1819 / 21 p. 1 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Sat, 13 Mar 1819 18:00:01 GMT) scan diff

Der Zweck dieser Schrift , die Landes - Verfaßung einer Provinz, das Geschichtliche und noch Bestehende derselben ans den Quellen der Landesgeschichte fennen zu lehren, verdient an sich son eine danéfbare Aner- kennung. Mehr noch, wenn, w!e der Verfaßer der angeführten Schrift von sich selbst sagt, die redliche Absicht den Personen und Dingen ihr Recht zu laßen, die Untersuchung leitete. _ Bei der allgemeinen Theilnahme für diesen Gegen- stand, bei der, vielfältig ausgesprochenen Absicht, frü- here Provinzial - Verhältniße zu berücfsichtigen , schien es angemeßen, aufmerfsam zu machen auf diese sto eben erschienene Landes und in der Absicht, wirksam für das Wohl der Provinz zu werden, abgefaßt ist. Wie abweichend aber auch die Ansichten der Leser von denen des Verfaßers seyn mögen: so läßt sich do mit einiger Zuversicht erwarten, daß diese Schrift, bei dem Reichthum der Gegenstände und ihrer Behandlungs- art, in so mancher Hinsicht , nicht ohne Jutereße werde gelesen werden. 14 : Wie sich das Verfaßungswefen 1n dem Herzogthum Westfalen entwickelt, fortgedildet, und was. sich davon noch erhalten, das hat der Berfaßer in 5 Zeitabschnit- ten dargestellt. 158 : Zuvörderst macht er in einer Einleitung auf die unhistorische Richtung der Zeit, als schädlich den Rech: ten der Fürsten und Völker, aufmerksam. Jrrig sey es „den Zustand der Rechtlosigkeit einem fingirten Vertrage zuzuschreiben, den nur Gemaitr gründen und halten fônne. arti vs __ Die Gewalt fönne, das Recht solle nie aufhô- ren. Daraus ergaben sich für den Verfaßer nachste hende Folgesäte: ) | 1) Daß Stärfe nie der Grund geseßlicher Gewalt seyn dürfe. is as , ' i _2) Daß sie, selbst hinfällig , keine Verfaßung grün- “den tönne, die binden und ordnen soll. 5) Daß die Verfaßung, die Fürst und Voik verbin- “den soll, nicht erfunden, nicht geschaffen werde. 4) Daß sie nur dann dauerhaft und gerecht seyn éónne, wenn sie in der Geschichte der Vergan- genheit und Gegenwart, und der Eigenthümlich- keit des Volks gegründet sey. is Mi

5) Das sey das Heilsame der Provinzial : Verfas: sungen, daß sie auf dem Vorhandenen, dem ee und dem Boden der Geschichte gegrUn: det seyen.

Wie die historishe Ansicht und die Anwendung hi- ftorischen Wißens , deßen Gegenstand sowohl das Wirk: liche als das Geschehene ist, auf das Verfaßungswe- sen eines Landes einwirken könne, darüber wird man sich nur verständigen, wenn män die Natur und das Wesen. der Geschichte in dieser Beziehung näher 'ins Auge faßt. Als wißenschaftliche Darstellung: des Wirk: lichen, sowohl des Vorhandenen , als des Géschehenen, wird die Geschichte als die sicherste Führerin im Ge- biete der Erfahrung angesehen werden müßen. Sie allein wird die Anläße der Entstehung, den Zusam- menhang, die Einwirkungen, die Foigen, die Dauer ge- wißer Justitutiónen der Geselischaft, die Eigenthüm-: lichkeiten eines Volks nachzuweisen im Stande seyn.

“Mittelst richtiger Beurtheilung und Benuzung der Einsicht in den Gang satt géfundener geselschaftli- her Einrichtungen , wird sie angeben, wie diese und warum sie nah der Zeit und den Verhältnißèn gerade s0 geworden , und wie sie haben zu Stande fommen können, As i

“Belehrend und warnend wird sie bei einem zeitge- mäßen Aufbau einer Verfaßung, mit dem Scha6 ihrer Erfahrungen, der Vernunft zur Seite stehen.

Sweckmäßig werden diese Materialien der Geschichte aber nur dann benuyt werden, wenn in einer Ver: faßung die Foderungen der Zeit, die Bildungstufe der Gesellschaft berücksichtiget wird; wenn richtige Urtheile und Folgerungen, aus Vergangenem erkennend das

Darstellung, die mit Kenntniß des *

, ruhen müsse.

Zeitgemäße, dieses auf der Idee des Rechts gründen? Nicht dadurch, wie viele meinen, daß eine Verfaßung? um auf der Gesc{ichte gegründet und mit ihr ver: wurzelt zu seyn, nothwendig läng Atgestorvenes in sich aufnehmen ; daß sie germaniscy seyn müße, weil nur das geschichtlich, was aus der Vei gangenheit entz lehnt, wenn es auch für die bestehenden Social- Ver- hältniße unbrauchbar geworden.

_ Die Verfaßungen sollen das Werk allmähliger Ent- wickelung seyn, mit zeitgem per Anwendung der Ver: faßungs : Grundsäße entworfen werden. Aber der Ent: wicklungs - Prozeß in dem politis.yen Leben der BVól- ker ist ein neu Hervorgehendes , aus den Bedürfnißen und der Fortbildung derselben, kein Rücschreitendes.

Das Zurückfodern des Abgelebten , namentlich des: | sen, was aus dem Feudalverhältniß hervorgegangen, |

erscheint daher selbsi als ungeschichtlich, da die Ge:

schichte nie ein Stillstehendes, immer ein Wechseln:

des und Bewegliches ist.

Wie ließe sih üderhaupt, aus\chließungsweise, nur |

das geschichtlich nennen, was germanisch ijt, was das Mittelalter entstehen- sah. Haben sich denn nicht alle unsere Kenntniße, unsere gesellschaftlichen Verhält: niße, Staats - Einrichtungen, geschichtlih entwicelt ? Hangen wir nicht gleichsam durch Erbschaft mit der Vergangenheit innig zusammen? Steht uns ein min- deres Recht zu, unsere geseüschaftlichen Justitutionen zeitgemäß, nach unfern Berhältnißea, Einsichten und Bedürfnißen zu formen, als unseren Altvordern? Kann

uns ein Gedeihliches und. Frommendes nur aus alten

Wurzeln , aus einem abgestorbenen Stamme erblühen ?

Wollte man sich aber auch für die praktische Un- |

wendung starr dem Alten zuwenden , das Mittelalter wieder erstehen laßen, oder nur an einzeinen früher bestandenea Einrichtungen anknüofen, auf dieser Un- teclage, was die Zeit fodert, neu bauen: wo wirde ein Vereinigungspunkt der verstiedenen Meinungen und Jntereßen gefunden werden können? Wer möchte sich aub, wenn nun einmal der Geist der Verfaßung in diesem Sinne überhaupt historisch syn soll, dafür verbürgen, daß. niht Steuerfreiheit des Adels ge- wünscht ? Vertretung der Bauern, geseizlich geregelte Preßfreiheit entbehrlih geglaubt würden? Daß auch Herstellung der Fideikommiße, !!ntheilbarteit der VÜ- ter, Unabhängigkeit und Deffeutlichkelt der Gerichte, allgemein als heilbringend erkannt roerde? Daß aber nur Verfaßungen, aus geschichtlichen Wurzeln en: sproßen, dauerhaft seyn éónnen, widerlegt selbst die Geschichte, da die Verfaßung von Nortameriïa schon seit einer Reihe von Jahren glücklich befießt.

_ Nicht um den Werth der Geschichte für das Ver- faßungs8wesen überhaupt verfennen zu wollen, von dem sie Hülfbeistand, und innerhalb des Gebietes der (Er- fahrung, als Führerinn und Rathgeberina benußt werden möge, sey dieß gesagt.

Nur einer Ueberschäß»ng und einer-Nichtung, die der Feudal - Verfaßung zugewendet, sollte begegnet werden.

Ausgehend von einer höhern Ansicht, muß das Verfaßungswerk, auf dem Göttlichen im Men schen, auf der Vernunft und der Jdee des Rechts gegrün» det werden.

Nur dann läßt sich etwas allgemein gültiges, dauerndes gründen , und mit Zuversicht erwarten.

ter dem Wechsel des Geschichtlichen ein Streben nah diesom Höheren dauernd geblieben.

Denn auch da, wo sich geschichtlich das Gegen- theil entwidckelte, hat sih das ewig Wahre in der dee erhalten : daß allein durch die Sitten die Gesell: schaft erhalten werde, daß persönliche Freiheit, daß die Jdee des Rechts, daß vor allem Religion die Grundpfeiler seyen, auf welchen jede Staatsverfaßung (Der Beschluß folgt. )

Druckfehler.

/ Zeile 10 von unten, leseman 35 statt 22.

Allgemeine

Preußische Staats: Zeitung.

mp Or

21 Stü. Berlin, den 13ten März 1819.

I. Amtliche Nachrichten.

Kronik des Tages.

Berlin, vom 11. März. Durch den Staats- Kanzler Fürsten von Hardenberg find heute dem Staatsminister und General 5 Lieutenant Grafen von Lottum die Geschäfte des Ministerii des Schatzes und für das Staats - Kredit - Wesen, so wie auch die der General : Kontrolle, als nunmehrigem Chef dieser Behörden übergeben worden. Der wirkliche Geheime Ober : Finanzrath von Ladenberg verbleibt in sei: ner Dienfststellung in Folge der yon des Königs Majestät allerhöchstselbst vollzogenen neuen Instruk: tion für die General : Kontrolle vom gten d. M.

Der wirkliche Geheime Ober - Finanzrath N other bleibt in Gemäßheit der Kabinets : Ordre vom gten b. M. als Direktor in seinen Funktionen bei dem Ministerio des Schaßes, und find seiner speciellen Leitung die Geschäfte der Abtheilung für die See: handlung und das Staats: Schulden : Wesen anver: traut worden,

Seine Majestät der König haben dem von dem Major außer Diensten von Zydowig an Kin: des Statt angenommenen Rittmeister Karl Heinrich Albrecht John zu gestatten geruhet, Namen, Stand und Wappen des von Zydowißischen Geschlechtes annehmen und führen zu dürfen.

Seine Majestät der König haben dem Salz: faftor Hauptmann Ulfert zu Kreuzburg in Schle:

sien das allgemeine Ehrenzeichen erster Klaße zu ver- leihen gerußet.

Der Kammer - Gerichtsrath Scheffer is zum Syndikus der hiesigen Universität ernannt worden.

Des Königs Majestät haben geruht, mittelst allerhöchsten Kahinetsbeschlußes vom 1. d. M. die Kommendatur : Abtey Wagrowice dem Dompyrobst v. Miaskowsky zu Posen zu verleihen.

Des Königs Majestät haben den zeitherigen Adjunktus der juristischen Fakultät der Universität zu Greifswalde, Dr, Gesterding, zum ordentlichen Pro- feßor der Rechte an eben derselben zu ernennen geruht.

Der zeitherige Privatdocent hei der Universität zu Berlin, Dr. Barkow, ist zum außerordentlichen Pro: feßor der Rechte an der Universität zu Greifswalde er-

| nannt wqrden,

Der Justiz- Kommißarius Karl August Störmer zu Elbing ist auch zum Notarius publicus im De- partement des Oberlandesgerichts zu Marienwerder bestellt worden.

Heute wird das 4te StúE der Gesessamlung auëgegs hen, welches enthält unter :

No. 519. die Uebereinkunft wegen einer Húlfsmilitair- firäße die Königl. Preuß, Truppen dur) das Für- stenthum Lippe, vom I8. Juni und 25. Auguft 1818, ratifizirt den gten Oktober desselben Jahres,

Bexlin, den 11. März. i

Königl. Preuß, Debit - Komtoir für die Allgemeine : Geseßsamlung.

I, Zeitungs-Nachrichten.

Paris, vom 5. März. Unsre politischen Blätter

Auch zeigt die Geschichte vergangener Zeiten, daß un: | j sind mit den Erörterungen über die Motion des Mar: quis Barthelemy wegen Abänderung des Wahlge- sezes angefüllt, und die öffentliche Theilnahme ist aus: H shließlih auf diesen Gegenstand gerichiet, in roeclchem } man einen ofnen Angrif des Adels guf das Volk zu erblickden glaubt. Da Lally Tollen dal früherhin j geäusert hatte, daß er, wenn die Motion auf nament: " lich bestimmte Mängel des Wahlgeseves gerichtet werde, * vielleicht beitreten dfirfte, und Barthelemy nun-

Srück 17, Beilage, Seite 1, | | i R _" | tnehr drei solcher Mängel namhaft gemacht hatte, st0

erflärte er sih geneigt, dafür zu stimmen, daß man diese drei Mängel in nähere Ueberlegung ziche, sobald der Antrag an den König sich darauf beschränke, ihn ehrerbietigst zu bitten, einen Geseß- Entwurf an die Kammer gelangen zu laßen, des Inhalts; „Gesetz, um die Ausführung des Wahl - Geseßes vom 5. Februar 1817 zu befördern, die Ausübung des Wahlrechts allen Wahlberechtigten zu erleichtern, und "diejenigen davon auszuschließen, welche die erfoderten Eigenschaf- ten nicht besien, auch die zur Ausübung des Wahl: rechts durch das Geseg selbst yvorgefchriebenen Bedin-