thätigkeit des Reichs-Versicherungsamts überwiegend nur nech darauf an, den einzelnen Fall, der seiner Entscheidung unterstellt wird, in thaisähliher Beziehung festzustellen und darauf die bereits früher gefundenen und feststehenden Rechts- säße anzuwenden. Daß ih irgendwie die Verwaltungsthätigkeit oder die rehtsprehende Thätigkeit der Behörde, wie dies aus den Be- merkungen des Herrn Referenten vielleiht gefolgert werden könnte, in einem minderen Licht habe erscheinen lassen wollen, das ift mir nicht eingefallen; dagegen muß ih mich verwahren. In einem Augen- blickd, in welhem wir uns mit Geseßeêsvorlagen beschäftigen, die darauf abzielen, dies wichtige Amt de& Neichsdienstes von einem Theil feiner bisherigen Thätigkeit zu entlasten, fann man ernstlich über die Frage einer anderweitigen äußeren Stellung nit diskutieren, bevor man nicht weiß, was aus denjenigen Vorschlägen wird, die die verbündeten Regierungen bezüg- lih der fünftigen Geschäftsthätigkeit des Reichs-Versicherungsamts Ihnen unterbreiten.

Ich kann damit s{ließen. Mit der von der Budgetkommission vorgelegten Resolution will ih mich einverstanden erklären, auch die Hoffnung aussprechen, daß die verbündeten Regierungen dieser Resolution ihre Zustimmung ertheilen werden ; beides allerdings nur unter ciner Voraussetzung. Zur Zeit läßt sich der Resolution keine Folge geben, folange der § 90 des Unfallversicherung8geseßes in Kraft steht, der ausdrücklich aus\pricht, daß zu den Spruchsitungen des Reihs-Versiherungsamtes zwei rihterlihe Beamte zugezogen werden follen, also zwei, die im praktishen Richteramt stehen. Dieser & 90 foll aber nah den Vorschlägen unserer Novelle geändert werden ; und wenn er geändert sein wird, so ift gar kein Anstand mehr vor- handen, um dea Wünschen, die die Budgetkommission mit mir theilt, dahin gerecht zu werden, daß im Reichs- Versicherung8amt weitere etatsmäßige Stellen ausgeworfen und mit Mitgliedern beseßt werden, die die Qualifikation zum Richteramt besitzen.

Was den Antrag des Herrn Abg. Freiherrn von Stumm be- trifft, der zwar noch nicht begründet it, der ck aber sehr verständlit lautet, daß nämlich im Kap. 13a Tit. 12 hinter „zur Unterhaltung des Dienstgebäudes“ hinzugeseßt werden soll „und Gartens“, so kann ich mich mit diesem Antrag nur einver- standen erklären und dem Hause defsen Annahme empfehlen. Und so hoffe ih, daß der Etat weiter keine Anstände finden wird.

Abg. Dr. Pachnicke (fr. Vgg.) hält es für nothwendig, an-

gesihts der großen Bedeutung des Reihs-Versicherungsamts dessen Stellung zu heben.

Abg. W : Ein Mu Unfallverhütungs-Borrich- bun em Sas) sowohl Genn fie UnsaTpern au rie

Unternehmer, welche folhe Unfallverhütungs-Vorrichtungen herstellen, -

und für die Gewerbe-Aufsichtsbeamten; denn man muß wissen welche Vorrichtungen bereits vorhanden sind. Für das Museum follten ih au die Berufsgenossenschaften materiell interessieren.

Die Ausgaben für das Reichs - Versicherungsamt werden darauf E

Auch die Resolution wird angenommen.

Jn dritter Lesung genehmigt das Haus darauf den Ge- segentwurf wegen Abänderung des Geseßes, be- treffend die Be Ga Ene des Dienstlohnes, und den Gesehentwurf, betreffend die Kündigung und Umwandlung der 4proz. Reichs - An leihe.

Der Gesegentwurf über die Zwangsversteigerunc und Zwangsverwaltung wird in zweiter Berathung aut Antrag des Abg. Bassermann (nl.) en bloc einstimmig an- genommen, nahdem der Abg. Stadthagen (Soz.) erklärt hat, daß die Sozialdemokraten ihre Anträge wegen des Schußes der Bauhandwerker niht wiederholt hätten, weil die Regierung erklärt habe, daß eine Vorlage in Vor- bereitung sei.

Jn derselben Weise wird auf Antrag des Abg. Basser - mann der Entwurf einer Grundbuchordnung en bloc einstimmig angenommen.

Schluß 6 Uhr. Nächste Sißzung Montag, den 8. März. ete e wird ermächtigt, die Tagesordnung selbst fest- zujtellen.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 38. Sißung vom 26. Februar 1897.

E den ersten Theil der Sizung ist gestern berichtet worden.

Das Haus set die zweite Berathung des Staats- haushalts-Etats für 1897/98 bei dem Etat der land-

wirthschaftlichen Verwaltung fort. Die Einnahmen werden ohne Debatte bewilligt.

Bei den dauernden Ausgaben spricht

Abg. von Sanden - Tilsit (nl.) der Regierung für die Erhöhung des Meliorationsfonds seinen Dank aus und bittet den Minister, bei der Verwendung desfelben seiner Heimathprovinz das bisherige Wohlwollen erhalten zu wollen. Redner schildert ein- gehend die landwirthschaftlihen Verhältnisse von Ostpreußen und fommt dann auf den Antrag g uy die Debatten über die Seuchengefahr zurück. Im Antrage Ring stehe nicht ein Wort von Preissteigerung. Die Landwirthe wollten do gerade ihre Vieh- produïtion vermehren und das \tärkere Angebot {ließe doch die Preis- steigerung aus. Es gelte aber, die Verluste an Vieh dur die Ein- \{leppung der Seuchen zu verhindern. Von Dänemark gelange seuchen- verdächtiges Vieh bis nach Köln. Das Ziel des Landwirthschafts- ap müsse es sein, die inländische Viehproduktion wieder lohnender zu machen.

Abg. Gamp (fr. kons.): Ich danke dem Minister für die Er- flärung in seiner Denkschrift, daß der Getreidebau die Hauptsache in Deutschland sei. Durch die Ueberproduktion lassen sih die niedrigen Getreidepreise niht begründen. Wir müssen uns auf jeden Fall vor dem Eindringen des russishen Getreides {üßen, das durch den Ausbau unserer Kanäle gefördert wird und nach der Vollendung unseres Kanalneßes einen großen Preisfturz herbeiführen wird. Die Getreidezölle sind keine Finanzzölle, sondern Schußzzölle, und wir müfsen Maßregeln verlangen, daß der Shuß nicht beeinträchtigt wird dur die Zollkredite. Wir müssen nicht auf die Händler mit ausländishem Getreide, sondern auf die mit inländishem Getreide Nücksiht nehmen, welche sofort baar bezahlen müssen. Also auch vom Standpunkt unseres Handels müssen die Zollkredite beseitigt wer- den. Die gemischten Transitlager hâtten mit der Aufhebung des úFdentitätsnachweises zugleich aufgehoben werden müssen. Ich bestreite, daß ein nennenswerther Export nah dem Ausland aus den Transitlagern stattfindet. Der Minister hätte uns in feiner Denk- chrift Zahlen darüber mittheilen müssen. Von den Kornhäusern versprehe ich mir nihts, im Osten betheiligen sh die Händler nicht daran, und ich glaube, Herr von Graß wird nur zwei glückliche Tage haben: den einen, wenn das Kornhaus aufgemachht, und den anderen, wenn es zugemacht wird. Für das Geseß über die Auf- hebung des JIdentitätsnachweises kann Herr Rickert die Autorschaft nicht in Anspruch nehmen. Der Branntweinsteuer - Geseßgebung stimme ih zu, die Reichsregierung hat sich damit eine gute Steuer- quelle ershlossen, ohne die kleinen Betriebe zu tôdten. Der Konsum it allerdings zurückgegangen; wenn dies auch aus ethischen Gründen zu begrüßen ist, so hat es doch die landwirthschaftlihen Brennereien schr ge‘chädigt. Durch Erhöhung des Petroleumzolls müssen wir dem Spiritus als Ersay für Petroleum neuen Absay hafen. Auch das Zoeersteuergesez billige ih durhaus, wenn ih auch felbst daran kein Interesse habe. In N auf den E gegen die Viehseuhen wird der Minister unseren Wünschen hoffentlich jeßt mehr entgegenkommen ; ih wünsche nicht, daß der Antrag Ring ein ständiger Gast hier im Hause würde. Die Regierung ist bei Veterinär- maßregeln an die Handelsverträge nicht gebunden. Ich bitte die Verhandluugen darüber, daß der Landwirthschaft die Aufsicht über die Viehmärkte gestattet wird, möglichst zu beshleunigen; es giebt jeßt gar feine amtliche Preiënotierung auf den Viehmärkten. Wie Bayern müssen au wir eine staatlihe Viehversicherung einführen, wenn au gerade feine Zwangsversiherung. Ueber das Margarinegeseß wird jeßt hoffentlih eine Verständigung mit der Regierung erzielt werden. Statt der getrennten Verkaufsräume halte ich einen De- flarationszwang für die Margarine für wirksamer. Nah den Er- fahrungen beim Butterkriea 1893 kann man die Fälshungen der Butter mit Margarine niht mehr in Abrede stellen. Der Defkla- rationszwang ließe sh leiht durchführen. Der Minister wollte ihn für Bahnhofsrestaurationen niht einführen, aber die Eifenbahn- direkiion in Berlin und andere haben den Bahnhofsreftaurateuren vorge- schrieben, den Gebrauch von Margarine durch ein Plakat anzuzeigen. Der vereidigte Chemiker Bischoff hat die von Mohr ihm zugefandte Margarineprobe für 1,20 Æ pro Pfund als vorzüglicher als Butter begutahtet. Die vereidigten Chemiker fol E von einem folchen Eintreten für Private fernhalten. Herr Bi chof kann doch nicht wissen, ob dieselbe Margarine an das Publikum auch wirklich verkauft wird. Der L e kauft leider noch immer nit direkt vom Produzenten. Die „Freisinnige Zeitung“ klagte neulih darüber, daß der Staat eine Lieferung von einem Produ- zenten um 4000 M theurer gekauft habe, als er sie beim Händler bekommen konnte. Die „Freisinnige Zeitung“ hatte dabei aber das Malhbeur, den Preis der Tonne mit dem Preis für den Zentner zu verwechseln, der Unterschied war also ganz geringfügig. Das Geseß über die Futter- und Düngemittel is noch immer niht er- lassen. Wenn man sich nach Jahren nach folhen Dingen er- kundigt, sind die Dinge immer noch im Stadium der Verhandlungen. Dagegen. hat die Regierung das Bedürfniß nach Klein- und Wirth- \chafstsbahnen dankenswerther Weise zur Genüge befriedigt. Jch habe mit dem elektrishen Betriebe in Pommern sehr gute Sr lahrnngen gemacht und die Produktionskosten vermindert. Sehr drückend ist für den kleinen Landwirth die Bestimmung in der Unfallversicherungs- novelle über die Versicherung des Gesindes. Die Kosten für die soziale Gesetzgebung konnten wir der Landwirthschaft nur auferlegen, wenn fle sie vom Konsumenten wieder einziehen kann, was ihr infolge der

Herabseßung der Zölle nicht möglih if. Die Unfallverhütungs- Der ritten sind zum theil ganz unpraktisch. Durch die Kosten dafü

find \{on kleine Landwirthe ganz ruiniert worden. Der Landwirthf, - Minister muß diese Norschriften unter Anhörung der Landwirthschafts- kammern eingehend prüfen, damit nicht Hunderte von Leuten dur un- zweckmäßige Vorschriften ruiniert werden. Die Bestimmung des Bürger- lichen Gesegbuhs, daß der Seer des Viechs für alle Unfälle, die das Vieh verurfaht, ohne Rücksicht auf sein Verschulden haftet, ist durchaus {chädlich für den Landwirth und kann unter Umständen den kleinen Mann ganz ruinieren. Eine wesentlihe Frage für den Grund- besi ist die Verbilligung des Realkredits. Wenn der Staat für die Rheinkorrektion 30 Millionen ausgeben kann, fo kann er au einmal mit fünf Millionen dur seine Garantie den Versuch einer Zins- ermg der landschaftlihen Pfandbriefe ermöglihen. Sehr be- dauerlih ist, daß die Reichsbank die landshaftlihen Pfandbriefe niht als erstflassige Werthe anerkennt, obwohl sie absolut sicher find und fogar höher gestanden haben als die Staatspapiere bis zu dem Augen- blick, wo die Reichsbank die Pfandbriefe zu diskreditieren be- gann. Die Pfandbriefe müssen bei der Lombardierung den Staatspapieren gleihgestelt werden. Auf den landwirth- \chaftlihen Fortbildungs\hulen muß viel mehr Fachunterriht getrieben werden. Von den 1160 Lehrern sind aber nur 8 Fachlehrer, die übrigen sind Volks\{ullehrer. ie Arbeiterfrage wird jest in allen Provinzen brennend, auch der Westen wird den Bedarf an Arbeitern bald nicht mehr decken können. Ich will feine Beschränkung der Freizügigkeit, aber der Zuzug in die Städte muß wenigstens davon abhängig gemacht werden, daß die betreffende Familie eine gute, gesunde Wohnung hat. Die Altersversicherungs- anstalten geben den NONRR Ee En Darlehen und befördern fo die Entvölkerung des platten Landes , die Gesindevermiethung8bureaux Bn fonzessionspflihtig gemaht werden. Die Thronrede fm vorigen Jahre versprach alle Mittel zur Hebung der Landwirthschaft. Ich hoffe, die Negierung wird die‘es Versprehen erfüllen.

__ Abg. von Mendel-Steinfels (konf.) suht zunächst die Ur- sachen der gegenwärtigen landwirthschaftlichen Lage darzuthun, die auf das Sinken der Getreidepreise infolge der Konkurrenz des Auslandes hauptsächlich zurückzuführen sei. Die Denkschrift erkennt, führt Redner aus, das Sinken der Getreidepreise an. Eine weitere Ursache ist die Verseuhung unseres Viehbestandes durch das Ausland. Der Minister soll vor allem die Sperrung der Grenze erwägen. Die Quarantäneanstalten sind nur stationäre Seuchenzüchtungs-Anstalten. Wie weit sind die Verhandlungen über die Einführung einer einheit- lichen S auf unseren Schlachthöfen gediehen? Die Preise müssen von amtlicher Seite objektiv notiert werden; dazu muß eine entsprechende Klassifikation des Viehs kommen. Die alten Markt- ordnungen, namentlich auf dem Lande, bedürfen dringend der Revision unter Zuziehung von Vertretern der Landwirthschaft. Die Vor- schriften über die Beanstandung von Fleisch an den Konfumzentren müssen erweitert und erschwert werden. Für die Einrichtung von Freibänken bin ih nicht, aber das beanstandete Fleisch muß doch noch weiter fklassifiziert werden. Das vom Ausland kommende, befonders das fonservierte Fleisch muß ebenfalls der Fleishschau unterworfen werden. In 700 Städten haben wir bereits eine organifierte Fleischschau. Es ist ein Akt der Gerechtigkeit, daß das ausländische Fleis derselben strengen Kontrole unterworfen wird wie das inlän- dishe. In Mühlhausen i. Th. mußte kürzlich als trihinenfrei aus Amerika gekommene Cervelatwurst dem Konsum entzogen werden, weil fe stark trihinenhaltig war. Das amerikanishe Corned beef in Büchsen is das geringwerthigste Fleis, das es in Amerika giebt. Durch die Einfuhr der Pflanzenöle werden Speck und Fett für die Fleisher kaum noch verwerthbar. Im Auftrage meiner Fraktion bitte ih die Regierung, im Bundesrath dahin zu wirken, daß eine Kontrole der ausländischen Fleischprodukte herbeige- führt wird. Ebenso wünschen wir ein Geseß zur Bekämpfung der Ver- fälshung der Futterstoffe und Düngemittel, womöglich noch in dieser Session. Namentlich der kleine Landwirth steht der Ueberschwemmung mit diesem unerhörten Schund s{chußlos gegenüber. Andere Staaten, wie Belgien und Frankreich, sind uns {hon vorangegangen. Den Fort- bildungsunterriht in Preußen obligatorisch zu machen, halte ih nit für möglich da, wo es keine ges{chlossenen Dörfer giebt. Der Fach- unterriht gehört nit in die Fortbildungss{ule; die Fortbildungs- \{hulen müssen den Elementarunterricht vertiefen und den Sinn für Religion, Moral und Vaterland heben. Die Zuschüsse für Meliorations- zwede sollten aud im Westen eiwas ergiebiger fließen. Die Seuchen- gefahr muß wissenschaftlich untersucht werden. Die Thierärztlichen Hochschulen sind überlastet genug; es muß eine seuhenypathologishe An- stalt begründet werden, aber nicht in Berlin, fondern in der Provinz. Ich frage die Regierung, ob sie die Gründung einer solchen Anstalt beabsichtigt.

Regierungs-Rath Dr. Müller: Die Regierung erkennt die Noths- wendigkeit einer Reform der Preisnotierung auf unseren Viehmärkten an. Die Landwirthschaftskammern find aufgefordert worden, über diese Frage zu berichten. Die Berichte der Kammern find erst vor furzem an die Regierung eingegangen und werden jeßt bearbeitet und dann die Grundlage für die fommifsarishe Berathung zwischen den Ministerien bilden. Im nähsten Jahre hoffen wir weitere Mit- theilungen machen zu fönnen. Ueber den Verkehr mit Dünge- und Futtermitteln und Sämereien ist jeßt ein neuer Entwurf in Be- arbeitung.

Abg. Szmula (Zentr.) macht darauf aufmerksam, daß der Ausbau des russischen Eijenbahnnetzes und die Regulierung der Ströme unsere Landwirthschaft {wer shädigen wird durch Erleihterung der russischen Konkurrenz. Die Ansicht des Abg. Gamp über die Korn- häuser theile er niht, dagegen wünsche er ebenfalls ein Entgegen- kommen der Reichsbank bei der Lombardierung der [land- schastlihen Pfandbriefe. Durch die Einführung eines Wollzolles und einer Exportbonifikation, ähnlich wie beim Spiritus, würde der Landwirthschaft ein großer Vortheil entstehen. Die Milchwirth- schaft werde der Landwirthschaft zu theuer, weil es an Mägden fehle und ‘die Schweizer zu theuer seten. Daß das Geseyß über die Se vorbereitet werden foll, fei erfreulid, aber die s{hlesishen

andwirthe hätten sih {hon zu Genossenschaften für den Bezug von Dünge- und Futtermitteln organisiert, um die Betrügereien zu ver- hindern. Wie groß der Arbeitermangel fei, zeige die zunehmende Verwendung von polnischen Arbeitern. Diese ganz harmlosen Arbeiter würden aber über die Grenze gewiesen, nahdem sie aufs peinlichste untersucht, gemessen seien u. f. w.; dadurch mache sih eine Behörde doch bloß [ächerlih. Wir können, {loß Redner, unsern Bedarf an Ge- treide selbst produzieren, aber die Regierung muß uns helfen, Arbeiter zu bekommen ; das ist auch eins der kleinen Mittel zur Hebung der Landwirthschaft.

__ Abg. Hansen -Oldenburg (fr. konf.) wünscht die Errichtung einer Zentralstelle für die Landwirthschaftskammern. Dem Minister selbst müsse es angenehmer sein, mit einer solhen Zentralstelle zu ver- kehren, als mit allen einzelnen Kammern. Der Minister solle damit vorgehen, sobald die drei leßten Provinzen, Hannover, Westfalen e a zur Bildung von Landwirth|chaftskammern ver- anlaßt seien.

n Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- stein:

Meine Herren! Jch kann die an mich gestellte Frage beant- worten. Aus der Provinz Schleswig - Holstein erging der Antrag an die landwirthschaftlihe Verwaltung, zunächst die drei Provinzen Han- nover, Westfalen und Rheinland gegen ihren Willen zur Errichtung von Landwirthschaftskammern zu veranlassen. Wenn das geschehen sei, sei eine zentrale Organisation für die Landwirthschaftskammern sämmtlicher Provinzen herzustellen. Meine Herren, die Königliche Staatsregierung beabsichtigt z. Zt. nicht, die genannten drei west- lichen Provinzen gegen ihren Wunsch und Willen zur Errichtung von Landwirthschaftskammern zu zwingen. Ich persönlich bin allerdings überzeugt, daß sie in nicht zu ferner Zeit den Entschluß fassen werden,